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Freiwilliges Soziales Jahr Politik Jahresbericht - SPD-Fraktion im ...

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<strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

01.09.2010-31.08.2011<br />

<strong>Jahr</strong>esbericht<br />

Einsatzstelle:<br />

Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />

<strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />

Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 1<br />

30159 Hannover<br />

Fabian Daniel Claussen<br />

Hauptstraße 56<br />

27624 Kührstedt/Alfstedt


Inhaltsverzeichnis<br />

I. Motivation für ein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> ...................................................... 1<br />

II. Profil der Einsatzstelle: Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag ....... 2<br />

III. Meine Tätigkeiten: Eine Übersicht .............................................................................. 3<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> erhält junge Verstärkung ...............................................................................5<br />

1. Wer ich bin und was ich hier mache .............................................................................6<br />

2. Mein Start in das Landtagsleben ...................................................................................7<br />

3. Einstiegsseminar ins FSJ <strong>Politik</strong> .....................................................................................9<br />

4. Parlame ntarische Initiativen – Die Theorie .............................................................. 12<br />

5. Parlamentarische Initiativen – Die Praxis ................................................................... 14<br />

6. Vielfältige Arbeit <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> ................................................................................... 16<br />

7. Die Schlacht zu Meppen – „Orientierungsseminar“ <strong>im</strong> Emsland ............................... 19<br />

8. Von misslungener <strong>Politik</strong> – Ein Kommentar ............................................................... 21<br />

9. Freie Bildungstage <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> ................................................................................ 22<br />

10. Grenzenlose Freiheit – Jugendbegegnung in Polen Teil 1 .......................................... 23<br />

11. Freiheit und Flashmob – Jugendbegegnung in Polen Teil 2 ....................................... 26<br />

12. Wort des <strong>Jahr</strong>es: Plagiat – Ein Kommentar ................................................................ 30<br />

13. Fachkräftemangel, International School und innovatives Bauen .............................. 31<br />

14. Märzplenum: Zwischen ideologischem Protektionismus und Populismus ................ 33<br />

15. Von Mundarten und Unarten ..................................................................................... 37<br />

16. Eine gute Woche für die <strong>SPD</strong> in Niedersachsen ......................................................... 38<br />

17. Utopien, Entwürfe, Skizzen – Gesamtseminar des FSJ Kultur/<strong>Politik</strong> ........................ 41<br />

18. Die Tour der Teilhabe ................................................................................................. 45<br />

19. Die vergebliche Suche nach Verantwortung und Frieden .......................................... 47<br />

20. Abschlussseminar: Zwischen Geschichte und Zukunft ............................................... 50<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Vorwort ........................................................................................................................... 53<br />

Erster Tag am 13. Mai 2011 in Hannover-Linden ............................................................. 54<br />

Zweiter Tag am 6. Juni 2011 in Osnabrück und <strong>im</strong> Landkreis Nienburg ........................... 56<br />

Dritter Tag am 9. Juni 2011 in den Landkreisen Northe<strong>im</strong> und Hameln-Pyrmont ........... 60<br />

Vierter Tag am 10. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Gifhorn und in Braunschweig ....................... 65<br />

Fünfter Tag am 14. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Heidekreis und in Salzgitter ......................... 70<br />

Sechster Tag am 23. Juni 2011 in den Landkreisen Osterholz und Cuxhaven .................. 72<br />

Siebter Tag am 24. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Peine und in Wolfsburg ................................ 74<br />

Fazit des Hauptprojektes und Nachwort .......................................................................... 78<br />

VI. Reflexion des Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong> ............................................................ 80<br />

VII. Danke ................................................................................................................................. 81


I. Motivation für ein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Nach der Abi-Zeit wollte ich vor der Aufnahme eines Studiums zunächst etwas völlig anderes<br />

machen. Im Rahmen des Zivildienstes habe ich mich bei der Agentur für Arbeit beraten lassen,<br />

welche Tätigkeiten man stattdessen machen könne. Mir schien es nämlich sinnvoller zu sein,<br />

wenn, dann ein ganzes <strong>Jahr</strong> bis zum Studium zu überbrücken. Bei der Agentur für Arbeit erfuhr<br />

ich vom Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong>, das es in Niedersachsen erst seit 2009/2010 gibt.<br />

Sogleich war ich Feuer und Flamme für diese Option.<br />

Schon seit etwa der 8. Klasse interessiere ich mich für <strong>Politik</strong>. Der <strong>Politik</strong>unterricht hat dies noch<br />

verstärkt, sodass ich mich <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e 2006 dazu entschied, ein Praktikum <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Programms „Schüler begleiten Abgeordnete“ zu machen. Im September 2006 begleitete ich den<br />

damaligen <strong>SPD</strong>-Abgeordneten Claus Johannßen eine Woche lang zu sämtlichen Sitzungen.<br />

Interessant und spannend empfand ich die politische Interaktion <strong>im</strong> Parlament und drum herum.<br />

Das Praktikum hat mich bekräftigt, „am politischen Ball zu bleiben“ und dies später auszubauen.<br />

<strong>Politik</strong> wählte ich als eines meiner Prüfungsfächer <strong>im</strong> Abitur. Der Unterricht in der Oberstufe hat<br />

mich noch intensiver für die Strukturen von <strong>Politik</strong> und Gesellschaft sensibilisiert. Nun wollte ich<br />

endlich einen Blick hinter die Kulissen politischer Prozesse werfen, wie zum Beispiel die Wege<br />

von der Meinungsbildung bis zur Verabschiedung von Gesetzen <strong>im</strong> Parlament in der politischen<br />

Praxis aussehen.<br />

Hinzu kam, dass ich berufliche Erfahrung sammlen wollte. Außerdem war ich darauf gespannt, in<br />

einem richtigen Betrieb zu arbeiten und die Betriebsabläufe kennenzulernen sowie sich selbst in<br />

die Sozialstruktur des Betriebes zu integrieren. Ganz klar ist, dass ein solches <strong>Jahr</strong> sehr prägt und<br />

zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, gerade wenn es auf arbeitstechnische und soziale<br />

Kompetenzen ankommt. Endlich auf eigenen Beinen zu stehen und sein eigenes Geld – wenn<br />

auch nur ein Taschengeld – zu verdienen, waren auch Motive ein FSJ zu machen. Da ich noch<br />

nicht wusste, was ich genau machen wollte <strong>im</strong> späteren Leben, war mir das Profil des FSJ <strong>Politik</strong>,<br />

das sehr auf Berufsorientierung ausgelegt ist, sehr recht.<br />

Obwohl ich nicht einmal wusste, dass meine Wunsch-Einsatzstelle, die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />

Landtag, dabei war, habe ich mich <strong>im</strong> Januar 2010 bei der Landesvereinigung<br />

Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V. (LKJ) für das FSJ <strong>Politik</strong> beworben. Anfang Mai,<br />

nach einem Bewerbungsgespräch mit dem Geschäftsführer des <strong>Fraktion</strong>sbüros, Dr. Cornelius<br />

Schley, stand es fest: Ich würde vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 ein FSJ <strong>Politik</strong><br />

bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag absolvieren. Damit war ich auch gleichzeitig<br />

der erste FSJler der <strong>Fraktion</strong>.<br />

Im Folgenden möchte ich mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> dokumentieren. Zunächst werde<br />

ich näher auf meine Einsatzstelle, das <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion Niedersachsen,<br />

eingehen. Anschließend folgen eine grobe Beschreibung meiner Tätigkeiten in der Einsatzstelle<br />

und die Dokumentation meines Hauptprojektes <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>. Danach schließen sich die Einträge<br />

des Tagebuches, das ich auf der Internetseite der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />

Landtag geführt habe, an. Dort sind beispielsweise politische Texte und Erfahrungsberichte von<br />

den verschiedenen Seminaren <strong>im</strong> FSJ zu finden.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 1


II. Profil der Einsatzstelle: Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong><br />

Niedersächsischen Landtag<br />

Das <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüro unterstützt die politische Arbeit der Abgeordneten <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />

Landtag, die sich zur <strong>Fraktion</strong> der <strong>SPD</strong> zusammengeschlossen haben, in inhaltlicher<br />

und struktureller Hinsicht. Das Büro der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ist universeller Ansprechpartner für die<br />

Positionen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, hier wird die politisch-inhaltliche Arbeit gebündelt und durch fachliche<br />

Kompetenz unterstützt. Besonders der <strong>Fraktion</strong>svorstand wird durch die Arbeit der Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen unterstützt.<br />

Die Aufgaben des <strong>Fraktion</strong>sbüros<br />

sind vielfältig, es werden<br />

die einzelnen Arbeitskreise koordiniert<br />

und fachlich begleitet<br />

und die entsprechende<br />

Öffentlichkeitsarbeit gewährleistet.<br />

Auch Recherchearbeit,<br />

Netzwerkarbeit und Eventmanagement<br />

gehören zu den<br />

Aufgaben der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter.<br />

Geleitet wird das <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong>sbüro von Dr.<br />

Mein Arbeitsplatz <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />

Cornelius Schley, der sich eng<br />

mit dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden der <strong>SPD</strong>, Stefan Schostok, und der parlamentarischen Geschäftsführerin<br />

der <strong>SPD</strong>, Johanne Modder, abst<strong>im</strong>mt. Das Team der politischen Referentinnen und<br />

Referenten bildet den Kern der inhaltlichen Arbeit. Jedes Referat betreut best<strong>im</strong>mte politische<br />

Themen für die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>. Dort werden thematische Schwerpunkte inhaltlich vorbereitet,<br />

Abgeordnete fachlich beraten und die jeweilige Pressearbeit geleistet. Einen Großteil der Arbeit<br />

besteht darin, politische Texte zu verfassen, wie Gesetzentwürfe, parlamentarische Anfragen,<br />

Reden, Pressemitteilungen oder Grundsatzpapiere. Auch Veranstaltungen <strong>im</strong> jeweiligen<br />

Themenbereich werden dort organisiert. Neben dem Referentenkreis gibt es noch das Team der<br />

weiteren Mitarbeiterinnen und das Team für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen, an<br />

dessen Spitze der Pressesprecher steht.<br />

2 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11


III. Meine Tätigkeiten: Eine Übersicht<br />

Allgemein<br />

Zu Beginn meines Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong> habe ich mir einen thematischen Überblick<br />

über die einzelnen Fachbereiche erarbeiten können, indem ich mit jeder parlamentarischen<br />

Referentin und jedem parlamentarischen Referenten eine Woche lang zusammengearbeitet habe.<br />

Außerdem habe ich zusätzlich eine Woche lang <strong>im</strong> Pressereferat verbracht, um ein Gefühl für die<br />

Öffentlichkeitsarbeit zu erlangen. Über diese ersten Wochen habe ich auch in meinem zweiten<br />

Tagebucheintrag geschrieben. Nach dieser Orientierungsphase habe ich in den unten aufgelisteten<br />

<strong>Politik</strong>feldern einzelne Themenbereiche bearbeitet.<br />

Die fast tägliche „Morgenrunde“, in der die Öffentlichkeitsarbeit erörtert und über dringliche<br />

Dinge der <strong>Fraktion</strong> und aktuelle Entwicklungen in der Landespolitik gesprochen wurde, war in<br />

meinem Alltag in der sogenannten „Einsatzstelle“ ein fester Termin. So habe ich den Dioxin-<br />

Skandal, die Atomwende und die Einführung der Oberschule unter politischen Bewertungskriterien<br />

live miterlebt. Hinzukommen die EHEC-Erkrankungen und die Skandale um die ehemalige<br />

Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU). Auch die Plagiatsaffären um<br />

Herrn zu Guttenberg (ehemaliger Bundesverteidigungsminister, CSU) und Herrn (Dr.?)<br />

Althusmann (Niedersächsischer Kultusminister, CDU) waren während meines FSJ ein großes<br />

politisches Thema. Zum Thema Plagiat habe ich beispielsweise etwas in meinem Tagebuch geschrieben.<br />

Des Weiteren habe ich an sämtlichen Sitzungen des <strong>Fraktion</strong>svorstands und der gesamten<br />

<strong>Fraktion</strong> teilgenommen. Zusätzlich war ich bei Klausuren des <strong>Fraktion</strong>svorstandes <strong>im</strong> November<br />

2010 in Hannover und vom 03.-05. Mai 2011 zur <strong>Fraktion</strong>sklausur auf Norderney dabei (siehe<br />

Tagebuch). An einigen internen Facharbeitskreissitzungen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> habe ich teilgehabt<br />

und bekam so einen vertieften Einblick in die politische Praxis. Zudem habe ich zu Beginn des<br />

Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es einigen Ausschusssitzungen des Landtages beiwohnen können. Einen<br />

intensiven Einblick in die politische Kultur vermittelten natürlich die Plenarsitzungen des Niedersächsischen<br />

Landesparlaments. Zu allen Tagesordnungspunkten des Landtages, die für meine<br />

Arbeit relevant waren, war ich <strong>im</strong> Plenarsaal anwesend.<br />

Bildung und Wissenschaft<br />

Im Referat für Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturpolitik bei Ute Wormland habe ich an der<br />

Broschüre „Gute Schule“ mitgearbeitet. In dieser Broschüre sind die Vorstellungen der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> zur Schulpolitik enthalten. Außerdem habe ich für Dr. Gabriele Andretta, wissenschaftspolitische<br />

Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, in zwei Untersuchungen Sozialerhebungen des<br />

deutschen Studentenwerks nach best<strong>im</strong>mten Kriterien analysiert. Für Frauke Heiligenstadt,<br />

schulpolitische Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, habe ich an einer Präsentation zur neuen Schulform<br />

„Oberschule“ mitgearbeitet. Außerdem habe ich <strong>im</strong> Kultusbereich zwei Untersuchungen zu<br />

Elternbefragungen ausgewertet und mit dem Programm Powerpoint aufgearbeitet. Elternbefragungen<br />

wurden in einigen Kommunen durchgeführt, um den Bedarf an weiterführenden<br />

Schulen und Schulformen <strong>im</strong> Hinblick auf IGS´en zu ermitteln.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 3


Integration und Inklusion<br />

4 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Bei Heinrich Heggemann, dem Referenten für <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familien- und Gesundheitspolitik,<br />

der auch für den Bereich der Integration zuständig ist, habe ich mich mit dem Thema<br />

Integration auseinandergesetzt, an Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Integration der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> teilgenommen und schließlich mein Hauptprojekt dem Thema Teilhabe von Zugewanderten<br />

gewidmet (siehe Kapitel V). Durch die Mitarbeit in diesem Referat habe ich beispielsweise<br />

Informationen darüber erhalten, was das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen<br />

bedeutet.<br />

Biogas, Massentierhaltung und Nitratwerte<br />

Im zuständigen Referat für Umwelt-, Landwirtschafts- und Energiepolitik, Kl<strong>im</strong>aschutz, Verbraucherschutz<br />

und den ländlichen Raum habe ich mich mit den Bereichen Biogasanlagen und<br />

Massentierhaltungsanlagen intensiv auseinandergesetzt. Im Zuge dieser Thematik habe ich auch<br />

aktiv be<strong>im</strong> Formulieren von Kleinen Anfragen (Parlamentarische Initiativen) mitgewirkt.<br />

Außerdem habe ich den Arbeitskreis Umwelt, Energie und Kl<strong>im</strong>aschutz und die zuständige<br />

Referentin Carola Sandkühler zur <strong>Jahr</strong>esklausur begleitet, um so mehr Hintergrundinformationen<br />

über die <strong>Politik</strong> zu erfahren.<br />

Verkehr und Wirtschaft<br />

Im Referat für Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrspolitik, Tourismus, Haushalt und Finanzen<br />

habe ich mit dem Referenten S<strong>im</strong>on Hartmann zusammen eine Anhörung <strong>im</strong> Bereich Wirtschaft<br />

und Wissenschaft organisiert, in der es um den zukünftigen Fachkräftebedarf in der Wirtschaft<br />

ging. Die fraktionsinterne Anhörung „Fachkräfteoffensive für Niedersachsen“ fand am 2. März<br />

2011 statt. Die Vorarbeit dieser Anhörung war sowohl fachlich-inhaltlicher als auch strukturellorganisatorischer<br />

Natur.<br />

Veranstaltungen/Publikationen<br />

Bei der Vorbereitung und<br />

Durchführung von Großveranstaltungen<br />

der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />

habe ich mitgearbeitet.<br />

Darunter fielen beispielsweise<br />

die Konferenz „Staat in der<br />

Finanzklemme“ am 27.<br />

November 2011 oder die<br />

Konferenz „Fachkräfteoffensive<br />

für Niedersachsen“.<br />

Letztere ist aus der oben erwähnten<br />

organisierten Anhörung<br />

resultiert und hat am 30.<br />

An der Broschüre „Gute Schule“ habe ich mitgearbeitet.<br />

Mai 2011. Des Weiteren habe ich politische Texte, die zur Veröffentlichung best<strong>im</strong>mt waren,<br />

geschrieben, wie beispielsweise Pressemitteilungen und Artikel <strong>im</strong> Vorwärts, der Parteizeitung der<br />

<strong>SPD</strong>. Durch das Pressereferat und den Pressesprecher Olaf Reichert habe ich ein gutes Gefühl<br />

für den Umgang mit Medien und Öffentlichkeit bekommen.


IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Fabian Claussen verstärkt<br />

seit dem 1. September das<br />

<strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />

Landtag. Der<br />

19-Jährige absolviert bei<br />

der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ein<br />

<strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong><br />

<strong>Politik</strong>.<br />

<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüro erhält junge Verstärkung<br />

Pressemitteilung Nr. 16-306 vom 03.09.10<br />

Der frischgebackene<br />

Abiturient (Note 1,2) hat<br />

die gleiche He<strong>im</strong>at wie ein<br />

anderer prominenter<br />

Niedersachse. Genauso wie<br />

Ministerpräsident<br />

McAllister (CDU) kommt<br />

Fabian Claussen aus dem Kreis Cuxhaven, genauer gesagt aus Alfstedt bei Bad Bederkesa. Er hat<br />

mit dem Niedersächsischen Internatsgymnasium Bad Bederkesa die gleiche Schule besucht wie<br />

der Ministerpräsident und er teilt die Leidenschaft für den Schießsport: Claussen ist noch zwei<br />

Wochen lang amtierender Junioren-Schützenkönig des Schützenvereins Alfstedt von 1909.<br />

Deutlich unterschiedlich ist allerdings seine Parteipräferenz. Bereits 2006 hatte er als Praktikant<br />

des damaligen <strong>SPD</strong>-Landtagsabgeord-neten Claus Johannßen aus Otterndorf landespolitische<br />

Luft geschnuppert.<br />

„Das Praktikum damals hat Lust auf mehr gemacht“, erzählt Fabian Claussen. Im Rahmen seines<br />

Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es wird er nun bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> alle Bereiche der Landespolitik und<br />

des parlamentarischen Betriebs in Hannover kennenlernen und eigene Projekte bearbeiten.<br />

Besonders interessieren ihn die Bereiche Schulpolitik, Verkehrspolitik sowie die Familien- und<br />

Sozialpolitik.<br />

„Auf jeden Fall werde ich nach meinem <strong>Jahr</strong> in der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> wissen, welchen Beruf ich anstreben<br />

werde“, sagt der 19-Jährige (Leistungsfächer Chemie, Mathematik und Englisch), der sich<br />

derzeit sowohl eine juristische wie auch eine betriebswirtschaftliche oder auch sozialwissenschaftliche<br />

Karriere vorstellen kann. Vom Team des <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>sbüros fühlt sich Fabian Claussen<br />

herzlich aufgenommen. Und noch etwas anderes hat er schnell gemerkt: „Die Leute hier sind alle<br />

schwer beschäftigt. Es wird echt hart gearbeitet.“<br />

In Hannover ist der Alfstedter, der in wenigen Tagen seinen 20. Geburtstag feiert, in einer<br />

Wohngemeinschaft untergekommen: „Es ist schon eine große Umstellung, von einem 400-<br />

Einwohner-Dorf in die Leinemetropole zu kommen. Aber es ist toll. Hannover ist eine sehr<br />

schöne Stadt.“<br />

Fabian Claussen S e i t e | 5


6 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

1.<br />

Wer ich bin und was ich hier mache<br />

22.09.2010<br />

Erst einmal: Herzlich Willkommen in meinem „FSJ <strong>Politik</strong>-<br />

Tagebuch“!<br />

Wer ich bin:<br />

Ich heiße Fabian Claussen und bin jetzt 20 <strong>Jahr</strong>e alt. Aufgewachsen<br />

bin ich <strong>im</strong> Landkreis Cuxhaven, genauer gesagt in der Samtgemeinde<br />

Bederkesa. Mein He<strong>im</strong>atort ist Alfstedt, ein Dorf mit etwa 400 Einwohnern.<br />

Zur Schule bin ich in Bad Bederkesa gegangen, dort habe<br />

ich die Grundschule, die Schule an der Mühle und schließlich das<br />

Niedersächsische Internatsgymnasium (NIG) besucht. Für die 11.<br />

Klasse ging ich <strong>im</strong> Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-<br />

Programmes (PPP), einem Stipendienprogramm initiiert durch den Deutschen Bundestag und<br />

den Amerikanischen Kongress, in die USA. Dieses Auslandsjahr, welches mich natürlich auch<br />

geprägt hat, führte mich nach Fayetteville, einer Stadt <strong>im</strong> Ostküstenstaat North Carolina.<br />

Nachdem ich dann <strong>im</strong> Juni 2008 aus den Staaten zurückkehrte, setzte ich meinen Besuch am<br />

NIG fort und erhielt <strong>im</strong> letzten Juni mein Abitur. Meine Prüfungsfächer waren Chemie, Mathe,<br />

Englisch, <strong>Politik</strong>, Biologie und Latein. Neben der Schule bin ich leidenschaftlicher Sportschütze<br />

<strong>im</strong> Schützenverein Alfstedt von 1909 e.V. und habe dort in den letzten <strong>Jahr</strong>en die Jugend auch<br />

mitbetreut. Außerdem interessiere ich mich sehr für <strong>Politik</strong>, dazu später mehr.<br />

Was ich hier mache:<br />

Seit dem 1. September 2010 absolviere ich in der <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion Niedersachsen ein <strong>Freiwilliges</strong><br />

<strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> (FSJP). Dies ist ein Programm, das es erst seit einem <strong>Jahr</strong> gibt und<br />

das auch nur in best<strong>im</strong>mten Bundesländern. Koordiniert wird dieses Projekt von der Landesvereinigung<br />

kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V. (LKJ). Auf der Internetseite der LKJ lassen<br />

sich noch ausführlichere Informationen zum FSJ <strong>Politik</strong> finden. Insgesamt sind wir <strong>im</strong> zweiten<br />

<strong>Jahr</strong>gang etwa 15 FSJ <strong>Politik</strong>-Absolventen in ganz Niedersachsen. Unter den Einsatzstellen befinden<br />

sich sowohl KZ-Gedenkstätten und (partei-)politische Bildungseinrichtungen als auch<br />

Parteien.<br />

Bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag bin ich der erste Absolvent eines FSJ<br />

<strong>Politik</strong>. Viele haben mich schon gefragt, wie ich darauf gekommen bin, ein solches <strong>Jahr</strong> zu<br />

machen. Mein Interesse an <strong>Politik</strong> wurde mir schon früh klar. Dann als endlich der <strong>Politik</strong>unterricht<br />

in der 9. Klasse losging, haben wir Gespräche mit den damaligen Landtagsabgeordneten<br />

Claus Johannßen (<strong>SPD</strong>) und David McAllister (CDU) geführt. Herr Johannßen machte uns auf<br />

das Projekt „Schüler begleiten Abgeordnete“ vom Nds. Landtag aufmerksam. Wenige Wochen<br />

später begleitete ich Herrn Johannßen eine Woche lang zu den Plenarsitzungen <strong>im</strong> Landtag.<br />

Einige können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber ich fand alles unhe<strong>im</strong>lich spannend und<br />

hatte Lust auf mehr. Nach meinem Auslandsjahr war mir klar, dass ich langsam planen musste,<br />

was ich nach dem Abitur machen will. Ich wusste, ich will studieren, aber noch nicht genau was.<br />

Lehramt, Wirtschaft, Psychologie oder doch etwas Naturwissenschaftliches? Da ich sowieso noch


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Zivildienst machen musste, habe ich mich erst einmal darum gekümmert. So habe ich erfahren,<br />

dass es das neue FSJ <strong>Politik</strong> gibt, welches auch ein Bildungsjahr zur beruflichen Orientierung ist<br />

und man dies statt des Zivildienstes machen kann. Über die LKJ wurde ich dann der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Nds. Landtag vermittelt und wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Eine<br />

Woche später rief mich der <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer Dr. Cornelius Schley an, um mir mitzuteilen,<br />

ich hätte den Platz! Soweit zu meinem FSJ <strong>Politik</strong>.<br />

2.<br />

Mein Start in das Landtagsleben<br />

12.10.2010<br />

Da ich jetzt schon länger nicht mehr geschrieben habe, ist mein zweiter Beitrag umso umfangreicher.<br />

Am Anfang die Aufregung<br />

Nach einer relativ schlaflosen Nacht ging ich am 1. September leicht nervös und aufgeregt zum<br />

Landtag. Es war schließlich mein erster Arbeitstag und ich wusste noch nicht <strong>im</strong> Detail was mich<br />

erwarten würde. Zwar hatte ich die meisten Mitarbeiter schon bei meinem Vorstellungsgespräch<br />

<strong>im</strong> Mai gesehen, aber die Erinnerung war auch wieder ein wenig verblasst. An meinem ersten<br />

praktischen Arbeitstag kam ich schon mal viel zu früh. Dennoch erwartete mich eine neugierige<br />

und freundliche Runde von Arbeitskollegen. Zur alltäglichen Morgenrunde, in der die Tagespresse<br />

besprochen wird, lernte ich die parlamentarischen Referenten kennen, mit denen ich nun<br />

zusammenarbeiten sollte.<br />

Der Geschäftsführer – und damit mein „Chef“ – Herr Dr. Cornelius Schley eröffnete mir bei<br />

dieser Gelegenheit den „Plan“ für September bis Mitte Oktober, und zwar sollte ich erst einmal<br />

alle verschiedenen Referate durchlaufen, um eine Übersicht über die hiesige parlamentarische<br />

Arbeit zu bekommen. In jeder Woche sollte ich in einem anderen Referat mitarbeiten.<br />

Erster Einblick in die Ressorts<br />

Zunächst arbeitete ich mit Ute Wormland, der parlamentarischen Referentin für Kultusangelegenheiten,<br />

Kultur und Wissenschaft. Dort habe ich Recherchen zum Thema Studiengebühren<br />

und Studierende aus niedrigeren sozialen Schichten erarbeitet. Anschließend habe ich<br />

meine Ergebnisse der engagierten hochschulpolitischen Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, Frau Dr.<br />

Gabriele Andretta aus Göttingen, präsentiert. Des Weiteren habe ich unter Anleitung von Ute<br />

Wormland an der Broschüre „Gute Schule“ mitgearbeitet. Darin steht, wie sich die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />

die künftige Schullandschaft in Niedersachsen vorstellt.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 7


8 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Während der Plenarwoche habe ich Olaf Reichert, unseren Pressesprecher, begleitet. Natürlich<br />

kannte ich nicht jeden Hintergrund der vielen Resolutionen und Anfragen, die auf der Tagesordnung<br />

standen, aber so ist das nun einmal, wenn man „ins kalte Wasser geschmissen wird“.<br />

Das Plenum tagt in der Regel jeden Monat drei Tage in der sogenannten „Plenarwoche“. Das<br />

Pressereferat ist als Sprachrohr der <strong>Fraktion</strong> zur Öffentlichkeit wohl einer der wichtigsten Bereiche<br />

der <strong>Fraktion</strong>sarbeit. Täglich werden Pressemitteilungen herausgegeben und Interviews<br />

vereinbart.<br />

Be<strong>im</strong> Referenten Sebastian<br />

Böhrs, der die Themen<br />

Inneres, Justiz und<br />

Petitionen behandelt, habe<br />

ich meine ersten Arbeitskreissitzungen<br />

mitgemacht.<br />

Arbeitskreise sind Gruppen<br />

von <strong>SPD</strong>-Abgeordneten, die<br />

sich mit einem Thema beschäftigen.<br />

Außerdem habe<br />

ich mich mit den Interessen<br />

von niedersächsischen<br />

Beamten beschäftigt und an<br />

Gesprächen mit Interessengruppen<br />

teilgenommen,<br />

denn die Abgeordneten sind<br />

natürlich nicht allwissend<br />

und müssen sich<br />

informieren, ob und wie sie<br />

auf die Anregungen<br />

reagieren entscheiden sie<br />

separat.<br />

Die "Morgenrunde" (der <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer und die<br />

Referentinnen und Referenten) tagt jeden Morgen. Dabei<br />

wird alles besprochen was an dem Tag wichtig ist, u. a.<br />

Pressemitteilungen und Vorgehensweisen.<br />

Als nächstes standen die Themen Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Umwelt und Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

auf dem Plan mit der parlamentarischen Referentin Carola Sandkühler. Hier habe ich neben den<br />

Arbeitskreisen Umwelt und Landwirtschaft auch an den dementsprechenden Ausschüssen teilgenommen.<br />

Besonders interessant war hier das Thema „End-/Zwischenlager für Atommüll“<br />

(Gorleben/ASSE II) und der „Putenskandal“ um Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen<br />

(CDU). Wobei die Themen „Biogasanlagen“ und der „Ökolandbau“ auch eine Rolle spielten in<br />

der Woche. Erwähnenswert ist sicher auch, dass ich an meiner ersten „Kleinen Anfrage“ mitgewirkt<br />

habe.<br />

Danach ging es zum parlamentarischen Referenten Bernd Maschke, der mir Einblicke in die<br />

wirtschafts- und finanzpolitischen Bereiche bot. So durfte ich miterleben, wie der Niedersächsische<br />

Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), die Landwirtschaftsministerin Astrid<br />

Grotelüschen (CDU) und der Justizminister Bernd Busemann (CDU) ihre Haushalte in die Ausschüsse<br />

einbrachten. Sie haben also ausgeführt wie viel ihre Ministerien für was ausgeben, denn<br />

der Landtag muss die Haushalte beschließen und dazu müssen die Ausschüsse auch herangezogen<br />

werden. Eingehend habe ich mich <strong>im</strong> Themenbereich „Wirtschaft, Arbeit und Verkehr“<br />

neben einer Recherche zu hochqualifizierten Zuwanderern auch mit einer Veröffentlichung über<br />

den schlechten Zustand vieler Landesstraßen in Niedersachsen beschäftigt.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Meine letzte Station ist nun bei Heinrich Heggemann, dem Referenten für Gesundheit, <strong>Soziales</strong><br />

und Integration. Den Arbeitskreis „Integration“ und die Integrationskommission habe ich bereits<br />

besucht. Am Mittwoch werde ich dem Ausschuss für <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familie, Gesundheit und<br />

Integration beiwohnen. Hier werde ich mich <strong>im</strong> Laufe der Woche noch mit dem Thema Inklusion<br />

von Behinderten befassen. Auch mit den Sozialverbänden, derer es nicht wenige gibt,<br />

habe ich mich bereits beschäftigt.<br />

Fazit nach den ersten Wochen<br />

Das Arbeitskl<strong>im</strong>a in der <strong>Fraktion</strong> ist super und die Zusammenarbeit mit meinen Arbeitskollegen<br />

aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro und mit den Abgeordneten der <strong>SPD</strong> macht Spaß. Nach eineinhalb<br />

Monaten kann ich sagen, dass ich mich inzwischen ganz gut eingearbeitet habe und ich mich in<br />

den Gebäuden des Landtages gut zurecht finde. Zu den meisten Punkten auf der Tagesordnung<br />

des Oktoberplenums konnte ich dann auch was sagen, in der Plenarwoche war ich allerdings auf<br />

dem ersten Seminar für das FSJ <strong>Politik</strong>. Doch dazu mehr in meinem nächsten Beitrag.<br />

3.<br />

Einstiegsseminar ins FSJ <strong>Politik</strong><br />

28.10.2010<br />

Wer ein FSJ absolvieren möchte, muss an 25 Bildungstagen teilnehmen. In den Bildungstagen<br />

geht es nicht nur darum, persönliche Kompetenzen, welche unter anderem in den Einsatzstellen<br />

hilfreich sein können, auszubauen und neue zu erlernen, sondern sie sollen dem FSJler auch in<br />

der Berufsfindung helfen. Vom 4.-8.10. fand also das Einstiegsseminar für das FSJ <strong>Politik</strong> (in<br />

Niedersachsen) statt:<br />

Die Örtlichkeit und die Teamer<br />

Mit Bus und Bahn machten wir, die FSJ <strong>Politik</strong>-<br />

Absolventen, uns am Montagmorgen (einige sehr<br />

früh andere nicht so früh) also auf den Weg in die<br />

„Walachei“, denn der Seminarort war das Energie-<br />

und Umweltzentrum am Deister bei<br />

Springe/Eldagsen (EUZ), welches mitten in der<br />

freien Natur lag. Nachdem wir unsere Koffer<br />

dann bei frischer Landluft (auf dem Feld neben<br />

dem Weg wurde gerade Mist gefahren) sicher bis<br />

zum EUZ geschleppt hatten, wurden wir sehr<br />

herzlich von Julia Wurzel, der Koordinatorin des<br />

FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachen, <strong>im</strong> Namen der LKJ<br />

zu unserem Einstiegsseminar begrüßt. Aber Julia war nicht alleine, denn sie bekam noch von<br />

