Vorschau FOCUS 12/2023

AUSGABE 12 18. März 2023 € 4,90 DAS MAGAZIN /// HIER SIND DIE FAKTEN /// SEIT 1993
Banken
Beben
Was nach dem
Kollaps der Silicon
Valley Bank droht
McKinsey
Report
Wie das mächtigste
Netzwerk der Welt
sich selbst berät
40 Seiten
MODE & STIL
Víkingur Ólafsson
spielt auf der Klaviatur
der Classic Couture,
Mode in dystopischen
Zeiten und die
Geheimnisse des
Simon de Pury
DIE DIÄT-
REVOLUTION
SPRITZ DICH SCHLANK?
Neue Medikamente für den Kampf
gegen Hüftgold und Adipositas

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E-PAPER LESEN:

EDITORIAL
Von der Lust, sich gegen die Flugbahn
des Schicksals zu wehren
Von Markus Krischer, stv. Chefredakteur
Fotos: Markus C. Hurek für FOCUS-Magazin, Getty Images
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
wir können selbstverständlich nur
mutmaßen, was sich der Asteroid
„2023 DW“ gerade so denkt. Dass
ihn Fragen oder gar Selbstzweifel
quälen, ist allerdings ziemlich
unwahrscheinlich. Derlei
kosmische Rocker protzen üblicherweise
mit dem Ego eines
Kleiderschranks – oder eines Sattelschleppers.
Gerne auch einiger
Dutzend Sattelschlepper. Der
jetzt von der NASA aufgespürte
Brocken „2023 DW“ verfügt über
einen Durchmesser von etwa
50 Metern. Mit 73-facher Schallgeschwindigkeit
surft er seit Urzeiten
durch unser Sonnensystem. Die Vorstellung,
dass ihm irgendetwas mal in den
Weg geraten könnte, beunruhigt ihn
kaum. Vielleicht langweilt ihn die ewige
Umlaufraserei ja. Vielleicht sucht er
Randale. Vielleicht will er den Einschlag.
Nun, dieser Einschlag könnte, wenn es
dumm läuft, vor unserer Haustür (oder
noch etwas näher) stattfinden. Im Jahr
2046, das hat die NASA ausgerechnet,
schrammt der Asteroid so dicht an der
Erde vorbei, dass eine Kollision, wenn
auch sehr unwahrscheinlich, eben doch
nicht auszuschließen ist. Ob das galaktische
Billard zu einem Problem für unseren
Planeten werden könnte? Ohne dem Asteroiden
zu nahe treten zu wollen: Ich glaube,
er ist es, der ein Problem bekommt.
Mag sein, dass es zur Jobbeschreibung
von Asteroiden gehört, hier und da andere
Himmelskörper zu schubsen oder zu
pulverisieren. Mag sein, dass das Universum
wegen derartiger Steinschläge
bislang kein großes Bohei gemacht hat.
Doch „2023 DW“ hat sich das falsche Ziel
ausgesucht. Zur falschen Zeit. Zwar galt
auch die Erde in der Vergangenheit als
beliebtes Ziel für kosmische Geschosse,
seit einigen Jahren aber ist sie die Heimat
einer bemerkenswerten Spezies. Deren
Vertreter machen sich zwar mit geradezu
verbohrter Leidenschaft gegenseitig das
Galaktische Grätsche Im Champions-League-Spiel gegen Paris
hielt Bayern-Verteidiger de Ligt einen unhaltbaren Ball auf
Dasein zur Hölle. Etwas aber machen sie
noch leidenschaftlicher – und noch erfindungsreicher:
