04.04.2023 Aufrufe

vsao Journal Nr. 2 - April 2023

Partnerschaft - Suchen, finden, bewahren Politik - Weiterbildung und Arbeitszeit Thrombosen - «Nebenwirkungen» der Pandemie Proktologie - Leitsymptome und Massnahmen

Partnerschaft - Suchen, finden, bewahren
Politik - Weiterbildung und Arbeitszeit
Thrombosen - «Nebenwirkungen» der Pandemie
Proktologie - Leitsymptome und Massnahmen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>vsao</strong><br />

<strong>Nr</strong>. 2, <strong>April</strong> <strong>2023</strong><br />

<strong>Journal</strong><br />

Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Partnerschaft<br />

Suchen, finden, bewahren<br />

Seite 20<br />

Politik<br />

Weiterbildung und<br />

Arbeitszeit<br />

Seite 6<br />

Thrombosen<br />

«Nebenwirkungen»<br />

der Pandemie<br />

Seite 50<br />

Proktologie<br />

Leitsymptome und<br />

Massnahmen<br />

Seite 54


Wir lassen Ihnen Ihre<br />

Individualität.<br />

Dienstleistungen und Software, die zu Ihrer Praxis passen.<br />

Jede Arzt- oder Therapiepraxis ist anders. Das ist gut so. Darum sind die Software- und<br />

Dienstleistungsangebote der Ärztekasse modular aufgebaut und passen sich an Ihre<br />

individuellen Bedürfnisse an.<br />

Weitere Infos und Angebote auf<br />

aerztekasse.ch<br />

Ärztekasse – die standeseigene<br />

Genossenschaft an Ihrer Seite<br />

publix.ch


Inhalt<br />

Partnerschaften<br />

Suchen, finden, bewahren<br />

Coverbild: Stephan Schmitz<br />

Editorial<br />

5 Zusammen geht es einfacher –<br />

oder nicht?<br />

Politik<br />

6 Weiterbildung ist Arbeitszeit!<br />

9 Auf den Punkt gebracht<br />

Weiterbildung /<br />

Arbeitsbedingungen<br />

10 Was ist eigentlich strukturierte<br />

Weiterbildung?<br />

13 Im AA-Universum<br />

Perspektiven<br />

50 Aktuelles aus der Gefässmedizin:<br />

Arterielle und venöse Thrombosen<br />

bei COVID-19-Infektionen<br />

54 Aus der «Therapeutischen<br />

Umschau» – Übersichtsarbeit:<br />

Leitsymptome bei proktologischen<br />

Erkrankungen und allgemeine<br />

Massnahmen<br />

59 Der besondere Ort<br />

mediservice<br />

60 Briefkasten<br />

62 Fitter mit Klettern<br />

64 Mobilität der Zukunft<br />

<strong>vsao</strong><br />

14 Neues aus den Sektionen<br />

18 <strong>vsao</strong>-Inside<br />

19 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

66 Impressum<br />

Fokus: Partnerschaften<br />

20 Virtuelle Suche nach analogem Glück<br />

24 Im Gleichklang übers Glatteis<br />

28 Der vergessene Teil der Natur<br />

30 Tipps für eine erfolgreiche<br />

Praxisgemeinschaft<br />

36 Das Verbindende pflegen<br />

38 «Zusammen fühlen wir uns wohl»<br />

40 Partnerschaftliche Beziehungen<br />

hinter Gittern<br />

44 Ein Lotse für alle Wege<br />

48 Scheidungsschmerz verringern<br />

Anzeige<br />

Wir können Ärztinnen und Ärzten einiges bieten, weil wir sie gut verstehen.<br />

Als mediservice <strong>vsao</strong>-Mitglied gehören Sie zu einer privilegierten Gruppe:<br />

Sie haben exklusiven Zugang zu einem Online-Stellenvermittlungsportal und<br />

auf eine Online-Agenda mit Seminarangeboten. Als angehender Arzt können<br />

Sie zudem exklusiv an Laufbahn-Kongressen auf höchstem Niveau teilnehmen.<br />

www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 3


Allgemeine<br />

Innere Medizin<br />

06. – 10.06.<strong>2023</strong> Zürich<br />

40 h<br />

Innere Medizin<br />

20. – 24.06.<strong>2023</strong> Zürich<br />

40 h<br />

Hausarzt<br />

Fortbildungstage<br />

09. – 10.03.<strong>2023</strong> St. Gallen<br />

14 Credits SGAIM<br />

23. – 24.03.<strong>2023</strong> Bern<br />

14 h<br />

Anästhesiologie<br />

und Intensivmedizin<br />

16. – 17.05.<strong>2023</strong> Zürich<br />

16 h<br />

EKG – Grundkurs 14 h<br />

05. – 06.06.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Gynäkologie<br />

24 h<br />

27. – 29.04.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Nephrologie<br />

15 h<br />

23. – 24.06.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Neurologie 16 Credits SNG<br />

12. – 13.05.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Ophthalmologie 15 h<br />

08. – 09.06.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Pädiatrie<br />

24 h<br />

26. – 28.04.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Pneumologie<br />

14 h<br />

12. – 13.05.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

04. – 06.05.<strong>2023</strong> Zürich<br />

Urologie<br />

12.05.<strong>2023</strong> Zürich<br />

24 h<br />

7 h<br />

Update Refresher<br />

Alle weiteren Kurse im Jahr <strong>2023</strong><br />

auf www.fomf.ch<br />

Information / Anmeldung<br />

Tel.: 041 567 29 80 | info@fomf.ch | www.fomf.ch<br />

Hybrid: Teilnahme vor Ort oder via Livestream<br />

Publicjobs - das Jobportal für Mediziner*innen<br />

Offene Stellen als Oberärzt*innen oder Assistenzärzt*innen<br />

Jetzt bewerben auf publicjobs.ch


Editorial<br />

Zusammen geht<br />

es einfacher –<br />

oder nicht?<br />

Catherine Aeschbacher<br />

Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Gewisse Partnerschaften muten auf den ersten Blick ziemlich<br />

ungewöhnlich an. So ungewöhnlich, dass man sie<br />

lange Zeit ins Reich der Märchen verwiesen hat. So gibt es<br />

in der Mythologie der amerikanischen Ureinwohner die<br />

Überlieferung von der Freundschaft zwischen Kojoten und Dachsen.<br />

Vor einigen Jahren fing eine Kamerafalle tatsächlich Bilder ein, die<br />

einen Kojoten und einen Dachs mit einem offensichtlich sehr vertrauten<br />

Umgang zeigten. Obwohl die Wissenschafter nicht so weit gehen<br />

wollten, dies als «Freundschaft» zu bezeichnen, sprachen sie doch<br />

davon, dass sich hier «zwei wilde Tiere ihrer Partnerschaft eindeutig<br />

bewusst sind».<br />

In unserm Fokus-Teil geht es nicht um derart exotische Partnerschaften,<br />

aber um vielerlei Formen des Zusammenfindens, der Zusammenarbeit<br />

oder des Zusammenseins. Wie wählt man beispielsweise geeignete<br />

Partner bzw. Partnerinnen für eine Praxisgemeinschaft aus?<br />

Wie finden Sportlerpaare zusammen, die in höchster Harmonie über<br />

Eisflächen gleiten? Was verbindet Städte, die über Kontinente hinweg<br />

Partnerschaften eingehen? Wie werden blinde Menschen und ihre<br />

Führhunde zu einem perfekten Team? Und wie steht es um Partnerschaften<br />

unter erschwerten Bedingungen, zum Beispiel bei Strafgefangenen?<br />

Dank sozialer Medien wird die Partnersuche vermeintlich einfacher;<br />

unzählige Kontakte stehen zur Verfügung. Die scheinbar unbegrenzten<br />

Möglichkeiten haben aber ihre Tücken, wie die Expertin für Tinder<br />

und Co in unserem Schwerpunkt belegt. Im ganz realen Leben haben<br />

sich Serge und Raymonde getroffen und vor mehr als 50 Jahren geheiratet.<br />

Sie geben Tipps für eine dauerhafte Partnerschaft. Und falls es<br />

doch anders herauskommen sollte, berichtet eine Scheidungsanwältin<br />

über sinnvolle Wege der Trennung. Schliesslich kehren wir nochmals<br />

zur Natur zurück: Der Evolutionsgenetiker macht klar, dass neben dem<br />

Fressen und Gefressenwerden das partnerschaftliche Zusammenleben<br />

und die gegenseitige Unterstützung ein ebenso erfolgreiches Überlebensmodell<br />

ist.<br />

Die Weiterbildung gehört zu den Kernaufgaben der Weiterbildungsstätten,<br />

würde man denken. Ist doch alles vertraglich geregelt, in der<br />

Weiterbildungsordnung festgehalten und in den entsprechenden<br />

Programmen definiert. So auch die vier Stunden strukturierte Weiterbildung<br />

pro Woche. Aber die Realität zeigt, dass nur die wenigsten<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte regelmässig in den Genuss dieser vier<br />

Stunden kommen. In unserem Politikartikel sowie im Beitrag zur<br />

strukturierten Weiterbildung (Rubrik «Weiterbildung/Arbeitsbedingungen»)<br />

geht es – wohl nicht zum letzten Mal – um den Stellenwert<br />

der Weiterbildung im Rahmen der täglichen Arbeit.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 5


Politik<br />

Weiterbildung<br />

ist Arbeitszeit!<br />

Die strukturierte Weiterbildung muss als Arbeitszeit angerechnet werden.<br />

Das hat das SECO in einem Brief an die kantonalen Arbeitsinspektorate klar<br />

festgehalten. Für den <strong>vsao</strong> eine wichtige und wertvolle Klarstellung.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Die strukturierte Weiterbildung ist für Assistenzärztinnen und -ärzte obligatorisch und zählt deshalb als Arbeitszeit.<br />

Gemäss Weiterbildungsordnung<br />

des Schweizerischen Instituts<br />

für ärztliche Weiter- und Fortbildung<br />

(SIWF) müssen Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte wöchentlich vier<br />

Stunden strukturierte Weiterbildung absolvieren<br />

(siehe dazu den Artikel «Was ist<br />

eigentlich strukturierte Weiterbildung?»<br />

auf Seite 10). Die Frage, ob diese strukturierte<br />

Weiterbildung als Arbeitszeit gilt<br />

oder nicht, gab und gibt immer wieder Anlass<br />

zu Diskussionen. Indem Spitäler die<br />

Anrechnung als Arbeitszeit verweigern,<br />

können sie die gesetzlich festgelegte wöchentliche<br />

Höchstarbeitszeit von 50 Stunden<br />

umgehen bzw. ausdehnen.<br />

Das Staatssekretariat für Wirtschaft<br />

(SECO) schiebt dieser Praxis nun in aller<br />

Deutlichkeit einen Riegel. Bereits im vergangenen<br />

November richtete es einen<br />

Brief an die kantonalen Arbeitsinspektorate<br />

und hielt darin fest, dass die zur<br />

Weiterbildung aufgewendete Zeit als Arbeitszeit<br />

gilt. Das SECO stützt sich bei<br />

dieser Beurteilung auf das Medizinal -<br />

berufegesetz und die Weiterbildungsordnung<br />

des SIWF: «Das Medizinalberufegesetz<br />

präzisiert, dass die universitäre<br />

Ausbildung die Grundlagen zur Berufsausübung<br />

im betreffenden Medizinalberuf<br />

Bild: Adobe Stock<br />

6<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Politik<br />

Bild: zvg<br />

vermittelt, während die berufliche Weiterbildung<br />

der Erhöhung der Kompetenz und<br />

der Spezialisierung im entsprechenden<br />

Fachgebiet dient. Die lebenslange Fortbildung<br />

schliesslich gewährleistet die Aktualisierung<br />

des Wissens und der beruflichen<br />

Kompetenz. Die berufliche Weiterbildung<br />

umfasst zu einem grossen Teil das praktische<br />

Lernen an der Patientin bzw. am Patienten<br />

und daneben einen sogenannten<br />

‹strukturierten› Teil, d.h. ‹eine Bildung<br />

namentlich in organisierten Kursen, mit<br />

Lernprogrammen und einer definierten<br />

Lehr-Lern-Beziehung›. Das Schweizerische<br />

Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung<br />

(SIWF) verlangt, dass jede Weiterbildungsstätte<br />

ein ‹Weiterbildungskonzept›<br />

erarbeitet. Das Konzept bestätigt, dass den<br />

Assistenzärztinnen und -ärzten der Besuch<br />

der im Programm geforderten Kongresse<br />

und Kurse im Rahmen der Arbeitszeit ermöglicht<br />

wird und dass ihnen strukturierte<br />

Weiterbildung im Umfang von mindestens<br />

vier Stunden pro Woche angeboten wird.»<br />

Aus diesen Ausführungen ergibt sich<br />

für das SECO, «dass die berufliche Weiterbildung<br />

für Assistenzärztinnen und -ärzte<br />

zur Spezialisierung in einem Fachgebiet<br />

obligatorisch ist. Folglich zählt die zur<br />

Weiterbildung aufgewendete Zeit gemäss<br />

Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung 1 zum<br />

Arbeitsgesetz (ArGV 1) als Arbeitszeit. Vor<br />

allem die Stunden der ‹strukturierten›<br />

Weiterbildung müssen in der Arbeitszeit -<br />

erfassung dokumentiert und in der Einsatzplanung<br />

einkalkuliert werden, um sicherzustellen,<br />

dass die im Arbeitsgesetz<br />

und seinen Verordnungen vorgeschriebenen<br />

Bestimmungen zur Arbeits- und<br />

Ruhezeit, darunter insbesondere die wöchentliche<br />

Höchstarbeitszeit, eingehalten<br />

werden.»<br />

Wichtige und wertvolle Klärung<br />

Diese Klarstellung war dringend nötig<br />

und hilft dem <strong>vsao</strong> bei seinem Einsatz für<br />

gute Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen.<br />

«Das Konzept der 42+4-Stunden-<br />

Woche funktioniert nur, wenn klar ist,<br />

dass die vier Stunden strukturierte Weiterbildung<br />

ebenfalls zur Arbeitszeit gehören»,<br />

sagt Nora Bienz, Vizepräsidentin des<br />

<strong>vsao</strong>. «Das SECO bestätigt nun genau das,<br />

und das ist für die Gespräche mit Arbeitgebenden<br />

und Arbeitsinspektoraten enorm<br />

wichtig, da diese Frage immer wieder umstritten<br />

war.»<br />

Mit der 42+4-Stunden-Woche strebt<br />

der <strong>vsao</strong> an, dass bei der Dienstplanung<br />

pro Woche maximal 42 Stunden Arbeit mit<br />

Patientinnen und Patienten und vier<br />

Stunden strukturierte Weiterbildung eingeplant<br />

werden. «So kann sichergestellt<br />

werden, dass die vier Stunden strukturierte<br />

Weiterbildung in Anspruch genommen<br />

werden können, ohne die wöchentliche<br />

Höchstarbeitszeit zu überschreiten», erklärt<br />

Nora Bienz.<br />

Weiterbildung nur für eine<br />

Minderheit<br />

Dass diese Forderung weiterhin hochaktuell<br />

ist, zeigte zuletzt eine Umfrage, die<br />

von der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ)<br />

durchgeführt wurde und an der sich rund<br />

4500 Assistenzärztinnen und -ärzte beteiligten.<br />

Die Umfrage ergab nicht nur, dass<br />

die Arbeitszeiten zu lang sind, sondern<br />

auch, dass die eigentlich obligatorische<br />

strukturierte Weiterbildung vielfach nicht<br />

besucht werden kann. Fast 40 Prozent der<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte gaben an,<br />

