Freiwilliges Soziales Jahr Politik Jahresbericht - SPD-Fraktion im ...
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<strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
01.09.2010-31.08.2011<br />
<strong>Jahr</strong>esbericht<br />
Einsatzstelle:<br />
Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />
<strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />
Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 1<br />
30159 Hannover<br />
Fabian Daniel Claussen<br />
Hauptstraße 56<br />
27624 Kührstedt/Alfstedt
Inhaltsverzeichnis<br />
I. Motivation für ein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> ...................................................... 1<br />
II. Profil der Einsatzstelle: Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag ....... 2<br />
III. Meine Tätigkeiten: Eine Übersicht .............................................................................. 3<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> erhält junge Verstärkung ...............................................................................5<br />
1. Wer ich bin und was ich hier mache .............................................................................6<br />
2. Mein Start in das Landtagsleben ...................................................................................7<br />
3. Einstiegsseminar ins FSJ <strong>Politik</strong> .....................................................................................9<br />
4. Parlame ntarische Initiativen – Die Theorie .............................................................. 12<br />
5. Parlamentarische Initiativen – Die Praxis ................................................................... 14<br />
6. Vielfältige Arbeit <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> ................................................................................... 16<br />
7. Die Schlacht zu Meppen – „Orientierungsseminar“ <strong>im</strong> Emsland ............................... 19<br />
8. Von misslungener <strong>Politik</strong> – Ein Kommentar ............................................................... 21<br />
9. Freie Bildungstage <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> ................................................................................ 22<br />
10. Grenzenlose Freiheit – Jugendbegegnung in Polen Teil 1 .......................................... 23<br />
11. Freiheit und Flashmob – Jugendbegegnung in Polen Teil 2 ....................................... 26<br />
12. Wort des <strong>Jahr</strong>es: Plagiat – Ein Kommentar ................................................................ 30<br />
13. Fachkräftemangel, International School und innovatives Bauen .............................. 31<br />
14. Märzplenum: Zwischen ideologischem Protektionismus und Populismus ................ 33<br />
15. Von Mundarten und Unarten ..................................................................................... 37<br />
16. Eine gute Woche für die <strong>SPD</strong> in Niedersachsen ......................................................... 38<br />
17. Utopien, Entwürfe, Skizzen – Gesamtseminar des FSJ Kultur/<strong>Politik</strong> ........................ 41<br />
18. Die Tour der Teilhabe ................................................................................................. 45<br />
19. Die vergebliche Suche nach Verantwortung und Frieden .......................................... 47<br />
20. Abschlussseminar: Zwischen Geschichte und Zukunft ............................................... 50<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Vorwort ........................................................................................................................... 53<br />
Erster Tag am 13. Mai 2011 in Hannover-Linden ............................................................. 54<br />
Zweiter Tag am 6. Juni 2011 in Osnabrück und <strong>im</strong> Landkreis Nienburg ........................... 56<br />
Dritter Tag am 9. Juni 2011 in den Landkreisen Northe<strong>im</strong> und Hameln-Pyrmont ........... 60<br />
Vierter Tag am 10. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Gifhorn und in Braunschweig ....................... 65<br />
Fünfter Tag am 14. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Heidekreis und in Salzgitter ......................... 70<br />
Sechster Tag am 23. Juni 2011 in den Landkreisen Osterholz und Cuxhaven .................. 72<br />
Siebter Tag am 24. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Peine und in Wolfsburg ................................ 74<br />
Fazit des Hauptprojektes und Nachwort .......................................................................... 78<br />
VI. Reflexion des Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong> ............................................................ 80<br />
VII. Danke ................................................................................................................................. 81
I. Motivation für ein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Nach der Abi-Zeit wollte ich vor der Aufnahme eines Studiums zunächst etwas völlig anderes<br />
machen. Im Rahmen des Zivildienstes habe ich mich bei der Agentur für Arbeit beraten lassen,<br />
welche Tätigkeiten man stattdessen machen könne. Mir schien es nämlich sinnvoller zu sein,<br />
wenn, dann ein ganzes <strong>Jahr</strong> bis zum Studium zu überbrücken. Bei der Agentur für Arbeit erfuhr<br />
ich vom Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong>, das es in Niedersachsen erst seit 2009/2010 gibt.<br />
Sogleich war ich Feuer und Flamme für diese Option.<br />
Schon seit etwa der 8. Klasse interessiere ich mich für <strong>Politik</strong>. Der <strong>Politik</strong>unterricht hat dies noch<br />
verstärkt, sodass ich mich <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e 2006 dazu entschied, ein Praktikum <strong>im</strong> Rahmen des<br />
Programms „Schüler begleiten Abgeordnete“ zu machen. Im September 2006 begleitete ich den<br />
damaligen <strong>SPD</strong>-Abgeordneten Claus Johannßen eine Woche lang zu sämtlichen Sitzungen.<br />
Interessant und spannend empfand ich die politische Interaktion <strong>im</strong> Parlament und drum herum.<br />
Das Praktikum hat mich bekräftigt, „am politischen Ball zu bleiben“ und dies später auszubauen.<br />
<strong>Politik</strong> wählte ich als eines meiner Prüfungsfächer <strong>im</strong> Abitur. Der Unterricht in der Oberstufe hat<br />
mich noch intensiver für die Strukturen von <strong>Politik</strong> und Gesellschaft sensibilisiert. Nun wollte ich<br />
endlich einen Blick hinter die Kulissen politischer Prozesse werfen, wie zum Beispiel die Wege<br />
von der Meinungsbildung bis zur Verabschiedung von Gesetzen <strong>im</strong> Parlament in der politischen<br />
Praxis aussehen.<br />
Hinzu kam, dass ich berufliche Erfahrung sammlen wollte. Außerdem war ich darauf gespannt, in<br />
einem richtigen Betrieb zu arbeiten und die Betriebsabläufe kennenzulernen sowie sich selbst in<br />
die Sozialstruktur des Betriebes zu integrieren. Ganz klar ist, dass ein solches <strong>Jahr</strong> sehr prägt und<br />
zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, gerade wenn es auf arbeitstechnische und soziale<br />
Kompetenzen ankommt. Endlich auf eigenen Beinen zu stehen und sein eigenes Geld – wenn<br />
auch nur ein Taschengeld – zu verdienen, waren auch Motive ein FSJ zu machen. Da ich noch<br />
nicht wusste, was ich genau machen wollte <strong>im</strong> späteren Leben, war mir das Profil des FSJ <strong>Politik</strong>,<br />
das sehr auf Berufsorientierung ausgelegt ist, sehr recht.<br />
Obwohl ich nicht einmal wusste, dass meine Wunsch-Einsatzstelle, die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />
Landtag, dabei war, habe ich mich <strong>im</strong> Januar 2010 bei der Landesvereinigung<br />
Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V. (LKJ) für das FSJ <strong>Politik</strong> beworben. Anfang Mai,<br />
nach einem Bewerbungsgespräch mit dem Geschäftsführer des <strong>Fraktion</strong>sbüros, Dr. Cornelius<br />
Schley, stand es fest: Ich würde vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 ein FSJ <strong>Politik</strong><br />
bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag absolvieren. Damit war ich auch gleichzeitig<br />
der erste FSJler der <strong>Fraktion</strong>.<br />
Im Folgenden möchte ich mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> dokumentieren. Zunächst werde<br />
ich näher auf meine Einsatzstelle, das <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion Niedersachsen,<br />
eingehen. Anschließend folgen eine grobe Beschreibung meiner Tätigkeiten in der Einsatzstelle<br />
und die Dokumentation meines Hauptprojektes <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>. Danach schließen sich die Einträge<br />
des Tagebuches, das ich auf der Internetseite der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />
Landtag geführt habe, an. Dort sind beispielsweise politische Texte und Erfahrungsberichte von<br />
den verschiedenen Seminaren <strong>im</strong> FSJ zu finden.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 1
II. Profil der Einsatzstelle: Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong><br />
Niedersächsischen Landtag<br />
Das <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüro unterstützt die politische Arbeit der Abgeordneten <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />
Landtag, die sich zur <strong>Fraktion</strong> der <strong>SPD</strong> zusammengeschlossen haben, in inhaltlicher<br />
und struktureller Hinsicht. Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ist universeller Ansprechpartner für die<br />
Positionen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, hier wird die politisch-inhaltliche Arbeit gebündelt und durch fachliche<br />
Kompetenz unterstützt. Besonders der <strong>Fraktion</strong>svorstand wird durch die Arbeit der Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen unterstützt.<br />
Die Aufgaben des <strong>Fraktion</strong>sbüros<br />
sind vielfältig, es werden<br />
die einzelnen Arbeitskreise koordiniert<br />
und fachlich begleitet<br />
und die entsprechende<br />
Öffentlichkeitsarbeit gewährleistet.<br />
Auch Recherchearbeit,<br />
Netzwerkarbeit und Eventmanagement<br />
gehören zu den<br />
Aufgaben der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter.<br />
Geleitet wird das <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong>sbüro von Dr.<br />
Mein Arbeitsplatz <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />
Cornelius Schley, der sich eng<br />
mit dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden der <strong>SPD</strong>, Stefan Schostok, und der parlamentarischen Geschäftsführerin<br />
der <strong>SPD</strong>, Johanne Modder, abst<strong>im</strong>mt. Das Team der politischen Referentinnen und<br />
Referenten bildet den Kern der inhaltlichen Arbeit. Jedes Referat betreut best<strong>im</strong>mte politische<br />
Themen für die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>. Dort werden thematische Schwerpunkte inhaltlich vorbereitet,<br />
Abgeordnete fachlich beraten und die jeweilige Pressearbeit geleistet. Einen Großteil der Arbeit<br />
besteht darin, politische Texte zu verfassen, wie Gesetzentwürfe, parlamentarische Anfragen,<br />
Reden, Pressemitteilungen oder Grundsatzpapiere. Auch Veranstaltungen <strong>im</strong> jeweiligen<br />
Themenbereich werden dort organisiert. Neben dem Referentenkreis gibt es noch das Team der<br />
weiteren Mitarbeiterinnen und das Team für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, an<br />
dessen Spitze der Pressesprecher steht.<br />
2 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11
III. Meine Tätigkeiten: Eine Übersicht<br />
Allgemein<br />
Zu Beginn meines Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong> habe ich mir einen thematischen Überblick<br />
über die einzelnen Fachbereiche erarbeiten können, indem ich mit jeder parlamentarischen<br />
Referentin und jedem parlamentarischen Referenten eine Woche lang zusammengearbeitet habe.<br />
Außerdem habe ich zusätzlich eine Woche lang <strong>im</strong> Pressereferat verbracht, um ein Gefühl für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit zu erlangen. Über diese ersten Wochen habe ich auch in meinem zweiten<br />
Tagebucheintrag geschrieben. Nach dieser Orientierungsphase habe ich in den unten aufgelisteten<br />
<strong>Politik</strong>feldern einzelne Themenbereiche bearbeitet.<br />
Die fast tägliche „Morgenrunde“, in der die Öffentlichkeitsarbeit erörtert und über dringliche<br />
Dinge der <strong>Fraktion</strong> und aktuelle Entwicklungen in der Landespolitik gesprochen wurde, war in<br />
meinem Alltag in der sogenannten „Einsatzstelle“ ein fester Termin. So habe ich den Dioxin-<br />
Skandal, die Atomwende und die Einführung der Oberschule unter politischen Bewertungskriterien<br />
live miterlebt. Hinzukommen die EHEC-Erkrankungen und die Skandale um die ehemalige<br />
Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU). Auch die Plagiatsaffären um<br />
Herrn zu Guttenberg (ehemaliger Bundesverteidigungsminister, CSU) und Herrn (Dr.?)<br />
Althusmann (Niedersächsischer Kultusminister, CDU) waren während meines FSJ ein großes<br />
politisches Thema. Zum Thema Plagiat habe ich beispielsweise etwas in meinem Tagebuch geschrieben.<br />
Des Weiteren habe ich an sämtlichen Sitzungen des <strong>Fraktion</strong>svorstands und der gesamten<br />
<strong>Fraktion</strong> teilgenommen. Zusätzlich war ich bei Klausuren des <strong>Fraktion</strong>svorstandes <strong>im</strong> November<br />
2010 in Hannover und vom 03.-05. Mai 2011 zur <strong>Fraktion</strong>sklausur auf Norderney dabei (siehe<br />
Tagebuch). An einigen internen Facharbeitskreissitzungen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> habe ich teilgehabt<br />
und bekam so einen vertieften Einblick in die politische Praxis. Zudem habe ich zu Beginn des<br />
Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es einigen Ausschusssitzungen des Landtages beiwohnen können. Einen<br />
intensiven Einblick in die politische Kultur vermittelten natürlich die Plenarsitzungen des Niedersächsischen<br />
Landesparlaments. Zu allen Tagesordnungspunkten des Landtages, die für meine<br />
Arbeit relevant waren, war ich <strong>im</strong> Plenarsaal anwesend.<br />
Bildung und Wissenschaft<br />
Im Referat für Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturpolitik bei Ute Wormland habe ich an der<br />
Broschüre „Gute Schule“ mitgearbeitet. In dieser Broschüre sind die Vorstellungen der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> zur Schulpolitik enthalten. Außerdem habe ich für Dr. Gabriele Andretta, wissenschaftspolitische<br />
Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, in zwei Untersuchungen Sozialerhebungen des<br />
deutschen Studentenwerks nach best<strong>im</strong>mten Kriterien analysiert. Für Frauke Heiligenstadt,<br />
schulpolitische Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, habe ich an einer Präsentation zur neuen Schulform<br />
„Oberschule“ mitgearbeitet. Außerdem habe ich <strong>im</strong> Kultusbereich zwei Untersuchungen zu<br />
Elternbefragungen ausgewertet und mit dem Programm Powerpoint aufgearbeitet. Elternbefragungen<br />
wurden in einigen Kommunen durchgeführt, um den Bedarf an weiterführenden<br />
Schulen und Schulformen <strong>im</strong> Hinblick auf IGS´en zu ermitteln.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 3
Integration und Inklusion<br />
4 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Bei Heinrich Heggemann, dem Referenten für <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familien- und Gesundheitspolitik,<br />
der auch für den Bereich der Integration zuständig ist, habe ich mich mit dem Thema<br />
Integration auseinandergesetzt, an Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Integration der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> teilgenommen und schließlich mein Hauptprojekt dem Thema Teilhabe von Zugewanderten<br />
gewidmet (siehe Kapitel V). Durch die Mitarbeit in diesem Referat habe ich beispielsweise<br />
Informationen darüber erhalten, was das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen<br />
bedeutet.<br />
Biogas, Massentierhaltung und Nitratwerte<br />
Im zuständigen Referat für Umwelt-, Landwirtschafts- und Energiepolitik, Kl<strong>im</strong>aschutz, Verbraucherschutz<br />
und den ländlichen Raum habe ich mich mit den Bereichen Biogasanlagen und<br />
Massentierhaltungsanlagen intensiv auseinandergesetzt. Im Zuge dieser Thematik habe ich auch<br />
aktiv be<strong>im</strong> Formulieren von Kleinen Anfragen (Parlamentarische Initiativen) mitgewirkt.<br />
Außerdem habe ich den Arbeitskreis Umwelt, Energie und Kl<strong>im</strong>aschutz und die zuständige<br />
Referentin Carola Sandkühler zur <strong>Jahr</strong>esklausur begleitet, um so mehr Hintergrundinformationen<br />
über die <strong>Politik</strong> zu erfahren.<br />
Verkehr und Wirtschaft<br />
Im Referat für Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrspolitik, Tourismus, Haushalt und Finanzen<br />
habe ich mit dem Referenten S<strong>im</strong>on Hartmann zusammen eine Anhörung <strong>im</strong> Bereich Wirtschaft<br />
und Wissenschaft organisiert, in der es um den zukünftigen Fachkräftebedarf in der Wirtschaft<br />
ging. Die fraktionsinterne Anhörung „Fachkräfteoffensive für Niedersachsen“ fand am 2. März<br />
2011 statt. Die Vorarbeit dieser Anhörung war sowohl fachlich-inhaltlicher als auch strukturellorganisatorischer<br />
Natur.<br />
Veranstaltungen/Publikationen<br />
Bei der Vorbereitung und<br />
Durchführung von Großveranstaltungen<br />
der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />
habe ich mitgearbeitet.<br />
Darunter fielen beispielsweise<br />
die Konferenz „Staat in der<br />
Finanzklemme“ am 27.<br />
November 2011 oder die<br />
Konferenz „Fachkräfteoffensive<br />
für Niedersachsen“.<br />
Letztere ist aus der oben erwähnten<br />
organisierten Anhörung<br />
resultiert und hat am 30.<br />
An der Broschüre „Gute Schule“ habe ich mitgearbeitet.<br />
Mai 2011. Des Weiteren habe ich politische Texte, die zur Veröffentlichung best<strong>im</strong>mt waren,<br />
geschrieben, wie beispielsweise Pressemitteilungen und Artikel <strong>im</strong> Vorwärts, der Parteizeitung der<br />
<strong>SPD</strong>. Durch das Pressereferat und den Pressesprecher Olaf Reichert habe ich ein gutes Gefühl<br />
für den Umgang mit Medien und Öffentlichkeit bekommen.
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Fabian Claussen verstärkt<br />
seit dem 1. September das<br />
<strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />
Landtag. Der<br />
19-Jährige absolviert bei<br />
der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ein<br />
<strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong><br />
<strong>Politik</strong>.<br />
<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüro erhält junge Verstärkung<br />
Pressemitteilung Nr. 16-306 vom 03.09.10<br />
Der frischgebackene<br />
Abiturient (Note 1,2) hat<br />
die gleiche He<strong>im</strong>at wie ein<br />
anderer prominenter<br />
Niedersachse. Genauso wie<br />
Ministerpräsident<br />
McAllister (CDU) kommt<br />
Fabian Claussen aus dem Kreis Cuxhaven, genauer gesagt aus Alfstedt bei Bad Bederkesa. Er hat<br />
mit dem Niedersächsischen Internatsgymnasium Bad Bederkesa die gleiche Schule besucht wie<br />
der Ministerpräsident und er teilt die Leidenschaft für den Schießsport: Claussen ist noch zwei<br />
Wochen lang amtierender Junioren-Schützenkönig des Schützenvereins Alfstedt von 1909.<br />
Deutlich unterschiedlich ist allerdings seine Parteipräferenz. Bereits 2006 hatte er als Praktikant<br />
des damaligen <strong>SPD</strong>-Landtagsabgeord-neten Claus Johannßen aus Otterndorf landespolitische<br />
Luft geschnuppert.<br />
„Das Praktikum damals hat Lust auf mehr gemacht“, erzählt Fabian Claussen. Im Rahmen seines<br />
Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es wird er nun bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> alle Bereiche der Landespolitik und<br />
des parlamentarischen Betriebs in Hannover kennenlernen und eigene Projekte bearbeiten.<br />
Besonders interessieren ihn die Bereiche Schulpolitik, Verkehrspolitik sowie die Familien- und<br />
Sozialpolitik.<br />
„Auf jeden Fall werde ich nach meinem <strong>Jahr</strong> in der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> wissen, welchen Beruf ich anstreben<br />
werde“, sagt der 19-Jährige (Leistungsfächer Chemie, Mathematik und Englisch), der sich<br />
derzeit sowohl eine juristische wie auch eine betriebswirtschaftliche oder auch sozialwissenschaftliche<br />
Karriere vorstellen kann. Vom Team des <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüros fühlt sich Fabian Claussen<br />
herzlich aufgenommen. Und noch etwas anderes hat er schnell gemerkt: „Die Leute hier sind alle<br />
schwer beschäftigt. Es wird echt hart gearbeitet.“<br />
In Hannover ist der Alfstedter, der in wenigen Tagen seinen 20. Geburtstag feiert, in einer<br />
Wohngemeinschaft untergekommen: „Es ist schon eine große Umstellung, von einem 400-<br />
Einwohner-Dorf in die Leinemetropole zu kommen. Aber es ist toll. Hannover ist eine sehr<br />
schöne Stadt.“<br />
Fabian Claussen S e i t e | 5
6 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
1.<br />
Wer ich bin und was ich hier mache<br />
22.09.2010<br />
Erst einmal: Herzlich Willkommen in meinem „FSJ <strong>Politik</strong>-<br />
Tagebuch“!<br />
Wer ich bin:<br />
Ich heiße Fabian Claussen und bin jetzt 20 <strong>Jahr</strong>e alt. Aufgewachsen<br />
bin ich <strong>im</strong> Landkreis Cuxhaven, genauer gesagt in der Samtgemeinde<br />
Bederkesa. Mein He<strong>im</strong>atort ist Alfstedt, ein Dorf mit etwa 400 Einwohnern.<br />
Zur Schule bin ich in Bad Bederkesa gegangen, dort habe<br />
ich die Grundschule, die Schule an der Mühle und schließlich das<br />
Niedersächsische Internatsgymnasium (NIG) besucht. Für die 11.<br />
Klasse ging ich <strong>im</strong> Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-<br />
Programmes (PPP), einem Stipendienprogramm initiiert durch den Deutschen Bundestag und<br />
den Amerikanischen Kongress, in die USA. Dieses Auslandsjahr, welches mich natürlich auch<br />
geprägt hat, führte mich nach Fayetteville, einer Stadt <strong>im</strong> Ostküstenstaat North Carolina.<br />
Nachdem ich dann <strong>im</strong> Juni 2008 aus den Staaten zurückkehrte, setzte ich meinen Besuch am<br />
NIG fort und erhielt <strong>im</strong> letzten Juni mein Abitur. Meine Prüfungsfächer waren Chemie, Mathe,<br />
Englisch, <strong>Politik</strong>, Biologie und Latein. Neben der Schule bin ich leidenschaftlicher Sportschütze<br />
<strong>im</strong> Schützenverein Alfstedt von 1909 e.V. und habe dort in den letzten <strong>Jahr</strong>en die Jugend auch<br />
mitbetreut. Außerdem interessiere ich mich sehr für <strong>Politik</strong>, dazu später mehr.<br />
Was ich hier mache:<br />
Seit dem 1. September 2010 absolviere ich in der <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion Niedersachsen ein <strong>Freiwilliges</strong><br />
<strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> (FSJP). Dies ist ein Programm, das es erst seit einem <strong>Jahr</strong> gibt und<br />
das auch nur in best<strong>im</strong>mten Bundesländern. Koordiniert wird dieses Projekt von der Landesvereinigung<br />
kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V. (LKJ). Auf der Internetseite der LKJ lassen<br />
sich noch ausführlichere Informationen zum FSJ <strong>Politik</strong> finden. Insgesamt sind wir <strong>im</strong> zweiten<br />
<strong>Jahr</strong>gang etwa 15 FSJ <strong>Politik</strong>-Absolventen in ganz Niedersachsen. Unter den Einsatzstellen befinden<br />
sich sowohl KZ-Gedenkstätten und (partei-)politische Bildungseinrichtungen als auch<br />
Parteien.<br />
Bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag bin ich der erste Absolvent eines FSJ<br />
<strong>Politik</strong>. Viele haben mich schon gefragt, wie ich darauf gekommen bin, ein solches <strong>Jahr</strong> zu<br />
machen. Mein Interesse an <strong>Politik</strong> wurde mir schon früh klar. Dann als endlich der <strong>Politik</strong>unterricht<br />
in der 9. Klasse losging, haben wir Gespräche mit den damaligen Landtagsabgeordneten<br />
Claus Johannßen (<strong>SPD</strong>) und David McAllister (CDU) geführt. Herr Johannßen machte uns auf<br />
das Projekt „Schüler begleiten Abgeordnete“ vom Nds. Landtag aufmerksam. Wenige Wochen<br />
später begleitete ich Herrn Johannßen eine Woche lang zu den Plenarsitzungen <strong>im</strong> Landtag.<br />
Einige können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber ich fand alles unhe<strong>im</strong>lich spannend und<br />
hatte Lust auf mehr. Nach meinem Auslandsjahr war mir klar, dass ich langsam planen musste,<br />
was ich nach dem Abitur machen will. Ich wusste, ich will studieren, aber noch nicht genau was.<br />
Lehramt, Wirtschaft, Psychologie oder doch etwas Naturwissenschaftliches? Da ich sowieso noch
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Zivildienst machen musste, habe ich mich erst einmal darum gekümmert. So habe ich erfahren,<br />
dass es das neue FSJ <strong>Politik</strong> gibt, welches auch ein Bildungsjahr zur beruflichen Orientierung ist<br />
und man dies statt des Zivildienstes machen kann. Über die LKJ wurde ich dann der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Nds. Landtag vermittelt und wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Eine<br />
Woche später rief mich der <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer Dr. Cornelius Schley an, um mir mitzuteilen,<br />
ich hätte den Platz! Soweit zu meinem FSJ <strong>Politik</strong>.<br />
2.<br />
Mein Start in das Landtagsleben<br />
12.10.2010<br />
Da ich jetzt schon länger nicht mehr geschrieben habe, ist mein zweiter Beitrag umso umfangreicher.<br />
Am Anfang die Aufregung<br />
Nach einer relativ schlaflosen Nacht ging ich am 1. September leicht nervös und aufgeregt zum<br />
Landtag. Es war schließlich mein erster Arbeitstag und ich wusste noch nicht <strong>im</strong> Detail was mich<br />
erwarten würde. Zwar hatte ich die meisten Mitarbeiter schon bei meinem Vorstellungsgespräch<br />
<strong>im</strong> Mai gesehen, aber die Erinnerung war auch wieder ein wenig verblasst. An meinem ersten<br />
praktischen Arbeitstag kam ich schon mal viel zu früh. Dennoch erwartete mich eine neugierige<br />
und freundliche Runde von Arbeitskollegen. Zur alltäglichen Morgenrunde, in der die Tagespresse<br />
besprochen wird, lernte ich die parlamentarischen Referenten kennen, mit denen ich nun<br />
zusammenarbeiten sollte.<br />
Der Geschäftsführer – und damit mein „Chef“ – Herr Dr. Cornelius Schley eröffnete mir bei<br />
dieser Gelegenheit den „Plan“ für September bis Mitte Oktober, und zwar sollte ich erst einmal<br />
alle verschiedenen Referate durchlaufen, um eine Übersicht über die hiesige parlamentarische<br />
Arbeit zu bekommen. In jeder Woche sollte ich in einem anderen Referat mitarbeiten.<br />
Erster Einblick in die Ressorts<br />
Zunächst arbeitete ich mit Ute Wormland, der parlamentarischen Referentin für Kultusangelegenheiten,<br />
Kultur und Wissenschaft. Dort habe ich Recherchen zum Thema Studiengebühren<br />
und Studierende aus niedrigeren sozialen Schichten erarbeitet. Anschließend habe ich<br />
meine Ergebnisse der engagierten hochschulpolitischen Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, Frau Dr.<br />
Gabriele Andretta aus Göttingen, präsentiert. Des Weiteren habe ich unter Anleitung von Ute<br />
Wormland an der Broschüre „Gute Schule“ mitgearbeitet. Darin steht, wie sich die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />
die künftige Schullandschaft in Niedersachsen vorstellt.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 7
8 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Während der Plenarwoche habe ich Olaf Reichert, unseren Pressesprecher, begleitet. Natürlich<br />
kannte ich nicht jeden Hintergrund der vielen Resolutionen und Anfragen, die auf der Tagesordnung<br />