Sie verteidigen ihr Dasein.
Und weil sie sich nun mal von Asteroiden
bedroht sieht, tüftelt die Menschheit
auch an allerlei Defensivtricks, um
die Erde in Zukunft kraterfrei zu halten.
Erst im vergangenen Jahr gelang es, eine
NASA-Sonde gezielt auf einem Asteroiden
einschlagen zu lassen. Und tatsächlich:
Die Wucht des Zusammenpralls veränderte
den Kurs des Asteroiden.
„2023 DW“ und seine Artgenossen fliegen
harten Zeiten entgegen. Sollten sie
der Erde zu nahe kommen, könnten sie
sich schon bald einem Drohnenhagel ausgesetzt
sehen, der ihnen die Route und
damit den Spaß verdirbt.
Kein Wunder, dass all dies für Asteroiden
höchst unerwartet kommt. Asteroiden
schauen keinen Fußball. Was ein Fehler
ist. Denn das Wesen des Spiels ist schlicht
kosmisch: Es geht um Flugbahnen und in
jeder Sekunde um die Frage, wer wann
und wie diese Flugbahnen bestimmen,
verändern oder aufhalten kann. Erreicht
der Ball den Fuß oder Kopf des Mitspielers?
Kann ein Gegenspieler die Flugbahn
stören, den Ball aufhalten?
Auf der Flugbahn zum Tor entscheidet
sich alles. Jetzt und nur jetzt entscheidet
sich der Angriff. Jetzt und nur jetzt entscheidet
sich die Verteidigung. In Sekun-
denbruchteilen entstehen zeitund
atemlose Choreografien. Als
der Bayern-Verteidiger Matthijs
de Ligt im Rückspiel gegen Paris
Saint-Germain den Ball kurz vor
der Torlinie aufhielt, rettete er seinen
Torwart, sein Team – und in
einem höheren Sinn entschied er
das Duell mit Paris.
Er tat dies präzise, kunstvoll
und unwiderstehlich derb: De Ligt
rutschte mit ausgestrecktem rechten
Bein in die Flugbahn des Balles.
Die gemeine „Grätsche“ mag
in Zeiten eines wissenschaftlich
hochverfeinerten Fußballs hoffnungslos
antiquiert wirken. In
Wahrheit aber gehört sie zu den
unverzichtbaren Werkzeugen eines Verteidigers.
Die Grätsche ist das Manöver
des letzten Augenblicks. Wenn nichts
mehr geht, vermag sie alles zu wenden.
Die Grätsche ist auch im großen Spiel von
großem Wert. Wenn Menschen sich mit
dem Schicksal und seiner Flugbahn nicht
abfinden wollen, wenn sie etwas erhoffen,
wo kaum noch etwas zu hoffen ist,
grätschen sie hinein. Gegen alle Wahrscheinlichkeit.
Und nicht selten gegen
jede Vernunft. So wehren sie sich gegen
die scheinbar Unbesiegbaren und gegen
das scheinbar Unvermeidliche.
Weil die Unbesiegbaren und das Unvermeidliche
gerade Konjunktur haben,
erleben wir auch etwas von der Wirkung,
die ein scheinbar hoffnungsloser Widerstand
entfalten kann.
Auf Kollisionskurs liegen im Übrigen auch
die Macher der Ampelkoalition. Bei so
ziemlich jedem wichtigen Projekt kreuzen
sich die roten, grünen und gelben Flugbahnen.
Wer grätscht gegen wen? Fliegt
die Regierung auseinander? Ab Seite 28
lesen Sie alle Hintergründe zum Berliner
Crash-Countdown.
Herzlich Ihr
FOCUS 12/2023
3