dass sie im Durchschnitt länger als elf<br />

Stunden pro Tag arbeiten, nur bei sieben<br />

Prozent sind es weniger als zehn Stunden.<br />

Gleichzeitig geben mehr als die Hälfte<br />

der Befragten an, dass die vier Stunden<br />

Weiterbildung von ihrem Arbeitgeber gar<br />

nicht angeboten werden. Weitere 40 Prozent<br />

sagen, dass «das Weiterbildungsangebot<br />

zwar bestehe, sie es aber wegen<br />

der hohen Arbeitslast oder der Schichtplanung<br />

nicht oder nur selten besuchen<br />

könnten» (NZZ vom 20. Februar <strong>2023</strong>).<br />

Missstände melden<br />

Das bedeutet, dass nur ein kleiner Teil der<br />

Assistenzärztinnen und -ärzte die obligatorische<br />

strukturierte Weiterbildung im<br />

vorgesehenen Umfang absolvieren kann.<br />

Ein Zustand, den es zu ändern gilt, auch<br />

und nicht zuletzt zugunsten einer qualitativ<br />

hochstehenden Gesundheitsversorgung<br />

in der Schweiz. Der Brief des SECO<br />

steht auf der <strong>vsao</strong>-Website zum Download<br />

zur Verfügung, er wurde ebenfalls an die<br />

<strong>vsao</strong>-Visitatorinnen und -Visitatoren verteilt,<br />

die die Weiterbildungsstätten regelmässig<br />

überprüfen. «Wir sind aber auch<br />

weiterhin darauf angewiesen, dass Meldungen<br />

von Missständen in Bezug auf die<br />

Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen<br />

zu uns gelangen», sagt Nora Bienz. «Dafür<br />

kann zum Beispiel online die <strong>vsao</strong>-Meldestelle<br />

genutzt werden, es gibt aber auch<br />

den Weg direkt über die Sektionen oder<br />

den <strong>vsao</strong>-Dachverband. Wir gehen jedem<br />

Hinweis nach.»<br />

Die Spitäler haben ebenso ein Interesse<br />

daran, gute Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen<br />

anzubieten, um Mitarbeitende<br />

zu gewinnen und zu halten.<br />

Der <strong>vsao</strong> hilft gerne, zum Beispiel mit<br />

der kostenlosen Dienstplanberatung, die<br />

Wege zeigen kann, wie die Anforderungen<br />

von Arbeitsgesetz und Weiterbildungsordnung<br />

erfüllt werden können.<br />

Mehr zum Thema unter<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/arbeitsbedingungen/<br />

arbeitsrecht bzw.<br />

www.meldestelle-<strong>vsao</strong>.ch<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

Danke für Ihre Teilnahme!<br />

Anfang März haben wir die letzten<br />

Antworten für die vierte umfassende<br />

Mitglieder befragung entgegengenommen.<br />

Eingeladen waren alle Assistenzund<br />

Oberärztinnen und -ärzte, die beim<br />

<strong>vsao</strong> Mitglied sind. Über 3200 Teilnehmende<br />

haben den Fragebogen vollständig<br />

ausgefüllt, womit das Ziel von 3000<br />

Teilnahmen mehr als erreicht wurde.<br />

Herzlichen Dank an alle, die mitgemacht<br />

haben! Die Antworten sind für<br />

unsere politische Arbeit und den Einsatz<br />

für unsere Mitglieder äusserst<br />

wertvoll. Die volle Auswertung der<br />

Ergebnisse werden wir Anfang Mai<br />

veröffentlichen.<br />

Rücktritt aus dem GA<br />

Patrizia Kündig,<br />

langjähriges Mitglied<br />

des Geschäftsausschusses<br />

(GA) und bis<br />

Mai 2022 Vizepräsidentin<br />

des <strong>vsao</strong>, tritt<br />

per Ende <strong>April</strong> <strong>2023</strong><br />

als GA-Mitglied und<br />

Leiterin des Ressorts Weiterbildung<br />

zurück. Sie hat sich entschieden, eine<br />

längere Pause zur beruflichen und<br />

persönlichen Weiterentwicklung einzulegen.<br />

Der <strong>vsao</strong> bedankt sich bei<br />

Patrizia herzlich für ihren Einsatz.<br />

Die Leitung des Ressorts Weiterbildung<br />

übernimmt ab Mai Richard Mansky.<br />

Er ist seit <strong>April</strong> 2021 Mitglied des GA<br />

und des Ressorts Weiterbildung.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 7


Privat<br />

Hausrat<br />

Privathaftpflicht<br />

Rechtsschutz<br />

Gebäude<br />

Wertsachen / Kunst<br />

Motorfahrzeug<br />

Ausland / Expat<br />

Reise / Assistance<br />

Krankenkasse<br />

Taggeld<br />

Unfall<br />

Leben<br />

Stellenunterbruch<br />

Beruf<br />

Arztpraxis<br />

Gebäude<br />

Berufshaftpflicht<br />

Rechtsschutz<br />

Cyber<br />

Taggeld<br />

Unfall<br />

Nutzen Sie unsere Kooperationspartner<br />

und profitieren Sie von den Vorteilen<br />

und Rabatten:<br />

– Allianz Suisse<br />

– AXA-ARAG<br />

– Concordia<br />

– Helvetia<br />

– Innova<br />

– ÖKK<br />

– Schweizerische Ärzte-Krankenkasse<br />

– Swica<br />

– Versicherung der Schweizer Ärzte<br />

Genossenschaft<br />

– Visana<br />

– ZURICH<br />

Falls Sie bereits eine Versicherung bei<br />

einer der oben genannten Versicherungen<br />

besitzen, dann prüfen Sie einen<br />

Übertritt in unsere Kollektivverträge.<br />

Wir unterstützen Sie gerne dabei.<br />

Exklusive Lösungen für mediservice <strong>vsao</strong>-asmac-Mitglieder<br />

031 350 44 22 – wir sind für Sie da.<br />

info@mediservice-<strong>vsao</strong>.ch, www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch


Politik<br />

Arbeitskraft als<br />

knappes Gut<br />

Bild: zvg<br />

«Die Arbeitskraft der kommenden Gen Z wird<br />

ein knappes Gut sein», schrieb kürzlich der<br />

Ökonom Marcus Schögel in der «Neuen Zürcher<br />

Zeitung». Unternehmen und ihre Führungskräfte<br />

sollten deshalb nicht über die Ansprüche junger Generationen<br />

klagen, sondern deren Potenzial erkennen. Es gelte, «die Ideen<br />

junger Talente und Mitarbeiter nicht nur wertzuschätzen,<br />

sondern aktiv für den Fortbestand des Unternehmens zu gewinnen».<br />

Eigentlich ganz logisch. Ein Unternehmen, das es<br />

dauerhaft nicht schafft, junge Mitarbeitende zu gewinnen,<br />

wird früher oder später verschwinden. Oder anders<br />

gesagt: Ein Unternehmen, das es nicht schafft,<br />

die Bedürfnisse junger Talente zu erfüllen,<br />

die es für sich gewinnen will, wird keine<br />

Zukunft haben.<br />

Beispiele von Unternehmen, die<br />

diese Herausforderung meistern, gibt<br />

es genug, und man muss dafür gar<br />

nicht unbedingt immer auf Google<br />

zurückgreifen. Vor ein paar Tagen las<br />

ich in der Zeitung von einem Projekt<br />

des Kantons Bern für die Etablierung<br />

einer Teilzeitlehre. Das gab es bisher<br />

anscheinend noch gar nicht, ist aber<br />

offensichtlich ein Bedürfnis. Im Artikel<br />

wurde das Beispiel einer jungen Frau<br />

vorgestellt, die mit 18 Jahren Mutter wurde<br />

und nun mit 26 Jahren doch noch eine Lehre<br />

absolvieren kann, in einem Teilzeitpensum von<br />

80 Prozent. Auch Pensen von 60 oder 70 Prozent sollen<br />

möglich sein. Der Kanton hat die Zeichen der Zeit anscheinend<br />

anerkannt und gewinnt so Fachkräfte, die ihm<br />

möglicherweise längerfristig wertvolle Dienste leisten.<br />

Im Gesundheitswesen und insbesondere in der ärztlichen<br />

Weiterbildung scheint das noch nicht angekommen zu sein.<br />

Ein ehemaliger Chefarzt sagte zum Beispiel, ebenfalls in der NZZ,<br />

viele junge Assistenzärztinnen und -ärzte würden sich Teilzeitarbeit<br />

wünschen, aber «Medizinberufe sind nun einmal keine<br />

Bürojobs». Ein anderer ehemals leitender Arzt schrieb in der<br />

«Ärztezeitung», er habe Zeit seines Lebens «die berüchtigten<br />

‹60 bis 80 Stunden pro Woche› gearbeitet» und stelle fest, dass<br />

er dennoch keinen Schaden erlitten, sondern viel Gewinn verbucht<br />

habe. Der Tenor solcher Voten ist der von «Wir mussten auch<br />

viel arbeiten, das hat uns nicht geschadet» und «Die heutige<br />

Generation ist verwöhnt und hat gar nie richtig zu arbeiten<br />

gelernt». Dabei sind die Bedürfnisse doch legitim. Wenn der<br />

Partner oder die Partnerin ebenfalls arbeiten will, Kinder oder<br />

Angehörige Betreuung benötigen, ein Hobby gepflegt oder<br />

Auf den<br />

Punkt<br />

gebracht<br />

ein politisches Amt ausgeübt werden will, ist es dann wirklich<br />

so vermessen und abwegig, vom Arbeitgeber eine halbwegs<br />

verlässliche Dienstplanung und die Einhaltung des Arbeitsgesetzes<br />

zu verlangen?<br />

Nein, ist es natürlich nicht, und um zum Ausgangspunkt<br />

zurückzukommen: Noch viel mehr als das muss möglich sein.<br />

Es kann nicht nur um die verlässliche Dienstplanung und das<br />

Arbeitsgesetz gehen, sondern es geht tatsächlich darum, die<br />

Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbeitenden ernst zu nehmen,<br />

sie zu respektieren und nach Möglichkeit zu erfüllen, um im<br />

Gegenzug ihre Arbeitskraft zu erhalten. Mitarbeitende,<br />

die ernstgenommen werden, die sich<br />

gehört und respektiert fühlen, sind sehr wohl<br />

auch bereit, Loyalität zu beweisen, wenn<br />

nötig auch einmal eine Extraschicht zu<br />

leisten, länger zu bleiben oder für<br />

einen kranken Kollegen einzuspringen.<br />

Voraussetzung dafür ist aber<br />

das gemeinsame Verständnis, dass<br />

das Arbeitsverhältnis ein gegenseitiges<br />

Geben und Nehmen ist.<br />

Nur so wird es im Gesundheitswesen<br />

gelingen, das knapper werdende<br />

Gut der Arbeitskraft weiterhin<br />

zu gewinnen.<br />

Philipp Thüler,<br />

Leiter Politik und Kommunikation,<br />

stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 9


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Bei der Arbeit lernen Ärztinnen und Ärzte<br />

jeden Tag. Genauso wichtig ist aber auch die<br />

strukturierte Weiterbildung.<br />

Was ist eigentlich<br />

strukturierte<br />

Weiterbildung?<br />

Vier Stunden strukturierte Weiterbildung pro Woche sind<br />

für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung obligatorisch.<br />

Doch was ist genau unter strukturierter Weiterbildung zu verstehen?<br />

Ein SIWF-Merkblatt schafft Klarheit.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Bild: Adobe Stock<br />

