Zaha baut - Das Leben der Architektin Zaha Hadid
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<strong>Zaha</strong><br />
<strong>baut</strong><br />
<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Architektin</strong><br />
<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong><br />
VICTORIA TENTLER-KRYLOV
<strong>Zaha</strong><br />
<strong>baut</strong><br />
<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Architektin</strong><br />
<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong><br />
„Du brauchst ein Ziel.<br />
Es kann sich verän<strong>der</strong>n, aber du musst eines haben.“<br />
— <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong><br />
VICTORIA TENTLER-KRYLOV
<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> war eine<br />
phänomenale Beobachterin und<br />
Denkerin, die niemals stillstehen<br />
konnte. Als kleines Mädchen<br />
liebte sie es, die Moscheen und<br />
Paläste in Bagdad zu erkunden,<br />
wo das Sonnenlicht durch<br />
die Fenster strömte und<br />
Schatten warf, die sich<br />
wie Wasser kräuselten<br />
und wogten.
<strong>Zaha</strong> liebte es, lange aufzubleiben und Bücher zu lesen.<br />
In einem las sie, wie die Menschen in den sumerischen Sumpfgebieten<br />
schwimmende Schilfhäuser nach uralten Techniken <strong>baut</strong>en.<br />
<strong>Das</strong> musste sie sehen! Mit ihrem Vater reiste<br />
<strong>Zaha</strong> nach Sumer, wo Sümpfe, Schilf<br />
und Gräser um sie herum wogten<br />
und plätscherten, soweit<br />
das Auge reichte.<br />
Es war wun<strong>der</strong>schön – eine vollkommene Harmonie,<br />
die, wie <strong>Zaha</strong>, niemals stillstand. <strong>Zaha</strong> war ganz hingerissen.<br />
War es besser, in einer mo<strong>der</strong>nen Stadt wie Bagdad zu leben,<br />
fragte sie sich, o<strong>der</strong> wie hier, eins mit <strong>der</strong> Natur?
<strong>Zaha</strong> ließ sich nicht entmutigen. Sie machte trotzdem weiter<br />
und schon bald rief jemand aus Deutschland an: Ob <strong>Zaha</strong> eine Feuerwache<br />
entwerfen könne? Ja! Sie beschloss, das Gebäude wie einen Vogel im Flug<br />
aussehen zu lassen. <strong>Das</strong> war unglaublich gewagt, und <strong>Zaha</strong> wurde mit Lob<br />
überschüttet. Endlich war einer von <strong>Zaha</strong>s Entwürfen Wirklichkeit geworden!
Überall auf <strong>der</strong> Welt hielten die Menschen inne,<br />
um die von ihr geschaffenen Formen und Strukturen zu bestaunen.<br />
Inzwischen waren Hun<strong>der</strong>te ihrer Bauten<br />
auf <strong>der</strong> ganzen Welt verteilt und Tausende<br />
von Menschen strömten in New York und Wien<br />
in Ausstellungen über ihr Werk. <strong>Zaha</strong> war die jüngste<br />
Preisträgerin des Pritzker-Preises, <strong>der</strong> höchsten Auszeichnung,<br />
die Architekten und <strong>Architektin</strong>nen erhalten können.
Egal wo sich ihre Projekte befanden, <strong>Zaha</strong> versuchte immer,<br />
zwei Ziele zu erreichen. Eines lag darin, Harmonie zwischen Mensch<br />
und Landschaft zu schaffen. <strong>Das</strong> an<strong>der</strong>e drehte sich um Wandel,<br />
Bewegung und ewigen Fortschritt. Erinnerte sie sich an ihre Abenteuer<br />
in den sumerischen Sümpfen? O<strong>der</strong> an das komplizierte Lichtund<br />
Schattenspiel in den Moscheen und Palästen von Bagdad?<br />
<strong>Zaha</strong> lächelte: Sie würde nie erklären, warum ihre Gebäude so aussehen,<br />
wie sie aussehen. Die würden ganz für sich selbst sprechen.
