Warum feiernwir eigentlichmit Brotund Wein?Wenn es Sie auch interessiert, dass Menschensehr lange in Skandinavien mit Bier,in Island und Grönland mit Heidelbeerweinoder in Südostasien mit Reis und PalmweinAbendmahl feierten oder warum noch inunserer Zeit im subsaharischen Afrika beispielsweiseCola und Fanta oder in pazifischenGemeinden Kokosnüsse zum Einsatzkommen, dann müssenSie unbedingt diekulinarische Geschichtedes Abendmahlsvon Anselm Schubertlesen. Gerne leihe ichIhnen auch das Buch.
Foto: ArtJazz/iSTock.comFlüchtig besehen, scheint die Frage banal, warumausgerechnet Brot und Wein im Zentrum derLiturgie stehen. Warum gerade sie zum Höhepunktdes christlichen Gottesdienstes auf den Altargebracht werden. Katechismusgelehrte Gläubigeantworten stante pede: Jesus Christus hat dieEucharistie eingesetzt. „Brot und Wein werdenge heimnisvoll Leib und Blut Christi, bleiben aberZeichen für die Güte der Schöpfung.“ Stimmt.Aber vielleicht ist es auch nur eine unter vielenAntworten auf die Frage des Warum.Eine andere, delikate Geschichte ist es, sich Brotund Wein kultur- und religionsgeschichtlich zunähern und sich ihren von jeher hohen symbolischenWert bewusst zu machen. Galt Brot doch bereits in derJungsteinzeit, als man Einkorn und Emmer, die Vorgängerunseres Weizens, zum Brei zerstieß und auf heißemUntergrund buk, als Zeichen für das ganze menschlicheLeben. Mögen die Ursprünge des Weins auch jünger sein,steht der Symbolgehalt des vergorenen Beerentrankesdem des Brotes in nichts nach. Er steht symbolisch fürWohlstand und Reichtum, für Liebe und Freude. Wiestimmig, dass so hoch aufgeladene Symbole als Materiehergenommen wurden, um das christliche Zentrum – JesuTestament – zu feiern. Was jedoch als Brot und Wein (imSinne der Eucharistie) zu gelten hatte, war bis ins zehnteJahrhundert ein ziemlich strittiges Thema. An der Frage,wie das Brot beschaffen sein müsse, entbrannte einer dergroßen Konflikte der Kirchengeschichte: der Azymenstreit.Er war einer der wesentlichen Gründe für die Trennungvon Ost- und Westkirche 1054 n.Chr.In seinem lesenswerten und amüsanten Buch mit demTitel „Gott essen“ schreibt Anselm Schubert, dass diefrühen Christen das Abendmahl zunächst mit Speisengefeiert haben, die sie von zuhause mitbrachten. Es wurdealso jedes Brot verwendet, selbstgebacken oder gekauft,gesäuert oder ungesäuert, aus Gerste oder Weizen. Dervon den Gläubigen gestiftete Wein wurde im Gottesdienstgesammelt und in einem größeren Gefäßzusammengegossen. Ich musste sofort darandenken, wie mir ältere Stockheimer:innenvon einem ähnlichen Brauch im Dorf erzählten:Jeder brachte, was er von seinem Weinerübrigen konnte und goss es in ein Fass,aus dem heraus später der Messwein für dieGottesdienste genommen wurde. Ein starkesZeichen von Gemeinschaft: Alle tragen zurFeier der Eucharistie substanziell bei. DerAusgangspunkt für das Sakrament ist dasBrot der Christen selbst.Gräbt man mit Anselm Schubert nochein wenig tiefer in der Trickkiste der Geschichte,kommt man nicht am Umstandvorbei, dass die ersten Christen den schönenBrauch des gemeinsamen Essens und Trinkensaus der antiken Kultur übernahmen,das sogenannte Symposium. Es passte einfachauch prima zu den Bräuchen jüdischerReligion, wo jede Mahlzeit mit dem Brotbrechenund einem Segensspruch begann. Da die jungeChristengemeinde noch keine Kirchen hatte, traf sie sichin privaten Räumlichkeiten, um „homónoia“ zu finden:die Erfahrung eines Sinnes zu sein. Dort fiel liturgischrituellesMahl mit dem Gemeinschaftsmahl zusammen.Bald schon ließ sich das Herrenmahl vom Sättigungsmahlkaum mehr trennen. Durch die immer größeren Menschenmengen,die am Mahl teilnahmen, trat eine starkeRegulierung des Herrenmahles ein. Hier entstanden dannauch die Oblatenhostien, die nicht mehr so richtig an„echtes Brot“ erinnerten. Das Sättigungsmahl geriet inden Hintergrund. Es verlor an Bedeutung. Nur sehr langsam,aber absolut notwendig wird die heilsame Symbiosevon rituellem Mahl und Sättigungsmahl wiederentdeckt.Vielleicht ist unser Frühshoppen an jedem Sonntag nachdem Gottesdienst ein guter erster Schritt in diese wichtigeRichtung.Oliver Westerhold ist seit 2011Pfarrer im Zabergäu. Er kocht leidenschaftlich.Kulinarischen Themenwidmet er sich immer gerne.WARUM FEIERN WIR EIGENTLICH ...13