Inaugural-Dissertation Dirk Röseling 2001
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Einleitung und Aufgabenstellung 21<br />
3 Einleitung und Aufgabenstellung<br />
Die Bedeutung der Kohlenhydrate wurde bis in die späten sechziger Jahre auf die Rolle als<br />
„Energiespeicher“ in Form von Glykogen, Glucose oder Stärke, bzw. als „Stützmaterial“ in<br />
Form von Cellulose (Pflanzen) oder Chitin (Insekten) beschränkt [1], [2], [3] . Das Vorkommen<br />
in großen Peptiden wurde lediglich als Verunreinigung postuliert [4], [5] . Erst mit der rasanten<br />
Entwicklung auf dem Gebiet der Analytik [6], [7], [8], [9] wurde es möglich das heutzutage aner-<br />
kannte, breitgefächerte Wirkungsgebiet [3] der Kohlenhydrate zu erschließen.<br />
Kohlenhydrate, deren Strukturvielfalt (Hydroxylfunktionen) die der Peptide bei weitem über-<br />
trifft, findet man in nahezu allen biologisch Prozessen als „Informationsvermittler“ wieder.<br />
Sie treten dabei in Form von Glycokonjugaten [3], [5], [10], [11], [12], [13], [14], [15] (Glycoproteine,<br />
Glycolipide und Glycophospholipide) auf, wobei ihnen eine dominate Rolle bei zellularen<br />
Erkennungsprozessen, Zellwechselwirkungen und Zelldifferenzierung [15], [16], [17] zugespro-<br />
chen wird. Ferner übernehmen komplexe Oligosaccharide die Steuerung des Zellstoffwech-<br />
sels [18] , z.B. den Transport von Proteinen in die Zelle, und wirken dort als Signalsubstanzen.<br />
Im Falle der Viren, Bakterien und Antikörper sowie bei Enzymen und Toxinen treten Saccha-<br />
ride in der biologisch relevanten Rolle der Rezeptoren [19], [20] auf. Ihre Funktion als antigene<br />
Determinanten [2], [13], [21] findet sich in den Blutgruppensystemen wieder. Auf dem Gebiet der<br />
Waschmittelindustrie kommen Kohlenhydrate, insbesondere die Glucose, als günstige und<br />
nachwachsende Rohstoffquelle [22] in Form von Alkylpolyglycosiden als eigenständige Ten-<br />
sidklasse [23] zum Einsatz. Durch die Derivatisierung zu Alkylglucosiden und N-Methylglu-<br />
camiden ließen sich nicht nur wirksame Tenside gewinnen, sondern darüberhinaus die<br />
Verwendung als Bestandteil in Kosmetika [23] erschliessen. Die Eigenschaft als „Chirale-<br />
Schablone“ [65] wird vielfach für stereoselektive Synthesen ausgenutzt.<br />
Mit der Entdeckung der Lectine und Selectine konnten viele biologische Funktionen der Koh-<br />
lenhydrate belegt werden [24], [25], [26], [27], [28], [29] . Bei Lectinen handelt es sich um Proteine, die<br />
in der Lage sind, sehr spezifisch und reversibel mit Saccharide zu binden. Sie sind in den mei-<br />
sten Organismen von Viren, Bakterien bis hin zu Pflanzen und Tieren anzutreffen, und besit-<br />
zen typischerweise zwei oder mehrere Stellen, über die sie in die Lage versetzt werden, mit<br />
Kohlenhydraten zu kombinieren und dadurch Verbindungen zwischen Zellen herzustellen [28] .<br />
Die Selectine stellen eine spezielle Klasse der Lectine dar und übernehmen eine entscheiden-<br />
de Rolle im Immunprozeß, der sogenannten Entzündungskaskade. An den Endothelzellen<br />
von infiziertem oder beschädigtem Gewebe wird die Ausbildung von E- und P-Selectinen an-<br />
geregt, die spezifische Oligosaccharide (z. B. das Sialyl-Lewis x -Tetrasaccharid [31], [32], [33] )