Ricarda Scholz als Co-Teamerin Unterstützung.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 9


10 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Die Z<strong>im</strong>mer waren ganz nett, sogar mit Balkon und die meisten mit eigenem Bad. Auch der Rest<br />

des EUZ war gemütlich, es gab einen Raum mit Tischkicker, einen schönen Tagungsraum und<br />

eine kleine Terrasse mit Bänken (für die Raucher). Gegessen wurde <strong>im</strong> Wintergarten des Nebengebäudes,<br />

wo es zu Hauptmahlzeiten übrigens nur vegetarisches oder veganes Essen gab. Ein<br />

weiteres Highlight war das Schwein des Hauses „Alf“, welches auf einer Wiese hinter dem<br />

Haupthaus einen Platz hatte. Es wurde von einigen Seminarteilnehmern gerne besucht.<br />

Die Gruppe und die Einrichtungen<br />

Das FSJ <strong>Politik</strong> absolvieren<br />

derzeit 15 Leute, alle<br />

kommen direkt von der<br />

Schule. Wir sind 9 Mädchen<br />

und 6 Jungen <strong>im</strong> Alter von<br />

18-21 <strong>Jahr</strong>en. Durch zahlreiche<br />

Spiele, die die<br />

Gruppendynamik stärken<br />

sollten, haben wir uns alle<br />

schnell kennen gelernt. Dass<br />

die meisten Einrichtungen<br />

eher linkspolitisch orientiert<br />

sind, spiegelt sich natürlich<br />

auch bei den FSJlern wieder.<br />

So kam es zum Beispiel zu<br />

einer Diskussion am letzten<br />

Tag über das Schulsystem, in<br />

der bis auf 2-3 Leute für die<br />

Gesamtschule plädierten.<br />

Der 2. <strong>Jahr</strong>gang <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachsen (2010/2011)<br />

Einsatzstellen sind neben<br />

<strong>Fraktion</strong>en (z.B. <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktion) beispielsweise politische Bildungsstätten (z.B. Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung) oder parteiunabhängige Vereine (z.B. Janun e.V.). Wobei sich der Großteil<br />

der Einsatzstellen <strong>im</strong> Raum Hannover befindet.<br />

Der Ablauf und die Inhalte<br />

Am Montag ging es erst einmal darum, sich kennen<br />

zu lernen und die eigene Motivation, ein politisches<br />

<strong>Jahr</strong> zu absolvieren, darzustellen. Außerdem haben<br />

wir darüber gesprochen, welche Rolle „<strong>Politik</strong>“ in<br />

unserem bisherigen Leben gespielt hat.<br />

Den Dienstag haben wir unsere Einsatzstellen vorgestellt,<br />

<strong>im</strong> Kern haben wir deren Soziostruktur und<br />

inhaltliche Arbeit erläutert. Des Weiteren haben wir<br />

uns mit den Begriffen „Demokratie“ und „<strong>Politik</strong>“<br />

beschäftigt, am Ende des Tages standen unsere<br />

eigenen Definitionen dieser Begriffe fest, die teilweise<br />

aus anderen Zitaten abgeleitet waren.<br />

Wir be<strong>im</strong> „auflösen“ des<br />

„Gordischen Knotens“.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Ein Foto aus der Fotostory<br />

meiner Gruppe „Auf der<br />

Suche nach Freiheit in<br />

Hannover, aufgenommen vor<br />

dem Landtag.<br />

Am dritten Tage fuhren wir in die Landeshauptstadt<br />

Hannover, um an einer Plenarsitzung teilzunehmen und<br />

eine Fotostory zum Thema „Freiheit“ zu gestalten. Im<br />

Zentrum der Plenardebatte stand am Morgen das Thema<br />

„100 Tage Übergangsregierung: zu wenig Akzente – zu viele<br />

Skandale“, welches die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> und die Landtagsfraktion<br />

der Grünen ins Parlament einbrachten. Es hätte<br />

kein spannenderes Thema geben können, denn es war ein<br />

„Rundumschlag“ der Opposition. Hier konnte man <strong>im</strong><br />

wahrsten Sinne des Wortes erleben, wie sich Regierungsfraktionen<br />

und Oppositionsfraktionen „fetzen“. Nachdem<br />

wir dann die Zuschauertribühne verließen, wurden wir von<br />

der Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages Frau<br />

Astrid Vockert (CDU), „Initiatorin“ des FSJ <strong>Politik</strong> in<br />

Niedersachsen (obwohl die CDU-<strong>Fraktion</strong> keinen FSJler<br />

hat), begrüßt. Auch der Ministerpräsident des Landes Herr<br />

David McAllister nahm sich ein Viertelstündchen Zeit für<br />

uns. Zur anschließenden Diskussion blieben neben Frau<br />

Vockert noch die Abgeordneten Viktor Perli (Linke), Enno<br />

Hagenah (B´90/Grünen) und Claus Peter Poppe (<strong>SPD</strong>).<br />

Hauptthemen waren das FSJ <strong>Politik</strong>, Kultuspolitik<br />

(Bildungspolitik) und Plenardebatten <strong>im</strong> Allgemeinen.<br />

Donnerstag drehte sich dann fast alles um unser eigenes<br />

Projekt, denn zu unserem Freiwilligendienst gehört auch,<br />

dass wir ein eigenständiges Projekt auf die Beine stellen während unseres <strong>Politik</strong>-<strong>Jahr</strong>es. Wir<br />

haben also Tipps zu Projektmanagement<br />

bekommen und auch<br />

Brainstorming für konkrete Ideen<br />

gemacht. Manche hatten sofort<br />

Ideen, anderen fiel es schwer etwas<br />

zu finden. Am Nachmittag ging es<br />

dann um Organisatorisches, zum<br />

Beispiel um unser Auslandsseminar<br />

in Polen, welches nächstes Frühjahr<br />

stattfinden wird.<br />

Den letzten Tag haben wir über<br />

gesellschaftliche Teilhabe und<br />

Stress gesprochen. Beschäftigt hat<br />

uns be<strong>im</strong> Punkt „gesellschaftliche<br />

Teilhabe“ vor allem die Idee der<br />

„subjektiven Möglichkeitsräume“<br />

nach Klaus Holzkamp. Außerdem<br />

ging es noch um das „Netzwerken“<br />

Wir sind gerade be<strong>im</strong> Brainstorming zu unserem<br />

Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>.<br />

unserer Gruppe, so haben wir jetzt auch eine Facebook-Seite, welche wir „FSJ <strong>Politik</strong> in Niedersachsen“<br />

genannt haben.<br />

Zum Abschluss kann ich sagen, dass mir das Seminar großen Spaß gemacht hat und ich mich<br />

schon auf die "Orientierungstage" <strong>im</strong> Dezember freue.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 11


IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

4.<br />

Parlamentarische Initiativen – Die Theorie<br />

04.11.2010<br />

Zu meinem zweiten Tagebucheintrag wurde ich gefragt, was denn eine „Kleine Anfrage“ sei. Das<br />

möchte ich mit diesem Beitrag gerne beantworten und dabei auch noch andere sogenannte<br />

„parlamentarische Initiativen“ kurz darstellen. Parlamentarische Initiativen sind Mittel der Abgeordneten<br />

des Landtages, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Landes festzulegen und<br />

auf die Landesregierung einzuwirken. Außerdem sind parlamentarische Initiativen nützlich bei<br />

der Ausübung der Kontrollfunktion durch die Landtagsabgeordneten. Sie heißen auch<br />

„parlamentarische Initiativen“, da sie in der Parlamentssitzung (oder auch Plenum) besprochen<br />

werden.<br />

Der Gesetzentwurf<br />

Gesetzentwürfe werden von der Regierung, einer <strong>Fraktion</strong> oder mindestens 10 Abgeordneten ins<br />

Plenum eingebracht. Sie müssen fundiert begründet sein und wenn nötig darstellen, inwieweit<br />

sich durch den Gesetzentwurf die Haushaltslage des Landes ändert. Nachdem ein Gesetz<br />

(hoffentlich detailliert und intensiv) erarbeitet wurde, was in der Regel die parlamentarischen<br />

Referenten der jeweiligen <strong>Fraktion</strong>en zusammen mit den Abgeordneten machen, wird dies als<br />

Drucksache über die Landtagsverwaltung in das Plenum gebracht. Dort werden in einer ersten<br />

„Beratung“ die Grundzüge des Entwurfes debattiert. Von jeder <strong>Fraktion</strong> hält dann ein Abgeordneter<br />

eine Rede dazu. Danach wird der Gesetzentwurf in der Regel an einen Ausschuss<br />

überwiesen. Ausschüsse sind Fachgremien, die jeweils die Themenbereiche der Ministerien<br />

wiederspiegeln, d. h. dass z.B. der Kultusausschuss sich inhaltlich mit allen Themen des<br />

Kutusministeriums beschäftigt. Diesen ständigen Ausschüssen gehören Mitglieder aller<br />

<strong>Fraktion</strong>en an; je größer die <strong>Fraktion</strong> je mehr Mitglieder haben sie in den Ausschüssen. Sollten<br />

mehrere Themenbereiche betroffen sein, so wird der Entwurf an alle betroffenen Ausschüsse<br />

überwiesen und ein federführender Ausschuss best<strong>im</strong>mt. Dann, wenn der Entwurf (hoffentlich<br />

intensiv und sachgerecht) erörtert worden ist, gibt der Ausschuss seine Empfehlung bekannt, wie<br />

weiter vorgegangen werden soll. Die Empfehlung kann Ablehnung, Annahme oder Annahme in<br />

veränderter Form (wenn Änderungsanträge gestellt und akzeptiert wurden) sein. Es gibt auch den<br />

Fall, dass ein Entwurf für erledigt erklärt werden kann, wenn sich die Rahmenbedingungen <strong>im</strong><br />

Laufe des Verfahrens verändert haben. Mit der Empfehlung geht der Gesetzentwurf wiederum<br />

ins Plenum zur zweiten Beratung. Jetzt wird der Entwurf <strong>im</strong> Detail diskutiert, dabei kommt es<br />

nicht selten zu Zwischenfragen (während einer Rede) und Kurzinterventionen (kleine weiterführende<br />

Reden). Meistens wird dann nach der zweiten Beratung eine Schlussabst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong><br />

Parlament durchgeführt. Sollte diese Schlussabst<strong>im</strong>mung die Annahme eines neuen Gesetzes<br />

bedeuten, so wird es durch den Ministerpräsidenten „verkündet“.<br />

Der Entschließungsantrag<br />

Weitaus zahlreicher als Gesetzentwürfe sind allerdings parlamentarische Initiativen in Form eines<br />

Entschließungsantrages. Ein Entschließungsantrag ist <strong>im</strong> Grunde eine begründete Handlungsanweisung<br />

des Landtages an die Landesregierung. Sollte ein Entschließungsantrag angenommen<br />

werden, so hat die Regierung die Pflicht, die Dinge, die <strong>im</strong> Antrag beschlossen werden, so gut es<br />

geht umzusetzen. Die formale Vorgehensweise ist hierbei dieselbe wie bei einem Gesetzentwurf,<br />

allerdings wird der Beschluss durch den Landtagspräsidenten „mitgeteilt“.<br />

12 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Die Große Anfrage<br />

Auch „Große Anfragen“ werden von einer <strong>Fraktion</strong> oder mindestens 10 Abgeordneten eingebracht.<br />

Große Anfragen beschäftigen sich mit einem Thema, das kurz einleitend erörtert wird,<br />

und einem darauffolgendem „Fragenkatalog“ von ca. 20-100 Fragen, die von der Landesregierung<br />

beantwortet werden sollen. Über die Landtagsverwaltung und den Landtagspräsidenten<br />

erreicht die Große Anfrage dann die Landesregierung. Innerhalb der Landesregierung kümmert<br />

sich dann das dem Thema entsprechende Ministerium um die Beantwortung der Fragen. Die<br />

Antworten werden an die MdLs gesandt und die Große Anfrage wird auf die Tagesordnung<br />

gesetzt. Im Plenum wird dann darüber debattiert.<br />

Die Kleine mündliche Anfrage<br />

Kleine mündliche Anfragen sind Anfragen von einzelnen oder mehreren Abgeordneten zu best<strong>im</strong>mten<br />

-oft lokalen- Sachverhalten. Hier haben die Abgeordneten die Chance relevante und<br />

Themen aus ihren Wahlkreisen anzusprechen, aber auch die allgemeine <strong>Politik</strong> der Landesregierung<br />

wird (vor allem von der Opposition) hinterfragt. Einleitend besteht eine solche Anfrage<br />

aus einem das Problem/den Themenbereich umfassenden, kurzen Text. Kern der Kleinen mündlichen<br />

Anfrage sind natürlich die Fragesätze, von denen es nur drei sein dürfen, da sie sonst als<br />

„Kleine schriftliche Anfrage“ eingereicht werden muss, diese ist allerdings eine außerparlamentarische<br />

Initiative, denn <strong>im</strong> Plenum wird sie nicht besprochen. Es versteht sich auch von<br />

selbst, dass nicht alle ca.50-60 eingereichten Kleinen mündlichen Anfragen <strong>im</strong> Plenum besprochen<br />

werden können, zumal die Abgeordneten weitere Fragen stellen können während der<br />

Diskussion. Daher ist die Zeit auf 60 Minuten begrenzt und es werden nur die Anfragen in der<br />

Parlamentssitzung debattiert, die in diesen Zeitraum passen, das sind in der Regel ein bis zwei.<br />

Daher wird auch bei der Reihenfolge der gestellten Anfragen fraktionsweise rotiert. Der Rest der<br />

Antworten wird schriftlich von der Landesregierung nachgereicht und dann hinterher ins<br />

Protokoll aufgenommen.<br />

Die Dringliche Anfrage<br />

Der Niedersächsische Landtag tagt einmal <strong>im</strong> Monat für drei bis vier Tage. Die <strong>Fraktion</strong>en haben<br />

die Möglichkeit, in jeder Plenarwoche eine „Dringliche Anfrage“ zu stellen. Dringliche Anfragen<br />

sind formal genauso aufgebaut wie Kleine mündliche Anfragen, allerdings sollte es sich dabei<br />

inhaltlich um ein sehr aktuelles, viel diskutiertes Thema handeln. Diese Anfragen werden in<br />

jedem Falle mündlich <strong>im</strong> Plenum erörtert.<br />

Die Aktuelle Stunde<br />

Während der „Aktuellen Stunde“ werden „Sachen von allgemeinem und aktuellem Interesse“<br />

debattiert. Genau wie bei „Dringlichen Anfragen“ hat eine <strong>Fraktion</strong> das Recht pro Sitzungswoche<br />

ein brisantes Thema zur Aktuellen Stunde in den Landtag einzubringen. Jedoch unterscheidet<br />

sich die Aktuelle Stunde formal von der Dringlichen Anfrage, denn bei der Einbringung<br />

einer Aktuellen Stunde wird lediglich ein -manchmal vager- Begriff oder Satz zum Anstoß der<br />

Diskussion genannt.<br />

Im nächsten Beitrag unterfüttere ich diese theoretische Übersicht gerne noch mit ein paar Beispielen<br />

aus der Praxis. Nächste Woche ist Plenum und best<strong>im</strong>mt finde ich dort interessante Beispiele<br />

für parlamentarische Initiativen.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 13


14 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

5.<br />

Parlamentarische Initiativen – Die Praxis<br />

22.11.2010<br />

Nach zwei sehr stressigen Wochen bin ich nun endlich dazu gekommen, einen neuen Eintrag zu<br />

verfassen. In den Plenarsitzungen vom 9.-12. November habe ich Beispiele für parlamentarische<br />

Initiativen gefunden, dabei habe ich darauf geachtet, dass diese möglichst aus verschiedenen<br />

politischen Themengebieten kommen.<br />

Innenpolitik: Kommunalwahl 2011<br />

Konkrete Gesetzentwürfe sind in der Regel eher rar, denn die meisten Einbringungen in den<br />

Landtag sind Entschließungsanträge. Aber am Ende eines <strong>Jahr</strong>es nehmen die Gesetzentwürfe zu,<br />

damit sie pünktlich zum 1.1. des Folgejahres in Kraft treten können. Kurz erwähnt sei der „Entwurf<br />

eines Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Best<strong>im</strong>mungen“, der von den<br />

Regierungsfraktionen (CDU und FDP) eingebracht wurde. Die wichtigsten Änderungen des<br />

Kommunalwahlrechtes durch dieses Gesetz sind hier die Abschaffung der Stichwahlen und die<br />

mögliche Vergrößerung von Wahlkreisen. Bisher mussten beispielsweise Samtgemeindebürgermeister/innen<br />

mit einer absoluten Mehrheit gewählt werden. Wenn sie also nicht <strong>im</strong> ersten<br />

Wahlgang über 50% erreichten, so musste eine zweite Wahl wenig später mit den zwei<br />

Kandidaten, die <strong>im</strong> ersten Wahlgang am erfolgreichsten waren, stattfinden, damit ein Kandidat<br />

die absolute Mehrheit bekam. Dieser Gesetzentwurf sieht aber keinen zweiten Wahlgang für das<br />

Gemeindeoberhaupt mehr vor, nun solle die relative Mehrheit ausschlaggebend sein. Im Plenum<br />

wurde der Gesetzentwurf von den Oppositionsfraktionen heftigst kritisiert.<br />

Umwelt-/Bundespolitik: Atomkraft<br />

Mit einem dem gemeinsamen Antrag „Zwingende Beteiligung des Bundesrates <strong>im</strong> Verfahren zu<br />

den von der Bundesregierung und den Energiekonzernen geplanten Laufzeitverlängerungen von<br />

Atomkraftwerken“ wollten <strong>SPD</strong>, Grünen und Linken die niedersächsische Landesregierung dazu<br />

auffordern, sich auf Bundesebene für eine Beteiligung des Bundesrates in Sachen Laufzeitverlängerung<br />

einzusetzen. Es ist nicht alltäglich, dass die Oppositionsfraktionen einen Entschließungsantrag<br />

zusammen machen. Natürlich ist dieser Antrag an den <strong>Fraktion</strong>en der CDU<br />

und der FDP abgeprallt.<br />

Wirtschaft und Verkehr: Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven<br />

Eine Große Anfrage stand auf dem Plan des Novemberplenums mit dem Titel „Fortlaufender<br />

Ärger und Mehrkosten be<strong>im</strong> JadeWeserPort – Landesregierung be<strong>im</strong> Projektmanagement überfordert?“<br />

Diese Anfrage, die von den Grünen gestellt worden war, ging <strong>im</strong> Kern um die<br />

finanzielle und wirtschaftliche Situation der Großbaustelle Niedersachsens, nämlich um den<br />

Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Zu diesem Tagesordnungspunkt und zu der<br />

Rede vom Ministerpräsidenten Herr McAllister bezüglich des JadeWeserPorts sprach der <strong>SPD</strong>-<br />

Landesvorsitzende Olaf Lies, der meiner Meinung nach, zwei ausgezeichnete Reden gehalten hat<br />

und dem Ministerpräsidenten super Paroli bieten konnte. Der Ministerpräsident schäumte vor


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Wut und bekam beide Male einen hochroten Kopf, Herr lies hat ihn – salopp gesagt - alt aussehen<br />

lassen.<br />

Sozialpolitik von Frau Özkan<br />

Niedersachsen hat seit dem Sommer eine neue Sozialministerin: Frau Özkan. In der Öffentlichkeit<br />

tritt sie scheinbar <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Namen der Integration auf, daher fragte die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong><br />

letzten Plenum: „Was versteht Frau Sozialministerin Özkan eigentlich unter Sozialpolitik?“<br />

Angezweifelt wurde die Kompetenz Frau Özkans in der Breite ihres Ressorts, denn zum Sozialministerium<br />

gehören neben dem Thema Integration auch die Themen <strong>Soziales</strong>, Frauen, Familie,<br />

Gesundheit und Städte- und Wohnungsbau. Die Fragestellung war also breit gefächert und da es<br />

die erste Frage der Kleinen mündlichen Anfragen war, wurde sie <strong>im</strong> Plenum behandelt. Schon in<br />

der Vergangenheit konnte die Sozialministerin nicht glänzen, wenn es um direkte Anfragen <strong>im</strong><br />

Plenum ging. 1,5 Stunden wurde sie über Sozialpolitik ausgefragt, wobei sie ordentlich Unterstützung<br />

von Ministeriumsmitarbeitern bekam, die um sie herumsaßen hinter der Regierungsbank.<br />

Selten war der Platz hinter der Regierungsbank so überfüllt, einige mussten sogar stehen.<br />

Die Antworten fielen leider zum Teil sehr knapp aus und beinhalteten kaum mehr als zwei Sätze.<br />

Landwirtschaft: Massentierhaltung<br />

Die Dringliche Anfrage der <strong>SPD</strong> lautete: „Intensivtierhaltung: Fluch oder Segen, Tierschutz oder<br />

Kommerz?“ Gerade in den Landkreisen Emsland, Cloppenburg und Oldenburg kennt man die<br />

Problematik, dort stehen etliche „Tierfabriken“ und in der Bevölkerung regt sich <strong>im</strong>mer mehr<br />

Widerstand. Die Tiere wachsen in diesen Ställen unter erbärmlichen Umständen auf. Flügel an<br />

Flügel schieben die mit Antibiotika vollgestopften Hühner ihren anormalen Körper durch die<br />

Menge. Die Umwelt wird durch viel zu viel produzierten Mist belastet. Landwirtschaftsministerin<br />

Frau Grotelüschen, die aus dem Bereich der Massentierhaltung kommt, meint, dass es wirtschaftlich<br />

und diese enorme Produktion an Hähnchen notwendig sei. Experten hingegen warnen vor<br />

einer massiven Überproduktion. In Wietze soll jetzt sogar ein Stall durch das Land mitfinanziert<br />

werden. Aus diesen Gründen hat die <strong>SPD</strong> die Anfrage gestellt. Ergebnis: Frau Grotelüschen hält<br />

alles für in Ordnung (obwohl der Staatssekretär Herr Ripke da offensichtlich nicht ganz ihrer<br />

Meinung ist).<br />

Kultuspolitik: Die sogenannte „Oberschule“<br />

In der Aktuellen Stunde ging es unter anderem um das Thema: „Schulkonsens trotz FDP möglich?“<br />

Die Landesregierung hat das Konzept der „Oberschule“ – welches noch sehr vage<br />

formuliert ist– vorgelegt. Da es eben noch nicht sehr konkret formuliert ist, sage ich, dass es sich<br />

<strong>im</strong> Groben um eine Zusammenlegung von Haupt- und Realschule handelt. Zwar soll auch ein<br />

Oberstufenzweig an einer solchen Schule möglich sein, aber inwieweit dieser an einzelnen<br />

Schulen genehmigt wird, steht in den Sternen. Beabsichtigt von der Regierung war ein sogenannter<br />

„Schulkonsens“, das heißt, dass alle Bildungsbeteiligten diesem Konzept zust<strong>im</strong>men<br />

sollten. Als es allerdings zum Gespräch mit Kultusminister Althusmann kam, stand sein Konzept<br />

schon fest. Die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> und die anderen Oppositionsfraktionen sind von dem Ergebnis<br />

allerdings enttäuscht, sie hätten sich lieber integrierte Gesamtschulen gewünscht. Integrierte<br />

Gesamtschulen werden <strong>im</strong>mer noch benachteiligt in der Gründung <strong>im</strong> Vergleich zu „Oberschulen“,<br />

denn beispielsweise muss eine Oberschule nur zwei Klassen pro <strong>Jahr</strong>gang haben,<br />

während eine IGS mindestens vier Klassen über zehn <strong>Jahr</strong>e nachweisen muss. Außerdem will die<br />

Landesregierung 10 Mio. in die „Oberschulen“ stecken, während die integrierten Gesamtschulen<br />

keine zusätzliche Förderung bekommen. Diese Benachteiligung ist unter anderem wahrscheinlich<br />

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16 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

auf die FDP zurückzuführen, die ideologisch ziemlich festgefahren reagiert, daher auch diese<br />

Überschrift des <strong>SPD</strong>-Themas für die Aktuelle Stunde.<br />

An dieser Stelle würde ich gerne noch auf unseren Schul-Blog hinweisen. Dort stehen unsere<br />

Positionen zur Schullandschaft und es kann kontrovers diskutiert werden. Den Blog findet man<br />

unter: www.gute-schule-niedersachsen.de<br />

6.<br />

Vielfältige Arbeit <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

06.12.10<br />

Im folgenden würde ich Euch gerne einen kleinen Überblick über meine momentanen Aktivitäten<br />

hier in der <strong>Fraktion</strong> geben:<br />

Schul-Blog<br />

Seit Anfang November ist der Webblog der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> online: www.gute-schuleniedersachsen.de.<br />

Hier kann man neben den Positionen der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> zur Schullandschaft<br />

auch aktuelles aus der Schulpolitik in Niedersachsen erfahren. Kernstück dieses Internetauftritts<br />

soll die Diskussion um die niedersächsische Schulpolitik sein. Zusammen mit den <strong>SPD</strong>-<br />

Abgeordneten des Arbeitskreises „Kultus“ und der parlamentarischen Referentin Ute<br />

Wormland betreue ich diesen Webblog. Wenn Ihr Lust und Zeit habt, dann schaut doch mal<br />

rein und diskutiert mit!.<br />

Fachkräftemangel<br />

Bei vielen ist es sicher schon angekommen: In Deutschland herrscht Fachkräftemangel.<br />

Besonders <strong>im</strong> akademischen Bereich und <strong>im</strong> sozialen Sektor fehlen Arbeitskräfte. Die <strong>SPD</strong>-<br />

Abgeordneten des Arbeitskreises „Arbeit, Wirtschaft und Verkehr“ und des Arbeitskreises<br />

„Wissenschaft und Kultur“ beschäftigen sich nun mit der Problematik. Im Frühjahr soll ein<br />

Expertentreffen stattfinden, damit die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> einen genaueren Überblick über die<br />

aktuelle Situation des Fachkräftemangels bekommt. Da der zuständige Referent für Wirtschaft,<br />

Bernd Maschke, uns zum Ende des <strong>Jahr</strong>es verlassen wird, bin ich nun derjenige, der dieses<br />

Thema mitbearbeitet.<br />

Klausur Arbeitskreis „Umwelt“<br />

Am 17. und 18. November haben sich die Umweltpolitiker der <strong>Fraktion</strong> zu einer Klausurtagung<br />

mit Bereisung in Bleckede/Hitzacker an der Elbe getroffen. Da das FSJ <strong>Politik</strong> dazu da<br />

ist möglichst genau und viele politische Prozesse zu erleben, war dies für mich natürlich eine<br />

willkommene Gelegenheit mitzufahren, zumal ich auch umweltpolitische Themen habe, mit<br />

denen ich mich beschäftige.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Früh morgens ging es los, auf zum Elbschloss in Bleckede. Dort haben wir nach dem ersten<br />

Teil der Klausurtagung am Vormittag die naturkundliche Ausstellung <strong>im</strong> Elbschloss besichtigt.<br />

Am Nachmittag haben wir uns mit Umweltspezialisten und lokalen <strong>SPD</strong>-Leuten getroffen. Am<br />

Abend in Hitzacker ging es dann während des Essens um den Castortransport. A propos<br />

Castor, Gorleben ist nur wenige Kilometer von Hitzacker entfernt und überall an Straßen und<br />

Häusern war noch der Widerstand zu erkennen. Nicht wenige Häuser der Region waren noch<br />

mit gelben Kreuzen „geschmückt“. Neben Weihnachts- und Osterdekoration scheinen die<br />

Menschen <strong>im</strong> Wendland auch eine „herbstliche Castor-Deko“ zu haben.<br />

Am nächsten Tag ging es zur „Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue“ in<br />

der Altstadt von Hitzacker. Dieses<br />

Biosphärenreservat ist eine Art<br />

Schutzlandschaft, es soll eine nachhaltige<br />

und natürliche Umwelt erforscht<br />

und gewährleistet werden.<br />

Der größte Teil des Tages wurde<br />

allerdings zur Fortsetzung der<br />

Klausur verwendet. Bis es denn am<br />

späten Nachmittag zur Besichtigung<br />

der neu erbauten Hochwasserschutzmaßnahmen<br />

um Hitzacker<br />

ging. Was machen die<br />

<strong>Politik</strong>er eigentlich inhaltlich auf<br />

einer Klausur? Es werden aktuelle<br />

Brisante Themen besprochen, An-<br />

fragen an die Landesregierung<br />

werden ausgewertet,<br />

parlamentarische Initiativen werden<br />

geplant, Schwerpunktthemen für<br />

die nächsten Monate werden gesetzt und diskutiert wird natürlich auch.<br />

Forum Inklusion und Bionetz Berlin<br />

Gemeinsames Gruppenfoto von den Klausurteilnehmerinnen<br />

und –teilnehmern<br />

Die niedersächsische <strong>SPD</strong> hat „Foren“ zu best<strong>im</strong>mten Themengebieten eingerichtet, um sich<br />

mit Experten und Interessierten auszutauschen. Schon <strong>im</strong> Oktober habe ich mich mit dem<br />

sozialpolitischen Forum zur Inklusion beschäftigt. Inklusion? Was ist das? Als ich bei der<br />

<strong>Fraktion</strong> anfing wusste ich nichts mit dem Begriff anzufangen. Inklusion bedeutet beispielsweise<br />

die Integration von Jugendlichen mit Behinderung in die „normalen“ Schulformen, sie<br />

sollen dann nicht mehr vorrangig auf Förderschulen für Behinderte gehen. Am 26. März 2009<br />

ist die UN-Menschenrechtskonvention völkerrechtlich in Kraft getreten, welche besagt, dass<br />

allen Menschen die gleiche gesellschaftliche Teilhabe gebührt - unabhängig von Behinderungen.<br />

Das Ganze sollte jetzt landespolitisch umgesetzt werden, zwar sagt die<br />

CDU/FDP-Regierung, dass dies geschehen werde, aber es passiert rein gar nichts.<br />

Leider konnte ich an diesem Forum nicht teilnehmen, da ich nach Berlin gefahren bin, um<br />

mich über den Sektor „Biogas“ mit Experten auszutauschen. Organisiert wurde das Ganze von<br />

der Deutschen Umwelthilfe e.V., diese hat das „Bionetz Berlin“ gegründet. Eingeladen sind<br />

Unternehmer, <strong>Politik</strong>er, Wissenschaftler, Umwelt- und Wirtschaftsverbände.<br />

Bemerkenswerterweise war ich der einzige, der aus einem Landtag kam. Zuerst wurde über<br />

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18 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Einspeise- und Vernetzungsmöglichkeiten in der Branche referiert, danach ging es los mit<br />

einer Diskussion zur Akzeptanz von Biogasanlagen. In der kurzen Pause wurde ich auch sogleich<br />

auf die prekäre Situation in manchen Gebieten Niedersachsens angesprochen. Leider<br />

konnte ich nicht bis zum Ende bleiben, da der letzte Zug schon um 21:00 Uhr zurück nach<br />

Hannover fuhr.<br />

Biogasanlagen und Massentierhaltung<br />

Seit Mitte/Ende Oktober habe ich mich intensiv mit Biogasanlagen und Massentierhaltungsanlagen<br />

in Niedersachsen auseinandergesetzt. Wie gesagt, schwindet in einigen Gebieten die<br />

Akzeptanz solcher Anlagen mehr und mehr aufgrund der Anhäufung. In den Landkreisen<br />

Emsland, Cloppenburg, Vechta, Oldenburg und in der Grafschaft Benthe<strong>im</strong> stehen massig<br />

Biogas- und Massentierhaltungsanlagen. Hauptproblem bei erhöhter Anzahl von Biogasanlagen<br />

ist die vermehrte Nutzung der Energiepflanze „Mais“, welche in manchen Teilen des<br />

Landes auf über 2/3 der Ackerfläche wächst. Durch diese Monokulturen kommt es zur<br />

Bodenauswaschung, ganz zu schweigen von der Ausbreitung von Schädlingen.<br />

Außerdem ist auf etwa 62% der Landesfläche das Grundwasser in einem „schlechten<br />

chemischen Zustand“, es kommt zum vermehrten Stickstoffeintrag durch die Ausbringung der<br />

Gärreste und des Mistes aus den Massentierhaltungsanlagen. Im Emsland weiß man inzwischen<br />

gar nicht mehr, wohin man mit dem Mist soll, denn laut Düngeverordnung ist der<br />

Stickstoffeintrag pro Fläche begrenzt. Das Grundwasser muss also mithilfe von finanziellen<br />

Zuschüssen wieder Denitrifiziert werden, damit es genießbar ist. Schaut man sich eine deutschlandweite<br />

Karte an, auf der der Grundwasserzustand gekennzeichnet ist, so kann man deutlich<br />

erkennen, wie schlecht es um den niedersächsischen Grundwasserzustand bestellt ist <strong>im</strong> Vergleich<br />

zum Rest Deutschlands.<br />

Bei Massentierhaltungsanlagen sind nicht nur die Schadstoffausstöße problematisch, nein, auch<br />

die Wirtschaftlichkeit und das Wirtschaften dieser Betriebe werden in Frage gestellt.<br />

Beispielsweise müssen Arbeiter in dieser Branche zu Dumpinglöhnen arbeiten. Darüber muss<br />

die Landwirtschaftsministerin Grotelüschen, die aus dieser Branche kommt, eigentlich Bescheid<br />

wissen! Frau Grotelüschen ist als Landwirtschaftsministerin auch oberste Tierschützerin,<br />

aber von Tierschutz und artgerechter Haltung in den meisten dieser Massentierhaltungsanlagen<br />

kann wahrlich nicht die Rede sein. Die Tiere werden mit Antibiotika vollgepumpt,<br />

damit wird einerseits das Fleischwachstum angeregt und andererseits werden die<br />