standen, aber so ist das nun einmal, wenn man „ins kalte Wasser geschmissen wird“.<br />
Das Plenum tagt in der Regel jeden Monat drei Tage in der sogenannten „Plenarwoche“. Das<br />
Pressereferat ist als Sprachrohr der <strong>Fraktion</strong> zur Öffentlichkeit wohl einer der wichtigsten Bereiche<br />
der <strong>Fraktion</strong>sarbeit. Täglich werden Pressemitteilungen herausgegeben und Interviews<br />
vereinbart.<br />
Be<strong>im</strong> Referenten Sebastian<br />
Böhrs, der die Themen<br />
Inneres, Justiz und<br />
Petitionen behandelt, habe<br />
ich meine ersten Arbeitskreissitzungen<br />
mitgemacht.<br />
Arbeitskreise sind Gruppen<br />
von <strong>SPD</strong>-Abgeordneten, die<br />
sich mit einem Thema beschäftigen.<br />
Außerdem habe<br />
ich mich mit den Interessen<br />
von niedersächsischen<br />
Beamten beschäftigt und an<br />
Gesprächen mit Interessengruppen<br />
teilgenommen,<br />
denn die Abgeordneten sind<br />
natürlich nicht allwissend<br />
und müssen sich<br />
informieren, ob und wie sie<br />
auf die Anregungen<br />
reagieren entscheiden sie<br />
separat.<br />
Die "Morgenrunde" (der <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer und die<br />
Referentinnen und Referenten) tagt jeden Morgen. Dabei<br />
wird alles besprochen was an dem Tag wichtig ist, u. a.<br />
Pressemitteilungen und Vorgehensweisen.<br />
Als nächstes standen die Themen Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Umwelt und Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
auf dem Plan mit der parlamentarischen Referentin Carola Sandkühler. Hier habe ich neben den<br />
Arbeitskreisen Umwelt und Landwirtschaft auch an den dementsprechenden Ausschüssen teilgenommen.<br />
Besonders interessant war hier das Thema „End-/Zwischenlager für Atommüll“<br />
(Gorleben/ASSE II) und der „Putenskandal“ um Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen<br />
(CDU). Wobei die Themen „Biogasanlagen“ und der „Ökolandbau“ auch eine Rolle spielten in<br />
der Woche. Erwähnenswert ist sicher auch, dass ich an meiner ersten „Kleinen Anfrage“ mitgewirkt<br />
habe.<br />
Danach ging es zum parlamentarischen Referenten Bernd Maschke, der mir Einblicke in die<br />
wirtschafts- und finanzpolitischen Bereiche bot. So durfte ich miterleben, wie der Niedersächsische<br />
Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), die Landwirtschaftsministerin Astrid<br />
Grotelüschen (CDU) und der Justizminister Bernd Busemann (CDU) ihre Haushalte in die Ausschüsse<br />
einbrachten. Sie haben also ausgeführt wie viel ihre Ministerien für was ausgeben, denn<br />
der Landtag muss die Haushalte beschließen und dazu müssen die Ausschüsse auch herangezogen<br />
werden. Eingehend habe ich mich <strong>im</strong> Themenbereich „Wirtschaft, Arbeit und Verkehr“<br />
neben einer Recherche zu hochqualifizierten Zuwanderern auch mit einer Veröffentlichung über<br />
den schlechten Zustand vieler Landesstraßen in Niedersachsen beschäftigt.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Meine letzte Station ist nun bei Heinrich Heggemann, dem Referenten für Gesundheit, <strong>Soziales</strong><br />
und Integration. Den Arbeitskreis „Integration“ und die Integrationskommission habe ich bereits<br />
besucht. Am Mittwoch werde ich dem Ausschuss für <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familie, Gesundheit und<br />
Integration beiwohnen. Hier werde ich mich <strong>im</strong> Laufe der Woche noch mit dem Thema Inklusion<br />
von Behinderten befassen. Auch mit den Sozialverbänden, derer es nicht wenige gibt,<br />
habe ich mich bereits beschäftigt.<br />
Fazit nach den ersten Wochen<br />
Das Arbeitskl<strong>im</strong>a in der <strong>Fraktion</strong> ist super und die Zusammenarbeit mit meinen Arbeitskollegen<br />
aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro und mit den Abgeordneten der <strong>SPD</strong> macht Spaß. Nach eineinhalb<br />
Monaten kann ich sagen, dass ich mich inzwischen ganz gut eingearbeitet habe und ich mich in<br />
den Gebäuden des Landtages gut zurecht finde. Zu den meisten Punkten auf der Tagesordnung<br />
des Oktoberplenums konnte ich dann auch was sagen, in der Plenarwoche war ich allerdings auf<br />
dem ersten Seminar für das FSJ <strong>Politik</strong>. Doch dazu mehr in meinem nächsten Beitrag.<br />
3.<br />
Einstiegsseminar ins FSJ <strong>Politik</strong><br />
28.10.2010<br />
Wer ein FSJ absolvieren möchte, muss an 25 Bildungstagen teilnehmen. In den Bildungstagen<br />
geht es nicht nur darum, persönliche Kompetenzen, welche unter anderem in den Einsatzstellen<br />
hilfreich sein können, auszubauen und neue zu erlernen, sondern sie sollen dem FSJler auch in<br />
der Berufsfindung helfen. Vom 4.-8.10. fand also das Einstiegsseminar für das FSJ <strong>Politik</strong> (in<br />
Niedersachsen) statt:<br />
Die Örtlichkeit und die Teamer<br />
Mit Bus und Bahn machten wir, die FSJ <strong>Politik</strong>-<br />
Absolventen, uns am Montagmorgen (einige sehr<br />
früh andere nicht so früh) also auf den Weg in die<br />
„Walachei“, denn der Seminarort war das Energie-<br />
und Umweltzentrum am Deister bei<br />
Springe/Eldagsen (EUZ), welches mitten in der<br />
freien Natur lag. Nachdem wir unsere Koffer<br />
dann bei frischer Landluft (auf dem Feld neben<br />
dem Weg wurde gerade Mist gefahren) sicher bis<br />
zum EUZ geschleppt hatten, wurden wir sehr<br />
herzlich von Julia Wurzel, der Koordinatorin des<br />
FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachen, <strong>im</strong> Namen der LKJ<br />
zu unserem Einstiegsseminar begrüßt. Aber Julia war nicht alleine, denn sie bekam noch von<br />
Ricarda Scholz als Co-Teamerin Unterstützung.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 9
10 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Die Z<strong>im</strong>mer waren ganz nett, sogar mit Balkon und die meisten mit eigenem Bad. Auch der Rest<br />
des EUZ war gemütlich, es gab einen Raum mit Tischkicker, einen schönen Tagungsraum und<br />
eine kleine Terrasse mit Bänken (für die Raucher). Gegessen wurde <strong>im</strong> Wintergarten des Nebengebäudes,<br />
wo es zu Hauptmahlzeiten übrigens nur vegetarisches oder veganes Essen gab. Ein<br />
weiteres Highlight war das Schwein des Hauses „Alf“, welches auf einer Wiese hinter dem<br />
Haupthaus einen Platz hatte. Es wurde von einigen Seminarteilnehmern gerne besucht.<br />
Die Gruppe und die Einrichtungen<br />
Das FSJ <strong>Politik</strong> absolvieren<br />
derzeit 15 Leute, alle<br />
kommen direkt von der<br />
Schule. Wir sind 9 Mädchen<br />
und 6 Jungen <strong>im</strong> Alter von<br />
18-21 <strong>Jahr</strong>en. Durch zahlreiche<br />
Spiele, die die<br />
Gruppendynamik stärken<br />
sollten, haben wir uns alle<br />
schnell kennen gelernt. Dass<br />
die meisten Einrichtungen<br />
eher linkspolitisch orientiert<br />
sind, spiegelt sich natürlich<br />
auch bei den FSJlern wieder.<br />
So kam es zum Beispiel zu<br />
einer Diskussion am letzten<br />
Tag über das Schulsystem, in<br />
der bis auf 2-3 Leute für die<br />
Gesamtschule plädierten.<br />
Der 2. <strong>Jahr</strong>gang <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachsen (2010/2011)<br />
Einsatzstellen sind neben<br />
<strong>Fraktion</strong>en (z.B. <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion) beispielsweise politische Bildungsstätten (z.B. Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung) oder parteiunabhängige Vereine (z.B. Janun e.V.). Wobei sich der Großteil<br />
der Einsatzstellen <strong>im</strong> Raum Hannover befindet.<br />
Der Ablauf und die Inhalte<br />
Am Montag ging es erst einmal darum, sich kennen<br />
zu lernen und die eigene Motivation, ein politisches<br />
<strong>Jahr</strong> zu absolvieren, darzustellen. Außerdem haben<br />
wir darüber gesprochen, welche Rolle „<strong>Politik</strong>“ in<br />
unserem bisherigen Leben gespielt hat.<br />
Den Dienstag haben wir unsere Einsatzstellen vorgestellt,<br />
<strong>im</strong> Kern haben wir deren Soziostruktur und<br />
inhaltliche Arbeit erläutert. Des Weiteren haben wir<br />
uns mit den Begriffen „Demokratie“ und „<strong>Politik</strong>“<br />
beschäftigt, am Ende des Tages standen unsere<br />
eigenen Definitionen dieser Begriffe fest, die teilweise<br />
aus anderen Zitaten abgeleitet waren.<br />
Wir be<strong>im</strong> „auflösen“ des<br />
„Gordischen Knotens“.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Ein Foto aus der Fotostory<br />
meiner Gruppe „Auf der<br />
Suche nach Freiheit in<br />
Hannover, aufgenommen vor<br />
dem Landtag.<br />
Am dritten Tage fuhren wir in die Landeshauptstadt<br />
Hannover, um an einer Plenarsitzung teilzunehmen und<br />
eine Fotostory zum Thema „Freiheit“ zu gestalten. Im<br />
Zentrum der Plenardebatte stand am Morgen das Thema<br />
„100 Tage Übergangsregierung: zu wenig Akzente – zu viele<br />
Skandale“, welches die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> und die Landtagsfraktion<br />
der Grünen ins Parlament einbrachten. Es hätte<br />
kein spannenderes Thema geben können, denn es war ein<br />
„Rundumschlag“ der Opposition. Hier konnte man <strong>im</strong><br />
wahrsten Sinne des Wortes erleben, wie sich Regierungsfraktionen<br />
und Oppositionsfraktionen „fetzen“. Nachdem<br />
wir dann die Zuschauertribühne verließen, wurden wir von<br />
der Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages Frau<br />
Astrid Vockert (CDU), „Initiatorin“ des FSJ <strong>Politik</strong> in<br />
Niedersachsen (obwohl die CDU-<strong>Fraktion</strong> keinen FSJler<br />
hat), begrüßt. Auch der Ministerpräsident des Landes Herr<br />
David McAllister nahm sich ein Viertelstündchen Zeit für<br />
uns. Zur anschließenden Diskussion blieben neben Frau<br />
Vockert noch die Abgeordneten Viktor Perli (Linke), Enno<br />
Hagenah (B´90/Grünen) und Claus Peter Poppe (<strong>SPD</strong>).<br />
Hauptthemen waren das FSJ <strong>Politik</strong>, Kultuspolitik<br />
(Bildungspolitik) und Plenardebatten <strong>im</strong> Allgemeinen.<br />
Donnerstag drehte sich dann fast alles um unser eigenes<br />
Projekt, denn zu unserem Freiwilligendienst gehört auch,<br />
dass wir ein eigenständiges Projekt auf die Beine stellen während unseres <strong>Politik</strong>-<strong>Jahr</strong>es. Wir<br />
haben also Tipps zu Projektmanagement<br />
bekommen und auch<br />
Brainstorming für konkrete Ideen<br />
gemacht. Manche hatten sofort<br />
Ideen, anderen fiel es schwer etwas<br />
zu finden. Am Nachmittag ging es<br />
dann um Organisatorisches, zum<br />
Beispiel um unser Auslandsseminar<br />
in Polen, welches nächstes Frühjahr<br />
stattfinden wird.<br />
Den letzten Tag haben wir über<br />
gesellschaftliche Teilhabe und<br />
Stress gesprochen. Beschäftigt hat<br />
uns be<strong>im</strong> Punkt „gesellschaftliche<br />
Teilhabe“ vor allem die Idee der<br />
„subjektiven Möglichkeitsräume“<br />
nach Klaus Holzkamp. Außerdem<br />
ging es noch um das „Netzwerken“<br />
Wir sind gerade be<strong>im</strong> Brainstorming zu unserem<br />
Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>.<br />
unserer Gruppe, so haben wir jetzt auch eine Facebook-Seite, welche wir „FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachsen“<br />
genannt haben.<br />
Zum Abschluss kann ich sagen, dass mir das Seminar großen Spaß gemacht hat und ich mich<br />
schon auf die "Orientierungstage" <strong>im</strong> Dezember freue.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 11
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
4.<br />
Parlamentarische Initiativen – Die Theorie<br />
04.11.2010<br />
Zu meinem zweiten Tagebucheintrag wurde ich gefragt, was denn eine „Kleine Anfrage“ sei. Das<br />
möchte ich mit diesem Beitrag gerne beantworten und dabei auch noch andere sogenannte<br />
„parlamentarische Initiativen“ kurz darstellen. Parlamentarische Initiativen sind Mittel der Abgeordneten<br />
des Landtages, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Landes festzulegen und<br />
auf die Landesregierung einzuwirken. Außerdem sind parlamentarische Initiativen nützlich bei<br />
der Ausübung der Kontrollfunktion durch die Landtagsabgeordneten. Sie heißen auch<br />
„parlamentarische Initiativen“, da sie in der Parlamentssitzung (oder auch Plenum) besprochen<br />
werden.<br />
Der Gesetzentwurf<br />
Gesetzentwürfe werden von der Regierung, einer <strong>Fraktion</strong> oder mindestens 10 Abgeordneten ins<br />
Plenum eingebracht. Sie müssen fundiert begründet sein und wenn nötig darstellen, inwieweit<br />
sich durch den Gesetzentwurf die Haushaltslage des Landes ändert. Nachdem ein Gesetz<br />
(hoffentlich detailliert und intensiv) erarbeitet wurde, was in der Regel die parlamentarischen<br />
Referenten der jeweiligen <strong>Fraktion</strong>en zusammen mit den Abgeordneten machen, wird dies als<br />
Drucksache über die Landtagsverwaltung in das Plenum gebracht. Dort werden in einer ersten<br />
„Beratung“ die Grundzüge des Entwurfes debattiert. Von jeder <strong>Fraktion</strong> hält dann ein Abgeordneter<br />
eine Rede dazu. Danach wird der Gesetzentwurf in der Regel an einen Ausschuss<br />
überwiesen. Ausschüsse sind Fachgremien, die jeweils die Themenbereiche der Ministerien<br />
wiederspiegeln, d. h. dass z.B. der Kultusausschuss sich inhaltlich mit allen Themen des<br />
Kutusministeriums beschäftigt. Diesen ständigen Ausschüssen gehören Mitglieder aller<br />
<strong>Fraktion</strong>en an; je größer die <strong>Fraktion</strong> je mehr Mitglieder haben sie in den Ausschüssen. Sollten<br />
mehrere Themenbereiche betroffen sein, so wird der Entwurf an alle betroffenen Ausschüsse<br />
überwiesen und ein federführender Ausschuss best<strong>im</strong>mt. Dann, wenn der Entwurf (hoffentlich<br />
intensiv und sachgerecht) erörtert worden ist, gibt der Ausschuss seine Empfehlung bekannt, wie<br />
weiter vorgegangen werden soll. Die Empfehlung kann Ablehnung, Annahme oder Annahme in<br />
veränderter Form (wenn Änderungsanträge gestellt und akzeptiert wurden) sein. Es gibt auch den<br />
Fall, dass ein Entwurf für erledigt erklärt werden kann, wenn sich die Rahmenbedingungen <strong>im</strong><br />
Laufe des Verfahrens verändert haben. Mit der Empfehlung geht der Gesetzentwurf wiederum<br />
ins Plenum zur zweiten Beratung. Jetzt wird der Entwurf <strong>im</strong> Detail diskutiert, dabei kommt es<br />
nicht selten zu Zwischenfragen (während einer Rede) und Kurzinterventionen (kleine weiterführende<br />
Reden). Meistens wird dann nach der zweiten Beratung eine Schlussabst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong><br />
Parlament durchgeführt. Sollte diese Schlussabst<strong>im</strong>mung die Annahme eines neuen Gesetzes<br />
bedeuten, so wird es durch den Ministerpräsidenten „verkündet“.<br />
Der Entschließungsantrag<br />
Weitaus zahlreicher als Gesetzentwürfe sind allerdings parlamentarische Initiativen in Form eines<br />
Entschließungsantrages. Ein Entschließungsantrag ist <strong>im</strong> Grunde eine begründete Handlungsanweisung<br />
des Landtages an die Landesregierung. Sollte ein Entschließungsantrag angenommen<br />
werden, so hat die Regierung die Pflicht, die Dinge, die <strong>im</strong> Antrag beschlossen werden, so gut es<br />
geht umzusetzen. Die formale Vorgehensweise ist hierbei dieselbe wie bei einem Gesetzentwurf,<br />
allerdings wird der Beschluss durch den Landtagspräsidenten „mitgeteilt“.<br />
12 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Die Große Anfrage<br />
Auch „Große Anfragen“ werden von einer <strong>Fraktion</strong> oder mindestens 10 Abgeordneten eingebracht.<br />
Große Anfragen beschäftigen sich mit einem Thema, das kurz einleitend erörtert wird,<br />
und einem darauffolgendem „Fragenkatalog“ von ca. 20-100 Fragen, die von der Landesregierung<br />
beantwortet werden sollen. Über die Landtagsverwaltung und den Landtagspräsidenten<br />
erreicht die Große Anfrage dann die Landesregierung. Innerhalb der Landesregierung kümmert<br />
sich dann das dem Thema entsprechende Ministerium um die Beantwortung der Fragen. Die<br />
Antworten werden an die MdLs gesandt und die Große Anfrage wird auf die Tagesordnung<br />
gesetzt. Im Plenum wird dann darüber debattiert.<br />
Die Kleine mündliche Anfrage<br />
Kleine mündliche Anfragen sind Anfragen von einzelnen oder mehreren Abgeordneten zu best<strong>im</strong>mten<br />
-oft lokalen- Sachverhalten. Hier haben die Abgeordneten die Chance relevante und<br />
Themen aus ihren Wahlkreisen anzusprechen, aber auch die allgemeine <strong>Politik</strong> der Landesregierung<br />
wird (vor allem von der Opposition) hinterfragt. Einleitend besteht eine solche Anfrage<br />
aus einem das Problem/den Themenbereich umfassenden, kurzen Text. Kern der Kleinen mündlichen<br />
Anfrage sind natürlich die Fragesätze, von denen es nur drei sein dürfen, da sie sonst als<br />
„Kleine schriftliche Anfrage“ eingereicht werden muss, diese ist allerdings eine außerparlamentarische<br />
Initiative, denn <strong>im</strong> Plenum wird sie nicht besprochen. Es versteht sich auch von<br />
selbst, dass nicht alle ca.50-60 eingereichten Kleinen mündlichen Anfragen <strong>im</strong> Plenum besprochen<br />
werden können, zumal die Abgeordneten weitere Fragen stellen können während der<br />
Diskussion. Daher ist die Zeit auf 60 Minuten begrenzt und es werden nur die Anfragen in der<br />
Parlamentssitzung debattiert, die in diesen Zeitraum passen, das sind in der Regel ein bis zwei.<br />
Daher wird auch bei der Reihenfolge der gestellten Anfragen fraktionsweise rotiert. Der Rest der<br />
Antworten wird schriftlich von der Landesregierung nachgereicht und dann hinterher ins<br />
Protokoll aufgenommen.<br />
Die Dringliche Anfrage<br />
Der Niedersächsische Landtag tagt einmal <strong>im</strong> Monat für drei bis vier Tage. Die <strong>Fraktion</strong>en haben<br />
die Möglichkeit, in jeder Plenarwoche eine „Dringliche Anfrage“ zu stellen. Dringliche Anfragen<br />
sind formal genauso aufgebaut wie Kleine mündliche Anfragen, allerdings sollte es sich dabei<br />
inhaltlich um ein sehr aktuelles, viel diskutiertes Thema handeln. Diese Anfragen werden in<br />
jedem Falle mündlich <strong>im</strong> Plenum erörtert.<br />
Die Aktuelle Stunde<br />
Während der „Aktuellen Stunde“ werden „Sachen von allgemeinem und aktuellem Interesse“<br />
debattiert. Genau wie bei „Dringlichen Anfragen“ hat eine <strong>Fraktion</strong> das Recht pro Sitzungswoche<br />
ein brisantes Thema zur Aktuellen Stunde in den Landtag einzubringen. Jedoch unterscheidet<br />
sich die Aktuelle Stunde formal von der Dringlichen Anfrage, denn bei der Einbringung<br />
einer Aktuellen Stunde wird lediglich ein -manchmal vager- Begriff oder Satz zum Anstoß der<br />
Diskussion genannt.<br />
Im nächsten Beitrag unterfüttere ich diese theoretische Übersicht gerne noch mit ein paar Beispielen<br />
aus der Praxis. Nächste Woche ist Plenum und best<strong>im</strong>mt finde ich dort interessante Beispiele<br />
für parlamentarische Initiativen.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 13
14 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
5.<br />
Parlamentarische Initiativen – Die Praxis<br />
22.11.2010<br />
Nach zwei sehr stressigen Wochen bin ich nun endlich dazu gekommen, einen neuen Eintrag zu<br />
verfassen. In den Plenarsitzungen vom 9.-12. November habe ich Beispiele für parlamentarische<br />
Initiativen gefunden, dabei habe ich darauf geachtet, dass diese möglichst aus verschiedenen<br />
politischen Themengebieten kommen.<br />
Innenpolitik: Kommunalwahl 2011<br />
Konkrete Gesetzentwürfe sind in der Regel eher rar, denn die meisten Einbringungen in den<br />
Landtag sind Entschließungsanträge. Aber am Ende eines <strong>Jahr</strong>es nehmen die Gesetzentwürfe zu,<br />
damit sie pünktlich zum 1.1. des Folgejahres in Kraft treten können. Kurz erwähnt sei der „Entwurf<br />
eines Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Best<strong>im</strong>mungen“, der von den<br />
Regierungsfraktionen (CDU und FDP) eingebracht wurde. Die wichtigsten Änderungen des<br />
Kommunalwahlrechtes durch dieses Gesetz sind hier die Abschaffung der Stichwahlen und die<br />
mögliche Vergrößerung von Wahlkreisen. Bisher mussten beispielsweise Samtgemeindebürgermeister/innen<br />
mit einer absoluten Mehrheit gewählt werden. Wenn sie also nicht <strong>im</strong> ersten<br />
Wahlgang über 50% erreichten, so musste eine zweite Wahl wenig später mit den zwei<br />
Kandidaten, die <strong>im</strong> ersten Wahlgang am erfolgreichsten waren, stattfinden, damit ein Kandidat<br />
die absolute Mehrheit bekam. Dieser Gesetzentwurf sieht aber keinen zweiten Wahlgang für das<br />
Gemeindeoberhaupt mehr vor, nun solle die relative Mehrheit ausschlaggebend sein. Im Plenum<br />
wurde der Gesetzentwurf von den Oppositionsfraktionen heftigst kritisiert.<br />
Umwelt-/Bundespolitik: Atomkraft<br />
Mit einem dem gemeinsamen Antrag „Zwingende Beteiligung des Bundesrates <strong>im</strong> Verfahren zu<br />
den von der Bundesregierung und den Energiekonzernen geplanten Laufzeitverlängerungen von<br />
Atomkraftwerken“ wollten <strong>SPD</strong>, Grünen und Linken die niedersächsische Landesregierung dazu<br />
auffordern, sich auf Bundesebene für eine Beteiligung des Bundesrates in Sachen Laufzeitverlängerung<br />
einzusetzen. Es ist nicht alltäglich, dass die Oppositionsfraktionen einen Entschließungsantrag<br />
zusammen machen. Natürlich ist dieser Antrag an den <strong>Fraktion</strong>en der CDU<br />
und der FDP abgeprallt.<br />
Wirtschaft und Verkehr: Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven<br />
Eine Große Anfrage stand auf dem Plan des Novemberplenums mit dem Titel „Fortlaufender<br />
Ärger und Mehrkosten be<strong>im</strong> JadeWeserPort – Landesregierung be<strong>im</strong> Projektmanagement überfordert?“<br />
Diese Anfrage, die von den Grünen gestellt worden war, ging <strong>im</strong> Kern um die<br />
finanzielle und wirtschaftliche Situation der Großbaustelle Niedersachsens, nämlich um den<br />
Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Zu diesem Tagesordnungspunkt und zu der<br />
Rede vom Ministerpräsidenten Herr McAllister bezüglich des JadeWeserPorts sprach der <strong>SPD</strong>-<br />
Landesvorsitzende Olaf Lies, der meiner Meinung nach, zwei ausgezeichnete Reden gehalten hat<br />
und dem Ministerpräsidenten super Paroli bieten konnte. Der Ministerpräsident schäumte vor
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Wut und bekam beide Male einen hochroten Kopf, Herr lies hat ihn – salopp gesagt - alt aussehen<br />
lassen.<br />
Sozialpolitik von Frau Özkan<br />
Niedersachsen hat seit dem Sommer eine neue Sozialministerin: Frau Özkan. In der Öffentlichkeit<br />
tritt sie scheinbar <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Namen der Integration auf, daher fragte die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong><br />
letzten Plenum: „Was versteht Frau Sozialministerin Özkan eigentlich unter Sozialpolitik?“<br />
Angezweifelt wurde die Kompetenz Frau Özkans in der Breite ihres Ressorts, denn zum Sozialministerium<br />
gehören neben dem Thema Integration auch die Themen <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familie,<br />
Gesundheit und Städte- und Wohnungsbau. Die Fragestellung war also breit gefächert und da es<br />
die erste Frage der Kleinen mündlichen Anfragen war, wurde sie <strong>im</strong> Plenum behandelt. Schon in<br />
der Vergangenheit konnte die Sozialministerin nicht glänzen, wenn es um direkte Anfragen <strong>im</strong><br />
Plenum ging. 1,5 Stunden wurde sie über Sozialpolitik ausgefragt, wobei sie ordentlich Unterstützung<br />
von Ministeriumsmitarbeitern bekam, die um sie herumsaßen hinter der Regierungsbank.<br />
Selten war der Platz hinter der Regierungsbank so überfüllt, einige mussten sogar stehen.<br />
Die Antworten fielen leider zum Teil sehr knapp aus und beinhalteten kaum mehr als zwei Sätze.<br />
Landwirtschaft: Massentierhaltung<br />
Die Dringliche Anfrage der <strong>SPD</strong> lautete: „Intensivtierhaltung: Fluch oder Segen, Tierschutz oder<br />
Kommerz?“ Gerade in den Landkreisen Emsland, Cloppenburg und Oldenburg kennt man die<br />
Problematik, dort stehen etliche „Tierfabriken“ und in der Bevölkerung regt sich <strong>im</strong>mer mehr<br />
Widerstand. Die Tiere wachsen in diesen Ställen unter erbärmlichen Umständen auf. Flügel an<br />
Flügel schieben die mit Antibiotika vollgestopften Hühner ihren anormalen Körper durch die<br />
Menge. Die Umwelt wird durch viel zu viel produzierten Mist belastet. Landwirtschaftsministerin<br />
Frau Grotelüschen, die aus dem Bereich der Massentierhaltung kommt, meint, dass es wirtschaftlich<br />
und diese enorme Produktion an Hähnchen notwendig sei. Experten hingegen warnen vor<br />
einer massiven Überproduktion. In Wietze soll jetzt sogar ein Stall durch das Land mitfinanziert<br />
werden. Aus diesen Gründen hat die <strong>SPD</strong> die Anfrage gestellt. Ergebnis: Frau Grotelüschen hält<br />
alles für in Ordnung (obwohl der Staatssekretär Herr Ripke da offensichtlich nicht ganz ihrer<br />
Meinung ist).<br />
Kultuspolitik: Die sogenannte „Oberschule“<br />
In der Aktuellen Stunde ging es unter anderem um das Thema: „Schulkonsens trotz FDP möglich?“<br />
Die Landesregierung hat das Konzept der „Oberschule“ – welches noch sehr vage<br />
formuliert ist– vorgelegt. Da es eben noch nicht sehr konkret formuliert ist, sage ich, dass es sich<br />
<strong>im</strong> Groben um eine Zusammenlegung von Haupt- und Realschule handelt. Zwar soll auch ein<br />
Oberstufenzweig an einer solchen Schule möglich sein, aber inwieweit dieser an einzelnen<br />
Schulen genehmigt wird, steht in den Sternen. Beabsichtigt von der Regierung war ein sogenannter<br />
„Schulkonsens“, das heißt, dass alle Bildungsbeteiligten diesem Konzept zust<strong>im</strong>men<br />
sollten. Als es allerdings zum Gespräch mit Kultusminister Althusmann kam, stand sein Konzept<br />
schon fest. Die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> und die anderen Oppositionsfraktionen sind von dem Ergebnis<br />
allerdings enttäuscht, sie hätten sich lieber integrierte Gesamtschulen gewünscht. Integrierte<br />
Gesamtschulen werden <strong>im</strong>mer noch benachteiligt in der Gründung <strong>im</strong> Vergleich zu „Oberschulen“,<br />
denn beispielsweise muss eine Oberschule nur zwei Klassen pro <strong>Jahr</strong>gang haben,<br />
während eine IGS mindestens vier Klassen über zehn <strong>Jahr</strong>e nachweisen muss. Außerdem will die<br />
Landesregierung 10 Mio. in die „Oberschulen“ stecken, während die integrierten Gesamtschulen<br />
keine zusätzliche Förderung bekommen. Diese Benachteiligung ist unter anderem wahrscheinlich<br />
Fabian Claussen S e i t e | 15
16 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
auf die FDP zurückzuführen, die ideologisch ziemlich festgefahren reagiert, daher auch diese<br />
Überschrift des <strong>SPD</strong>-Themas für die Aktuelle Stunde.<br />
An dieser Stelle würde ich gerne noch auf unseren Schul-Blog hinweisen. Dort stehen unsere<br />
Positionen zur Schullandschaft und es kann kontrovers diskutiert werden. Den Blog findet man<br />
unter: www.gute-schule-niedersachsen.de<br />
6.<br />
Vielfältige Arbeit <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
06.12.10<br />
Im folgenden würde ich Euch gerne einen kleinen Überblick über meine momentanen Aktivitäten<br />
hier in der <strong>Fraktion</strong> geben:<br />
Schul-Blog<br />
Seit Anfang November ist der Webblog der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> online: www.gute-schuleniedersachsen.de.<br />
Hier kann man neben den Positionen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> zur Schullandschaft<br />
auch aktuelles aus der Schulpolitik in Niedersachsen erfahren. Kernstück dieses Internetauftritts<br />
soll die Diskussion um die niedersächsische Schulpolitik sein. Zusammen mit den <strong>SPD</strong>-<br />
Abgeordneten des Arbeitskreises „Kultus“ und der parlamentarischen Referentin Ute<br />
Wormland betreue ich diesen Webblog. Wenn Ihr Lust und Zeit habt, dann schaut doch mal<br />
rein und diskutiert mit!.<br />
Fachkräftemangel<br />
Bei vielen ist es sicher schon angekommen: In Deutschland herrscht Fachkräftemangel.<br />