10<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

In vielen Spitälern wird die gesetzlich<br />

festgelegte Höchstarbeitszeit von<br />

50 Stunden pro Woche regelmässig<br />

überschritten. Trotzdem oder gerade<br />

deswegen können die wenigsten Assistenzärztinnen<br />

und -ärzte die strukturierte<br />

Weiterbildung, die gemäss Weiterbildungsordnung<br />

des Schweizerischen Instituts für<br />

ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF)<br />

im Umfang von vier Stunden pro Woche<br />

obligatorisch ist, besuchen. Teilweise wird<br />

diese Weiterbildung von den Spitälern gar<br />

nicht angeboten, teilweise kann sie von<br />

den Assistenzärztinnen und -ärzten nicht<br />

oder nur teilweise besucht werden – wegen<br />

der hohen Arbeitslast und/oder suboptimaler<br />

Dienstplanung. Das bestätigte sich<br />

zuletzt bei der grossen Umfrage, welche<br />

die «Neue Zürcher Zeitung» durchführte<br />

(«NZZ» vom 20. Februar <strong>2023</strong>), es entspricht<br />

auch den Erkenntnissen der <strong>vsao</strong>-<br />

Mitgliederbefragungen.<br />

Der <strong>vsao</strong> strebt deshalb die 42+4-Stunden-Woche<br />

an mit wöchentlich 42 Stunden<br />

Arbeit an Patientinnen und Patienten und<br />

vier Stunden strukturierter Weiterbildung.<br />

Wenn dies in der Dienstplanung konsequent<br />

so geplant wird, ist die Gefahr, dass<br />

die Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro<br />

Woche erreicht oder überschritten wird,<br />

deutlich kleiner und die Chance, dass die<br />

strukturierte Weiterbildung tatsächlich besucht<br />

werden kann, wesentlich grösser.<br />

Diverse Formen sind möglich<br />

Doch was ist unter strukturierter Weiterbildung<br />

überhaupt zu verstehen? Das SIWF<br />

hat dazu ein Merkblatt publiziert, das auf<br />

der SIWF-Website oder auf der Website des<br />

<strong>vsao</strong> heruntergeladen werden kann. Darin<br />

wird unterschieden zwischen der Weiterbildung<br />

nach dem Grundprinzip «Learning<br />

on the Job», die nicht klar quantifizierbar<br />

ist, und der strukturierten Weiterbildung,<br />

die im Umfang von vier Stunden pro Woche<br />

obligatorisch ist.<br />

Zum «Learning on the Job» gehört der<br />

Kompetenzzuwachs, der während der klinischen<br />

Dienstleistung entsteht. Dies entspricht<br />

aber nicht einer strukturierten<br />

Weiterbildung, denn diese muss gemäss<br />

dem Merkblatt «eine Struktur haben und<br />

einen expliziten Fokus auf die Weiterbildung<br />

der Ärztinnen und Ärzte […]. Wenn<br />

die strukturierte Weiterbildung im klinischen<br />

Alltag stattfindet, sollte sie eine<br />

Vorbereitung, Durchführung und Nachbesprechung<br />

der Aktivität beinhalten.»<br />

Zu dieser Art von strukturierter Weiterbildung<br />

im klinischen Alltag gehören zum<br />

Beispiel arbeitsplatzbasierte Assessments,<br />

Bedside-Teachings oder EPAs (Entrustable<br />

Professional Activities).<br />

Weitere Formen strukturierter Weiterbildung<br />

werden im Merkblatt aufgelistet.<br />

Es sind dies zum Beispiel:<br />

– Kongresse und Jahresversammlungen<br />

von Fachgesellschaften (mit physischer<br />

Präsenz oder auch hybrid/virtuell)<br />

– Von der Institution organisierte oder<br />

anerkannte moderierte interdisziplinäre<br />

Veranstaltungen (auch online), wie<br />

zum Beispiel Vorträge und Fallvorstellungen,<br />

interdisziplinäre Kolloquien,<br />

klinisch-pathologische Konferenzen,<br />

Morbiditäts-Mortalitäts-Konferenzen<br />

oder CIRS-Besprechungen (Critical Incidents<br />

Reporting System)<br />

– Klinikinterne Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen<br />

im Rahmen von fachspezifischen<br />

Curricula wie zum Beispiel<br />

Vorträge, moderierte Fallbesprechungen<br />

mit didaktischem Fokus, Seminare<br />

oder <strong>Journal</strong> Clubs<br />

– Interaktive Veranstaltungen wie zum<br />

Beispiel praktische Kurse oder medizinische<br />

Simulationskurse<br />

Speziell erwähnt werden im Merkblatt die<br />

«Teachable Moments». Das sind «bestimmte<br />

Ereignisse, Situationen oder Erfahrungen,<br />

die genutzt werden können,<br />

um Lernenden etwas zu vermitteln, das<br />

zufälligerweise während der klinischen<br />

Arbeit erkennbar wird». Sie gelten dann<br />

als strukturierte Weiterbildung, wenn sie<br />

mindestens zehn Minuten dauern und eine<br />

Struktur mit Vorbereitung und Nachbesprechung<br />

aufweisen. Da sie aber üblicherweise<br />

ad hoc auftreten, können sie<br />

nicht als Teil der regulären, zu planenden<br />

vier Stunden strukturierte Weiterbildung<br />

gezählt werden.<br />

Zeit zur Verfügung stellen<br />

Das SIWF weist im Merkblatt darauf hin,<br />

dass «nicht jede Weiterbildungsstätte für<br />

sich allein die ganze strukturierte Weiterbildung<br />

anbieten muss». Für kleinere Weiterbildungsstätten<br />

könne die Zusammenarbeit<br />

mit grösseren Kliniken eine wertvolle<br />

Option sein. Zentral sei aber, dass «die Weiterbildungsstätte<br />

die entsprechende Zeit<br />

zur Verfügung stellt, damit die Ärztinnen<br />

und Ärzte in Weiterbildung die Angebote<br />

auch tatsächlich wahrnehmen können».<br />

Die vier Stunden strukturierte Weiterbildung<br />

sollten gemäss dem Merkblatt<br />

«grundsätzlich jede Woche angeboten werden.<br />

Weiterbildungsblöcke (zum Beispiel<br />

externe Kurse) sollten im Sinne einer flexiblen<br />

Auslegung der Vorgaben berechnet<br />

werden.»<br />

Die strukturierte Weiterbildung ist ein<br />

zentraler Bestandteil der ärztlichen Weiterbildung.<br />

Gemäss den erwähnten Umfragen<br />

erhält sie nicht immer und überall<br />

den notwendigen Stellenwert. Entsprechende<br />

festgestellte Missstände können<br />

jederzeit bei der <strong>vsao</strong>-Meldestelle gemeldet<br />

werden. Der <strong>vsao</strong> verfolgt jeden Hinweis<br />

und ist darauf angewiesen, dass entsprechende<br />

Meldungen gemacht werden,<br />

wenn die Weiterbildung nicht wie vorgesehen<br />

besucht werden kann. Herzlichen<br />

Dank für Ihre Mithilfe!<br />

Mehr zum Thema unter<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/aerztliche-weiterbildung/konzepte-und-vertraege-2/<br />

bzw. www.meldestelle-<strong>vsao</strong>.ch<br />

@<strong>vsao</strong>asmac<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 11


Ihre Bedürfnisse<br />

im Mittelpunkt<br />

Visitationen<br />

Bewertungen, Löhne, Arbeitszeiten,<br />

Kitas, Jobs - und noch viel<br />

mehr: medicus ist das umfassende<br />

Portal für Ihre Karriere. Dort<br />

finden Sie die optimal zu Ihnen<br />

passende Stelle!<br />

Die Spitäler und <strong>vsao</strong>-Sektionen<br />

bieten Ihnen wichtige Informationen<br />

zu den Arbeitsbedingungen. Den<br />

wichtigsten Beitrag leisten jedoch<br />

Sie: Bewerten Sie anonym Ihren<br />

bisherigen Arbeitgeber. Damit<br />

helfen Sie anderen – und profitieren<br />

selber von deren Erfahrungen.<br />

www.medicus.ch<br />

Wie gut ist die Weiterbildung in<br />

den Kliniken? Dieser Frage gehen<br />

die Visitationen auf den Grund. Zu<br />

den Expertenteams gehört immer<br />

jemand vom <strong>vsao</strong>. Die Besuche vor<br />

Ort dienen dazu, Verbesserungsmöglichkeiten<br />

zu erkennen. Denn<br />

Sie als unser Mitglied sollen von<br />

einer hohen Weiterbildungsqualität<br />

profitieren.<br />

Falls Sie selber Visitationen<br />

begleiten möchten: eine E-Mail<br />

an visitationen@<strong>vsao</strong>.ch, und<br />

Sie erfahren mehr!<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/visitationen<br />

Feedback-<br />

Pool<br />

Für Sie als Mitglied ist sie zentral:<br />

die Weiterbildung. Deshalb fühlen<br />

wir unserer Basis mit Umfragen<br />

regelmässig den Puls dazu. Dank<br />

dieses Feedback-Pools können wir<br />

unsere Verbandsarbeit gezielt auf<br />

Ihre Anliegen ausrichten.<br />

Wollen Sie mitmachen?<br />

Dann schreiben Sie an<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch.<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/studien-undumfragen<br />

Arztberuf<br />

und Familie<br />

• Wie bringe ich Familie, Freizeit und<br />

Beruf unter einen Hut?<br />

• Wie steige ich nach der Babypause<br />

wieder ein?<br />

• Wie meistere ich die täglichen<br />

Herausforderungen?<br />

Antworten auf solche Fragen erhalten Sie<br />

als <strong>vsao</strong>-Mitglied bei unserem kostenlosen<br />

Coaching. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />

durch die Fachstelle UND.<br />

044 462 71 23<br />

info@fachstelle-und.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch/telefoncoaching


Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />

Im AA-Universum<br />

Karrierestart im Dschungel<br />

(10.12.–23.12.2022)<br />

Der «Dschungel von Calais», so<br />

werden die Zeltlager rund um<br />

die Hafenstädte von Calais<br />

und Dunkerque in Frankreich<br />

benannt. Diese werden von Flüchtlingen<br />

bewohnt, welche als finales Ziel das ca.<br />

33 km jenseits des Ärmelkanals liegende<br />

England haben.<br />

Statt mich frisch geschminkt und<br />

frisiert im sterilen Spitaldress und in<br />

sauberen Turnschuhen im ebenso sterilen<br />

und beheizten Krankenhaus einzufinden,<br />

betrete ich im wenig eleganten Outfit<br />

(Hauptsache warm) inklusive hübscher,<br />

gefütterter Gummistiefel bei Regen, Wind<br />

und minus zehn Grad eine Sumpflandschaft<br />

in Nordfrankreich. Diese ist mit<br />

unzähligen bunten Zelten bedeckt, ergänzt<br />

von diversen Müllhaufen und<br />

schmutzigen, am Boden liegenden Kleidern.<br />

Es riecht nach verbranntem Plastik,<br />

hie und da trifft man auf improvisierte<br />

Feuerstellen, wo Brot oder Fleisch grilliert<br />

wird.<br />

Über diese triste Landschaft verteilt,<br />

tummeln sich Freiwillige in Westen der<br />

jeweiligen Hilfsorganisationen. Als «Doctor»<br />

oder «Nurse» (denn hier wird nebst<br />

Arabisch oder Farsi bevorzugt Englisch<br />

gesprochen) ist man fast so erwünscht wie<br />

die mobile Ladestation, das Frisierzubehör<br />

und der köstliche Instantkaffee oder<br />

(für mich eine Premiere) die mit Wasser<br />

zubereitete heisse Schokolade. Egal ob<br />

mit oder ohne Erfahrung, hier sind alle<br />

Hände gefragt.<br />

Unterwegs in einem dunkelblauen<br />

Citroën-Berlingo und ausgerüstet mit<br />

einer mobilen Hausapotheke sowie diversem<br />

Wundversorgungsmaterial, fährt das<br />

Team des «First Aid Support Teams»<br />

(FAST) täglich in ein anderes Zeltlager.<br />

Kaum hat es parkiert, bildet sich auch<br />

schon eine erste Schlange vor dem Wagen.<br />

Es werden Paracetamol, Voltarensalbe,<br />

schmerzlinderndes Zahngel und Hustensirup<br />

verteilt. Zuweilen erhält man einen<br />

soeben herausgefallenen Zahn entgegengestreckt.<br />

Ernstere Fälle werden ins nahe<br />

gelegene Spital verlegt.<br />

Etwas spannender wird es, wenn sich<br />

jemand mit Juckreiz präsentiert. Noch<br />

spannender, wenn die darauffolgenden<br />

drei, vier Patientinnen und Patienten<br />

dasselbe Leiden aufweisen. Ein kurzer<br />

Blick auf Hände und/oder Ellbogen, ergänzt<br />

mit Sozial- und Umgebungsanamnese,<br />

und schon hat man den Übeltäter<br />

erkannt. Die freche Krätzmilbe hat ihr<br />

ideales Habitat ausfindig gemacht:<br />

feuchtwarme Kleidung, schlechte hygienische<br />

Verhältnisse seit Wochen (ohne<br />

eine Veränderung der Verhältnisse in<br />

Sicht) und viele Menschen, die auf engem<br />

Raum leben. Ein unerwünschter Freund<br />

und Begleiter, den man in der gegebenen<br />

Situation leider nicht so einfach und<br />

schnell wieder loswird. Eine gründliche<br />

Desinfektion vor Ort kann hier nur überbrückend<br />

bis zum Krankenhaustermin<br />

vorgenommen werden. Ob dieser auch<br />

wirklich eingehalten werden kann, ist<br />

unklar. Denn wenn das Wetter passt und<br />

das Meer ruhig ist, so hat ein freier Platz<br />

auf dem Gummiboot nach Dover viel<br />

höhere Priorität als die Verabschiedung<br />

einer Milbe ...<br />

Mein Fazit: Eine gute Möglichkeit,<br />

sich einen ersten kurzen, aber prägnanten<br />

Einblick in die humanitäre Hilfe und<br />

Medizin zu verschaffen und einmal alle<br />

Eitelkeiten abzulegen. Und spätestens<br />

nach einer solchen Erfahrung freut man<br />

sich doppelt, in die sterile Krankenhauskleidung<br />

zu schlüpfen, und lernt auch<br />

den gruseligen Automatenkaffee, der in<br />

den meisten Spitälern angeboten wird,<br />

zu schätzen.<br />

Camille Bertossa,<br />

Assistenzärztin im<br />

1. Weiterbildungsjahr<br />

Bild: zvg<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 13


<strong>vsao</strong><br />

Neues aus<br />

den Sektionen<br />

Bern<br />

Einladung zur ordentlichen<br />

Mitgliederversammlung<br />

<strong>2023</strong> des VSAO Bern<br />

Donnerstag, 27. <strong>April</strong> <strong>2023</strong>,<br />

PROGR Bern, Waisenhausplatz 30,<br />

3011 Bern<br />

Programm<br />

Ab 18.30 Uhr Apéro<br />

19.00 Uhr Mitgliederversammlung<br />

mit Remo Zumstein, Poetry-Slam<br />

20.15 Uhr Nachtessen und Tombola<br />

Traktanden<br />

1. Protokoll der ordentlichen<br />

Mitgliederversammlung 2022<br />

2. Jahresbericht 2022 des<br />

Präsidiums<br />

3. Jahresrechnung 2022<br />

4. Budget <strong>2023</strong><br />

5. Mitgliederbeiträge 2024<br />

6. Wahlen (Präsidium, Vorstand)<br />

7. Wahl der Revisionsstelle<br />

8. Lohnverhandlungen <strong>2023</strong><br />

9. Kampagne 2022 und Social Media<br />

10. Fragen und Diskussion<br />

Anmeldung bis 20. <strong>April</strong> <strong>2023</strong> online<br />

auf www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

Die Anmeldung wird per Post verschickt.<br />

Der Jahresbericht wird ab 1. <strong>April</strong> <strong>2023</strong> auf<br />