Schmerzen gelindert, die diese Tiere haben, weil sie über Entzündungen und Geschwülste verfügen,<br />

die sie unter anderem durch den Platzmangel und das Liegen in ihren eigenen Exkrementen<br />

bekommen haben. Dieser Prozess, bei dem sich die Landschaft bzw. Landwirtschaft<br />

zunehmend durch Maismonokulturen und Massen an Biogasanlagen und Massentierhaltungsanlagen<br />

auszeichnet, wird oft als „Emslandisierung“ beschrieben, da die Situation <strong>im</strong> Emsland<br />

am gravierendsten ist. Es scheint, als greife diese Emslandisierung <strong>im</strong>mer mehr um sich; nun<br />

zeigt sich dieser Trend auch in weiteren Regionen. Doch Ministerin Grotelüschen findet alles<br />

okay, so wie es ist!<br />

Finanzkongress und Haushalt<br />

Am Samstag, den 27. November 2010, habe ich an meiner ersten Großveranstaltung der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> teilgenommen. Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Staat in der Finanzklemme“.<br />

Anlass zu dieser Veranstaltung gaben natürlich die ca. 50 Mrd. € Schulden Nieder-


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

sachsens. Die <strong>SPD</strong> hat in drei Gruppen Antworten gesucht, wie man noch aktive <strong>Politik</strong> bei<br />

weiterem Schuldenabbau gestalten kann. Besonders wurde auf die Themen „Daseinsvorsorge“,<br />

„<strong>Soziales</strong>“ und „Bildung“ eingegangen. Es waren etwa 140 Teilnehmer vor Ort.<br />

Diese Woche ist Plenarwoche und zwar die wohl längste des <strong>Jahr</strong>es, denn es geht um die<br />

Haushaltspolitik des nächsten <strong>Jahr</strong>es. Die <strong>SPD</strong> hat Vorschläge für einen alternativen Haushalt<br />

gemacht, mit dem es – trotz Abschaffung der Studiengebühren und Mehrausgaben für Bildung<br />

– möglich ist, die Schulden weiter zurückzufahren.<br />

Nächste Woche bin ich auf meinem zweiten Bildungsseminar <strong>im</strong> Rahmen des FSJ <strong>Politik</strong>.<br />

Diese „Orientierungstage“ werden in Meppen stattfinden. Es wird um die eigenen Fähigkeiten<br />

<strong>im</strong> Bezug auf die Berufswahl gehen, aber dazu mehr <strong>im</strong> nächsten Beitrag.<br />

7.<br />

Die Schlacht zu Meppen – „Orientierungsseminar“ <strong>im</strong> Emsland<br />

16.12.2010<br />

Am Montag, den 13. Dezember, ging es<br />

mit dem Niedersachsen-Ticket früh<br />

morgens auf ins Emsland zum zweiten<br />

Seminar <strong>im</strong> Rahmen des FSJ <strong>Politik</strong>.<br />

Dieses zweitägige „Orientierungsseminar“<br />

in der Jugendherberge Meppen<br />

hatten wir mit der FSJ Kultur-Gruppe aus<br />

dem Bereich Ostfriesland/Emsland/Osnabrück<br />

zusammen.<br />

Spurensuche vs. Kommunikation<br />

Nachdem wir in der Jugendherberge Mittag gegessen hatten, ging es kurz in die beiden<br />

Gruppen. Danach wurden alle Teilnehmer gemischt und es wurden zwei Werkstätten angeboten.<br />

Tobias Kick, Koordinator der FSJ Kultur-Gruppe, machte etwas zu<br />

„Kommunikation“ und Julia Wurzel, unsere Koordinatorin, bot das Thema „Spurensuche“<br />

an. Da ich mir noch nicht sicher bin, wie es für mich beruflich nach meinem FSJ weitergeht,<br />

habe ich die „Spurensuche“ gewählt. Ziel dieses Workshops war es, sich mit seinen eigenen<br />

Fähig- und Fertigkeiten auseinanderzusetzen, sich mit Fremdeinschätzungen zur eigenen<br />

Person zu beschäftigen und vielleicht sogar herauszufinden, was man später machen möchte<br />

<strong>im</strong> beruflichen Leben. Einige wussten schon Bescheid, was sie werden wollen und suchten<br />

Bestätigung, andere, so wie ich, wussten nicht genau, was sie später machen wollen. Viele<br />

wissen es zwar <strong>im</strong>mer noch nicht, aber es war interessant sich einmal intensiv einen ganzen<br />

Fabian Claussen S e i t e | 19


Nachmittag damit zu beschäftigen.<br />

FSJ <strong>Politik</strong> vs. FSJ Kultur<br />

20 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Für den Abend gab es die Idee politisch in die Diskussion zu kommen, weil das auf unserem<br />

letzten Seminar etwas zu kurz kam. Unsere Koordinatorin hatte mich angesprochen, ob ich<br />

nicht Lust hätte dies zu organisieren. Ich habe dann ein Planspiel zur Regierungskoalitionsbildung,<br />

welches ich <strong>im</strong> Rahmen meiner damaligen Facharbeit in der Schule entworfen<br />

hatte, für diesen Anlass weiterentwickelt. Allerdings waren die meisten von uns viel zu müde<br />

nach diesem anstrengenden Tag noch in politische Schlachten zu ziehen, darin bestand<br />

Konsens. So blieb uns dennoch eine Schlacht mit den FSJ Kultur-Leuten draußen <strong>im</strong><br />

Schnee. Gerecht war diese Schlacht sicher nicht, denn zahlenmäßig waren uns die anderen<br />

überlegen. Letztendlich haben wir unsere FSJ <strong>Politik</strong>-Ehre trotzdem wacker verteidigt. ;)<br />

Teamrollen vs. Stressmanagement<br />

Am Dienstagmorgen haben vermutlich viele<br />

eine Schlacht mit sich selbst geführt, um überhaupt<br />

aufzustehen, denn noch bis spät in die<br />

Nacht haben einige die Flure der Jugendherberge<br />

unsicher gemacht. Auch am zweiten<br />

Tag gab es wieder zwei Angebote: „Stressmanagement“<br />

und „Meine Rolle <strong>im</strong> Team“. Im<br />

„Stressmanagement“-Workshop hat Tobias<br />

Kick gezeigt, wie man sich entspannt. Dazu gab<br />

es zum Beispiel Yoga-Übungen. In dem anderen<br />

Workshop, den ich gewählt hatte, brachte Julia<br />

Wurzel uns die Teamrollen-Theorie nach Belbin<br />

näher. Wir haben uns selber eingeschätzt,<br />

welche Teamrolle wir in einer Gruppe nach<br />

Belbin einnehmen würden und wie uns die<br />

anderen einschätzen. Denn Abschluss bildete<br />

ein Gruppenspiel namens „Überquerung des<br />

Moorpfads“: Die ganze Gruppe sollte auf zehn<br />

Getränkekisten eine Strecke <strong>im</strong> Schnee überwinden,<br />

ohne den Boden zu berühren. Wenn eine Kiste aber nicht mehr berührt wurde,<br />

dann flog diese aus dem Spiel. Bilanz: Chaos, 2 „Tote“, die es nicht geschafft haben auf den<br />

Kisten zur anderen Seite zu kommen, und Frust in der Gruppe über unzureichende<br />

Kommunikation. Dennoch: Es hat Spaß gemacht.<br />

An dieser Stelle möchte ich Euch ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest wünschen und<br />

einen guten Rutsch ins neue <strong>Jahr</strong>! Und denjenigen, die kein Weihnachten feiern wünsche ich<br />

eine schöne Winterzeit (aber natürlich auch allen anderen ;-) ). Vom 23. Dezember bis zum<br />

2. Januar habe ich frei. Im Januar geht es dann frisch weiter mit dem nächsten Beitrag.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

8.<br />

Von misslungener <strong>Politik</strong> - Ein Kommentar<br />

18.01.2011<br />

Ich weiß, es ist relativ spät, dennoch wünsche ich allen ein frohes neues <strong>Jahr</strong> - auch wenn<br />

Schwarz-Gelb weiter in Bund und Land regieren und nicht gerade vorbildliche <strong>Politik</strong><br />

machen.<br />

Die vergebliche Suche nach Verantwortung<br />

Aber dennoch, ich muss die Landesregierung einmal loben: Welches bessere Weihnachtsgeschenk<br />

konnte Schwarz-Gelb den Niedersachsen geben, als den „Rausschmiss“ von der<br />

deplatzierten – nun ehemaligen - Agrarministerin Grotelüschen? Zugegeben, dass eine solch<br />

inadäquate Besetzung des Landwirtschaftsministeriums überhaupt zustande gekommen ist,<br />

ist schon ein krasser Fauxpas!<br />

Der Dioxin-Skandal hingegen war wohl kein Weihnachtsgeschenk. Bedauernswerterweise<br />

hat die Landesregierung am Verbraucherschutz gespart. Durch eine kleine Anfrage an die<br />

Landesregierung wurde deutlich, dass sie gar keinen Überblick über die Lebensmittelkontrolleure<br />

hat, denn diese Aufgabe, die früher nicht ohne Grund vom Land Niedersachsen<br />

wahrgenommen wurde, wurde an die Kommunen abgegeben <strong>im</strong> Zuge der Sparmaßnahmen.<br />

Herrlich, wie sehr sich doch unsere liebe Landesregierung um uns kümmert!<br />

Es ist doch traurig, dass der ganze Dioxin-Skandal nur durch eine Selbstanzeige ans Tageslicht<br />

gekommen ist, und das System wird dann auch noch gelobt! Der Staatssekretär weiß<br />

offensichtlich selbst nicht Bescheid, was in „seinem Haus“ passiert und es kommt zu<br />

„Kommunikationsschwierigkeiten“ zwischen Aigner und der Landesregierung. Dabei wäre<br />

es doch so schön, wenn die Exekutiven endlich mal Hand in Hand effektiv für uns arbeiten<br />

würden! Mit Frau Grotelüschen wäre das ganze wohl auch nicht besser gelaufen, sie hätte<br />

die Futtermittelindustrie wahrscheinlich noch geschützt! Aber jetzt wird der neue Retter<br />

angekündigt: Gert Lindemann. Ich sage mal: Es kann nur besser werden, die letzten Monate<br />

der Landwirtschaftspolitik vom Kabinett McAllister waren einfach nur enttäuschend und<br />

peinlich.<br />

Eine Unverschämtheit vor dem Herren<br />

Gerade habe ich eine Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums gelesen, in der Gert<br />

Lindemann bereits als „Landwirtschaftsminister“ Niedersachsens deklariert wird. Weiß die<br />

Landesregierung eigentlich, wie jemand Minister in diesem Land wird? Ich bin entsetzt! In<br />

der Niedersächsischen Verfassung, Artikel 29 „Regierungsbildung“, heißt es in Absatz 4:<br />

„Die Berufung und Entlassung eines Mitglieds der Landesregierung durch die Ministerpräsidentin<br />

oder den Ministerpräsidenten nach der Bestätigung bedarf der Zust<strong>im</strong>mung des<br />

Landtages.“ Frau Grotelüschen ist nach dem Dezemberplenum „gegangen worden“, das<br />

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22 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

nächste Plenum ist erst morgen (19.01.) – wie kann also ein Gert Lindemann schon Landwirtschaftsminister<br />

sein? Haben sich die Landtagsabgeordneten he<strong>im</strong>lich über Weihnachten<br />

getroffen und die Sache beschlossen? Oder denkt die abgehobene schwarz-gelbe Landesregierung,<br />

sie brauche die Verfassung nicht zu achten? Die Volksvertreter sind <strong>im</strong>mer noch<br />

die Landtagsabgeordneten, was für eine Unverfrorenheit diese einfach zu übergehen! Es ist<br />

nicht nur eine Unverschämtheit vor dem Herren, sondern vor allem vor uns Niedersachsen!<br />

9.<br />

Freie Bildungstage <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

31.01.2011<br />

Nach einem ereignisreichen <strong>Jahr</strong>eswechsel in der Landwirtschafts- und Verbraucherschutzpolitik<br />

hatte ich Mitte Januar mein 3. Seminar <strong>im</strong> Rahmen der „Freien Bildungstage“.<br />

„Kreative Präsentationen“<br />

Jede/r Freiwillige, die/der ein FSJ <strong>Politik</strong> oder Kultur in Niedersachsen absolviert, wählt <strong>im</strong><br />

Rahmen der sogenannten „Freien Bildungstage“ ein dreitägiges Seminar an, welches<br />

ihr/ihm gefällt. Dabei hat man die Auswahl zwischen etwa zehn verschiedenen, berufsvorbereitenden<br />

Seminaren, die ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben. Also konnte man<br />

individuell entscheiden, was man gerne machen möchte. Als Erstwunsch gab ich das<br />

Seminar „Potenzialanalyse“ an, dabei sollte es darum gehen, seine Stärken und Schwächen<br />

besser zu erkennen. Da dieses Seminar von sehr vielen angewählt worden war, bekam ich<br />

eine Einladung zu meinem Zweitwunsch: „Kreative Präsentationen“.<br />

Vom 13. bis 15. Januar bildeten wir uns also <strong>im</strong> Tagungshaus „Gleisdreieck“, hier in<br />

Hannover, fort. „Wir“ ist eine kleine Gruppe von Freiwilligen gewesen, wobei ich der einzige<br />

war, der ein FSJ <strong>Politik</strong> absolvierte; die anderen kamen alle vom FSJ Kultur. Die<br />

Leitung übernahm eine ehemalige Mitarbeiterin der LKJ, die nun selbstständig <strong>im</strong> Bereich<br />

„Unternehmensberatung/Personalcoaching“ tätig ist. Inhaltlich ging es darum,<br />

Präsentationen zu halten und freies Sprechen zu trainieren. Die Referentin versorgte uns mit<br />

einer großen Zahl verschiedener Übungen und hilfreicher Tipps. Wir haben innerhalb dieser<br />

drei Tage etwa vier individuelle Präsentationen gehabt, und teilweise wurde dies zur<br />

kritischen Selbstanalyse hinterher aufgezeichnet. Insgesamt muss ich sagen, dass mir das<br />

Seminar gut gefallen hat und es hilfreich war, das Referieren zu üben.<br />

Jetzt für das FSJ <strong>Politik</strong> bewerben!<br />

An alle interessierten Jugendlichen, die sich für politische Prozesse interessieren und einmal<br />

hinter die Kulissen schauen möchten: Noch bis zum 31. März 2011 kann man sich bei der<br />

Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung in Niedersachsen e.V. (LKJ) für den dritten<br />

<strong>Jahr</strong>gang des FSJ <strong>Politik</strong> bewerben! Auf der Internetseite der LKJ


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

(http://www.lkjnds.de/index.php?fsj_politik) findet man die nötigen Bewerbungsbögen<br />

und alle weiteren Informationen. Am 25. und 26. Februar findet <strong>im</strong> Hannover Congress<br />

Centrum (HCC) die Bildungsmesse statt. Die LKJ wird dort mit einem Stand vertreten sein<br />

und unter anderem über das FSJ <strong>Politik</strong> informieren. Am Freitag, den 25. Februar, werde<br />

ich voraussichtlich auch dabei sein. ;) Das nächste Mal werde ich Euch wahrscheinlich von<br />

der nächsten FSJ <strong>Politik</strong> Veranstaltung berichten. Dies wird eine einwöchige polnisch<br />

deutsche Jugendbegegnung in Kreisau (Polen) sein.<br />

10.<br />

Grenzenlose Freiheit –<br />

Jugendbegegnung in Polen Teil 1<br />

23.02.2011<br />

Vom 14.-18. März stand das nächste FSJ <strong>Politik</strong>-Seminar an: Eine deutsch-polnische<br />

Jugendbegegnung in Kreisau (Polen, Niederschlesien). Unter dem Motto „Freiheit grenzenlos<br />

– Wolnosc bezgraniczna“ fand dieses binationale Treffen statt.<br />

Hinreise und Ankunft<br />

In aller Frühe trafen wir uns um 7:15 Uhr am Hauptbahnhof in Hannover, um über Berlin<br />

und Legnica nach Kreisau zu fahren. In Berlin angekommen und den kompletten Hauptbahnhof<br />

dort vertikal durchquert, hatten wir anfangs Schwierigkeiten unseren Waggon zu<br />

finden. Bis wir dann feststellen mussten, dass unser Zugwagen gar nicht vorhanden war an<br />

diesem Zwei-Wagen-Zug! Glücklicherweise durften wir es uns daher auf den Plätzen der 1.<br />

Klasse gemütlich machen. Als wir die deutsch-polnische Grenze überquerten, wurde der<br />

Zug plötzlich langsamer, sogar so manches ältere Auto überholte uns. Vermutlich führ der<br />

Zug so „gemütlich“, weil die Gleise schon älter waren. So hatten wir aber wenigstens Zeit<br />

die graue Landidylle Polens zu genießen. Irgendwann standen wir dann ohne Lok für eine<br />

halbe Stunde an einem Bahnhof <strong>im</strong> Nichts, aber wir nahmen es mit Humor. ;-) In Legnica<br />

angekommen, empfing uns in der Eiseskälte der kleine Bus, der uns in teils rasanter Fahrt<br />

über die teils sehr holprigen Straßen nach Kreisau brachte. Erschöpft haben wir dann<br />

unsere Z<strong>im</strong>mer bezogen.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 23


Begegnung mit der polnischen Partnergruppe<br />

Zuerst war das<br />

Zusammentreffen<br />

distanziert, was<br />

ganz normal ist,<br />

wenn man sich<br />

nicht kennt, aber<br />

zunehmend haben<br />

sich die Gesprächsgruppen<br />

<strong>im</strong><br />

Laufe der ersten<br />

Tage gemischt und<br />

die Nationalität –<br />

wie es auch sein<br />

sollte – geriet in<br />

den Hintergrund.<br />

Dennoch war die<br />

Kommunikation<br />

nicht so einfach,<br />

denn wir FSJ<br />

<strong>Politik</strong>-<br />

Absolventen konnten<br />

kein polnisch<br />

24 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Die gesamte deutsch-polnische Seminargruppe auf der Treppe, die<br />

ins Gutshaus führt.<br />

und viele polnische Teilnehmer kein Deutsch. Selbst englisch konnten viele nicht, also<br />

musste fast alles in zwei Sprachen übersetzt werden. Die polnischen Teilnehmer kannten<br />

sich untereinander vorher nicht, die meisten waren Studenten. Einen Altersunterschied gab<br />

es nicht oder er war nicht zu spüren. Die gemeinsamen Abende waren heiter und führten<br />

nicht selten zu Müdigkeit am nächsten Tag.<br />

Besichtigungstour über das Gut: Ja, es war kalt!<br />

Das Gut von Moltke und der<br />

Kreisauer Kreis<br />

Der ehemalige Gutshof, in dem heute<br />

die internationale Begegnungsstätte<br />

untergebracht ist und von der Stiftung<br />

Kreisau unterhalten wird, gehörte der<br />

Familie von Moltke, einer aristokratischen<br />

und adligen Familie. Helmut<br />

James Graf von Moltke war ein Widerstandskämpfer<br />

<strong>im</strong> Dritten Reich und<br />

gründete den Kreisauer Kreis, ein Zusammenschluss<br />

von Protestanten,<br />

Katholiken, Aristokraten und Sozial-


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

demokraten, die das Ziel hatten eine neue Verfassung für das „Deutsche Reich“ zu erarbeiten.<br />

Die Widerstandsgruppe bestand aus vielen Mitgliedern und Treffen fanden auch<br />

an anderen Orten als in Kreisau statt, aber die wichtigsten waren <strong>im</strong> kleinen Kreisau auf<br />

dem Gut von Moltke, daher wurde die Gruppe „Kreisauer Kreis“ genannt. Der Gutshof<br />

wurde seitdem renoviert und zum Teil neu aufgebaut. Am Dienstagmorgen haben wir uns<br />

mit dem Kreisauer Kreis thematisch auseinandergesetzt.<br />

Verworrene Parteien am Abend<br />

Dienstagabend drehte sich alles um <strong>Politik</strong> und Gesellschaft in den beiden Nachbarländern.<br />

Für den ersten Teil des Abends haben wir uns die jeweiligen Parteienlandschaften angeschaut.<br />

Die Deutschen haben die Kürzel der polnischen Parteien bekommen, Fotos von<br />

deren Spitzenpolitikern<br />

und<br />

Parteiprogramme.<br />

Die Polen<br />

haben das<br />

Gleiche von<br />

den deutschen<br />

Parteien bekommen.<br />

In<br />

Kleingruppen<br />

war es nun<br />

unsere Aufgabe<br />

zu unserem<br />

Parteikürzel das<br />

richtige Foto<br />

und das richtige<br />

Parteiprogramm<br />

zu<br />

suchen und eine<br />

Wahlkampfrede<br />

zu verfassen.<br />

Ich werbe für die „SLD“ in meiner politischen Rede.<br />

Meine Gruppe hatte die SLD (Bund der Demokratischen Linken). In einer Rede proklamierte<br />

ich anschließend die „SLD – the Future Party of Poland“. Lustig wurde es<br />

allerdings, als plötzlich die Linke Privatisierung forderte und die FDP sich als Partei des<br />

Gemeinwohls aufspielte. Und das Foto von Christian Wulff hing unter der Schrift „Bündnis90/Die<br />

Grünen“. Nach 10 kurzen und knackigen Wahlkampfreden spielen wir in 4<br />

Gruppen „Der Große Preis“ mit Fragen aus Kultur und <strong>Politik</strong> der beiden Länder. Meine<br />

Gruppe belegte Platz zwei.<br />

So, das war der erste Teil unserer Fahrt nach Polen. Das nächste Mal erzähle ich dann von<br />

demokratischem Theater und dem Theater, das wir in Breslau veranstaltet haben. Außerdem<br />

werde ich euch von Zwergen und Idioten erzählen.<br />

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26 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

11.<br />

Freiheit und Flashmob –<br />

Jungendbegegnung in Polen Teil 2<br />

28.03.2011<br />

Nun Teil zwei unseres FSJ <strong>Politik</strong>-Seminars „Freiheit grenzenlos – Wolnosc bezgraniczna“<br />

in Polen. Eine zwar kalte, aber interessante Reise in die politische Kultur Polens und des<br />

Theaters.<br />

Orange Alternative<br />

Am Mittwochvormittag haben<br />

wir uns mit der Bewegung der<br />

„Orangenen Alternative“ auseinandergesetzt.<br />

Die „Orange<br />

Alternative“ ist in den 1980er<br />

<strong>Jahr</strong>en zu Zeiten des Sozialismus<br />

in Polen entstanden und stellte<br />

eine Art kulturelle Opposition<br />

dar. Sie gingen auf die Straße, um<br />

für politische Freiheit zu<br />

demonstrieren. Wobei der Zwerg<br />

eine Art Maskottchen wurde,<br />

denn Reg<strong>im</strong>e kritische Sprüche<br />

an Hauswänden wurden damals<br />

vom Staat weiß übermalt und die<br />

Anhänger der „Orangenen<br />

Alternative“ zeichneten auf<br />

Major Waldemar Frydrich (mit oranger Mütze) erzählt<br />

von seinen Erfahrungen auf Demonstrationen und<br />

Agnieszka Couderq-Kubas (in Pink) ergänzt seine<br />

Erzählungen.<br />

diesen übermalten Flächen Zwerge. Damit wusste jeder, was gemeint war. Außerdem verkleideten<br />

sie sich als Zwerge und gingen zu Hunderten auf die Straße. Die Demonstrationen<br />

waren in der Regel friedlich und sollten die staatliche Gewalt lächerlich machen, indem die<br />

Polizei „friedliche Zwerge verhaftete“. Die gesamte Bewegung ging von Breslau (Wroclaw)<br />

aus und einer der „Anführer“ war Major Waldemar Frydrich. Er und Agnieszka Couderq-<br />

Kubas von der heutigen „Stiftung Orange Alternative“ waren am Mittwochvormittag zu<br />

einem Zeitzeugengespräch aus Warschau gekommen und hatten sich den ganzen Tag für<br />

uns Zeit genommen.<br />

Wir haben übrigens auch diese Mützen bekommen. Zur Einführung gab es ein Referat von<br />

einer Studentin aus Dresden, die auch anschließend die deutsch-polnische Moderation<br />

übernahm. Zur letzten Stadtratswahl in Warschau ist die „Orange Alternative“ mit der Liste


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

„Zwerge und Idioten“ angetreten. Sie sind offensichtlich nun eher eine gesellschaftskritische<br />

Bewegung zu sein. Ursprünglich kam die Bewegung also aus dem Volk und hat für<br />

kulturelle Vielfalt und politische Freiheit „gekämpft“, heute ist sie zwar <strong>im</strong>mer noch Verfechter<br />

der kulturellen Vielfalt, kritisiert aber auch die Lebenseinstellung der Bürger.<br />

Theaterworkshop<br />

Aus der Tschechischen Republik kam<br />

„Frank“, ein Experte in Sachen<br />

„ImProzesstheater“. Dies hat sich aus dem<br />

Theater der Unterdrückten von Augusto<br />

Boal entwickelt. „ImProzesstheater“ umfasst<br />

verschiedene Formen des „demokratischen<br />

Theaters“. Ich möchte hier nur zwei Formen<br />

erläutern: das „Forumtheater“ und das „unsichtbare<br />

Theater“.<br />

Im Forumtheater wird eine Szene gespielt,<br />

die der Zuschauer als äußerst unbefriedigend<br />

wahrn<strong>im</strong>mt, ihm wird aber Gelegenheit ge- Hinteransicht des Rathauses in Breslau<br />

boten diese Szene zu verändern, indem er<br />

selber zum Schauspieler wird. Ein Beispiel wäre das s<strong>im</strong>ulieren einer Parlamentssitzung.<br />

Unsichtbares Theater findet in der Öffentlichkeit statt, die Passanten wissen nicht, dass sie<br />

Zuschauer dieses Theaters sind. Das unsichtbare Theater hat das Ziel zum Denken anzuregen.<br />

So wird „unbemerkt“ auf Themen wie materielle Armut in einer reichen Gesellschaft,<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung von Migranten, Welthungerleiden,<br />

Homosexualität oder politische Kultur<br />

aufmerksam gemacht. Beispielsweise gab es eine<br />

Aktion, in der Leute (Schauspieler in diesem<br />

Fall) auf sich aufmerksam gemacht haben auf<br />

einem Platz. Es entstand ein Menschenauflauf,<br />

weil jeder wissen wollte, was dort los ist. Dann<br />

gab es „fingierte“ Gespräche von Schauspielerpaaren<br />

überall in der Menschenmenge verteilt,<br />

die sich darüber gestritten haben, ob nun für<br />

etwas oder gegen etwas demonstriert wird. Ziel<br />

war es, dass Demonstranten nicht gleich als<br />

„Dagegen-Leute“ abgestempelt werden, stattdessen<br />

sollte man <strong>im</strong>mer neutral an eine<br />

Demonstration herantreten und sich dann eine<br />

Meinung darüber bilden.<br />

Ich, Sören und Kamil (v. l. n. r.) vor dem<br />

Breslauer Ratshaus<br />

effekt hat es großen Spaß gemacht.<br />

Den Dienstag und den Mittwochnachmittag<br />

haben wir also damit verbracht Theater zu<br />

spielen – aber ganz neue Formen, die bisher<br />

noch keiner von uns kannte. Am Anfang war<br />

das Ganze zwar etwas holprig, aber <strong>im</strong> End-<br />

Fabian Claussen S e i t e | 27


Breslau und Flashmob<br />

Kamil, Monica, Sören und ich (v. r. n. l.) mit<br />

"unserem" Zwerg Sisyphos<br />

28 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Am Donnerstag hieß es dann: Auf<br />

nach Breslau! Auf Polnisch heißt<br />

Breslau „Wroclaw“ (gesprochen:<br />

Rotzwaw). Dort startete die Orange<br />

Alternative mit ihrem Protest und in<br />

Erinnerung sind überall in der<br />

Innenstadt kleine Zwergfiguren<br />

aufgestellt. Nach einer 1,5-stündigen<br />

Busfahrt, auf der ich auch kurz über<br />

die Ereignisse in Libyen berichtete,<br />

mussten wir in Kleingruppen einen<br />

dieser Zwerge anhand von Fotos<br />

finden. „Unseren“ Zwerg haben wir<br />

(Monica, Kamil, Sören und ich) auf<br />

Anhieb ausfindig gemacht. Sein<br />

Name war „Sisyphos“ nach dem<br />

griechischen Mythos. Wenn ihr euch<br />

das Bild anschaut, dann wisst ihr<br />

auch warum, denn auch dieser Zwerg verrichtet Sisyphusarbeit, schaut man auf die andere<br />

Seite der Kugel, so schiebt dort ein Zwerg und arbeitet entgegengesetzt zu „Sisyphos“.<br />

Im Theaterworkshop haben<br />

wir schon einen eigens<br />

kreierten Flashmob zum<br />

Thema Freiheit und Unterdrückung<br />

entwickelt, den wir<br />

in Breslau ausführen wollten.<br />

(Kurzinfo: Ein Flashmob ist<br />

eine abgesprochene Aktion,<br />

die von einer Gruppe in der<br />

Öffentlichkeit durchgeführt<br />

wird. Es sieht so aus, als<br />

würden sich Menschen aus<br />

allen Richtungen spontan<br />

entscheiden, etwas gemeinsam<br />

zu machen und<br />

genau das erregt die Aufmerksamkeit<br />

von<br />

Passanten.) Nachdem wir<br />

also einen Treffpunkt nach<br />

dem Flashmob ausgemacht<br />

Performance des Flashmobs <strong>im</strong> Einkaufszentrum, oben<br />

links <strong>im</strong> Bild die Personen, die die Freiheit verkörpern,<br />

vorne rechts die „Unterdrückten“


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

hatten und ein Anfangszeichen vereinbart hatten (Frank band seinen Schnürsenkel), konnte<br />

es losgehen. Wir verteilten uns auf dem Marktplatz, bis plötzlich alle von uns in die Mitte<br />

des Platzes gingen und wir uns in zwei Gruppen einteilten, die Freiheit und die Unterdrückten.<br />

Dazwischen war eine „Menschenmauer“. Ich kauerte als Unterdrückter auf dem<br />

Boden. Nach etwa 4 Minuten in Starre, durchbrach die „Freiheit“ die Mauer und befreite die<br />

Unterdrückten. Alle verschwanden in verschiedenen Richtungen, um sich hinterher am verabredeten<br />

Ort wiederzutreffen. Das Ganze führten wir auch noch einmal <strong>im</strong> Einkaufszentrum<br />

durch. Fazit: Auf dem Markt<br />

haben nur wenige inne gehalten und<br />

geschaut, wobei sich ein Mädchen einfach<br />

neben unsere „Mauer“ gestellt hat<br />

und sich hat fotografieren lassen. Im<br />

Einkaufszentrum allerdings haben einige<br />

Leute uns beobachtet und auch gefragt:<br />

„Was ist da los? Was machen die dort?“<br />

Ich fand die Aktion sehr spaßig und eine<br />

schöne Erfahrung, die jeder Mal gemacht<br />

haben sollte! Ich kann es nur<br />

empfehlen. Natürlich hatten wir auch<br />

ein bisschen Freizeit und sind durch die<br />

Schon nach wenigen Augenblicken erregten wir<br />

die Aufmerksamkeit der Passanten und wurden<br />

von oben beobachtet.<br />

vergessen.<br />

Abfahrt am Freitag<br />

polnische Großstadt gezogen. In einem<br />

ulkigen Kellergewölbe aßen wir zu Mittag.<br />

Bei einer heißen Schokolade (die in<br />

Polen wirklich schokoladig ist) ließ sich<br />

das kalte Wetter am Nachmittag schnell<br />

Freitagmorgen, nachdem wir gegenseitig<br />

Facefook-Profile ausgetauscht hatten, verließen<br />

die polnischen Teilnehmer zuerst die Tagungsstätte.<br />

Wir schauten vor unserer Abfahrt zum<br />

Bahnhof den Film „Strajk – Die Heldin von<br />

Danzig“, darin ging es um die wichtigste Mitbegründerin<br />

der „Solidarność“. Dies war die erste<br />

unabhängige Gewerkschaft Polens (es herrschte<br />

der Sozialismus), die maßgeblich zu einem<br />

politischen Umdenken beitrug. Emotional wird<br />

die Geschichte von Anna Walentynowicz dem<br />

Zuschauer näher gebracht. Eine lange – aber<br />

unterhaltsame – Rückfahrt über Dresden und<br />

Paulina, Anja und ich (v. r. n. l.)<br />

Berlin nach Hannover bildete den Abschluss unserer binationalen Jugendbegegnung.<br />

Insgesamt gefiel mir die Fahrt nach Polen sehr gut und ich bin froh unser großes östliches<br />

Nachbarland etwas näher kennengelernt zu haben. Am besten haben mir der politische<br />

Abend und das Theater gefallen. Das kalte Wetter allerdings war nicht ganz so prickelnd,<br />

aber das Seminar hat sich in politischer, kultureller und nicht zuletzt in sozialer Hinsicht<br />