Besonders <strong>im</strong> akademischen Bereich und <strong>im</strong> sozialen Sektor fehlen Arbeitskräfte. Die <strong>SPD</strong>-<br />
Abgeordneten des Arbeitskreises „Arbeit, Wirtschaft und Verkehr“ und des Arbeitskreises<br />
„Wissenschaft und Kultur“ beschäftigen sich nun mit der Problematik. Im Frühjahr soll ein<br />
Expertentreffen stattfinden, damit die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> einen genaueren Überblick über die<br />
aktuelle Situation des Fachkräftemangels bekommt. Da der zuständige Referent für Wirtschaft,<br />
Bernd Maschke, uns zum Ende des <strong>Jahr</strong>es verlassen wird, bin ich nun derjenige, der dieses<br />
Thema mitbearbeitet.<br />
Klausur Arbeitskreis „Umwelt“<br />
Am 17. und 18. November haben sich die Umweltpolitiker der <strong>Fraktion</strong> zu einer Klausurtagung<br />
mit Bereisung in Bleckede/Hitzacker an der Elbe getroffen. Da das FSJ <strong>Politik</strong> dazu da<br />
ist möglichst genau und viele politische Prozesse zu erleben, war dies für mich natürlich eine<br />
willkommene Gelegenheit mitzufahren, zumal ich auch umweltpolitische Themen habe, mit<br />
denen ich mich beschäftige.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Früh morgens ging es los, auf zum Elbschloss in Bleckede. Dort haben wir nach dem ersten<br />
Teil der Klausurtagung am Vormittag die naturkundliche Ausstellung <strong>im</strong> Elbschloss besichtigt.<br />
Am Nachmittag haben wir uns mit Umweltspezialisten und lokalen <strong>SPD</strong>-Leuten getroffen. Am<br />
Abend in Hitzacker ging es dann während des Essens um den Castortransport. A propos<br />
Castor, Gorleben ist nur wenige Kilometer von Hitzacker entfernt und überall an Straßen und<br />
Häusern war noch der Widerstand zu erkennen. Nicht wenige Häuser der Region waren noch<br />
mit gelben Kreuzen „geschmückt“. Neben Weihnachts- und Osterdekoration scheinen die<br />
Menschen <strong>im</strong> Wendland auch eine „herbstliche Castor-Deko“ zu haben.<br />
Am nächsten Tag ging es zur „Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue“ in<br />
der Altstadt von Hitzacker. Dieses<br />
Biosphärenreservat ist eine Art<br />
Schutzlandschaft, es soll eine nachhaltige<br />
und natürliche Umwelt erforscht<br />
und gewährleistet werden.<br />
Der größte Teil des Tages wurde<br />
allerdings zur Fortsetzung der<br />
Klausur verwendet. Bis es denn am<br />
späten Nachmittag zur Besichtigung<br />
der neu erbauten Hochwasserschutzmaßnahmen<br />
um Hitzacker<br />
ging. Was machen die<br />
<strong>Politik</strong>er eigentlich inhaltlich auf<br />
einer Klausur? Es werden aktuelle<br />
Brisante Themen besprochen, An-<br />
fragen an die Landesregierung<br />
werden ausgewertet,<br />
parlamentarische Initiativen werden<br />
geplant, Schwerpunktthemen für<br />
die nächsten Monate werden gesetzt und diskutiert wird natürlich auch.<br />
Forum Inklusion und Bionetz Berlin<br />
Gemeinsames Gruppenfoto von den Klausurteilnehmerinnen<br />
und –teilnehmern<br />
Die niedersächsische <strong>SPD</strong> hat „Foren“ zu best<strong>im</strong>mten Themengebieten eingerichtet, um sich<br />
mit Experten und Interessierten auszutauschen. Schon <strong>im</strong> Oktober habe ich mich mit dem<br />
sozialpolitischen Forum zur Inklusion beschäftigt. Inklusion? Was ist das? Als ich bei der<br />
<strong>Fraktion</strong> anfing wusste ich nichts mit dem Begriff anzufangen. Inklusion bedeutet beispielsweise<br />
die Integration von Jugendlichen mit Behinderung in die „normalen“ Schulformen, sie<br />
sollen dann nicht mehr vorrangig auf Förderschulen für Behinderte gehen. Am 26. März 2009<br />
ist die UN-Menschenrechtskonvention völkerrechtlich in Kraft getreten, welche besagt, dass<br />
allen Menschen die gleiche gesellschaftliche Teilhabe gebührt - unabhängig von Behinderungen.<br />
Das Ganze sollte jetzt landespolitisch umgesetzt werden, zwar sagt die<br />
CDU/FDP-Regierung, dass dies geschehen werde, aber es passiert rein gar nichts.<br />
Leider konnte ich an diesem Forum nicht teilnehmen, da ich nach Berlin gefahren bin, um<br />
mich über den Sektor „Biogas“ mit Experten auszutauschen. Organisiert wurde das Ganze von<br />
der Deutschen Umwelthilfe e.V., diese hat das „Bionetz Berlin“ gegründet. Eingeladen sind<br />
Unternehmer, <strong>Politik</strong>er, Wissenschaftler, Umwelt- und Wirtschaftsverbände.<br />
Bemerkenswerterweise war ich der einzige, der aus einem Landtag kam. Zuerst wurde über<br />
Fabian Claussen S e i t e | 17
18 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Einspeise- und Vernetzungsmöglichkeiten in der Branche referiert, danach ging es los mit<br />
einer Diskussion zur Akzeptanz von Biogasanlagen. In der kurzen Pause wurde ich auch sogleich<br />
auf die prekäre Situation in manchen Gebieten Niedersachsens angesprochen. Leider<br />
konnte ich nicht bis zum Ende bleiben, da der letzte Zug schon um 21:00 Uhr zurück nach<br />
Hannover fuhr.<br />
Biogasanlagen und Massentierhaltung<br />
Seit Mitte/Ende Oktober habe ich mich intensiv mit Biogasanlagen und Massentierhaltungsanlagen<br />
in Niedersachsen auseinandergesetzt. Wie gesagt, schwindet in einigen Gebieten die<br />
Akzeptanz solcher Anlagen mehr und mehr aufgrund der Anhäufung. In den Landkreisen<br />
Emsland, Cloppenburg, Vechta, Oldenburg und in der Grafschaft Benthe<strong>im</strong> stehen massig<br />
Biogas- und Massentierhaltungsanlagen. Hauptproblem bei erhöhter Anzahl von Biogasanlagen<br />
ist die vermehrte Nutzung der Energiepflanze „Mais“, welche in manchen Teilen des<br />
Landes auf über 2/3 der Ackerfläche wächst. Durch diese Monokulturen kommt es zur<br />
Bodenauswaschung, ganz zu schweigen von der Ausbreitung von Schädlingen.<br />
Außerdem ist auf etwa 62% der Landesfläche das Grundwasser in einem „schlechten<br />
chemischen Zustand“, es kommt zum vermehrten Stickstoffeintrag durch die Ausbringung der<br />
Gärreste und des Mistes aus den Massentierhaltungsanlagen. Im Emsland weiß man inzwischen<br />
gar nicht mehr, wohin man mit dem Mist soll, denn laut Düngeverordnung ist der<br />
Stickstoffeintrag pro Fläche begrenzt. Das Grundwasser muss also mithilfe von finanziellen<br />
Zuschüssen wieder Denitrifiziert werden, damit es genießbar ist. Schaut man sich eine deutschlandweite<br />
Karte an, auf der der Grundwasserzustand gekennzeichnet ist, so kann man deutlich<br />
erkennen, wie schlecht es um den niedersächsischen Grundwasserzustand bestellt ist <strong>im</strong> Vergleich<br />
zum Rest Deutschlands.<br />
Bei Massentierhaltungsanlagen sind nicht nur die Schadstoffausstöße problematisch, nein, auch<br />
die Wirtschaftlichkeit und das Wirtschaften dieser Betriebe werden in Frage gestellt.<br />
Beispielsweise müssen Arbeiter in dieser Branche zu Dumpinglöhnen arbeiten. Darüber muss<br />
die Landwirtschaftsministerin Grotelüschen, die aus dieser Branche kommt, eigentlich Bescheid<br />
wissen! Frau Grotelüschen ist als Landwirtschaftsministerin auch oberste Tierschützerin,<br />
aber von Tierschutz und artgerechter Haltung in den meisten dieser Massentierhaltungsanlagen<br />
kann wahrlich nicht die Rede sein. Die Tiere werden mit Antibiotika vollgepumpt,<br />
damit wird einerseits das Fleischwachstum angeregt und andererseits werden die<br />
Schmerzen gelindert, die diese Tiere haben, weil sie über Entzündungen und Geschwülste verfügen,<br />
die sie unter anderem durch den Platzmangel und das Liegen in ihren eigenen Exkrementen<br />
bekommen haben. Dieser Prozess, bei dem sich die Landschaft bzw. Landwirtschaft<br />
zunehmend durch Maismonokulturen und Massen an Biogasanlagen und Massentierhaltungsanlagen<br />
auszeichnet, wird oft als „Emslandisierung“ beschrieben, da die Situation <strong>im</strong> Emsland<br />
am gravierendsten ist. Es scheint, als greife diese Emslandisierung <strong>im</strong>mer mehr um sich; nun<br />
zeigt sich dieser Trend auch in weiteren Regionen. Doch Ministerin Grotelüschen findet alles<br />
okay, so wie es ist!<br />
Finanzkongress und Haushalt<br />
Am Samstag, den 27. November 2010, habe ich an meiner ersten Großveranstaltung der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> teilgenommen. Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Staat in der Finanzklemme“.<br />
Anlass zu dieser Veranstaltung gaben natürlich die ca. 50 Mrd. € Schulden Nieder-
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
sachsens. Die <strong>SPD</strong> hat in drei Gruppen Antworten gesucht, wie man noch aktive <strong>Politik</strong> bei<br />
weiterem Schuldenabbau gestalten kann. Besonders wurde auf die Themen „Daseinsvorsorge“,<br />
„<strong>Soziales</strong>“ und „Bildung“ eingegangen. Es waren etwa 140 Teilnehmer vor Ort.<br />
Diese Woche ist Plenarwoche und zwar die wohl längste des <strong>Jahr</strong>es, denn es geht um die<br />
Haushaltspolitik des nächsten <strong>Jahr</strong>es. Die <strong>SPD</strong> hat Vorschläge für einen alternativen Haushalt<br />
gemacht, mit dem es – trotz Abschaffung der Studiengebühren und Mehrausgaben für Bildung<br />
– möglich ist, die Schulden weiter zurückzufahren.<br />
Nächste Woche bin ich auf meinem zweiten Bildungsseminar <strong>im</strong> Rahmen des FSJ <strong>Politik</strong>.<br />
Diese „Orientierungstage“ werden in Meppen stattfinden. Es wird um die eigenen Fähigkeiten<br />
<strong>im</strong> Bezug auf die Berufswahl gehen, aber dazu mehr <strong>im</strong> nächsten Beitrag.<br />
7.<br />
Die Schlacht zu Meppen – „Orientierungsseminar“ <strong>im</strong> Emsland<br />
16.12.2010<br />
Am Montag, den 13. Dezember, ging es<br />
mit dem Niedersachsen-Ticket früh<br />
morgens auf ins Emsland zum zweiten<br />
Seminar <strong>im</strong> Rahmen des FSJ <strong>Politik</strong>.<br />
Dieses zweitägige „Orientierungsseminar“<br />
in der Jugendherberge Meppen<br />
hatten wir mit der FSJ Kultur-Gruppe aus<br />
dem Bereich Ostfriesland/Emsland/Osnabrück<br />
zusammen.<br />
Spurensuche vs. Kommunikation<br />
Nachdem wir in der Jugendherberge Mittag gegessen hatten, ging es kurz in die beiden<br />
Gruppen. Danach wurden alle Teilnehmer gemischt und es wurden zwei Werkstätten angeboten.<br />
Tobias Kick, Koordinator der FSJ Kultur-Gruppe, machte etwas zu<br />
„Kommunikation“ und Julia Wurzel, unsere Koordinatorin, bot das Thema „Spurensuche“<br />
an. Da ich mir noch nicht sicher bin, wie es für mich beruflich nach meinem FSJ weitergeht,<br />
habe ich die „Spurensuche“ gewählt. Ziel dieses Workshops war es, sich mit seinen eigenen<br />
Fähig- und Fertigkeiten auseinanderzusetzen, sich mit Fremdeinschätzungen zur eigenen<br />
Person zu beschäftigen und vielleicht sogar herauszufinden, was man später machen möchte<br />
<strong>im</strong> beruflichen Leben. Einige wussten schon Bescheid, was sie werden wollen und suchten<br />
Bestätigung, andere, so wie ich, wussten nicht genau, was sie später machen wollen. Viele<br />
wissen es zwar <strong>im</strong>mer noch nicht, aber es war interessant sich einmal intensiv einen ganzen<br />
Fabian Claussen S e i t e | 19
Nachmittag damit zu beschäftigen.<br />
FSJ <strong>Politik</strong> vs. FSJ Kultur<br />
20 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Für den Abend gab es die Idee politisch in die Diskussion zu kommen, weil das auf unserem<br />
letzten Seminar etwas zu kurz kam. Unsere Koordinatorin hatte mich angesprochen, ob ich<br />
nicht Lust hätte dies zu organisieren. Ich habe dann ein Planspiel zur Regierungskoalitionsbildung,<br />
welches ich <strong>im</strong> Rahmen meiner damaligen Facharbeit in der Schule entworfen<br />
hatte, für diesen Anlass weiterentwickelt. Allerdings waren die meisten von uns viel zu müde<br />
nach diesem anstrengenden Tag noch in politische Schlachten zu ziehen, darin bestand<br />
Konsens. So blieb uns dennoch eine Schlacht mit den FSJ Kultur-Leuten draußen <strong>im</strong><br />
Schnee. Gerecht war diese Schlacht sicher nicht, denn zahlenmäßig waren uns die anderen<br />
überlegen. Letztendlich haben wir unsere FSJ <strong>Politik</strong>-Ehre trotzdem wacker verteidigt. ;)<br />
Teamrollen vs. Stressmanagement<br />
Am Dienstagmorgen haben vermutlich viele<br />
eine Schlacht mit sich selbst geführt, um überhaupt<br />
aufzustehen, denn noch bis spät in die<br />
Nacht haben einige die Flure der Jugendherberge<br />
unsicher gemacht. Auch am zweiten<br />
Tag gab es wieder zwei Angebote: „Stressmanagement“<br />
und „Meine Rolle <strong>im</strong> Team“. Im<br />
„Stressmanagement“-Workshop hat Tobias<br />
Kick gezeigt, wie man sich entspannt. Dazu gab<br />
es zum Beispiel Yoga-Übungen. In dem anderen<br />
Workshop, den ich gewählt hatte, brachte Julia<br />
Wurzel uns die Teamrollen-Theorie nach Belbin<br />
näher. Wir haben uns selber eingeschätzt,<br />
welche Teamrolle wir in einer Gruppe nach<br />
Belbin einnehmen würden und wie uns die<br />
anderen einschätzen. Denn Abschluss bildete<br />
ein Gruppenspiel namens „Überquerung des<br />
Moorpfads“: Die ganze Gruppe sollte auf zehn<br />
Getränkekisten eine Strecke <strong>im</strong> Schnee überwinden,<br />
ohne den Boden zu berühren. Wenn eine Kiste aber nicht mehr berührt wurde,<br />
dann flog diese aus dem Spiel. Bilanz: Chaos, 2 „Tote“, die es nicht geschafft haben auf den<br />
Kisten zur anderen Seite zu kommen, und Frust in der Gruppe über unzureichende<br />
Kommunikation. Dennoch: Es hat Spaß gemacht.<br />
An dieser Stelle möchte ich Euch ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest wünschen und<br />
einen guten Rutsch ins neue <strong>Jahr</strong>! Und denjenigen, die kein Weihnachten feiern wünsche ich<br />
eine schöne Winterzeit (aber natürlich auch allen anderen ;-) ). Vom 23. Dezember bis zum<br />
2. Januar habe ich frei. Im Januar geht es dann frisch weiter mit dem nächsten Beitrag.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
8.<br />
Von misslungener <strong>Politik</strong> - Ein Kommentar<br />
18.01.2011<br />
Ich weiß, es ist relativ spät, dennoch wünsche ich allen ein frohes neues <strong>Jahr</strong> - auch wenn<br />
Schwarz-Gelb weiter in Bund und Land regieren und nicht gerade vorbildliche <strong>Politik</strong><br />
machen.<br />
Die vergebliche Suche nach Verantwortung<br />
Aber dennoch, ich muss die Landesregierung einmal loben: Welches bessere Weihnachtsgeschenk<br />
konnte Schwarz-Gelb den Niedersachsen geben, als den „Rausschmiss“ von der<br />
deplatzierten – nun ehemaligen - Agrarministerin Grotelüschen? Zugegeben, dass eine solch<br />
inadäquate Besetzung des Landwirtschaftsministeriums überhaupt zustande gekommen ist,<br />
ist schon ein krasser Fauxpas!<br />
Der Dioxin-Skandal hingegen war wohl kein Weihnachtsgeschenk. Bedauernswerterweise<br />
hat die Landesregierung am Verbraucherschutz gespart. Durch eine kleine Anfrage an die<br />
Landesregierung wurde deutlich, dass sie gar keinen Überblick über die Lebensmittelkontrolleure<br />
hat, denn diese Aufgabe, die früher nicht ohne Grund vom Land Niedersachsen<br />
wahrgenommen wurde, wurde an die Kommunen abgegeben <strong>im</strong> Zuge der Sparmaßnahmen.<br />
Herrlich, wie sehr sich doch unsere liebe Landesregierung um uns kümmert!<br />
Es ist doch traurig, dass der ganze Dioxin-Skandal nur durch eine Selbstanzeige ans Tageslicht<br />
gekommen ist, und das System wird dann auch noch gelobt! Der Staatssekretär weiß<br />
offensichtlich selbst nicht Bescheid, was in „seinem Haus“ passiert und es kommt zu<br />
„Kommunikationsschwierigkeiten“ zwischen Aigner und der Landesregierung. Dabei wäre<br />
es doch so schön, wenn die Exekutiven endlich mal Hand in Hand effektiv für uns arbeiten<br />
würden! Mit Frau Grotelüschen wäre das ganze wohl auch nicht besser gelaufen, sie hätte<br />
die Futtermittelindustrie wahrscheinlich noch geschützt! Aber jetzt wird der neue Retter<br />
angekündigt: Gert Lindemann. Ich sage mal: Es kann nur besser werden, die letzten Monate<br />
der Landwirtschaftspolitik vom Kabinett McAllister waren einfach nur enttäuschend und<br />
peinlich.<br />
Eine Unverschämtheit vor dem Herren<br />
Gerade habe ich eine Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums gelesen, in der Gert<br />
Lindemann bereits als „Landwirtschaftsminister“ Niedersachsens deklariert wird. Weiß die<br />
Landesregierung eigentlich, wie jemand Minister in diesem Land wird? Ich bin entsetzt! In<br />
der Niedersächsischen Verfassung, Artikel 29 „Regierungsbildung“, heißt es in Absatz 4:<br />
„Die Berufung und Entlassung eines Mitglieds der Landesregierung durch die Ministerpräsidentin<br />
oder den Ministerpräsidenten nach der Bestätigung bedarf der Zust<strong>im</strong>mung des<br />
Landtages.“ Frau Grotelüschen ist nach dem Dezemberplenum „gegangen worden“, das<br />
Fabian Claussen S e i t e | 21
22 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
nächste Plenum ist erst morgen (19.01.) – wie kann also ein Gert Lindemann schon Landwirtschaftsminister<br />
sein? Haben sich die Landtagsabgeordneten he<strong>im</strong>lich über Weihnachten<br />
getroffen und die Sache beschlossen? Oder denkt die abgehobene schwarz-gelbe Landesregierung,<br />
sie brauche die Verfassung nicht zu achten? Die Volksvertreter sind <strong>im</strong>mer noch<br />
die Landtagsabgeordneten, was für eine Unverfrorenheit diese einfach zu übergehen! Es ist<br />
nicht nur eine Unverschämtheit vor dem Herren, sondern vor allem vor uns Niedersachsen!<br />
9.<br />
Freie Bildungstage <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
31.01.2011<br />
Nach einem ereignisreichen <strong>Jahr</strong>eswechsel in der Landwirtschafts- und Verbraucherschutzpolitik<br />
hatte ich Mitte Januar mein 3. Seminar <strong>im</strong> Rahmen der „Freien Bildungstage“.<br />
„Kreative Präsentationen“<br />
Jede/r Freiwillige, die/der ein FSJ <strong>Politik</strong> oder Kultur in Niedersachsen absolviert, wählt <strong>im</strong><br />
Rahmen der sogenannten „Freien Bildungstage“ ein dreitägiges Seminar an, welches<br />
ihr/ihm gefällt. Dabei hat man die Auswahl zwischen etwa zehn verschiedenen, berufsvorbereitenden<br />
Seminaren, die ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben. Also konnte man<br />
individuell entscheiden, was man gerne machen möchte. Als Erstwunsch gab ich das<br />
Seminar „Potenzialanalyse“ an, dabei sollte es darum gehen, seine Stärken und Schwächen<br />
besser zu erkennen. Da dieses Seminar von sehr vielen angewählt worden war, bekam ich<br />
eine Einladung zu meinem Zweitwunsch: „Kreative Präsentationen“.<br />
Vom 13. bis 15. Januar bildeten wir uns also <strong>im</strong> Tagungshaus „Gleisdreieck“, hier in<br />
Hannover, fort. „Wir“ ist eine kleine Gruppe von Freiwilligen gewesen, wobei ich der einzige<br />
war, der ein FSJ <strong>Politik</strong> absolvierte; die anderen kamen alle vom FSJ Kultur. Die<br />
Leitung übernahm eine ehemalige Mitarbeiterin der LKJ, die nun selbstständig <strong>im</strong> Bereich<br />
„Unternehmensberatung/Personalcoaching“ tätig ist. Inhaltlich ging es darum,<br />
Präsentationen zu halten und freies Sprechen zu trainieren. Die Referentin versorgte uns mit<br />
einer großen Zahl verschiedener Übungen und hilfreicher Tipps. Wir haben innerhalb dieser<br />
drei Tage etwa vier individuelle Präsentationen gehabt, und teilweise wurde dies zur<br />
kritischen Selbstanalyse hinterher aufgezeichnet. Insgesamt muss ich sagen, dass mir das<br />
Seminar gut gefallen hat und es hilfreich war, das Referieren zu üben.<br />
Jetzt für das FSJ <strong>Politik</strong> bewerben!<br />
An alle interessierten Jugendlichen, die sich für politische Prozesse interessieren und einmal<br />
hinter die Kulissen schauen möchten: Noch bis zum 31. März 2011 kann man sich bei der<br />
Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung in Niedersachsen e.V. (LKJ) für den dritten<br />
<strong>Jahr</strong>gang des FSJ <strong>Politik</strong> bewerben! Auf der Internetseite der LKJ
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
(http://www.lkjnds.de/index.php?fsj_politik) findet man die nötigen Bewerbungsbögen<br />
und alle weiteren Informationen. Am 25. und 26. Februar findet <strong>im</strong> Hannover Congress<br />
Centrum (HCC) die Bildungsmesse statt. Die LKJ wird dort mit einem Stand vertreten sein<br />
und unter anderem über das FSJ <strong>Politik</strong> informieren. Am Freitag, den 25. Februar, werde<br />
ich voraussichtlich auch dabei sein. ;) Das nächste Mal werde ich Euch wahrscheinlich von<br />
der nächsten FSJ <strong>Politik</strong> Veranstaltung berichten. Dies wird eine einwöchige polnisch<br />
deutsche Jugendbegegnung in Kreisau (Polen) sein.<br />
10.<br />
Grenzenlose Freiheit –<br />
Jugendbegegnung in Polen Teil 1<br />
23.02.2011<br />
Vom 14.-18. März stand das nächste FSJ <strong>Politik</strong>-Seminar an: Eine deutsch-polnische<br />
Jugendbegegnung in Kreisau (Polen, Niederschlesien). Unter dem Motto „Freiheit grenzenlos<br />
– Wolnosc bezgraniczna“ fand dieses binationale Treffen statt.<br />
Hinreise und Ankunft<br />
In aller Frühe trafen wir uns um 7:15 Uhr am Hauptbahnhof in Hannover, um über Berlin<br />
und Legnica nach Kreisau zu fahren. In Berlin angekommen und den kompletten Hauptbahnhof<br />
dort vertikal durchquert, hatten wir anfangs Schwierigkeiten unseren Waggon zu<br />
finden. Bis wir dann feststellen mussten, dass unser Zugwagen gar nicht vorhanden war an<br />
diesem Zwei-Wagen-Zug! Glücklicherweise durften wir es uns daher auf den Plätzen der 1.<br />
Klasse gemütlich machen. Als wir die deutsch-polnische Grenze überquerten, wurde der<br />
Zug plötzlich langsamer, sogar so manches ältere Auto überholte uns. Vermutlich führ der<br />
Zug so „gemütlich“, weil die Gleise schon älter waren. So hatten wir aber wenigstens Zeit<br />
die graue Landidylle Polens zu genießen. Irgendwann standen wir dann ohne Lok für eine<br />
halbe Stunde an einem Bahnhof <strong>im</strong> Nichts, aber wir nahmen es mit Humor. ;-) In Legnica<br />
angekommen, empfing uns in der Eiseskälte der kleine Bus, der uns in teils rasanter Fahrt<br />
über die teils sehr holprigen Straßen nach Kreisau brachte. Erschöpft haben wir dann<br />
unsere Z<strong>im</strong>mer bezogen.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 23
Begegnung mit der polnischen Partnergruppe<br />
Zuerst war das<br />
Zusammentreffen<br />
distanziert, was<br />
ganz normal ist,<br />
wenn man sich<br />
nicht kennt, aber<br />
zunehmend haben<br />
sich die Gesprächsgruppen<br />
<strong>im</strong><br />
Laufe der ersten<br />
Tage gemischt und<br />
die Nationalität –<br />
wie es auch sein<br />
sollte – geriet in<br />
den Hintergrund.<br />
Dennoch war die<br />
Kommunikation<br />
nicht so einfach,<br />
denn wir FSJ<br />
<strong>Politik</strong>-<br />
Absolventen konnten<br />
kein polnisch<br />
24 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Die gesamte deutsch-polnische Seminargruppe auf der Treppe, die<br />
ins Gutshaus führt.<br />
und viele polnische Teilnehmer kein Deutsch. Selbst englisch konnten viele nicht, also<br />
musste fast alles in zwei Sprachen übersetzt werden. Die polnischen Teilnehmer kannten<br />
sich untereinander vorher nicht, die meisten waren Studenten. Einen Altersunterschied gab<br />
es nicht oder er war nicht zu spüren. Die gemeinsamen Abende waren heiter und führten<br />
nicht selten zu Müdigkeit am nächsten Tag.<br />
Besichtigungstour über das Gut: Ja, es war kalt!<br />
Das Gut von Moltke und der<br />
Kreisauer Kreis<br />
Der ehemalige Gutshof, in dem heute<br />
die internationale Begegnungsstätte<br />
untergebracht ist und von der Stiftung<br />
Kreisau unterhalten wird, gehörte der<br />
Familie von Moltke, einer aristokratischen<br />
und adligen Familie. Helmut<br />
James Graf von Moltke war ein Widerstandskämpfer<br />
<strong>im</strong> Dritten Reich und<br />
gründete den Kreisauer Kreis, ein Zusammenschluss<br />
von Protestanten,<br />
Katholiken, Aristokraten und Sozial-
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
demokraten, die das Ziel hatten eine neue Verfassung für das „Deutsche Reich“ zu erarbeiten.<br />
Die Widerstandsgruppe bestand aus vielen Mitgliedern und Treffen fanden auch<br />
an anderen Orten als in Kreisau statt, aber die wichtigsten waren <strong>im</strong> kleinen Kreisau auf<br />
dem Gut von Moltke, daher wurde die Gruppe „Kreisauer Kreis“ genannt. Der Gutshof<br />
wurde seitdem renoviert und zum Teil neu aufgebaut. Am Dienstagmorgen haben wir uns<br />
mit dem Kreisauer Kreis thematisch auseinandergesetzt.<br />
Verworrene Parteien am Abend<br />
Dienstagabend drehte sich alles um <strong>Politik</strong> und Gesellschaft in den beiden Nachbarländern.<br />
Für den ersten Teil des Abends haben wir uns die jeweiligen Parteienlandschaften angeschaut.<br />
Die Deutschen haben die Kürzel der polnischen Parteien bekommen, Fotos von<br />
deren Spitzenpolitikern<br />
und<br />
Parteiprogramme.<br />
Die Polen<br />
haben das<br />
Gleiche von<br />
den deutschen<br />
Parteien bekommen.<br />
In<br />
Kleingruppen<br />
war es nun<br />
unsere Aufgabe<br />
zu unserem<br />
Parteikürzel das<br />
richtige Foto<br />
und das richtige<br />
Parteiprogramm<br />
zu<br />
suchen und eine<br />
Wahlkampfrede<br />
zu verfassen.<br />
Ich werbe für die „SLD“ in meiner politischen Rede.<br />
Meine Gruppe hatte die SLD (Bund der Demokratischen Linken). In einer Rede proklamierte<br />
ich anschließend die „SLD – the Future Party of Poland“. Lustig wurde es<br />
allerdings, als plötzlich die Linke Privatisierung forderte und die FDP sich als Partei des<br />
Gemeinwohls aufspielte. Und das Foto von Christian Wulff hing unter der Schrift „Bündnis90/Die<br />
Grünen“. Nach 10 kurzen und knackigen Wahlkampfreden spielen wir in 4<br />
Gruppen „Der Große Preis“ mit Fragen aus Kultur und <strong>Politik</strong> der beiden Länder. Meine<br />
Gruppe belegte Platz zwei.<br />
So, das war der erste Teil unserer Fahrt nach Polen. Das nächste Mal erzähle ich dann von<br />
demokratischem Theater und dem Theater, das wir in Breslau veranstaltet haben. Außerdem<br />
werde ich euch von Zwergen und Idioten erzählen.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 25
26 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
11.<br />
Freiheit und Flashmob –<br />
Jungendbegegnung in Polen Teil 2<br />
28.03.2011<br />
Nun Teil zwei unseres FSJ <strong>Politik</strong>-Seminars „Freiheit grenzenlos – Wolnosc bezgraniczna“<br />
in Polen. Eine zwar kalte, aber interessante Reise in die politische Kultur Polens und des<br />
Theaters.<br />
Orange Alternative<br />
Am Mittwochvormittag haben<br />
wir uns mit der Bewegung der<br />
„Orangenen Alternative“ auseinandergesetzt.<br />
Die „Orange<br />
Alternative“ ist in den 1980er<br />
<strong>Jahr</strong>en zu Zeiten des Sozialismus<br />
in Polen entstanden und stellte<br />
eine Art kulturelle Opposition<br />
dar. Sie gingen auf die Straße, um<br />
für politische Freiheit zu<br />
demonstrieren. Wobei der Zwerg<br />
eine Art Maskottchen wurde,<br />
denn Reg<strong>im</strong>e kritische Sprüche<br />
an Hauswänden wurden damals<br />
vom Staat weiß übermalt und die<br />
Anhänger der „Orangenen<br />
Alternative“ zeichneten auf<br />
Major Waldemar Frydrich (mit oranger Mütze) erzählt<br />
von seinen Erfahrungen auf Demonstrationen und<br />
Agnieszka Couderq-Kubas (in Pink) ergänzt seine<br />
Erzählungen.<br />
diesen übermalten Flächen Zwerge. Damit wusste jeder, was gemeint war. Außerdem verkleideten<br />
sie sich als Zwerge und gingen zu Hunderten auf die Straße. Die Demonstrationen<br />
waren in der Regel friedlich und sollten die staatliche Gewalt lächerlich machen, indem die<br />
Polizei „friedliche Zwerge verhaftete“. Die gesamte Bewegung ging von Breslau (Wroclaw)<br />
aus und einer der „Anführer“ war Major Waldemar Frydrich. Er und Agnieszka Couderq-<br />
Kubas von der heutigen „Stiftung Orange Alternative“ waren am Mittwochvormittag zu<br />
einem Zeitzeugengespräch aus Warschau gekommen und hatten sich den ganzen Tag für<br />
uns Zeit genommen.<br />
Wir haben übrigens auch diese Mützen bekommen. Zur Einführung gab es ein Referat von<br />
einer Studentin aus Dresden, die auch anschließend die deutsch-polnische Moderation<br />
übernahm. Zur letzten Stadtratswahl in Warschau ist die „Orange Alternative“ mit der Liste
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