Anmerkung <strong>der</strong> Autorin<br />
Als ich zwei Jahre alt war, begann ich, Häuser zu zeichnen – mit seltsam geformten Dächern, runden Wänden<br />
o<strong>der</strong> unzähligen Fenstern. Ich liebte es, diese Häuser zu zeichnen und Geschichten über die Menschen<br />
und Tiere zu schreiben, die in ihnen lebten. Als ich erfuhr, dass ich daraus einen Beruf machen konnte, war<br />
mein Ziel klar. Als meine Familie 1992 von Russland nach New York auswan<strong>der</strong>te, begann ich, Architektur<br />
zu studieren. Ich lernte, dass Architektur mehr ist als nur schön gezeichnete Gebäude – ein guter Entwurf<br />
zeigt Probleme auf und bietet Lösungsansätze. Dadurch fühlte sich Architektur manchmal wie Mathe an.<br />
<strong>Das</strong> gefiel mir, auch wenn Mathe nicht meine Stärke war.<br />
Ich begann, mo<strong>der</strong>ne Architekten aus <strong>der</strong> ganzen Welt zu studieren – insbeson<strong>der</strong>e <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>, die zu<br />
dieser Zeit bereits dabei war, eine „Wettbewerbsmaschine“ zu werden. Zu sehen, wie ihre Ideen Wirklichkeit<br />
wurden, war mehr als inspirierend. Es war eine Auffor<strong>der</strong>ung zum aktiven Mitgestalten. <strong>Zaha</strong> hat mir aus<br />
<strong>der</strong> Ferne gezeigt …<br />
• wie man sich von <strong>der</strong> Konkurrenz abhebt. (Sie entwickelte immer originellere und gewagtere Konzepte;<br />
sie experimentierte ständig und wie<strong>der</strong>holte sich nie.)<br />
• wie man seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterstützt und ermutigt. (Für die Fertigstellung eines<br />
Projekts arbeitete ihr Team jahrelang eng zusammen.)<br />
• wie man sich in einem Bereich durchsetzt, <strong>der</strong> Frauen benachteiligt. (Obwohl sie eine warmherzige und<br />
lebenslustige Persönlichkeit hatte, wurde sie von <strong>der</strong> Presse ständig als „furchterregend“ o<strong>der</strong> „Diva“<br />
bezeichnet. In Wahrheit musste sie aber härter sein als je<strong>der</strong> männliche Architekt, um den gleichen<br />
Erfolg zu haben.)<br />
• wie man sich auf neue Dinge einlässt. (Sie war eine digitale Pionierin und erkannte schnell<br />
die Möglichkeiten und Konsequenzen, die die Computertechnik für die Architektur und<br />
die Bautechnologien haben würde.)<br />
Als <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> im Jahr 2016 verstarb, waren gerade 36 ihrer Projekte in Arbeit. Eines dieser Projekte ist<br />
520 West 28th Street in New York, das auch liebevoll „<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>-Haus“ genannt wird. Ich stehe oft auf dem<br />
Bürgersteig davor und verliere mich in <strong>der</strong> verblüffenden Geometrie <strong>der</strong> Fassade – so einfach und doch<br />
so komplex. Von <strong>der</strong> Straßenebene aus ist es schwer, das Ausmaß des Gebäudes zu erfassen, also steige<br />
ich die Stufen zur High Line hinauf, dem hochgelegenen Park, <strong>der</strong> am Gebäude vorbeiführt. Ich folge<br />
den ineinan<strong>der</strong> greifenden Fensterbögen und gehe näher heran. Für mich ist es mehr als nur ein Bauwerk,<br />
mehr als ein wichtiges Architekturprojekt o<strong>der</strong> gar ein Kunstwerk. Es ist eine Frage und eine Antwort, ein<br />
Problem und eine Lösung. Es ist unmöglich, sich etwas an<strong>der</strong>es an seiner Stelle vorzustellen.<br />
Ich wünschte, <strong>Zaha</strong> hätte sehen können, wie es Wirklichkeit wird. Aber wahrscheinlich hatte sie das,<br />
schon lange vor allen an<strong>der</strong>en.<br />
Zeitstrahl<br />
1950, 31. Oktober — geboren in Bagdad, Irak<br />
1972 — Abschluss in Mathematik an <strong>der</strong> Amerikanischen Universität Beirut und Umzug nach London,<br />
England, um ein Studium an <strong>der</strong> Architectural Association zu beginnen<br />
1977 — Abschluss des Studiums mit preisgekröntem Diplom und Beginn <strong>der</strong> Mitarbeit im Architekturbüro<br />
unter ihren Professoren Rem Koolhaas und Ilias Zengelis in Rotterdam, Nie<strong>der</strong>lande<br />
1980 — Gründung ihres eigenen Büros, <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> Architects, in London, England<br />
1982 — gewinnt den Wettbewerb für The Peak, ein Hotel und Sportklub in Hongkong, wodurch sie<br />
als herausragende <strong>Architektin</strong> ins Rampenlicht tritt, obwohl das Gebäude nie ge<strong>baut</strong> wird<br />
1990–93 — entwirft die Vitra Feuerwache in Weil am Rhein, Deutschland, ihr erstes erfolgreich<br />
realisiertes Projekt<br />
1994–2006 — entwirft das Wohnprojekt Spittelau-Viadukte in Wien, Österreich<br />
1997–2003 — gewinnt den Wettbewerb für das Lois & Richard Rosenthal Centre for Contemporary<br />
Art in Cincinnati, Ohio, und ist damit die erste Frau, die in den USA ein Museum entwirft<br />
2004 — erhält den Pritzker-Architekturpreis und ist damit die erste Frau, die erste Irakerin,<br />
die erste Muslima und die jüngste Person, die jemals diese Auszeichnung erhalten hat<br />