Fabian Claussen S e i t e | 29


gelohnt.<br />

30 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

12.<br />

Wort des <strong>Jahr</strong>es: Plagiat – Ein Kommentar<br />

28.02.2011<br />

Als die ersten Vorwürfe laut wurden, zu Guttenberg habe Mengen an Fußnoten „vergessen“,<br />

und er daher des Raubes geistigen Eigentums bezichtigt wurde, habe ich mich<br />

dezent zurückgehalten und sah es eher als Hetze gegenüber zu Guttenberg. Wenn sich dies<br />

nämlich bewahrheiten würde, dann schüre das nur die <strong>Politik</strong>verdrossenheit. Die Menschen<br />

wären enttäuscht, ein <strong>Politik</strong>er zweifelsohne mit Ausstrahlung und dann führt er sie so<br />

hinters Licht… Nun, es ist so gekommen. Keiner kann mir erzählen, dass zu Guttenberg<br />

das nicht gewusst hat, auch wenn er es am Anfang abstritt. Dann aber doch gravierende<br />

Mängel feststellen musste und freiwillig den Doktortitel abtrat. Ich halte zu Guttenberg für<br />

intelligent genug, dass ihm diese „gravierenden Mängel“ hätten auffallen müssen – außer<br />

natürlich er hat die Arbeit selber nicht geschrieben.<br />

Ich habe mir die Debatte <strong>im</strong> Bundestag über zu Guttenbergs Plagiat-Affäre angeschaut und<br />

war beeindruckt, mit welch einer Selbstsicherheit er die Fragen seitens des Ple-nums beantwortete.<br />

Er wies darauf hin, dass er auch nur ein Mensch sei und Menschen würden<br />

Fehler begehen. Das st<strong>im</strong>mt, Menschen begehen Fehler, keine Frage, aber ich sah nur wenig<br />

Reue. So nach dem Motto: Ich bin so beliebt, mir wird das schon verziehen! Außerdem ist<br />

nicht jeder Mensch ein Minister und begeht Raub geistigen Eigentums. Geistiges Eigentum<br />

wird staatlich geschützt. Es hat ihn niemand gebeten die wissenschaftliche Ehre zu verletzen.<br />

Ist das nicht einfach nur peinlich? Zumal Merkel <strong>im</strong>mer beteuert hat, wie wichtig der<br />

Schutz des geistigen Eigentums ist.<br />

Dann relativiert er sein ganzes Vergehen auch noch damit, dass er Familie und Karriere und<br />

was er sonst noch alles aufgezählt hat unter einen Hut bringen musste. Ist es also in diesem<br />

Fall legit<strong>im</strong>iert abzuschreiben? Was für eine Frechheit! Ihm selber waren die Universitäten<br />

des Militärs unterstellt, auch dort kann man einen Doktor machen. Wie hätte er die behandelt,<br />

die an „seinen“ Unis des Plagiats beschuldigt worden wären? Wahrscheinlich gleich<br />

rausgeschmissen und bestraft, wie den ehemaligen Kom-mandanten der „Gorch Fock“.<br />

Scheinbar haben in seinen Augen Minister eine Sonder-stellung. Sie sind Menschen. Alle<br />

Menschen sind gleich, nur Minister sind gleicher!<br />

Er hat die ganze Menschengruppe der Doktoranden und der Graduierten in schlechtes<br />

Licht gestellt. Über ihre Doktortitel wird teilweise gewitzelt, aber sie finden es gar nicht<br />

witzig, dass so unachtsam mit ihrer Reputation umgegangen wird! Das kann man, den-ke<br />

ich, verstehen. Viele Studenten und auch angehende Doktoranden, mit denen ich gesprochen<br />

habe, finden es eine Unverschämtheit. Es hat Karl-Theodor zu Guttenberg doch<br />

niemand gezwungen seinen Doktortitel zu Ende zu machen, wenn er so beschäf-tigt ist!<br />

Nun hat er beleidigt sein Amt niedergelegt. Wie kann man einem solchen Minis-ter denn


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

auch noch Glauben schenken bitte?<br />

Positiv ist natürlich zu bewerten, dass die Kreativität durch die Plagiat-Affäre angeregt<br />

wurde: Es wurden kreative Spitznamen (Plagiat-Gutti, Guttbye, Plagiator KT, etc.) und<br />

Karikaturen (beispielsweise eine Tube „Copy-Paste“ fürs Haar) entwickelt. Außerdem sind<br />

Menschen nach arabischem Vorbild mit erhobenen Schuhen demonstrieren ge-gangen,<br />

somit wurde eine neue interkulturelle Art des Demonstrierens geschaffen. Auf den Internetplattformen<br />

haben sich Gruppen gebildet und ich bin auf Facebook der Gruppe „Wir<br />

wollen Guttenberg nicht zurück!“ beigetreten. Jetzt werden St<strong>im</strong>men laut, die sagen: „Das<br />

böse Volk vergrellt unsere <strong>Politik</strong>er!“ Ich verstehe die Demokratie, in der wir leben, als<br />

„Herrschaft vom Volke aus“, <strong>Politik</strong> sollte <strong>im</strong>mer ein ausgewogenes Abbild der Bürger sein,<br />

für mich ist der Rücktritt also der richtige Schritt <strong>im</strong> Nachhinein gewesen.<br />

13.<br />

Fachkräftemangel, International School<br />

und innovatives Bauen<br />

16.03.2011<br />

Heute möchte ich von drei unterschiedlichen Veranstaltungen berichten, an denen ich Anfang<br />

März teilgenommen habe. An einer habe ich auch organisatorisch aktiv mitgearbeitet.<br />

„Fachkräfteoffensive für Niedersachsen“<br />

Hintergrund: Einigen ist<br />

es sicherlich durch Diskussionen<br />

in den<br />

Medien bekannt, dass<br />

Deutschland – in<br />

manchen Branchen –<br />

einen Fachkräftemangel<br />

hat. Dieser Trend wird<br />

sich Dank demografischem<br />

Wandel noch<br />

verschärfen. Ein Rückgang<br />

potenzieller<br />

Arbeitskräfte von ca. 6,5<br />

Mio. in den nächsten<br />

<strong>Jahr</strong>en wird von der<br />

Bundesagentur für<br />

Arbeit prognostiziert. In<br />

Fabian Claussen S e i t e | 31


32 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Niedersachsen bedeutet dies, dass die Zahl der Arbeitnehmer bis 2020 um 17% abn<strong>im</strong>mt.<br />

Schon seit dem <strong>Jahr</strong>e 2008 leben wir in einem Auswandererland: Es wandern mehr<br />

Menschen aus, als dass es Zuwanderer gibt, die hier ihren Lebensmittelpunkt aufbauen.<br />

Dennoch beklagen sich gerade die Arbeitgeber in der Pflegebranche über fehlende Fachkräfte.<br />

Außerdem wird eine höhere Anzahl an Akademikern gebraucht, um den wirtschaftlichen<br />

Fortschritt zu halten.<br />

Diese Ausgangslage hat die Wirtschafts- und Wissenschaftspolitiker der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> dazu<br />

bewogen, eine Expertenanhörung zu diesem Thema zu veranstalten. Und diese Anhörung<br />

habe ich in großen Teilen mitorganisiert. Es wurde also am 02.03.2011 mit Arbeitgebern,<br />

dem DGB, Vertretern aus Industrie und Handwerk, der Arbeitsagentur für Arbeit und<br />

einem Vertreter aus der Wissenschaft diskutiert. Stichworte waren nicht nur die geringe Erwerbsbeteiligung<br />

von Frauen und die Abbrecherquote in Schule, Ausbildung und Studium,<br />

sondern auch die Erwerbsbeteiligung von Älteren und Menschen mit Migrationshintergrund.<br />

Außerdem wurde über die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesprochen.<br />

Im Mai soll es mit einer Fachkonferenz weitergehen. Am Ende will die <strong>SPD</strong><br />

parlamentarisch initiativ werden.<br />

International School Hannover<br />

Am 4. März stand ein<br />

Besuch der International<br />

School<br />

Hannover an.<br />

Hierbei begleitete ich<br />

unsere integrationspolitische<br />

Sprecherin<br />

Dr. Silke Lesemann,<br />

unseren sozialpolitischen<br />

Referenten Heinrich<br />

Heggemann und den<br />

Vorsitzenden des<br />

Afrikanischen DachverbandesNorddeutschlands<br />

Abayomi Bankole.<br />

Die International<br />

School Hannover ist<br />

eine vornehmlich<br />

privat gesponserte<br />

Schule, die integrativ<br />

Besuchte und Besucher der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> in der Pausenhalle der<br />

lebhaften International School Hannover<br />

unterrichtet. Schon als ich die Schule betrat fühlte ich mich in meine Zeit in Amerika versetzt<br />

und das nicht nur, weil alles in Englisch war, sondern weil mich die Einrichtung der<br />

Klassenräume an die US-amerikanischen erinnerte. Sie sind nämlich bunt und in den<br />

niedrigeren Stufen oftmals gemütlich eingerichtet. In der Schule werden alle Altersstufen<br />

unterrichtet – vom Kindergarten bis zum internationalen Schulabschluss. Viele werden auch


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

individuell gefördert.<br />

Das Plus-Energie-Haus<br />

Im <strong>Jahr</strong>e 2007 entwickelte ein Team der TU Darmstadt das „Plus-Energie-Haus“ für einen<br />

Wettbewerb in Washington. Es war die erste Teilnahme und sie gewannen den Wettbewerb<br />

aufgrund der guten Energiebilanz. Im <strong>Jahr</strong>esschnitt stellt das Haus nämlich mehr Energie<br />

bereit, als es verbraucht, daher auch der Name. Nach dem Wettbewerb hat das Haus eine<br />

Tour durch deutsche Städte gemacht. Jetzt war Station in Hannover und am 14. März ging<br />

es dann dorthin mit dem Arbeitskreis Umwelt und Energie. Mit Spannung sehe ich nun dem<br />

Wohnen in 20 <strong>Jahr</strong>en entgegen!<br />

Mit Sorge verfolgen wir hier alle die Ereignisse in Japan. Zur Zeit ist Plenarwoche und es<br />

findet eine große Debatte zur Atomkraft statt. Außerdem stand der Gesetzentwurf zur<br />

Oberschule auf der Tagesordnung. Doch dazu ein nächstes Mal mehr…<br />

14.<br />

Märzplenum:<br />

Zwischen Ideologischem Protektionismus und Populismus<br />

30.03.11<br />

In einer ereignisreichen Zeit fanden vom 15.-17. März Parlamentssitzungen des Niedersächsischen<br />

Landtages statt. Nicht nur die Erdbeben-,Tsunami- und Atomkatastrophe in<br />

Japan, sondern auch die Aufstände in der arabischen Welt überschatteten die Plenartage.<br />

Kurz möchte ich Euch darstellen, was das jeweilige Highlight für mich an den Tagen war.<br />

Ungeliebte Oberschule wird von CDU und FDP durchgeboxt<br />

Die Schulpolitiker der Regierungsfraktionen konnten einem fast leidtun, sie haben sich für<br />

ihre Oberschule wohl so geschämt, dass sie es nicht mal für nötig hielten, den Gesetzentwurf<br />

zur Oberschule in den Landtag mit einem Redebeitrag einzubringen. Eigentlich wird<br />

ein Gesetz in zwei Plenarsitzungen behandelt, in einer ersten Lesung und in einer zweiten<br />

Lesung mit Schlussabst<strong>im</strong>mung, aber die Abgeordneten haben auch die Möglichkeit die<br />

erste Lesung quasi zu überspringen und sie gleich in den beratenden Fachausschuss einzubringen.<br />

Genau dies ist mit dem Schulgesetz zur Oberschule passiert. Am 15. März stand<br />

demnach die zweite Lesung mit Schlussabst<strong>im</strong>mung über das Gesetz an. Es ist üblich, dass<br />

die <strong>Fraktion</strong>, die ein Gesetz einbringt auch als erstes mit einem Redner ihre Position deutlich<br />

macht. Zum Oberschulgesetz wollte dies aber keiner von CDU und FDP machen, bis<br />

die Opposition sich entsetzt über eine solche Debattenkultur geäußert hat. Björn Försterling<br />

von der FDP erklärte sich also bereit die Oberschule endlich einzubringen.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 33


34 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Die Regierungsfraktionen betonten ständig während der Debatte, dass das Gesetz von<br />

äußerster Wichtigkeit für Niedersachen sei, aber warum wird ein solches Gesetz dann nur in<br />

einer Sitzung behandelt und zusätzlich noch nicht einmal von ihnen eingebracht?! Es regt<br />

mich dabei umso mehr auf, dass die CDU-<strong>Politik</strong>er der Opposition vorwerfen, sie nehmen<br />

das Gesetz nicht ernst. Das ist doch grotesk!<br />

Björn Försterling (FDP): „Aber ich bin nicht mehr bereit und es leid, <strong>im</strong>mer nur über Schulstrukturen<br />

und Türschilder zu diskutieren.“<br />

Nichts anderes ist doch genau die Oberschule! Das Oberschulgesetz befasst sich zum<br />

größten Teil mit einer neuen Schulstruktur, <strong>im</strong>merhin soll eine „neue“ Schulform geschaffen<br />

werden. Zu den Inhalten, also der Qualität der Schulen sagen sowohl der FDP- als auch der<br />

CDU-Redner nicht allzu viel. Nicht über Türschilder diskutieren wollen? In etwa 80% der<br />

Fälle wird die Oberschule lediglich eine zusammengefasste Haupt- und Realschule sein, vor<br />

der ein Schild mit der Schrift „Oberschule“ montiert wird. So viel zu Türschildern! Es<br />

grenzt schon an Täuschung der Öffentlichkeit, wenn man so argumentiert. Unglaublich!<br />

Ziel einer Neustrukturierung der Schullandschaft war es, Antworten auf den demografischen<br />

Wandel zu finden, also Schulstandorte <strong>im</strong> ländlichen Raum zu sichern, obwohl<br />

die Schülerzahl drastisch abn<strong>im</strong>mt:<br />

Karl-Heinz Klare (CDU): „[…] die Zahl der Kinder sinkt, alle haben darauf hingewiesen. Wir<br />

möchten deshalb die Gestaltungsspielräume für unsere Schulträger erweitern.“<br />

Die Oberschule wird hier als Allheilmittel gepriesen, aber „zukunftsfest“ ist sie sicher nicht.<br />

Die <strong>SPD</strong> hat den Vorschlag gemacht, Gesamtschulen den Oberschulen gleich zu stellen,<br />

damit die Kommunen wirkliche Gestaltungsspielräume haben. Außerdem würde die Wahlfreiheit<br />

von Schülern, Eltern und Kommunalpolitikern erhöht werden. Aber nein, CDU und<br />

FDP wollen nicht, dass Gesamtschulen auch vierzügig sein können, Gesamtschulen bekommen<br />

keine zusätzliche Ausstattung, Gesamtschulen können keine Standardschule sein.<br />

All dies wird der Oberschule vorbehalten. Dennoch kommen Zitate wie diese, wenn es um<br />

die Position der GEW, die Gesamtschulen haben möchte, geht: Karl-Heinz Klare (CDU):<br />

„Die Oberschule wird als echte Konkurrenz gesehen. Deswegen muss sie mit allen Mitteln<br />

bekämpft werden.“<br />

Aber es ist umgekehrt! Warum werden Gesamtschulen sonst diskr<strong>im</strong>iniert? Wäre es nicht<br />

echte Freiheit und Fairness, wenn die Gemeinde über ihre Schule selbst entscheiden<br />

könnte? Ich verstehe einfach nicht, warum CDU und FDP der <strong>SPD</strong> und den anderen<br />

Oppositionsfraktionen populistisch vorwerfen, sie verfolgen eine Ideologie. Das ist doch<br />

genau umgekehrt! CDU und FDP wollen doch die Gesamtschulen nicht. In der Psychologie<br />

nennt man so etwas, glaube ich, „Projektion“, man projiziert seine eigenen Probleme – hier<br />

das Problem der Ideologie – auf andere.<br />

Björn Förstering (FDP): „Ich glaube aber sagen zu können, dass sich CDU und FDP in den Beratungen<br />

sehr wohl bewegt haben[…]“<br />

Im Grunde ist die Oberschule doch nur ein verkümmerter Min<strong>im</strong>alkonsens zwischen CDU<br />

und FDP/Philologenverband. (Philologenverband: Verband einiger Gymnasiallehrer)


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Schade, dass die FDP mal wieder voll in die Kerbe des Lobbyismus haut. Im Prozess der<br />

Beratungen zur Oberschule haben die Regierungsfraktionen nämlich einiges wieder zurückgenommen,<br />

um die Lobbyisten zufrieden zu stellen, so darf eine Oberschule – sofern sie<br />

überhaupt einen gymnasialen Zweig hat – beispielsweise nur eine gymnasiale Oberstufe<br />

haben, wenn sie eine Gesamtschule damit ersetzt. Das ist doch ideologischer Protektionismus!<br />

Schön, dass mal wieder die Minderheit in Gestalt von FDP das Sagen hat! Man könnte<br />

fast sagen, dass die Oberschule eine misslungene Ausgeburt einer strittigen Koalition ist und<br />

nicht das, was man ursprünglich wollte. Dennoch haben CDU und FDP am Ende für das<br />

Gesetz gest<strong>im</strong>mt, aber ganz ehrlich? Ohne <strong>Fraktion</strong>sdisziplin, um eine Mehrheit zu bekommen,<br />

wäre dieses Gesetz gnadenlos gescheitert. Auch Kultusminister Althusmann<br />

wirkte nicht glücklich.<br />

Karl-Heinz Klare (CDU): „[…] diese neue Oberschule ein echter Kompromiss und damit der<br />

Durchbruch für etwas Gemeinsames für unsere Schüler ist.“<br />

Durchbruch? Das ist kein Durchbruch, lediglich ein Min<strong>im</strong>alkonsens zwischen CDU und<br />

FDP/Philologenverband. Ja, es gibt auch <strong>SPD</strong>-Kommunen, die die Oberschule einrichten,<br />

aber wie sagte Ursula Helmhold (Grüne) so schön: „In der Not frisst der Teufel Fliegen.“<br />

Viele Hauptschulstandorte sind einfach nicht zu halten, es musste etwas passieren und eine<br />

Oberschule wird ja besser ausgestattet als Haupt- und Realschulen. Oberschulen werden<br />

quasi subventioniert. Den Redebeitrag von Herrn Klare und das Fazit zur Oberschule wird<br />

gut wiedergegeben von<br />

Claus Peter Poppe (<strong>SPD</strong>): „Kein Quacksalber und Scharlatan des Mittelalters hat so frech seine<br />

bunten Tränkchen als Allheilmittel verkauft, wie Herr Klare das gerade mit der Oberschule getan<br />

hat.“<br />

Eines will ich an dieser Stelle noch mal aufgreifen, CDU und FDP werfen der <strong>SPD</strong> vor, sie<br />

wollen die Gymnasien abschaffen. Was für ein Humbug! Die <strong>SPD</strong> will die Gymnasien nicht<br />

abschaffen, sie will ein „bedarfsorientiertes“ Schulwesen. Frauke Heiligenstadt die kultuspolitische<br />

Sprecherin weist darauf deutlich hin, dass jede Gemeinde oder Stadt selbst entscheiden<br />

soll, was für ihre Region „richtig“ ist. Ideologiefreier geht es doch nicht! Dass<br />

Christdemokraten und freie Demokraten der <strong>SPD</strong> Sachen vorwerfen die nicht st<strong>im</strong>men,<br />

also haltlose Unterstellungen in den Raum werfen, finde ich höchst undemokratisch. Es ist<br />

Täuschung der Öffentlichkeit und in meinen Augen einfach nur peinlich!<br />

Und was das schl<strong>im</strong>mste ist: Die Schlechterstellung der Gesamtschulen wird nicht einmal<br />

begründet! Kann man das in einer „sachlichen“ Debatte nicht wenigstens erwarten? Jeder<br />

Schüler lernt <strong>im</strong> Deutschunterricht seine Position angemessen zu begründen – bei CDU<br />

und FDP Fehlanzeige. Eigentlich traurig.<br />

Zusammenfassend und treffend sagte<br />

Frauke Heiligenstadt (<strong>SPD</strong>): „Eines ist jetzt schon klar, meine Damen und Herren: Die CDU<br />

war nie Bildungspartei in Niedersachsen, sie ist keine Bildungspartei, und mit diesem Schulgesetz<br />

wird sie es in Niedersachsen auch nie werden.“<br />

Fabian Claussen S e i t e | 35


36 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Mutiert Schwarz-gelb wider Erwarten zum Atomenergie-Skeptiker?<br />

Am Mittwoch, den 16. April, drehte sich die Aktuelle Stunde und eine damit verbundene<br />

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten um die Naturkatastrophe in Japan und die<br />

damit ausgelöste Debatte um Kernenergie in Deutschland. Die Diskussion möchte ich hier<br />

<strong>im</strong> Einzelnen nicht durchgehen, zumal die Positionen schließlich bekannt sind, aber ich<br />

möchte mir ein paar Anmerkungen bezüglich Schwarz-Gelb erlauben.<br />

Plötzlich das Moratorium: Die Atomkraftwerke sollen gründlich übergeprüft werden. Da<br />

stellt sich – unabhängig davon, welche Position ich bezüglich der Atomkraft vertrete – doch<br />

die Frage, warum die deutschen Kernenergieanlagen von heute auf morgen unsicher erscheinen<br />

und ein Durchchecken nötig ist, wogegen die Atomlaufzeitverlängerung keine<br />

Untersuchungen benötigt hat? Was hat sich in Deutschland an der Situation denn grundlegend<br />

verändert? Die Atom-Lobby hat ziemlich gute Arbeit für sich geleistet, als es zur<br />

Verlängerung kam. – Wie gut, dass wir in einer Demokratie leben, wenn doch fünf Leute<br />

der Atom-Lobby schon ausreichen, um solch markante Entscheidungen durchsetzen zu<br />

können!<br />

Für mich drängt sich nun die Frage auf, wie will die Bundesregierung innerhalb von drei<br />

Monaten Moratorium die Bestandsaufnahme von Kernkraftwerken feststellen? Müssen da<br />

nicht wochenlange öffentliche Ausschreibungen stattfinden? Die gründliche Untersuchung<br />

eines Kraftwerkes wird doch nicht innerhalb von 10 Stunden erfolgen, oder? Was kostet es<br />

den Steuerzahler, wenn die Bundesregierung nun die geschlossenen Verträge mit den<br />

Energiegroßkonzernen bricht? Moratorium – für mich nur eine Beruhigungspille für das<br />

Volk. Wie es Herr Brüderle <strong>im</strong> Grunde auch bestätigt hat. Dabei sagte Herr McAllister<br />

noch, dass das Thema nicht zu parteipolitischen Auseinandersetzungen verkommen solle.<br />

Außerdem solle man nicht in Aktionismus verfallen. Ist die kurzfristige Verkündigung des<br />

Moratoriums etwa kein Aktionismus? Lächerlich.<br />

Müssen erst mehr als zehntausend Menschen sterben, bevor Schwarz-Gelb über ihre Atompolitik<br />

nachdenkt? Hm, das ist echt bedenklich. Auch dass sich Herr McAllister auf einmal<br />

als Atom-Kritiker darstellt und sagt, er sei schon <strong>im</strong>mer Atom-Skeptiker gewesen, kommt<br />

mir wie eine Farce vor.<br />

Minister Schünemann schürt mal wieder Hass und Angst<br />

Gegen Abend am Donnerstag, den 17. April, hatten Minister Schünemann und seine<br />

<strong>Fraktion</strong> mal wieder Populismus-Stunde. Es ging um einen weitgehend inhaltsleeren, wie<br />

ihn die Opposition kritisierte, Antrag, der die Terrorismusbekämpfung zum Thema hatte.<br />

Natürlich ist „islamistisch motivierter“ Terrorismus schrecklich und muss unterbunden<br />

werden, aber nicht indem man durch einen Antrag Denunziantentum fördert und jeder<br />

jeden verdächtigt und meldet. Auch wird hierbei das Wort „Integration“ in den Mund genommen,<br />

was ich unglaublich finde, denn wie sollen Moscheegemeinden vertrauen finden,<br />

wenn sie unter Generalverdacht gestellt werden? Ist das Integration, wie die CDU sie sich<br />

wünscht?


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Ich hoffe, Herr Schünemann weiß es für sich besser und spielt diese Nummer nur, weil er<br />

die Konservativen in der CDU ansprechen will. Zwar fördert er somit nicht den Dialog mit<br />

Musl<strong>im</strong>en, da er Angst und Hass schürt, aber dann hätte ich zumindest die Gewissheit, dass<br />

wir keinen realitätsfernen Innenminister haben. Schön ist es dennoch nicht!<br />

Insgesamt muss ich sagen, dass die Regierungskoalition sich während dieser Plenartage nicht<br />

mit Ruhm bekleckert hat. Ich bin schon gespannt auf das nächste Plenum <strong>im</strong> April.<br />

15.<br />

Von Mundarten und Unarten<br />

18.04.2011<br />

Trotz Stapel an Arbeit auf meinem Schreibtisch wollte ich mich dennoch kurz vor Ostern<br />

einmal melden und über das vergangene Plenum berichten sowie einen Ausblick für den<br />

Mai geben.<br />

Plattdeutsch ist Kulturgut<br />

Am ersten Plenartag brachte die <strong>SPD</strong> einen Antrag mit der Überschrift „Sprachencharta in<br />

Niedersachsen endlich umsetzen – 14 Antworten statt 140 Fragen“ ein. Ziel dieses Antrages<br />

ist es, die plattdeutsche Sprache zu fördern. Zu dem Titel kam es, weil die CDU, die seit<br />

<strong>Jahr</strong>en verspricht etwas für das Plattdeutsche zu tun, lediglich eine große Anfrage mit 140<br />

Fragen zum Thema Plattdeutsch stellte. Ich komme aus einer plattdeutschen Region und<br />

das Platt muss auch meiner Meinung nach mehr gefördert werden, damit die Sprache weiter<br />

besteht. Mit dieser Sprache ist für mich ein Lebensgefühl verbunden. Die Diskussion von<br />

Seiten der CDU konnte man auch als schlicht platt bezeichnen. Wieder einmal schlugen sie<br />

mit Populismus um sich, denn übertragen war das Kernargument der CDU für die Ablehnung<br />

des Antrages, dass Daniela Behrens den Antrag in Hochdeutsch einbrachte. Claus<br />

Peter Poppe (<strong>SPD</strong>) allerdings erwiderte Ulf Thiele (CDU) auf plattdeutsch. Obwohl ich<br />

auch Hochdeutsch für gerechtfertigt fand, weil man an den Gesichtern der südniedersächsischen<br />

Abgeordneten deren Unverständnis ablesen konnte. Mein regionaler Hintergrund<br />

erwies sich während dieser Debatte eindeutig als Vorteil, so konnte ich alles verstehen.<br />

Arroganz der Macht<br />

Eine große Inszenierung war es <strong>im</strong> letzten Plenum! Plötzlich heißt es, dass Finanzminister<br />

Möllring das Eigenkapital der NordLB mit 600 Mio. Euro Landesmitteln stärken will und<br />

dazu benötigt es natürlich der Zust<strong>im</strong>mung des Landtags. Dass er in einem Hauruck-<br />

Verfahren so viel Geld locker machen will, ist schon ein starkes Stück. Aber dies zeigt eben<br />

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38 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

auch, dass er denkt, er könne sich alles leisten! Dabei hatten die Sozialdemokraten schon<br />

lange vorher <strong>im</strong> Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass die NordLB ein höheres Eigenkapital<br />

benötigt, damit sie den Bankenstresstest der europäischen Bankenaufsicht bestehen<br />

kann. Zu dem Zeitpunkt hieß es noch von Seiten der Landesregierung, dass das nicht nötig<br />

sei, aber fünf vor zwölf wollen CDU und FDP dann so etwas <strong>im</strong> Eilverfahren entschieden<br />

haben. Eine Frechheit! Der <strong>SPD</strong> war die Problematik schon länger klar und sie hat zugest<strong>im</strong>mt,<br />

aber erst nachdem eine außerordentliche Sitzung des Finanzausschusses in der<br />

Mittagspause stattfand, die die <strong>SPD</strong> mitbeantragt hatte.<br />

Ausblick in den Mai<br />

In der ersten Maiwoche findet vom 3.-5. die Klausurtagung der <strong>Fraktion</strong> statt, an der auch<br />

ich teilnehmen werde. Dort wird unter anderem über die Themen Pflege, Kommunalpolitik,<br />

Energie und den ländlichen Raum in der Breite diskutiert.<br />

In der darauffolgenden Woche findet mein 6-tägiges Gesamtseminar statt. Dieses wird auch<br />

mit den Freiwilligen des FSJ Kultur sein. Insgesamt werden wir etwa 160 Freiwillige sein, die<br />

in Wolfenbüttel ein gemeinsames Seminar haben mit verschiedenen Werkstätten. Ich habe<br />

für den Anlass zusammen mit Julia Wurzel (meiner Koordinatorin) ein Planspiel entworfen,<br />

bei dessen Umsetzung mir Wiebke Nordenberg (FSJ bei den Grünen) helfen wird. Doch<br />

dazu ein anderes Mal mehr.<br />

Außerdem wird <strong>im</strong> Mai mein eigenständiges Projekt anlaufen, in das ich viel Zeit investiert<br />

habe. Hierzu auch später mehr.<br />

Und schließlich sind da noch das Maiplenum Ende des Monats und eine <strong>SPD</strong>-<br />

Großveranstaltung.<br />

So nun wünsche ich allen schöne Ostertage. Ich selbst werde für 5 Tage Urlaub in der<br />

He<strong>im</strong>at machen und schreibe Anfang Mai meinen nächsten Eintrag, vermutlich dann über<br />

mein Großprojekt.<br />

16.<br />

Eine gute Woche für die <strong>SPD</strong> in Niedersachsen<br />

20.05.2011<br />

Zunächst muss ich mich entschuldigen, dass ich schon lange nichts mehr in mein Tagebuch<br />

geschrieben habe, aber ich war die letzten drei Wochen kaum <strong>im</strong> Büro, denn vom 3.-5. Mai<br />

war die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> zur Klausurtagung auf Norderney, danach hatte ich mein FSJ <strong>Politik</strong>-<br />

Gesamtseminar und jetzt habe ich eine Mandelentzündung. Heute möchte ich Euch von der<br />

Klausurtagung berichten.<br />

Klausur der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> auf Norderney


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Früh morgens machten wir uns am Dienstag, den 3. Mai, auf den Weg nach Norderney.<br />

Dort wurden wir von einem tollen Wetter begrüßt, das die ganzen drei Tage anhielt. Nach<br />

dem Mittagessen ging es dann um Kommunalpolitik. Angeregt wurde über die angsterregende<br />

finanzielle Lage der Gemeinden, Städte und Landkreise diskutiert. Lösungen für die<br />

Probleme der Kommunen wurden intensiv debattiert. Anschließend wurde über direktdemokratische<br />

Elemente (Bürgerentscheid, Bürgerbegehren, etc.) auf Kommunalebene gesprochen.<br />

Abends hielt Prof. Dr. Franz Walter, ein <strong>Politik</strong>wissenschaftler aus Göttingen,<br />

eine zum Denken anregende<br />

und witzige Rede zu den<br />

aktuellen Parteien und den<br />

Wahlergebnissen in Baden-<br />

Württemberg und Rheinland-<br />

Pfalz. Das fand ich richtig<br />

interessant.<br />

Am Mittwoch drehte sich<br />

morgens alles um die<br />

Gesundheitswirtschaft, die<br />

auch wegen des Demografischen<br />

Wandels einen<br />

<strong>im</strong>mer größeren Sektor einn<strong>im</strong>mt.<br />

Dabei ging es nicht<br />

nur um die zukünftige Pflege<br />

in Niedersachsen, sondern<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

schließt auch beispielsweise Wellness mit ein. Gerade in der Altenpflege gibt es noch Baustellen,<br />

die dringend zukunftsfest gestaltet werden müssen. Am Nachmittag trafen sich die<br />

<strong>SPD</strong>-Abgeordneten dann in drei verschiedenen Gruppen, um über die Themen Ländlicher<br />

Raum, Erneuerbare Energien und Tourismus zu diskutieren. Am letzten Tag fand eine<br />

<strong>Fraktion</strong>ssitzung statt, bevor alle Abgeordneten abreisten.<br />

NiedersachsenTREND<br />

Der NDR veröffentlichte am 6. Mai eine neue und detaillierte Umfrage für Niedersachsen<br />

zu Parteien, <strong>Politik</strong>ern und <strong>Politik</strong>bereichen.<br />

Parteien: Rot-grün st<strong>im</strong>menreicher als Schwarz-gelb!<br />

Live dabei: Die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> aus dem Niedersächsischen<br />

Landtag tagt auf Norderney.<br />

Die Niedersachsen wurden befragt: Nur noch 34% würden die CDU wählen, 31% würden<br />

sich momentan für die <strong>SPD</strong> entscheiden, 22% für die Grünen, FDP und Linke landen nur<br />

bei etwa 5%. Die CDU verliert damit etwa 8% gegenüber ihrem Landtagswahlergebnis, die<br />

<strong>SPD</strong> hält ihr Landtagswahlergebnis und die Grünen gewinnen 14% dazu. Damit würden<br />

CDU und FDP die Mehrheit verlieren, denn sie kämen nur noch auf etwa 39% zusammen.<br />

<strong>SPD</strong>/Grüne wären allerdings bei 53% der St<strong>im</strong>men und könnten somit eine Regierung<br />

stellen. Natürlich spielen da auch Bundestrends eine Rolle, gerade bei FDP und Grünen,<br />

aber auch die muss man bei Landtagswahlen beachten. Viele scheinen zu sehen, dass<br />