„Zwerge und Idioten“ angetreten. Sie sind offensichtlich nun eher eine gesellschaftskritische<br />
Bewegung zu sein. Ursprünglich kam die Bewegung also aus dem Volk und hat für<br />
kulturelle Vielfalt und politische Freiheit „gekämpft“, heute ist sie zwar <strong>im</strong>mer noch Verfechter<br />
der kulturellen Vielfalt, kritisiert aber auch die Lebenseinstellung der Bürger.<br />
Theaterworkshop<br />
Aus der Tschechischen Republik kam<br />
„Frank“, ein Experte in Sachen<br />
„ImProzesstheater“. Dies hat sich aus dem<br />
Theater der Unterdrückten von Augusto<br />
Boal entwickelt. „ImProzesstheater“ umfasst<br />
verschiedene Formen des „demokratischen<br />
Theaters“. Ich möchte hier nur zwei Formen<br />
erläutern: das „Forumtheater“ und das „unsichtbare<br />
Theater“.<br />
Im Forumtheater wird eine Szene gespielt,<br />
die der Zuschauer als äußerst unbefriedigend<br />
wahrn<strong>im</strong>mt, ihm wird aber Gelegenheit ge- Hinteransicht des Rathauses in Breslau<br />
boten diese Szene zu verändern, indem er<br />
selber zum Schauspieler wird. Ein Beispiel wäre das s<strong>im</strong>ulieren einer Parlamentssitzung.<br />
Unsichtbares Theater findet in der Öffentlichkeit statt, die Passanten wissen nicht, dass sie<br />
Zuschauer dieses Theaters sind. Das unsichtbare Theater hat das Ziel zum Denken anzuregen.<br />
So wird „unbemerkt“ auf Themen wie materielle Armut in einer reichen Gesellschaft,<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung von Migranten, Welthungerleiden,<br />
Homosexualität oder politische Kultur<br />
aufmerksam gemacht. Beispielsweise gab es eine<br />
Aktion, in der Leute (Schauspieler in diesem<br />
Fall) auf sich aufmerksam gemacht haben auf<br />
einem Platz. Es entstand ein Menschenauflauf,<br />
weil jeder wissen wollte, was dort los ist. Dann<br />
gab es „fingierte“ Gespräche von Schauspielerpaaren<br />
überall in der Menschenmenge verteilt,<br />
die sich darüber gestritten haben, ob nun für<br />
etwas oder gegen etwas demonstriert wird. Ziel<br />
war es, dass Demonstranten nicht gleich als<br />
„Dagegen-Leute“ abgestempelt werden, stattdessen<br />
sollte man <strong>im</strong>mer neutral an eine<br />
Demonstration herantreten und sich dann eine<br />
Meinung darüber bilden.<br />
Ich, Sören und Kamil (v. l. n. r.) vor dem<br />
Breslauer Ratshaus<br />
effekt hat es großen Spaß gemacht.<br />
Den Dienstag und den Mittwochnachmittag<br />
haben wir also damit verbracht Theater zu<br />
spielen – aber ganz neue Formen, die bisher<br />
noch keiner von uns kannte. Am Anfang war<br />
das Ganze zwar etwas holprig, aber <strong>im</strong> End-<br />
Fabian Claussen S e i t e | 27
Breslau und Flashmob<br />
Kamil, Monica, Sören und ich (v. r. n. l.) mit<br />
"unserem" Zwerg Sisyphos<br />
28 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Am Donnerstag hieß es dann: Auf<br />
nach Breslau! Auf Polnisch heißt<br />
Breslau „Wroclaw“ (gesprochen:<br />
Rotzwaw). Dort startete die Orange<br />
Alternative mit ihrem Protest und in<br />
Erinnerung sind überall in der<br />
Innenstadt kleine Zwergfiguren<br />
aufgestellt. Nach einer 1,5-stündigen<br />
Busfahrt, auf der ich auch kurz über<br />
die Ereignisse in Libyen berichtete,<br />
mussten wir in Kleingruppen einen<br />
dieser Zwerge anhand von Fotos<br />
finden. „Unseren“ Zwerg haben wir<br />
(Monica, Kamil, Sören und ich) auf<br />
Anhieb ausfindig gemacht. Sein<br />
Name war „Sisyphos“ nach dem<br />
griechischen Mythos. Wenn ihr euch<br />
das Bild anschaut, dann wisst ihr<br />
auch warum, denn auch dieser Zwerg verrichtet Sisyphusarbeit, schaut man auf die andere<br />
Seite der Kugel, so schiebt dort ein Zwerg und arbeitet entgegengesetzt zu „Sisyphos“.<br />
Im Theaterworkshop haben<br />
wir schon einen eigens<br />
kreierten Flashmob zum<br />
Thema Freiheit und Unterdrückung<br />
entwickelt, den wir<br />
in Breslau ausführen wollten.<br />
(Kurzinfo: Ein Flashmob ist<br />
eine abgesprochene Aktion,<br />
die von einer Gruppe in der<br />
Öffentlichkeit durchgeführt<br />
wird. Es sieht so aus, als<br />
würden sich Menschen aus<br />
allen Richtungen spontan<br />
entscheiden, etwas gemeinsam<br />
zu machen und<br />
genau das erregt die Aufmerksamkeit<br />
von<br />
Passanten.) Nachdem wir<br />
also einen Treffpunkt nach<br />
dem Flashmob ausgemacht<br />
Performance des Flashmobs <strong>im</strong> Einkaufszentrum, oben<br />
links <strong>im</strong> Bild die Personen, die die Freiheit verkörpern,<br />
vorne rechts die „Unterdrückten“
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
hatten und ein Anfangszeichen vereinbart hatten (Frank band seinen Schnürsenkel), konnte<br />
es losgehen. Wir verteilten uns auf dem Marktplatz, bis plötzlich alle von uns in die Mitte<br />
des Platzes gingen und wir uns in zwei Gruppen einteilten, die Freiheit und die Unterdrückten.<br />
Dazwischen war eine „Menschenmauer“. Ich kauerte als Unterdrückter auf dem<br />
Boden. Nach etwa 4 Minuten in Starre, durchbrach die „Freiheit“ die Mauer und befreite die<br />
Unterdrückten. Alle verschwanden in verschiedenen Richtungen, um sich hinterher am verabredeten<br />
Ort wiederzutreffen. Das Ganze führten wir auch noch einmal <strong>im</strong> Einkaufszentrum<br />
durch. Fazit: Auf dem Markt<br />
haben nur wenige inne gehalten und<br />
geschaut, wobei sich ein Mädchen einfach<br />
neben unsere „Mauer“ gestellt hat<br />
und sich hat fotografieren lassen. Im<br />
Einkaufszentrum allerdings haben einige<br />
Leute uns beobachtet und auch gefragt:<br />
„Was ist da los? Was machen die dort?“<br />
Ich fand die Aktion sehr spaßig und eine<br />
schöne Erfahrung, die jeder Mal gemacht<br />
haben sollte! Ich kann es nur<br />
empfehlen. Natürlich hatten wir auch<br />
ein bisschen Freizeit und sind durch die<br />
Schon nach wenigen Augenblicken erregten wir<br />
die Aufmerksamkeit der Passanten und wurden<br />
von oben beobachtet.<br />
vergessen.<br />
Abfahrt am Freitag<br />
polnische Großstadt gezogen. In einem<br />
ulkigen Kellergewölbe aßen wir zu Mittag.<br />
Bei einer heißen Schokolade (die in<br />
Polen wirklich schokoladig ist) ließ sich<br />
das kalte Wetter am Nachmittag schnell<br />
Freitagmorgen, nachdem wir gegenseitig<br />
Facefook-Profile ausgetauscht hatten, verließen<br />
die polnischen Teilnehmer zuerst die Tagungsstätte.<br />
Wir schauten vor unserer Abfahrt zum<br />
Bahnhof den Film „Strajk – Die Heldin von<br />
Danzig“, darin ging es um die wichtigste Mitbegründerin<br />
der „Solidarność“. Dies war die erste<br />
unabhängige Gewerkschaft Polens (es herrschte<br />
der Sozialismus), die maßgeblich zu einem<br />
politischen Umdenken beitrug. Emotional wird<br />
die Geschichte von Anna Walentynowicz dem<br />
Zuschauer näher gebracht. Eine lange – aber<br />
unterhaltsame – Rückfahrt über Dresden und<br />
Paulina, Anja und ich (v. r. n. l.)<br />
Berlin nach Hannover bildete den Abschluss unserer binationalen Jugendbegegnung.<br />
Insgesamt gefiel mir die Fahrt nach Polen sehr gut und ich bin froh unser großes östliches<br />
Nachbarland etwas näher kennengelernt zu haben. Am besten haben mir der politische<br />
Abend und das Theater gefallen. Das kalte Wetter allerdings war nicht ganz so prickelnd,<br />
aber das Seminar hat sich in politischer, kultureller und nicht zuletzt in sozialer Hinsicht<br />
Fabian Claussen S e i t e | 29
gelohnt.<br />
30 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
12.<br />
Wort des <strong>Jahr</strong>es: Plagiat – Ein Kommentar<br />
28.02.2011<br />
Als die ersten Vorwürfe laut wurden, zu Guttenberg habe Mengen an Fußnoten „vergessen“,<br />
und er daher des Raubes geistigen Eigentums bezichtigt wurde, habe ich mich<br />
dezent zurückgehalten und sah es eher als Hetze gegenüber zu Guttenberg. Wenn sich dies<br />
nämlich bewahrheiten würde, dann schüre das nur die <strong>Politik</strong>verdrossenheit. Die Menschen<br />
wären enttäuscht, ein <strong>Politik</strong>er zweifelsohne mit Ausstrahlung und dann führt er sie so<br />
hinters Licht… Nun, es ist so gekommen. Keiner kann mir erzählen, dass zu Guttenberg<br />
das nicht gewusst hat, auch wenn er es am Anfang abstritt. Dann aber doch gravierende<br />
Mängel feststellen musste und freiwillig den Doktortitel abtrat. Ich halte zu Guttenberg für<br />
intelligent genug, dass ihm diese „gravierenden Mängel“ hätten auffallen müssen – außer<br />
natürlich er hat die Arbeit selber nicht geschrieben.<br />
Ich habe mir die Debatte <strong>im</strong> Bundestag über zu Guttenbergs Plagiat-Affäre angeschaut und<br />
war beeindruckt, mit welch einer Selbstsicherheit er die Fragen seitens des Ple-nums beantwortete.<br />
Er wies darauf hin, dass er auch nur ein Mensch sei und Menschen würden<br />
Fehler begehen. Das st<strong>im</strong>mt, Menschen begehen Fehler, keine Frage, aber ich sah nur wenig<br />
Reue. So nach dem Motto: Ich bin so beliebt, mir wird das schon verziehen! Außerdem ist<br />
nicht jeder Mensch ein Minister und begeht Raub geistigen Eigentums. Geistiges Eigentum<br />
wird staatlich geschützt. Es hat ihn niemand gebeten die wissenschaftliche Ehre zu verletzen.<br />
Ist das nicht einfach nur peinlich? Zumal Merkel <strong>im</strong>mer beteuert hat, wie wichtig der<br />
Schutz des geistigen Eigentums ist.<br />
Dann relativiert er sein ganzes Vergehen auch noch damit, dass er Familie und Karriere und<br />
was er sonst noch alles aufgezählt hat unter einen Hut bringen musste. Ist es also in diesem<br />
Fall legit<strong>im</strong>iert abzuschreiben? Was für eine Frechheit! Ihm selber waren die Universitäten<br />
des Militärs unterstellt, auch dort kann man einen Doktor machen. Wie hätte er die behandelt,<br />
die an „seinen“ Unis des Plagiats beschuldigt worden wären? Wahrscheinlich gleich<br />
rausgeschmissen und bestraft, wie den ehemaligen Kom-mandanten der „Gorch Fock“.<br />
Scheinbar haben in seinen Augen Minister eine Sonder-stellung. Sie sind Menschen. Alle<br />
Menschen sind gleich, nur Minister sind gleicher!<br />
Er hat die ganze Menschengruppe der Doktoranden und der Graduierten in schlechtes<br />
Licht gestellt. Über ihre Doktortitel wird teilweise gewitzelt, aber sie finden es gar nicht<br />
witzig, dass so unachtsam mit ihrer Reputation umgegangen wird! Das kann man, den-ke<br />
ich, verstehen. Viele Studenten und auch angehende Doktoranden, mit denen ich gesprochen<br />
habe, finden es eine Unverschämtheit. Es hat Karl-Theodor zu Guttenberg doch<br />
niemand gezwungen seinen Doktortitel zu Ende zu machen, wenn er so beschäf-tigt ist!<br />
Nun hat er beleidigt sein Amt niedergelegt. Wie kann man einem solchen Minis-ter denn
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
auch noch Glauben schenken bitte?<br />
Positiv ist natürlich zu bewerten, dass die Kreativität durch die Plagiat-Affäre angeregt<br />
wurde: Es wurden kreative Spitznamen (Plagiat-Gutti, Guttbye, Plagiator KT, etc.) und<br />
Karikaturen (beispielsweise eine Tube „Copy-Paste“ fürs Haar) entwickelt. Außerdem sind<br />
Menschen nach arabischem Vorbild mit erhobenen Schuhen demonstrieren ge-gangen,<br />
somit wurde eine neue interkulturelle Art des Demonstrierens geschaffen. Auf den Internetplattformen<br />
haben sich Gruppen gebildet und ich bin auf Facebook der Gruppe „Wir<br />
wollen Guttenberg nicht zurück!“ beigetreten. Jetzt werden St<strong>im</strong>men laut, die sagen: „Das<br />
böse Volk vergrellt unsere <strong>Politik</strong>er!“ Ich verstehe die Demokratie, in der wir leben, als<br />
„Herrschaft vom Volke aus“, <strong>Politik</strong> sollte <strong>im</strong>mer ein ausgewogenes Abbild der Bürger sein,<br />
für mich ist der Rücktritt also der richtige Schritt <strong>im</strong> Nachhinein gewesen.<br />
13.<br />
Fachkräftemangel, International School<br />
und innovatives Bauen<br />
16.03.2011<br />
Heute möchte ich von drei unterschiedlichen Veranstaltungen berichten, an denen ich Anfang<br />
März teilgenommen habe. An einer habe ich auch organisatorisch aktiv mitgearbeitet.<br />
„Fachkräfteoffensive für Niedersachsen“<br />
Hintergrund: Einigen ist<br />
es sicherlich durch Diskussionen<br />
in den<br />
Medien bekannt, dass<br />
Deutschland – in<br />
manchen Branchen –<br />
einen Fachkräftemangel<br />
hat. Dieser Trend wird<br />
sich Dank demografischem<br />
Wandel noch<br />
verschärfen. Ein Rückgang<br />
potenzieller<br />
Arbeitskräfte von ca. 6,5<br />
Mio. in den nächsten<br />
<strong>Jahr</strong>en wird von der<br />
Bundesagentur für<br />
Arbeit prognostiziert. In<br />
Fabian Claussen S e i t e | 31
32 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Niedersachsen bedeutet dies, dass die Zahl der Arbeitnehmer bis 2020 um 17% abn<strong>im</strong>mt.<br />
Schon seit dem <strong>Jahr</strong>e 2008 leben wir in einem Auswandererland: Es wandern mehr<br />
Menschen aus, als dass es Zuwanderer gibt, die hier ihren Lebensmittelpunkt aufbauen.<br />
Dennoch beklagen sich gerade die Arbeitgeber in der Pflegebranche über fehlende Fachkräfte.<br />
Außerdem wird eine höhere Anzahl an Akademikern gebraucht, um den wirtschaftlichen<br />
Fortschritt zu halten.<br />
Diese Ausgangslage hat die Wirtschafts- und Wissenschaftspolitiker der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> dazu<br />
bewogen, eine Expertenanhörung zu diesem Thema zu veranstalten. Und diese Anhörung<br />
habe ich in großen Teilen mitorganisiert. Es wurde also am 02.03.2011 mit Arbeitgebern,<br />
dem DGB, Vertretern aus Industrie und Handwerk, der Arbeitsagentur für Arbeit und<br />
einem Vertreter aus der Wissenschaft diskutiert. Stichworte waren nicht nur die geringe Erwerbsbeteiligung<br />
von Frauen und die Abbrecherquote in Schule, Ausbildung und Studium,<br />
sondern auch die Erwerbsbeteiligung von Älteren und Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Außerdem wurde über die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesprochen.<br />
Im Mai soll es mit einer Fachkonferenz weitergehen. Am Ende will die <strong>SPD</strong><br />
parlamentarisch initiativ werden.<br />
International School Hannover<br />
Am 4. März stand ein<br />
Besuch der International<br />
School<br />
Hannover an.<br />
Hierbei begleitete ich<br />
unsere integrationspolitische<br />
Sprecherin<br />
Dr. Silke Lesemann,<br />
unseren sozialpolitischen<br />
Referenten Heinrich<br />
Heggemann und den<br />
Vorsitzenden des<br />
Afrikanischen DachverbandesNorddeutschlands<br />
Abayomi Bankole.<br />
Die International<br />
School Hannover ist<br />
eine vornehmlich<br />
privat gesponserte<br />
Schule, die integrativ<br />
Besuchte und Besucher der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> in der Pausenhalle der<br />
lebhaften International School Hannover<br />
unterrichtet. Schon als ich die Schule betrat fühlte ich mich in meine Zeit in Amerika versetzt<br />
und das nicht nur, weil alles in Englisch war, sondern weil mich die Einrichtung der<br />
Klassenräume an die US-amerikanischen erinnerte. Sie sind nämlich bunt und in den<br />
niedrigeren Stufen oftmals gemütlich eingerichtet. In der Schule werden alle Altersstufen<br />
unterrichtet – vom Kindergarten bis zum internationalen Schulabschluss. Viele werden auch
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
individuell gefördert.<br />
Das Plus-Energie-Haus<br />
Im <strong>Jahr</strong>e 2007 entwickelte ein Team der TU Darmstadt das „Plus-Energie-Haus“ für einen<br />
Wettbewerb in Washington. Es war die erste Teilnahme und sie gewannen den Wettbewerb<br />
aufgrund der guten Energiebilanz. Im <strong>Jahr</strong>esschnitt stellt das Haus nämlich mehr Energie<br />
bereit, als es verbraucht, daher auch der Name. Nach dem Wettbewerb hat das Haus eine<br />
Tour durch deutsche Städte gemacht. Jetzt war Station in Hannover und am 14. März ging<br />
es dann dorthin mit dem Arbeitskreis Umwelt und Energie. Mit Spannung sehe ich nun dem<br />
Wohnen in 20 <strong>Jahr</strong>en entgegen!<br />
Mit Sorge verfolgen wir hier alle die Ereignisse in Japan. Zur Zeit ist Plenarwoche und es<br />
findet eine große Debatte zur Atomkraft statt. Außerdem stand der Gesetzentwurf zur<br />
Oberschule auf der Tagesordnung. Doch dazu ein nächstes Mal mehr…<br />
14.<br />
Märzplenum:<br />
Zwischen Ideologischem Protektionismus und Populismus<br />
30.03.11<br />
In einer ereignisreichen Zeit fanden vom 15.-17. März Parlamentssitzungen des Niedersächsischen<br />
Landtages statt. Nicht nur die Erdbeben-,Tsunami- und Atomkatastrophe in<br />
Japan, sondern auch die Aufstände in der arabischen Welt überschatteten die Plenartage.<br />
Kurz möchte ich Euch darstellen, was das jeweilige Highlight für mich an den Tagen war.<br />
Ungeliebte Oberschule wird von CDU und FDP durchgeboxt<br />
Die Schulpolitiker der Regierungsfraktionen konnten einem fast leidtun, sie haben sich für<br />
ihre Oberschule wohl so geschämt, dass sie es nicht mal für nötig hielten, den Gesetzentwurf<br />
zur Oberschule in den Landtag mit einem Redebeitrag einzubringen. Eigentlich wird<br />
ein Gesetz in zwei Plenarsitzungen behandelt, in einer ersten Lesung und in einer zweiten<br />
Lesung mit Schlussabst<strong>im</strong>mung, aber die Abgeordneten haben auch die Möglichkeit die<br />
erste Lesung quasi zu überspringen und sie gleich in den beratenden Fachausschuss einzubringen.<br />
Genau dies ist mit dem Schulgesetz zur Oberschule passiert. Am 15. März stand<br />
demnach die zweite Lesung mit Schlussabst<strong>im</strong>mung über das Gesetz an. Es ist üblich, dass<br />
die <strong>Fraktion</strong>, die ein Gesetz einbringt auch als erstes mit einem Redner ihre Position deutlich<br />
macht. Zum Oberschulgesetz wollte dies aber keiner von CDU und FDP machen, bis<br />
die Opposition sich entsetzt über eine solche Debattenkultur geäußert hat. Björn Försterling<br />
von der FDP erklärte sich also bereit die Oberschule endlich einzubringen.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 33
34 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Die Regierungsfraktionen betonten ständig während der Debatte, dass das Gesetz von<br />
äußerster Wichtigkeit für Niedersachen sei, aber warum wird ein solches Gesetz dann nur in<br />
einer Sitzung behandelt und zusätzlich noch nicht einmal von ihnen eingebracht?! Es regt<br />
mich dabei umso mehr auf, dass die CDU-<strong>Politik</strong>er der Opposition vorwerfen, sie nehmen<br />
das Gesetz nicht ernst. Das ist doch grotesk!<br />
Björn Försterling (FDP): „Aber ich bin nicht mehr bereit und es leid, <strong>im</strong>mer nur über Schulstrukturen<br />
und Türschilder zu diskutieren.“<br />
Nichts anderes ist doch genau die Oberschule! Das Oberschulgesetz befasst sich zum<br />
größten Teil mit einer neuen Schulstruktur, <strong>im</strong>merhin soll eine „neue“ Schulform geschaffen<br />
werden. Zu den Inhalten, also der Qualität der Schulen sagen sowohl der FDP- als auch der<br />
CDU-Redner nicht allzu viel. Nicht über Türschilder diskutieren wollen? In etwa 80% der<br />
Fälle wird die Oberschule lediglich eine zusammengefasste Haupt- und Realschule sein, vor<br />
der ein Schild mit der Schrift „Oberschule“ montiert wird. So viel zu Türschildern! Es<br />
grenzt schon an Täuschung der Öffentlichkeit, wenn man so argumentiert. Unglaublich!<br />
Ziel einer Neustrukturierung der Schullandschaft war es, Antworten auf den demografischen<br />
Wandel zu finden, also Schulstandorte <strong>im</strong> ländlichen Raum zu sichern, obwohl<br />
die Schülerzahl drastisch abn<strong>im</strong>mt:<br />
Karl-Heinz Klare (CDU): „[…] die Zahl der Kinder sinkt, alle haben darauf hingewiesen. Wir<br />
möchten deshalb die Gestaltungsspielräume für unsere Schulträger erweitern.“<br />
Die Oberschule wird hier als Allheilmittel gepriesen, aber „zukunftsfest“ ist sie sicher nicht.<br />
Die <strong>SPD</strong> hat den Vorschlag gemacht, Gesamtschulen den Oberschulen gleich zu stellen,<br />
damit die Kommunen wirkliche Gestaltungsspielräume haben. Außerdem würde die Wahlfreiheit<br />
von Schülern, Eltern und Kommunalpolitikern erhöht werden. Aber nein, CDU und<br />
FDP wollen nicht, dass Gesamtschulen auch vierzügig sein können, Gesamtschulen bekommen<br />
keine zusätzliche Ausstattung, Gesamtschulen können keine Standardschule sein.<br />
All dies wird der Oberschule vorbehalten. Dennoch kommen Zitate wie diese, wenn es um<br />
die Position der GEW, die Gesamtschulen haben möchte, geht: Karl-Heinz Klare (CDU):<br />
„Die Oberschule wird als echte Konkurrenz gesehen. Deswegen muss sie mit allen Mitteln<br />
bekämpft werden.“<br />
Aber es ist umgekehrt! Warum werden Gesamtschulen sonst diskr<strong>im</strong>iniert? Wäre es nicht<br />
echte Freiheit und Fairness, wenn die Gemeinde über ihre Schule selbst entscheiden<br />
könnte? Ich verstehe einfach nicht, warum CDU und FDP der <strong>SPD</strong> und den anderen<br />
Oppositionsfraktionen populistisch vorwerfen, sie verfolgen eine Ideologie. Das ist doch<br />
genau umgekehrt! CDU und FDP wollen doch die Gesamtschulen nicht. In der Psychologie<br />
nennt man so etwas, glaube ich, „Projektion“, man projiziert seine eigenen Probleme – hier<br />
das Problem der Ideologie – auf andere.<br />
Björn Förstering (FDP): „Ich glaube aber sagen zu können, dass sich CDU und FDP in den Beratungen<br />
sehr wohl bewegt haben[…]“<br />
Im Grunde ist die Oberschule doch nur ein verkümmerter Min<strong>im</strong>alkonsens zwischen CDU<br />
und FDP/Philologenverband. (Philologenverband: Verband einiger Gymnasiallehrer)
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Schade, dass die FDP mal wieder voll in die Kerbe des Lobbyismus haut. Im Prozess der<br />
Beratungen zur Oberschule haben die Regierungsfraktionen nämlich einiges wieder zurückgenommen,<br />
um die Lobbyisten zufrieden zu stellen, so darf eine Oberschule – sofern sie<br />
überhaupt einen gymnasialen Zweig hat – beispielsweise nur eine gymnasiale Oberstufe<br />
haben, wenn sie eine Gesamtschule damit ersetzt. Das ist doch ideologischer Protektionismus!<br />
Schön, dass mal wieder die Minderheit in Gestalt von FDP das Sagen hat! Man könnte<br />
fast sagen, dass die Oberschule eine misslungene Ausgeburt einer strittigen Koalition ist und<br />
nicht das, was man ursprünglich wollte. Dennoch haben CDU und FDP am Ende für das<br />
Gesetz gest<strong>im</strong>mt, aber ganz ehrlich? Ohne <strong>Fraktion</strong>sdisziplin, um eine Mehrheit zu bekommen,<br />
wäre dieses Gesetz gnadenlos gescheitert. Auch Kultusminister Althusmann<br />
wirkte nicht glücklich.<br />
Karl-Heinz Klare (CDU): „[…] diese neue Oberschule ein echter Kompromiss und damit der<br />
Durchbruch für etwas Gemeinsames für unsere Schüler ist.“<br />
Durchbruch? Das ist kein Durchbruch, lediglich ein Min<strong>im</strong>alkonsens zwischen CDU und<br />
FDP/Philologenverband. Ja, es gibt auch <strong>SPD</strong>-Kommunen, die die Oberschule einrichten,<br />
aber wie sagte Ursula Helmhold (Grüne) so schön: „In der Not frisst der Teufel Fliegen.“<br />
Viele Hauptschulstandorte sind einfach nicht zu halten, es musste etwas passieren und eine<br />
Oberschule wird ja besser ausgestattet als Haupt- und Realschulen. Oberschulen werden<br />
quasi subventioniert. Den Redebeitrag von Herrn Klare und das Fazit zur Oberschule wird<br />
gut wiedergegeben von<br />
Claus Peter Poppe (<strong>SPD</strong>): „Kein Quacksalber und Scharlatan des Mittelalters hat so frech seine<br />
bunten Tränkchen als Allheilmittel verkauft, wie Herr Klare das gerade mit der Oberschule getan<br />
hat.“<br />
Eines will ich an dieser Stelle noch mal aufgreifen, CDU und FDP werfen der <strong>SPD</strong> vor, sie<br />
wollen die Gymnasien abschaffen. Was für ein Humbug! Die <strong>SPD</strong> will die Gymnasien nicht<br />
abschaffen, sie will ein „bedarfsorientiertes“ Schulwesen. Frauke Heiligenstadt die kultuspolitische<br />
Sprecherin weist darauf deutlich hin, dass jede Gemeinde oder Stadt selbst entscheiden<br />
soll, was für ihre Region „richtig“ ist. Ideologiefreier geht es doch nicht! Dass<br />
Christdemokraten und freie Demokraten der <strong>SPD</strong> Sachen vorwerfen die nicht st<strong>im</strong>men,<br />
also haltlose Unterstellungen in den Raum werfen, finde ich höchst undemokratisch. Es ist<br />
Täuschung der Öffentlichkeit und in meinen Augen einfach nur peinlich!<br />
Und was das schl<strong>im</strong>mste ist: Die Schlechterstellung der Gesamtschulen wird nicht einmal<br />
begründet! Kann man das in einer „sachlichen“ Debatte nicht wenigstens erwarten? Jeder<br />
Schüler lernt <strong>im</strong> Deutschunterricht seine Position angemessen zu begründen – bei CDU<br />
und FDP Fehlanzeige. Eigentlich traurig.<br />
Zusammenfassend und treffend sagte<br />
Frauke Heiligenstadt (<strong>SPD</strong>): „Eines ist jetzt schon klar, meine Damen und Herren: Die CDU<br />
war nie Bildungspartei in Niedersachsen, sie ist keine Bildungspartei, und mit diesem Schulgesetz<br />
wird sie es in Niedersachsen auch nie werden.“<br />
Fabian Claussen S e i t e | 35
36 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Mutiert Schwarz-gelb wider Erwarten zum Atomenergie-Skeptiker?<br />
Am Mittwoch, den 16. April, drehte sich die Aktuelle Stunde und eine damit verbundene<br />
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten um die Naturkatastrophe in Japan und die<br />
damit ausgelöste Debatte um Kernenergie in Deutschland. Die Diskussion möchte ich hier<br />
<strong>im</strong> Einzelnen nicht durchgehen, zumal die Positionen schließlich bekannt sind, aber ich<br />
möchte mir ein paar Anmerkungen bezüglich Schwarz-Gelb erlauben.<br />
Plötzlich das Moratorium: Die Atomkraftwerke sollen gründlich übergeprüft werden. Da<br />
stellt sich – unabhängig davon, welche Position ich bezüglich der Atomkraft vertrete – doch<br />
die Frage, warum die deutschen Kernenergieanlagen von heute auf morgen unsicher erscheinen<br />
und ein Durchchecken nötig ist, wogegen die Atomlaufzeitverlängerung keine<br />
Untersuchungen benötigt hat? Was hat sich in Deutschland an der Situation denn grundlegend<br />
verändert? Die Atom-Lobby hat ziemlich gute Arbeit für sich geleistet, als es zur<br />
Verlängerung kam. – Wie gut, dass wir in einer Demokratie leben, wenn doch fünf Leute<br />
der Atom-Lobby schon ausreichen, um solch markante Entscheidungen durchsetzen zu<br />
können!<br />
Für mich drängt sich nun die Frage auf, wie will die Bundesregierung innerhalb von drei<br />
Monaten Moratorium die Bestandsaufnahme von Kernkraftwerken feststellen? Müssen da<br />
nicht wochenlange öffentliche Ausschreibungen stattfinden? Die gründliche Untersuchung<br />
eines Kraftwerkes wird doch nicht innerhalb von 10 Stunden erfolgen, oder? Was kostet es<br />
den Steuerzahler, wenn die Bundesregierung nun die geschlossenen Verträge mit den<br />
Energiegroßkonzernen bricht? Moratorium – für mich nur eine Beruhigungspille für das<br />
Volk. Wie es Herr Brüderle <strong>im</strong> Grunde auch bestätigt hat. Dabei sagte Herr McAllister<br />
noch, dass das Thema nicht zu parteipolitischen Auseinandersetzungen verkommen solle.<br />
Außerdem solle man nicht in Aktionismus verfallen. Ist die kurzfristige Verkündigung des<br />
Moratoriums etwa kein Aktionismus? Lächerlich.<br />
Müssen erst mehr als zehntausend Menschen sterben, bevor Schwarz-Gelb über ihre Atompolitik<br />
nachdenkt? Hm, das ist echt bedenklich. Auch dass sich Herr McAllister auf einmal<br />
als Atom-Kritiker darstellt und sagt, er sei schon <strong>im</strong>mer Atom-Skeptiker gewesen, kommt<br />
mir wie eine Farce vor.<br />
Minister Schünemann schürt mal wieder Hass und Angst<br />
Gegen Abend am Donnerstag, den 17. April, hatten Minister Schünemann und seine<br />
<strong>Fraktion</strong> mal wieder Populismus-Stunde. Es ging um einen weitgehend inhaltsleeren, wie<br />
ihn die Opposition kritisierte, Antrag, der die Terrorismusbekämpfung zum Thema hatte.<br />
Natürlich ist „islamistisch motivierter“ Terrorismus schrecklich und muss unterbunden<br />
werden, aber nicht indem man durch einen Antrag Denunziantentum fördert und jeder<br />
jeden verdächtigt und meldet. Auch wird hierbei das Wort „Integration“ in den Mund genommen,<br />
was ich unglaublich finde, denn wie sollen Moscheegemeinden vertrauen finden,<br />
wenn sie unter Generalverdacht gestellt werden? Ist das Integration, wie die CDU sie sich<br />
wünscht?