Auf
Kollisionskurs
Scholz und Lindner
sind sich dieser
Tage in vielem uneins.
Was hält die
Ampel zusammen?
Seite 28
Aufstand
In Israel protestierten
Zehntausende
gegen
Netanjahus
demokratiegefährdende
Justizreform
Seite 44
Auf Sinnsuche
Der gefeierte Kurator
Hans Ulrich Obrist
setzt auch außerhalb
seiner Ausstellungen
gern Akzente
Seite 76
Auf die Zukunft
Arbeiten wir bald nur
vier Tage die Woche bei
vollem Lohn? Studien
zeigen, dass es
durchaus Sinn ergibt
Seite 22
Aufbruch
Viele Wirtschaftsstars
starteten ihre
Karriere bei McKinsey.
Auch Sheryl
Sandberg (Ex-Meta)
Seite 50
Auf Brasilianisch In den Tropen entstehen trotz des Klimas Spitzenweine Seite 90
4 FOCUS 12/2023

Seite 4
Seite 5
INHALT NR. 12 | 18. MÄRZ 2023
Titelthema
Wirtschaft
Kultur
Titel: Stills & Strokes für FOCUS-Magazin
Fotos: Frank Ossenbrink/imago images, Ohad Zwigenberg/AP, David Vintiner/CAMERA PRESS/laif, Robert Schlesinger,
Bloomberg/Getty Images, Evgeny Makarov, Murray Close/Lionsgate
64 Die Spritze gegen das Fett
Neue Diabetes-Medikamente lassen nebenbei
die Pfunde purzeln. Und könnten die
Menschheitsplage Übergewicht auslöschen.
Was ist dran am Hype aus Hollywood?
68 „Die Patienten stehen Schlange“
Ein Forscher spricht über Vor- und Nachteile
Agenda
22 Die Arbeits-Zeitenwende
Kommt jetzt endlich die Vier-Tage-Woche?
Studien belegen, dass sie uns glücklicher,
gesünder und sogar produktiver macht
Politik
28 Was hält euch noch zusammen?
Ob Haushalt, Heizen oder neue Kraftstoffe:
Die Ampel streitet. Dabei geht es um mehr
als die üblichen Partei-Sticheleien
32 Streit um Schrumpfhausen
Über die Sitzverhältnisse im Bundestag
33 Das Leid der Vernünftigen
Tausende wurden durch die Corona-Impfung
krank: die wichtigsten Antworten
34 „Wir brauchen eine neue Mentalität“
Friedrich Merz und Carsten Linnemann fordern
hier eine Politik, die Mut wieder belohnt
36 Mann im Feuer
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer über
den Krieg und die Entfremdung von Berlin
40 In der Stadt der Verlassenen
Ein Besuch in Cherson, der befreiten ukrainischen
Hafenstadt, die nicht zur Ruhe kommt
44 „Israel schafft die Demokratie ab“
New Yorks Ex-Bürgermeister Bloomberg über
die folgenreiche Justizreform des Landes
46 Der hohe Preis der Freiheit
Vor 20 Jahren stürzten die USA die irakische
Diktatur. Erholt hat sich das Land noch nicht
50 Mythos McKinsey
Die erste und erfolgreichste Unternehmensberatung
der Welt verordnet sich
selbst einen schmerzhaften Umbau.
Was läuft da schief?
56 Ein kalifornisches Beben
Der Absturz der Silicon Valley Bank
löste Schockwellen aus. Droht ein
zweites 2008?
58 Makler mit Makeln
Um das Image aufzupolieren,
feiern sich die Versicherungsvertreter
einfach selbst
60 Handwerk 4.0
Wie kleine Betriebe die Digitalisierung nutzen
Wissen
74 Alternative auf der Kippe
Sie kann Risiken für Raucher
mindern. Doch die E-Zigarette hat es
mittlerweile schwer
Auf ein Neues
Keanu Reeves ist zurück.
Und prügelt sich als
Killer John Wick von
New York nach Berlin
Seite 82
76 Im Dienst der Kunst
Er ist einer der wichtigsten Kuratoren. Hier
erklärt Hans Ulrich Obrist, wie sich die Welt
mit lustvoller Kreativität verändern lässt
82 Gott des Gemetzels
Mehr Tote, mehr Geballer: Keanu Reeves
kehrt als „sensibler“ Killer John Wick zurück
84 Alles so schön bunt hier
Unsere Kultur-Empfehlungen der Woche
Leben
90 Trinken wie Gott in Brasilien
Im Süden des Landes entstehen trotz des
Klimas Spitzenweine. Eine Reise zu den
Pionieren der spannendsten Anbaugebiete
95 Gut und günstig
Ottolenghi serviert Frittata mit viel Knobi
96 Achtsamkeit mit Schraubenzieher
Die alte Kulturtechnik des Reparierens erlebt
gerade eine echte Renaissance
99 Maz da!
Vom SUV zum Langstreckenfahrzeug: CX-60
100 Den Sport wieder beseelen
Deutschlands beste Eiskunstläuferin Nicole
Schott bereitet sich auf die WM vor
3 Editorial
6 Kolumne von
Jan Fleischhauer
9 Nachrichten
10 Fotos der Woche
16 Grafik der Woche
Sanierungskosten
18 Menschen
39 Der politische
Datenstrudel
Rubriken
Titelthemen sind rot markiert
IKONE
Günter Bannas über Leben
und Sterben Petra Kellys
63 Geldmarkt
73 Echt irre
81 Bestseller
81 Impressum
85 Salon
102 Die Einflussreichen
104 Leserbriefe
105 Nachrufe
105 Servicenummern
106 Tagebuch
DER HAUPTSTADTBRIEF
Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch
WUNDERWUMMSIS
Inge Kloepfer über
politische Neologismen
Jetzt noch mehr Politik im digitalen Format
Der Hauptstadtbrief Der für FOCUS-Leser
Lesen Sie digital und kostenlos noch mehr
Osten
Analysen zur aktuellen Politik.
Über eine politische Himmelsrichtung
Von Gabriel Kords Seite 2
Scannen Sie dazu einfach diesen
QR-Code: 15. Oktober 2022 | #41
FOCUS 12/2023
5