CDU/FDP nicht so toll ist, wie sie sich oft verkaufen! Allerdings ist die Wahl noch ein <strong>Jahr</strong><br />

hin und die schwarz-gelbe Landesregierung hat schon „Geld beiseite geschafft“, um Wahl-<br />

Fabian Claussen S e i t e | 39


40 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

geschenke in 2012 zu finanzieren. Da kann man nur den Kopf schütteln.<br />

<strong>Politik</strong>er: Manche Minister kennt man nicht <strong>im</strong> Land<br />

Ganz klar ist, dass der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff bekannter ist, als David<br />

McAllister. Lediglich 78% der Befragten kannten den amtierenden Ministerpräsidenten, ich<br />

bezweifle allerdings, dass es so viele sind, denn gerade wenn ich hier in Hannover frage, wer<br />

unser Ministerpräsident ist, dann ernte ich oft Achselzucken. Wobei die potentiellen <strong>SPD</strong>-<br />

Kandidaten noch unbekannter<br />

sind. Erschreckend ist auch,<br />

dass etwa 60% der Befragten die<br />

Wissenschaftsministerin Prof.<br />

Dr. Wanka nicht kennen. Das<br />

liegt wohl auch an ihr, denn sie<br />

kommt aus Brandenburg, dort<br />

war sie Wissenschaftsministerin<br />

in der Großen Koalition bis<br />

<strong>SPD</strong> und Linke eine Regierung<br />

bildeten, und sie hat aus diesem<br />

Grund kein Interesse, viel in der<br />

Öffentlichkeit präsent zu sein,<br />

sie hat schließlich keinen Wahlkreis!<br />

Sie scheint andere Prioritäten<br />

zu haben. Auf der anderen<br />

Seite gibt es da die Sozialministerin<br />

Özkan und den<br />

Innenminister Schünemann, die<br />

dauernd in der Öffentlichkeit<br />

stehen, wenigstens etwas das sie<br />

können…<br />

<strong>Politik</strong>bereiche: <strong>SPD</strong> ist Spitzenreiter in der Bildungspolitik<br />

Lediglich in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik liegt die CDU noch vorne. Obwohl<br />

die CDU als Landwirtschaftspartei galt, muss sie hier Defizite in der Wählerzust<strong>im</strong>mung<br />

einstecken. Es gibt genauso viele Leute, die mit der Agrarpolitik unzufrieden sind und bei<br />

der Frage nach einer guten Agrar- und Verbraucherschutzpolitik liegen die Grünen<br />

komischerweise vorne. Große Unzufriedenheit mit Schwarz-Gelb herrscht auch in den Bereichen<br />

Energie, Umwelt und Atompolitik. Auch hier können die Grünen punkten. Wenn es<br />

allerdings um Bildung und soziale Gerechtigkeit geht, dann ist die <strong>SPD</strong> unschlagbar, 41%<br />

der Befragten favorisieren die Bildungspolitik der <strong>SPD</strong> und 48% geben die <strong>SPD</strong> als sozial<br />

gerechteste Partei an. Nicht nur mit der Sozialpolitik auch mit der Finanzpolitik der CDU ist<br />

man in Niedersachsen unzufrieden. Offensichtlich haben viele gemerkt, dass die CDU-<br />

Haushaltskonsolidierung mehr Schein als Sein ist!<br />

Ich bin gespannt, ob 2013 der Wechsel kommt. Es kann schließlich nur besser werden!<br />

Damit verabschiede ich mich für heute und werde das nächste Mal über das FSJ<br />

Kultur/<strong>Politik</strong>-Gesamtseminar berichten.<br />

CDU<br />

34%<br />

FDP<br />

5%<br />

Linke<br />

5%<br />

Sonstige<br />

3%<br />

Grüne<br />

22%<br />

<strong>SPD</strong><br />

31%<br />

Landtagswahlumfrage in Niedersachsen Quelle: Infratest<br />

d<strong>im</strong>ap, 06.05.2011


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

17.<br />

Utopien, Entwürfe, Skizzen –<br />

Gesamtseminar des FSJ Kultur/<strong>Politik</strong><br />

01.06.2011<br />

Hier also der versprochene Beitrag über das Gesamtseminar <strong>im</strong> FSJ Kultur/FSJ <strong>Politik</strong>.<br />

Seminarort waren die Landesmusikakademie Niedersachsen und die Bundesakademie für<br />

kulturelle Bildung in Wolfenbüttel. Vom 9.-14. Mai trafen sich dort etwa 170 Jugendliche,<br />

die 2010/2011 ihr FSJ Kultur oder <strong>Politik</strong> in Niedersachsen, Bremen oder Hamburg absolvieren.<br />

Wobei die FSJ <strong>Politik</strong>-Absolventen mit nur 13 Teilnehmern natürlich stark in der<br />

Unterzahl waren. Das Seminar stand ganz unter dem Thema „Gemeinsam nach Übermorgen<br />

oder Die Kunst der Weltveränderung – Utopien, Entwürfe und Skizzen“.<br />

Ein Überblick<br />

Jeden Morgen nach dem Frühstück<br />

gab es ein großes Zusammentreffen,<br />

bei dem der Tagesablauf<br />

erklärt wurde. Auch standen Kl<strong>im</strong>atipps<br />

und die Vorstellung des<br />

„Kl<strong>im</strong>ahelden des Tages“ auf dem<br />

morgendlichen Programm. Danach<br />

ging es in die einzelnen Werkstätten.<br />

Im Vorfeld des Seminars<br />

konnten wir uns aus verschiedensten<br />

Werkstattangeboten<br />

eine aussuchen. Insgesamt gab es<br />

14 Werkstätten, der Schwerpunkt<br />

lag <strong>im</strong> künstlerischen Bereich.<br />

Themen der einzelnen Angebote<br />

waren: Malerei, Musik, Tanzen,<br />

Gesang, Theater, Schreiben, Film,<br />

Turmbau zu Babel, Fotografie,<br />

Hörspiel, Philosophie, Kunst <strong>im</strong><br />

Auf dem Seminar bekamen alle einen solchen<br />

Button mit ihrem Namen und ihrer Einsatzstelle,<br />

damit das Kennenlernen leichter fiel.<br />

öffentlichen Raum, Siebdruck und „Utopia goes Bollywood“. Außerdem habe ich ein<br />

politisches Planspiel für alle Teilnehmer entwickelt und zusammen mit Wiebke Nordenberg<br />

durchgeführt. Das Abendprogramm variierte, einen Abend beispielsweise haben wir in drei<br />

verschiedenen Räumen Filme geschaut. Ich habe George Orwells „1984“ gesehen, das ist<br />

eine Dystopie (das Gegenteil einer positiven Utopie, vereinfacht gesagt), in der das Leben in<br />

einer totalitären Klassengesellschaft aufgezeigt wird.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 41


Planspiel: Gemeinsam nach Übermorgen<br />

42 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Da ich in der Vergangenheit schon positive Erfahrungen mit politischen Planspielen gemacht<br />

habe, regte ich dazu an dies einmal zu machen, ich würde das Ganze auch planen.<br />

Unsere FSJ <strong>Politik</strong>-Koordinatorin, Julia Wurzel von der LKJ Niedersachsen, machte den<br />

Vorschlag, ein Planspiel auf dem Gesamtseminar durchzuführen. Also entwarf ich ein<br />

politisches Planspiel für das Seminar in Wolfenbüttel. Am ersten Seminartag fand die erste<br />

Phase des Planspiels statt; nachdem ich alles erklärt hatte, ordneten sich die FSJler einem der<br />

Oben: Die Freiwilligen st<strong>im</strong>men über eine These ab;<br />

grün bedeutet Zust<strong>im</strong>mung.<br />

Rechts: Ich erkläre das politische Planspiel.<br />

13 politischen Themen zu, die ich mit Julia Wurzel zusammen skizziert hatte. Es ging in die<br />

erste Diskussionsphase innerhalb der Einzelgruppe. Am Donnerstag trafen sich die Teilnehmer<br />

in den Einzelgruppen wieder, mit dem Ziel, über eine politische Forderung (einen<br />

Satz) für ihr Thema Konsens zu finden. Danach sind alle wieder in den großen Saal gekommen,<br />

der inzwischen wie ein „Parlament“ aufgebaut worden war. Da Wiebke und ich<br />

die Spielleiter waren und auch die meiste Erfahrung <strong>im</strong> Parlament durch unsere Arbeit <strong>im</strong><br />

Niedersächsischen Landtag haben, stellten wir das Präsidium und Wiebke moderierte<br />

sozusagen die Debatte, die folgte. Nacheinander kamen die 13 Redner der Gruppen nach<br />

vorne und stellten ihre Forderung vor. Danach gab es zwei Fragemöglichkeiten aus dem<br />

Plenum an den Redner und anschließend wurde darüber abgest<strong>im</strong>mt, ob die Forderung in<br />

unser „Plädoyer für eine <strong>Politik</strong> von Übermorgen“ aufgenommen wird. Einige Abst<strong>im</strong>mungen<br />

waren denkbar knapp, aber 10 von 13 Punkten haben es geschafft, in das<br />

Plädoyer aufgenommen zu werden. Beispielsweise wurde eine vierte Gewalt, eine Art Ethikrat<br />

mit Befugnis zur Anordnung von Plebisziten, vorgeschlagen. Große Zust<strong>im</strong>mung erhielt<br />

der Vorschlag, dass jedes Neugeborene eine Baumpatenschaft eingeht, aus Gründen der<br />

lokalen Verwurzelung und als „Verbindung mit der Natur“ quasi als Stärkung des Umweltbewusstseins.<br />

Insgesamt hatten die meisten Spaß daran, einige kamen sogar hinterher auf<br />

mich zu und haben gesagt, dass das <strong>Politik</strong> greifbarer und interessant mache. Über solche<br />

Reaktionen habe ich mich besonders gefreut.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Tag der Präsentationen: Offizieller Besuch am Morgen<br />

Am Freitag, dem vorletzten Tag des Seminars, war der Höhepunkt des Seminars gekommen:<br />

Die Präsentation der Werkstatt-Ergebnisse. Natürlich konnte man nicht alles<br />

zeigen, was in den Gruppen erarbeitet wurde. Am Vormittag haben sich alle <strong>im</strong> großen Saal<br />

eingefunden, um von der Niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Frau<br />

Prof. Dr. Johanna Wanka, begrüßt zu werden und um schon einige Ergebnisse aus den<br />

Werkstätten vorgeführt<br />

zu bekommen. Zum Beispiel<br />

hat die Theatergruppe<br />

ein Stück zum<br />

Thema „Streit“ aufgeführt,<br />

die Schreibwerkstatt<br />

hat zum Nachdenken<br />

angeregt, durch<br />

sehr kreative Texte und<br />

die Hörspielgruppe hat<br />

durch eine lustige Vorführung<br />

die Lacher aller<br />

Zuschauer auf sich vereint!<br />

Auch die Filmwerkstatt<br />

war kreativ. Ein<br />

Film zeigte eine Tagesschau<br />

in der Zukunft, in<br />

der unter anderem der<br />

letzte Tropfen Benzin<br />

durch einen „Oldt<strong>im</strong>er“<br />

feierlich verbraucht<br />

Am Freitagmorgen erkläre ich dem Publikum, was es mit dem<br />

politischen Planspiel auf sich hatte. In der ersten Reihe sitzt<br />

die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur,<br />

Prof. Dr. Johanna Wanka.<br />

wurde, außerdem wurden Menschen mit <strong>im</strong>plantierten Telefonen gezeigt, die zucken, da<br />

eine Störung vorlag. Und jemand wurde festgenommen, weil er Fleisch gegessen hatte,<br />

außerdem zeigte eine Wetterkarte die Nordseestädte Osnabrück und Hannover. Am Abend<br />

wurde ein weiterer Film der Werkstatt gezeigt, den ich sehr gelungen fand. Die Produzenten<br />

dieses Filmes haben den Leiter der Philosophie-Werkstatt, Roger Behrens, nach Wünschen<br />

und Lebensvorstellungen befragt. Sie sind auch in den angrenzenden Park gegangen um<br />

dort zwei Männer aus Wolfenbüttel zu interviewen mit den gleichen Fragen. Beide sind<br />

arbeitssuchend gewesen, ende Zwanzig und hatten eine Familie zu Hause. Sie haben von<br />

Drogen und Problemen aus dem Alltag erzählt. Es wurde fabelhaft mit dem Kontrast<br />

zwischen diesen beiden Standpunkten gespielt, indem sie abwechselnd eingeblendet wurden<br />

und es wurde deutlich, dass das Denken über die Zukunft und Utopie <strong>im</strong> Grunde ein<br />

„Luxusproblem“ ist. Dieser Kurzfilm hat sehr zum Denken angeregt. Auch die Gesangsgruppe<br />

beehrte uns an dem Morgen mit ihren Melodien. Am Ende ihrer Präsentation ließen<br />

wir die oben schon genannten Flugblätter von der Ballustrade <strong>im</strong> großen Saal über die Leute<br />

herabregnen und ich hab noch zwei, drei Sätze zum Planspiel gesagt.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 43


44 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Tag der Präsentationen: Kreative Ausstellungen am Nachmittag<br />

Nachmittags stand dann eine Show der „Turmbau zu Babel“-Gruppe an, bevor es zur Ausstellung<br />

weiterer Werkstätten ging. Aus Ästen und Seilen hatte besagte Gruppe einen großen<br />

Turm gebaut, der feierlich mit musikalischer Untermalung abgerissen wurde. Danach gingen<br />

wir durch die Ausstellung der<br />

Foto-Werkstatt auf der Galerie des<br />

Wolfenbütteler Schlosses.<br />

Künstlerisch wurde mit Kameraeinstellungen<br />

gearbeitet und es sind<br />

echt schöne Bilder entstanden.<br />

Dann ging es zur Ausstellung der<br />

Siebdruck-Werkstatt, in der die<br />

fertig bedruckten Kleidungsstücke<br />

zu sehen waren. Anschließen<br />

führte und der Weg in die Räume<br />

der Malerei-Werkstatt, dort war für<br />

jeden Geschmack etwas dabei, das<br />

Spektrum der Leinwand-Bilder<br />

reichte von bedrückend und grau<br />

bis zu bunt und harmonisch. Die<br />

Arbeiten waren echt exzellent, ich<br />

hätte das nie so hinbekommen!<br />

Den Schluss der Ausstellung<br />

bildeten die Teilnehmer, die <strong>im</strong> Workshop „Kunst <strong>im</strong> öffentlichen Raum“ mitgewirkt<br />

haben. Mit coolen Aktionen in der Wolfenbütteler Innenstadt konnten sie die Betrachter<br />

ihrer Fotos überzeugen. Nicht selten musste man Schmunzeln als man die dokumentierten<br />

Aktionen von ihnen ansah. Beispielsweise haben sie eine Dusche an der Straße gebaut oder<br />

einen gedeckten Tisch mitten in die Fußgängerzone gestellt, an dem man sich bedienen<br />

konnte.<br />

Tag der Präsentationen: Tolle Highlights am Abend<br />

In den Ausstellungsräumen der Bundesakademie für<br />

kulturelle Bildung Wolfenbüttel stellten Freiwillige<br />

eigens kreierte Siebdrucke aus.<br />

Zum Abschluss am Abend gab es den Film der Bollywood-Crew, die das Thema<br />

dramatisch-lustig in einen kleinen Film umgesetzt hatte: mit farbenfrohen Kostümen und<br />

typischer Bollywood-Musik. Halb ernst, halb lustig war eine gelungene Mischung für dieses<br />

Format. Auch die Tanzgruppe hat eine schöne Performance hingelegt, die echt ihren<br />

Applaus verdient hatte, danach ging es noch zu den Musikern. Sie musizierten mit Flügel,<br />

Gitarre, Trompete, Keyboard und anderen Instrumenten. Am Abend war auch die Philosophiegruppe<br />

dran, zu der auch ich gehörte. Lange haben wir uns den Kopf zerbrochen,<br />

was wir denn vorzeigen könnten. Die Aufführung einer Plumpen Diskussion und damit die<br />

Erfüllung der Erwartungen wollten wir nicht. Vielmehr wollten wir zum Denken anregen,<br />

so haben wir und still in den Raum gesetzt, selbst produzierte Musik abgespielt und mit zwei<br />

Beamern Bilder an die Wand projiziert. Im Hintergrund lief ein Hamster in Endlosschleife


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

in seinem Laufrad. Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber das war es auch! Im Vorfeld<br />

haben wir uns nicht zur über die Begriffe „Utopie“, „Herrschaft“ und „Macht“ unterhalten,<br />

sondern auch ganz allgemein über Philosophie, die Aufgabe von Philosophen und über den<br />

Sinn des Lebens. Außerdem hat uns die Frage, was uns menschlich macht, beschäftigt.<br />

Fazit<br />

Ich muss sagen, das Seminar hat mir sehr gut gefallen. Jeden Tag lernte man jemand neues<br />

kennen, sodass einem nie langweilig wurde. Sich mit den anderen auszutauschen während<br />

eines Seminars ist klasse, auch um einmal aus dem „Alltagstrott“ der Einsatzstellen herauszukommen.<br />

Das nächste Mal werde ich endlich über „mein Hauptprojekt“ berichten.<br />

18.<br />

Die Tour der Teilhabe<br />

30.06.2011<br />

Der stressige und arbeitsintensive Juni geht auf sein Ende zu. Den größten Teil dieses<br />

Monats habe ich mit der Betreuung meines Hauptprojektes verbracht. Dieses Hauptprojekt<br />

ist fester Bestandteil eines Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong>, in Absprache mit der Einrichtung<br />

kann man sich selbst aussuchen, was für ein Projekt dies sein soll.<br />

Zusammen mit dem <strong>Fraktion</strong>sgeschäftsführer Dr. Cornelius Schley habe ich mir das Thema<br />

„Teilhabe von Zugewanderten“ ausgesucht. Ich komme aus einem kleinen Dorf in einem<br />

großen ländlichen Landkreis, daher hatte ich noch nicht so viele Berührungen mit der<br />

Materie. Dennoch ist mir die Brisanz der Problematik gerade <strong>im</strong> Hinblick auf den demografischen<br />

Wandel klar.<br />

Auf Tour mit Stefan Schostok<br />

In unserer Gesellschaft leben viele Menschen mit Migrationshintergrund. Viele kommen aus<br />

der Türkei, Polen, Italien oder Serbien. Einige Volksgruppen, wie die Kosovo-Albaner oder<br />

Kurden, leben auch in Deutschland. Von diesen Menschen sind viele sehr gut integriert,<br />

aber es gibt eben auch Gegenbeispiele. Auch Migranten müssen die gleiche Chance wie alle<br />

anderen haben, gesellschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Teilhabe zu erlangen.<br />

An Gymnasien sind Jugendliche aus Migrationsfamilien unterrepräsentiert, das<br />

Gleiche gilt für die Wirtschaft und die politischen Parteien. In vielen Siedlungen – in der<br />

Stadt und auf dem Land – herrschen soziale Spannungen und oft kommt es zu Konflikten.<br />

Man muss aber auch erwähnen, dass auch viele Menschen ohne Migrationshintergrund am<br />

Rande der Gesellschaft leben. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, beide Seiten<br />

müssen einander respektieren und akzeptieren, nur dann kann allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben existieren. Kinder und junge Erwachsene spielen hier eine Schlüssel-<br />

Fabian Claussen S e i t e | 45


olle.<br />

46 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Das Thema Teilhabe von Zugewanderten wurde zur „Chefsache“ erklärt und ich wurde<br />

beauftragt, eine „Tour der Teilhabe“ des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden Stefan Schostok zu planen.<br />

So organisierte ich für den 13. Mai 2011 eigenständig eine Bereisung <strong>im</strong> Hannoveraner<br />

Stadtteil Linden, einem Stadtteil, der dafür bekannt ist, dass dort viele Menschen mit verschiedenen<br />

Ethnien nebeneinander<br />

wohnen. Begonnen hat die Bereisung<br />

bei der Migrationsberatung der<br />

Arbeiterwohlfahrt in Linden-Süd.<br />

Anschließend gab es ein Gespräch <strong>im</strong><br />

Kulturzentrum Faust mit dem MiSO-<br />

Netzwerk, einem Zusammenschluss<br />

von verschiedenen Vereinen und<br />

Organisationen, die hauptsächlich von<br />

Migranten initiiert sind. Darunter<br />

zählen unter anderem der Afrikanische<br />

Dachverband Nord e.V., das Vietnam-<br />

Zentrum Hannover e.V., das Kurden<br />

Komitee Hannover e.V. und die<br />

Türkische Gemeinde in Niedersachsen.<br />

Den Abschluss des ersten Tages bildete<br />

ein Moschee-Besuch bei der Schura,<br />

dem Verband der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen.<br />

On Tour: Stefan Schostok und ich neben dem<br />

Dienstwagen vorm Landtag.<br />

An insgesamt 7 Tagen verteilt <strong>im</strong> Zeitraum<br />

vom 13. Mai bis zum 24. Juni<br />

2011 besuchte Stefan Schostok 13<br />

Landkreise und kreisfreie Städte und<br />

nahm dabei 26 Termine wahr. Die<br />

Termine außerhalb von Hannover habe<br />

ich nur koordiniert, dort haben die ört-<br />

lichen Landtagsabgeordneten und deren Büros für alles vor Ort gesorgt. An dieser Stelle<br />

noch mal ein herzliches Dankeschön dafür! Es ging nach Osnabrück, Uchte, Nienburg,<br />

Northe<strong>im</strong>, Hameln, Hessisch-Oldendorf, Gifhorn, Braunschweig, Walsrode, Salzgitter,<br />

Schwanewede, Stotel, Peine und Wolfsburg. Bei den Terminen habe ich Stefan Schostok<br />

begleitet, manchmal auch mit unserer integrationspolitischen Sprecherin Dr. Silke Lesemann.<br />

Leider kann ich hier nicht die ganzen Inhalte und einzelnen Stationen schildern, das<br />

würde den Rahmen meines Tagebuches leider sprengen. Unter diesem Beitrag sind ein paar<br />

selbst geschossene Fotos der „Tour der Teilhabe“ aufgeführt, die einen kleinen Eindruck<br />

vermitteln können.<br />

Mir hat das Projekt großen Spaß gemacht und ich muss sagen, dass ich politisch und inter-


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

kulturell eine Menge dazu gelernt habe. Eine tolle Erfahrung zusammengefasst.<br />

Im nächsten Kapitel ist eine ausführlichere Dokumentation dieser Bereisungen dargestellt.<br />

Dort sind viele Bilder der „Tour der Teilhabe“ zu finden. Neben einem einleitenden Vorwort<br />

gibt es auch ein persönliches Nachwort.<br />

19.<br />

Die vergebliche Suche nach Verantwortung und Frieden<br />

Bei sommerlichen<br />

Temperaturen tagten die<br />

niedersächsischen Landtagsabgeordneten<br />

Ende<br />

Juni das letzte Mal vor der<br />

parlamentarischen<br />

Sommerpause, die Mitte<br />

August endet. Heute<br />

möchte ich ein paar Streiflichter<br />

aufgreifen aus dieser<br />

langen Plenarwoche, die<br />

auch gleichzeitig meine<br />

letzte Plenarwoche in<br />

meinem FSJ <strong>Politik</strong>-<strong>Jahr</strong><br />

war, denn die nächste wird<br />

erst nach dem 31. August<br />

2011 stattfinden.<br />

20.07.2011<br />

Debatte um 1 <strong>Jahr</strong> Ministerpräsident McAllister<br />

Letztes Plenum: Von der Pressetribüne hat man einen guten<br />

Überblick in den Plenarsaal.<br />

Seit dem 1. Juli 2010 ist David McAllister Ministerpräsident Niedersachsens. Während der<br />

„aktuellen Stunde“ <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag wurde für dieses erste Regierungsjahr<br />

Bilanz gezogen. Voller Spannung zog es mich zu diesem Tagesordnungspunkt auch in die<br />

Besucherloge des Plenarsaals. Ich erwartete eine heiße Debatte zu diesem Thema, aber ich<br />

wurde bitter enttäuscht. Lediglich die Oppositionsparteien fanden scharfe Worte und<br />

brachten teils sehr feurige Emotionen zu diesem Thema auf, die Redner der Regierungsfraktionen<br />

wirkten müde und sie hätten von der Emotionalität her genauso über die Dicke<br />

von Käsescheiben diskutieren können. Die Regierung äußerte sich gar nicht.<br />

Der CDU-<strong>Fraktion</strong>svorsitzende Björn Thümler führte jedes noch so kleine Gesetz in seiner<br />

Rede als großen Verdienst Herrn McAllisters auf und feierte alles als den großen Wurf ab.<br />

Zugegeben, an seiner Stelle hätte ich nicht gerne gestanden, mir wäre es wohl auch peinlich<br />

gewesen. Herr Thümler betont beispielsweise das Versammlungsgesetz mit dem auch die<br />

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48 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Bannmeile vor dem Landtag einher geht. Die Bannmeile schließt Demonstrationen vor dem<br />

Landtag während der Plenarsitzungen aus. Eine tolle Stunde für die Demokratie, kann man<br />

da nur sagen! Er schloss mit dem Satz ab: „Es ist schön, dass wir eine gute Regierung haben,<br />

und es ist schön, dass wir eine schwache Opposition haben.“ Meinen Eindrücken nach ist<br />

dieser Satz völlig realitätsfern. Seit meiner Zeit hier <strong>im</strong> Landtag werden die Beiträge der<br />

Regierung und Regierungsfraktionen stetig schwächer und die Opposition lebt <strong>im</strong>mer mehr<br />

auf. CDU und FDP haben zunehmend unterschiedliche Positionen, Friede, Freude, Eierkuchen<br />

ist dort hinter verschlossen Türen mit Sicherheit nicht zu finden. Des Weiteren halte<br />

ich persönlich eine starke Opposition – egal welcher Couleur – als größere Bereicherung in<br />

einer Demokratie, nicht aber eine schwache.<br />

Der <strong>Fraktion</strong>svorsitzende der FDP, Christian Dürr, erwähnte – manche würden sagen<br />

typisch FDP – zuerst die zur Zeit nicht schlechte wirtschaftliche Lage Niedersachsens. Klar<br />

hat das Land Möglichkeiten in der Wirtschaftsförderung beispielsweise, aber wenn man<br />

doch ehrlich ist, dann ist das in erster Linie der Verdienst der Wirtschaft, dass Niedersachsen<br />

<strong>im</strong> Moment so gut dasteht. Die Einführung der Oberschule beschreibt Herr Dürr<br />

als „wegweisend“. Wenn das wegweisend für die FDP ist, dann wundert es mich gar nicht,<br />

dass die FDP so schlechte Umfrageergebnisse haben!<br />

Der Ministerpräsident<br />

Was hat Herr McAllister also nun geschafft? Auffällig unauffällig sitzt er meistens auf der<br />

Regierungsbank und beschäftigt sich demonstrativ mit dem Lesen oder lächelt fast<br />

höhnisch, wenn die Opposition am Rednerpult wettert. Ein Weglächeln? Mir kommt es oft<br />

so vor. Aber wer will es ihm verübeln? Wenn man sich die unterschiedlichen politischen<br />

Positionen innerhalb der Regierung zwischen CDU und FDP anschaut, die für so manche<br />

Spannung zwischen den Noch-Partnern sorgt, wenn man bedenkt als Koalitionspartner eine<br />

FDP zu haben die mit allen Mitteln gegen den prozentualen Abgrund kämpft, wenn man<br />

auf einen Schuldenberg schaut, der nun sogar wider eigener Versprechen an die Menschen<br />

in Niedersachsen größer wird und wenn man die personelle Zusammensetzung des<br />

Regierungskabinetts schaut, dann kann einem der Ministerpräsident fast leidtun.<br />

Ein Ministerpräsident, der sich jetzt als der große Energiewende-Minister feiern lässt, nur<br />

weil er der Kanzlerin blind folgt. Vor der Ankündigung der Energiewende durch die<br />

Bundesregierung hatte Herr McAllister noch ausdrücklich die Laufzeitverlängerung der<br />

Kernkraftwerke gestützt, eine Drehung um 180 Grad. Würde Frau Merkel plötzlich beschließen,<br />

dass Mitten in Hannover ein Endlager für Atommüll entsteht, dann stünde Herr<br />

McAllister wohl kurze Zeit später hinter ihr. Ein Ministerpräsident, der Frau Merkels Pläne<br />

dann dem Parlament in Regierungserklärungen beibringen muss, obwohl er vorher vielleicht<br />

nicht einmal derselben Meinung war. Ein Ministerpräsident, der es müde ist, sich dauernd<br />

über seine Minister und seinen Koalitionspartner aufregen zu müssen. Ein Ministerpräsident,<br />

der der CDU-<strong>Fraktion</strong> als Vorsitzender fehlt.<br />

Das Kabinett<br />

Werfen wir einen kurzen Blick auf das Kabinett. Da wäre zunächst der Umweltminister<br />

Herr Sander, er scheint zwar kaum einen Draht zur Umwelt zu haben, aber hey, er ist<br />

<strong>im</strong>merhin ein FDPler und Minister. Eine Fehlbesetzung erster Klasse. Der Wirtschafts-


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

minister Herr Bode bemerkte am Flughafen bei der Kontrolle, dass ihm das Visum für<br />

China fehlte, als er zu einer Wirtschaftsreise dorthin aufbrechen wollte. Auch lässt sich Herr<br />

Bode gerne zu Lobbyistentreffen aus der Glücksspielbranche auf Sylt einladen. Dann gibt es<br />

noch einen Finanzminister Möllring, dem kurzfristig einfällt der NORD/LB 600 Mio. €<br />

überweisen zu müssen, damit diese den Bankenstresstest besteht, und dazu informiert er das<br />

Parlament in einer Regierungserklärung an dem Tag, an dem die Entscheidung gefällt<br />

werden muss, wenn kaum Beratungszeit für einen so hohen Betrag zur Verfügung steht.<br />

Diese Arroganz der Macht hatte ich in einem früheren Tagebucheintrag schon ausgeführt.<br />

Aber auch der Innenminister Schünemann, der <strong>im</strong>mer wieder den konservativen Populismus<br />

mit seinen Ideen speisen muss, ist nicht die unkontroverseste Besetzung dieses Amtes.<br />

Einen Kultusminister Herr Althusmann, der es nicht geschafft hat einen Schulkonsens herzustellen,<br />

und auch noch die Opposition damit verhöhnt, ihnen Kaffee in die Büros zu<br />

schicken, und außerdem die nicht zukunftsweisende Oberschule ins Leben ruft, die in sich<br />

fast eine „Totgeburt“ zwischen CDU und FDP ist, kann man wohl kaum als großen<br />

Minister preisen. Zumal jetzt auch noch der Verdacht besteht, er habe als Bildungsminister<br />

eine wissenschaftlich minderwertige Doktorarbeit vorgelegt. Obwohl mich diese Hetze auf<br />

die ganzen Doktorarbeiten der <strong>Politik</strong>er stört, zur Senkung der <strong>Politik</strong>verdrossenheit trägt<br />

das mit Sicherheit nicht bei. Man kann sich doch nicht einen <strong>Politik</strong>er nach dem anderen<br />

schnappen und die Doktorarbeiten kontrollieren. Da muss sich doch jeder Träger eines<br />

Doktortitels fragen, ob er sich unter Generalverdacht stellt, wenn er oder sie in die <strong>Politik</strong><br />

geht.<br />

Abschließend noch ein Blick auf das Ressort Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz<br />

und Landesentwicklung unter Herrn McAllister. Als Herr McAllister an die Regierung<br />

letztes <strong>Jahr</strong> kam, hat er das Kabinett von Herrn Wulff eins zu eins übernommen. Auch mit<br />

der angezählten Landwirtschaftsministerin Frau Grotelüschen. Angezählt deshalb, weil<br />

schon bekannt war, dass sie eng mit der Geflügelwirtschaft privat und beruflich verstrickt<br />

war und politische Positionen eindeutig danach ausrichtete. Schnell wurde sie bekannt als<br />

„Putelüschen“ und nach dem Skandal <strong>im</strong> Betrieb, für den sie früher selbst auch Verantwortung<br />

trug, war sie politisch nicht mehr haltbar. Ob sie nach nicht einmal 8 Monaten<br />

gegangen worden ist oder tatsächlich selber den Entschluss fasste, kann ich nicht sagen.<br />

Aber eines kann ich sagen: Der Minister musste sich fremdschämen für seine damalige<br />

Ministerin. Nun stand das Landwirtschaftsministerium ohne politische Führung <strong>im</strong> Dioxin-<br />

Skandal da, auch wenn Minister Sander die Geschäfte übernahm, letztendlich war haben<br />

Ministerpräsident und Umweltminister den Staatssekretär des Landwirtschaftsministerium<br />

machen lassen.<br />

Die Regierungsantrittserklärung am 1. Juli 2010 Herrn McAllisters trug die Überschrift:<br />

„Mut zur Verantwortung“. Was bedeutet hier denn Verantwortung? Verantwortung habe<br />

ich <strong>im</strong> Dioxin-Skandal und in der EHEC-Krise kaum gesehen. Äußerungen von ihm waren<br />

rar. Sein Führungsstil ist dezent-zurückhaltend. Er lässt alles so weiter laufen und hofft, dass<br />

es gut geht. Insgesamt kann man eher von einer Flucht aus der Verantwortung sprechen.<br />

Die Spannungen zwischen FDP und CDU nehmen <strong>im</strong>mer drastischer zu. Als Beispiele<br />

möchte ich hier nur einige Themen nennen, in denen CDU und FDP gegensätzlicher<br />

Meinung sind: Fachkräftemangel, kommunalwahlrechtliche Best<strong>im</strong>mungen, Schulreform,<br />