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Ich hoffe, Herr Schünemann weiß es für sich besser und spielt diese Nummer nur, weil er<br />
die Konservativen in der CDU ansprechen will. Zwar fördert er somit nicht den Dialog mit<br />
Musl<strong>im</strong>en, da er Angst und Hass schürt, aber dann hätte ich zumindest die Gewissheit, dass<br />
wir keinen realitätsfernen Innenminister haben. Schön ist es dennoch nicht!<br />
Insgesamt muss ich sagen, dass die Regierungskoalition sich während dieser Plenartage nicht<br />
mit Ruhm bekleckert hat. Ich bin schon gespannt auf das nächste Plenum <strong>im</strong> April.<br />
15.<br />
Von Mundarten und Unarten<br />
18.04.2011<br />
Trotz Stapel an Arbeit auf meinem Schreibtisch wollte ich mich dennoch kurz vor Ostern<br />
einmal melden und über das vergangene Plenum berichten sowie einen Ausblick für den<br />
Mai geben.<br />
Plattdeutsch ist Kulturgut<br />
Am ersten Plenartag brachte die <strong>SPD</strong> einen Antrag mit der Überschrift „Sprachencharta in<br />
Niedersachsen endlich umsetzen – 14 Antworten statt 140 Fragen“ ein. Ziel dieses Antrages<br />
ist es, die plattdeutsche Sprache zu fördern. Zu dem Titel kam es, weil die CDU, die seit<br />
<strong>Jahr</strong>en verspricht etwas für das Plattdeutsche zu tun, lediglich eine große Anfrage mit 140<br />
Fragen zum Thema Plattdeutsch stellte. Ich komme aus einer plattdeutschen Region und<br />
das Platt muss auch meiner Meinung nach mehr gefördert werden, damit die Sprache weiter<br />
besteht. Mit dieser Sprache ist für mich ein Lebensgefühl verbunden. Die Diskussion von<br />
Seiten der CDU konnte man auch als schlicht platt bezeichnen. Wieder einmal schlugen sie<br />
mit Populismus um sich, denn übertragen war das Kernargument der CDU für die Ablehnung<br />
des Antrages, dass Daniela Behrens den Antrag in Hochdeutsch einbrachte. Claus<br />
Peter Poppe (<strong>SPD</strong>) allerdings erwiderte Ulf Thiele (CDU) auf plattdeutsch. Obwohl ich<br />
auch Hochdeutsch für gerechtfertigt fand, weil man an den Gesichtern der südniedersächsischen<br />
Abgeordneten deren Unverständnis ablesen konnte. Mein regionaler Hintergrund<br />
erwies sich während dieser Debatte eindeutig als Vorteil, so konnte ich alles verstehen.<br />
Arroganz der Macht<br />
Eine große Inszenierung war es <strong>im</strong> letzten Plenum! Plötzlich heißt es, dass Finanzminister<br />
Möllring das Eigenkapital der NordLB mit 600 Mio. Euro Landesmitteln stärken will und<br />
dazu benötigt es natürlich der Zust<strong>im</strong>mung des Landtags. Dass er in einem Hauruck-<br />
Verfahren so viel Geld locker machen will, ist schon ein starkes Stück. Aber dies zeigt eben<br />
Fabian Claussen S e i t e | 37
38 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
auch, dass er denkt, er könne sich alles leisten! Dabei hatten die Sozialdemokraten schon<br />
lange vorher <strong>im</strong> Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass die NordLB ein höheres Eigenkapital<br />
benötigt, damit sie den Bankenstresstest der europäischen Bankenaufsicht bestehen<br />
kann. Zu dem Zeitpunkt hieß es noch von Seiten der Landesregierung, dass das nicht nötig<br />
sei, aber fünf vor zwölf wollen CDU und FDP dann so etwas <strong>im</strong> Eilverfahren entschieden<br />
haben. Eine Frechheit! Der <strong>SPD</strong> war die Problematik schon länger klar und sie hat zugest<strong>im</strong>mt,<br />
aber erst nachdem eine außerordentliche Sitzung des Finanzausschusses in der<br />
Mittagspause stattfand, die die <strong>SPD</strong> mitbeantragt hatte.<br />
Ausblick in den Mai<br />
In der ersten Maiwoche findet vom 3.-5. die Klausurtagung der <strong>Fraktion</strong> statt, an der auch<br />
ich teilnehmen werde. Dort wird unter anderem über die Themen Pflege, Kommunalpolitik,<br />
Energie und den ländlichen Raum in der Breite diskutiert.<br />
In der darauffolgenden Woche findet mein 6-tägiges Gesamtseminar statt. Dieses wird auch<br />
mit den Freiwilligen des FSJ Kultur sein. Insgesamt werden wir etwa 160 Freiwillige sein, die<br />
in Wolfenbüttel ein gemeinsames Seminar haben mit verschiedenen Werkstätten. Ich habe<br />
für den Anlass zusammen mit Julia Wurzel (meiner Koordinatorin) ein Planspiel entworfen,<br />
bei dessen Umsetzung mir Wiebke Nordenberg (FSJ bei den Grünen) helfen wird. Doch<br />
dazu ein anderes Mal mehr.<br />
Außerdem wird <strong>im</strong> Mai mein eigenständiges Projekt anlaufen, in das ich viel Zeit investiert<br />
habe. Hierzu auch später mehr.<br />
Und schließlich sind da noch das Maiplenum Ende des Monats und eine <strong>SPD</strong>-<br />
Großveranstaltung.<br />
So nun wünsche ich allen schöne Ostertage. Ich selbst werde für 5 Tage Urlaub in der<br />
He<strong>im</strong>at machen und schreibe Anfang Mai meinen nächsten Eintrag, vermutlich dann über<br />
mein Großprojekt.<br />
16.<br />
Eine gute Woche für die <strong>SPD</strong> in Niedersachsen<br />
20.05.2011<br />
Zunächst muss ich mich entschuldigen, dass ich schon lange nichts mehr in mein Tagebuch<br />
geschrieben habe, aber ich war die letzten drei Wochen kaum <strong>im</strong> Büro, denn vom 3.-5. Mai<br />
war die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> zur Klausurtagung auf Norderney, danach hatte ich mein FSJ <strong>Politik</strong>-<br />
Gesamtseminar und jetzt habe ich eine Mandelentzündung. Heute möchte ich Euch von der<br />
Klausurtagung berichten.<br />
Klausur der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> auf Norderney
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Früh morgens machten wir uns am Dienstag, den 3. Mai, auf den Weg nach Norderney.<br />
Dort wurden wir von einem tollen Wetter begrüßt, das die ganzen drei Tage anhielt. Nach<br />
dem Mittagessen ging es dann um Kommunalpolitik. Angeregt wurde über die angsterregende<br />
finanzielle Lage der Gemeinden, Städte und Landkreise diskutiert. Lösungen für die<br />
Probleme der Kommunen wurden intensiv debattiert. Anschließend wurde über direktdemokratische<br />
Elemente (Bürgerentscheid, Bürgerbegehren, etc.) auf Kommunalebene gesprochen.<br />
Abends hielt Prof. Dr. Franz Walter, ein <strong>Politik</strong>wissenschaftler aus Göttingen,<br />
eine zum Denken anregende<br />
und witzige Rede zu den<br />
aktuellen Parteien und den<br />
Wahlergebnissen in Baden-<br />
Württemberg und Rheinland-<br />
Pfalz. Das fand ich richtig<br />
interessant.<br />
Am Mittwoch drehte sich<br />
morgens alles um die<br />
Gesundheitswirtschaft, die<br />
auch wegen des Demografischen<br />
Wandels einen<br />
<strong>im</strong>mer größeren Sektor einn<strong>im</strong>mt.<br />
Dabei ging es nicht<br />
nur um die zukünftige Pflege<br />
in Niedersachsen, sondern<br />
Gesundheitswirtschaft<br />
schließt auch beispielsweise Wellness mit ein. Gerade in der Altenpflege gibt es noch Baustellen,<br />
die dringend zukunftsfest gestaltet werden müssen. Am Nachmittag trafen sich die<br />
<strong>SPD</strong>-Abgeordneten dann in drei verschiedenen Gruppen, um über die Themen Ländlicher<br />
Raum, Erneuerbare Energien und Tourismus zu diskutieren. Am letzten Tag fand eine<br />
<strong>Fraktion</strong>ssitzung statt, bevor alle Abgeordneten abreisten.<br />
NiedersachsenTREND<br />
Der NDR veröffentlichte am 6. Mai eine neue und detaillierte Umfrage für Niedersachsen<br />
zu Parteien, <strong>Politik</strong>ern und <strong>Politik</strong>bereichen.<br />
Parteien: Rot-grün st<strong>im</strong>menreicher als Schwarz-gelb!<br />
Live dabei: Die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> aus dem Niedersächsischen<br />
Landtag tagt auf Norderney.<br />
Die Niedersachsen wurden befragt: Nur noch 34% würden die CDU wählen, 31% würden<br />
sich momentan für die <strong>SPD</strong> entscheiden, 22% für die Grünen, FDP und Linke landen nur<br />
bei etwa 5%. Die CDU verliert damit etwa 8% gegenüber ihrem Landtagswahlergebnis, die<br />
<strong>SPD</strong> hält ihr Landtagswahlergebnis und die Grünen gewinnen 14% dazu. Damit würden<br />
CDU und FDP die Mehrheit verlieren, denn sie kämen nur noch auf etwa 39% zusammen.<br />
<strong>SPD</strong>/Grüne wären allerdings bei 53% der St<strong>im</strong>men und könnten somit eine Regierung<br />
stellen. Natürlich spielen da auch Bundestrends eine Rolle, gerade bei FDP und Grünen,<br />
aber auch die muss man bei Landtagswahlen beachten. Viele scheinen zu sehen, dass<br />
CDU/FDP nicht so toll ist, wie sie sich oft verkaufen! Allerdings ist die Wahl noch ein <strong>Jahr</strong><br />
hin und die schwarz-gelbe Landesregierung hat schon „Geld beiseite geschafft“, um Wahl-<br />
Fabian Claussen S e i t e | 39
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IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
geschenke in 2012 zu finanzieren. Da kann man nur den Kopf schütteln.<br />
<strong>Politik</strong>er: Manche Minister kennt man nicht <strong>im</strong> Land<br />
Ganz klar ist, dass der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff bekannter ist, als David<br />
McAllister. Lediglich 78% der Befragten kannten den amtierenden Ministerpräsidenten, ich<br />
bezweifle allerdings, dass es so viele sind, denn gerade wenn ich hier in Hannover frage, wer<br />
unser Ministerpräsident ist, dann ernte ich oft Achselzucken. Wobei die potentiellen <strong>SPD</strong>-<br />
Kandidaten noch unbekannter<br />
sind. Erschreckend ist auch,<br />
dass etwa 60% der Befragten die<br />
Wissenschaftsministerin Prof.<br />
Dr. Wanka nicht kennen. Das<br />
liegt wohl auch an ihr, denn sie<br />
kommt aus Brandenburg, dort<br />
war sie Wissenschaftsministerin<br />
in der Großen Koalition bis<br />
<strong>SPD</strong> und Linke eine Regierung<br />
bildeten, und sie hat aus diesem<br />
Grund kein Interesse, viel in der<br />
Öffentlichkeit präsent zu sein,<br />
sie hat schließlich keinen Wahlkreis!<br />
Sie scheint andere Prioritäten<br />
zu haben. Auf der anderen<br />
Seite gibt es da die Sozialministerin<br />
Özkan und den<br />
Innenminister Schünemann, die<br />
dauernd in der Öffentlichkeit<br />
stehen, wenigstens etwas das sie<br />
können…<br />
<strong>Politik</strong>bereiche: <strong>SPD</strong> ist Spitzenreiter in der Bildungspolitik<br />
Lediglich in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik liegt die CDU noch vorne. Obwohl<br />
die CDU als Landwirtschaftspartei galt, muss sie hier Defizite in der Wählerzust<strong>im</strong>mung<br />
einstecken. Es gibt genauso viele Leute, die mit der Agrarpolitik unzufrieden sind und bei<br />
der Frage nach einer guten Agrar- und Verbraucherschutzpolitik liegen die Grünen<br />
komischerweise vorne. Große Unzufriedenheit mit Schwarz-Gelb herrscht auch in den Bereichen<br />
Energie, Umwelt und Atompolitik. Auch hier können die Grünen punkten. Wenn es<br />
allerdings um Bildung und soziale Gerechtigkeit geht, dann ist die <strong>SPD</strong> unschlagbar, 41%<br />
der Befragten favorisieren die Bildungspolitik der <strong>SPD</strong> und 48% geben die <strong>SPD</strong> als sozial<br />
gerechteste Partei an. Nicht nur mit der Sozialpolitik auch mit der Finanzpolitik der CDU ist<br />
man in Niedersachsen unzufrieden. Offensichtlich haben viele gemerkt, dass die CDU-<br />
Haushaltskonsolidierung mehr Schein als Sein ist!<br />
Ich bin gespannt, ob 2013 der Wechsel kommt. Es kann schließlich nur besser werden!<br />
Damit verabschiede ich mich für heute und werde das nächste Mal über das FSJ<br />
Kultur/<strong>Politik</strong>-Gesamtseminar berichten.<br />
CDU<br />
34%<br />
FDP<br />
5%<br />
Linke<br />
5%<br />
Sonstige<br />
3%<br />
Grüne<br />
22%<br />
<strong>SPD</strong><br />
31%<br />
Landtagswahlumfrage in Niedersachsen Quelle: Infratest<br />
d<strong>im</strong>ap, 06.05.2011
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
17.<br />
Utopien, Entwürfe, Skizzen –<br />
Gesamtseminar des FSJ Kultur/<strong>Politik</strong><br />
01.06.2011<br />
Hier also der versprochene Beitrag über das Gesamtseminar <strong>im</strong> FSJ Kultur/FSJ <strong>Politik</strong>.<br />
Seminarort waren die Landesmusikakademie Niedersachsen und die Bundesakademie für<br />
kulturelle Bildung in Wolfenbüttel. Vom 9.-14. Mai trafen sich dort etwa 170 Jugendliche,<br />
die 2010/2011 ihr FSJ Kultur oder <strong>Politik</strong> in Niedersachsen, Bremen oder Hamburg absolvieren.<br />
Wobei die FSJ <strong>Politik</strong>-Absolventen mit nur 13 Teilnehmern natürlich stark in der<br />
Unterzahl waren. Das Seminar stand ganz unter dem Thema „Gemeinsam nach Übermorgen<br />
oder Die Kunst der Weltveränderung – Utopien, Entwürfe und Skizzen“.<br />
Ein Überblick<br />
Jeden Morgen nach dem Frühstück<br />
gab es ein großes Zusammentreffen,<br />
bei dem der Tagesablauf<br />
erklärt wurde. Auch standen Kl<strong>im</strong>atipps<br />
und die Vorstellung des<br />
„Kl<strong>im</strong>ahelden des Tages“ auf dem<br />
morgendlichen Programm. Danach<br />
ging es in die einzelnen Werkstätten.<br />
Im Vorfeld des Seminars<br />
konnten wir uns aus verschiedensten<br />
Werkstattangeboten<br />
eine aussuchen. Insgesamt gab es<br />
14 Werkstätten, der Schwerpunkt<br />
lag <strong>im</strong> künstlerischen Bereich.<br />
Themen der einzelnen Angebote<br />
waren: Malerei, Musik, Tanzen,<br />
Gesang, Theater, Schreiben, Film,<br />
Turmbau zu Babel, Fotografie,<br />
Hörspiel, Philosophie, Kunst <strong>im</strong><br />
Auf dem Seminar bekamen alle einen solchen<br />
Button mit ihrem Namen und ihrer Einsatzstelle,<br />
damit das Kennenlernen leichter fiel.<br />
öffentlichen Raum, Siebdruck und „Utopia goes Bollywood“. Außerdem habe ich ein<br />
politisches Planspiel für alle Teilnehmer entwickelt und zusammen mit Wiebke Nordenberg<br />
durchgeführt. Das Abendprogramm variierte, einen Abend beispielsweise haben wir in drei<br />
verschiedenen Räumen Filme geschaut. Ich habe George Orwells „1984“ gesehen, das ist<br />
eine Dystopie (das Gegenteil einer positiven Utopie, vereinfacht gesagt), in der das Leben in<br />
einer totalitären Klassengesellschaft aufgezeigt wird.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 41
Planspiel: Gemeinsam nach Übermorgen<br />
42 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Da ich in der Vergangenheit schon positive Erfahrungen mit politischen Planspielen gemacht<br />
habe, regte ich dazu an dies einmal zu machen, ich würde das Ganze auch planen.<br />
Unsere FSJ <strong>Politik</strong>-Koordinatorin, Julia Wurzel von der LKJ Niedersachsen, machte den<br />
Vorschlag, ein Planspiel auf dem Gesamtseminar durchzuführen. Also entwarf ich ein<br />
politisches Planspiel für das Seminar in Wolfenbüttel. Am ersten Seminartag fand die erste<br />
Phase des Planspiels statt; nachdem ich alles erklärt hatte, ordneten sich die FSJler einem der<br />
Oben: Die Freiwilligen st<strong>im</strong>men über eine These ab;<br />
grün bedeutet Zust<strong>im</strong>mung.<br />
Rechts: Ich erkläre das politische Planspiel.<br />
13 politischen Themen zu, die ich mit Julia Wurzel zusammen skizziert hatte. Es ging in die<br />
erste Diskussionsphase innerhalb der Einzelgruppe. Am Donnerstag trafen sich die Teilnehmer<br />
in den Einzelgruppen wieder, mit dem Ziel, über eine politische Forderung (einen<br />
Satz) für ihr Thema Konsens zu finden. Danach sind alle wieder in den großen Saal gekommen,<br />
der inzwischen wie ein „Parlament“ aufgebaut worden war. Da Wiebke und ich<br />
die Spielleiter waren und auch die meiste Erfahrung <strong>im</strong> Parlament durch unsere Arbeit <strong>im</strong><br />
Niedersächsischen Landtag haben, stellten wir das Präsidium und Wiebke moderierte<br />
sozusagen die Debatte, die folgte. Nacheinander kamen die 13 Redner der Gruppen nach<br />
vorne und stellten ihre Forderung vor. Danach gab es zwei Fragemöglichkeiten aus dem<br />
Plenum an den Redner und anschließend wurde darüber abgest<strong>im</strong>mt, ob die Forderung in<br />
unser „Plädoyer für eine <strong>Politik</strong> von Übermorgen“ aufgenommen wird. Einige Abst<strong>im</strong>mungen<br />
waren denkbar knapp, aber 10 von 13 Punkten haben es geschafft, in das<br />
Plädoyer aufgenommen zu werden. Beispielsweise wurde eine vierte Gewalt, eine Art Ethikrat<br />
mit Befugnis zur Anordnung von Plebisziten, vorgeschlagen. Große Zust<strong>im</strong>mung erhielt<br />
der Vorschlag, dass jedes Neugeborene eine Baumpatenschaft eingeht, aus Gründen der<br />
lokalen Verwurzelung und als „Verbindung mit der Natur“ quasi als Stärkung des Umweltbewusstseins.<br />
Insgesamt hatten die meisten Spaß daran, einige kamen sogar hinterher auf<br />
mich zu und haben gesagt, dass das <strong>Politik</strong> greifbarer und interessant mache. Über solche<br />
Reaktionen habe ich mich besonders gefreut.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Tag der Präsentationen: Offizieller Besuch am Morgen<br />
Am Freitag, dem vorletzten Tag des Seminars, war der Höhepunkt des Seminars gekommen:<br />
Die Präsentation der Werkstatt-Ergebnisse. Natürlich konnte man nicht alles<br />
zeigen, was in den Gruppen erarbeitet wurde. Am Vormittag haben sich alle <strong>im</strong> großen Saal<br />
eingefunden, um von der Niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Frau<br />
Prof. Dr. Johanna Wanka, begrüßt zu werden und um schon einige Ergebnisse aus den<br />
Werkstätten vorgeführt<br />
zu bekommen. Zum Beispiel<br />
hat die Theatergruppe<br />
ein Stück zum<br />
Thema „Streit“ aufgeführt,<br />
die Schreibwerkstatt<br />
hat zum Nachdenken<br />
angeregt, durch<br />
sehr kreative Texte und<br />
die Hörspielgruppe hat<br />
durch eine lustige Vorführung<br />
die Lacher aller<br />
Zuschauer auf sich vereint!<br />
Auch die Filmwerkstatt<br />
war kreativ. Ein<br />
Film zeigte eine Tagesschau<br />
in der Zukunft, in<br />
der unter anderem der<br />
letzte Tropfen Benzin<br />
durch einen „Oldt<strong>im</strong>er“<br />
feierlich verbraucht<br />
Am Freitagmorgen erkläre ich dem Publikum, was es mit dem<br />
politischen Planspiel auf sich hatte. In der ersten Reihe sitzt<br />
die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur,<br />
Prof. Dr. Johanna Wanka.<br />
wurde, außerdem wurden Menschen mit <strong>im</strong>plantierten Telefonen gezeigt, die zucken, da<br />
eine Störung vorlag. Und jemand wurde festgenommen, weil er Fleisch gegessen hatte,<br />
außerdem zeigte eine Wetterkarte die Nordseestädte Osnabrück und Hannover. Am Abend<br />
wurde ein weiterer Film der Werkstatt gezeigt, den ich sehr gelungen fand. Die Produzenten<br />
dieses Filmes haben den Leiter der Philosophie-Werkstatt, Roger Behrens, nach Wünschen<br />
und Lebensvorstellungen befragt. Sie sind auch in den angrenzenden Park gegangen um<br />
dort zwei Männer aus Wolfenbüttel zu interviewen mit den gleichen Fragen. Beide sind<br />
arbeitssuchend gewesen, ende Zwanzig und hatten eine Familie zu Hause. Sie haben von<br />
Drogen und Problemen aus dem Alltag erzählt. Es wurde fabelhaft mit dem Kontrast<br />
zwischen diesen beiden Standpunkten gespielt, indem sie abwechselnd eingeblendet wurden<br />
und es wurde deutlich, dass das Denken über die Zukunft und Utopie <strong>im</strong> Grunde ein<br />
„Luxusproblem“ ist. Dieser Kurzfilm hat sehr zum Denken angeregt. Auch die Gesangsgruppe<br />
beehrte uns an dem Morgen mit ihren Melodien. Am Ende ihrer Präsentation ließen<br />
wir die oben schon genannten Flugblätter von der Ballustrade <strong>im</strong> großen Saal über die Leute<br />
herabregnen und ich hab noch zwei, drei Sätze zum Planspiel gesagt.<br />
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44 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Tag der Präsentationen: Kreative Ausstellungen am Nachmittag<br />
Nachmittags stand dann eine Show der „Turmbau zu Babel“-Gruppe an, bevor es zur Ausstellung<br />
weiterer Werkstätten ging. Aus Ästen und Seilen hatte besagte Gruppe einen großen<br />
Turm gebaut, der feierlich mit musikalischer Untermalung abgerissen wurde. Danach gingen<br />
wir durch die Ausstellung der<br />
Foto-Werkstatt auf der Galerie des<br />
Wolfenbütteler Schlosses.<br />
Künstlerisch wurde mit Kameraeinstellungen<br />
gearbeitet und es sind<br />
echt schöne Bilder entstanden.<br />
Dann ging es zur Ausstellung der<br />
Siebdruck-Werkstatt, in der die<br />
fertig bedruckten Kleidungsstücke<br />
zu sehen waren. Anschließen<br />
führte und der Weg in die Räume<br />
der Malerei-Werkstatt, dort war für<br />
jeden Geschmack etwas dabei, das<br />
Spektrum der Leinwand-Bilder<br />
reichte von bedrückend und grau<br />
bis zu bunt und harmonisch. Die<br />
Arbeiten waren echt exzellent, ich<br />
hätte das nie so hinbekommen!<br />
Den Schluss der Ausstellung<br />
bildeten die Teilnehmer, die <strong>im</strong> Workshop „Kunst <strong>im</strong> öffentlichen Raum“ mitgewirkt<br />
haben. Mit coolen Aktionen in der Wolfenbütteler Innenstadt konnten sie die Betrachter<br />
ihrer Fotos überzeugen. Nicht selten musste man Schmunzeln als man die dokumentierten<br />
Aktionen von ihnen ansah. Beispielsweise haben sie eine Dusche an der Straße gebaut oder<br />
einen gedeckten Tisch mitten in die Fußgängerzone gestellt, an dem man sich bedienen<br />
konnte.<br />
Tag der Präsentationen: Tolle Highlights am Abend<br />
In den Ausstellungsräumen der Bundesakademie für<br />
kulturelle Bildung Wolfenbüttel stellten Freiwillige<br />
eigens kreierte Siebdrucke aus.<br />
Zum Abschluss am Abend gab es den Film der Bollywood-Crew, die das Thema<br />
dramatisch-lustig in einen kleinen Film umgesetzt hatte: mit farbenfrohen Kostümen und<br />
typischer Bollywood-Musik. Halb ernst, halb lustig war eine gelungene Mischung für dieses<br />
Format. Auch die Tanzgruppe hat eine schöne Performance hingelegt, die echt ihren<br />
Applaus verdient hatte, danach ging es noch zu den Musikern. Sie musizierten mit Flügel,<br />
Gitarre, Trompete, Keyboard und anderen Instrumenten. Am Abend war auch die Philosophiegruppe<br />
dran, zu der auch ich gehörte. Lange haben wir uns den Kopf zerbrochen,<br />
was wir denn vorzeigen könnten. Die Aufführung einer Plumpen Diskussion und damit die<br />
Erfüllung der Erwartungen wollten wir nicht. Vielmehr wollten wir zum Denken anregen,<br />
so haben wir und still in den Raum gesetzt, selbst produzierte Musik abgespielt und mit zwei<br />
Beamern Bilder an die Wand projiziert. Im Hintergrund lief ein Hamster in Endlosschleife
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
in seinem Laufrad. Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber das war es auch! Im Vorfeld<br />
haben wir uns nicht zur über die Begriffe „Utopie“, „Herrschaft“ und „Macht“ unterhalten,<br />
sondern auch ganz allgemein über Philosophie, die Aufgabe von Philosophen und über den<br />
Sinn des Lebens. Außerdem hat uns die Frage, was uns menschlich macht, beschäftigt.<br />
Fazit<br />
Ich muss sagen, das Seminar hat mir sehr gut gefallen. Jeden Tag lernte man jemand neues<br />
kennen, sodass einem nie langweilig wurde. Sich mit den anderen auszutauschen während<br />
eines Seminars ist klasse, auch um einmal aus dem „Alltagstrott“ der Einsatzstellen herauszukommen.<br />
Das nächste Mal werde ich endlich über „mein Hauptprojekt“ berichten.<br />
18.<br />
Die Tour der Teilhabe<br />
30.06.2011<br />
Der stressige und arbeitsintensive Juni geht auf sein Ende zu. Den größten Teil dieses<br />
Monats habe ich mit der Betreuung meines Hauptprojektes verbracht. Dieses Hauptprojekt<br />
ist fester Bestandteil eines Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong>, in Absprache mit der Einrichtung<br />
kann man sich selbst aussuchen, was für ein Projekt dies sein soll.<br />
Zusammen mit dem <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer Dr. Cornelius Schley habe ich mir das Thema<br />
„Teilhabe von Zugewanderten“ ausgesucht. Ich komme aus einem kleinen Dorf in einem<br />
großen ländlichen Landkreis, daher hatte ich noch nicht so viele Berührungen mit der<br />
Materie. Dennoch ist mir die Brisanz der Problematik gerade <strong>im</strong> Hinblick auf den demografischen<br />
Wandel klar.<br />
Auf Tour mit Stefan Schostok<br />
In unserer Gesellschaft leben viele Menschen mit Migrationshintergrund. Viele kommen aus<br />
der Türkei, Polen, Italien oder Serbien. Einige Volksgruppen, wie die Kosovo-Albaner oder<br />
Kurden, leben auch in Deutschland. Von diesen Menschen sind viele sehr gut integriert,<br />
aber es gibt eben auch Gegenbeispiele. Auch Migranten müssen die gleiche Chance wie alle<br />
anderen haben, gesellschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Teilhabe zu erlangen.<br />
An Gymnasien sind Jugendliche aus Migrationsfamilien unterrepräsentiert, das<br />
Gleiche gilt für die Wirtschaft und die politischen Parteien. In vielen Siedlungen – in der<br />
Stadt und auf dem Land – herrschen soziale Spannungen und oft kommt es zu Konflikten.<br />
Man muss aber auch erwähnen, dass auch viele Menschen ohne Migrationshintergrund am<br />
Rande der Gesellschaft leben. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, beide Seiten<br />
müssen einander respektieren und akzeptieren, nur dann kann allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben existieren. Kinder und junge Erwachsene spielen hier eine Schlüssel-<br />
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olle.<br />
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IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Das Thema Teilhabe von Zugewanderten wurde zur „Chefsache“ erklärt und ich wurde<br />
beauftragt, eine „Tour der Teilhabe“ des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden Stefan Schostok zu planen.<br />
So organisierte ich für den 13. Mai 2011 eigenständig eine Bereisung <strong>im</strong> Hannoveraner<br />
Stadtteil Linden, einem Stadtteil, der dafür bekannt ist, dass dort viele Menschen mit verschiedenen<br />
Ethnien nebeneinander<br />
wohnen. Begonnen hat die Bereisung<br />
bei der Migrationsberatung der<br />
Arbeiterwohlfahrt in Linden-Süd.<br />
Anschließend gab es ein Gespräch <strong>im</strong><br />
Kulturzentrum Faust mit dem MiSO-<br />
Netzwerk, einem Zusammenschluss<br />
von verschiedenen Vereinen und<br />
Organisationen, die hauptsächlich von<br />
Migranten initiiert sind. Darunter<br />
zählen unter anderem der Afrikanische<br />
Dachverband Nord e.V., das Vietnam-<br />
Zentrum Hannover e.V., das Kurden<br />
Komitee Hannover e.V. und die<br />
Türkische Gemeinde in Niedersachsen.<br />
Den Abschluss des ersten Tages bildete<br />
ein Moschee-Besuch bei der Schura,<br />
dem Verband der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen.<br />
On Tour: Stefan Schostok und ich neben dem<br />
Dienstwagen vorm Landtag.<br />
An insgesamt 7 Tagen verteilt <strong>im</strong> Zeitraum<br />
vom 13. Mai bis zum 24. Juni<br />
2011 besuchte Stefan Schostok 13<br />
Landkreise und kreisfreie Städte und<br />
nahm dabei 26 Termine wahr. Die<br />
Termine außerhalb von Hannover habe<br />
ich nur koordiniert, dort haben die ört-<br />
lichen Landtagsabgeordneten und deren Büros für alles vor Ort gesorgt. An dieser Stelle<br />
noch mal ein herzliches Dankeschön dafür! Es ging nach Osnabrück, Uchte, Nienburg,<br />
Northe<strong>im</strong>, Hameln, Hessisch-Oldendorf, Gifhorn, Braunschweig, Walsrode, Salzgitter,<br />
Schwanewede, Stotel, Peine und Wolfsburg. Bei den Terminen habe ich Stefan Schostok<br />
begleitet, manchmal auch mit unserer integrationspolitischen Sprecherin Dr. Silke Lesemann.<br />
Leider kann ich hier nicht die ganzen Inhalte und einzelnen Stationen schildern, das<br />
würde den Rahmen meines Tagebuches leider sprengen. Unter diesem Beitrag sind ein paar<br />
selbst geschossene Fotos der „Tour der Teilhabe“ aufgeführt, die einen kleinen Eindruck<br />
vermitteln können.<br />
Mir hat das Projekt großen Spaß gemacht und ich muss sagen, dass ich politisch und inter-
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
kulturell eine Menge dazu gelernt habe. Eine tolle Erfahrung zusammengefasst.<br />
Im nächsten Kapitel ist eine ausführlichere Dokumentation dieser Bereisungen dargestellt.<br />
Dort sind viele Bilder der „Tour der Teilhabe“ zu finden. Neben einem einleitenden Vorwort<br />
gibt es auch ein persönliches Nachwort.<br />
19.<br />
Die vergebliche Suche nach Verantwortung und Frieden<br />
Bei sommerlichen<br />
Temperaturen tagten die<br />
niedersächsischen Landtagsabgeordneten<br />
Ende<br />
Juni das letzte Mal vor der<br />
parlamentarischen<br />
Sommerpause, die Mitte<br />
August endet. Heute<br />
möchte ich ein paar Streiflichter<br />
aufgreifen aus dieser<br />
langen Plenarwoche, die<br />
auch gleichzeitig meine<br />
letzte Plenarwoche in<br />
meinem FSJ <strong>Politik</strong>-<strong>Jahr</strong><br />
war, denn die nächste wird<br />
erst nach dem 31. August<br />
2011 stattfinden.<br />
20.07.2011<br />
Debatte um 1 <strong>Jahr</strong> Ministerpräsident McAllister<br />
Letztes Plenum: Von der Pressetribüne hat man einen guten<br />
Überblick in den Plenarsaal.<br />
Seit dem 1. Juli 2010 ist David McAllister Ministerpräsident Niedersachsens. Während der<br />
„aktuellen Stunde“ <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag wurde für dieses erste Regierungsjahr<br />
Bilanz gezogen. Voller Spannung zog es mich zu diesem Tagesordnungspunkt auch in die<br />
Besucherloge des Plenarsaals. Ich erwartete eine heiße Debatte zu diesem Thema, aber ich<br />
wurde bitter enttäuscht. Lediglich die Oppositionsparteien fanden scharfe Worte und<br />
brachten teils sehr feurige Emotionen zu diesem Thema auf, die Redner der Regierungsfraktionen<br />
wirkten müde und sie hätten von der Emotionalität her genauso über die Dicke<br />
von Käsescheiben diskutieren können. Die Regierung äußerte sich gar nicht.<br />
Der CDU-<strong>Fraktion</strong>svorsitzende Björn Thümler führte jedes noch so kleine Gesetz in seiner<br />
Rede als großen Verdienst Herrn McAllisters auf und feierte alles als den großen Wurf ab.<br />
Zugegeben, an seiner Stelle hätte ich nicht gerne gestanden, mir wäre es wohl auch peinlich<br />
gewesen. Herr Thümler betont beispielsweise das Versammlungsgesetz mit dem auch die<br />
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IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Bannmeile vor dem Landtag einher geht. Die Bannmeile schließt Demonstrationen vor dem<br />
Landtag während der Plenarsitzungen aus. Eine tolle Stunde für die Demokratie, kann man<br />
da nur sagen! Er schloss mit dem Satz ab: „Es ist schön, dass wir eine gute Regierung haben,<br />
und es ist schön, dass wir eine schwache Opposition haben.“ Meinen Eindrücken nach ist<br />
dieser Satz völlig realitätsfern. Seit meiner Zeit hier <strong>im</strong> Landtag werden die Beiträge der<br />
Regierung und Regierungsfraktionen stetig schwächer und die Opposition lebt <strong>im</strong>mer mehr<br />
auf. CDU und FDP haben zunehmend unterschiedliche Positionen, Friede, Freude, Eierkuchen<br />
ist dort hinter verschlossen Türen mit Sicherheit nicht zu finden. Des Weiteren halte<br />
ich persönlich eine starke Opposition – egal welcher Couleur – als größere Bereicherung in<br />
einer Demokratie, nicht aber eine schwache.<br />
Der <strong>Fraktion</strong>svorsitzende der FDP, Christian Dürr, erwähnte – manche würden sagen<br />