Deutsch und Französisch aufgeschaltet.<br />

(Bitte für die Tombola-Lose Bargeld mitnehmen!)<br />

Janine Junker, Geschäftsführerin VSAO Bern<br />

Tessin<br />

Neuer GAV für die Assistenzund<br />

Oberärztinnen und -ärzte<br />

und neuer Prozess für die<br />

Arbeitszeitverwaltung während<br />

der Schwangerschaft<br />

Die <strong>vsao</strong>-Sektion Tessin (ASMACT) möchte<br />

darüber informieren, dass nach langwierigen<br />

Verhandlungen die neuen GAV<br />

für Assistenz- und Oberärztinnen und<br />

-ärzte, die in der kantonalen Ente Ospedaliero<br />

Cantonale EOC (Zusammenschluss<br />

kantonaler Spitäler) arbeiten, am 1. Januar<br />

<strong>2023</strong> für eine Dauer von fünf Jahren in<br />

Kraft getreten sind.<br />

Zu den wichtigsten Errungenschaften,<br />

die unser Verband aushandeln konnte,<br />

gehören:<br />

– die Reduktion der Wochenarbeitszeit von<br />

derzeit 50 auf 46 Stunden pro Woche, einschliesslich<br />

4 Stunden strukturierter Weiterbildung<br />

(42+4), bei gleichem Lohn, ab<br />

Januar 2025<br />

– ein Engagement des EOC zur Förderung<br />

der strukturierten Weiterbildung durch<br />

eine klare Abgrenzung von Arbeits- und<br />

Weiterbildungszeit<br />

– die Erfassung der tatsächlichen Pausen,<br />

soweit der Arzt die Möglichkeit hat, sich<br />

von der Arbeit zu entfernen<br />

– die Erhöhung des Mutterschaftsurlaubs<br />

von 18 auf 19 Wochen<br />

– ein zweijähriges Pilotprojekt, das die automatische<br />

Verlängerung des Vertrags<br />

bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs<br />

im Falle einer Schwangerschaft vorsieht<br />

– die Erhöhung des Vaterschaftsurlaubs<br />

von 10 auf 15 Tage<br />

– die Erhöhung der Gehälter <strong>2023</strong> um 2,5%<br />

PROGR: Vogelperspektive mit Sicht auf Innenhof<br />

Die Parteien wollten auch in den Paritätischen<br />

Ausschuss investieren und erkannten<br />

dessen Rolle nicht nur als Vermittler<br />

bei Streitigkeiten über die Umsetzung der<br />

Verträge an, sondern auch als «Gestalter<br />

von Best Practices», der die Entstehung<br />

Bild: © Martin Bichsel; zvg<br />

14<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

Bild: Adobe Stock<br />

von Problemen verhindern und die Rahmenbedingungen<br />

für die Arbeit der Ärztinnen<br />

und Ärzte im EOC verbessern<br />

kann.<br />

Eines der ersten Themen, mit denen<br />

sich der Paritätische Ausschuss im Rahmen<br />

einer eigenen Arbeitsgruppe befasste,<br />

war die Regelung der Arbeitszeit für<br />

schwangere Ärztinnen.<br />

Dieses Projekt wurde während der Verhandlungen<br />

initiiert, um eine konkrete<br />

Antwort auf die Ergebnisse unserer Umfrage<br />

vom März 2021 zu geben, in der es um die<br />

arbeitsbedingten Beschwerden vieler Ärztinnen<br />

sowohl während der Schwangerschaft<br />

als auch nach ihrer Rückkehr aus<br />

dem Mutterschaftsurlaub ging.<br />

Die gemeldeten Probleme (die unter<br />

anderem die systematische Überschreitung<br />

der täglichen Höchstarbeitszeit, die<br />

mehr oder weniger verdeckte Diskriminierung<br />

am Arbeitsplatz, das Gefühl der Unzulänglichkeit<br />

oder mangelnden Rücksichtnahme<br />

und auch enttäuschte Karriereaussichten<br />

beinhalteten, aber auch die Schwierigkeit,<br />

die eigenen Rechte und Bedürfnisse<br />

zu verstehen und zu kommunizieren)<br />

machten uns die Notwendigkeit bewusst,<br />

einen Kulturwandel auf allen Ebenen des<br />

Unternehmens zu fördern, der zu mehr Respekt<br />

und Rücksichtnahme auf die Mutterschaft<br />

am Arbeitsplatz führt.<br />

Das Projekt hat dazu geführt, dass ab<br />

dem 1. Januar <strong>2023</strong> ein neuer Prozess bezüglich<br />

des Umgangs mit Mutterschaft im<br />

medizinischen Bereich eingeführt wurde,<br />

der auf allen Ebenen zu mehr Information,<br />

Respekt und Sensibilisierung gegenüber<br />

Ärztinnen führen soll, die während der<br />

Schwangerschaft arbeiten.<br />

Die Sektion Tessin ist mit den erzielten<br />

Fortschritten zufrieden, ist sich aber bewusst,<br />

dass das alles «leichter gesagt ist als<br />

getan» und dass es daher notwendig ist,<br />

wachsam zu bleiben, damit die korrekte<br />

Umsetzung der neuen Verträge gewährleistet<br />

wird.<br />

Für die Sektion Tessin des <strong>vsao</strong>: Dr. med. Davide<br />

Giunzioni, Präsident; Dr.ssa med. Giorgia Lo<br />

Presti, Vizepräsidentin; Dr. med. Norman Horat,<br />

Vizepräsident<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 15


<strong>vsao</strong><br />

Zürich /<br />

Schaffhausen<br />

Events:<br />

Rückblick und Ausblick<br />

Die Sektion Zürich/Schaffhausen blickt auf<br />

erfolgreiche Events in den vergangenen<br />

Monaten zurück: Zum Jahresbeginn haben<br />

wir unseren Teamevent in Form eines ayurvedischen<br />

Kochkurses durchgeführt. Dabei<br />

haben wir neben dem Teamwork beim<br />

Gemüseschnipseln und Anbraten nochmals<br />

gelernt, wie wichtig eine gesunde, frische,<br />

mit Liebe zubereitete Nahrung für<br />

unsere körperliche und mentale Gesundheit<br />

ist. Gerade wir Ärztinnen und Ärzte<br />

sollten uns dies bei der hohen Arbeitsbelastung<br />

immer wieder in Erinnerung rufen.<br />

Anschliessend ging es im Januar mit unserem<br />

traditionellen After-Work-Event weiter.<br />

Wiederum haben sich rund 60 Assistenz-<br />

und Oberärztinnen und -ärzte in der<br />

Chiffon Bar in Zürich zum Austausch in<br />

lockerer Atmosphäre bei Drinks und<br />

Livejazzmusik eingefunden.<br />

Vergangenen Monat fand dann der<br />

erste Finanzworkshop für Assistenz- und<br />

Oberärztinnen unter dem Titel «Boost your<br />

Financial Health» statt. Der Anlass mit<br />

elleXX war schon früh ausgebucht; über<br />

60 interessierte Ärztinnen erhielten wertvolle<br />

Tipps rund um ihre Finanzen und<br />

Money-Gaps und konnten sich beim anschliessenden<br />

Apéro austauschen und networken.<br />

Schliesslich haben wir am 1. <strong>April</strong><br />

unser traditionelles Coach-my-Career-Seminar<br />

mit Inputreferaten und Podiumsdiskussion<br />

rund um den Berufseinstieg<br />

durchgeführt. In interaktiven Workshops<br />

zeigten wir den Medizinstudierenden u.a.<br />

konkrete Lösungen zu Herausforderungen<br />

im Klinik alltag als auch mögliche Karrierewege<br />

auf.<br />

Teamwork: ayurvedischer Kochkurs am Neujahrs-Teamevent des VSAO-Zürich-Vorstandes.<br />

le Top» eingeladen. Die mediale Aufmerksamkeit<br />

hilft, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren<br />

und dem verbreiteten Ärzteimage<br />

entgegenzuwirken.<br />

Bürokratieabbau und Fonds für innovative<br />

Projekte<br />

Eines unserer Kernanliegen ist, die Bürokratie<br />

in der Medizin zu reduzieren. Aktuell<br />

sammeln wir auf breiter Ebene Ideen<br />

dazu. Falls Ihr Good Practice Examples<br />

oder einen eigenen Vorschlag zum Bürokratieabbauen<br />

habt, meldet Euch bei uns<br />

unter info@<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />

Und zu guter Letzt: Der VSAO Zürich<br />

hat einen Fonds für innovative, lokale Projekte<br />

zu VSAO-relevanten Themen gegründet.<br />

Reicht Eure Ideen und Projekte<br />

ein, und wir evaluieren gerne eine finanzielle<br />

Unterstützung: info@<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />

Vereinbarkeit Ja!<br />

Aber wie?<br />

Klar, Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Privatleben ist wichtig, gerade auch bei<br />

jungen Assistenzärztinnen und -ärzten.<br />

Nur wie löse ich das in der Praxis?<br />

Wir holen alle Player an einen Tisch<br />

oder besser gesagt in einen Saal.<br />

Der <strong>vsao</strong> führt unter Mitwirkung der<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

(FHNW), des Schweizerischen Instituts<br />

für Weiter- und Fortbildung (SIWF)<br />

und der Vereinigung Personalmanager*innen<br />

Schweizer Gesundheitsinstitute<br />

(VPSG) am 6. Juni <strong>2023</strong>, von<br />

9.30 Uhr bis 15.00 Uhr, in den Räumlichkeiten<br />

der FHNW in Olten einen<br />

Anlass zum Thema «Vereinbarkeit<br />

Ärzteberuf und Privatleben während<br />

der ärztlichen Weiterbildung» durch.<br />

Medienberichte zur aktuellen Situation<br />

Beschäftigt hat unsere Sektion in den vergangenen<br />

Wochen auch die Medienberichterstattung,<br />

ausgelöst durch eine<br />

schweizweite Umfrage der «NZZ» bei Assistenzärztinnen<br />

und -ärzten. Die unabhängigen<br />

Umfrageergebnisse bestätigen<br />

die aktuelle Lage und geben unseren Bemühungen<br />

und Forderungen für bessere<br />

Arbeitsbedingungen Rückenwind. Zahlreiche<br />

Medien haben das Thema aufgegriffen.<br />

Unsere Sektion, vertreten durch<br />

Präsidentin Anna Wang und Vorstandsmitglied<br />

Federico Mazzola, wurde u.a. in<br />

die Diskussionssendung «TALK» von «Te-<br />

Save the Date: Am Donnerstag,<br />

15. Juni <strong>2023</strong>, findet die jährliche<br />

Mitgliederversammlung des VSAO<br />

Zürich/Schaffhausen statt.<br />

Dominique Iseppi, Kommunikationsassistentin,<br />

VSAO Zürich<br />

Es erwarten Sie spannende Referate und<br />

die Gelegenheit zum Austausch mit<br />

anderen Fachpersonen. Der Anlass<br />

richtet sich an HR-Verantwortliche,<br />

Weiterbildungsstättenleitende, Gleichstellungsbeauftragte<br />

sowie weitere<br />

interessierte Personen aus Spitälern<br />

und Praxen.<br />

Weitere Informationen und Anmeldung<br />

unter www.<strong>vsao</strong>.ch/vereinbarkeit<br />

Bild: zvg<br />

16<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Ich möchte<br />

als Arzt<br />

arbeiten und<br />

meine Kinder<br />

betreuen.<br />

Geht das?<br />

Das<br />

geht!<br />

Gemeinsam<br />

machen wir es<br />

möglich!<br />

Wir setzen uns für Teilzeitstellen ein.<br />

JETZT AUF VSAO.CH MITGLIED WERDEN!


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Inside<br />

Philipp Thüler<br />

Wohnort: Bern<br />

Beim <strong>vsao</strong> seit: August 2022<br />

Der <strong>vsao</strong> für Dich in drei Worten:<br />

Solidarisch, engagiert, fokussiert<br />

Zwischen Bollwerk und Bundeshaus<br />

– in Bern sind die<br />

Wege zwar kurz, aber der Weg<br />

hin zu politischen Veränderungen<br />

kann sehr lang sein. Das weiss<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und<br />

Kommunikation <strong>vsao</strong>, bestens. Doch<br />

Beharrlichkeit und Engagement zeichnen<br />

sein Schaffen aus.<br />

Politik und Kommunikation haben Philipp<br />

von Beginn weg interessiert. Bereits<br />

während seines Studiums in Geschichte,<br />

Politikwissenschaft und Medienwissenschaft<br />

war Philipp eine Zeitlang als<br />

<strong>Journal</strong>ist tätig. Nach seinem Abschluss<br />

zog es ihn aber in den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Als Kommunikationsverantwortlicher<br />

war er für verschiedene<br />

Organisationen tätig, unter anderem für<br />

das damalige Bundesamt für Berufsbildung<br />

und Technologie, für die Schweizerische<br />

Friedensstiftung swisspeace und<br />

die internationale NGO «Initiatives of<br />

Change». Bevor er zum <strong>vsao</strong> kam, arbeitete<br />

Philipp während zehn Jahren für die<br />

Föderation der Schweizer Psychologinnen<br />

und Psychologen (FSP), zuletzt als Leiter<br />

Kommunikation und Marketing.<br />

Die Aussicht, verschiedene Interessen<br />

unter einen Hut zu bringen und für<br />

eine überzeugende Aufgabe einzutreten,<br />

führten Philipp zum <strong>vsao</strong>. «Gesundheit<br />

ist für alle wichtig, und Ärztinnen und<br />

Ärzte sind entscheidend», sagt er und<br />

fährt fort: «Der <strong>vsao</strong> vertritt Anliegen,<br />

mit denen ich mich bestens identifizieren<br />

kann.» Sein Wissen und seine Erfahrungen<br />

sind die besten Voraussetzungen für<br />

die Arbeit beim <strong>vsao</strong>. Philipp ist Mitglied<br />

verschiedener Gremien, ist zuständig<br />

für das politische Monitoring und die<br />

Kommunikation nach aussen und pflegt<br />

den Kontakt zu anderen Organisationen<br />

(FMH, H+, SBK usw.) sowie zu den <strong>vsao</strong>-<br />

Sektionen. Fokussierung ist ein weiteres<br />

Stichwort, das seine Arbeit prägt. Es ist<br />

ihm wichtig, die Ressourcen des <strong>vsao</strong> im<br />

Sinne der Mitglieder einzusetzen, deren<br />

Anliegen angemessen gehört werden<br />

sollen. «Je besser der <strong>vsao</strong> funktioniert,<br />

desto besser erreicht er seine Ziele, die<br />

nicht nur für die Mitglieder, sondern<br />

für die ganze Gesellschaft wichtig sind»,<br />

ist Philipp überzeugt. Entsprechend<br />

benutzt er in der Kommunikation alle<br />

Kanäle, um nach innen und aussen ein<br />

möglichst grosses Echo zu erzielen.<br />

Als Vater zweier schulpflichtiger<br />

Kinder ist er mit der Frage der Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf bestens<br />

vertraut. Ebenso mit der Tatsache,<br />

dass es neben der Arbeit einen Ausgleich<br />

braucht. So ist er in der Freizeit entweder<br />

im Freien beim Joggen, Wandern oder<br />

Skifahren anzutreffen oder in der Küche.<br />

Familie und Freunde werden bekocht<br />

und kommen in den Genuss seiner Backkünste.<br />

Und falls dann noch Zeit für<br />

einen Jass oder ein anderes Spiel bleibt,<br />

kann er seine strategischen Talente<br />

auch privat ausleben.<br />

Bild: zvg<br />

18<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


<strong>vsao</strong><br />

<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />

Aufhebungsvertrag statt<br />

Kündigung?<br />

Bild: zvg<br />

Aufgrund diverser Differenzen<br />

möchte mein Arbeitgeber<br />

das Arbeitsverhältnis<br />

mit mir beenden. Nach<br />

einigen Diskussionen ist er bereit, statt<br />

einer Kündigung über einen Aufhebungsvertrag<br />

zu diskutieren. Worauf<br />

muss ich achten? Kann es diesbezüglich<br />

Probleme geben?<br />

Oft ist ein Aufhebungsvertrag die wesentlich<br />

bessere Lösung als eine Kündigung.<br />

In einem Aufhebungsvertrag können<br />

alle Punkte geklärt werden, so etwa auch<br />

die Auszahlung von allfälligen Überstunden<br />

oder Ferien. Auch die Frage,<br />

wie ein Zeugnis ausfallen soll, kann darin<br />

festgehalten werden. Gegebenenfalls<br />

kann eine Entschädigung festgelegt<br />

werden. Für den Arbeitgeber hat die<br />

Aufhebungsvereinbarung den Vorteil,<br />

dass darin meist klar definiert wird, wann<br />

das Arbeitsverhältnis endet. Für die<br />

Arbeitnehmerin ist der scheinbare Vorteil,<br />

dass ihr nicht gekündigt wurde, sondern<br />

das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen<br />

Einvernehmen aufgehoben wurde. Dies<br />

sieht auf den ersten Blick oft besser aus,<br />

selbst wenn letztlich allen Fachpersonen<br />

klar ist, dass auch eine Auflösung im<br />

gegenseitigen Einvernehmen meist nicht<br />

freiwillig erfolgt ist.<br />

Arbeitslosenansprüche<br />

Insbesondere gilt dies für allfällige<br />

Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenversicherung.<br />

Diese erachtet eine Auflösungsvereinbarung<br />

trotz allem als<br />

Selbstkündigung, was Einstelltage zur<br />

Folge haben kann. Es wird deshalb oft in<br />

Aufhebungsvereinbarungen festgehalten,<br />

dass man – bei Fragen der Arbeitslosenversicherung<br />

– festhält, warum der<br />

Vertrag abgeschlossen worden ist bzw.<br />

weshalb man – wäre kein Aufhebungsvertrag<br />

zustande gekommen – gekündigt<br />

hätte. Sofern der Grund nicht bei der<br />

Arbeitnehmerin liegt, ist dies in jedem<br />

Fall bereits in der Vereinbarung darzulegen,<br />

um spätere Diskussionen zu<br />

vermeiden.<br />

Krankheit<br />

In Aufhebungsvereinbarungen wird,<br />

wie dargelegt, meist ein klares Enddatum<br />

des Arbeitsverhältnisses vereinbart.<br />

Diesbezüglich wird oft festgehalten, dass<br />

sich das Arbeitsverhältnis auch dann<br />

nicht verlängert, wenn die Arbeitnehmerin<br />

krank wird. Grundsätzlich verlängert<br />

sich ein Arbeitsverhältnis bzw. die<br />

Kündigungsfrist jedoch bei Krankheit.<br />

Je nach Anstellungsdauer kann dies<br />

zwischen einem und sechs Monaten sein.<br />

Diese rechtliche Regelung darf in einer<br />

Aufhebungsvereinbarung nur dann<br />

ausser Kraft gesetzt werden, wenn<br />

anderweitige Zugeständnisse von Seiten<br />

des Arbeitgebers gemacht werden<br />

(bspw. Abgangsentschädigungen oder<br />

längere Freistellungszeiten). Sofern dies<br />

nicht der Fall ist und man als Arbeitnehmerin<br />

trotzdem einen Aufhebungsvertrag<br />

unterzeichnet hat, in welchem<br />

ein Enddatum festgelegt wurde, welches<br />

sich auch wegen Krankheit nicht verlängert,<br />

kann dies angefochten werden,<br />

sofern man krank wird. Diesbezüglich<br />

kann man verlangen, dass die Vereinbarung<br />

in diesem Punkt als ungültig<br />

erklärt wird und sich der Arbeitsvertrag<br />

trotzdem verlängert. Die Rechtsprechung<br />

geht nämlich davon aus, dass in einem<br />

Aufhebungsvertrag gegenseitige Zugeständnisse<br />

gemacht werden müssen,<br />

die in etwa gleichwertig sind. Ein Aufhebungsvertrag,<br />

der nur zulasten<br />

der Arbeitnehmerin abgefasst wird,<br />

ist ungültig.<br />

Wichtig ist auch, zu wissen, dass man<br />

als Arbeitnehmerin eine Bedenkfrist von<br />

einigen Tagen verlangen darf, bevor man<br />

einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet.<br />

Hat man keine solche Bedenkfrist<br />

erhalten, kann man den Vertrag ebenfalls<br />

anfechten mit dem Argument, man sei<br />

überrumpelt worden.<br />

Zusammenfassend gilt somit,<br />

dass eine Auflösungsvereinbarung eine<br />

gute Alternative zu einer Kündigung<br />

sein kann. Es gilt aber, diese genau<br />

zu studieren und allenfalls auch durch<br />

den Rechtsbeistand der jeweiligen<br />

VSAO-Sektion prüfen zu lassen.<br />

Claudia von Wartburg,<br />

Juristin, Geschäftsleiterin<br />

VSAO Basel<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 19


Fokus<br />

Virtuelle Suche<br />

nach analogem<br />

Glück<br />

Online ist scheinbar alles möglich: eine schier unendliche Zahl<br />

von Dates und Beziehungen aller Art. Die im virtuellen Raum aufgebauten<br />

Verbindungen erfüllen aber oft nicht die im analogen Leben bestehenden<br />

Erwartungen. Die sogenannte Parasozialität hat ihre eigenen Regeln.<br />

Dr. phil. Johanna L. Degen, Sozialpsychologin an der Europa-Universität Flensburg<br />