Glücksspielmonopol, Asyl- und Ausländerpolitik, Vorratsdatenspeicherung oder PKW-<br />

Maut.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 49


CDU und FDP <strong>im</strong> Bruch – Ein Beispiel<br />

50 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Krampfhaft versucht die FDP eigene Akzente zu setzen. Am 9. Juni veröffentlichte die<br />

FDP-<strong>Fraktion</strong> das Papier „Zehn Punkte für eine liberale Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik“.In<br />

diesem Papier fordern die Liberalen Initiativen, die die CDU zur Zeit niemals<br />

unterstützen würde. Aber bei den Oppositionsparteien fielen diese FDP-Ideen auf fruchtbaren<br />

Boden. Nahezu alle Positionen der FDP in diesem Bereich sind auch schon lange die<br />

Positionen der <strong>SPD</strong>. Daher machte die <strong>SPD</strong> dies zum Thema <strong>im</strong> Landtag, um nachzufragen.<br />

In einer Dringlichen Anfrage wandte sich die <strong>SPD</strong> an die Landesregierung. Der<br />

Innenminister Schünemann allerdings, der von den Forderungen der FDP so gut wie nichts<br />

hielt, antwortete mit einer technokratischen Rede, in der er <strong>im</strong> Kern sagte, dass sich die<br />

Landesregierung an die geltenden Gesetze und Vorschriften halte. Entschuldigung, aber das<br />

wäre ja noch schöner, wenn sich die Regierung nicht an die rechtlichen Vorschriften hielte,<br />

wo kämen wir denn da hin? Dann würde sich die Regierung schließlich auch nicht mehr in<br />

unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen! Klar, muss sich die Regierung<br />

an die Gesetze halten, aber Gesetze und Vorschriften sind auch veränderbar. Dies streben<br />

FDP und Oppositionsfraktionen bei diesem Thema an. Im Großen und Ganzen würden die<br />

Vorschläge der FDP eine Mehrheit <strong>im</strong> Landtag finden, das machten <strong>SPD</strong>, Grüne und Linke<br />

deutlich, denn zusammen verfügen diese Parteien über 82 Sitze <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag<br />

von 152 Sitzen, das ist die relative Mehrheit. Demokratisch bedeutet es, dass es eine gesellschaftliche<br />

Mehrheit gibt, die die Positionen von <strong>SPD</strong>, FDP, Grünen und Linken unterstützt.<br />

Aber realpolitisch scheitert das ganze an der CDU. Die FDP hat sich übrigens<br />

komplett aus der Landtagsdebatte zu ihren Themen zurückgehalten, lediglich Minister Bode<br />

hat symbolisch was gesagt, das nicht wirklich auf dieses Missverständnis einging. Es bleibt<br />

zu erwähnen, dass die Sitzungen der Integrationskommission, die sich genau mit diesen<br />

Themen der Flüchtlings-, Asyl- und Ausländerpolitik beschäftigt, ständig ausfallen, obwohl<br />

es um die 7 Anträge gibt, die genau in diese Richtung zielen. Das ist doch grotesk.<br />

Insgesamt bleibt mir nur zu sagen: Mein Mitgefühl, Herr McAllister.<br />

20.<br />

Abschlussseminar: Zwischen Geschichte und Zukunft<br />

01.08.2011<br />

Nachdem ich meinen Sommerurlaub damit verbracht hatte, mich eingehend mit den<br />

Studiengängen, Universitäten und Studienbewerbungen zu beschäftigen, ging es vom 11. bis<br />

15. Juli nach Papenburg zum Abschlussseminar <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong>.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Ein Überblick<br />

In entspannter St<strong>im</strong>mung ging es am<br />

Montagmorgen gen Ostfriesland. Die<br />

Temperaturen in Hannover ließen hoffen auf<br />

ein sommerliches Abschlussseminar. Jedoch<br />

in Papenburg angekommen war es nicht<br />

mehr ganz so warm, und es wurde <strong>im</strong> Laufe<br />

der Woche auch nicht besser. Dennoch<br />

hatten wir eine sehr schöne Unterkunft, die<br />

Historisch-Ökologische Bildungsstätte<br />

Papenburg. Sie liegt direkt an einem See und Ein letztes pädagogisches Gruppenspiel<br />

ist mit viel Glas und einer Pflanzenwelt ausgestattet.<br />

Die Ruderboote der Einrichtung waren natürlich besonders beliebt, und für eine<br />

kleine Ausfahrt nahmen es einige gerne in Kauf, in einem Ausläufer des Sees stecken zu<br />

bleiben und dadurch auch mal etwas später zum Gruppentreffen zu erscheinen. Insgesamt<br />

war die Atmosphäre sehr entspannt und erholsam. Inhaltlich ging es darum, das Freiwillige<br />

Soziale <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> zu reflektieren, also zu evaluieren, wie wir das <strong>Jahr</strong> für uns persönlich<br />

bewerten. Der Zusammenhalt in der Gruppe wurde noch einmal trainiert. Außerdem hat<br />

Natalie Boest einen Teil ihres Hauptprojektes vorgestellt. Natürlich wurden auch regionale<br />

Schwerpunkte gesetzt, wie der Besuch der zukünftigen Gedenkstätte Esterwegen.<br />

Diskussionen<br />

Natalie Boest, Freiwillige bei der Stiftung<br />

Leben und Umwelt, stellte einen Aspekt ihres<br />

eigenverantwortlichen Projektes „Den Staat<br />

neu denken“ vor. Wir diskutierten über die<br />

Idee der „Sozialen Plastik“ von Johannes<br />

Stüttgen, der mit seinem Omnibus für direkte<br />

Demokratie tourte. Letztendlich entfachte auch<br />

eine Diskussion zum Thema der Rolle von<br />

Parteien in unserer Demokratie und wer wie<br />

am besten Einfluss auf die Gesellschaft hat.<br />

Am Nachmittag ging es dann weiter mit den<br />

Diskussionen be<strong>im</strong> Floßbau. Wir wurden in<br />

drei Gruppen aufgeteilt und bekamen alle dieselben<br />

Materialien. Zunächst sollte ein<br />

Konstruktionsplan entworfen werden. Schon<br />

Nach einer langen Planungsphase ist es<br />

fast fertig: Unser Katamaran-Floß<br />

das gelang uns in der Gruppe nicht so richtig, also fingen wir einfach an drauflos zu bauen.<br />

Die erste Gruppe war fertig und probierte sich auf dem Wasser mit ihrem Floß, es sah zwar<br />

etwas krampfhaft aus, aber sie schwammen, blieben allerdings nicht vollends trocken. Auch<br />

die zweite Gruppe hatte sich für eine trapezartige Form entschieden, jedoch war die Balance<br />

des Floßes nicht hergestellt, dadurch saß einer halb <strong>im</strong> Wasser, der andere „schwebte“<br />

hinter ihm. Schließlich schafften auch wir es mit unserem quadratischen Katamaran, die<br />

Wogen des Sees zu erkl<strong>im</strong>men. Nach anfänglichen Ballonverlusten – die waren als Auftrieb<br />

unter das Floß geschnallt – waren wir von unserer Konstruktion überzeugt. Zum Glück war<br />

Fabian Claussen S e i t e | 51


52 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

IV. Mein Tagebuch <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

uns das Wetter am Dienstagnachmittag hold<br />

und es blieb warm, sodass das kalte Nass<br />

nicht allzu schl<strong>im</strong>m war.<br />

Exkursion in die Geschichte<br />

Am Mittwoch führte uns eine morgendliche<br />

Radtour in das Dokumentations- und<br />

Informationszentrum (DIZ) Emslandlager,<br />

Papenburg. Dort präsentierte uns der Leiter<br />

des DIZ die Geschichte der Konzentrations-<br />

Vorsichtig lassen wir unser Floß zu Wasser. lager <strong>im</strong> Emsland. Eine Besonderheit, die in<br />

den Emslandlagern entstanden ist, ist „Das<br />

Lied der Moorsoldaten“, welches kurze Zeit später in den Lagern verboten wurde, da es als<br />

politisches Widerstandslied galt und noch gilt. Anschließend begutachteten wir die Ausstellung<br />

<strong>im</strong> DIZ, der berühmteste Häftling <strong>im</strong> Emsland war sicherlich Carl von Ossietzky,<br />

nach dem heute beispielsweise die Universität Oldenburg benannt ist. Das bekannteste<br />

Lager war das in Esterwegen. Zwischenzeitlich wurde das Gelände nämlich vom Militär<br />

genutzt. Zurzeit wird die Stätte dieses ehemaligen Lagers zur Gedenkstätte umgebaut. Vom<br />

Leiter des DIZ, Fietje Ausländer, wurden wir auf dem Gelände herumgeführt und er hat uns<br />

anschaulich dargestellt, wie es früher ausgesehen haben muss. Heute stehen dort nämlich<br />

keine Gebäude des Lagers mehr. Im Oktober wird die neue Ausstellung auf dem ehemaligen<br />

Gelände offiziell eröffnet.<br />

Rückblick und Ausblick<br />

Während des Seminars haben wir unterschiedliche Methoden der Reflexion getestet, oft war<br />

es auf kreative Weise oder wir haben für<br />

uns einen Fragebogen ausgefüllt. Bei<br />

einer „Session“ haben wir uns <strong>im</strong> Raum<br />

positioniert, dementsprechend, wie wir<br />

die vorgelesene These von Julia Wurzel,<br />

unserer Koordinatorin, beantworten<br />

würden. Dem einen hat dies in der<br />

Selbsterkenntnis geholfen, dem anderen<br />

weniger. Außerdem haben wir noch kurz<br />

über die Zertifikatsübergabe am 31.<br />

August <strong>im</strong> Neuen Rathaus gesprochen.<br />

Am letzten Tag haben wir uns nach<br />

einer ruhigen Abschiedsrunde darüber<br />

unterhalten, was wir nach dem FSJ<br />

machen wollen. Die meisten werden<br />

Ein letztes Gruppenfoto in Papenburg<br />

studieren gehen, da wurden unter anderem die Städte Bremen, Göttingen und Leipzig genannt.<br />

Bei vielen ist es aber noch unklar, wo es hingeht, so auch bei mir.<br />

Das war es nun also mit meinem FSJ <strong>Politik</strong>. Ein letzter Beitrag beinhaltet das Fazit aus<br />

Kapitel VI, daher sehe ich an dieser Stelle von einer Dopplung ab.


V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

V O R W O R T<br />

Soziale Teilhabe: Auf Bereisung mit Stefan Schostok<br />

Mein Name ist Fabian Claussen und ich habe mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong><br />

<strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag absolviert.<br />

Vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 habe ich <strong>im</strong><br />

<strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> mitgearbeitet. Zu einem FSJ <strong>Politik</strong> gehört ein<br />

eigenes Projekt, welches der FSJ-Absolvent selbstständig betreut.<br />

Während meines FSJ <strong>Politik</strong> habe ich mich mit vielen verschiedenen<br />

politischen Themen auseinandergesetzt und an einigen Projekten gearbeitet.<br />

Im Folgenden möchte ich mein Hauptprojekt dokumentieren.<br />

Lange schon hat mich das Thema Integration und Zuwanderung interessiert und die damit verbundenen<br />

gesellschaftlichen Aspekte. Oft wird mangelnde gesellschaftliche Teilhabe von<br />

Menschen als Phänomen in der Stadt begriffen, aber das darf man nicht pauschalisieren, denn<br />

auch <strong>im</strong> ländlichen Raum führt dies zu sozialen Missständen. Viele Menschen in Niedersachsen<br />

leben leider am – sogenannten – Rande der Gesellschaft. Das ist kein Phänomen, welches ausschließlich<br />

bei Zugewanderten auftritt, es betrifft auch viele Menschen ohne Migrationshintergrund.<br />

Sehr viele Migranten und Migrantinnen sind in die Gesellschaft gut integriert, sodass sie<br />

kaum auffallen. Integration ist ein wechselseitiger Prozess und ein Prozess, der in den nächsten<br />

<strong>Jahr</strong>en verstärkt auf unsere Gesellschaft Einfluss haben wird. Jede/r Einzelne sollte die gleichen<br />

Chancen, Freiheiten und Sicherheiten in ihrem/seinem Leben haben, egal, aus welchen Verhältnissen<br />

er/sie stammt. Da ich einen Schwerpunkt in meinem Projekt setzen wollte, habe ich „die<br />

Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund“ gewählt.<br />

Nach Absprache mit dem Geschäftsführer der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag,<br />

Herrn Dr. Cornelius Schley, organisierte ich eine Reihe an Bereisungen des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden<br />

Stefan Schostok zum Thema Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund.<br />

Der Titel der Bereisungen lautete „Tour der Teilhabe“. Eine neue Herausforderung für mich,<br />

denn etwas Derartiges hatte ich zuvor noch nie gemacht. Nach einer langen Planungsphase war<br />

der erste Tag der Tour Freitag, der 13. Mai 2011, in Hannover. Diesen Auftakt <strong>im</strong> Stadtteil<br />

Linden habe ich völlig selbstständig organisiert. Danach folgten <strong>im</strong> Zeitraum vom 6. Juni bis 24.<br />

Juni 2011 die sechs weiteren Tage, an denen Stefan Schostok Niedersachsen zum Thema Teilhabe<br />

bereiste. Insgesamt ging es in 13 Kreise und kreisfreie Städte zu insgesamt etwa 26<br />

Terminen. Stefan Schostok hat sich mit verschiedensten Vereinen, Verbänden, Initiativen und<br />

Einrichtungen ausgetauscht. Da es mein Hauptprojekt war, habe ich ihn dabei begleitet. Soweit<br />

sie konnte, hat auch die integrationspolitische Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>, Dr. Silke Lesemann,<br />

an den Terminen teilgenommen.<br />

Ich möchte mich ganz herzlich bei denen bedanken, die tatkräftig mitgearbeitet haben, diese<br />

Tour durchzuführen: das sind nicht nur Kollegen und Kolleginnen aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro,<br />

sondern ganz besonders die örtlichen Abgeordneten und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.<br />

Natürlich möchte ich mich auch bei den besuchten Einrichtungen, Vereinen und Initiativen bedanken,<br />

dass sie Stefan Schostok so angenehm empfangen haben. Ganz besonderer Dank gilt<br />

natürlich Stefan Schostok selbst: Vielen, vielen Dank Stefan!<br />

Jetzt viel Spaß be<strong>im</strong> Lesen, Fabian Claussen<br />

Fabian Claussen S e i t e | 53


Erster Tag am 13. Mai 2011 in Hannover-Linden<br />

Migrationsberatung der AWO Region Hannover e.V.<br />

Im Beratungszentrum für<br />

Integrations- und Migrationsfragen<br />

hat sich Stefan<br />

Schostok zusammen mit Dr.<br />

Silke Lesemann, der<br />

integrationspolitischen<br />

Sprecherin der <strong>Fraktion</strong>, dem<br />

hannoverschen <strong>SPD</strong>-<br />

Ratsherren Alptekin Kirci und<br />

dem Referenten für <strong>Soziales</strong>,<br />

Heinrich Heggemann, über<br />

die Arbeit der AWO Region<br />

Hannover mit Zugewanderten<br />

informiert und das Vorhaben<br />

der <strong>Fraktion</strong>, ein „Teilhabegesetz“<br />

in den Landtag einzubringen,<br />

erläutert. Inhaltlich<br />

wurde des Weiteren über<br />

Integration <strong>im</strong> Allgemeinen<br />

gesprochen, einig waren sich<br />

Sozialdemokraten darin, dass<br />

Deutschland eine klare<br />

Anerkennungs- und<br />

54 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Stefan Schostok (Bildmitte) gemeinsam mit Alptekin Kirci<br />

(rechts dahinter) und Dr. Silke Lesemann (links dahinter) bei<br />

der AWO Region Hannover<br />

Willkommenskultur brauche und dass öffentliche Einrichtungen eine starke interkulturelle<br />

Öffnung bräuchten. Die Förderung interkultureller Kompetenz der Dienstleister müsse gefördert<br />

werden. Es ginge nicht darum, dass auf den Migrationshintergrund der Menschen geschaut werde<br />

und danach die <strong>Politik</strong> ausgerichtet werde, sondern dass die <strong>Politik</strong> Lösungen für die heutigen<br />

Missstände fände ohne zu stark in die geosoziologische Vergangenheit der Menschen zu schauen.<br />

Nada Nangia, Leiterin des Fachbereichs Integration und Migration der AWO Region Hannover,<br />

erläuterte allen Anwesenden, welche Möglichkeiten die AWO hat, Zugewanderten zu helfen. Die<br />

AWO bietet Beratung für Migranten und Migrantinnen an. Den „Jugendmigrationsdienst“ (JMD)<br />

können insbesondere neu zugewanderte Jugendliche zwischen 12 und 27 in Anspruch nehmen.<br />

Die „Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte“ (MBE) dagegen wird ab 27 <strong>Jahr</strong>e angeboten.<br />

Dann gibt es noch die „Nachholende Integrationsberatung“ (NIB). Diese ist für Zugewanderte,<br />

die bereits länger schon hier leben, aber noch Probleme <strong>im</strong> „deutschen“ Alltag<br />

haben, zum Beispiel mit der Sprache. Die Zahl der zu beratenen Personen, die aus 89 Ländern<br />

stammen, beläuft sich auf 858 <strong>im</strong> Bereich MBE/NIB und auf 257 <strong>im</strong> Rahmen des JMD. Der<br />

Anteil der neu Zugewanderten beträgt etwa 45%. Im Beratungszentrum für Integrations- und<br />

Migrationsfragen (BIM), welches die drei Angebote durchführt, können alle fragen zu vielen<br />

Lebensbereichen stellen (Wohnen, Einkommen, Arbeit, Familie/Beziehung, Recht, soziales Umfeld,<br />

Aktivitäten <strong>im</strong> Alltag, Erholung/Freizeit, Mobilität, Gesundheit und Erziehung/Bildung).<br />

Die AWO bietet auch Integrationskurse an, in denen die deutsche Sprache gelehrt wird und über<br />

die deutsche Kultur informiert wird.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Das Abschiedsfoto auf der Dachterrasse der AWO. Auch der<br />

Referent für <strong>Soziales</strong>, Heinrich Heggemann, war dabei (4. v. l.).<br />

Die <strong>SPD</strong>-Delegation<br />

zeigte sich in den anschließenden<br />

Gesprächen<br />

beeindruckt von der<br />

Professionalität der<br />

AWO-Integrationsangebote<br />

und von dem großen<br />

Engagement der AWO-<br />

Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen.<br />

Diese betonten<br />

den starken Netzwerkcharakter<br />

ihrer<br />

Arbeit. Erfolgreiche<br />

Integrationsarbeit müsse<br />

darüber hinaus nachhaltig,<br />

geduldig und ausdauernd<br />

sein. Kurzfristige<br />

Aktionen brächten nichts.<br />

Sie forderten von der<br />

<strong>Politik</strong> weniger Bürokratie bei den zahlreichen Antragsverfahren und ein Ende der „Projektitis“.<br />

Ein Großteil ihrer Arbeitszeit ginge mit der „Akquise“ von Projektmitteln und dem Ausfüllen<br />

von Projektformularen verloren. Eine institutionelle Förderung der Integrationsarbeit würde dagegen<br />

diese überflüssige und zeitintensive Bürokratie beenden.<br />

„MigrantInnen SelbstOrganisationen“ Netzwerk Hannover<br />

Stefan Schostok besuchte mit Dr. Silke Lesemann, Alptekin Kirci und Heinrich Heggemann das<br />

MiSO-Netzwerk. Das sogenannte „MiSO-Netzwerk“ ist ein noch junger Zusammenschluss von<br />

35 MigrantInnenselbstorganisationen (nach eigenen Angaben) in Hannover. Unter anderem sind<br />

hier der Afrikanische Dachverband Norddeutschland e.V., das Kurden Komitee Hannover e.V.<br />

oder die Arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. organisiert.<br />

Der Sitz des MiSO-Netzwerkes ist das Kulturzentrum Faust <strong>im</strong> Stadtteil Linden-Nord. Ein Ansprechpartner<br />

des Netzwerkes ist Asghar Eslami von kargah e.V. – Verein für interkulturelle<br />

Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit. Im Frühjahr 2010 wurde das Netzwerk gegründet<br />

und gilt bundesweit bislang einmalig in dieser Form und in diesem Umfang. Und es<br />

wachse weiter, denn weitere MigrantInnenselbstorganisation hätten Interesse an einer MiSO-<br />

Mitgliedschaft bekundet.<br />

Nach ersten gemeinsamen, erfolgreichen Aktionen wolle das Netzwerk nun stabiler und verbindlicher<br />

werden, was manchmal nicht einfach sei angesichts der vielen unterschiedlichen Kulturen<br />

und Sprachen der Netzwerk-Mitglieder. Sie lobten in diesem Zusammenhang die <strong>SPD</strong> Hannover<br />

und Stefan Weil, den Oberbürgermeister von Hannover, die den Aufbau und die Arbeit des<br />

Netzwerkes kräftig unterstützten. Mehrere Repräsentanten des MiSO-Netzwerkes betonten, dass<br />

die durch Thilo Sarrazins ausländerfeindlichen Äußerungen geführten öffentlichen Diskussionen<br />

sie verletze und in ihren Integrationsbemühungen behindere. Sie forderten in dieser Frage auch<br />

mehr Engagement der Bundes-<strong>SPD</strong>. Sie unterstützen die <strong>SPD</strong>-Forderung nach einem<br />

kommunalen Ausländerwahlrecht. Wer hier lebe, der müsse auch wählen dürfen.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 55


56 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Die Schura Niedersachsen – Landesverband der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen e.V.<br />

Die „Schura Niedersachsen“ ist ein Zusammenschluss von Musl<strong>im</strong>en aller Rechtsschulen und<br />

Nationalitäten aus Niedersachsen. Der Verein wurde hauptsächlich gegründet um die Interessen<br />

der Musl<strong>im</strong>e in Niedersachsen repräsentativ zu bündeln und er arbeitet bei dem Projektversuch<br />

„islamischer Religionsunterricht in Niedersachsen“ mit. Dieses Projekt wurde schon damals von<br />

der rot-grünen Landesregierung vor 2003 initiiert. Mit Landesregierung und Wissenschaft werden<br />

Inhalte für den islamischen Religionsunterricht erarbeitet. 26 niedersächsische Grundschulen<br />

beteiligen sich an diesem Projektversuch. Stefan Schostok, Dr. Silke Lesemann, Alptekin Kirci<br />

und Heinrich Heggemann besuchten die Islamische Gemeinschaft Jama´at-un Nur e.V., dessen<br />

Vorsitzender Avni Altiner auch den Vorsitz bei der Schura hat. Sie erhielten die Möglichkeit, dem<br />

Freitagsgebet beizuwohnen. Diese Gelegenheit nahmen sie gerne war.<br />

Be<strong>im</strong> anschließenden Gedankenaustausch bei Tee und Baklava auf Einladung von Schura und<br />

Jama´at-un Nur e.V. spielte ebenfalls die Sarrazin-Diskussion mit ihren islamfeindlichen<br />

Äußerungen eine wichtige Rolle. Sarrazin zeichne ein grob verzerrtes und falsches Bild der in<br />

Deutschland lebenden Musl<strong>im</strong>e. Diese Diskussion werfe die Integrationsbemühungen zurück.<br />

Avni Altiner und die weitere Schura-Vertretung lobten die an der Universität Osnabrück gestartete<br />

Imam-Weiterbildung.<br />

Zweiter Tag am 6. Juni 2011 in Osnabrück und <strong>im</strong> Landkreis Nienburg<br />

Zentrum für interkulturelle Islamstudien an der Universität Osnabrück<br />

Mit dem Arbeitskreis<br />

Wissenschaft<br />

und Kultur und mit<br />

der Arbeitsgruppe<br />

Integration der<br />

<strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> besuchte<br />

Stefan<br />

Schostok gemeinsam<br />

mit Ulla<br />

Groskurt, der örtlichenAbgeordneten,<br />

das<br />

Zentrum für interkulturelleIslamstudien<br />

an der Universität<br />

Osnabrück.<br />

Das ZIIS wurde<br />

2008 gegründet,<br />

nachdem der niedersächsischePilotstudiengang<br />

„Islamische<br />

Religionspädagogik“<br />

Stefan Schostok zu Besuch be<strong>im</strong> Zentrum für interkulturelle Islamstudien<br />

an der Universität Osnabrück. Prof. Dr. Bülent Ucar (Bildmitte) stellte die<br />

Arbeit des ZIIS vor. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong>, Dr. Gabriele Andretta (Bildmitte hinten), machte sich auch ein<br />

Bild.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

zum Wintersemester 2007/2008 eingeführt worden war. Neben der Einbettung des Studienganges<br />

„Islamische Religionswissenschaften“ liegen die zentralen Aufgaben des ZIIS <strong>im</strong> Bereich<br />

der universitären Weiterbildung von Imamen und der Islamforschung besonders <strong>im</strong> Bezug<br />

Migration sowie interkulturelle und interreligiöse Studien.<br />

Empfangen wurde die <strong>SPD</strong>-Delegation um Stefan Schostok von Herrn Prof. Dr. Bülent Ucar,<br />

dem Inhaber des neuen Lehrstuhls für Islamische Religionspädagogik und den wissenschaftlichen<br />

Mitarbeitern Herrn Esnaf Begic und Herrn Moussa Al-Hassan Diaw. Kernpunkte der Diskussion<br />

waren der Studiengang „Islamische Religionspädagogik“, allgemeine Rahmenbedingungen des<br />

ZIIS, die Imam-Weiterbildung sowie auch allgemeine gesellschaftspolitische Entwicklungen.<br />

Initiiert wurde besagter Studiengang noch durch die rot-grüne Landesregierung vor 2003. Bereits<br />

damals war es das Ziel, in öffentlichen Schulen in Niedersachsen islamischen Religionsunterricht<br />

anbieten zu können. Dies soll dazu führen, dass mehr Verständnis und Verständigung zwischen<br />

Moslems, Christen und anderen Religionsgemeinschaften entsteht und dass sich intensiver mit<br />

dem Islam auseinandergesetzt wird. Förderlich ist natürlich auch, dass der Unterricht interreligiöse<br />

Aspekte beleuchtet und in Deutsch gelehrt wird. Um Unterrichtsinhalte festzulegen,<br />

wurde die Schura gegründet, die Stefan Schostok schon besucht hat. Noch ist islamischer<br />

Religionsunterricht jedoch lediglich ein Projekt an einzelnen Schulen Niedersachsens. Bemängelt<br />

wird, dass das Studienfach <strong>im</strong> Lehramt bisher nur als drittes Fach angeboten wird. Dies steht in<br />

starker Konkurrenz zur nahen Universität in Münster, in der die Islamwissenschaften auch eine<br />

starke Rolle spielen. Dort gibt es „Arabistik/Islam-wissenschaften“ beispielsweise <strong>im</strong> Zweifach-<br />

Bachelor; ein Studiengang, der den Studiengang „Islamische Religionspädagogik“ hervorragend<br />

ergänzen würde und das ZIIS aufwerten würde. Hinzukommt der negative Standortfaktor<br />

Studiengebühren in Niedersachsen. In Nordrhein-Westfalen werden Studiengebühren abgeschafft.<br />

Ein weiterer Punkt war die Weiterbildung von Imamen. Mit Begeisterung und Andrang<br />

soll dieses Angebot der Universität Osnabrück angenommen werden, gesamtgesellschaftlich gesehen<br />

ist das Programm für das interreligiöse und –kulturelle Verständnis als förderlich einzustufen.<br />

Uchter Jugendzentrum<br />

Gemeinsam mit dem lokalen<br />

Abgeordneten Grant Hendrik<br />

Tonne stattete Stefan<br />

Schostok dem Uchter<br />

Jugendzentrum einen Besuch<br />

ab. Bei bestem Wetter<br />

wurden Stefan Schostok,<br />

Grant Hendrik Tonne und<br />

die Delegation der örtlichen<br />

<strong>SPD</strong> von Torsten Garrelts,<br />

Uta Sievers und Lüksiye<br />

Agirman vor einem herrlich<br />

bunt bemalten Haus<br />

empfangen. Zunächst wurden<br />

die Räumlichkeiten des<br />

Jugendzentrums durch eine<br />

Führung vorgestellt.<br />

Nachdem der große Garten<br />

und das Fußballfeld hinter<br />

Zuerst wurde das Außengelände des Uchter Jugendzentrums<br />

besichtigt.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 57


58 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

dem Haus inspiziert wurden, ging es in die Innenräume des Hauses. Zahlreiche Z<strong>im</strong>mer zeugten<br />

von einem lebendigen Treiben <strong>im</strong> Jugendzentrum. Vorgestellt wurden das Büro, das Billardz<strong>im</strong>mer,<br />

das Computerz<strong>im</strong>mer, das Spielez<strong>im</strong>mer, der große Allzweckraum, die „Chill-out-Area“,<br />

die Küche und der Besprechungsraum.<br />

Das Uchter Jugendzentrum<br />

wird getragen vom Verein für<br />

Jugendarbeit in Uchte e.V., der<br />

seit 2001 besteht. Im gleichen<br />

<strong>Jahr</strong> wurde das Haus in der<br />

Berggartenstraße durch<br />

Jugendliche in den Sommerferien<br />

renoviert. Erst <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e<br />

2002 konnte das Jugendzentrum<br />

die Türen täglich<br />

öffnen, was für die Arbeit sehr<br />

wichtig war. Seit 2005 arbeitet<br />

Uta Sievers als Sozialpädagogin<br />

in der Einrichtung. Sie hat nun<br />

Unterstützung durch Lüksiye<br />

Agirman, was die Arbeit <strong>im</strong><br />

Jugendzentrum effektiver<br />

macht, weil die Betreuung<br />

größer ist. Außerdem ist Lüksiye Agirman eine gute Ansprechpartnerin für zugewanderte<br />

Familien mit ausländischem Migrationshintergrund. Ganz wichtig: Die Familien finden das Vertrauen<br />

zu ihr besser aufgrund der gemeinsamen Sprache. In Uchte leben viele Migrantenfamilien<br />

und es bestand großer Handlungsbedarf, damit mehr Teilhabe dieser Zugewanderten entstehen<br />

konnte.<br />

Die Besucher und die Betreuer der Jugendlichen vor dem<br />

bunt bemalten Jugendzentrum in Uchte.<br />

In einer gemütlichen Runde erklärte Uta Sievers (stehend) den<br />

Gästen, wie die tägliche Arbeit aussehe.<br />

Täglich ist das Jugendzentrum<br />

geöffnet. Montags bis<br />

donnerstags wird Hausaufgabenhilfe<br />

angeboten. Dies<br />

übernehmen auch ältere Schüler<br />

und Schülerinnen, die sich in<br />

Sachen Arbeit mit Kindern fortgebildet<br />

haben. Danach und<br />

auch Freitag nachmittags ist<br />

offener Treff, dort können die<br />

Jugendlichen Fußballspielen,<br />

sich in Lebenslagen separat beraten<br />

lassen, Gesellschaftsspiele<br />

spielen, Billard spielen, das<br />

Computerangebot nutzen,<br />

kochen und vieles mehr. Es gibt<br />

auch einen Tag nur für<br />

Mädchen. Im Jugendzentrum<br />

finden auch Workshops statt wie<br />

beispielsweise die JuLeiCa-<br />

Ausbildung. Auch andere Projekte gefördert durch das Land Niedersachsen oder die örtlichen<br />

Kommunen finden dort statt. Im Sommer gestaltet das Jugendzentrum einen Ferienpass in Ko-


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

operation mit vielen anderen Akteuren. Viele dieser Veranstaltungen finden in den dortigen<br />

Räumlichkeiten statt. Neu ist das Jugendparlament, dass als Sprachrohr der örtlichen Jugendlichen<br />

dienen soll.<br />

Finanziert wird das Jugendzentrum vom Verein, der Kommune und aus Projektmitteln des<br />

Landes Niedersachsen. Ein Großteil des Geldes kommt aus dem niedersächsischen NiKo-<br />

Projekt. Für das NiKo-Projekt ist Uta Sievers angestellt. Sie hat die Aufgabe, Jugendarbeit, Schulsozialarbeit<br />

und Elternkontakte zu bündeln und somit eine opt<strong>im</strong>ale Gesprächspartnerin für alle<br />

drei Parteien zu sein, wenn es Probleme gibt. Jedoch ist das Niko-Projekt bis zum 31. Dezember<br />

2011 befristet. Wichtig ist eine langfristige nicht projektbezogene sozialpädagogische Jugendarbeit.<br />

Bei türkischen Spezialitäten erzählen die Jugendlichen, übrigens viele mit Migrationshintergrund,<br />

am runden Tisch begeistert, wie gut ihnen das Jugendzentrum gefällt. Uta Sievers<br />

und Lüksiye Agirman konnten schon vielen sogenannten „Problemkindern“ helfen.<br />

Das „Sprotte“ in Nienburg – Begegnungsstätte für die Lehmwandlung<br />

Die Lehmwandlung als ein Stadtteil Nienburgs ist Projektort des Bund-Länder-Programms<br />

„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Die Soziale Stadt“. Ursprünglich war der<br />

Stadtteil eine Siedlung für die Familien der Britischen Armee. In den 1990er <strong>Jahr</strong>en zogen diese<br />

Familien wieder weg und es zogen Zuwanderer, Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen vermehrt<br />

in die Wohngegend. Schnell entwickelte sich das Gebiet mit ca. 3250 Einwohnern zu einem<br />