typisch FDP – zuerst die zur Zeit nicht schlechte wirtschaftliche Lage Niedersachsens. Klar<br />
hat das Land Möglichkeiten in der Wirtschaftsförderung beispielsweise, aber wenn man<br />
doch ehrlich ist, dann ist das in erster Linie der Verdienst der Wirtschaft, dass Niedersachsen<br />
<strong>im</strong> Moment so gut dasteht. Die Einführung der Oberschule beschreibt Herr Dürr<br />
als „wegweisend“. Wenn das wegweisend für die FDP ist, dann wundert es mich gar nicht,<br />
dass die FDP so schlechte Umfrageergebnisse haben!<br />
Der Ministerpräsident<br />
Was hat Herr McAllister also nun geschafft? Auffällig unauffällig sitzt er meistens auf der<br />
Regierungsbank und beschäftigt sich demonstrativ mit dem Lesen oder lächelt fast<br />
höhnisch, wenn die Opposition am Rednerpult wettert. Ein Weglächeln? Mir kommt es oft<br />
so vor. Aber wer will es ihm verübeln? Wenn man sich die unterschiedlichen politischen<br />
Positionen innerhalb der Regierung zwischen CDU und FDP anschaut, die für so manche<br />
Spannung zwischen den Noch-Partnern sorgt, wenn man bedenkt als Koalitionspartner eine<br />
FDP zu haben die mit allen Mitteln gegen den prozentualen Abgrund kämpft, wenn man<br />
auf einen Schuldenberg schaut, der nun sogar wider eigener Versprechen an die Menschen<br />
in Niedersachsen größer wird und wenn man die personelle Zusammensetzung des<br />
Regierungskabinetts schaut, dann kann einem der Ministerpräsident fast leidtun.<br />
Ein Ministerpräsident, der sich jetzt als der große Energiewende-Minister feiern lässt, nur<br />
weil er der Kanzlerin blind folgt. Vor der Ankündigung der Energiewende durch die<br />
Bundesregierung hatte Herr McAllister noch ausdrücklich die Laufzeitverlängerung der<br />
Kernkraftwerke gestützt, eine Drehung um 180 Grad. Würde Frau Merkel plötzlich beschließen,<br />
dass Mitten in Hannover ein Endlager für Atommüll entsteht, dann stünde Herr<br />
McAllister wohl kurze Zeit später hinter ihr. Ein Ministerpräsident, der Frau Merkels Pläne<br />
dann dem Parlament in Regierungserklärungen beibringen muss, obwohl er vorher vielleicht<br />
nicht einmal derselben Meinung war. Ein Ministerpräsident, der es müde ist, sich dauernd<br />
über seine Minister und seinen Koalitionspartner aufregen zu müssen. Ein Ministerpräsident,<br />
der der CDU-<strong>Fraktion</strong> als Vorsitzender fehlt.<br />
Das Kabinett<br />
Werfen wir einen kurzen Blick auf das Kabinett. Da wäre zunächst der Umweltminister<br />
Herr Sander, er scheint zwar kaum einen Draht zur Umwelt zu haben, aber hey, er ist<br />
<strong>im</strong>merhin ein FDPler und Minister. Eine Fehlbesetzung erster Klasse. Der Wirtschafts-
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
minister Herr Bode bemerkte am Flughafen bei der Kontrolle, dass ihm das Visum für<br />
China fehlte, als er zu einer Wirtschaftsreise dorthin aufbrechen wollte. Auch lässt sich Herr<br />
Bode gerne zu Lobbyistentreffen aus der Glücksspielbranche auf Sylt einladen. Dann gibt es<br />
noch einen Finanzminister Möllring, dem kurzfristig einfällt der NORD/LB 600 Mio. €<br />
überweisen zu müssen, damit diese den Bankenstresstest besteht, und dazu informiert er das<br />
Parlament in einer Regierungserklärung an dem Tag, an dem die Entscheidung gefällt<br />
werden muss, wenn kaum Beratungszeit für einen so hohen Betrag zur Verfügung steht.<br />
Diese Arroganz der Macht hatte ich in einem früheren Tagebucheintrag schon ausgeführt.<br />
Aber auch der Innenminister Schünemann, der <strong>im</strong>mer wieder den konservativen Populismus<br />
mit seinen Ideen speisen muss, ist nicht die unkontroverseste Besetzung dieses Amtes.<br />
Einen Kultusminister Herr Althusmann, der es nicht geschafft hat einen Schulkonsens herzustellen,<br />
und auch noch die Opposition damit verhöhnt, ihnen Kaffee in die Büros zu<br />
schicken, und außerdem die nicht zukunftsweisende Oberschule ins Leben ruft, die in sich<br />
fast eine „Totgeburt“ zwischen CDU und FDP ist, kann man wohl kaum als großen<br />
Minister preisen. Zumal jetzt auch noch der Verdacht besteht, er habe als Bildungsminister<br />
eine wissenschaftlich minderwertige Doktorarbeit vorgelegt. Obwohl mich diese Hetze auf<br />
die ganzen Doktorarbeiten der <strong>Politik</strong>er stört, zur Senkung der <strong>Politik</strong>verdrossenheit trägt<br />
das mit Sicherheit nicht bei. Man kann sich doch nicht einen <strong>Politik</strong>er nach dem anderen<br />
schnappen und die Doktorarbeiten kontrollieren. Da muss sich doch jeder Träger eines<br />
Doktortitels fragen, ob er sich unter Generalverdacht stellt, wenn er oder sie in die <strong>Politik</strong><br />
geht.<br />
Abschließend noch ein Blick auf das Ressort Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz<br />
und Landesentwicklung unter Herrn McAllister. Als Herr McAllister an die Regierung<br />
letztes <strong>Jahr</strong> kam, hat er das Kabinett von Herrn Wulff eins zu eins übernommen. Auch mit<br />
der angezählten Landwirtschaftsministerin Frau Grotelüschen. Angezählt deshalb, weil<br />
schon bekannt war, dass sie eng mit der Geflügelwirtschaft privat und beruflich verstrickt<br />
war und politische Positionen eindeutig danach ausrichtete. Schnell wurde sie bekannt als<br />
„Putelüschen“ und nach dem Skandal <strong>im</strong> Betrieb, für den sie früher selbst auch Verantwortung<br />
trug, war sie politisch nicht mehr haltbar. Ob sie nach nicht einmal 8 Monaten<br />
gegangen worden ist oder tatsächlich selber den Entschluss fasste, kann ich nicht sagen.<br />
Aber eines kann ich sagen: Der Minister musste sich fremdschämen für seine damalige<br />
Ministerin. Nun stand das Landwirtschaftsministerium ohne politische Führung <strong>im</strong> Dioxin-<br />
Skandal da, auch wenn Minister Sander die Geschäfte übernahm, letztendlich war haben<br />
Ministerpräsident und Umweltminister den Staatssekretär des Landwirtschaftsministerium<br />
machen lassen.<br />
Die Regierungsantrittserklärung am 1. Juli 2010 Herrn McAllisters trug die Überschrift:<br />
„Mut zur Verantwortung“. Was bedeutet hier denn Verantwortung? Verantwortung habe<br />
ich <strong>im</strong> Dioxin-Skandal und in der EHEC-Krise kaum gesehen. Äußerungen von ihm waren<br />
rar. Sein Führungsstil ist dezent-zurückhaltend. Er lässt alles so weiter laufen und hofft, dass<br />
es gut geht. Insgesamt kann man eher von einer Flucht aus der Verantwortung sprechen.<br />
Die Spannungen zwischen FDP und CDU nehmen <strong>im</strong>mer drastischer zu. Als Beispiele<br />
möchte ich hier nur einige Themen nennen, in denen CDU und FDP gegensätzlicher<br />
Meinung sind: Fachkräftemangel, kommunalwahlrechtliche Best<strong>im</strong>mungen, Schulreform,<br />
Glücksspielmonopol, Asyl- und Ausländerpolitik, Vorratsdatenspeicherung oder PKW-<br />
Maut.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 49
CDU und FDP <strong>im</strong> Bruch – Ein Beispiel<br />
50 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Krampfhaft versucht die FDP eigene Akzente zu setzen. Am 9. Juni veröffentlichte die<br />
FDP-<strong>Fraktion</strong> das Papier „Zehn Punkte für eine liberale Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik“.In<br />
diesem Papier fordern die Liberalen Initiativen, die die CDU zur Zeit niemals<br />
unterstützen würde. Aber bei den Oppositionsparteien fielen diese FDP-Ideen auf fruchtbaren<br />
Boden. Nahezu alle Positionen der FDP in diesem Bereich sind auch schon lange die<br />
Positionen der <strong>SPD</strong>. Daher machte die <strong>SPD</strong> dies zum Thema <strong>im</strong> Landtag, um nachzufragen.<br />
In einer Dringlichen Anfrage wandte sich die <strong>SPD</strong> an die Landesregierung. Der<br />
Innenminister Schünemann allerdings, der von den Forderungen der FDP so gut wie nichts<br />
hielt, antwortete mit einer technokratischen Rede, in der er <strong>im</strong> Kern sagte, dass sich die<br />
Landesregierung an die geltenden Gesetze und Vorschriften halte. Entschuldigung, aber das<br />
wäre ja noch schöner, wenn sich die Regierung nicht an die rechtlichen Vorschriften hielte,<br />
wo kämen wir denn da hin? Dann würde sich die Regierung schließlich auch nicht mehr in<br />
unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen! Klar, muss sich die Regierung<br />
an die Gesetze halten, aber Gesetze und Vorschriften sind auch veränderbar. Dies streben<br />
FDP und Oppositionsfraktionen bei diesem Thema an. Im Großen und Ganzen würden die<br />
Vorschläge der FDP eine Mehrheit <strong>im</strong> Landtag finden, das machten <strong>SPD</strong>, Grüne und Linke<br />
deutlich, denn zusammen verfügen diese Parteien über 82 Sitze <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />
von 152 Sitzen, das ist die relative Mehrheit. Demokratisch bedeutet es, dass es eine gesellschaftliche<br />
Mehrheit gibt, die die Positionen von <strong>SPD</strong>, FDP, Grünen und Linken unterstützt.<br />
Aber realpolitisch scheitert das ganze an der CDU. Die FDP hat sich übrigens<br />
komplett aus der Landtagsdebatte zu ihren Themen zurückgehalten, lediglich Minister Bode<br />
hat symbolisch was gesagt, das nicht wirklich auf dieses Missverständnis einging. Es bleibt<br />
zu erwähnen, dass die Sitzungen der Integrationskommission, die sich genau mit diesen<br />
Themen der Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik beschäftigt, ständig ausfallen, obwohl<br />
es um die 7 Anträge gibt, die genau in diese Richtung zielen. Das ist doch grotesk.<br />
Insgesamt bleibt mir nur zu sagen: Mein Mitgefühl, Herr McAllister.<br />
20.<br />
Abschlussseminar: Zwischen Geschichte und Zukunft<br />
01.08.2011<br />
Nachdem ich meinen Sommerurlaub damit verbracht hatte, mich eingehend mit den<br />
Studiengängen, Universitäten und Studienbewerbungen zu beschäftigen, ging es vom 11. bis<br />
15. Juli nach Papenburg zum Abschlussseminar <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Ein Überblick<br />
In entspannter St<strong>im</strong>mung ging es am<br />
Montagmorgen gen Ostfriesland. Die<br />
Temperaturen in Hannover ließen hoffen auf<br />
ein sommerliches Abschlussseminar. Jedoch<br />
in Papenburg angekommen war es nicht<br />
mehr ganz so warm, und es wurde <strong>im</strong> Laufe<br />
der Woche auch nicht besser. Dennoch<br />
hatten wir eine sehr schöne Unterkunft, die<br />
Historisch-Ökologische Bildungsstätte<br />
Papenburg. Sie liegt direkt an einem See und Ein letztes pädagogisches Gruppenspiel<br />
ist mit viel Glas und einer Pflanzenwelt ausgestattet.<br />
Die Ruderboote der Einrichtung waren natürlich besonders beliebt, und für eine<br />
kleine Ausfahrt nahmen es einige gerne in Kauf, in einem Ausläufer des Sees stecken zu<br />
bleiben und dadurch auch mal etwas später zum Gruppentreffen zu erscheinen. Insgesamt<br />
war die Atmosphäre sehr entspannt und erholsam. Inhaltlich ging es darum, das Freiwillige<br />
Soziale <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> zu reflektieren, also zu evaluieren, wie wir das <strong>Jahr</strong> für uns persönlich<br />
bewerten. Der Zusammenhalt in der Gruppe wurde noch einmal trainiert. Außerdem hat<br />
Natalie Boest einen Teil ihres Hauptprojektes vorgestellt. Natürlich wurden auch regionale<br />
Schwerpunkte gesetzt, wie der Besuch der zukünftigen Gedenkstätte Esterwegen.<br />
Diskussionen<br />
Natalie Boest, Freiwillige bei der Stiftung<br />
Leben und Umwelt, stellte einen Aspekt ihres<br />
eigenverantwortlichen Projektes „Den Staat<br />
neu denken“ vor. Wir diskutierten über die<br />
Idee der „Sozialen Plastik“ von Johannes<br />
Stüttgen, der mit seinem Omnibus für direkte<br />
Demokratie tourte. Letztendlich entfachte auch<br />
eine Diskussion zum Thema der Rolle von<br />
Parteien in unserer Demokratie und wer wie<br />
am besten Einfluss auf die Gesellschaft hat.<br />
Am Nachmittag ging es dann weiter mit den<br />
Diskussionen be<strong>im</strong> Floßbau. Wir wurden in<br />
drei Gruppen aufgeteilt und bekamen alle dieselben<br />
Materialien. Zunächst sollte ein<br />
Konstruktionsplan entworfen werden. Schon<br />
Nach einer langen Planungsphase ist es<br />
fast fertig: Unser Katamaran-Floß<br />
das gelang uns in der Gruppe nicht so richtig, also fingen wir einfach an drauflos zu bauen.<br />
Die erste Gruppe war fertig und probierte sich auf dem Wasser mit ihrem Floß, es sah zwar<br />
etwas krampfhaft aus, aber sie schwammen, blieben allerdings nicht vollends trocken. Auch<br />
die zweite Gruppe hatte sich für eine trapezartige Form entschieden, jedoch war die Balance<br />
des Floßes nicht hergestellt, dadurch saß einer halb <strong>im</strong> Wasser, der andere „schwebte“<br />
hinter ihm. Schließlich schafften auch wir es mit unserem quadratischen Katamaran, die<br />
Wogen des Sees zu erkl<strong>im</strong>men. Nach anfänglichen Ballonverlusten – die waren als Auftrieb<br />
unter das Floß geschnallt – waren wir von unserer Konstruktion überzeugt. Zum Glück war<br />
Fabian Claussen S e i t e | 51
52 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
uns das Wetter am Dienstagnachmittag hold<br />
und es blieb warm, sodass das kalte Nass<br />
nicht allzu schl<strong>im</strong>m war.<br />
Exkursion in die Geschichte<br />
Am Mittwoch führte uns eine morgendliche<br />
Radtour in das Dokumentations- und<br />
Informationszentrum (DIZ) Emslandlager,<br />
Papenburg. Dort präsentierte uns der Leiter<br />
des DIZ die Geschichte der Konzentrations-<br />
Vorsichtig lassen wir unser Floß zu Wasser. lager <strong>im</strong> Emsland. Eine Besonderheit, die in<br />
den Emslandlagern entstanden ist, ist „Das<br />
Lied der Moorsoldaten“, welches kurze Zeit später in den Lagern verboten wurde, da es als<br />
politisches Widerstandslied galt und noch gilt. Anschließend begutachteten wir die Ausstellung<br />
<strong>im</strong> DIZ, der berühmteste Häftling <strong>im</strong> Emsland war sicherlich Carl von Ossietzky,<br />
nach dem heute beispielsweise die Universität Oldenburg benannt ist. Das bekannteste<br />
Lager war das in Esterwegen. Zwischenzeitlich wurde das Gelände nämlich vom Militär<br />
genutzt. Zurzeit wird die Stätte dieses ehemaligen Lagers zur Gedenkstätte umgebaut. Vom<br />
Leiter des DIZ, Fietje Ausländer, wurden wir auf dem Gelände herumgeführt und er hat uns<br />
anschaulich dargestellt, wie es früher ausgesehen haben muss. Heute stehen dort nämlich<br />
keine Gebäude des Lagers mehr. Im Oktober wird die neue Ausstellung auf dem ehemaligen<br />
Gelände offiziell eröffnet.<br />
Rückblick und Ausblick<br />
Während des Seminars haben wir unterschiedliche Methoden der Reflexion getestet, oft war<br />
es auf kreative Weise oder wir haben für<br />
uns einen Fragebogen ausgefüllt. Bei<br />
einer „Session“ haben wir uns <strong>im</strong> Raum<br />
positioniert, dementsprechend, wie wir<br />
die vorgelesene These von Julia Wurzel,<br />
unserer Koordinatorin, beantworten<br />
würden. Dem einen hat dies in der<br />
Selbsterkenntnis geholfen, dem anderen<br />
weniger. Außerdem haben wir noch kurz<br />
über die Zertifikatsübergabe am 31.<br />
August <strong>im</strong> Neuen Rathaus gesprochen.<br />
Am letzten Tag haben wir uns nach<br />
einer ruhigen Abschiedsrunde darüber<br />
unterhalten, was wir nach dem FSJ<br />
machen wollen. Die meisten werden<br />
Ein letztes Gruppenfoto in Papenburg<br />
studieren gehen, da wurden unter anderem die Städte Bremen, Göttingen und Leipzig genannt.<br />
Bei vielen ist es aber noch unklar, wo es hingeht, so auch bei mir.<br />
Das war es nun also mit meinem FSJ <strong>Politik</strong>. Ein letzter Beitrag beinhaltet das Fazit aus<br />
Kapitel VI, daher sehe ich an dieser Stelle von einer Dopplung ab.
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
V O R W O R T<br />
Soziale Teilhabe: Auf Bereisung mit Stefan Schostok<br />
Mein Name ist Fabian Claussen und ich habe mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong><br />
<strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag absolviert.<br />
Vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 habe ich <strong>im</strong><br />
<strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> mitgearbeitet. Zu einem FSJ <strong>Politik</strong> gehört ein<br />
eigenes Projekt, welches der FSJ-Absolvent selbstständig betreut.<br />
Während meines FSJ <strong>Politik</strong> habe ich mich mit vielen verschiedenen<br />
politischen Themen auseinandergesetzt und an einigen Projekten gearbeitet.<br />
Im Folgenden möchte ich mein Hauptprojekt dokumentieren.<br />
Lange schon hat mich das Thema Integration und Zuwanderung interessiert und die damit verbundenen<br />
gesellschaftlichen Aspekte. Oft wird mangelnde gesellschaftliche Teilhabe von<br />
Menschen als Phänomen in der Stadt begriffen, aber das darf man nicht pauschalisieren, denn<br />
auch <strong>im</strong> ländlichen Raum führt dies zu sozialen Missständen. Viele Menschen in Niedersachsen<br />
leben leider am – sogenannten – Rande der Gesellschaft. Das ist kein Phänomen, welches ausschließlich<br />
bei Zugewanderten auftritt, es betrifft auch viele Menschen ohne Migrationshintergrund.<br />
Sehr viele Migranten und Migrantinnen sind in die Gesellschaft gut integriert, sodass sie<br />
kaum auffallen. Integration ist ein wechselseitiger Prozess und ein Prozess, der in den nächsten<br />
<strong>Jahr</strong>en verstärkt auf unsere Gesellschaft Einfluss haben wird. Jede/r Einzelne sollte die gleichen<br />
Chancen, Freiheiten und Sicherheiten in ihrem/seinem Leben haben, egal, aus welchen Verhältnissen<br />
er/sie stammt. Da ich einen Schwerpunkt in meinem Projekt setzen wollte, habe ich „die<br />
Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund“ gewählt.<br />
Nach Absprache mit dem Geschäftsführer der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag,<br />
Herrn Dr. Cornelius Schley, organisierte ich eine Reihe an Bereisungen des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden<br />
Stefan Schostok zum Thema Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Der Titel der Bereisungen lautete „Tour der Teilhabe“. Eine neue Herausforderung für mich,<br />
denn etwas Derartiges hatte ich zuvor noch nie gemacht. Nach einer langen Planungsphase war<br />
der erste Tag der Tour Freitag, der 13. Mai 2011, in Hannover. Diesen Auftakt <strong>im</strong> Stadtteil<br />
Linden habe ich völlig selbstständig organisiert. Danach folgten <strong>im</strong> Zeitraum vom 6. Juni bis 24.<br />
Juni 2011 die sechs weiteren Tage, an denen Stefan Schostok Niedersachsen zum Thema Teilhabe<br />
bereiste. Insgesamt ging es in 13 Kreise und kreisfreie Städte zu insgesamt etwa 26<br />
Terminen. Stefan Schostok hat sich mit verschiedensten Vereinen, Verbänden, Initiativen und<br />
Einrichtungen ausgetauscht. Da es mein Hauptprojekt war, habe ich ihn dabei begleitet. Soweit<br />
sie konnte, hat auch die integrationspolitische Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, Dr. Silke Lesemann,<br />
an den Terminen teilgenommen.<br />
Ich möchte mich ganz herzlich bei denen bedanken, die tatkräftig mitgearbeitet haben, diese<br />
Tour durchzuführen: das sind nicht nur Kollegen und Kolleginnen aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro,<br />
sondern ganz besonders die örtlichen Abgeordneten und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />
Natürlich möchte ich mich auch bei den besuchten Einrichtungen, Vereinen und Initiativen bedanken,<br />
dass sie Stefan Schostok so angenehm empfangen haben. Ganz besonderer Dank gilt<br />
natürlich Stefan Schostok selbst: Vielen, vielen Dank Stefan!<br />
Jetzt viel Spaß be<strong>im</strong> Lesen, Fabian Claussen<br />
Fabian Claussen S e i t e | 53
Erster Tag am 13. Mai 2011 in Hannover-Linden<br />
Migrationsberatung der AWO Region Hannover e.V.<br />
Im Beratungszentrum für<br />
Integrations- und Migrationsfragen<br />
hat sich Stefan<br />
Schostok zusammen mit Dr.<br />
Silke Lesemann, der<br />
integrationspolitischen<br />
Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, dem<br />
hannoverschen <strong>SPD</strong>-<br />
Ratsherren Alptekin Kirci und<br />
dem Referenten für <strong>Soziales</strong>,<br />
Heinrich Heggemann, über<br />
die Arbeit der AWO Region<br />
Hannover mit Zugewanderten<br />
informiert und das Vorhaben<br />
der <strong>Fraktion</strong>, ein „Teilhabegesetz“<br />
in den Landtag einzubringen,<br />
erläutert. Inhaltlich<br />
wurde des Weiteren über<br />
Integration <strong>im</strong> Allgemeinen<br />
gesprochen, einig waren sich<br />
Sozialdemokraten darin, dass<br />
Deutschland eine klare<br />
Anerkennungs- und<br />
54 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Stefan Schostok (Bildmitte) gemeinsam mit Alptekin Kirci<br />
(rechts dahinter) und Dr. Silke Lesemann (links dahinter) bei<br />
der AWO Region Hannover<br />
Willkommenskultur brauche und dass öffentliche Einrichtungen eine starke interkulturelle<br />
Öffnung bräuchten. Die Förderung interkultureller Kompetenz der Dienstleister müsse gefördert<br />
werden. Es ginge nicht darum, dass auf den Migrationshintergrund der Menschen geschaut werde<br />
und danach die <strong>Politik</strong> ausgerichtet werde, sondern dass die <strong>Politik</strong> Lösungen für die heutigen<br />
Missstände fände ohne zu stark in die geosoziologische Vergangenheit der Menschen zu schauen.<br />
Nada Nangia, Leiterin des Fachbereichs Integration und Migration der AWO Region Hannover,<br />
erläuterte allen Anwesenden, welche Möglichkeiten die AWO hat, Zugewanderten zu helfen. Die<br />
AWO bietet Beratung für Migranten und Migrantinnen an. Den „Jugendmigrationsdienst“ (JMD)<br />
können insbesondere neu zugewanderte Jugendliche zwischen 12 und 27 in Anspruch nehmen.<br />
Die „Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte“ (MBE) dagegen wird ab 27 <strong>Jahr</strong>e angeboten.<br />
Dann gibt es noch die „Nachholende Integrationsberatung“ (NIB). Diese ist für Zugewanderte,<br />
die bereits länger schon hier leben, aber noch Probleme <strong>im</strong> „deutschen“ Alltag<br />
haben, zum Beispiel mit der Sprache. Die Zahl der zu beratenen Personen, die aus 89 Ländern<br />
stammen, beläuft sich auf 858 <strong>im</strong> Bereich MBE/NIB und auf 257 <strong>im</strong> Rahmen des JMD. Der<br />
Anteil der neu Zugewanderten beträgt etwa 45%. Im Beratungszentrum für Integrations- und<br />
Migrationsfragen (BIM), welches die drei Angebote durchführt, können alle fragen zu vielen<br />
Lebensbereichen stellen (Wohnen, Einkommen, Arbeit, Familie/Beziehung, Recht, soziales Umfeld,<br />
Aktivitäten <strong>im</strong> Alltag, Erholung/Freizeit, Mobilität, Gesundheit und Erziehung/Bildung).<br />
Die AWO bietet auch Integrationskurse an, in denen die deutsche Sprache gelehrt wird und über<br />
die deutsche Kultur informiert wird.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Das Abschiedsfoto auf der Dachterrasse der AWO. Auch der<br />
Referent für <strong>Soziales</strong>, Heinrich Heggemann, war dabei (4. v. l.).<br />
Die <strong>SPD</strong>-Delegation<br />
zeigte sich in den anschließenden<br />
Gesprächen<br />
beeindruckt von der<br />
Professionalität der<br />
AWO-Integrationsangebote<br />
und von dem großen<br />
Engagement der AWO-<br />
Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen.<br />
Diese betonten<br />
den starken Netzwerkcharakter<br />
ihrer<br />
Arbeit. Erfolgreiche<br />
Integrationsarbeit müsse<br />
darüber hinaus nachhaltig,<br />
geduldig und ausdauernd<br />
sein. Kurzfristige<br />
Aktionen brächten nichts.<br />
Sie forderten von der<br />
<strong>Politik</strong> weniger Bürokratie bei den zahlreichen Antragsverfahren und ein Ende der „Projektitis“.<br />
Ein Großteil ihrer Arbeitszeit ginge mit der „Akquise“ von Projektmitteln und dem Ausfüllen<br />
von Projektformularen verloren. Eine institutionelle Förderung der Integrationsarbeit würde dagegen<br />
diese überflüssige und zeitintensive Bürokratie beenden.<br />
„MigrantInnen SelbstOrganisationen“ Netzwerk Hannover<br />
Stefan Schostok besuchte mit Dr. Silke Lesemann, Alptekin Kirci und Heinrich Heggemann das<br />
MiSO-Netzwerk. Das sogenannte „MiSO-Netzwerk“ ist ein noch junger Zusammenschluss von<br />
35 MigrantInnenselbstorganisationen (nach eigenen Angaben) in Hannover. Unter anderem sind<br />
hier der Afrikanische Dachverband Norddeutschland e.V., das Kurden Komitee Hannover e.V.<br />
oder die Arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. organisiert.<br />
Der Sitz des MiSO-Netzwerkes ist das Kulturzentrum Faust <strong>im</strong> Stadtteil Linden-Nord. Ein Ansprechpartner<br />
des Netzwerkes ist Asghar Eslami von kargah e.V. – Verein für interkulturelle<br />
Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit. Im Frühjahr 2010 wurde das Netzwerk gegründet<br />
und gilt bundesweit bislang einmalig in dieser Form und in diesem Umfang. Und es<br />
wachse weiter, denn weitere MigrantInnenselbstorganisation hätten Interesse an einer MiSO-<br />
Mitgliedschaft bekundet.<br />
Nach ersten gemeinsamen, erfolgreichen Aktionen wolle das Netzwerk nun stabiler und verbindlicher<br />
werden, was manchmal nicht einfach sei angesichts der vielen unterschiedlichen Kulturen<br />
und Sprachen der Netzwerk-Mitglieder. Sie lobten in diesem Zusammenhang die <strong>SPD</strong> Hannover<br />
und Stefan Weil, den Oberbürgermeister von Hannover, die den Aufbau und die Arbeit des<br />
Netzwerkes kräftig unterstützten. Mehrere Repräsentanten des MiSO-Netzwerkes betonten, dass<br />
die durch Thilo Sarrazins ausländerfeindlichen Äußerungen geführten öffentlichen Diskussionen<br />
sie verletze und in ihren Integrationsbemühungen behindere. Sie forderten in dieser Frage auch<br />
mehr Engagement der Bundes-<strong>SPD</strong>. Sie unterstützen die <strong>SPD</strong>-Forderung nach einem<br />
kommunalen Ausländerwahlrecht. Wer hier lebe, der müsse auch wählen dürfen.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 55
56 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Die Schura Niedersachsen – Landesverband der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen e.V.<br />
Die „Schura Niedersachsen“ ist ein Zusammenschluss von Musl<strong>im</strong>en aller Rechtsschulen und<br />
Nationalitäten aus Niedersachsen. Der Verein wurde hauptsächlich gegründet um die Interessen<br />
der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen repräsentativ zu bündeln und er arbeitet bei dem Projektversuch<br />
„islamischer Religionsunterricht in Niedersachsen“ mit. Dieses Projekt wurde schon damals von<br />
der rot-grünen Landesregierung vor 2003 initiiert. Mit Landesregierung und Wissenschaft werden<br />
Inhalte für den islamischen Religionsunterricht erarbeitet. 26 niedersächsische Grundschulen<br />
beteiligen sich an diesem Projektversuch. Stefan Schostok, Dr. Silke Lesemann, Alptekin Kirci<br />
und Heinrich Heggemann besuchten die Islamische Gemeinschaft Jama´at-un Nur e.V., dessen<br />
Vorsitzender Avni Altiner auch den Vorsitz bei der Schura hat. Sie erhielten die Möglichkeit, dem<br />
Freitagsgebet beizuwohnen. Diese Gelegenheit nahmen sie gerne war.<br />
Be<strong>im</strong> anschließenden Gedankenaustausch bei Tee und Baklava auf Einladung von Schura und<br />
Jama´at-un Nur e.V. spielte ebenfalls die Sarrazin-Diskussion mit ihren islamfeindlichen<br />
Äußerungen eine wichtige Rolle. Sarrazin zeichne ein grob verzerrtes und falsches Bild der in<br />
Deutschland lebenden Musl<strong>im</strong>e. Diese Diskussion werfe die Integrationsbemühungen zurück.<br />
Avni Altiner und die weitere Schura-Vertretung lobten die an der Universität Osnabrück gestartete<br />
Imam-Weiterbildung.<br />
Zweiter Tag am 6. Juni 2011 in Osnabrück und <strong>im</strong> Landkreis Nienburg<br />
Zentrum für interkulturelle Islamstudien an der Universität Osnabrück<br />
Mit dem Arbeitskreis<br />
Wissenschaft<br />
und Kultur und mit<br />
der Arbeitsgruppe<br />
Integration der<br />
<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> besuchte<br />
Stefan<br />
Schostok gemeinsam<br />
mit Ulla<br />
Groskurt, der örtlichenAbgeordneten,<br />
das<br />
Zentrum für interkulturelleIslamstudien<br />
an der Universität<br />
Osnabrück.<br />
Das ZIIS wurde<br />
2008 gegründet,<br />
nachdem der niedersächsischePilotstudiengang<br />
„Islamische<br />
Religionspädagogik“<br />
Stefan Schostok zu Besuch be<strong>im</strong> Zentrum für interkulturelle Islamstudien<br />
an der Universität Osnabrück. Prof. Dr. Bülent Ucar (Bildmitte) stellte die<br />
Arbeit des ZIIS vor. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong>, Dr. Gabriele Andretta (Bildmitte hinten), machte sich auch ein<br />
Bild.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
zum Wintersemester 2007/2008 eingeführt worden war. Neben der Einbettung des Studienganges<br />
„Islamische Religionswissenschaften“ liegen die zentralen Aufgaben des ZIIS <strong>im</strong> Bereich<br />
der universitären Weiterbildung von Imamen und der Islamforschung besonders <strong>im</strong> Bezug<br />
Migration sowie interkulturelle und interreligiöse Studien.<br />
Empfangen wurde die <strong>SPD</strong>-Delegation um Stefan Schostok von Herrn Prof. Dr. Bülent Ucar,<br />
dem Inhaber des neuen Lehrstuhls für Islamische Religionspädagogik und den wissenschaftlichen<br />
Mitarbeitern Herrn Esnaf Begic und Herrn Moussa Al-Hassan Diaw. Kernpunkte der Diskussion<br />
waren der Studiengang „Islamische Religionspädagogik“, allgemeine Rahmenbedingungen des<br />
ZIIS, die Imam-Weiterbildung sowie auch allgemeine gesellschaftspolitische Entwicklungen.<br />
Initiiert wurde besagter Studiengang noch durch die rot-grüne Landesregierung vor 2003. Bereits<br />
damals war es das Ziel, in öffentlichen Schulen in Niedersachsen islamischen Religionsunterricht<br />
anbieten zu können. Dies soll dazu führen, dass mehr Verständnis und Verständigung zwischen<br />
Moslems, Christen und anderen Religionsgemeinschaften entsteht und dass sich intensiver mit<br />
dem Islam auseinandergesetzt wird. Förderlich ist natürlich auch, dass der Unterricht interreligiöse<br />
Aspekte beleuchtet und in Deutsch gelehrt wird. Um Unterrichtsinhalte festzulegen,<br />
wurde die Schura gegründet, die Stefan Schostok schon besucht hat. Noch ist islamischer<br />
Religionsunterricht jedoch lediglich ein Projekt an einzelnen Schulen Niedersachsens. Bemängelt<br />
wird, dass das Studienfach <strong>im</strong> Lehramt bisher nur als drittes Fach angeboten wird. Dies steht in<br />
starker Konkurrenz zur nahen Universität in Münster, in der die Islamwissenschaften auch eine<br />
starke Rolle spielen. Dort gibt es „Arabistik/Islam-wissenschaften“ beispielsweise <strong>im</strong> Zweifach-<br />
Bachelor; ein Studiengang, der den Studiengang „Islamische Religionspädagogik“ hervorragend<br />
ergänzen würde und das ZIIS aufwerten würde. Hinzukommt der negative Standortfaktor<br />
Studiengebühren in Niedersachsen. In Nordrhein-Westfalen werden Studiengebühren abgeschafft.<br />
Ein weiterer Punkt war die Weiterbildung von Imamen. Mit Begeisterung und Andrang<br />
soll dieses Angebot der Universität Osnabrück angenommen werden, gesamtgesellschaftlich gesehen<br />
ist das Programm für das interreligiöse und –kulturelle Verständnis als förderlich einzustufen.<br />
Uchter Jugendzentrum<br />
Gemeinsam mit dem lokalen<br />