Im Raum der unbegrenzten Möglichkeiten reicht ein Klick, um eine neue Beziehung aufzubauen. Oftmals ist deren Qualität jedoch unbefriedigend.<br />

Bilder: Adobe Stock<br />

20<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Die Bedeutungszuschreibungen<br />

und Normen rund um<br />

Beziehungen verändern sich,<br />

auch wenn die Begriffe oft<br />

gleich bleiben; einst bedeutete Monogamie<br />

die lebenslange Bindung und<br />

exklu sive Sexualität. Heute bedeutet<br />

Mono gamie, dass wir aufhören, mit anderen<br />

sexuell aktiv zu sein, und die<br />

Aneinan derreihung von Partnerschaften<br />

für eine gewisse Zeit (Perel, 2019).<br />

Gleichzeitig halten sich überholte<br />

Narrative. Wir müssten schambefreite Sexualität<br />

ausleben und mehr auf uns achten.<br />

Einst gültig, überdauern derlei Überzeugungen<br />

auch in mancher therapeutischen<br />

Praxis. Allerdings zeigt sich, dass<br />

die Herausforderung heute ist zu fühlen,<br />

was man möchte, wenn alles geht. Und<br />

mehr noch, Beziehungen und Sexualität<br />

sollen exotisch, aussergewöhnlich und<br />

von andauernder Leidenschaft getragen<br />

werden (Clement, 2019). Zudem zeigt sich<br />

eine gewisse Orientierung am persönlichen<br />

Mehrwert und daran geknüpfte, bedingte<br />

Verbindlichkeit.<br />

Die Leere füllen<br />

Das, was eine Beziehung bringen soll, ist<br />

die Kompensation erlebter Sinnlosigkeit<br />

in neoliberalen Lebensbedingungen, während<br />

selbstständige Aneignung von lustvollem<br />

Leben, Kontakt zum Körper und zu<br />

anderen als herausfordernd erlebt werden.<br />

Dabei erleben Menschen Entfremdung.<br />

Es lässt sich beobachten, dass sich<br />

Subjekte auch in einer Beziehung einsam<br />

fühlen, Agitation, Leere und Ängste erleben,<br />

während gleichzeitig eine verlässliche<br />

Bindung und das Gefühl, erkannt,<br />

akzeptiert und geliebt zu werden, ersehnt<br />

werden.<br />

Soziale Räume zur Anbahnung von<br />

(intimen und nicht intimen) Beziehungen<br />

schliessen sich aus der Subjektperspektive<br />

zunehmend. Dies erklärt sich nicht allein<br />

in der physischen Isolation unter den<br />

Bedingungen der Pandemie. Sondern basiert<br />

unter anderem auch auf einer Verhärtung<br />

zwischen den Geschlechtern,<br />

entstehender Unsicherheit und resultierendem<br />

Rückzug. Wobei sich die Frage<br />

stellt, wie neue Geschlechterrollen funktionieren<br />

können, die politisch akzeptiert<br />

und trotzdem attraktiv sind.<br />

Wir haben also Beziehungen, die unter<br />

dem Druck stehen, uns viel (Mehrwert)<br />

zu liefern, zudem eine gewisse Ichzentrierung,<br />

erleben Zeit als knappe Ressource<br />

und fühlen uns politisch bedroht und unsicher<br />

im sozialen Raum.<br />

Alles scheint möglich<br />

Onlinedating und Social Media bieten dafür<br />

vermeintliche Lösungen. Sie sind immer<br />

zur Hand, bieten endlos scheinenden<br />

Zugriff auf schöne Erlebnisse, Validierung<br />

im Kollektiv und ermöglichen es, Konfrontationen<br />

mit anderen und sich auszuweichen.<br />

Eine unmittelbar angenehme<br />

Sphäre, die aber Konsequenzen hat, die in<br />

die analogen Beziehungen hineinreichen.<br />

Beim Dating etablieren sich neue Logiken,<br />

wie Parallelität, Quantifizierung<br />

und Low Investment (Degen & Kleeberg-Niepage,<br />

2021; 2022). Das bedeutet,<br />

dass wir nicht unbedingt das passende<br />

Match suchen, sondern das unmittelbar<br />

verfügbare. Wir daten mehrere gleichzeitig<br />

und manchmal mehrere an einem Tag.<br />

Wir freuen uns über viele Matches, auch<br />

wenn sie uns in der Kommunikation überfordern.<br />

Beim Date halten wir die Investition<br />

gering, sowohl monetär als auch<br />

emotional und zeitlich. Man geht dabei<br />

joggen oder zum Baumarkt (Degen, 2021).<br />

Austauschbar und gefühlsarm<br />

Selbst wenn diese Praktiken aus der Subjektperspektive<br />

gesehen sinnvoll sind, haben<br />

sie unbeabsichtigte und unerwünschte<br />

Konsequenzen. Die Spannung verliert<br />

sich. Die anderen erscheinen austauschbar,<br />

man selbst erlebt sich als austauschbar,<br />

und auch die Sexualität verändert<br />

sich. Abwertend als «Tindersex» bezeichnet,<br />

soll dieser wenig lustvoll sein. Sex<br />

wird als bedeutungslos und gefühlsarm<br />

erlebt, und es wird dabei aufs Äussere geachtet.<br />

Dabei geht es hier nicht um die moralische<br />

Bewertung von kurzfristigen Begegnungen,<br />

sondern um mangelnde Erfüllung.<br />

Von aussen wirkt Onlinedating spannend<br />

und attraktiv. Auch in Beziehungen<br />

können hierüber Bedürfnisse niedrigschwellig<br />

und unauffällig ausgelagert<br />

werden. Man kann den eigenen Marktwert<br />

checken, schon mal nach Alternativen<br />

Ausschau halten, ein Kompliment<br />

abfangen, und man lebt die eigene Beziehung<br />

vor einem Vorhang von endlos<br />

scheinenden Alternativen.<br />

Der Fokus richtet sich mitunter auf<br />

das Äussere. Dies geschieht nicht nur<br />

über Onlinedating, sondern auch über Social<br />

Media. Liebe nährt sich unter anderem<br />

aus Zuwendung und Fokus (Fromm,<br />

1956) – und der liegt oftmals auf dem mobilen<br />

Endgerät. Die Unterbrechung einer<br />

kommunikativen Situation durch die<br />

Handynutzung, Phubbing bzw. Phone<br />

Snubbing (Stein et al., 2022) genannt, kennen<br />

wir alle. Es wird auf Instagram gescrollt,<br />

wenn wir im Bett liegen. Das Handy<br />

schläft unter dem Kopfkissen. Die Insta-Story<br />

wird zu Ende geschaut, auch<br />

wenn das Baby gerade schreit, «das dauert<br />

nur ein paar Sekunden».<br />

Und wir binden uns an diejenigen,<br />

deren Leben wir verfolgen, die wir anschauen.<br />

Auch an Influencer. Selbst wenn<br />

die Beziehung einseitig – parasozial – ist.<br />

Wir bedeuten Influencern nur in der Masse<br />

der Follower etwas; für die Follower jedoch<br />

ist die Beziehung bedeutungsvoll<br />

und sie investieren Zeit, Geld und Fokus.<br />

Die Forschung zeigt, dass das nicht im-<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 21


Fokus<br />

mer suchtähnlich zu sein scheint, sondern<br />

dass wir unser Endgerät oder die Parasozialität<br />

darin lieben (Lindström,<br />

2011).<br />

Sowohl Social Media als auch Onlinedating<br />

bieten Raum für Projektionen, mit<br />

psychischen Konsequenzen. Wenn wir<br />

geghostet oder unfollowed werden, dann<br />

interpretieren wir das in unseren Narrativen<br />

oftmals als negativ verstärkend. Die<br />

differenzierte Begründung bleibt aus.<br />

Dies wird als verletzend erlebt. Wir praktizieren<br />

eine soziale Beziehung, die uns gegenseitig<br />

nicht guttut und wie wir sie uns<br />

nicht wünschen. Und dann ist es selbstwertdienlich,<br />

das Gegenüber abzuwerten.<br />

Aufs Geschlecht bezogen gilt beispielsweise<br />

die Unterstellung, Frauen seien<br />

umtriebig und Männer entweder Player<br />

oder verzweifelt. Und mit derlei stereotypen<br />

Bewertungen finden wir bei Social<br />

Media im Kollektiv Bestätigung – argumentativer<br />

Austausch und Begegnung als<br />

mögliches Korrektiv bleiben aus.<br />

Glückliche Nutzer<br />

Dabei muss es so nicht zugehen. Sexting<br />

und Onlinesex haben messbar positive<br />

Auswirkungen auf Sexualität (Döring &<br />

Mohseni, 2018). Es gibt auch glückliche<br />

Onlinedater und Social-Media-Nutzer. Sie<br />

lassen sich nicht in den Bann der Beschleunigung<br />

ziehen. Sie fühlen, was sich<br />

gut anfühlt, und reduzieren, was sich<br />

schlecht anfühlt. Sie kompensieren Verletzung<br />

nicht mit Mehr des Gleichen. Sie<br />

betreiben Slowdating, halten Kontakt zum<br />

Körper und der Lust und lassen Parasozialität<br />

nicht im Übermass in die analogen<br />

Beziehungen hineinragen. Sie eignen sich<br />

das Digitale an, ohne sich als Rohmaterial<br />

konsumieren zu lassen.<br />

Literatur<br />

Clement U. (2019). Systemische<br />

Sexualtherapie. Klett-Cotta.<br />

Degen, J. L. (2021). >500 Entscheidungen<br />

am Tag – Onlinedating zwischen<br />

transzendentaler Hoffnung und programmatischer<br />

Enttäuschung. Kursbuch Online.<br />

Degen, J. L. & Kleeberg-Niepage, A.<br />

(2022). The More We Tinder: Subjects,<br />

Selves and Society. Hu Arenas 5, 179–195.<br />

2022. https://doi.org/10.1007/s42087-020-<br />

00132-8<br />

Degen, J. L. und Kleeberg-Niepage, A.<br />

(2021). Profiling the Self in Mobile Online<br />

Dating Apps: a Serial Picture Analysis. Hu<br />

Arenas. 2021. https://doi.org/10.1007/<br />

s42087-021-00195-1<br />

Döring, N. (2019). «Sexuelle Aktivitäten<br />

im digitalen Kontext. Aktueller<br />

Forschungsstand und Handlungsempfehlungen<br />

für die Praxis», in: Psychotherapeut<br />

64(5) (2019), S. 374–384. https://doi.org/<br />

10.1007/s00278-019-00371-3<br />

Döring, N. & Mohseni, M. R. (2018).<br />

Are Online Sexual Activities and Sexting<br />

Good for Adults’ Sexual Well-Being? Results<br />

From a National Online Survey, International<br />

<strong>Journal</strong> of Sexual Health, 30:3, 250–263,<br />

DOI: 10.1080/19317611.2018.1491921<br />

Fromm, E. (1956/2005). Die Kunst des<br />

Liebens. Ullstein.<br />

Lindström, M. (2011). You love your<br />

Iphone. Literary. New York Times.<br />

Perel, E. (2019). The State of Affair.<br />

Rethinking Infidelity. Yellow Kite.<br />

Stein, J.-P., Liebers, N., & Faiss, M.<br />

(2022). Feeling better ... but also less lonely?<br />

An experimental investigation of how<br />

parasocial and social relationships affect<br />

people’s well-being. Mass Communication<br />

and Society. Advance publication online.<br />

https://doi.org/10.1080/<br />

15205436.2022.2127369<br />

Anzeige<br />

Partnervermittlung mit Charme<br />

persönlich · seriös · kompetent<br />

Löwenstrasse 25, 8001 Zürich<br />

044 534 19 50<br />

Wir freuen uns auf Ihren Anruf.<br />

Kathrin Grüneis<br />

22<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 23


Fokus<br />

Was von aussen nach perfekter Harmonie und Leichtigkeit<br />

aussieht, ist das Resultat harten Trainings. Nur eine tragfähige<br />

Partnerschaft birgt die Chance, an die Spitze zu gelangen.<br />

Im Gleichklang<br />

übers Glatteis<br />

Alle Mannschaftssportarten benötigen Teamgeist.<br />

Ist eine Sportart jedoch ausschliesslich auf Paare ausgerichtet,<br />

verschärft sich das Problem deutlich. Gilt es doch,<br />

die richtigen Personen zusammenzubringen und zusammenzuhalten.<br />

Beim Eistanz müssen sowohl technisches Niveau<br />

wie auch die Persönlichkeit harmonieren.<br />

Cédric Pernet, Nationaltrainer Eistanz Swiss Ice Skating (SIS)<br />

Bild: Adobe Stock<br />

24<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Wer Eistanz als Sport wählt,<br />