„sozialen Brennpunkt“. Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ wurde der Stadtteil baulich<br />

modernisiert und die dortige Lebensqualität angehoben. Ziel ist es, die Lehmwandlung wieder<br />

attraktiv zu machen.<br />

Barbara Weissenborn (1. v. r.) und Britta Kreuzer (1. v. l.)stellen<br />

Grant Hendrik Tonne (2. v. l.) und Stefan Schostok die Arbeit <strong>im</strong><br />

Quartier vor.<br />

Im Zentrum des Stadtteils hat<br />

der Verein Sprotte e.V. ein<br />

Begegnungszentrum aufgebaut<br />

in einem früheren<br />

Einkaufsladen und einer<br />

Kneipe. Heute sind dort das<br />

„Sprottelino“ als Restaurant<br />

und Räumlichkeiten für<br />

Kurse, Projekte und andere<br />

Veranstaltungen angesiedelt.<br />

Die Projektleiterin Barbara<br />

Weissenborn und die Leiterin<br />

für das Modellvorhaben<br />

„Lebensbasis Bildung“, Frau<br />

Britta Kreuzer, haben Stefan<br />

Schostok und Grant Hendrik<br />

Tonne eindrucksvoll und ausführlich<br />

über ihr Engagement<br />

in der Lehmwandlung unterrichtet.<br />

Das „Sprotte“ mit<br />

dem integrierten Restaurant „Sprottelino“ soll ein Begegnungszentrum für Jung und Alt sein. Es<br />

wird vielfältig als Veranstaltungsort genutzt, nicht nur für Veranstaltungen des Vereins. Der Verein<br />

„Sprotte“ will universeller Ansprechpartner für die Probleme in der Siedlung sein.<br />

Das Angebot des Vereins ist vielfältig und reicht von Kinderbetreuung bis zum Treffpunkt für<br />

die ältere Generation. Der Verein will als Vermittler agieren, Kinder aus Migrantenfamilien be<strong>im</strong><br />

Fabian Claussen S e i t e | 59


60 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Spracherwerb unterstützen, mit Schulen zusammenarbeiten und Jugendarbeit leisten. Durch das<br />

ESF-Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit <strong>im</strong> Quartier“ (BIWAQ) finanzieren sie teilweise die<br />

berufliche Aus- bzw. Weiterbildung <strong>im</strong> „Sprottelino“. Regelmäßig treffen sich verschiedene<br />

Gruppen <strong>im</strong> „Sprotte“, wie die russisch-deutsche Müttergruppe oder die Nähgruppe. Die Nähgruppe<br />

wird von einer Migrantin geleitet, die sich angeboten hatte, diese in der Leitung zu übernehmen.<br />

Begutachtet wurde auch der Bücherkasten vor dem „Sprotte“, wo sich die Anwohner<br />

Bücher ausleihen können.<br />

Nach der ausführlichen Präsentation<br />

und einem Austausch über die Sozialstruktur<br />

der Siedlung wurde anschließend<br />

<strong>im</strong> „Sprottelino“ sehr<br />

lecker zu Abend gegessen. Hierbei<br />

bemerkten die Vertreterinnen des<br />

„Sprotte“, dass es besonders wichtig<br />

für die Arbeit des Vereins sei, langfristig<br />

planen können, um Nachhaltigkeit<br />

herzustellen. Natürlich müssten<br />

sie auch eng mit den kommunalen<br />

Räten, Vereinen und Schulen verzahnt<br />

sein, um eine gute Quartiersarbeit zu<br />

leisten. Alle Bewohner und Be-<br />

Das Abschiedsfoto vor dem „Sprottelino“.<br />

wohnerinnen der Lehmwandlung<br />

könne man jedoch nicht ansprechen, das wäre utopisch. Von hoher Bedeutung sei außerdem die<br />

Beziehung zwischen den Generationen für das Sozialverhalten.<br />

Dritter Tag am 9. Juni 2011 in den Landkreisen Northe<strong>im</strong> und<br />

Hamlen-Pyrmont<br />

Integrationslotsen an der Gutenberg-<br />

Realschule in Northe<strong>im</strong><br />

An der Gutenberg-Realschule in der Stadt<br />

Northe<strong>im</strong> hatten fünf Schüler die Möglichkeit,<br />

sich <strong>im</strong> Rahmen eines Niedersächsischen<br />

Kooperations- und Bildungsprojektes<br />

(NiKo-Projekt) zu Integrationslotsen<br />

ausbilden zu lassen. Stefan Schostok<br />

und Frauke Heiligenstadt, die örtliche Abgeordnete,<br />

besuchten die Integrationslotsen<br />

Marina Schuler, Alena Tscheblakow, Mariam<br />

Omeirat, Rijana Berisha und Yasin Özalp<br />

gemeinsam mit dem Bürgermeister Harald<br />

Kühle und der Northe<strong>im</strong>er <strong>SPD</strong>. Empfangen<br />

wurden sie an der Schule von der Rektorin<br />

Frau Halle und der <strong>SPD</strong>-Ratsfrau Lydia<br />

Frauke Heiligenstadt, Stefan Schostok und Dr.<br />

Silke Lesemann hören den Integrationsloten, die<br />

von ihren Erfahrungen berichten, zu.<br />

Kretzer. Lydia Kretzer ist Lehrerin an der Gutenberg-Realschule und Integrationsbeauftragte der


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Schule. Auch die NiKo-Kraft Frau Olliges von der Stadt Northe<strong>im</strong> war anwesend. Sie hat die<br />

Jugendlichen während ihrer Ausbildung betreut und angeleitet.<br />

Stefan Schostok <strong>im</strong> Gespräch mit den<br />

Integrationslotsen.<br />

Eine Präsentation von Frau Olliges zeigte<br />

eindrucksvoll Aktivitäten und Unternehmungen<br />

der Integrationslotsen. Die<br />

Qualifizierung der fünf Schüler erfolgte von<br />

Ostern 2010 bis Weihnachten 2010. Einmal<br />

in der Woche trafen sie sich meistens <strong>im</strong><br />

Jugend- und Kulturzentrum „Alte Brauerei“<br />

gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen<br />

von anderen Schulen. Aber auch an<br />

Wochenenden fanden Seminare statt. Bei<br />

den Treffen wurde Wissenswertes <strong>im</strong> Umgang<br />

mit verschiedenen Kulturen sowie<br />

Fähigkeiten zur Schlichtung bei Streitigkeiten<br />

vermittelt. Außerdem lernten die fünf<br />

Lotsen, was es bedeutet, „Ausländer/in“<br />

oder „Asylbewerber/in“ in Deutschland zu<br />

sein. So besuchten sie auch das Grenzdurchgangslager Friedland und den Jugendmigrationsdienst<br />

des Internationalen Bundes in Göttingen, der auch Schirmherr der Qualifizierungsmaßnahme ist.<br />

Weitere Ausflüge führten die Integrationslotsen nach Hannover in den Niedersächsischen Landtag<br />

und zur Polizei.<br />

Die fünf Integrationslotsen berichteten<br />

dann, was sie in ihrer<br />

Funktion bisher gemacht und erlebt<br />

hätten. Beispielsweise hätten<br />

sie einen Infostand rund um das<br />

Thema „Asyl“ am Tag der offenen<br />

Tür der Schule, um Aufklärungsarbeit<br />

zu leisten. Sie selber kämen<br />

aus Familien mit Migrationshintergrund<br />

und könnten bereits helfen,<br />

wenn ein neuer Schüler mit<br />

geringen deutschen Sprachkenntnissen<br />

an die Schule käme. Oft sei<br />

der Kontakt zu neuen Schülern<br />

und Schülerinnen aus Migrantenfamilien<br />

aus diesen Gründen einfacher.<br />

Des Weiteren könne es<br />

leichter sein von Jugendlichem zu<br />

Jugendlichem zu reden.<br />

Anschließend richteten die fünf<br />

Lotsen noch ein paar Fragen an<br />

Rektorin Frau Halle zeigt den drei Abgeordneten, Frauke<br />

Heiligenstadt, Dr. Silke Lesemann und Stefan Schostok (v.<br />

r. n. l.) die Ausstellung in der Pausenhalle.<br />

Stefan Schostok und Frauke Heiligenstadt und zum Abschluss führte die Schulleiterin die<br />

Delegation durch die Neubauten der Schule.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 61


BIWAQ in der Northe<strong>im</strong>er Südstadt<br />

62 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Im Rahmen des ESF-<br />

Bundesprogramms „Soziale<br />

Stadt – Bildung, Wirtschaft,<br />

Arbeit und Quartier“<br />

(BIWAQ) ist der Verein<br />

Werk-statt-Schule e.V. in der<br />

Northe<strong>im</strong>er Südstadt, einem<br />

Stadtteil mit sozialen Verwerfungen<br />

und einer großen<br />

Bandbreite an verschiedenen<br />

Ethnien, aktiv geworden.<br />

Dieser Verein hat sich vorgenommen<br />

mit den Fördermitteln<br />

aus dem Europäischen<br />

Sozialfonds (ESF) die soziale<br />

Wohnqualität <strong>im</strong> Viertel zu<br />

verbessern. Zur Zeit ist die<br />

„Zentrale“ der Mitarbeiter und In der Projektwohnung erhalten Stefan Schostok und seine<br />

Mitarbeiterinnen des BIWAQ- Begleiterinnen einen Überblick über die vielfältige Arbeit <strong>im</strong><br />

Projektes in einer Projektwohnung,<br />

die zentral in einem<br />

BIWAQ-Projekt.<br />

der Wohnblocks der Siedlung liegt.<br />

Gemeinsam geht es in der Hochhaussiedlung<br />

von der Projektwohnung zum „Café Dialog“.<br />

Die Anwesenden aus <strong>Politik</strong> und Gesellschaft<br />

wurden vom geschäftsführenden Mitglied des<br />

tragenden Vereins, Bernd Czigler, und der<br />

BIWAQ-Projektleiterin Yvonne Mascioni begrüßt.<br />

Viele Interessierte waren dort, um mit<br />

den Abgeordneten in Kontakt zu kommen. Die<br />

Frauengruppe des BIWAQ-Programms hat<br />

einen internationalen Imbiss gereicht. Bernd<br />

Czigler informierte über die Eckdaten zum<br />

Projekt und Yvonne Mascioni stellte zusammen<br />

mit den weiteren Mitarbeitern Christoph<br />

Fabian, Reinhard Düvel, Tsorinar Shaginian<br />

und Veronika Disep die Inhalte des Projektes<br />

vor, welches noch bis Oktober 2012 laufen<br />

wird.<br />

Die BIWAQ-Projektarbeit bezieht sich <strong>im</strong><br />

Kern auf drei Gruppen: Frauen, Jugendliche<br />

und den „Ältestenrat“. Im Bereich Frauen<br />

werden beispielsweise Sprachkurse und Fahrradkurse<br />

angeboten, denn viele Frauen können<br />

dort kein Fahrradfahren und dies schränkt<br />

deren mobile Freiheit ein. Außerdem gäbe es<br />

allgemeine Beratung, eine Jobbörse, Sport nur<br />

für Frauen und Mädchen und das Frauencafé. Probleme gäbe es nicht zu selten mit<br />

patriarchalischen Familienstrukturen. Im Bereich der Jugendlichen gäbe es den offenen Treff,


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

berufsvorbereitende Maßnahmen, Computerkurse und allgemeine Beratung. Zum Mitternachtssport,<br />

der übrigens sehr begehrt ist, kommt auch der „Ältestenrat“. Er ist zusammengesetzt nicht<br />

aus den „Alten“ sondern aus den „Fitten“, d. h. denjenigen,<br />

die <strong>im</strong> Viertel bekannt und beliebt sind. Sie<br />

haben nämlich einen gewissen Einfluss, den sie zum<br />

Vermitteln und Streitschlichten verwenden. Teil des<br />

Projektes sind auch Kooperationen mit dem örtlichen<br />

NiKo-Projekt, dem Jobcenter und den Schulen.<br />

Außerdem betreibt der Verein Netzwerkarbeit und<br />

arbeitet am „Runden Tisch Integration“ der Stadt<br />

Northe<strong>im</strong> mit.<br />

Stefan Schostok und Frauke<br />

Heiligenstadt auf der Baustelle des<br />

„Café Dialog“.<br />

Zentraler Treffpunkt der Northe<strong>im</strong>er Südstadt soll das<br />

„Café Dialog – Interkulturelle Kompetenzbühne“<br />

werden, welches zur Zeit in einer ehemaligen Werkstatt<br />

eingerichtet wird. Hier sollen die Beratungsbüros hineinkommen.<br />

Außerdem sollen Gruppenräume und ein<br />

Computerraum geschaffen werden. Auch eine Küche<br />

soll das Café bekommen. „Interkulturelle Kompetenzbühne“<br />

soll der Name des Cafés sein, weil man aus verschieden<br />

Kulturen lernen kann und es individuelle<br />

Kompetenzen gibt, die man weitervermitteln könne. Das<br />

Café soll zum Austausch dienen und ein soziales wie kulturelles Zentrum der Siedlung sein.<br />

„Haltestelle Afferde“ in Hameln<br />

Zusammen mit dem<br />

lokalen Abgeordneten<br />

Ulrich Watermann, dem<br />

Landrat des Kreises<br />

Hameln-Pyrmont, Rüdiger<br />

Butte, und der Bürgermeisterin<br />

vom Stadtteil<br />

Afferde, Waltraud Mehring,<br />

der Stadt Hameln stattete<br />

Stefan Schostok der<br />

„Haltestelle Afferde“ einen<br />

Besuch ab. Die „Haltestelle<br />

Afferde“ ist ein offener<br />

Stadtteiltreff, der aus einer<br />

Eigeninitiative des Stadtteils<br />

geboren wurde. Grund<br />

waren soziostrukturelle<br />

Probleme in der Siedlung.<br />

Träger der Einrichtung sind<br />

nun der Caritasverband<br />

Hameln-Holzminden und<br />

Die Jugendlichen der „Haltestelle Afferde“ haben für den Besuch<br />

aus Hannover zwei kleine Theaterstücke aufgeführt.<br />

der Verein Spätaussiedler & Deutsche Rückwanderer e.V. Hameln. Finanzhilfen kommen aber<br />

auch vom Landkreis Hameln-Pyrmont, der Stiftung Wohnungshilfe der Stadt Hameln und der<br />

Aktion Kinderhilfe e.V.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 63


Der Landrat Rüdiger Butte, Ulrich Watermann und Stefan<br />

Schostok machen sich <strong>im</strong> Austausch Notizen.<br />

64 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Zum Auftakt des Besuches<br />

führten die Jugendlichen der<br />

Haltestelle zwei kleine, selbst<br />

entwickelte Schattentheaterstücke<br />

auf. Gespannt wurden<br />

die beiden Geschichten, in<br />

denen es darum ging, wie man<br />

Gewalt und Streit <strong>im</strong> sozialen<br />

Umfeld überwinden könne, von<br />

den Zuschauern verfolgt.<br />

Danach ging es in das frühere<br />

Wohnz<strong>im</strong>mer der Projektwohnung,<br />

was mit dem Ansturm<br />

der Gäste fast räumlich<br />

überfordert war. Angeregt<br />

präsentierten Dr. Juri Sokolski<br />

und Tatjana Bartschke die<br />

Haltestelle. Besonders für<br />

Jugendliche russlanddeutscher<br />

Herkunft sei die Haltestelle ein Treffpunkt, aber auch Jugendliche anderer Herkunft sowie<br />

Deutsche besuchten die Einrichtung gerne.<br />

Die <strong>im</strong> Haus Wohnenden zeigten Verständnis für die Aktivitäten der Haltestelle, auch wenn die<br />

Kinder oft sehr laut seien, gerade wenn draußen gespielt werde. Sie wüssten, wie wichtig diese<br />

Einrichtung für die Wohngegend sei. Neben dem offenen Treff finden die Jugendlichen Unterstützung<br />

bei Problemen. Außerdem gibt es die tägliche Hausaufgabenhilfe und EDV-Schulungen.<br />

Die Jugendlichen können lernen, wie man den Computer sinnvoll zum Arbeiten verwendet und<br />

bekommen Bewerbungstraining. Weitere Aktivitäten der Haltestelle sind Sport, Spiel, Kochen,<br />

Malen, Basteln und vieles mehr. Besonders um Frauen und Mädchen wird sich gekümmert. So<br />

gibt es den „Girls-Club“, zu dem auch vermehrt musl<strong>im</strong>ische Mädchen kämen. Eine multikulturelle<br />

Frauengruppe beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Kulturen, um voneinander zu<br />

lernen und dies auch privat weiterzugeben. Eng werde mit der Polizei zusammengearbeitet, wenn<br />

es um Konfliktschlichtung jeglicher Art <strong>im</strong> Viertel gehe.<br />

Die Hessisch Oldendorf-Kids<br />

In Hessisch Oldendorf besuchten Stefan Schostok,<br />

Ulrich Watermann und Rüdiger Butte die „HO-<br />

Kids“. Der Verein für Kinder- und Jugendarbeit<br />

Hessisch Oldendorf e.V. ist Träger des vom Bundesfamilienministerium<br />

geförderten Projektes „HOkids<br />

– überall dabei!“. Die Vorsitzende des Vereins, Birgit<br />

Dann, begrüßte die Gäste gemeinsam mit den<br />

pädagogischen Mitarbeitern Nadzeya Günther und<br />

Mustafa Boztüy. Einige der „HO-Kids“ kamen in Die Jugendband der „HO-Kids“<br />

Begleitung ihrer Eltern, um den Gästen ein kleines<br />

Ständchen zu bringen, das sie selbst instrumental untermalten. Anschließend spielte die Jugendband<br />

des Vereins einige Songs. Birgit Dann fasste die Eckdaten des Projektes zusammen und<br />

Nadzeya Günther erklärte die inhaltliche Arbeit der Einrichtung.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Die Räumlichkeiten des Vereins<br />

befinden sich mitten <strong>im</strong> Ort in<br />

einem historischen Fachwerkhaus,<br />

dem „Werkhaus“. Dort<br />

finden Veranstaltungen für die<br />

Kinder und Jugendlichen von<br />

Hessisch Oldendorf statt, denn<br />

der Verein hat es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, alle vorbehaltlos<br />

zu integrieren und ihnen eine<br />

kinder- und jugendwürdige<br />

Wirkungsstätte zu bieten. Eine<br />

enge Zusammenarbeit bestehe<br />

mit der örtlichen Grundschule<br />

am Rosenbusch, wo auch Veranstaltungen<br />

wie „Das rollende<br />

Kinderkino“ oder das<br />

„Elterncafé“ stattfänden. Im<br />

Werkhaus gebe es den regel-<br />

mäßigen Bücherspaß, bei dem die Sprachförderung und Medienerziehung <strong>im</strong> Mittelpunkt stehe.<br />

Des Weiteren finden dort unter Leitung von Mustafa Boztüy Jugendmusikabende statt. Der Verein<br />

macht auch diskrete und professionelle Einzelfallberatung mit Eltern, wenn es um Bildung,<br />

Erziehung und Integration geht.<br />

Vierter Tag am 10. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Gifhorn und in Braunschweig<br />

Gifhorner Integrationsprojekt<br />

Das seit 1998 bestehende<br />

Gifhorner<br />

Integrationsprojekt<br />

(GIP) hat seine Zentrale<br />

in einer Genossenschaftswohnung<br />

und<br />

liegt inmitten einer<br />

Wohnsiedlung, in der<br />

viele Spätaussiedlerfamilien<br />

wohnen. Aber<br />

auch Menschen<br />

türkischer Herkunft<br />

nehmen mehr und mehr<br />

an den Angeboten der<br />

Einrichtung teil.<br />

Ursprünglich wurde das<br />

Projekt vom Bundesverwaltungsamt,<br />

später<br />

Stefan Schostok und seine Begleiter unterhalten sich mit<br />

Nadzeya Günther und Mustafa Boztüy über die Arbeit des<br />

Vereins. Auch einige „HO-Kids“ sind dabei.<br />

Aufmerksam hören Detlef Tanke, Stefan Schostok und Dr. Silke<br />

Lesemann dem Projektleiter T<strong>im</strong> Busch (hinten, v. r. n. l.) zu.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 65


66 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Nun hat es die Stadt Gifhorn in<br />

Eigenregie übernommen. Das jährliche Finanzvolumen der Einrichtung liegt zwischen 140.000<br />

und 150.000 Euro. Drei Vollzeitstellen gibt es <strong>im</strong> Moment <strong>im</strong> GIP bei 4 hauptamtlichen Mitarbeitern<br />

und Mitarbeiterinnen.<br />

Im Wohnz<strong>im</strong>mer der Projektwohnung erklärte T<strong>im</strong> Busch Stefan Schostok, Detlef Tanke als<br />

örtlichem Abgeordneten und dem <strong>SPD</strong>-Bürgermeisterkandidaten Thomas Böker die Herausforderungen<br />

und den Ablauf der Jugendsozialarbeit vor Ort. Ziel der Projektarbeit sei es, die<br />

Jugendlichen aktiv zu erreichen, damit sie bessere Perspektiven bekämen. Die aufsuchende<br />

Jugendsozialarbeit stelle also einen wesentlichen Teil der Arbeit neben der täglichen Hausaufgabenhilfe<br />

dar. Außerdem versuchen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Streit in der Siedlung<br />

zu schlichten und zu vermitteln. Vor allem zwischen den Generationen müsse vermittelt werden<br />

und Vorurteile der Mitbürger müssen abgebaut werden. Eng werde mit der Polizei und anderen<br />

Behörden zusammengearbeitet. Beispielsweise gäben ist neuerdings eine Hilfestellung bei der<br />

Beantragung von Arbeitslosengeld möglich. Der <strong>im</strong>merwährende Prozess der Integration<br />

brauche Planungssicherheit. Ehrenamt sei keine stabile Basis und Netzwerke nähmen viel<br />

Energie und Zeit in Anspruch.<br />

Pauluskindergarten in Gifhorn<br />

Thorsten Niehus, Pastor der Paulusgemeinde, und Gudrun Fährmann, Leiterin des<br />

Pauluskindergartens der evangelischen Kirchengemeinde, begrüßten Stefan Schostok, Detlef<br />

Tanke und die Anwesenden aus kommunaler <strong>Politik</strong> und Verwaltung. Zuerst wurde die Gruppe<br />

durch den großen Kindergarten geführt, danach ging es zum Gespräch ins Gemeindehaus. Der<br />

zum Familienzentrum weiterentwickelte Kindergarten wird zur Zeit von etwa 145 Kindern besucht.<br />

Etwa 90 dieser Kinder kommen aus sozialschwachen Familien, sowohl aus deutschen als<br />

auch aus zugewanderten Familien. Viele Kinder kommen aus Spätaussiedlerfamilien und die<br />

meisten aus türkischstämmigen Familien.<br />

Der Bedarf an Sprachförderung<br />

sei enorm gestiegen, 2010 seien es<br />

noch 20 Kinder mit besonderem<br />

Sprachförderbedarf gewesen, nun<br />

seien es 45 Kinder. Der Kindergarten<br />

unterhält drei Fachkräfte<br />

<strong>im</strong> Bereich Sprachförderung. Eine<br />

werde vom Landkreis Gifhorn<br />

gefördert, eine weitere vom<br />

BAMF und eine Dritte durch die<br />

evangelische Kirche. Zum Abschluss<br />

des Besuchs durfte Stefan<br />

Schostok an einer Sprachfördereinheit<br />

teilnehmen. Die Sprachförderkraft<br />

erklärte, wie Kinder mit<br />

Hilfe der Motorik Sprache erlernen.<br />

Interkulturelle Kompetenz wird<br />

<strong>im</strong>mer wichtiger für die Einrichtung<br />

<strong>im</strong> Umgang mit Kindern<br />

Stefan Schostok und seine Begleiter nehmen an einer<br />

Sprachförderstunde <strong>im</strong> Gifhorner Pauluskindergarten teil.<br />

aus Migrantenfamilien. Zunehmend beobachte Thorsten Niehus, dass musl<strong>im</strong>ische Migranten


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

und Migrantinnen sich zurückzögen und das christliche Gotteshaus zunehmend scheuten.<br />

Außerdem nehme die Sprechfähigkeit in deutscher Sprache ab. Das Familienzentrum führe Veranstaltungen<br />

wie Elterntreffs oder Familientage mit Workshops durch, um Zugewanderte aktiv<br />

teilhaben zu lassen. Auch die Netzwerkarbeit mit verschiedenen Institutionen und Personen aus<br />

der Region bilde eine Komponente der Arbeit.<br />

Lokales Netzwerk Integration in Braunschweig<br />

Auf Einladung des Sozialdezernenten der Stadt Braunschweig, Ulrich Markurth, kamen Stefan<br />

Schostok und Klaus-Peter Bachmann, der örtliche Abgeordnete, in das Braunschweiger Rathaus,<br />

um sich mit dem lokalen Netzwerk Integration zu treffen. Ulrich Markurth fände es wichtig, den<br />

interreligiösen Ansatz bei der Teilhabe von Migranten zu betonen, aber man solle nicht nur mit<br />

dem Aspekt der Religion an die Querschnittsherausforderung Teilhabe herangehen. Mit verschiedenen<br />

Aktionen will die Stadt Braunschweig Vorurteile in der Bevölkerung abbauen und<br />

Toleranz aufbauen. Außerdem soll ein Haus der Kulturen geschaffen werden. Des Weiteren sei<br />

es eine Herausforderung die 600-800 Asylbewerber in die Gesellschaft zu integrieren. Kate<br />

Grigat, <strong>SPD</strong>-Ratsfrau mit US-amerikanischem Migrationshintergrund, freut sich, dass in den<br />

letzten vier <strong>Jahr</strong>en endlich das Thema „Teilhabe“ besonders durch den Sozialdezernenten in<br />

Braunschweig angegangen worden sei.<br />

Ute Scupin vom Caritasverband Braunschweig und dort zuständig für den Jugendmigrationsdienst<br />

versucht die jungen Erwachsenen kulturell und sozial sowie beruflich zu integrieren.<br />

Hauptsächlich geschehe dies durch Beratungsangebote. Jeder werde individuell beurteilt und ein<br />

„Integrationsplan“ vereinbart. Ein Internetcafé stehe den Migranten und Migrantinnen zur Verfügung<br />

und bei Bewerbungen werde auch geholfen. Außerdem gebe es befristete Projekte <strong>im</strong><br />

Bereich der Teilhabe von Zugewanderten. Der Verein Gökkusagi („Regenbogen“) ist ein Verein,<br />

der von türkischstämmigen Deutschen gegründet wurde und neben Deutsch- und Türkischkursen<br />

auch Ausstellungen initiiert. Im Bereich Berufseinstieg sind sie sehr aktiv und helfen<br />

Jugendlichen bei der Ausbildungsplatzsuche.<br />

Die Volkshochschule Braunschweig, vertreten durch Dieter Lurz, bietet Integrationskurse gefördert<br />

durch das BAMF an und ist an Projekten der beruflichen Bildung beteiligt. In einem<br />

ESF/BAMF-Programm nehmen etwa 400 Teilnehmer teil. Angst entstehe durch mangelnde<br />

Kommunikation auf beiden Seiten. Projekte seien gut und nötig, aber eine gewisse Langfristigkeit<br />

müsse gewährleistet sein. Oliver Scheichl und Ketema Wolde Georgis von der Flüchtlingshilfe<br />

Refugium bedauerten die Residenzpflicht von Asylbewerbern. Einige säßen schon <strong>Jahr</strong>e lang in<br />

Flüchtlingshe<strong>im</strong>en. Refugium sei die einzige Beratungsstelle für Flüchtlinge in Braunschweig. Für<br />

die Vermittlung und Beratung seien Netzwerke unerlässlich.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 67


68 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Eine Besonderheit stellt das integrative Nachbarschaftsmanagement in der Braunschweiger Weststadt<br />

dar, denn dort haben sich drei Wohnungsbaugenossenschaften zusammengetan mit der<br />

Stadt Braunschweig, um das Viertel sowohl baulich als auch sozial wohnlicher zu gestalten. Ein<br />

gemeinsamer Verein „Stadtteilentwicklung Weststadt e.V.“ wurde gegründet. In Millionenhöhe<br />

wird dort nun bis 2014 investiert. Die Gefahr von Wohnungsleerständen konnte abgewendet<br />

werden, meinte Gregor Kaluza. In drei Stadtteiltreffs arbeiten 5 Hauptamtliche. Von Beratung<br />

über Hausaufgabenhilfe und Sportangeboten sei alles dabei.<br />

Die Mitglieder des „Lokalen Netzwerkes Integration Braunschweig“ treffen sich <strong>im</strong> Braunschweiger<br />

Rathaus, um Stefan Schostok über die Integrationsarbeit in der Stadt zu berichten.<br />

Bei der AWO findet die Beratung erwachsener Zugewanderter in Zusammenarbeit mit der<br />

Caritas statt. Außerdem führte Martin Stützer aus, dass die AWO Stadtteilprojekte und Ausstellungen<br />

wie „He<strong>im</strong>at <strong>im</strong> Koffer“ unterstütze. Vielen Migranten und Migrantinnen mit<br />

Schwierigkeiten in den Beruf zu gelangen helfe die AWO be<strong>im</strong> Berufseinstieg.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

„Integration durch Sport“ in Braunschweig<br />

In den Räumen einer Tanzschule trafen Stefan Schostok und Klaus-Peter Bachmann auf drei<br />

Projekte <strong>im</strong> Bereich „Integration durch Sport“. Franziska Lyß vom Box-Club 72 e.V. Braunschweig<br />

zeigte Stefan Schostok ein paar Box-Moves. Eine Runde Tischtennis spielte der <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong>svorsitzende mit zwei Sportlern des TTC Magni Braunschweig. In einem speziellen<br />

Projekt haben Jugendliche, die straffällig geworden waren und Sozialstunden ableisten mussten,<br />

durch die Freiwilligenagentur Jugend-<strong>Soziales</strong>-Sport e.V. Seniorinnen das Breakdancen näher<br />

gebracht. Die „First Ladies“ oder auch die „Senior Priez Dancer“ gaben eine Kostprobe ihrer<br />

Tanzkünste. Anschließend entbrannte ein „Battle“ zwischen den rüstigen Rentnern und Break1<br />

beziehungsweise den Tanzlehrern Besnik Salihi und Sezer Kücük. Man lerne gegenseitig voneinander<br />

und es mache ihnen großen Spaß. Besnik Salihi und Sezer Kücük, beide Anfang<br />

zwanzig, haben schon Auszeichnungen für ihre ehrenamtliche Arbeit bekommen.<br />

Ein paar Impressionen des Tages: Bevor die „Senior Priez Dancer“ sich mit den „Jungen Leuten“<br />

batteln, zeigen sie ihre Tanzkünste (oben links). Begeistert zeigte sich Stefan Schostok <strong>im</strong> Gespräch<br />

mit den „First Ladies“ (unten links). Bei einer Partie Tischtennis bewies Stefan Schostok,<br />

wie gut er spielen konnt (oben rechts). Im Anschluss zeigte Franziska Lyß dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden,<br />

wie man boxt (unten rechts).<br />

Fabian Claussen S e i t e | 69


70 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Fünfter Tag am 14. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Heidekreis und in Salzgitter<br />

Düri-Treff in Walsrode<br />

Ursprünglich startete das Düri-Projekt an der Grundschule Vorbrück <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong>e 2005/06, weil<br />

seitdem dort Faustlos-Projekte durchgeführt werden. Den Veranstaltern wurde klar, dass am<br />

Dürerring, der als „sozialer Brennpunkt“ verstanden werde, etwas passieren müsse. Seit 2007 gibt<br />

es den Düri-Treff, ins Leben gerufen durch Wiebke Kiefer vom Jugendzentrum der Stadt und<br />

durch Roger Walter, der für die Sozialraumarbeit des Stefanstiftes zuständig ist. Es fing also mit<br />

zwei Institutionen an, inzwischen sind es fünf, denn Frauke Flöther von Frauen helfen Frauen,<br />

Carsten Schlüter, tätig in Sachen Jugendmigrationsberatung des Kirchenkreises, und Herrn Baris<br />

vom Bildungsbüro ergänzen nun das Team. Erst seit Ende 2009 ist der Düri-Treff in einer<br />

Projektwohnung der Gagfah, direkt in einem Wohnblock des Dürerrings.<br />

Dieter Möhrmann (Bildmitte, Hintergrund) und Stefan Schostok<br />

be<strong>im</strong> gemeinsamen Gruppenfoto vor der Projektwohnung.<br />

Stefan Schostok besuchte<br />

die Einrichtung gemeinsam<br />

mit dem örtlichen<br />

Abgeordneten<br />

Dieter Möhrmann und<br />

der <strong>SPD</strong>-<br />

Kommunalpolitik. Die<br />

Projekt-Mitarbeiter und -<br />

Mit-arbeiterinnen betreuen<br />

den Düri-Treff<br />

hauptsächlich ehrenamtlich,<br />

neben ihren<br />

regulären Jobs. Lediglich<br />

eine Halbtagsstelle für die<br />

Hausaufgabenhilfe wird<br />

über das Bildungsbüro<br />

finanziert. Neben der<br />

täglichen Hausaufgabenhilfe<br />

bietet die Einrichtung<br />

den offenen<br />

Treff an. Zusätzlich gibt<br />

es Beratungsangebote und<br />

es werden Feste organisiert. Die Kinder können spielerisch und kreativ aktiv werden. Sobald die<br />

Autos der beiden Betreuer vor der Haustür stehen, sind die Jugendlichen da. Auch be<strong>im</strong> Besuch<br />

des <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong>svorsitzenden streiften die Kinder der Nachbarschaft um das Haus.<br />