Abgeordneten Grant Hendrik<br />
Tonne stattete Stefan<br />
Schostok dem Uchter<br />
Jugendzentrum einen Besuch<br />
ab. Bei bestem Wetter<br />
wurden Stefan Schostok,<br />
Grant Hendrik Tonne und<br />
die Delegation der örtlichen<br />
<strong>SPD</strong> von Torsten Garrelts,<br />
Uta Sievers und Lüksiye<br />
Agirman vor einem herrlich<br />
bunt bemalten Haus<br />
empfangen. Zunächst wurden<br />
die Räumlichkeiten des<br />
Jugendzentrums durch eine<br />
Führung vorgestellt.<br />
Nachdem der große Garten<br />
und das Fußballfeld hinter<br />
Zuerst wurde das Außengelände des Uchter Jugendzentrums<br />
besichtigt.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 57
58 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
dem Haus inspiziert wurden, ging es in die Innenräume des Hauses. Zahlreiche Z<strong>im</strong>mer zeugten<br />
von einem lebendigen Treiben <strong>im</strong> Jugendzentrum. Vorgestellt wurden das Büro, das Billardz<strong>im</strong>mer,<br />
das Computerz<strong>im</strong>mer, das Spielez<strong>im</strong>mer, der große Allzweckraum, die „Chill-out-Area“,<br />
die Küche und der Besprechungsraum.<br />
Das Uchter Jugendzentrum<br />
wird getragen vom Verein für<br />
Jugendarbeit in Uchte e.V., der<br />
seit 2001 besteht. Im gleichen<br />
<strong>Jahr</strong> wurde das Haus in der<br />
Berggartenstraße durch<br />
Jugendliche in den Sommerferien<br />
renoviert. Erst <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e<br />
2002 konnte das Jugendzentrum<br />
die Türen täglich<br />
öffnen, was für die Arbeit sehr<br />
wichtig war. Seit 2005 arbeitet<br />
Uta Sievers als Sozialpädagogin<br />
in der Einrichtung. Sie hat nun<br />
Unterstützung durch Lüksiye<br />
Agirman, was die Arbeit <strong>im</strong><br />
Jugendzentrum effektiver<br />
macht, weil die Betreuung<br />
größer ist. Außerdem ist Lüksiye Agirman eine gute Ansprechpartnerin für zugewanderte<br />
Familien mit ausländischem Migrationshintergrund. Ganz wichtig: Die Familien finden das Vertrauen<br />
zu ihr besser aufgrund der gemeinsamen Sprache. In Uchte leben viele Migrantenfamilien<br />
und es bestand großer Handlungsbedarf, damit mehr Teilhabe dieser Zugewanderten entstehen<br />
konnte.<br />
Die Besucher und die Betreuer der Jugendlichen vor dem<br />
bunt bemalten Jugendzentrum in Uchte.<br />
In einer gemütlichen Runde erklärte Uta Sievers (stehend) den<br />
Gästen, wie die tägliche Arbeit aussehe.<br />
Täglich ist das Jugendzentrum<br />
geöffnet. Montags bis<br />
donnerstags wird Hausaufgabenhilfe<br />
angeboten. Dies<br />
übernehmen auch ältere Schüler<br />
und Schülerinnen, die sich in<br />
Sachen Arbeit mit Kindern fortgebildet<br />
haben. Danach und<br />
auch Freitag nachmittags ist<br />
offener Treff, dort können die<br />
Jugendlichen Fußballspielen,<br />
sich in Lebenslagen separat beraten<br />
lassen, Gesellschaftsspiele<br />
spielen, Billard spielen, das<br />
Computerangebot nutzen,<br />
kochen und vieles mehr. Es gibt<br />
auch einen Tag nur für<br />
Mädchen. Im Jugendzentrum<br />
finden auch Workshops statt wie<br />
beispielsweise die JuLeiCa-<br />
Ausbildung. Auch andere Projekte gefördert durch das Land Niedersachsen oder die örtlichen<br />
Kommunen finden dort statt. Im Sommer gestaltet das Jugendzentrum einen Ferienpass in Ko-
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
operation mit vielen anderen Akteuren. Viele dieser Veranstaltungen finden in den dortigen<br />
Räumlichkeiten statt. Neu ist das Jugendparlament, dass als Sprachrohr der örtlichen Jugendlichen<br />
dienen soll.<br />
Finanziert wird das Jugendzentrum vom Verein, der Kommune und aus Projektmitteln des<br />
Landes Niedersachsen. Ein Großteil des Geldes kommt aus dem niedersächsischen NiKo-<br />
Projekt. Für das NiKo-Projekt ist Uta Sievers angestellt. Sie hat die Aufgabe, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit<br />
und Elternkontakte zu bündeln und somit eine opt<strong>im</strong>ale Gesprächspartnerin für alle<br />
drei Parteien zu sein, wenn es Probleme gibt. Jedoch ist das Niko-Projekt bis zum 31. Dezember<br />
2011 befristet. Wichtig ist eine langfristige nicht projektbezogene sozialpädagogische Jugendarbeit.<br />
Bei türkischen Spezialitäten erzählen die Jugendlichen, übrigens viele mit Migrationshintergrund,<br />
am runden Tisch begeistert, wie gut ihnen das Jugendzentrum gefällt. Uta Sievers<br />
und Lüksiye Agirman konnten schon vielen sogenannten „Problemkindern“ helfen.<br />
Das „Sprotte“ in Nienburg – Begegnungsstätte für die Lehmwandlung<br />
Die Lehmwandlung als ein Stadtteil Nienburgs ist Projektort des Bund-Länder-Programms<br />
„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Die Soziale Stadt“. Ursprünglich war der<br />
Stadtteil eine Siedlung für die Familien der Britischen Armee. In den 1990er <strong>Jahr</strong>en zogen diese<br />
Familien wieder weg und es zogen Zuwanderer, Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen vermehrt<br />
in die Wohngegend. Schnell entwickelte sich das Gebiet mit ca. 3250 Einwohnern zu einem<br />
„sozialen Brennpunkt“. Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ wurde der Stadtteil baulich<br />
modernisiert und die dortige Lebensqualität angehoben. Ziel ist es, die Lehmwandlung wieder<br />
attraktiv zu machen.<br />
Barbara Weissenborn (1. v. r.) und Britta Kreuzer (1. v. l.)stellen<br />
Grant Hendrik Tonne (2. v. l.) und Stefan Schostok die Arbeit <strong>im</strong><br />
Quartier vor.<br />
Im Zentrum des Stadtteils hat<br />
der Verein Sprotte e.V. ein<br />
Begegnungszentrum aufgebaut<br />
in einem früheren<br />
Einkaufsladen und einer<br />
Kneipe. Heute sind dort das<br />
„Sprottelino“ als Restaurant<br />
und Räumlichkeiten für<br />
Kurse, Projekte und andere<br />
Veranstaltungen angesiedelt.<br />
Die Projektleiterin Barbara<br />
Weissenborn und die Leiterin<br />
für das Modellvorhaben<br />
„Lebensbasis Bildung“, Frau<br />
Britta Kreuzer, haben Stefan<br />
Schostok und Grant Hendrik<br />
Tonne eindrucksvoll und ausführlich<br />
über ihr Engagement<br />
in der Lehmwandlung unterrichtet.<br />
Das „Sprotte“ mit<br />
dem integrierten Restaurant „Sprottelino“ soll ein Begegnungszentrum für Jung und Alt sein. Es<br />
wird vielfältig als Veranstaltungsort genutzt, nicht nur für Veranstaltungen des Vereins. Der Verein<br />
„Sprotte“ will universeller Ansprechpartner für die Probleme in der Siedlung sein.<br />
Das Angebot des Vereins ist vielfältig und reicht von Kinderbetreuung bis zum Treffpunkt für<br />
die ältere Generation. Der Verein will als Vermittler agieren, Kinder aus Migrantenfamilien be<strong>im</strong><br />
Fabian Claussen S e i t e | 59
60 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Spracherwerb unterstützen, mit Schulen zusammenarbeiten und Jugendarbeit leisten. Durch das<br />
ESF-Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit <strong>im</strong> Quartier“ (BIWAQ) finanzieren sie teilweise die<br />
berufliche Aus- bzw. Weiterbildung <strong>im</strong> „Sprottelino“. Regelmäßig treffen sich verschiedene<br />
Gruppen <strong>im</strong> „Sprotte“, wie die russisch-deutsche Müttergruppe oder die Nähgruppe. Die Nähgruppe<br />
wird von einer Migrantin geleitet, die sich angeboten hatte, diese in der Leitung zu übernehmen.<br />
Begutachtet wurde auch der Bücherkasten vor dem „Sprotte“, wo sich die Anwohner<br />
Bücher ausleihen können.<br />
Nach der ausführlichen Präsentation<br />
und einem Austausch über die Sozialstruktur<br />
der Siedlung wurde anschließend<br />
<strong>im</strong> „Sprottelino“ sehr<br />
lecker zu Abend gegessen. Hierbei<br />
bemerkten die Vertreterinnen des<br />
„Sprotte“, dass es besonders wichtig<br />
für die Arbeit des Vereins sei, langfristig<br />
planen können, um Nachhaltigkeit<br />
herzustellen. Natürlich müssten<br />
sie auch eng mit den kommunalen<br />
Räten, Vereinen und Schulen verzahnt<br />
sein, um eine gute Quartiersarbeit zu<br />
leisten. Alle Bewohner und Be-<br />
Das Abschiedsfoto vor dem „Sprottelino“.<br />
wohnerinnen der Lehmwandlung<br />
könne man jedoch nicht ansprechen, das wäre utopisch. Von hoher Bedeutung sei außerdem die<br />
Beziehung zwischen den Generationen für das Sozialverhalten.<br />
Dritter Tag am 9. Juni 2011 in den Landkreisen Northe<strong>im</strong> und<br />
Hamlen-Pyrmont<br />
Integrationslotsen an der Gutenberg-<br />
Realschule in Northe<strong>im</strong><br />
An der Gutenberg-Realschule in der Stadt<br />
Northe<strong>im</strong> hatten fünf Schüler die Möglichkeit,<br />
sich <strong>im</strong> Rahmen eines Niedersächsischen<br />
Kooperations- und Bildungsprojektes<br />
(NiKo-Projekt) zu Integrationslotsen<br />
ausbilden zu lassen. Stefan Schostok<br />
und Frauke Heiligenstadt, die örtliche Abgeordnete,<br />
besuchten die Integrationslotsen<br />
Marina Schuler, Alena Tscheblakow, Mariam<br />
Omeirat, Rijana Berisha und Yasin Özalp<br />
gemeinsam mit dem Bürgermeister Harald<br />
Kühle und der Northe<strong>im</strong>er <strong>SPD</strong>. Empfangen<br />
wurden sie an der Schule von der Rektorin<br />
Frau Halle und der <strong>SPD</strong>-Ratsfrau Lydia<br />
Frauke Heiligenstadt, Stefan Schostok und Dr.<br />
Silke Lesemann hören den Integrationsloten, die<br />
von ihren Erfahrungen berichten, zu.<br />
Kretzer. Lydia Kretzer ist Lehrerin an der Gutenberg-Realschule und Integrationsbeauftragte der
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Schule. Auch die NiKo-Kraft Frau Olliges von der Stadt Northe<strong>im</strong> war anwesend. Sie hat die<br />
Jugendlichen während ihrer Ausbildung betreut und angeleitet.<br />
Stefan Schostok <strong>im</strong> Gespräch mit den<br />
Integrationslotsen.<br />
Eine Präsentation von Frau Olliges zeigte<br />
eindrucksvoll Aktivitäten und Unternehmungen<br />
der Integrationslotsen. Die<br />
Qualifizierung der fünf Schüler erfolgte von<br />
Ostern 2010 bis Weihnachten 2010. Einmal<br />
in der Woche trafen sie sich meistens <strong>im</strong><br />
Jugend- und Kulturzentrum „Alte Brauerei“<br />
gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen<br />
von anderen Schulen. Aber auch an<br />
Wochenenden fanden Seminare statt. Bei<br />
den Treffen wurde Wissenswertes <strong>im</strong> Umgang<br />
mit verschiedenen Kulturen sowie<br />
Fähigkeiten zur Schlichtung bei Streitigkeiten<br />
vermittelt. Außerdem lernten die fünf<br />
Lotsen, was es bedeutet, „Ausländer/in“<br />
oder „Asylbewerber/in“ in Deutschland zu<br />
sein. So besuchten sie auch das Grenzdurchgangslager Friedland und den Jugendmigrationsdienst<br />
des Internationalen Bundes in Göttingen, der auch Schirmherr der Qualifizierungsmaßnahme ist.<br />
Weitere Ausflüge führten die Integrationslotsen nach Hannover in den Niedersächsischen Landtag<br />
und zur Polizei.<br />
Die fünf Integrationslotsen berichteten<br />
dann, was sie in ihrer<br />
Funktion bisher gemacht und erlebt<br />
hätten. Beispielsweise hätten<br />
sie einen Infostand rund um das<br />
Thema „Asyl“ am Tag der offenen<br />
Tür der Schule, um Aufklärungsarbeit<br />
zu leisten. Sie selber kämen<br />
aus Familien mit Migrationshintergrund<br />
und könnten bereits helfen,<br />
wenn ein neuer Schüler mit<br />
geringen deutschen Sprachkenntnissen<br />
an die Schule käme. Oft sei<br />
der Kontakt zu neuen Schülern<br />
und Schülerinnen aus Migrantenfamilien<br />
aus diesen Gründen einfacher.<br />
Des Weiteren könne es<br />
leichter sein von Jugendlichem zu<br />
Jugendlichem zu reden.<br />
Anschließend richteten die fünf<br />
Lotsen noch ein paar Fragen an<br />
Rektorin Frau Halle zeigt den drei Abgeordneten, Frauke<br />
Heiligenstadt, Dr. Silke Lesemann und Stefan Schostok (v.<br />
r. n. l.) die Ausstellung in der Pausenhalle.<br />
Stefan Schostok und Frauke Heiligenstadt und zum Abschluss führte die Schulleiterin die<br />
Delegation durch die Neubauten der Schule.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 61
BIWAQ in der Northe<strong>im</strong>er Südstadt<br />
62 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Im Rahmen des ESF-<br />
Bundesprogramms „Soziale<br />
Stadt – Bildung, Wirtschaft,<br />
Arbeit und Quartier“<br />
(BIWAQ) ist der Verein<br />
Werk-statt-Schule e.V. in der<br />
Northe<strong>im</strong>er Südstadt, einem<br />
Stadtteil mit sozialen Verwerfungen<br />
und einer großen<br />
Bandbreite an verschiedenen<br />
Ethnien, aktiv geworden.<br />
Dieser Verein hat sich vorgenommen<br />
mit den Fördermitteln<br />
aus dem Europäischen<br />
Sozialfonds (ESF) die soziale<br />
Wohnqualität <strong>im</strong> Viertel zu<br />
verbessern. Zur Zeit ist die<br />
„Zentrale“ der Mitarbeiter und In der Projektwohnung erhalten Stefan Schostok und seine<br />
Mitarbeiterinnen des BIWAQ- Begleiterinnen einen Überblick über die vielfältige Arbeit <strong>im</strong><br />
Projektes in einer Projektwohnung,<br />
die zentral in einem<br />
BIWAQ-Projekt.<br />
der Wohnblocks der Siedlung liegt.<br />
Gemeinsam geht es in der Hochhaussiedlung<br />
von der Projektwohnung zum „Café Dialog“.<br />
Die Anwesenden aus <strong>Politik</strong> und Gesellschaft<br />
wurden vom geschäftsführenden Mitglied des<br />
tragenden Vereins, Bernd Czigler, und der<br />
BIWAQ-Projektleiterin Yvonne Mascioni begrüßt.<br />
Viele Interessierte waren dort, um mit<br />
den Abgeordneten in Kontakt zu kommen. Die<br />
Frauengruppe des BIWAQ-Programms hat<br />
einen internationalen Imbiss gereicht. Bernd<br />
Czigler informierte über die Eckdaten zum<br />
Projekt und Yvonne Mascioni stellte zusammen<br />
mit den weiteren Mitarbeitern Christoph<br />
Fabian, Reinhard Düvel, Tsorinar Shaginian<br />
und Veronika Disep die Inhalte des Projektes<br />
vor, welches noch bis Oktober 2012 laufen<br />
wird.<br />
Die BIWAQ-Projektarbeit bezieht sich <strong>im</strong><br />
Kern auf drei Gruppen: Frauen, Jugendliche<br />
und den „Ältestenrat“. Im Bereich Frauen<br />
werden beispielsweise Sprachkurse und Fahrradkurse<br />
angeboten, denn viele Frauen können<br />
dort kein Fahrradfahren und dies schränkt<br />
deren mobile Freiheit ein. Außerdem gäbe es<br />
allgemeine Beratung, eine Jobbörse, Sport nur<br />
für Frauen und Mädchen und das Frauencafé. Probleme gäbe es nicht zu selten mit<br />
patriarchalischen Familienstrukturen. Im Bereich der Jugendlichen gäbe es den offenen Treff,
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
berufsvorbereitende Maßnahmen, Computerkurse und allgemeine Beratung. Zum Mitternachtssport,<br />
der übrigens sehr begehrt ist, kommt auch der „Ältestenrat“. Er ist zusammengesetzt nicht<br />
aus den „Alten“ sondern aus den „Fitten“, d. h. denjenigen,<br />
die <strong>im</strong> Viertel bekannt und beliebt sind. Sie<br />
haben nämlich einen gewissen Einfluss, den sie zum<br />
Vermitteln und Streitschlichten verwenden. Teil des<br />
Projektes sind auch Kooperationen mit dem örtlichen<br />
NiKo-Projekt, dem Jobcenter und den Schulen.<br />
Außerdem betreibt der Verein Netzwerkarbeit und<br />
arbeitet am „Runden Tisch Integration“ der Stadt<br />
Northe<strong>im</strong> mit.<br />
Stefan Schostok und Frauke<br />
Heiligenstadt auf der Baustelle des<br />
„Café Dialog“.<br />
Zentraler Treffpunkt der Northe<strong>im</strong>er Südstadt soll das<br />
„Café Dialog – Interkulturelle Kompetenzbühne“<br />
werden, welches zur Zeit in einer ehemaligen Werkstatt<br />
eingerichtet wird. Hier sollen die Beratungsbüros hineinkommen.<br />
Außerdem sollen Gruppenräume und ein<br />
Computerraum geschaffen werden. Auch eine Küche<br />
soll das Café bekommen. „Interkulturelle Kompetenzbühne“<br />
soll der Name des Cafés sein, weil man aus verschieden<br />
Kulturen lernen kann und es individuelle<br />
Kompetenzen gibt, die man weitervermitteln könne. Das<br />
Café soll zum Austausch dienen und ein soziales wie kulturelles Zentrum der Siedlung sein.<br />
„Haltestelle Afferde“ in Hameln<br />
Zusammen mit dem<br />
lokalen Abgeordneten<br />
Ulrich Watermann, dem<br />
Landrat des Kreises<br />
Hameln-Pyrmont, Rüdiger<br />
Butte, und der Bürgermeisterin<br />
vom Stadtteil<br />
Afferde, Waltraud Mehring,<br />
der Stadt Hameln stattete<br />
Stefan Schostok der<br />
„Haltestelle Afferde“ einen<br />
Besuch ab. Die „Haltestelle<br />
Afferde“ ist ein offener<br />
Stadtteiltreff, der aus einer<br />
Eigeninitiative des Stadtteils<br />
geboren wurde. Grund<br />
waren soziostrukturelle<br />
Probleme in der Siedlung.<br />
Träger der Einrichtung sind<br />
nun der Caritasverband<br />
Hameln-Holzminden und<br />
Die Jugendlichen der „Haltestelle Afferde“ haben für den Besuch<br />
aus Hannover zwei kleine Theaterstücke aufgeführt.<br />
der Verein Spätaussiedler & Deutsche Rückwanderer e.V. Hameln. Finanzhilfen kommen aber<br />
auch vom Landkreis Hameln-Pyrmont, der Stiftung Wohnungshilfe der Stadt Hameln und der<br />
Aktion Kinderhilfe e.V.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 63
Der Landrat Rüdiger Butte, Ulrich Watermann und Stefan<br />
Schostok machen sich <strong>im</strong> Austausch Notizen.<br />
64 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Zum Auftakt des Besuches<br />
führten die Jugendlichen der<br />
Haltestelle zwei kleine, selbst<br />
entwickelte Schattentheaterstücke<br />
auf. Gespannt wurden<br />
die beiden Geschichten, in<br />
denen es darum ging, wie man<br />
Gewalt und Streit <strong>im</strong> sozialen<br />
Umfeld überwinden könne, von<br />
den Zuschauern verfolgt.<br />
Danach ging es in das frühere<br />
Wohnz<strong>im</strong>mer der Projektwohnung,<br />
was mit dem Ansturm<br />
der Gäste fast räumlich<br />
überfordert war. Angeregt<br />
präsentierten Dr. Juri Sokolski<br />
und Tatjana Bartschke die<br />
Haltestelle. Besonders für<br />
Jugendliche russlanddeutscher<br />
Herkunft sei die Haltestelle ein Treffpunkt, aber auch Jugendliche anderer Herkunft sowie<br />
Deutsche besuchten die Einrichtung gerne.<br />
Die <strong>im</strong> Haus Wohnenden zeigten Verständnis für die Aktivitäten der Haltestelle, auch wenn die<br />
Kinder oft sehr laut seien, gerade wenn draußen gespielt werde. Sie wüssten, wie wichtig diese<br />
Einrichtung für die Wohngegend sei. Neben dem offenen Treff finden die Jugendlichen Unterstützung<br />
bei Problemen. Außerdem gibt es die tägliche Hausaufgabenhilfe und EDV-Schulungen.<br />
Die Jugendlichen können lernen, wie man den Computer sinnvoll zum Arbeiten verwendet und<br />
bekommen Bewerbungstraining. Weitere Aktivitäten der Haltestelle sind Sport, Spiel, Kochen,<br />
Malen, Basteln und vieles mehr. Besonders um Frauen und Mädchen wird sich gekümmert. So<br />
gibt es den „Girls-Club“, zu dem auch vermehrt musl<strong>im</strong>ische Mädchen kämen. Eine multikulturelle<br />
Frauengruppe beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Kulturen, um voneinander zu<br />
lernen und dies auch privat weiterzugeben. Eng werde mit der Polizei zusammengearbeitet, wenn<br />
es um Konfliktschlichtung jeglicher Art <strong>im</strong> Viertel gehe.<br />
Die Hessisch Oldendorf-Kids<br />
In Hessisch Oldendorf besuchten Stefan Schostok,<br />
Ulrich Watermann und Rüdiger Butte die „HO-<br />
Kids“. Der Verein für Kinder- und Jugendarbeit<br />
Hessisch Oldendorf e.V. ist Träger des vom Bundesfamilienministerium<br />
geförderten Projektes „HOkids<br />
– überall dabei!“. Die Vorsitzende des Vereins, Birgit<br />
Dann, begrüßte die Gäste gemeinsam mit den<br />
pädagogischen Mitarbeitern Nadzeya Günther und<br />
Mustafa Boztüy. Einige der „HO-Kids“ kamen in Die Jugendband der „HO-Kids“<br />
Begleitung ihrer Eltern, um den Gästen ein kleines<br />
Ständchen zu bringen, das sie selbst instrumental untermalten. Anschließend spielte die Jugendband<br />
des Vereins einige Songs. Birgit Dann fasste die Eckdaten des Projektes zusammen und<br />
Nadzeya Günther erklärte die inhaltliche Arbeit der Einrichtung.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Die Räumlichkeiten des Vereins<br />
befinden sich mitten <strong>im</strong> Ort in<br />
einem historischen Fachwerkhaus,<br />
dem „Werkhaus“. Dort<br />
finden Veranstaltungen für die<br />
Kinder und Jugendlichen von<br />
Hessisch Oldendorf statt, denn<br />
der Verein hat es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, alle vorbehaltlos<br />
zu integrieren und ihnen eine<br />
kinder- und jugendwürdige<br />
Wirkungsstätte zu bieten. Eine<br />
enge Zusammenarbeit bestehe<br />
mit der örtlichen Grundschule<br />
am Rosenbusch, wo auch Veranstaltungen<br />
wie „Das rollende<br />
Kinderkino“ oder das<br />
„Elterncafé“ stattfänden. Im<br />
Werkhaus gebe es den regel-<br />
mäßigen Bücherspaß, bei dem die Sprachförderung und Medienerziehung <strong>im</strong> Mittelpunkt stehe.<br />
Des Weiteren finden dort unter Leitung von Mustafa Boztüy Jugendmusikabende statt. Der Verein<br />
macht auch diskrete und professionelle Einzelfallberatung mit Eltern, wenn es um Bildung,<br />
Erziehung und Integration geht.<br />
Vierter Tag am 10. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Gifhorn und in Braunschweig<br />
Gifhorner Integrationsprojekt<br />
Das seit 1998 bestehende<br />
Gifhorner<br />
Integrationsprojekt<br />
(GIP) hat seine Zentrale<br />
in einer Genossenschaftswohnung<br />
und<br />
liegt inmitten einer<br />
Wohnsiedlung, in der<br />
viele Spätaussiedlerfamilien<br />
wohnen. Aber<br />
auch Menschen<br />
türkischer Herkunft<br />
nehmen mehr und mehr<br />
an den Angeboten der<br />
Einrichtung teil.<br />
Ursprünglich wurde das<br />
Projekt vom Bundesverwaltungsamt,<br />
später<br />
Stefan Schostok und seine Begleiter unterhalten sich mit<br />
Nadzeya Günther und Mustafa Boztüy über die Arbeit des<br />
Vereins. Auch einige „HO-Kids“ sind dabei.<br />
Aufmerksam hören Detlef Tanke, Stefan Schostok und Dr. Silke<br />
Lesemann dem Projektleiter T<strong>im</strong> Busch (hinten, v. r. n. l.) zu.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 65
66 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Nun hat es die Stadt Gifhorn in<br />
Eigenregie übernommen. Das jährliche Finanzvolumen der Einrichtung liegt zwischen 140.000<br />
und 150.000 Euro. Drei Vollzeitstellen gibt es <strong>im</strong> Moment <strong>im</strong> GIP bei 4 hauptamtlichen Mitarbeitern<br />
und Mitarbeiterinnen.<br />
Im Wohnz<strong>im</strong>mer der Projektwohnung erklärte T<strong>im</strong> Busch Stefan Schostok, Detlef Tanke als<br />
örtlichem Abgeordneten und dem <strong>SPD</strong>-Bürgermeisterkandidaten Thomas Böker die Herausforderungen<br />
und den Ablauf der Jugendsozialarbeit vor Ort. Ziel der Projektarbeit sei es, die<br />
Jugendlichen aktiv zu erreichen, damit sie bessere Perspektiven bekämen. Die aufsuchende<br />
Jugendsozialarbeit stelle also einen wesentlichen Teil der Arbeit neben der täglichen Hausaufgabenhilfe<br />
dar. Außerdem versuchen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Streit in der Siedlung<br />
zu schlichten und zu vermitteln. Vor allem zwischen den Generationen müsse vermittelt werden<br />
und Vorurteile der Mitbürger müssen abgebaut werden. Eng werde mit der Polizei und anderen<br />
Behörden zusammengearbeitet. Beispielsweise gäben ist neuerdings eine Hilfestellung bei der<br />
Beantragung von Arbeitslosengeld möglich. Der <strong>im</strong>merwährende Prozess der Integration<br />
brauche Planungssicherheit. Ehrenamt sei keine stabile Basis und Netzwerke nähmen viel<br />
Energie und Zeit in Anspruch.<br />
Pauluskindergarten in Gifhorn<br />
Thorsten Niehus, Pastor der Paulusgemeinde, und Gudrun Fährmann, Leiterin des<br />
Pauluskindergartens der evangelischen Kirchengemeinde, begrüßten Stefan Schostok, Detlef<br />
Tanke und die Anwesenden aus kommunaler <strong>Politik</strong> und Verwaltung. Zuerst wurde die Gruppe<br />
durch den großen Kindergarten geführt, danach ging es zum Gespräch ins Gemeindehaus. Der<br />
zum Familienzentrum weiterentwickelte Kindergarten wird zur Zeit von etwa 145 Kindern besucht.<br />
Etwa 90 dieser Kinder kommen aus sozialschwachen Familien, sowohl aus deutschen als<br />
auch aus zugewanderten Familien. Viele Kinder kommen aus Spätaussiedlerfamilien und die<br />
meisten aus türkischstämmigen Familien.<br />
Der Bedarf an Sprachförderung<br />
sei enorm gestiegen, 2010 seien es<br />
noch 20 Kinder mit besonderem<br />
Sprachförderbedarf gewesen, nun<br />
seien es 45 Kinder. Der Kindergarten<br />
unterhält drei Fachkräfte<br />
<strong>im</strong> Bereich Sprachförderung. Eine<br />
werde vom Landkreis Gifhorn<br />
gefördert, eine weitere vom<br />
BAMF und eine Dritte durch die<br />
evangelische Kirche. Zum Abschluss<br />
des Besuchs durfte Stefan<br />
Schostok an einer Sprachfördereinheit<br />
teilnehmen. Die Sprachförderkraft<br />
erklärte, wie Kinder mit<br />
Hilfe der Motorik Sprache erlernen.<br />
Interkulturelle Kompetenz wird<br />
<strong>im</strong>mer wichtiger für die Einrichtung<br />
<strong>im</strong> Umgang mit Kindern<br />
Stefan Schostok und seine Begleiter nehmen an einer<br />
Sprachförderstunde <strong>im</strong> Gifhorner Pauluskindergarten teil.<br />
aus Migrantenfamilien. Zunehmend beobachte Thorsten Niehus, dass musl<strong>im</strong>ische Migranten
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
und Migrantinnen sich zurückzögen und das christliche Gotteshaus zunehmend scheuten.<br />
Außerdem nehme die Sprechfähigkeit in deutscher Sprache ab. Das Familienzentrum führe Veranstaltungen<br />
wie Elterntreffs oder Familientage mit Workshops durch, um Zugewanderte aktiv<br />
teilhaben zu lassen. Auch die Netzwerkarbeit mit verschiedenen Institutionen und Personen aus<br />
der Region bilde eine Komponente der Arbeit.<br />
Lokales Netzwerk Integration in Braunschweig<br />
Auf Einladung des Sozialdezernenten der Stadt Braunschweig, Ulrich Markurth, kamen Stefan<br />
Schostok und Klaus-Peter Bachmann, der örtliche Abgeordnete, in das Braunschweiger Rathaus,<br />
um sich mit dem lokalen Netzwerk Integration zu treffen. Ulrich Markurth fände es wichtig, den<br />
interreligiösen Ansatz bei der Teilhabe von Migranten zu betonen, aber man solle nicht nur mit<br />
dem Aspekt der Religion an die Querschnittsherausforderung Teilhabe herangehen. Mit verschiedenen<br />
Aktionen will die Stadt Braunschweig Vorurteile in der Bevölkerung abbauen und<br />
Toleranz aufbauen. Außerdem soll ein Haus der Kulturen geschaffen werden. Des Weiteren sei<br />
es eine Herausforderung die 600-800 Asylbewerber in die Gesellschaft zu integrieren. Kate<br />
Grigat, <strong>SPD</strong>-Ratsfrau mit US-amerikanischem Migrationshintergrund, freut sich, dass in den<br />
letzten vier <strong>Jahr</strong>en endlich das Thema „Teilhabe“ besonders durch den Sozialdezernenten in<br />
Braunschweig angegangen worden sei.<br />
Ute Scupin vom Caritasverband Braunschweig und dort zuständig für den Jugendmigrationsdienst<br />
versucht die jungen Erwachsenen kulturell und sozial sowie beruflich zu integrieren.<br />
Hauptsächlich geschehe dies durch Beratungsangebote. Jeder werde individuell beurteilt und ein<br />
„Integrationsplan“ vereinbart. Ein Internetcafé stehe den Migranten und Migrantinnen zur Verfügung<br />
und bei Bewerbungen werde auch geholfen. Außerdem gebe es befristete Projekte <strong>im</strong><br />
Bereich der Teilhabe von Zugewanderten. Der Verein Gökkusagi („Regenbogen“) ist ein Verein,<br />
der von türkischstämmigen Deutschen gegründet wurde und neben Deutsch- und Türkischkursen<br />
auch Ausstellungen initiiert. Im Bereich Berufseinstieg sind sie sehr aktiv und helfen<br />
Jugendlichen bei der Ausbildungsplatzsuche.<br />
Die Volkshochschule Braunschweig, vertreten durch Dieter Lurz, bietet Integrationskurse gefördert<br />
durch das BAMF an und ist an Projekten der beruflichen Bildung beteiligt. In einem<br />
ESF/BAMF-Programm nehmen etwa 400 Teilnehmer teil. Angst entstehe durch mangelnde<br />
Kommunikation auf beiden Seiten. Projekte seien gut und nötig, aber eine gewisse Langfristigkeit<br />
müsse gewährleistet sein. Oliver Scheichl und Ketema Wolde Georgis von der Flüchtlingshilfe<br />
Refugium bedauerten die Residenzpflicht von Asylbewerbern. Einige säßen schon <strong>Jahr</strong>e lang in<br />
Flüchtlingshe<strong>im</strong>en. Refugium sei die einzige Beratungsstelle für Flüchtlinge in Braunschweig. Für<br />
die Vermittlung und Beratung seien Netzwerke unerlässlich.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 67
68 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Eine Besonderheit stellt das integrative Nachbarschaftsmanagement in der Braunschweiger Weststadt<br />
dar, denn dort haben sich drei Wohnungsbaugenossenschaften zusammengetan mit der<br />
Stadt Braunschweig, um das Viertel sowohl baulich als auch sozial wohnlicher zu gestalten. Ein<br />
gemeinsamer Verein „Stadtteilentwicklung Weststadt e.V.“ wurde gegründet. In Millionenhöhe<br />
wird dort nun bis 2014 investiert. Die Gefahr von Wohnungsleerständen konnte abgewendet<br />
werden, meinte Gregor Kaluza. In drei Stadtteiltreffs arbeiten 5 Hauptamtliche. Von Beratung<br />
über Hausaufgabenhilfe und Sportangeboten sei alles dabei.<br />
Die Mitglieder des „Lokalen Netzwerkes Integration Braunschweig“ treffen sich <strong>im</strong> Braunschweiger<br />
Rathaus, um Stefan Schostok über die Integrationsarbeit in der Stadt zu berichten.<br />
Bei der AWO findet die Beratung erwachsener Zugewanderter in Zusammenarbeit mit der<br />
Caritas statt. Außerdem führte Martin Stützer aus, dass die AWO Stadtteilprojekte und Ausstellungen<br />
wie „He<strong>im</strong>at <strong>im</strong> Koffer“ unterstütze. Vielen Migranten und Migrantinnen mit<br />
Schwierigkeiten in den Beruf zu gelangen helfe die AWO be<strong>im</strong> Berufseinstieg.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
„Integration durch Sport“ in Braunschweig<br />
In den Räumen einer Tanzschule trafen Stefan Schostok und Klaus-Peter Bachmann auf drei<br />
Projekte <strong>im</strong> Bereich „Integration durch Sport“. Franziska Lyß vom Box-Club 72 e.V. Braunschweig<br />
zeigte Stefan Schostok ein paar Box-Moves. Eine Runde Tischtennis spielte der <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong>svorsitzende mit zwei Sportlern des TTC Magni Braunschweig. In einem speziellen<br />
Projekt haben Jugendliche, die straffällig geworden waren und Sozialstunden ableisten mussten,<br />
durch die Freiwilligenagentur Jugend-<strong>Soziales</strong>-Sport e.V. Seniorinnen das Breakdancen näher<br />
gebracht. Die „First Ladies“ oder auch die „Senior Priez Dancer“ gaben eine Kostprobe ihrer<br />
Tanzkünste. Anschließend entbrannte ein „Battle“ zwischen den rüstigen Rentnern und Break1<br />
beziehungsweise den Tanzlehrern Besnik Salihi und Sezer Kücük. Man lerne gegenseitig voneinander<br />
und es mache ihnen großen Spaß. Besnik Salihi und Sezer Kücük, beide Anfang<br />
zwanzig, haben schon Auszeichnungen für ihre ehrenamtliche Arbeit bekommen.<br />
Ein paar Impressionen des Tages: Bevor die „Senior Priez Dancer“ sich mit den „Jungen Leuten“<br />
batteln, zeigen sie ihre Tanzkünste (oben links). Begeistert zeigte sich Stefan Schostok <strong>im</strong> Gespräch<br />
mit den „First Ladies“ (unten links). Bei einer Partie Tischtennis bewies Stefan Schostok,<br />