ist zwingend auf einen<br />

Partner bzw. eine Partnerin<br />

angewiesen. Wie aber<br />

findet man das passende Pendant? Hierfür<br />

stehen verschiedene Möglichkeiten offen:<br />

Die Athleten suchen ihre Partner über ihr<br />

persönliches Netzwerk, über dasjenige des<br />

Trainers oder über den Verband Swiss Ice<br />

Skating, welcher stark in die Umsetzung<br />

der Projekte und die Betreuung seiner Athleten<br />

involviert ist. Heute findet die Partnersuche<br />

vermehrt über das Internet und<br />

die sozialen Netzwerke (Facebook, Instagram<br />

etc.) statt. So gibt es beispielsweise<br />

die Internetseite ice partner search, eine<br />

Plattform für den Austausch von Eiskunstläufern,<br />

die einen Partner oder eine Partnerin<br />

suchen. Der Athlet kann dort sein<br />

Profil erstellen und/oder direkt eine Suche<br />

unter den verschiedenen Profilen auf der<br />

Plattform durchführen. Schliesslich ist<br />

auch die Mund-zu-Mund-Propaganda ein<br />

effizientes Mittel, um einen Partner oder<br />

eine Partnerin zu finden.<br />

Technik und Harmonie<br />

Es versteht sich von selbst, dass eine Partnerin<br />

oder ein Partner bestimmten Kriterien<br />

entsprechen muss, damit ein Paar<br />

kompatibel ist. Bei der Bildung eines<br />

Eistanzpaares müssen folgende Kriterien<br />

beachtet werden:<br />

– Das Alter muss mit dem Reglement vereinbar<br />

sein: Im Allgemeinen sollte der<br />

Altersunterschied zwischen Mädchen<br />

und Jungen idealerweise zwei Jahre<br />

betragen, da das geltende Reglement den<br />

Übergang zur Juniorenkategorie für<br />

Mädchen mit 15 Jahren und für Jungen<br />

mit 17 Jahren festlegt. Dementsprechend<br />

ist der Übergang zu den Senioren mit<br />

19 Jahren für die Frauen und 21 Jahren<br />

für die Männer vorgeschrieben.<br />

– Die Partner müssen auch bezüglich Körpergrösse<br />

harmonieren. Der Junge muss<br />

ein wenig grösser sein als das Mädchen<br />

(7 bis 20 cm Grössenunterschied). Dieser<br />

Unterschied wirkt sich auf die Harmonie<br />

der Linien des Paares aus, auf die Leichtigkeit,<br />

mit der der Junge seine Partnerin<br />

führen kann, und auf die Fähigkeit des<br />

Paares, dem Niveau seiner Kategorie entsprechende<br />

Hebefiguren auszuführen.<br />

– Das sportliche Niveau: Das technische<br />

Niveau zwischen den beiden Partnern<br />

muss nahe beieinanderliegen und Spielraum<br />

für weitere Fortschritte bieten. Sie<br />

müssen ein gemeinsames Ziel verfolgen<br />

und ähnliche Mittel, die zur Erreichung<br />

dieses Ziels benötigt werden, einsetzen.<br />

Falls beide Athleten die Kriterien erfüllen,<br />

können Probetrainings durchgeführt werden,<br />

um festzustellen, ob sie zusammenpassen<br />

oder nicht. Diese Tests zeigen<br />

auch, ob sich die Athleten verstehen oder<br />

nicht bzw. wie gut die beiden Persönlichkeiten<br />

harmonieren. Tests sind unerlässlich,<br />

um ein realistisches Bild zu erhalten<br />

und eine Prognose hinsichtlich der möglichen<br />

Zukunft des Paares machen zu<br />

können. Die Kriterien betreffend Harmonie<br />

und technisches Niveau müssen<br />

entsprechend geprüft werden. Trotzdem<br />

bleibt es am Ende eine Wette auf die Zukunft.<br />

Zu eigenen Fehlern stehen<br />

Wie in jeder Sportart sind auch im Eiskunstlauf<br />

Fehler, schlechte Leistungen<br />

und Niederlagen notwendig, um Fortschritte<br />

zu machen. Diese müssen analysiert,<br />

verstanden und akzeptiert werden,<br />

damit die Athleten einen Vorteil für ihre<br />

Entwicklung daraus ziehen können.<br />

Es ist auch wichtig, dass jeder für seine<br />

Fehler und schlechten Leistungen die Verantwortung<br />

übernimmt, damit diese sich<br />

schlussendlich positiv auswirken und<br />

nicht als Bedrohung für den Fortbestand<br />

der Partnerschaft wahrgenommen werden.<br />

Bei einem Fehler ist es natürlich<br />

leichter, den anderen zu kritisieren, als<br />

sich einer kritischen Selbstbetrachtung zu<br />

unterziehen. Wenn ein Partner den anderen<br />

in Frage stellt, untergräbt er damit das<br />

Vertrauen in den anderen und in die Partnerschaft.<br />

Diese negative Spirale kann<br />

dann zu einer Trennung führen.<br />

Wie bei jeder Mannschaftssportart ist<br />

es von zentraler Bedeutung, mit einer<br />

schlechten Leistung umgehen zu können,<br />

da diese nicht nur den Athleten, sondern<br />

auch das Paar auf die Probe stellt. Eine Betreuung<br />

hinsichtlich mentaler Vorbereitung<br />

mit einer kompetenten Person, in<br />

Zusammenarbeit mit dem Trainer, kann<br />

dem Paar helfen, besser mit Schwierigkeiten<br />

umzugehen und so seinen Fortbestand<br />

zu sichern. Sowohl die Arbeit zur mentalen<br />

Vorbereitung als auch die Arbeit auf Paarebene<br />

muss dabei auf den Einzelnen ausgerichtet<br />

sein. Es sind zwei sich gegenseitig<br />

beeinflussende Achsen.<br />

Letztendlich sind eine gute Beziehung<br />

zwischen den beiden Partnern, die gegenseitige<br />

Wertschätzung und das Vertrauen<br />

wesentliche Elemente für den Fortbestand<br />

des Paares, denn sie ermöglichen es, gemeinsam<br />

auf äussere Schwierigkeiten und<br />

Herausforderungen innerhalb der sportlichen<br />

Karriere zu reagieren.<br />

Trennungen vermeiden<br />

Auch wenn Paare über längere Zeit harmonieren,<br />

gibt es mehrere Situationen,<br />

die zu einer Trennung führen können:<br />

1) Ein Partner hört auf, da sein Lebensentwurf<br />

nicht mehr mit der Ausübung seines<br />

Sports zu vereinbaren ist.<br />

2) Ein Partner erleidet eine langwierige<br />

Verletzung.<br />

3) Ein Partner beendet seine Karriere wegen<br />

fehlender Motivation.<br />

4) Die beiden Partner haben unüberwindbare<br />

Meinungsverschiedenheiten.<br />

5) Das Paar erreicht die gesteckten Ziele<br />

nicht, was das ganze Projekt in Frage<br />

stellt.<br />

6) Die beiden Partner entwickeln sich<br />

unterschiedlich, was sich negativ auf<br />

ihre Harmonie auswirkt. Die Unterschiede<br />

können sowohl die Technik als<br />

auch die Interpretation/Präsentation/<br />

Bewegungsqualität des Oberkörpers<br />

be treffen.<br />

Im Fall 1 und 2 gibt es keine Lösung, die<br />

den Fortbestand des Paares ermöglichen<br />

kann. Wird der Sport zugunsten einer weiterführenden<br />

Ausbildung oder von etwas<br />

anderem aufgegeben, ist die Trennung<br />

unausweichlich. Ebenso bei langwierigen<br />

Verletzungen, da es keine Ersatzpartner<br />

gibt. Der unverletzte Partner führt dann<br />

normalerweise sein Einzeltraining fort.<br />

Manchmal kann auch der Trainer als «Ersatzpartner»<br />

dienen, um ein Mindestmass<br />

an Training und Gefühl für das Paarlaufen<br />

aufrechtzuerhalten. Je nach Situation ist<br />

es auch möglich, den verletzten Partner<br />

während der Genesungszeit durch einen<br />

Einzelathleten zu ersetzen, jedoch ohne<br />

Teilnahme an Wettkämpfen.<br />

In den vier anderen Fällen kann das<br />

Dreieck Trainer/Athleten/Eltern je nach<br />

Situation Aktionspläne entwickeln, um die<br />

Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Bei Bedarf<br />

kann Swiss Ice Skating die Coaches<br />

und Athleten unterstützen.<br />

Wie in der Gesellschaft besteht auch<br />

im Sport die Tendenz zu weniger dauerhaften<br />

Partnerschaften, d.h., die spontanen<br />

Wechsel nehmen zu, was sich entsprechend<br />

in einer erhöhten Anzahl Trennungen<br />

widerspiegelt.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 25


Fokus<br />

Bild: Adobe Stock<br />

26<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Symbiosis<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 27


Fokus<br />

Der vergessene<br />

Teil der Natur<br />

Die Natur ist ein ewiges Schlachtfeld, auf dem der Kampf<br />

ums Überleben ausgetragen wird. Diese Sicht der Dinge greift zu kurz.<br />

Denn daneben existieren unzählige Formen des Zusammenlebens,<br />

der gegenseitigen Hilfe und Freundschaften zwischen den Arten.<br />

Prof. André Langaney, Abteilung Genetik und Evolution, Abteilung für Anthropologie, Universität Genf<br />

Für die Neoliberalen ist die Natur<br />

ein Raum der Konkurrenz, des<br />

Raubbaus, des Kampfes um das<br />

Überleben, kurzum der Gewalt<br />

und des Terrors, dessen Prophet Charles<br />

Darwin sein soll. Manche möchten, dass<br />

unsere gesellschaftliche Ordnung von<br />

solchen Gesetzmässigkeiten bestimmt<br />

wird und Deregulierung und Wettbewerb<br />

als einzig mögliche Optionen übrig bleiben,<br />

ganz nach dem T.I.N.A.-Prinzip von<br />

Margaret Thatcher («There Is No Alternative!»).<br />

Nehmen wir noch die göttliche<br />

Perfektion der Natur, die einst von Bischof<br />

Paley postuliert wurde, dazu, kommen<br />

wir zu den Absurditäten der Soziobiologie<br />

und der evolutionären Psychologie,<br />

für welche die physischen, sozialen<br />

und psychologischen Merkmale in jeder<br />

lebenden Spezies «optimiert» sind. Die<br />

natürliche Selektion wäre dabei mit Konflikt<br />

gleichzusetzen. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte<br />

und Biologie von<br />

gestern und heute genügt, um zu verstehen,<br />

dass eine solch ideologische Sichtweise<br />

lächerlich ist.<br />

Gewiss, Räuberei, Konkurrenz und<br />

Parasitismus existieren und tragen zur natürlichen<br />

Selektion bei. Aber für ein Merkmal,<br />

welches das Überleben ermöglicht,<br />

ist die Anzahl der Nachkommen, die dieses<br />

tragen (und die damit verbundene Fertilität),<br />

der wichtigste Faktor für seine Verbreitung<br />

in einer Population. Die «Gewinner»<br />

der natürlichen Selektion sind die<br />

Überlebenden, die sich am meisten vermehren,<br />

aber nicht die Schönsten, Stärksten,<br />

Intelligentesten oder die «Angepasstesten».<br />

In «Über die Entstehung der Arten»<br />

[1] schwankt Charles Darwin immer<br />

wieder zwischen dem archaischen Kampf<br />

ums Überleben, der Spencer am Herzen<br />

liegt, für den der Wettbewerb die Grundlage<br />

der Evolution ist, und einer modernen<br />

Sichtweise, in der Zufall und Fruchtbarkeit<br />

eine wichtigere Rolle spielen.<br />

Galton (Darwins Cousin) und Leonard<br />

Darwin (Charles’ Sohn), die Begründer<br />

und Unterstützer des Sozialdarwinismus,<br />

der Eugenikbewegung und ihrer Exzesse,<br />

an denen Charles Darwin trotz einiger<br />

Zweideutigkeiten keine Schuld trägt, werden<br />

diese Zweifel später in ihrem Sinne<br />

aus dem Weg räumen.<br />

Zusammenarbeit und Symbiose<br />

Ab Ende des 19. Jahrhunderts widersetzten<br />

sich Naturalisten dieser Weltanschauung,<br />

indem sie eine Natur beschrieben, in<br />

der sich die Arten gegenseitig dulden und<br />

helfen, so wie es Petr Kropotkin schon im<br />

Titel seines bekanntesten Werkes angedeutet<br />

hatte [2]. Über das Verhältnis von<br />

Räuber und Parasit hinaus sind viele Beziehungen,<br />

die mit einem gegenseitigen<br />

Nutzen, einer Symbiose, einhergehen,<br />

wohl bekannt. Dabei ist die Kooperation<br />

häufig vorteilhaft für beide Seiten, auch<br />

im Kampf ums Überleben. Sich nahestehende<br />

oder auch entferntere Arten teilen<br />

Nahrung oder Verhalten, schützen oder<br />

verteidigen sich gemeinsam, oft bis hin<br />

zu einer gegenseitigen Abhängigkeit. Es<br />

gibt unzählige Beispiele, angefangen bei<br />

der Bestäubung, bei der Insekten eine<br />

sexuelle Dienstleistung an Blumen gegen<br />

Nahrung oder sogar gegen eine andere<br />

sexuelle Dienstleistung eintauschen. So<br />

zum Beispiel, wenn eine Wespe das Blütenblatt<br />

einer Orchidee als vermeintlichen<br />

Sexualpartner benutzt! Termiten brauchen<br />

die Mikroben der Mikrobiota für ihre<br />

Ver dauung ebenso wie Kühe und Menschen,<br />

während für die Stickstofffixierung<br />

durch Hülsenfrüchte Bakterien benötigt<br />

werden. Marc-André Selosse [3] erinnert<br />

daran, dass die Symbiose, also eine enge,<br />

exklusive und notwendige Beziehung zwi-<br />

Bild: Adobe Stock<br />

28<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

schen zwei lebenden Arten (Kropotkins<br />

«gegenseitige Hilfe») eine sehr alte und<br />

allgemeine Eigenschaft des Lebens ist. So<br />

findet man in Tier- und Pflanzenzellen<br />

Mitochondrien, die deren energetische<br />

Ressourcen verwalten und die von Bakterien<br />

abstammen, die sich vor über einer<br />

Milliarde Jahren als Kommensalen angesiedelt<br />

haben. Dasselbe gilt für Chloroplasten,<br />

die die Photosynthese der Pflanzen<br />

sicherstellen, oder für Flechten, die<br />

eine symbiotische Lebensgemeinschaft<br />

mit Grünalgen und Pilzen bilden.<br />

Bewusste Freundschaft<br />

Kropotkin, ein revolutionärer Aristokrat,<br />

Anarchist und Romantiker, unterschied<br />

wie Kessler, der ihn inspiriert hatte, zwischen<br />

der gegenseitigen Hilfe als unbewusstes<br />

Ergebnis der natürlichen Selektion,<br />

z.B. bei sozialen Insekten, und dem<br />

freiwilligen Vorgehen, das sich bei höheren<br />

Wirbeltieren beobachten lässt. Dabei<br />

sei jedoch darauf hingewiesen, dass das<br />

friedliche Zusammenleben eine Voraussetzung<br />

für die gegenseitige Hilfe ist, wie<br />

sie auch für die Organisation des Zusammenlebens<br />

einer oder mehrerer Arten notwendig<br />

ist. Von wirbellosen Tieren, darunter<br />

Insekten, bis hin zum Menschen zeigen<br />

die grossen Ansammlungen wie<br />

Fischschwärme oder Vogel- und Säugetiergemeinschaften,<br />

dass die Nähe zu anderen<br />

Individuen, derselben Art oder<br />

nicht, die oft gesucht wird, Sicherheit und<br />

Freude vermittelt.<br />

Es kann von gegenseitiger Hilfe und<br />

Freundschaft im menschlichen Sinne die<br />

Rede sein, wenn ein entwickeltes Nervensystem<br />

eine Vorstellung des anderen, seiner<br />

Bewegungen, Absichten und Emotionen<br />

ermöglicht, wenn Empathie es erlaubt,<br />

daran teilzuhaben. Sie können aus<br />

einer Prägung (mütterliche oder sexuelle<br />

Prägung), einer sozialen Konditionierung<br />

(Verhalten je nach Verwandtschaft, Zugehörigkeit<br />

zu einer sozialen Gruppe) oder<br />

einer sozialen Erfahrung, die belohnt wurde,<br />

hervorgehen. In all diesen Fällen geht<br />

die Beziehung von einer Interaktion zwischen<br />

Individuen aus, die sowohl zwischen<br />

Mitgliedern derselben Art als auch<br />

zwischen Mitgliedern verschiedener Arten<br />

auftreten kann. In diese Kategorie<br />

kann man auch die Beziehungen zwischen<br />

Tieren, die im Haushalt gehalten werden,<br />

und den Menschen einordnen. Wenn<br />

mehrere Arten gemeinsam gehalten werden,<br />

entwickeln sich oft unerwartete<br />

«freundschaftliche» Beziehungen zwischen<br />

denen, die in der Natur Feinde wären.<br />

Insbesondere dann, wenn sie sich im<br />

jungen Alter kennen gelernt haben, da jugendliche<br />

Charaktere und Verhaltensweisen<br />

Aggressionen oft hemmen. In sozialen<br />

Netzwerken finden sich so Unmengen an<br />

Bildern und Videos von diesen paradoxen<br />

Freundschaften zwischen Hunden und<br />

Katzen, Katzen und Ratten, Menschen<br />

und neuen Haustieren, die oft sehr exotischen<br />

Ursprungs sind.<br />

Literatur<br />

[1] Charles Darwin, 1859, The Origin<br />

Of Species By Means Of Natural Selection<br />

Or The Preservation Of Favoured Races In<br />

The Struggle For Life, John Murray,<br />

London.<br />

[2] Peter Kropotkin, 1902, Mutual<br />

aid, a factor of evolution, McClure, Phillips<br />

& Co, New York.<br />

[3] Marc-André Selosse, 2017,<br />

Jamais seul, Actes Sud, Arles.<br />

Von wegen wie Katz und Hund. Vertreter von Arten, die sich normalerweise<br />

aus dem Weg gehen, können unter Umständen Freundschaften entwickeln.<br />

Wobei sich diese wohl auf die jeweiligen Individuen beschränken.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 29


