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Zabergäu Magazin 2023/1

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Was ich

gerade lese

Delphine de Vigan

No & Ich

In dem Buch geht es darum, dass Lou, eine hochbegabte Schül erin,

die zwei Klassen übersprungen hat, ein 18-jähriges Mädchen, das

auf der Straße lebt, retten will.

Lou ist davon überzeugt, dass sich das Leben ändern lässt, ja,

das ist jetzt ihr neues Projekt. Dafür sitzt sie doch immer stundenlang

am Bahnhof und schaut Menschen zu und stellt hochgejagte

Theorien auf. Als sie ein Mädchen sieht und merkt, dass es obdachlos

ist, sieht sie gleich ihr Ziel vor Augen: Sie will No retten! Also

geht Lou nach einigem Zögern zu ihr und fragt sie, ob sie No ins

Café einladen darf. So werden zwei komplett verschiedene Menschen

Freundinnen. Nur damit ist ihr Projekt noch nicht ganz beendet.

Wird Lou es schaffen, No aus der Sackgasse zu befreien

oder wird sie scheitern?

Sobald man anfängt das Buch zu lesen, wird man erinnert, wie

schön und gleichzeitig bedrückend die Welt doch ist. Man weiß

wieder, wie es ist, sich Hals über Kopf in etwas hineinzuwerfen, nur

um die Welt wieder ein klein bisschen besser zu machen. Und

das gefällt mir so an diesem Buch, dass man sagen kann: „Hey,

ich kann die Welt, wie sie ist, zwar nicht verändern, aber ich kann

andere ermutigen, anderen zu helfen.“ Vor allem finde ich es ein

tolles Anliegen, zwei Seiten der Gesellschaft in einer Art zu zeigen,

die einen zum Nachdenken bringt.

EXTRA

TIPP

Das Theater Heilbronn zeigt

in dieser Saison die Geschichte

in einem Bühnenstück

in der BOXX. Das wäre

doch einen Ausflug wert...?!

Lesetipp von Annabelle Matzke,

die neben dem Lesen auch

gerne ministriert und wunderschön

Geige spielt.

Andrea Wulf

Fabelhafte Rebellen

Das neue Buch „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf spielt in

Jena, Ende des 18. Jahrhunderts. Dichter und Denker wie Goethe,

Schiller, Fichte, Novalis, Hegel und Caroline Schlegel treffen sich

in der Stadt an der Saale, tauschen sich aus und schaffen das Bild

des modernen Menschen, indem sie das Ich und die Einheit zwischen

Mensch und Natur ins Zentrum des Denkens stellen.

Aber hat das noch irgendetwas mit heute zu tun? Dieser frühromantische

Freundeskreis beschäftigt sich mit der Idee des Ichs,

den Möglichkeiten des freien Willens gegenüber den Risiken des

Egoismus und wirft definitiv Fragen auf, die noch immer aktuell sind.

Wer bin ich als Individuum und wer bin ich als Mitglied einer Gruppe

oder einer Gesellschaft? Wie kann ich ein sinnvolles Leben führen,

meinen Träumen folgen und trotzdem ein moralisch guter Mensch

sein? Seit wann erwarten wir, dass wir allein über unser Leben bestimmen?

Die Entscheidung zwischen den Rechten des Einzelnen

und unserer Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft und künftigen

Generationen ist heute so schwierig wie damals. Die Geschichte

gibt also einen Einblick in die Gegenwart, ist nicht verstaubt und

hilft zu verstehen, warum wir heute so sind wie wir sind.

Dieser Stoff lässt auf den ersten Blick dunkle Erinnerungen an

zähe Schulstunden aufkommen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Mir gefällt an diesem Buch, dass Andrea Wulf die Geschichte zum

Leben erweckt. Es ist ein auf Fakten basierendes Sachbuch, das

sich ein bisschen liest wie eine Soap-Opera. Es wird die spannende

Geschichte dieser jungen Rebellen erzählt, die unser Denken

von Grund auf verändert haben. Auf mitreißende Weise schildert

Wulf das skandalöse Leben in Jena und die Entwicklung der deutschen

Geistesgeschichte mit vielen klug eingebauten Briefzitaten.

Die Autorin hat sehr, sehr viele Quellen

ausgewertet und in einen sehr gut lesbaren

Roman verpackt. (Merkt man,

dass ich immer noch begeistert bin?)

Fabelhafte Rebellen:

Die frühen Romantiker

und die Erfindung des Ich

Andrea Wulf

C. Bertelsmann Verlag (2022)

Gebundene Ausgabe; 528 Seiten

ISBN 978-3-570-10395-1

No & ich

Delphine de Vigan

Knaur TB (2010)

Taschenbuch; 256 Seiten

ISBN 978-3-426-50158-0

Lesetipp von Pia Winkler. Hundebesitzerin

und zuverlässige Protokollantin

im Kirchengemeinderat.

16 WAS ICH GERADE LESE

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