wie gut er spielen konnt (oben rechts). Im Anschluss zeigte Franziska Lyß dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden,<br />
wie man boxt (unten rechts).<br />
Fabian Claussen S e i t e | 69
70 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Fünfter Tag am 14. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Heidekreis und in Salzgitter<br />
Düri-Treff in Walsrode<br />
Ursprünglich startete das Düri-Projekt an der Grundschule Vorbrück <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e 2005/06, weil<br />
seitdem dort Faustlos-Projekte durchgeführt werden. Den Veranstaltern wurde klar, dass am<br />
Dürerring, der als „sozialer Brennpunkt“ verstanden werde, etwas passieren müsse. Seit 2007 gibt<br />
es den Düri-Treff, ins Leben gerufen durch Wiebke Kiefer vom Jugendzentrum der Stadt und<br />
durch Roger Walter, der für die Sozialraumarbeit des Stefanstiftes zuständig ist. Es fing also mit<br />
zwei Institutionen an, inzwischen sind es fünf, denn Frauke Flöther von Frauen helfen Frauen,<br />
Carsten Schlüter, tätig in Sachen Jugendmigrationsberatung des Kirchenkreises, und Herrn Baris<br />
vom Bildungsbüro ergänzen nun das Team. Erst seit Ende 2009 ist der Düri-Treff in einer<br />
Projektwohnung der Gagfah, direkt in einem Wohnblock des Dürerrings.<br />
Dieter Möhrmann (Bildmitte, Hintergrund) und Stefan Schostok<br />
be<strong>im</strong> gemeinsamen Gruppenfoto vor der Projektwohnung.<br />
Stefan Schostok besuchte<br />
die Einrichtung gemeinsam<br />
mit dem örtlichen<br />
Abgeordneten<br />
Dieter Möhrmann und<br />
der <strong>SPD</strong>-<br />
Kommunalpolitik. Die<br />
Projekt-Mitarbeiter und -<br />
Mit-arbeiterinnen betreuen<br />
den Düri-Treff<br />
hauptsächlich ehrenamtlich,<br />
neben ihren<br />
regulären Jobs. Lediglich<br />
eine Halbtagsstelle für die<br />
Hausaufgabenhilfe wird<br />
über das Bildungsbüro<br />
finanziert. Neben der<br />
täglichen Hausaufgabenhilfe<br />
bietet die Einrichtung<br />
den offenen<br />
Treff an. Zusätzlich gibt<br />
es Beratungsangebote und<br />
es werden Feste organisiert. Die Kinder können spielerisch und kreativ aktiv werden. Sobald die<br />
Autos der beiden Betreuer vor der Haustür stehen, sind die Jugendlichen da. Auch be<strong>im</strong> Besuch<br />
des <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>svorsitzenden streiften die Kinder der Nachbarschaft um das Haus.<br />
Eine Herausforderung für die Einrichtung sei es allerdings, dass eine große Fluktuation <strong>im</strong> Viertel<br />
herrsche, denn viele Familien zögen aus dem „sozialen Brennpunkt“ weg, wenn sie es können<br />
und neue Familien mit oft wenig deutschen Sprachkenntnissen zögen hinzu. Dieses Sprachdefizit<br />
sei auch hinderlich bei den Beratungsangeboten. Zur Zeit wird erwogen, ob Sprachkurse in der<br />
Einrichtung angeboten werden können. Die scheinbar mangelnde Bereitschaft der Nicht-<br />
Migranten und -Migrantinnen in der Wohnsiedlung sich an gemeinschaftlichen Aktionen zu beteiligen,<br />
führt zu keinem Dialog, der helfen würde, mehr gegenseitige Akzeptanz zu erzeugen.<br />
Interkulturelles Bildungszentrum Salzgitter
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Der Grund-, Haupt-<br />
und Realschullehrer<br />
Cemalettin Karatas<br />
hat das Interkulturelle<br />
Bildungszentrum in<br />
Salzgitter-Lebenstedt<br />
gegründet. Dieses soll<br />
als Begegnungs- und<br />
Bildungsstätte für<br />
Menschen hauptsächlich<br />
mit Migrationshintergrund<br />
dienen.<br />
Die Integration soll<br />
gefördert werden und<br />
das Ikubiz als Sprachrohr<br />
für <strong>Politik</strong> und<br />
Gesellschaft agieren.<br />
Gemeinsam mit<br />
anderen Zugewanderten<br />
bietet Cemalettin<br />
Cemalettin Karatas (1. v.r.) erzählt den Abgeordneten Marcus Bosse,<br />
Stefan Schostok und Stefan Klein, wie vielfältig alleine die türkischen<br />
Migranten und Migrantinnen aufgestellt seien.<br />
Karatas nun Angebote für Jung und Alt an. Auch Sprachkurse werden angeboten. Stefan<br />
Schostok und die örtlichen Abgeordneten Marcus Bosse und Stefan Klein haben eine Aufführung<br />
der Salzis mitverfolgt. Die Salzis sind Kinder, die <strong>im</strong> Ikubiz Theater spielen und das auch<br />
mal zweisprachig.<br />
Stefan Klein, Stefan Schostok und Marcus Bosse (v. l. n. r.) folgen<br />
gespannt der Aufführung der „Salzis“.<br />
In Salzgitter leben etwa<br />
8000-9000 Menschen mit<br />
ausländischer Staatsbürgerschaft.<br />
Leider sind selbst die<br />
musl<strong>im</strong>ischen und<br />
türkischen Zugewanderten<br />
so unterschiedlicher<br />
Meinung, dass es schwer sei,<br />
sie alle gleichzeitig anzusprechen.<br />
Ein Kommunalwahlrecht<br />
für Nicht-EU-<br />
Ausländer könne das<br />
politische Engagement und<br />
Interesse steigern. Einige<br />
Eltern haben sich über Vorurteile<br />
seitens Lehrkräfte<br />
von einem örtlichen<br />
Gymnasium beschwert, auf<br />
dem die jugendlichen<br />
Migranten und Migrantinnen keine Chance hätten, obwohl sie auf einem anderen Gymnasium<br />
keine Probleme haben. Die Schulform „Integrierte Gesamtschule“ wird überwiegend als positiv<br />
bewertet.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 71
SOS-Mütterzentrum in Salzgitter-Bad<br />
72 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Zusammen mit Marcus Bosse und Stefan Klein besuchte Stefan Schostok das SOS-<br />
Mütterzentrum in Salzgitter-Bad. Die Leiterin des Mehrgenerationenhauses, Sabine Genther,<br />
führte die <strong>Politik</strong>er durch die modernen Räumlichkeiten des großen Gebäudes. Jeder sei herzlich<br />
willkommen, sich in dem Projekt einzubringen und dort zu arbeiten. Die Einrichtung ist in erster<br />
Linie für sozial benachteiligte Menschen gedacht, aber jeder darf kommen. Es gibt einen offenen<br />
Treff, das Café, in dem es auch günstig Essen gibt. Kinderbetreuung und Seniorentagespflege<br />
finden unter einem Dach statt. Ein integrierter Kindergarten und kleine Läden runden das<br />
Konzept ab.<br />
Sabine Genther erklärt Stefan Schostok, Stefan Klein und Marcus Bosse,<br />
wie ihre Erfahrungen in der Einrichtung mit Zugewanderten sind.<br />
Bei vielen Zugewanderten<br />
sei AltersversorgungFamiliensache;<br />
dort schäme<br />
man sich oft, wenn<br />
Alzhe<strong>im</strong>er oder<br />
andere Alterserkrankungenauftreten.<br />
Daher finde<br />
man ältere<br />
Menschen mit<br />
Migrationshintergrund<br />
nur selten in<br />
Altenpflegeeinrichtungen.<br />
Die<br />
Zugewanderten<br />
müsse man direkt<br />
ansprechen, damit<br />
sie am Mehrgenerationenhaus<br />
teil-haben. Auch<br />
wurde gesagt, dass<br />
nur Gelder für Projekte genehmigt werden, wenn das Defizit beschrieben wird, das man anpacken<br />
muss und auch hinterher genauestens dokumentiert werde, dass das Geld nur dafür ausgegeben<br />
wurde. Das bedeutet, es gehe viel Energie für aufwendigen „Papierkram“ verloren.<br />
Sechster Tag am 23. Juni 2011 in den Landkreisen Osterholz und<br />
Cuxhaven<br />
Das „Blockhaus Dreienkamp“ in Schwanewede<br />
Direkt neben der Grundschule Dreienkamp befindet sich das „Blockhaus Dreienkamp“, in dem<br />
ein Jugendtreff eingerichtet wurde. Hier empfing der örtliche Jugendpfleger Jörg Heine Stefan<br />
Schostok, die örtliche <strong>SPD</strong>-Abgeordnete Daniela Behrens und weitere aus der Kommunalpolitik.<br />
Für die Betreuung der Jugendlichen sind unter anderem Ilka Dilba und Peter Jeschke zuständig.<br />
Peter Jeschke ist auch gleichzeitig Streetworker und sucht die Jugendlichen an öffentlichen
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Plätzen auf. Partizipation und Teilhabe werde <strong>im</strong> Jugendzentrum groß geschrieben. Dort werde<br />
gemeinsam über Aktivitäten und Anschaffungen entschieden. Vernetzt sei die Jugendarbeit mit<br />
der Polizei, der Jugendgerichtshilfe, dem Jugendamt, Kindergärten und Schulen, obwohl die Kooperation<br />
mit Schulen besser sein könne.<br />
Im „Blockhaus Dreienkamp“ informierten sich die niedersächsischen<br />
<strong>Politik</strong>er über die Integrationsarbeit in Schwanewede.<br />
Immer noch ist oft eine<br />
Sprachbarriere da. Gerichten<br />
sei es deshalb in<br />
einigen Fällen nicht<br />
möglich die Jugendlichen<br />
zu erreichen.<br />
Vor Ort werden viele<br />
Hauptschullehrkräfte<br />
dazu benutzt Lücken in<br />
der Realschule zu besetzen,<br />
Hauptschüler<br />
und Hauptschülerinnen<br />
fühlen sich daher nicht<br />
selten aufgegeben.<br />
Damit diese besser in<br />
den Beruf fänden,<br />
müssten Ausbilder in<br />
die Schule kommen<br />
und die Jugendlichen<br />
praktisch anleiten.<br />
Betont wird, dass es von großer Bedeutung für die Sozialarbeit sei, kontinuierlich am Ball zu<br />
bleiben, um Jugendliche dauerhaft zu erreichen.<br />
Familienzentrum Stotel<br />
Im Familienzentrum Stotel<br />
wurden Stefan Schostok und<br />
Daniela Behrens von einem<br />
breiten Spektrum<br />
kommunaler Akteure, die<br />
sich für die Teilhabe von<br />
Zugewanderten einsetzen,<br />
empfangen. Die Gemeinde<br />
Loxstedt hat <strong>im</strong> Landkreis<br />
Cuxhaven eine besondere<br />
Situation, wenn man auf die<br />
Kommunalfinanzen schaut.<br />
Sie gehört zu den<br />
„reicheren“ Gemeinden des<br />
Landkreises und ist in der<br />
Lage ein Familienzentrum zu In Loxstedt machte sich Stefan Schostok darüber ein Bild, wie<br />
unterstützen. Aber auch der<br />
Integrationsarbeit in ländlichen Raum aussieht.<br />
Kirchenkreis Wesermünde-<br />
Süd ist finanziell am<br />
Familienzentrum Stotel beteiligt.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 73
74 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Im Familienzentrum Stotel gibt es ganz verschiedene Angebote. Zunächst wären da die<br />
evangelische Kindertagesstätte und Kinderkrippe „Sternschnuppe“ unter der Leitung von Ulrike<br />
Könitz zu nennen. Hinzu kommt die KiTa „Waldmäuse“ der Gemeinde Loxstedt. Eine offene<br />
Eltern-Kind-Gruppe mit Christine Ahlers runden das Programm für kleine Kinder ab. Außerdem<br />
bietet das Zentrum einen Grundschulkindertreff, einen Jungentreff und einen Mädchentreff an.<br />
Eine Hausaufgabenhilfe kann in Anspruch genommen werden. Eltern finden <strong>im</strong> Familienzentrum<br />
die Möglichkeit sich beraten zu lassen, sei es in Einzelgesprächen oder <strong>im</strong> Elterncafé mit<br />
anderen Eltern. Die AWO Hagen berät besonders in Erziehungsfragen. Das Diakonische Werk<br />
bietet Schuldnerberatung an.<br />
Am Gespräch nahmen Pastoren, <strong>Politik</strong>er, Erzieherinnen und Privatinitiativen teil. Ingrid Raune<br />
beispielsweise ist gemeinsam mit anderen als Mediatorin in Hagen tätig und unterstützt<br />
Migrantenfamilien, deren Kinder es in der Schule schwer haben. Es werden Kontinuität und<br />
direktes Ansprechen als Schüssel zur sozialen Teilhabe von Zugewanderten genannt. Übereinst<strong>im</strong>mung<br />
herrschte auch darin, dass die meisten Eltern sich Erfolg für ihre Kinder wünschen<br />
und wollen, dass sie deutsch lernen. Obwohl vielen Kindern arabischer Herkunft es nahe gelegt<br />
wird, ein <strong>Jahr</strong> später zur Schule zu gehen, möchten die Eltern das nicht, denn das spräche gegen<br />
ihren Stolz. Zunehmend wird auch die Beobachtung gemacht, dass es weniger Ablehnung gibt<br />
be<strong>im</strong> Thema Schw<strong>im</strong>munterricht oder Klassenfahrten. Oft herrschen in den Familien selbst<br />
Streitigkeiten darüber wie angepasst man sein darf oder nicht. Bemängelt wird, dass es zu wenig<br />
männliche Erzieher und Grundschullehrer gebe. Der Gedanke ein großes kommunales Netzwerk<br />
zum Thema Teilhabe von Migranten und Migrantinnen zu bilden wird sehr positiv bewertet.<br />
Siebter Tag am 24. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Peine und in Wolfsburg<br />
Hinrich-Wilhelm-Kopf-Schule und Kinderhort Lummerland<br />
Im Egon-Bahr-Haus, der<br />
Peiner <strong>SPD</strong>-Zentrale, trafen<br />
Stefan Schostok und der<br />
lokale Abgeordnete Matthias<br />
Möhle auf Vertreter und<br />
Vertreterinnen aus Stadt und<br />
Landkreis, die sich mit der<br />
Teilhabe von Zugewanderten<br />
beschäftigen.<br />
Es fand ein intensiver erster<br />
Austausch statt. Danach<br />
wurden der Kinderhort<br />
Lummerland und die<br />
Hinrich-Wilhelm-Kopf-<br />
Grundschule in der Peiner<br />
Südstadt besucht. In der<br />
Stadt Peine haben etwa 55<br />
Prozent der Kinder einen<br />
Be<strong>im</strong> ersten Austausch <strong>im</strong> Landkreis Peine <strong>im</strong> Egon-Bahr-Haus<br />
wird deutlich, dass <strong>im</strong> Bereich der Teilhabe noch viel getan<br />
werden muss.<br />
Migrationshintergrund. In der Peiner Südstadt sind es etwa 65-70 Prozent.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Der Peiner Bürgermeister Michael Kessler bedauerte es, dass erst seit wenigen <strong>Jahr</strong>en das Thema<br />
Teilhabe aufgegriffen worden sei. Zuvor hätte man sich kaum darum gekümmert. Heute<br />
kümmere sich die <strong>Politik</strong> aktiv um das friedliche und erfolgreiche Zusammenleben verschiedener<br />
Ethnien. Die Stadt Peine habe nun eine Beauftragte für diesen Bereich: Zahra Deilami. Sie nahm<br />
auch am Treffen mit Stefan Schostok teil. Des Weiteren wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet,<br />
in der sich <strong>Politik</strong>, Verwaltung, Schulen und Kindergärten zusammensetzen. Finanziell<br />
investiert die Stadt 200.000 € in die Sprachförderung. An der Basis müsse angesetzt werden. Die<br />
Kinder stünden hierbei <strong>im</strong><br />
Fokus, denn sie sind aufgrund<br />
des frühen Entwicklungsstadiums<br />
besser<br />
integrierbar.<br />
Eingeschränkte Teilhabe<br />
liege nicht <strong>im</strong> Zuwanderungshintergrund,<br />
sondern bildungsferne<br />
Familien und sozial Benachteiligte<br />
seien davon<br />
betroffen. Aus diesem<br />
Die Besucher und die Besuchten <strong>im</strong> Kinderhort „Lummerland“.<br />
Grunde und damit man<br />
Menschen mit Migrationshintergrund<br />
nicht isoliert<br />
betrachte und sie somit desintegriere, müssten Projekte übergreifend ansetzen, meinte Zahra<br />
Deilami. So bräuchten oft auch Kinder ohne Migrationshintergrund Sprachförderung. Carola<br />
Denker, Leiterin des Kinderhortes Lummerland wies auf die mangelnde Abst<strong>im</strong>mung der<br />
Sprachförderung in Kindergarten und Grundschule durch das Kultusministerium hin. Außerdem<br />
dürfe man städtisch geprägte<br />
Kindergärten und<br />
Schulen nicht mit solchen<br />
auf dem Lande gleichsetzen,<br />
da völlig verschiedene<br />
Anforderungen<br />
bestünden, bemerkte<br />
Schulrektorin Frau Grete-<br />
Wulfes.<br />
Engagiert zeigten sich die<br />
beiden Leiterinnen auch<br />
bei der Ausbildung der<br />
Lehrkräfte, den Erziehern<br />
und Erzieherinnen. Diese<br />
seien nicht genügend auf<br />
interkulturelle Herausforderungen<br />
vorbereitet.<br />
Es müsse eine grundsätzliche<br />
Reform der Lehrerausbildung<br />
erfolgen, be-<br />
Mehmet Turan, Martina Grete-Wulfes, Silke Tödter, Carola Denker,<br />
Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle und Stefan Schostok (v. l. n. r.)<br />
in der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Grundschule.<br />
sonders <strong>im</strong> Bereich der interkulturellen Kompetenz. Aber auch die Pädagogik brauche neue<br />
Schwerpunkte. Die Ausbildungsstätte müsse sicher stellen, dass Lehrer auch wirklich mit<br />
Fabian Claussen S e i t e | 75
76 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Empathie diesen Beruf ergreifen wollen. Gerade <strong>im</strong> erzieherischen Bereich herrsche eine rege<br />
Fluktuation an Fachkräften, weil sie sich überfordert fühlen würden. Natürlich wirke sich dies<br />
negativ auf die Kinder aus. Sie bräuchten langfristige Bezugspersonen. Besonders männliche<br />
Lehrer und Erzieher fehlten als Bezugspersonen. Mehmet Turan betonte, dass eine Aufwertung<br />
des Ehrenamtes nötig sei, viele engagieren sich <strong>im</strong> Bereich Integration und wollen dafür Anerkennung<br />
erfahren. Zusätzlich müsse der Beruf der Haupt- und Grundschullehrkräfte und der<br />
Erzieher und Erzieherinnen aufgewertet werden.<br />
Stefan Schostok, Matthias Möhle und Dr. Silke Lesemann<br />
lesen in der Schulbroschüre der Hinrich-Wilhelm-<br />
Kopf-Schule.<br />
Die Hinrich-Wilhelm-Kopf-Schule<br />
versuche die Eltern aktiv einzubinden.<br />
Es fänden auch Sprachkurse<br />
für Frauen statt. Dadurch komme es<br />
besser zum Kontakt zu den Müttern.<br />
Leider fehlten <strong>im</strong> kommenden <strong>Jahr</strong><br />
die räumlichen Ressourcen für<br />
diesen Unterricht. Auch die Anzahl<br />
der sich engagierenden Eltern aus<br />
Migrantenfamilien in Schulgremien<br />
nehme zu. Martina Grete-Wulfes<br />
bedauere es sehr, dass der islamische<br />
Religionsunterricht auf deutsch noch<br />
nicht eingeführt werden kann, weil<br />
die ausgebildeten Lehrer und<br />
Lehrerinnen in Niedersachsen dazu<br />
fehlen. Besonders ist, dass die Schule<br />
herkunftssprachlichen Unterricht in den Sprachen Türkisch, Kurdisch-Kurmancî und Arabisch<br />
anbiete. Silke Tödter, Beauftragte des Landkreises, ist der Meinung, dass mehr auf Respekt und<br />
Ordnung gesetzt werden müsse und dass Werte besser vorgelebt werden müssten.<br />
Italienischer Konsularagent und AWO-Kindertagesstätte Westhagen<br />
Gemeinsam mit dem Wolfsburger Abgeordneten<br />
Klaus Schneck und dem Stadtrat Klaus Mohrs, der<br />
für Integration zuständig ist, gab es ein Zusammentreffen<br />
zwischen Stefan Schostok und Francesco<br />
Lo Iudice, dem Agent für die Italienische<br />
Konsularagentur in Wolfsburg. Aufgrund der VW-<br />
Werke sind viele aus Italien nach Wolfsburg gekommen,<br />
um dort zu arbeiten. Heute sind sie aus<br />
Wolfsburg gar nicht mehr wegzudenken.<br />
Anschließend ging es in den Stadtteil Westhagen,<br />
einem Stadtviertel mit vielen sozial benachteiligten<br />
Menschen. Dort wurde die AWO Kindertagesstätte<br />
Westhagen besucht. Sandra Hartjen, die Leiterin<br />
der Einrichtung, führte Stefan Schostok und seine<br />
Gruppenfoto mit Stefan Schostok, Klaus<br />
Schneck, Klaus Mohrs, Francesco Lo<br />
Iudice und seinen Begleitern.<br />
Begleiter durch die Räumlichkeiten der Kindertagesstätte, die zwischen den Hochhausblöcken<br />
der Siedlung steht. Etwa 54-58 verschiedene Nationalitäten leben hier nebeneinander und etwa<br />
90-95% der Kinder in der Einrichtung stammen aus zugewanderten Familien. Dadurch, dass<br />
viele Eltern die meiste Zeit in der Wohnung blieben, sprechen sie schlecht deutsch und so auch<br />
ihre Kinder. Aber die Eltern wollen, dass ihre Kinder die deutsche Sprache erlernen.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Daher ist der Förderschwerpunkt der<br />
Kindertagesstätte die Sprache. Je eher<br />
die Kinder deutsche Sprachförderung<br />
erhalten, umso besser würden sie die<br />
Sprache aufnehmen. Leider gebe es<br />
keine ausreichende konzeptionelle<br />
Abst<strong>im</strong>mung zwischen Schule und<br />
Kindergarten in Sachen Sprachförderung.<br />
Russischsprachige Erzieherinnen<br />
seien eine große Hilfe.<br />
Werde eine Sprache von den Erziehungskräften<br />
nicht beherrscht,<br />
würden die Kinder sich untereinander<br />
helfen.<br />
TSV Wolfsburg<br />
Vorstandsmitglieder und der Trainer<br />
Abdallah Zaibi haben Stefan<br />
Schostok, Klaus Schneck und Klaus<br />
Mohrs auf dem Sportplatz des TSV<br />
Wolfsburg in Westhagen empfangen.<br />
So wie der Stadtteil ist auch der Verein<br />
geprägt. Die meisten Kinder<br />
kommen aus Familien mit<br />
Migrationshintergrund. 40 von 160<br />
Kindern sei es nicht möglich den<br />
Vereinsbeitrag zu zahlen, hier übernehme<br />
der Verein alle anfallenden<br />
Kosten. Die Teilhabegutscheine der<br />
Bundesregierung würden nicht richtig<br />
greifen. Der Verein helfe zwar die<br />
aufwendigen Antragsformulare auszufüllen,<br />
aber oft würden sich die<br />
Familien dafür schämen und vielen sei es einfach zu kompliziert. Ein weiteres Manko sei, dass sie<br />
nur 6 Monate gültig sind und somit das ganze Ausfüllprozedere ständig anfiele. Erwähnt werden<br />
muss, dass die Sportanlage ziemlich marode ist und dringend wieder erneuert werden müsste.<br />
Islamisches Kulturzentrum Wolfsburg<br />
Sandra Hartjen führt die <strong>Politik</strong>er durch den Kindergarten<br />
und zeigt ihnen das Außengelände.<br />
Auf einem Sportplatz in Westhagen empfängt der TSV<br />
Wolfsburg Stefan Schostok und seine Begleiter.<br />
Das Islamische Kulturzentrum Wolfsburg, das erst seit 2006 existiert, ist in einem<br />
<strong>im</strong>posanten weißen Gebäude mit grünen Dächern untergebracht. Das Zentrum bildet eine<br />
Moschee. Zu den Räumlichkeiten zählen zusätzlich unter anderem ein Café und Restaurant, verschiedene<br />
Seminarräume, ein Jugendraum und ein Computerraum. Das Freitagsgebet in der<br />
Moschee wird in arabischer und deutscher Sprache gehalten. Etwa 1500 Musl<strong>im</strong>e in der Region<br />
Wolfsburgs werden durch das Kulturzentrum angesprochen. Menschen mit unterschiedlicher<br />
nationaler Herkunft und aus verschiedenen Sprachräumen kommen in das Zentrum.<br />
Fabian Claussen S e i t e | 77
Stefan Schostok trägt seine Vorstellungen über das friedliche Zusammenleben<br />
verschiedener Religionen nebeneinander vor.<br />
78 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />
V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />
Nachdem der Imam<br />
Mohamed Ibrah<strong>im</strong><br />
Stefan Schostok begrüßt<br />
hatte, führte er ihn durch<br />
die Räume des<br />
Zentrums. Da gerade das<br />
Freitagsgebet beendet<br />
war, waren noch viele<br />
anwesend und haben es<br />
sehr anerkannt, dass<br />
Stefan Schostok gekommen<br />
war. Wer<br />
wollte, hat sich an der<br />
Diskussion mit ihm beteiligt.<br />
Dort machten<br />
einige Musl<strong>im</strong>e klar, dass<br />
sie sich durch Islamophobie<br />
in der Bevölkerung<br />
oft ausgeschlossen<br />
und miss-<br />
achtet fühlten. Gesellschaftliche Teilhabe könne nur durch gegenseitige Toleranz und Akzeptanz<br />
entstehen.<br />
Fazit des Hauptprojektes<br />
Die „Tour der Teilhabe“ hat gezeigt, dass dieses Thema überall in Niedersachsen ein wichtiges<br />
gesellschaftspolitisches Tätigkeitsfeld der <strong>Politik</strong> darstellt. Ganz verschiedene Bereiche der <strong>Politik</strong><br />
sind hier angesprochen, beispielsweise die Bildungspolitik, die eine Schlüsselfunktion in Sachen<br />
Integration spielen kann. Des Weiteren ist die Wohnraum- und Sozialpolitik zu nennen. Die<br />
Menschen müssen sich wohlfühlen und das Gefühl haben, dass sie hier zu Hause sind. Immer an<br />
den Stellen, wo Menschen mitbest<strong>im</strong>men, was „vor der Haustür“ passiert, zeigen sie Interesse<br />
und nehmen an der Gesellschaft teil. Neben sozialer Teilhabe muss auch wirtschaftliche,<br />
politische und kulturelle Teilhabe gewährleistet sein, damit man sich wohlfühlt.<br />
Für die politische Arbeit der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ist es wichtig <strong>im</strong>mer wieder neue Impulse von der<br />
„Basis“ der Demokratie zu bekommen, damit <strong>Politik</strong> lebendig bleibt und Praxisbezug hat. Somit<br />
war die „Tour der Teilhabe“ eine gute Informationsquelle für zukünftige parlamentarische<br />
Initiativen und hat aufgezeigt, dass die <strong>SPD</strong> in der richtigen Richtung zu einer modernen, freien<br />
und sozialen Gesellschaft unterwegs ist. So konnten zum Beispiel Informationen gewonnen<br />
werden, die in ein zukünftiges „Nieder-sächsisches Teilhabegesetz“ fließen könnten. Die <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong> möchte einen solchen Gesetzentwurf in den nächsten Monaten in den Niedersächsischen<br />
Landtag einbringen.
<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />
Neue Verbindungen<br />
zwischen <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />
und örtlich engagierten<br />
Mitbürgern und Mitbürgerinnen<br />
wurden<br />
geknüpft und werden für<br />
eine weitere erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit bestehen.<br />
Außerdem hat<br />
die „Tour der Teilhabe“<br />
dafür gesorgt, dass das<br />
Thema „Integration/Migration“<br />
wieder erheblich<br />
stärker in den<br />
Mittelpunkt rückt – vor<br />
Ort und <strong>im</strong> Landtag.<br />
Stefan Schostok hat<br />
deutlich gemacht, dass<br />
die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> am<br />
Ball ist und eine<br />
moderne Alternative zur<br />
schwarz-gelben Alles-ist-<br />
Schön-Integrationspolitik<br />
darstellt.<br />
N A C H W O R T<br />
Auf Tour mit dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden: Ich, Stefan Schostok (Vorsitzender<br />
der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag) und<br />
Heinz-Peter Leutloff (Fahrer des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden) vor dem<br />
Leineschloss (Niedersächsischer Landtag)<br />
Persönlich habe ich viel gelernt durch die Bereisungen. Das Organisieren und Koordinieren der<br />
Bereisungen war eine neue Erfahrung für mich. Dennoch hat mir diese Herausforderung Spaß<br />
gemacht und ich habe dadurch für mein Arbeitsleben gelernt. Natürlich habe ich auch die realpolitische<br />
Interaktion von <strong>Politik</strong>ern und <strong>Politik</strong>erinnen vor Ort erlebt. Bisher kannte ich die<br />
Arbeit der Abgeordneten nur <strong>im</strong> Landtag. Auch den stressigen Alltag eines <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden<br />
habe ich kennengelernt; ein sehr zeitintensiver Job, für den man viele Kompetenzen mitbringen<br />
muss.<br />
Wichtiger jedoch ist, dass ich einen kleinen Einblick in die Arbeit von Vereinen, Initiativen und<br />
Einrichtungen, die sich mit dem Thema Integration beschäftigen, bekommen habe. Ich habe<br />
viele neue interkulturelle Erfahrungen gemacht und dadurch auch mehr interkulturelle<br />
Kompetenz gewonnen. Für mich war die gesamte Tour also eine Art Weiterbildung, die mir in<br />
meinem weiteren Leben helfen wird. Und genau dies ist meiner Meinung nach der Kernpunkt<br />
eines eigenen Projektes <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong>: Man lernt, indem man sich gesellschaftlich<br />
engagiert. Fabian Claussen<br />
Fabian Claussen S e i t e | 79
VI. Reflexion des Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong><br />
Nach etwa 1900 abgeleisteten Arbeitsstunden innerhalb von 365 Tagen ziehe ich an dieser Stelle<br />
ein Fazit für mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />
Landtag. Zunächst muss ich feststellen, dass ein FSJ <strong>Politik</strong> mit einer fast 40-<br />
Stunden-Woche kein <strong>Jahr</strong> zum Ausruhen ist, aber eine – für mich – willkommene Abwechslung<br />
vom Lernalltag war. Sowohl politisch als auch arbeitstechnisch und persönlich habe ich während<br />
dieses <strong>Jahr</strong>es viele Erfahrungen gewonnen.<br />
Politisch gesehen habe ich durch meine Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> sehr viel gelernt.<br />
Das betrifft nicht nur das genaue Kennenlernen von politischen Strukturen und Prozessen,<br />
sondern auch Fachkenntnisse über politische Inhalte und Themen, die ich mir angeeignet habe.<br />
Ich habe erfahren, wie komplex das politische Gefüge ist und wie anspruchsvoll die Arbeit eines<br />
<strong>Politik</strong>ers ist. Inhaltlich konnte ich Kenntnisse in einigen Themen der <strong>Politik</strong> vertiefen. Mit<br />
meiner Tätigkeit einher ging das Erlernen des<br />
politischen „Fachjargons“, um sie beispielsweise<br />
politisch korrekt ausdrücken zu können. Dies ist eine<br />
große Hilfe be<strong>im</strong> Verfassen von Texten, die zur Veröffentlichung<br />
best<strong>im</strong>mt sind. Im Bereich der<br />
Öffentlichkeitsarbeit konnte ich ein Feingefühl für das<br />
Formulieren von Texten entwickeln. Nach meinem<br />
FSJ ist es nun einfacher, politische Aussagen fundiert<br />
zu bewerten und deren gesellschaftliche Konsequenzen<br />
abzuschätzen. Der Blick hinter die Kulissen der<br />
Landespolitik war alles in allem für mich erfolgreich.<br />
Arbeitstechnisch gesehen war ich in der Lage, eine<br />
Menge berufliche Erfahrung zu sammeln. Das Mitarbeiten<br />
<strong>im</strong> betrieblichen Gefüge des <strong>SPD</strong>-<br />
<strong>Fraktion</strong>sbüros hat mir natürlich auch einen Einblick<br />
in die Funktion und Struktur von Betrieben gegeben.<br />
In einem so flexiblen Alltag wie in der <strong>Politik</strong> kommt<br />
es auf gutes Zeitmanagement bei der Koordination<br />
von Terminen und Arbeit an. Besonders wichtig ist <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro auch die Teamarbeit. Des<br />
Weiteren habe ich viel Praxiserfahrung mit Microsoft Office gesammelt und wissenschaftlich<br />
gearbeitet. Auch Eventmanagement spielte während meiner Arbeit eine Rolle.<br />
Persönlich gesehen muss ich sagen, dass ich von meiner Arbeit bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> sehr<br />
profitiert habe. Das <strong>Jahr</strong> hat meine Persönlichkeit geprägt, das ist ganz klar. So konnte ich beispielsweise<br />
meine sozialen Kompetenzen weiter ausbauen, was ich sehr wichtig für mein weiteres<br />
Leben finde. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt, die mich inspiriert haben. Außerdem<br />
habe ich durch mein Hauptprojekt insbesondere interkulturelle Kompetenz dazugewonnen, auch<br />
dies ist wichtig gerade in einer so multikulturellen Gesellschaft wie in Deutschland.<br />
Zusammenfassend war mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> eine sehr wichtige Erfahrung in<br />
meinem Leben und ich möchte es nicht missen. Sich mit und für Andere politisch zu engagieren<br />
hat mir großen Spaß bereitet. Ich blicke auf ein <strong>Jahr</strong> zurück, das ich aufgrund der vielseitigen<br />
Aspekte und Einflüsse nie vergessen werde.<br />
80 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11
VII. Danke<br />
Zum Abschluss möchte ich mich bei<br />
allen Kolleginnen und Kollegen aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro,<br />
den <strong>SPD</strong>-Abgeordneten aus dem Niedersächsischen Landtag,<br />
der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V.,<br />
und allen Anderen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben,<br />
ganz herzlich bedanken.<br />
Vielen Dank, dass ich in der <strong>Fraktion</strong><br />
und besonders <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro so<br />
herzlich aufgenommen wurde. Die tägliche<br />
Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft,<br />
die mir entgegenkamen, wenn<br />
ich <strong>im</strong> <strong>SPD</strong>-Büro war, werde ich nicht<br />
vergessen. Ohne diese Herzlichkeit und<br />
Sympathie wäre mein <strong>Freiwilliges</strong><br />
<strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> nur halb so schön<br />
gewesen. Die Zusammenarbeit hat mir<br />
großen Spaß bereitet.<br />
Auch für die einjährige Begleitung<br />
durch die LKJ und besonders durch die<br />
Koordinatorin des FSJ <strong>Politik</strong>, Julia<br />
Wurzel, möchte ich mich bedanken.<br />
VIELEN DANK!<br />
Fabian Claussen S e i t e | 81