2006 — eine große Ausstellung über 30 Jahre ihres Werks wird im Guggenheim Museum in<br />
New York, USA, gezeigt<br />
2012 — erhält den Ehrentitel „Dame Comman<strong>der</strong> of the Or<strong>der</strong> of the British Empire“<br />
2016, 31. März — verstirbt in Florida, USA<br />
Ausgewählte Literatur<br />
Betsky, Aaron, The Complete <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>, London: Thames & Hudson, 2016<br />
Giovannini, Joseph, „In Memoriam: <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>, Friend“, Architect Magazine, 1. April 2016,<br />
https://www.architectmagazine.com/design/zaha-hadid-friend<br />
Highfield, Roger, „<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> on Maths, Architecture, and Women in Science“, Science Museum, 14. Oktober 2014,<br />
https://blog.sciencemuseum.org.uk/zaha-hadid-on-maths-architecture-and-women-in-science/<br />
Lewis, Anna M., Women of Steel and Stone: 22 Inspirational Architects, Engineers, and Landscape Designers,<br />
Chicago: Chicago Review Press, 2014<br />
„‚Would they call me a diva if I were a guy?‘ <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>, Architect and Woman“, 11. April 2016,<br />
https://moazedi.blogspot.com/2016/04/would-they-call-me-diva-if-i-were-guy.html<br />
https://www.theartstory.org/artist/hadid-zaha/<br />
https://www.zaha-hadid.com/<br />
Obwohl dieses Buch von realen Ereignissen und historischen Figuren inspiriert ist, handelt es sich um eine historische Fiktion.<br />
Die Autorin hat versucht, Personen, Orte und Ereignisse möglichst genau darzustellen, aber einige Elemente wurden von ihr fiktionalisiert.<br />
<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong>, 1956<br />
oben: <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> in ihrem Londoner Büro, 2011<br />
unten: <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> bei <strong>der</strong> Eröffnung des von ihr entworfenen Stuart<br />
Weitzman Flagship Store in Hongkong, 2014
An meine Eltern,<br />
<strong>der</strong>en Neugierde und<br />
Kreativität mich geprägt haben.<br />
Und an <strong>Zaha</strong>, die ein Lichtblick ist. – V. T.-K.<br />
Vielen Dank an Rosa Sheng und Dahlia Petrus für ihre fachkundige Lektüre.<br />
Bildunterschriften und ©: vor<strong>der</strong>es Vorsatzblatt: links: Evelyn Grace Academy, London, England; Luke Hayes-VIEW/Alamy Stock Photo,<br />
links oben: Hafenhaus, Antwerpen, Belgien; Tony Vingerhoets/Alamy Stock Photo, links Mitte: Heydar Aliyev Centre, Baku, Aserbaidschan; <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong><br />
Architects, links unten: Konzeptkunst für The Peak Leisure Club, Hongkong, China; <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> Foundation, rechts Mitte: Heydar Aliyev Centre, Baki,<br />
Aserbaidschan; Hufton+Crow-VIEW/Alamy Stock Photo, rechts: Lois & Richard Rosenthal Center for Contemporary Art, Cincinnati, USA; Arcaid Images/Alamy Stock<br />
Photo; Zeitstrahl: oben: <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> Foundation, Mitte: Nick Moore/Alamy Stock Photo, unten: Jessica Hromas/Getty Images; hintere Umschlagseite: links Mitte: Vitra Feuerwache,<br />
Weil am Rhein, Deutschland; Geoffrey Taunton/Alamy Stock Photo, links unten: Wohnprojekt Spittelau-Viadukte, Wien, Österreich; Viennaslide/Alamy Stock Photo,<br />
rechts Mitte: 520 West 28th, New York, USA; David Whitestone/Alamy Stock Photo, rechts oben: Galaxy SOHO, Peking, China; Imaginechina Limited/Alamy Stock Photo<br />
Erstmals erschienen 2020 unter dem Titel Building <strong>Zaha</strong>. The Story of Architect <strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> bei Orchard Books, einem Imprint von Scholastic Inc., New York, © 2020 Victoria Tentler-Krylov |<br />
Art Direction und Buchgestaltung von Marijka Kostiw | Deutsche Ausgabe © 2022 E. A. Seemann Verlag in <strong>der</strong> E. A. Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig, www.seemann-henschel.de | Projektmanagement: Nora Schrö<strong>der</strong> |<br />
Übersetzung und Lektorat: Nora Schrö<strong>der</strong>, mit Unterstützung von Nadine Fischer | Satz: Gudrun Hommers, Berlin | Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers vervielfältigt,<br />
in einem System gespeichert o<strong>der</strong> in irgendeiner Form elektronisch, mechanisch, durch Fotokopieren, Aufzeichnen o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e Weise, übertragen werden. | ISBN 978-3-86502-502-9 | Gedruckt in China
<strong>Zaha</strong> <strong>Hadid</strong> (1950–2016)<br />
war die einflussreichste<br />
<strong>Architektin</strong> unserer Zeit<br />
Sie hatte unglaubliche Ideen und die Gebäude, die sie<br />
zauberte, hatten wahnsinnige Kurven, kippende Wände<br />
o<strong>der</strong> schwebten gar in <strong>der</strong> Luft. Aber bis sie die berühmteste<br />
Stararchitektin aller Zeiten wurde, musste <strong>Zaha</strong><br />
große Herausfor<strong>der</strong>ungen meistern. Dies ist die mitreißende<br />
Geschichte einer genialen Visionärin, die mit<br />
ihren bahnbrechenden Bauten die ganze Welt eroberte.