Fokus<br />

Tipps für eine<br />

erfolgreiche Praxisgemeinschaft<br />

Das Zeitalter des Einzelkämpfers ist wohl bald zu Ende,<br />

jedenfalls im medizinischen Umfeld. Immer mehr breitet sich das<br />

Erfolgsmodell Praxisgemeinschaft aus. Aber ist dieses wirklich<br />

immer und in allen Fällen besser? Wo liegen die Chancen und Gefahren<br />

einer gemeinsam betriebenen Praxis?<br />

Dieter J. Tschan, lic. oec. HSG, und Dr. Jörg Tschan, Oralchirurgie, Nimeda Consulting GmbH<br />

Bilder: Adobe Stock<br />

30<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

«Drum prüfe,<br />

wer sich ewig bindet,<br />

ob sich das Herz<br />

zum Herzen findet,<br />

der Wahn ist kurz,<br />

die Reu ist lang.»<br />

Friedrich Schiller<br />

Anscheinend beherzigen zu<br />

wenige Heiratswillige die berühmten<br />

Verse des deutschen<br />

Dichters (und Arztes), denn<br />

die Scheidungsrate ist in vielen Ländern<br />

in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen.<br />

Trennungen gibt es jedoch nicht<br />

nur im privaten Bereich: Leider gehen<br />

auch viele Praxisgemeinschaften in die<br />

Brüche, das heisst, ein Partner steigt bald<br />

wieder aus oder – im schlimmsten Falle –<br />

die Praxisgemeinschaft muss (mit all den<br />

rechtlichen und finanziellen Folgen!) aufgelöst<br />

werden. Friedrich Schiller hat in<br />

seinem Zitat anschaulich beschrieben,<br />

wie viel Verantwortung Bindung mit sich<br />

bringen kann. Und dies nicht nur im Privatleben,<br />

sondern – fast noch stärker – im<br />

Berufsleben In seinem berühmten «Lied<br />

von der Glocke» warnt er uns vor vorschnellen<br />

Entscheidungen; ein Ratschlag,<br />

den sich auch Ärztinnen und Ärzte bei<br />

der Erweiterung bzw. Umorganisation der<br />

eigenen Praxis zu Herzen nehmen sollten.<br />

Wie verballhornt der Volksmund Schiller<br />

doch so treffend: «Drum prüfe, wer sich<br />

ewig bindet, ob sich nicht doch etwas Besseres<br />

findet!»<br />

Auf der gleichen Wellenlänge<br />

Was bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter<br />

für ein Unternehmen gilt, gilt genauso<br />

für Praxisgemeinschaften: Meist erfolgt<br />

eine Anstellung basierend auf der fachlichen<br />

Qualifikation, eine Trennung dann<br />

jedoch wegen persönlicher, menschlicher<br />

Differenzen. Es gilt also den Partner bzw.<br />

die Partnerin zu finden, welche nicht nur<br />

fachlich, sondern insbesondere auch von<br />

der Persönlichkeit her in die Praxisgemeinschaft<br />

passt. Es ist zwingend, vorab<br />

eine gemeinsame Strategie und Philosophie<br />

der Praxisführung zu definieren. Einzelkämpfertum<br />

bzw. fehlende Kompromissbereitschaft<br />

sind fehl am Platz. Zentrale<br />

Themen wie Offenheit, regelmässige<br />

Besprechungen und gegenseitiger Respekt<br />

bilden die Grundlage einer beruflichen<br />

Als Paar in der Hausarzt- Gruppenpraxis<br />

Während unserer Weiterbildungszeit haben wir als Paar darauf geachtet, in verschiedenen<br />

Spitälern zu arbeiten. Einzig in einem Zentrumsspital liessen wir uns gleichzeitig<br />

anstellen und entdeckten die praktischen Seiten des gemeinsamen Arbeitgebers<br />

wie die Koordination der Ferienplanung oder der Weiterbildung.<br />

Der Abschluss des Facharztcurriculums vor der Familiengründung war uns wichtig:<br />

Kleine Kinder zu betreuen während der Weiterbildungszeit, ist eine enorme Herausforderung;<br />

das haben wir uns nicht zugetraut.<br />

Nach unserer Weiterbildungszeit ergab sich die Möglichkeit, in eine Hausarzt­<br />

Gruppenpraxis einzusteigen und diese später noch zu erweitern. Aktuell sind wir<br />

vier Fachärzte, ein Assistenzarzt und ein pensionierter Vertretungsarzt.<br />

Wir konnten das gegenseitige Vertrauen, den Respekt und die Grosszügigkeit von<br />

unseren Vorgängern erben und weiterpflegen, das hat sich als zentral erwiesen.<br />

Wir sozialisieren uns in den Teambesprechungen, im Pausenraum und orientieren<br />

uns aneinander. Eine grundsätzlich ähnliche Haltung bezüglich der medizinischen<br />

Herangehensweise an die Probleme ist eine wichtige Vorbedingung: Bei aller Grosszügigkeit<br />

wird es unweigerlich zu Konflikten kommen, wenn zwei völlig verschiedene<br />

Ansätze bestehen. Damit die Verstrickungen nicht zu gross werden, sind alle Patienten<br />

einem Stammarzt zugeteilt, dieser ist für die Langzeitbetreuung verantwortlich.<br />

Bei gegenseitiger Vertretung fokussieren wir uns auf die akuten Probleme.<br />

Die Praxisorganisation in Form einer AG hilft uns, die administrativen Aufgaben aufzuteilen,<br />

welche auch gut bezahlt werden. Durch die Entschädigung der Ärzte über<br />

den Arzttarif gibt es keine Boni/Malus bei Nichterreichen der Budgetzahlen. Alle tragen<br />

auf ihre Art zum Gelingen bei, und der Einsatz wird direkt entlöhnt. Ein heikler Punkt<br />

ist die Ferien- und Abwesenheitsplanung, wir sind jedes Mal erleichtert, wenn wir uns<br />

geeinigt haben. Bedingt durch den Hausärztemangel müssen wir uns immer wieder<br />

abgrenzen und zu uns selber Sorge tragen.<br />

Dass eine Partnerschaft in der Praxis gut läuft, ist genau so wenig selbstverständlich<br />

wie in der Ehe. Als Paar sehen wir uns in der Praxis nicht in einer Sonderrolle, sondern<br />

sind je ein Teil des Teams und wirken beide unabhängig – das ist für uns ein sehr<br />

wichtiger Punkt. Durch die Aufteilung von Kinderbetreuung und Praxisarbeit überlappen<br />

sich unsere Sprechstunden wenig, so dass eine hilfreiche zeitliche Trennung<br />

besteht. Wir arbeiten beide halbtagsweise, sind also sowohl in der Praxis als auch<br />

zu Hause präsent. Dies erfordert eine hohe Flexibilität und ist entsprechend kräfteraubend<br />

– vieles tragen wir von der Arbeit nach Hause. Unsere Konflikte als Paar<br />

fokussieren sich vor allem auf Fragen der Kinderbetreuung, unsere gemeinsame<br />

«private» Zeit, in der keine scharfe Trennung der Zuständigkeiten möglich ist.<br />

Ursprünglich war es nicht unser Wunsch, am selben Ort und sogar in derselben Praxis<br />

zu arbeiten; es hat sich so ergeben und funktioniert zum Glück bis heute gut.<br />

Judith und Hannes Balmer, Stedtli-Praxis.ch<br />

Partnerschaft. Wird eine Praxis erweitert,<br />

bedeutet dies für die «Neuen» Respekt vor<br />

dem Geschaffenen und für die «Alten» Respekt<br />

vor den Ideen und Vorstellungen der<br />

jüngeren Generation zu haben.<br />

Der Erfolg ist nicht garantiert<br />

Die Gründe für einen Misserfolg können<br />

vielschichtig sein; es gibt keine Erfolgsgarantie!<br />

Wenn man es sich zu einfach macht<br />

und nicht alle Auswirkungen gedanklich<br />

durchspielt, wenn man nur die Vorteile<br />

sieht, kann es ein böses Erwachen geben.<br />

Manche Inhaber wollen weniger arbeiten,<br />

Verantwortung und Bürokratie abgeben,<br />

was ohne (neuen) Partner, der das<br />

auffängt, misslingt. Verantwortung abzugeben,<br />

heisst in der Folge aber auch, nicht<br />

mehr allein entscheiden zu können und<br />

sich somit abstimmen und einigen zu<br />

müssen. Dies kann zu Unzufriedenheit<br />

führen.<br />

Fast immer sind die Ziele des Inhabers<br />

und des Einsteigers nicht umfassend diskutiert<br />

und abgestimmt. Der «Neue» möchte<br />

vielleicht wachsen und ein weiteres Leistungsspektrum<br />

anbieten, der «Alte» eher<br />

das Vorhandene beibehalten und aufteilen.<br />

Die Koordination bei Investitionen, bei<br />

Personalentscheidungen etc. sind ebenso<br />

zu bedenken und können zu Meinungsverschiedenheiten<br />

führen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 31


Fokus<br />

Von Beginn weg war der Wurm drin<br />

Eigentlich schien anfänglich alles zu stimmen: Meine zukünftige Praxispartnerin und<br />

ich kannten uns von der Arbeit im Spital und teilten den Wunsch nach einer eigenen<br />

Praxis. Wir verstanden uns gut, und ich hatte das Gefühl, dass wir die gleichen Ziele<br />

verfolgten und eine ähnliche Auffassung von unserer Arbeit hatten. Zudem war ich<br />

froh, das Risiko teilen zu können.<br />

Grundsätzlich ist es wie in der Ehe<br />

oder der Familie: Wenn sich jeder etwas zurücknimmt<br />

und den anderen etwas Platz<br />

zur Entfaltung gewährt, entwickelt es sich<br />

für alle zum Vorteil. Wenn es nur darum<br />

geht, seinen eigenen Willen durchzusetzen<br />

und sich zu behaupten, sind Partnerschaften<br />

sehr rasch zum Scheitern verurteilt.<br />

Tipps für eine erfolgreiche Praxispartnerschaft<br />

– Kopf, Herz und Hand<br />

(Heinrich Pestalozzi):<br />

Nur wenn der Bauch und der Verstand ja<br />

zum neuen Partner sagen, ist es wohl<br />

der richtige Entscheid. Haben Sie unbedingt<br />

den Mut, auch auf Ihre Intuition<br />

zu hören!<br />

– Heterogene Teams:<br />

Eine Partnerschaft unter «Gleichaltrigen»<br />

bzw. in der gleichen Generation<br />

Ausgebildeten entspricht eher dem<br />

Modell «Erweiterung»; eine Partnerschaft<br />

mit Partnern unterschiedlicher<br />

Generation entspricht eher dem Modell<br />

«Übergabe bzw. Fortführung mit Anpassungen».<br />

Eine gemeinsame Ziel -<br />

setzung ist ebenso zu beachten bei eher<br />

gleichen bzw. sehr unterschiedlichen<br />

fachlichen Schwerpunkten und Qualifikationen.<br />

32<br />

Wir hatten das Glück, eine bestehende Praxis übernehmen zu können, die wir aber<br />

praktisch von Grund auf neu bauten. Bereits in dieser Phase zeigten sich erste Differenzen.<br />

Obwohl ich im Gegensatz zu meiner künftigen Praxispartnerin während der Bauphase<br />

noch zu hundert Prozent berufstätig war, kümmerte ich mich viel intensiver um<br />

den Bau. Sie besuchte die Baustelle praktisch nie, verlangte aber Änderungen, die<br />

wenig Sinn machten, jedoch zu massiven Mehrkosten führten. Ich investierte wesentlich<br />

mehr Geld in den Umbau, versäumte aber, das in der Buchhaltung entsprechend<br />

auszuweisen. Obwohl mir bereits zu diesem Zeitpunkt erste Zweifel kamen, schob ich<br />

diese zur Seite.<br />

Als der Praxisbetrieb dann anlief, wurden unsere Differenzen immer sichtbarer. Meine<br />

Praxispartnerin arbeitete vier Tage pro Woche, ich viereinhalb. Es schien mir selbstverständlich,<br />

dass wir uns an unseren Freitagen vertreten würden, sollten Patienten eine<br />

dringende Konsultation benötigen. Ich machte das für ihre Patienten, da ich der Meinung<br />

bin, dass wir eine Dienstleistung erbringen und letztendlich unsere Patienten<br />

entscheiden müssen, ob sie eine Konsultation benötigen oder nicht. Meine Praxispartnerin<br />

sah sich ausserstande, meine Vertretung zu übernehmen. Glücklicherweise<br />

konnten wir zusätzliche Ärzte anstellen, so dass die Abdeckung gewährleistet war. Mit<br />

der Zeit wurde unsere unterschiedliche Arbeitsweise immer deutlicher: Die Patienten<br />

meiner Kollegin sassen bis zu einer Stunde im Wartezimmer, weil sie das Zeitmanagement<br />

nicht im Griff hatte, was zu Verdruss bei den Patienten und den MPA führte.<br />

Zudem kam ihrerseits Neid auf, da «mein Betrieb» sehr viel besser lief und florierte. Die<br />

Stimmung verschlechterte sich zusehends, die Luft war buchstäblich «zum Schneiden».<br />