Eine Herausforderung für die Einrichtung sei es allerdings, dass eine große Fluktuation <strong>im</strong> Viertel<br />

herrsche, denn viele Familien zögen aus dem „sozialen Brennpunkt“ weg, wenn sie es können<br />

und neue Familien mit oft wenig deutschen Sprachkenntnissen zögen hinzu. Dieses Sprachdefizit<br />

sei auch hinderlich bei den Beratungsangeboten. Zur Zeit wird erwogen, ob Sprachkurse in der<br />

Einrichtung angeboten werden können. Die scheinbar mangelnde Bereitschaft der Nicht-<br />

Migranten und -Migrantinnen in der Wohnsiedlung sich an gemeinschaftlichen Aktionen zu beteiligen,<br />

führt zu keinem Dialog, der helfen würde, mehr gegenseitige Akzeptanz zu erzeugen.<br />

Interkulturelles Bildungszentrum Salzgitter


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Der Grund-, Haupt-<br />

und Realschullehrer<br />

Cemalettin Karatas<br />

hat das Interkulturelle<br />

Bildungszentrum in<br />

Salzgitter-Lebenstedt<br />

gegründet. Dieses soll<br />

als Begegnungs- und<br />

Bildungsstätte für<br />

Menschen hauptsächlich<br />

mit Migrationshintergrund<br />

dienen.<br />

Die Integration soll<br />

gefördert werden und<br />

das Ikubiz als Sprachrohr<br />

für <strong>Politik</strong> und<br />

Gesellschaft agieren.<br />

Gemeinsam mit<br />

anderen Zugewanderten<br />

bietet Cemalettin<br />

Cemalettin Karatas (1. v.r.) erzählt den Abgeordneten Marcus Bosse,<br />

Stefan Schostok und Stefan Klein, wie vielfältig alleine die türkischen<br />

Migranten und Migrantinnen aufgestellt seien.<br />

Karatas nun Angebote für Jung und Alt an. Auch Sprachkurse werden angeboten. Stefan<br />

Schostok und die örtlichen Abgeordneten Marcus Bosse und Stefan Klein haben eine Aufführung<br />

der Salzis mitverfolgt. Die Salzis sind Kinder, die <strong>im</strong> Ikubiz Theater spielen und das auch<br />

mal zweisprachig.<br />

Stefan Klein, Stefan Schostok und Marcus Bosse (v. l. n. r.) folgen<br />

gespannt der Aufführung der „Salzis“.<br />

In Salzgitter leben etwa<br />

8000-9000 Menschen mit<br />

ausländischer Staatsbürgerschaft.<br />

Leider sind selbst die<br />

musl<strong>im</strong>ischen und<br />

türkischen Zugewanderten<br />

so unterschiedlicher<br />

Meinung, dass es schwer sei,<br />

sie alle gleichzeitig anzusprechen.<br />

Ein Kommunalwahlrecht<br />

für Nicht-EU-<br />

Ausländer könne das<br />

politische Engagement und<br />

Interesse steigern. Einige<br />

Eltern haben sich über Vorurteile<br />

seitens Lehrkräfte<br />

von einem örtlichen<br />

Gymnasium beschwert, auf<br />

dem die jugendlichen<br />

Migranten und Migrantinnen keine Chance hätten, obwohl sie auf einem anderen Gymnasium<br />

keine Probleme haben. Die Schulform „Integrierte Gesamtschule“ wird überwiegend als positiv<br />

bewertet.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 71


SOS-Mütterzentrum in Salzgitter-Bad<br />

72 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Zusammen mit Marcus Bosse und Stefan Klein besuchte Stefan Schostok das SOS-<br />

Mütterzentrum in Salzgitter-Bad. Die Leiterin des Mehrgenerationenhauses, Sabine Genther,<br />

führte die <strong>Politik</strong>er durch die modernen Räumlichkeiten des großen Gebäudes. Jeder sei herzlich<br />

willkommen, sich in dem Projekt einzubringen und dort zu arbeiten. Die Einrichtung ist in erster<br />

Linie für sozial benachteiligte Menschen gedacht, aber jeder darf kommen. Es gibt einen offenen<br />

Treff, das Café, in dem es auch günstig Essen gibt. Kinderbetreuung und Seniorentagespflege<br />

finden unter einem Dach statt. Ein integrierter Kindergarten und kleine Läden runden das<br />

Konzept ab.<br />

Sabine Genther erklärt Stefan Schostok, Stefan Klein und Marcus Bosse,<br />

wie ihre Erfahrungen in der Einrichtung mit Zugewanderten sind.<br />

Bei vielen Zugewanderten<br />

sei AltersversorgungFamiliensache;<br />

dort schäme<br />

man sich oft, wenn<br />

Alzhe<strong>im</strong>er oder<br />

andere Alterserkrankungenauftreten.<br />

Daher finde<br />

man ältere<br />

Menschen mit<br />

Migrationshintergrund<br />

nur selten in<br />

Altenpflegeeinrichtungen.<br />

Die<br />

Zugewanderten<br />

müsse man direkt<br />

ansprechen, damit<br />

sie am Mehrgenerationenhaus<br />

teil-haben. Auch<br />

wurde gesagt, dass<br />

nur Gelder für Projekte genehmigt werden, wenn das Defizit beschrieben wird, das man anpacken<br />

muss und auch hinterher genauestens dokumentiert werde, dass das Geld nur dafür ausgegeben<br />

wurde. Das bedeutet, es gehe viel Energie für aufwendigen „Papierkram“ verloren.<br />

Sechster Tag am 23. Juni 2011 in den Landkreisen Osterholz und<br />

Cuxhaven<br />

Das „Blockhaus Dreienkamp“ in Schwanewede<br />

Direkt neben der Grundschule Dreienkamp befindet sich das „Blockhaus Dreienkamp“, in dem<br />

ein Jugendtreff eingerichtet wurde. Hier empfing der örtliche Jugendpfleger Jörg Heine Stefan<br />

Schostok, die örtliche <strong>SPD</strong>-Abgeordnete Daniela Behrens und weitere aus der Kommunalpolitik.<br />

Für die Betreuung der Jugendlichen sind unter anderem Ilka Dilba und Peter Jeschke zuständig.<br />

Peter Jeschke ist auch gleichzeitig Streetworker und sucht die Jugendlichen an öffentlichen


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Plätzen auf. Partizipation und Teilhabe werde <strong>im</strong> Jugendzentrum groß geschrieben. Dort werde<br />

gemeinsam über Aktivitäten und Anschaffungen entschieden. Vernetzt sei die Jugendarbeit mit<br />

der Polizei, der Jugendgerichtshilfe, dem Jugendamt, Kindergärten und Schulen, obwohl die Kooperation<br />

mit Schulen besser sein könne.<br />

Im „Blockhaus Dreienkamp“ informierten sich die niedersächsischen<br />

<strong>Politik</strong>er über die Integrationsarbeit in Schwanewede.<br />

Immer noch ist oft eine<br />

Sprachbarriere da. Gerichten<br />

sei es deshalb in<br />

einigen Fällen nicht<br />

möglich die Jugendlichen<br />

zu erreichen.<br />

Vor Ort werden viele<br />

Hauptschullehrkräfte<br />

dazu benutzt Lücken in<br />

der Realschule zu besetzen,<br />

Hauptschüler<br />

und Hauptschülerinnen<br />

fühlen sich daher nicht<br />

selten aufgegeben.<br />

Damit diese besser in<br />

den Beruf fänden,<br />

müssten Ausbilder in<br />

die Schule kommen<br />

und die Jugendlichen<br />

praktisch anleiten.<br />

Betont wird, dass es von großer Bedeutung für die Sozialarbeit sei, kontinuierlich am Ball zu<br />

bleiben, um Jugendliche dauerhaft zu erreichen.<br />

Familienzentrum Stotel<br />

Im Familienzentrum Stotel<br />

wurden Stefan Schostok und<br />

Daniela Behrens von einem<br />

breiten Spektrum<br />

kommunaler Akteure, die<br />

sich für die Teilhabe von<br />

Zugewanderten einsetzen,<br />

empfangen. Die Gemeinde<br />

Loxstedt hat <strong>im</strong> Landkreis<br />

Cuxhaven eine besondere<br />

Situation, wenn man auf die<br />

Kommunalfinanzen schaut.<br />

Sie gehört zu den<br />

„reicheren“ Gemeinden des<br />

Landkreises und ist in der<br />

Lage ein Familienzentrum zu In Loxstedt machte sich Stefan Schostok darüber ein Bild, wie<br />

unterstützen. Aber auch der<br />

Integrationsarbeit in ländlichen Raum aussieht.<br />

Kirchenkreis Wesermünde-<br />

Süd ist finanziell am<br />

Familienzentrum Stotel beteiligt.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 73


74 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Im Familienzentrum Stotel gibt es ganz verschiedene Angebote. Zunächst wären da die<br />

evangelische Kindertagesstätte und Kinderkrippe „Sternschnuppe“ unter der Leitung von Ulrike<br />

Könitz zu nennen. Hinzu kommt die KiTa „Waldmäuse“ der Gemeinde Loxstedt. Eine offene<br />

Eltern-Kind-Gruppe mit Christine Ahlers runden das Programm für kleine Kinder ab. Außerdem<br />

bietet das Zentrum einen Grundschulkindertreff, einen Jungentreff und einen Mädchentreff an.<br />

Eine Hausaufgabenhilfe kann in Anspruch genommen werden. Eltern finden <strong>im</strong> Familienzentrum<br />

die Möglichkeit sich beraten zu lassen, sei es in Einzelgesprächen oder <strong>im</strong> Elterncafé mit<br />

anderen Eltern. Die AWO Hagen berät besonders in Erziehungsfragen. Das Diakonische Werk<br />

bietet Schuldnerberatung an.<br />

Am Gespräch nahmen Pastoren, <strong>Politik</strong>er, Erzieherinnen und Privatinitiativen teil. Ingrid Raune<br />

beispielsweise ist gemeinsam mit anderen als Mediatorin in Hagen tätig und unterstützt<br />

Migrantenfamilien, deren Kinder es in der Schule schwer haben. Es werden Kontinuität und<br />

direktes Ansprechen als Schüssel zur sozialen Teilhabe von Zugewanderten genannt. Übereinst<strong>im</strong>mung<br />

herrschte auch darin, dass die meisten Eltern sich Erfolg für ihre Kinder wünschen<br />

und wollen, dass sie deutsch lernen. Obwohl vielen Kindern arabischer Herkunft es nahe gelegt<br />

wird, ein <strong>Jahr</strong> später zur Schule zu gehen, möchten die Eltern das nicht, denn das spräche gegen<br />

ihren Stolz. Zunehmend wird auch die Beobachtung gemacht, dass es weniger Ablehnung gibt<br />

be<strong>im</strong> Thema Schw<strong>im</strong>munterricht oder Klassenfahrten. Oft herrschen in den Familien selbst<br />

Streitigkeiten darüber wie angepasst man sein darf oder nicht. Bemängelt wird, dass es zu wenig<br />

männliche Erzieher und Grundschullehrer gebe. Der Gedanke ein großes kommunales Netzwerk<br />

zum Thema Teilhabe von Migranten und Migrantinnen zu bilden wird sehr positiv bewertet.<br />

Siebter Tag am 24. Juni 2011 <strong>im</strong> Landkreis Peine und in Wolfsburg<br />

Hinrich-Wilhelm-Kopf-Schule und Kinderhort Lummerland<br />

Im Egon-Bahr-Haus, der<br />

Peiner <strong>SPD</strong>-Zentrale, trafen<br />

Stefan Schostok und der<br />

lokale Abgeordnete Matthias<br />

Möhle auf Vertreter und<br />

Vertreterinnen aus Stadt und<br />

Landkreis, die sich mit der<br />

Teilhabe von Zugewanderten<br />

beschäftigen.<br />

Es fand ein intensiver erster<br />

Austausch statt. Danach<br />

wurden der Kinderhort<br />

Lummerland und die<br />

Hinrich-Wilhelm-Kopf-<br />

Grundschule in der Peiner<br />

Südstadt besucht. In der<br />

Stadt Peine haben etwa 55<br />

Prozent der Kinder einen<br />

Be<strong>im</strong> ersten Austausch <strong>im</strong> Landkreis Peine <strong>im</strong> Egon-Bahr-Haus<br />

wird deutlich, dass <strong>im</strong> Bereich der Teilhabe noch viel getan<br />

werden muss.<br />

Migrationshintergrund. In der Peiner Südstadt sind es etwa 65-70 Prozent.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Der Peiner Bürgermeister Michael Kessler bedauerte es, dass erst seit wenigen <strong>Jahr</strong>en das Thema<br />

Teilhabe aufgegriffen worden sei. Zuvor hätte man sich kaum darum gekümmert. Heute<br />

kümmere sich die <strong>Politik</strong> aktiv um das friedliche und erfolgreiche Zusammenleben verschiedener<br />

Ethnien. Die Stadt Peine habe nun eine Beauftragte für diesen Bereich: Zahra Deilami. Sie nahm<br />

auch am Treffen mit Stefan Schostok teil. Des Weiteren wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet,<br />

in der sich <strong>Politik</strong>, Verwaltung, Schulen und Kindergärten zusammensetzen. Finanziell<br />

investiert die Stadt 200.000 € in die Sprachförderung. An der Basis müsse angesetzt werden. Die<br />

Kinder stünden hierbei <strong>im</strong><br />

Fokus, denn sie sind aufgrund<br />

des frühen Entwicklungsstadiums<br />

besser<br />

integrierbar.<br />

Eingeschränkte Teilhabe<br />

liege nicht <strong>im</strong> Zuwanderungshintergrund,<br />

sondern bildungsferne<br />

Familien und sozial Benachteiligte<br />

seien davon<br />

betroffen. Aus diesem<br />

Die Besucher und die Besuchten <strong>im</strong> Kinderhort „Lummerland“.<br />

Grunde und damit man<br />

Menschen mit Migrationshintergrund<br />

nicht isoliert<br />

betrachte und sie somit desintegriere, müssten Projekte übergreifend ansetzen, meinte Zahra<br />

Deilami. So bräuchten oft auch Kinder ohne Migrationshintergrund Sprachförderung. Carola<br />

Denker, Leiterin des Kinderhortes Lummerland wies auf die mangelnde Abst<strong>im</strong>mung der<br />

Sprachförderung in Kindergarten und Grundschule durch das Kultusministerium hin. Außerdem<br />

dürfe man städtisch geprägte<br />

Kindergärten und<br />

Schulen nicht mit solchen<br />

auf dem Lande gleichsetzen,<br />

da völlig verschiedene<br />

Anforderungen<br />

bestünden, bemerkte<br />

Schulrektorin Frau Grete-<br />

Wulfes.<br />

Engagiert zeigten sich die<br />

beiden Leiterinnen auch<br />

bei der Ausbildung der<br />

Lehrkräfte, den Erziehern<br />

und Erzieherinnen. Diese<br />

seien nicht genügend auf<br />

interkulturelle Herausforderungen<br />

vorbereitet.<br />

Es müsse eine grundsätzliche<br />

Reform der Lehrerausbildung<br />

erfolgen, be-<br />

Mehmet Turan, Martina Grete-Wulfes, Silke Tödter, Carola Denker,<br />

Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle und Stefan Schostok (v. l. n. r.)<br />

in der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Grundschule.<br />

sonders <strong>im</strong> Bereich der interkulturellen Kompetenz. Aber auch die Pädagogik brauche neue<br />

Schwerpunkte. Die Ausbildungsstätte müsse sicher stellen, dass Lehrer auch wirklich mit<br />

Fabian Claussen S e i t e | 75


76 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Empathie diesen Beruf ergreifen wollen. Gerade <strong>im</strong> erzieherischen Bereich herrsche eine rege<br />

Fluktuation an Fachkräften, weil sie sich überfordert fühlen würden. Natürlich wirke sich dies<br />

negativ auf die Kinder aus. Sie bräuchten langfristige Bezugspersonen. Besonders männliche<br />

Lehrer und Erzieher fehlten als Bezugspersonen. Mehmet Turan betonte, dass eine Aufwertung<br />

des Ehrenamtes nötig sei, viele engagieren sich <strong>im</strong> Bereich Integration und wollen dafür Anerkennung<br />

erfahren. Zusätzlich müsse der Beruf der Haupt- und Grundschullehrkräfte und der<br />

Erzieher und Erzieherinnen aufgewertet werden.<br />

Stefan Schostok, Matthias Möhle und Dr. Silke Lesemann<br />

lesen in der Schulbroschüre der Hinrich-Wilhelm-<br />

Kopf-Schule.<br />

Die Hinrich-Wilhelm-Kopf-Schule<br />

versuche die Eltern aktiv einzubinden.<br />

Es fänden auch Sprachkurse<br />

für Frauen statt. Dadurch komme es<br />

besser zum Kontakt zu den Müttern.<br />

Leider fehlten <strong>im</strong> kommenden <strong>Jahr</strong><br />

die räumlichen Ressourcen für<br />

diesen Unterricht. Auch die Anzahl<br />

der sich engagierenden Eltern aus<br />

Migrantenfamilien in Schulgremien<br />

nehme zu. Martina Grete-Wulfes<br />

bedauere es sehr, dass der islamische<br />

Religionsunterricht auf deutsch noch<br />

nicht eingeführt werden kann, weil<br />

die ausgebildeten Lehrer und<br />

Lehrerinnen in Niedersachsen dazu<br />

fehlen. Besonders ist, dass die Schule<br />

herkunftssprachlichen Unterricht in den Sprachen Türkisch, Kurdisch-Kurmancî und Arabisch<br />

anbiete. Silke Tödter, Beauftragte des Landkreises, ist der Meinung, dass mehr auf Respekt und<br />

Ordnung gesetzt werden müsse und dass Werte besser vorgelebt werden müssten.<br />

Italienischer Konsularagent und AWO-Kindertagesstätte Westhagen<br />

Gemeinsam mit dem Wolfsburger Abgeordneten<br />

Klaus Schneck und dem Stadtrat Klaus Mohrs, der<br />

für Integration zuständig ist, gab es ein Zusammentreffen<br />

zwischen Stefan Schostok und Francesco<br />

Lo Iudice, dem Agent für die Italienische<br />

Konsularagentur in Wolfsburg. Aufgrund der VW-<br />

Werke sind viele aus Italien nach Wolfsburg gekommen,<br />

um dort zu arbeiten. Heute sind sie aus<br />

Wolfsburg gar nicht mehr wegzudenken.<br />

Anschließend ging es in den Stadtteil Westhagen,<br />

einem Stadtviertel mit vielen sozial benachteiligten<br />

Menschen. Dort wurde die AWO Kindertagesstätte<br />

Westhagen besucht. Sandra Hartjen, die Leiterin<br />

der Einrichtung, führte Stefan Schostok und seine<br />

Gruppenfoto mit Stefan Schostok, Klaus<br />

Schneck, Klaus Mohrs, Francesco Lo<br />

Iudice und seinen Begleitern.<br />

Begleiter durch die Räumlichkeiten der Kindertagesstätte, die zwischen den Hochhausblöcken<br />

der Siedlung steht. Etwa 54-58 verschiedene Nationalitäten leben hier nebeneinander und etwa<br />

90-95% der Kinder in der Einrichtung stammen aus zugewanderten Familien. Dadurch, dass<br />

viele Eltern die meiste Zeit in der Wohnung blieben, sprechen sie schlecht deutsch und so auch<br />

ihre Kinder. Aber die Eltern wollen, dass ihre Kinder die deutsche Sprache erlernen.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Daher ist der Förderschwerpunkt der<br />

Kindertagesstätte die Sprache. Je eher<br />

die Kinder deutsche Sprachförderung<br />

erhalten, umso besser würden sie die<br />

Sprache aufnehmen. Leider gebe es<br />

keine ausreichende konzeptionelle<br />

Abst<strong>im</strong>mung zwischen Schule und<br />

Kindergarten in Sachen Sprachförderung.<br />

Russischsprachige Erzieherinnen<br />

seien eine große Hilfe.<br />

Werde eine Sprache von den Erziehungskräften<br />

nicht beherrscht,<br />

würden die Kinder sich untereinander<br />

helfen.<br />

TSV Wolfsburg<br />

Vorstandsmitglieder und der Trainer<br />

Abdallah Zaibi haben Stefan<br />

Schostok, Klaus Schneck und Klaus<br />

Mohrs auf dem Sportplatz des TSV<br />

Wolfsburg in Westhagen empfangen.<br />

So wie der Stadtteil ist auch der Verein<br />

geprägt. Die meisten Kinder<br />

kommen aus Familien mit<br />

Migrationshintergrund. 40 von 160<br />

Kindern sei es nicht möglich den<br />

Vereinsbeitrag zu zahlen, hier übernehme<br />

der Verein alle anfallenden<br />

Kosten. Die Teilhabegutscheine der<br />

Bundesregierung würden nicht richtig<br />

greifen. Der Verein helfe zwar die<br />

aufwendigen Antragsformulare auszufüllen,<br />

aber oft würden sich die<br />

Familien dafür schämen und vielen sei es einfach zu kompliziert. Ein weiteres Manko sei, dass sie<br />

nur 6 Monate gültig sind und somit das ganze Ausfüllprozedere ständig anfiele. Erwähnt werden<br />

muss, dass die Sportanlage ziemlich marode ist und dringend wieder erneuert werden müsste.<br />

Islamisches Kulturzentrum Wolfsburg<br />

Sandra Hartjen führt die <strong>Politik</strong>er durch den Kindergarten<br />

und zeigt ihnen das Außengelände.<br />

Auf einem Sportplatz in Westhagen empfängt der TSV<br />

Wolfsburg Stefan Schostok und seine Begleiter.<br />

Das Islamische Kulturzentrum Wolfsburg, das erst seit 2006 existiert, ist in einem<br />

<strong>im</strong>posanten weißen Gebäude mit grünen Dächern untergebracht. Das Zentrum bildet eine<br />

Moschee. Zu den Räumlichkeiten zählen zusätzlich unter anderem ein Café und Restaurant, verschiedene<br />

Seminarräume, ein Jugendraum und ein Computerraum. Das Freitagsgebet in der<br />

Moschee wird in arabischer und deutscher Sprache gehalten. Etwa 1500 Musl<strong>im</strong>e in der Region<br />

Wolfsburgs werden durch das Kulturzentrum angesprochen. Menschen mit unterschiedlicher<br />

nationaler Herkunft und aus verschiedenen Sprachräumen kommen in das Zentrum.<br />

Fabian Claussen S e i t e | 77


Stefan Schostok trägt seine Vorstellungen über das friedliche Zusammenleben<br />

verschiedener Religionen nebeneinander vor.<br />

78 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11<br />

V. Tour der Teilhabe – Hauptprojekt <strong>im</strong> FSJ <strong>Politik</strong><br />

Nachdem der Imam<br />

Mohamed Ibrah<strong>im</strong><br />

Stefan Schostok begrüßt<br />

hatte, führte er ihn durch<br />

die Räume des<br />

Zentrums. Da gerade das<br />

Freitagsgebet beendet<br />

war, waren noch viele<br />

anwesend und haben es<br />

sehr anerkannt, dass<br />

Stefan Schostok gekommen<br />

war. Wer<br />

wollte, hat sich an der<br />

Diskussion mit ihm beteiligt.<br />

Dort machten<br />

einige Musl<strong>im</strong>e klar, dass<br />

sie sich durch Islamophobie<br />

in der Bevölkerung<br />

oft ausgeschlossen<br />

und miss-<br />

achtet fühlten. Gesellschaftliche Teilhabe könne nur durch gegenseitige Toleranz und Akzeptanz<br />

entstehen.<br />

Fazit des Hauptprojektes<br />

Die „Tour der Teilhabe“ hat gezeigt, dass dieses Thema überall in Niedersachsen ein wichtiges<br />

gesellschaftspolitisches Tätigkeitsfeld der <strong>Politik</strong> darstellt. Ganz verschiedene Bereiche der <strong>Politik</strong><br />

sind hier angesprochen, beispielsweise die Bildungspolitik, die eine Schlüsselfunktion in Sachen<br />

Integration spielen kann. Des Weiteren ist die Wohnraum- und Sozialpolitik zu nennen. Die<br />

Menschen müssen sich wohlfühlen und das Gefühl haben, dass sie hier zu Hause sind. Immer an<br />

den Stellen, wo Menschen mitbest<strong>im</strong>men, was „vor der Haustür“ passiert, zeigen sie Interesse<br />

und nehmen an der Gesellschaft teil. Neben sozialer Teilhabe muss auch wirtschaftliche,<br />

politische und kulturelle Teilhabe gewährleistet sein, damit man sich wohlfühlt.<br />

Für die politische Arbeit der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> ist es wichtig <strong>im</strong>mer wieder neue Impulse von der<br />

„Basis“ der Demokratie zu bekommen, damit <strong>Politik</strong> lebendig bleibt und Praxisbezug hat. Somit<br />

war die „Tour der Teilhabe“ eine gute Informationsquelle für zukünftige parlamentarische<br />

Initiativen und hat aufgezeigt, dass die <strong>SPD</strong> in der richtigen Richtung zu einer modernen, freien<br />

und sozialen Gesellschaft unterwegs ist. So konnten zum Beispiel Informationen gewonnen<br />

werden, die in ein zukünftiges „Nieder-sächsisches Teilhabegesetz“ fließen könnten. Die <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong> möchte einen solchen Gesetzentwurf in den nächsten Monaten in den Niedersächsischen<br />

Landtag einbringen.


<strong>Jahr</strong>esbericht <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong><br />

Neue Verbindungen<br />

zwischen <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong><br />

und örtlich engagierten<br />

Mitbürgern und Mitbürgerinnen<br />

wurden<br />

geknüpft und werden für<br />

eine weitere erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit bestehen.<br />

Außerdem hat<br />

die „Tour der Teilhabe“<br />

dafür gesorgt, dass das<br />

Thema „Integration/Migration“<br />

wieder erheblich<br />

stärker in den<br />

Mittelpunkt rückt – vor<br />

Ort und <strong>im</strong> Landtag.<br />

Stefan Schostok hat<br />

deutlich gemacht, dass<br />

die <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> am<br />

Ball ist und eine<br />

moderne Alternative zur<br />

schwarz-gelben Alles-ist-<br />

Schön-Integrationspolitik<br />

darstellt.<br />

N A C H W O R T<br />

Auf Tour mit dem <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden: Ich, Stefan Schostok (Vorsitzender<br />

der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen Landtag) und<br />

Heinz-Peter Leutloff (Fahrer des <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden) vor dem<br />

Leineschloss (Niedersächsischer Landtag)<br />

Persönlich habe ich viel gelernt durch die Bereisungen. Das Organisieren und Koordinieren der<br />

Bereisungen war eine neue Erfahrung für mich. Dennoch hat mir diese Herausforderung Spaß<br />

gemacht und ich habe dadurch für mein Arbeitsleben gelernt. Natürlich habe ich auch die realpolitische<br />

Interaktion von <strong>Politik</strong>ern und <strong>Politik</strong>erinnen vor Ort erlebt. Bisher kannte ich die<br />

Arbeit der Abgeordneten nur <strong>im</strong> Landtag. Auch den stressigen Alltag eines <strong>Fraktion</strong>svorsitzenden<br />

habe ich kennengelernt; ein sehr zeitintensiver Job, für den man viele Kompetenzen mitbringen<br />

muss.<br />

Wichtiger jedoch ist, dass ich einen kleinen Einblick in die Arbeit von Vereinen, Initiativen und<br />

Einrichtungen, die sich mit dem Thema Integration beschäftigen, bekommen habe. Ich habe<br />

viele neue interkulturelle Erfahrungen gemacht und dadurch auch mehr interkulturelle<br />

Kompetenz gewonnen. Für mich war die gesamte Tour also eine Art Weiterbildung, die mir in<br />

meinem weiteren Leben helfen wird. Und genau dies ist meiner Meinung nach der Kernpunkt<br />

eines eigenen Projektes <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong>: Man lernt, indem man sich gesellschaftlich<br />

engagiert. Fabian Claussen<br />

Fabian Claussen S e i t e | 79


VI. Reflexion des Freiwilligen Sozialen <strong>Jahr</strong>es <strong>Politik</strong><br />

Nach etwa 1900 abgeleisteten Arbeitsstunden innerhalb von 365 Tagen ziehe ich an dieser Stelle<br />

ein Fazit für mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> <strong>im</strong> Niedersächsischen<br />

Landtag. Zunächst muss ich feststellen, dass ein FSJ <strong>Politik</strong> mit einer fast 40-<br />

Stunden-Woche kein <strong>Jahr</strong> zum Ausruhen ist, aber eine – für mich – willkommene Abwechslung<br />

vom Lernalltag war. Sowohl politisch als auch arbeitstechnisch und persönlich habe ich während<br />

dieses <strong>Jahr</strong>es viele Erfahrungen gewonnen.<br />

Politisch gesehen habe ich durch meine Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro der <strong>SPD</strong> sehr viel gelernt.<br />

Das betrifft nicht nur das genaue Kennenlernen von politischen Strukturen und Prozessen,<br />

sondern auch Fachkenntnisse über politische Inhalte und Themen, die ich mir angeeignet habe.<br />

Ich habe erfahren, wie komplex das politische Gefüge ist und wie anspruchsvoll die Arbeit eines<br />

<strong>Politik</strong>ers ist. Inhaltlich konnte ich Kenntnisse in einigen Themen der <strong>Politik</strong> vertiefen. Mit<br />

meiner Tätigkeit einher ging das Erlernen des<br />

politischen „Fachjargons“, um sie beispielsweise<br />

politisch korrekt ausdrücken zu können. Dies ist eine<br />

große Hilfe be<strong>im</strong> Verfassen von Texten, die zur Veröffentlichung<br />

best<strong>im</strong>mt sind. Im Bereich der<br />

Öffentlichkeitsarbeit konnte ich ein Feingefühl für das<br />

Formulieren von Texten entwickeln. Nach meinem<br />

FSJ ist es nun einfacher, politische Aussagen fundiert<br />

zu bewerten und deren gesellschaftliche Konsequenzen<br />

abzuschätzen. Der Blick hinter die Kulissen der<br />

Landespolitik war alles in allem für mich erfolgreich.<br />

Arbeitstechnisch gesehen war ich in der Lage, eine<br />

Menge berufliche Erfahrung zu sammeln. Das Mitarbeiten<br />

<strong>im</strong> betrieblichen Gefüge des <strong>SPD</strong>-<br />

<strong>Fraktion</strong>sbüros hat mir natürlich auch einen Einblick<br />

in die Funktion und Struktur von Betrieben gegeben.<br />

In einem so flexiblen Alltag wie in der <strong>Politik</strong> kommt<br />

es auf gutes Zeitmanagement bei der Koordination<br />

von Terminen und Arbeit an. Besonders wichtig ist <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro auch die Teamarbeit. Des<br />

Weiteren habe ich viel Praxiserfahrung mit Microsoft Office gesammelt und wissenschaftlich<br />

gearbeitet. Auch Eventmanagement spielte während meiner Arbeit eine Rolle.<br />

Persönlich gesehen muss ich sagen, dass ich von meiner Arbeit bei der <strong>SPD</strong>-<strong>Fraktion</strong> sehr<br />

profitiert habe. Das <strong>Jahr</strong> hat meine Persönlichkeit geprägt, das ist ganz klar. So konnte ich beispielsweise<br />

meine sozialen Kompetenzen weiter ausbauen, was ich sehr wichtig für mein weiteres<br />

Leben finde. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt, die mich inspiriert haben. Außerdem<br />

habe ich durch mein Hauptprojekt insbesondere interkulturelle Kompetenz dazugewonnen, auch<br />

dies ist wichtig gerade in einer so multikulturellen Gesellschaft wie in Deutschland.<br />

Zusammenfassend war mein <strong>Freiwilliges</strong> <strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> eine sehr wichtige Erfahrung in<br />

meinem Leben und ich möchte es nicht missen. Sich mit und für Andere politisch zu engagieren<br />

hat mir großen Spaß bereitet. Ich blicke auf ein <strong>Jahr</strong> zurück, das ich aufgrund der vielseitigen<br />

Aspekte und Einflüsse nie vergessen werde.<br />

80 | S e i t e FSJ <strong>Politik</strong> 2010/11


VII. Danke<br />

Zum Abschluss möchte ich mich bei<br />

allen Kolleginnen und Kollegen aus dem <strong>Fraktion</strong>sbüro,<br />

den <strong>SPD</strong>-Abgeordneten aus dem Niedersächsischen Landtag,<br />

der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V.,<br />

und allen Anderen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben,<br />

ganz herzlich bedanken.<br />

Vielen Dank, dass ich in der <strong>Fraktion</strong><br />

und besonders <strong>im</strong> <strong>Fraktion</strong>sbüro so<br />

herzlich aufgenommen wurde. Die tägliche<br />

Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft,<br />

die mir entgegenkamen, wenn<br />

ich <strong>im</strong> <strong>SPD</strong>-Büro war, werde ich nicht<br />

vergessen. Ohne diese Herzlichkeit und<br />

Sympathie wäre mein <strong>Freiwilliges</strong><br />

<strong>Soziales</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>Politik</strong> nur halb so schön<br />

gewesen. Die Zusammenarbeit hat mir<br />

großen Spaß bereitet.<br />

Auch für die einjährige Begleitung<br />

durch die LKJ und besonders durch die<br />

Koordinatorin des FSJ <strong>Politik</strong>, Julia<br />

Wurzel, möchte ich mich bedanken.<br />

VIELEN DANK!<br />

Fabian Claussen S e i t e | 81

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