FOTOS DER WOCHE
Los Angeles
Einfach
himmlisch
Foto: Etienne Laurent/EPA
Wir sind wieder Oscar!
Zum vierten Mal gewann
eine deutsche Produktion
den Academy Award
für den „Besten internationalen
Film“: Edward
Bergers „Im Westen
nichts Neues“ über die
Schrecken des Ersten
Weltkriegs. Zuvor waren
„Die Blechtrommel“
(1980), „Nirgendwo in
Afrika“ (2003) und „Das
Leben der Anderen“ (2007)
prämiert worden. Alles
Stoffe, die von den Gräueln
des 20. Jahrhunderts
erzählen, auf eher gravitätische
Weise. Also nicht
viel Neues aus deutschen
Filmlanden?
Stimmt nicht ganz,
denn Bergers Film gewann
nicht nur in der
internationalen Kategorie,
sondern war auch in
acht weiteren nominiert,
etwa als „Bester Film“
überhaupt. Er wurde
schließlich für die „Beste
Kamera“, das „Beste
Szenenbild“ und die „Beste
Musik“ prämiert. Vier
Trophäen – das gelang
noch keinem deutschen
Beitrag zuvor.
Zudem war der Streaming-Gigant
Netflix Auftraggeber,
und der hat die
Macht, Filme weltweit in
die Herzen der Zuschauer
und Kritiker zu befördern.
Vielleicht dauert es also
nicht allzu lang bis zum
nächsten deutschen
Oscar-Film. Der müsste
dann ja vielleicht mal
nicht zwingend von Krieg
und Tyrannei handeln. 7
JOBST-ULRICH BRAND
Lesen Sie mehr auf Seite 103
Im Mittelpunkt
Edward Berger bedankt
sich für den Preis als
„Bester internationaler
Film“: „Oh Gott, das
bedeutet uns so viel!“
10
FOCUS 12/2023

In der Kriegshölle
Felix Kammerer als
deutscher Soldat Paul
Bäumer, der an der
Westfront des Ersten
Weltkriegs in den Tod
getrieben wird
In bester Gesellschaft
Daniel Brühl, Produzent
Malte Grunert, Albrecht
Schuch, Felix Kammerer
sowie die Gratulanten
Antonio Banderas und
Salma Hayek
FOCUS 12/2023
11

POLITIK
Ob Haushalt, Gasheizungsverbot
oder synthetische Kraftstoffe – die
Ampelkoalition verliert sich in
Streitereien. Oft heißt es Rot-Grün
gegen FDP. Doch die Lage
ist komplexer
Was hält euch
TEXT VON
MARC ETZOLD, FELIX HECK,
ANJA MAIER UND LARA WERNIG
28

KOALITION
Bitte lächeln
Bei der Kabinettsklausur
Anfang März auf Schloss
Meseberg präsentierten
Finanzminister Christian
Lindner, Bundeskanzler
Olaf Scholz und Vizekanzler
Robert Habeck
die Ergebnisse
noch zusammen?
Foto: Carsten Koall/Getty Images
FOCUS 12/2023
29

BLINDBLIND
POLITIK
Unbequemer Sachse
Vor gut fünf Jahren
wurde Michael Kretschmer
Ministerpräsident.
Der 47-jährige CDU-
Politiker aus Görlitz an
der deutsch-polnischen
Grenze regiert den
Freistaat seit 2019 mit
Grünen und SPD
36
FOCUS 12/2023