Entsprechend gingen wir uns immer mehr aus dem Weg, sprachen kaum mehr miteinander,<br />

kurz gesagt, die Gemeinschaft war inexistent. Nachdem sich bei mir sowohl<br />

psychische als auch physische Probleme zeigten, setzte ich unter das Ganze einen<br />

Schlusspunkt. Unterstützt wurde ich dabei von den angestellten Kollegen, die mich<br />

aufforderten, mich von meiner Praxispartnerin zu trennen.<br />

Dass die Trennung nicht von heute auf morgen erfolgte, sondern sich über mehrere<br />

Jahre erstreckte und mir nicht nur viel Kraft, sondern auch beträchtliche finanzielle<br />

Mittel abverlangte, sei hier nur am Rande erwähnt. Aber lieber das sprichwörtliche<br />

Ende mit Schrecken als umgekehrt. Heute bin ich alleiniger Inhaber der Praxis und froh<br />

darüber.<br />

Rückblickend rate ich allen, die eine Praxisgemeinschaft gründen möchten, sich juristisch<br />

rundum abzusichern. Noch bevor der erste Franken in eine gemeinsame Praxis<br />

fliesst, sollten alle Eventualitäten vertraglich geregelt sein. Wer ein mögliches Ende von<br />

Beginn weg vor Augen hat und weiss, wie dieses aussehen wird, kann sicherer an den<br />

Aufbau gehen.<br />

M. Z. (Name der Redaktion bekannt)<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass<br />

die Medizin heute ein weiblicher Beruf<br />

geworden ist, auch diese Überlegung<br />

gilt es in eine geeignete Strategie einzubauen.<br />

– Seine Stärken und Schwächen<br />

kennen:<br />

Idealerweise macht man zuvor eine objektive,<br />

unvoreingenommene Analyse<br />

der eigenen Stärken und Schwächen.<br />

Dies gilt sowohl für den bisherigen Eigentümer<br />

als auch für den neuen Partner.<br />

– Einarbeitungsphase:<br />

Es empfiehlt sich nach sechs und zwölf<br />

Monaten eine erste «Zwischenbilanz»<br />

zu ziehen und auch die Verträge zeitlich<br />

so flexibel auszuarbeiten, dass nach dieser<br />

Zeit Anpassungen möglich sind.<br />

Dies sollte auch für die finanziellen Aspekte<br />

gelten.<br />

– Regelmässige Erfolgskontrolle:<br />

Werden die Erwartungen von beiden (!)<br />

Seiten erfüllt? Oder fühlt sich einer als<br />

Gewinner, der andere aber als Verlierer?<br />

Anzeige<br />

– Klare, verständliche Strategie:<br />

Eine einfach zu verstehende Strategie,<br />

die von allen mitgetragen wird, hilft<br />

«das Schiff auf Kurs zu halten».<br />

Fazit<br />

Damit eine Praxisgemeinschaft gelingt und<br />

nicht zum Alptraum wird, sind sehr unterschiedliche<br />

Punkte zu beachten, bspw. betreffend<br />

Personalfragen, Investitionen, Gewinnverteilung,<br />

Marketing, vor allem aber<br />

auch persönliche und psychologische Faktoren.<br />

Letztlich muss auch das Bauchgefühl<br />

stimmen. Auch kein noch so gutes Gefühl<br />

ersetzt indes vertragliche Regelungen.<br />

Denn alles, was man nicht geregelt hat,<br />

birgt Potenzial für Ärger. Praxispartnerschaften<br />

sind für einen längeren Zeitraum<br />

gedacht. Sollte die Chemie nicht stimmen,<br />

muss man sich entweder miteinander arrangieren<br />

oder das hoffentlich im gemeinsamen<br />

Vertrag vereinbarte Ausstiegsszenario<br />

nutzen. Bereits vor dem Einstieg muss<br />

folglich ein allfälliger Ausstieg detailliert<br />

und abschliessend geregelt sein.<br />

Über Nimeda Consulting<br />

Die Nimeda Consulting GmbH ist<br />

eine spezialisierte Beratungsfirma für<br />

Personen im medizinischen Umfeld.<br />

Dank der Interdisziplinarität unseres<br />

Teams (Arzt und Manager) gelingt es,<br />

auch komplexe Problemstellungen<br />

umfassend und detailliert zu analysieren<br />

und nachhaltige Lösungen zu<br />

präsentieren.<br />

Durch unsere einzigartige Kombination<br />

von Management-, Medical-,<br />

IT- sowie Legal-Know-how werden wir<br />

Ihre medizinische Praxis nachhaltig<br />

erfolgreicher machen, denn dank<br />

unseren bewährten Beratungsdienstleistungen<br />

können Sie sich stärker<br />

auf Ihre medizinische Kerntätigkeit<br />

fokussieren. Wir bieten u.a. folgende<br />

Dienstleistungen an: Management-,<br />

Finanz- und IT-Beratung, Führung<br />

und Coaching, Praxisübergabe und<br />

-übernahme, Neueröffnung, Sanierungen.<br />

Wir beraten Sie gerne auf<br />

Deutsch, Französisch und Englisch.<br />

Unser Slogan: Management Know-how<br />

for Medical Professionals.<br />

www.nimeda.com<br />

sympathisch l<br />

einfach l<br />

effizient l<br />

pex ll<br />

Die sympathische<br />

Ärztesoftware<br />

pex II ist ein hocheffizienter Assistent mit einem ausgeklügelten<br />

TarMed-Abrechnungs- und Informationssystem. Die Ärztesoftware<br />

besticht durch eine einfache, übersichtliche Bedienung und klaren<br />

Arbeitsabläufen. Mit einer Vielzahl an Softwareoptionen lässt sich<br />

Ihre persönliche pex II Lösung zusammenstellen. Zudem ist eine<br />

Vernetzung mit internen und externen Stellen jederzeit möglich.<br />

Delemed AG l Medical Software<br />

Talstrasse 4 l CH-3122 Kehrsatz-Bern<br />

Tel. +41 (0)31 950 27 27<br />

info@delemed.ch l www.delemed.ch<br />

Ihr Partner für medizinische Software<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 33


Fokus<br />

Symbiosis<br />

34<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Bild: Adobe Stock<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 35


Fokus<br />

Das Verbindende<br />

pflegen<br />

Miami Beach, Seoul oder Shanghai sind mit Basel-Stadt<br />

partnerschaftlich verbunden. Sabine Horvath, Abteilungsleiterin<br />

Aussenbeziehungen und Standortmarketing, erklärt,<br />

was diese Städtepartnerschaften für Basel bedeuten.<br />

Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Die Städtepartnerschaft zwischen Basel und Miami Beach ist mit der Kunstmesse Art Basel begründet,<br />

welche in Basel jeweils im Juni und in Miami Beach im Dezember stattfindet.<br />

36<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Bilder: zvg<br />

Was genau ist eine Städtepartnerschaft?<br />

Eine Städtepartnerschaft hat eine konkrete<br />

Zusammenarbeit zwischen zwei Städten<br />

zum Inhalt. Dies mit dem Ziel, sich auf bestimmten<br />

Gebieten, etwa in den Bereichen<br />

Wissenschaft, Innovation, Bildung oder<br />

Gesundheit, der Nachhaltigkeit oder der<br />

Stadtentwicklung, auszutauschen sowie<br />

eine Zusammenarbeit aufzubauen, zu kooperieren<br />

und sich gegenseitig zu stärken.<br />

Woher stammt die Idee?<br />

Städtepartnerschaften fanden insbesondere<br />

in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

eine grosse Verbreitung. Damals mit<br />

dem Ziel, durch Partnerschaften die durch<br />

zwei Weltkriege aufgerissenen Wunden in<br />

Europa zu heilen. In der heutigen Zeit sind<br />

Städtepartnerschaften eher auf Standortinteressen<br />

ausgerichtet.<br />

Seit wann gibt es Städtepartnerschaften?<br />

Erstmals sind 1921 das englische Keighley,<br />

West Yorkshire, und Poix-du-Nord im<br />

französischen Département Nord eine<br />

Städtepartnerschaft eingegangen, allerdings<br />

in der Form, dass die englische Stadt<br />

die französische «adoptierte».<br />

Basel unterhält mehrere Städtepartnerschaften.<br />

Wie ist es dazu gekommen?<br />

Die Partnerschaften und Kooperationen<br />

des Kantons Basel-Stadt orientieren sich<br />

an den Interessen von standortrelevanten<br />

Akteuren. Dabei geht es um die Bedeutung<br />

von Basel als Life Sciences Cluster,<br />

die Austragungsorte der Art Basel sowie<br />

den Innovationsbereich. Ziel ist es, den eigenen<br />

Standort international zu vernetzen<br />

und zu positionieren.<br />

Welches war die erste Partnerstadt und<br />

weshalb?<br />

Basel-Stadt begründete seine erste Partnerschaft<br />

mit dem US-Bundesstaat Massachusetts<br />

im Jahr 2002. Die beiden Standorte<br />

haben gemeinsame Interessen als Life<br />

Sciences Cluster und gehören zu den<br />

wirtschaftlich führenden Regionen ihres<br />

Landes.<br />

Mit welchen anderen Städten bestehen<br />

Partnerschaften?<br />

Weitere strategische Städtepartnerschaften<br />

beziehungsweise -kooperationen<br />

pflegt der Kanton Basel-Stadt mit Shanghai<br />

(seit 2007), Toyama in Japan (2009),<br />

Miami Beach (2011) sowie Seoul (2022).<br />

Mit Abidjan/Yopougon pflegt Basel seit<br />

2021 eine Städtepartnerschaft im Sinne eines<br />

sozialen Engagements.<br />

Nach welchen Kriterien werden solche<br />

Partnerstädte ausgewählt?<br />

Es gibt drei Voraussetzungen, die eine<br />

Partnerstadt oder -region erfüllen sollte:<br />

Zum einen gemeinsame Interessen und<br />

Standortstärken, zweitens das Vorhandensein<br />

von Basler Institutionen und Akteuren<br />

vor Ort, die von dieser Partnerschaft<br />

profitieren können, und drittens<br />

einen konkreten Mehrwert, der eine politische<br />

Beziehungspflege generieren kann.<br />

So war etwa in Abidjan/Yopougon die lokale<br />

Verankerung des Schweizerischen<br />

Tropeninstituts (TPH) ausschlaggebend.<br />

Wie werden diese Partnerschaften<br />

gepflegt?<br />

Der Kanton fokussiert sich auf die politische<br />

Ebene zwischen Regierungsvertreterinnen<br />

und -vertretern der Partnerstädte.<br />

Zudem initiiert und fördert er den Austausch<br />

auf institutioneller Ebene, etwa<br />

zwischen Hochschulen, Spitälern, Unternehmen<br />

oder Forschungsinstitutionen.<br />

Und schliesslich unterstützt der Kanton<br />

wo möglich Kooperationsprogramme wie<br />

beispielsweise ein Schüleraustauschprogramm<br />

mit Massachusetts oder ein Programm<br />

für Start-ups aus Seoul und Basel.<br />

Spürt die Basler Bevölkerung etwas<br />

von diesen Partnerschaften?<br />

Die wirtschaftliche und wissenschaftliche<br />

Zusammenarbeit ist oft nicht direkt wahrnehmbar.<br />

Hier sind wir gefordert aufzuzeigen,<br />

welche Synergien entstehen und<br />

wie der Standort von der Kooperation<br />

profitiert. Direkt erkennbar ist der Austausch<br />

im Kulturbereich, sei es in Form<br />

von Gastkonzerten, Theaterkooperationen<br />

oder Aus stellungen. Zudem sind die<br />

Städte partnerschaften in Form von Geschenken<br />

im öffentlichen Raum sichtbar,<br />

so etwa die Shanghaier Skulptur ZHOU<br />

im Basler St. Johanns-Park.<br />

Wie aktuell ist die Idee in einer zunehmend<br />

vernetzten Welt?<br />

International ausgerichtete Städte wie<br />

Basel sind in einer globalisierten Welt auf<br />

die Zusammenarbeit mit Städten in anderen<br />

Weltteilen angewiesen. Städtepartnerschaften<br />

bieten hierfür den geeigneten<br />

formalen Rahmen. Allerdings nimmt die<br />

Spezialisierung bei der internationalen<br />

Zusammenarbeit weiter zu und wir tendieren<br />

heute eher Richtung thematische<br />

Kooperationen zwischen Städten und Regionen.<br />

Sabine Horvath,<br />

Leiterin Aussenbeziehungen<br />

und Standortmarketing Kanton<br />

Basel-Stadt<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 37


Fokus<br />

«Zusammen<br />

fühlen wir uns<br />

wohl»<br />

Raymonde und Serge Maire sind seit mehr als einem<br />

halben Jahrhundert verheiratet. Ein Universalrezept für eine dauerhafte<br />

Beziehung haben auch sie nicht, aber gemeinsame Werte<br />

und gegenseitiger Respekt scheinen gute Voraussetzungen zu sein.<br />

Bilder: zvg<br />

38<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Sie sind seit 53 Jahren verheiratet.<br />

Wie haben Sie sich kennengelernt?<br />

1969 arbeitete ich als Mechaniker in der<br />

Autogarage, in welcher auch der Bruder<br />

von Raymonde angestellt war. Eines Tages<br />

erzählte er mir, dass seine Schwester nach<br />

einem einjährigen Aufenthalt in Amerika<br />

in die Schweiz zurückkehren würde. Gleich<br />

bei unserem ersten Treffen war es Liebe<br />

auf den ersten Blick.<br />

Dann war es Ihnen also schnell klar,<br />

dass Sie ihr Leben zusammen verbringen<br />

wollen?<br />

Ja, uns war praktisch von Beginn weg klar,<br />

dass wir unser Leben gemeinsam verbringen<br />

würden.<br />

Was fanden Sie an Ihrem Mann bzw.<br />

an Ihrer Frau speziell anziehend?<br />

Serge war ehrlich und fleissig. Zusammen<br />

fühlten wir uns wohl. Und wir beide wollten<br />

eine Familie gründen. 1970 haben wir<br />

geheiratet.<br />

Raymonde war eine Frohnatur, gut gelaunt<br />

und immer positiv eingestellt.<br />

Welches sind die grössten Herausforderungen?<br />

Die Kinder gemäss unseren Überzeugungen<br />

mit Respekt, in Bescheidenheit und<br />

mit Liebe zu erziehen. In den 1970er Jahren<br />

war das alles viel einfacher, da es weder<br />

Mobiltelefone noch Computer gab.<br />

Was raten Sie jungen Paaren,<br />

die sich ebenfalls eine so dauerhafte<br />

Beziehung wünschen?<br />

Wir raten ihnen, in Liebe und Einfachheit<br />

zu leben. Ebenso, den Kindern viel Zeit zu<br />

widmen und den Dialog stets aufrechtzuerhalten.<br />

Wichtig scheint uns vor allem,<br />

nicht mit Neid auf andere zu schauen,<br />

sondern sich mit dem zu begnügen, was<br />

das Leben einem bietet.<br />

Zeit in Afrika<br />

Serge und Raymonde Maire haben<br />

einige Jahre in Afrika gelebt, wo sie<br />

zusätzlich zu ihren beiden leiblichen<br />

Töchtern noch zwei Töchter adoptiert<br />

haben. In Burkina Faso haben sie<br />

zudem eine Selbsthilfeorganisation<br />

gegründet. Dank dieser gelang es,<br />

im Heimatdorf ihrer älteren Adoptivtochter<br />

eine Schule zu eröffnen.<br />

Heute bereichern drei Enkelkinder<br />

die Familie. Alle diese Ereignisse<br />

seien wohl auch ein Grund für die<br />

53 gemeinsamen Jahre; die Zeit<br />

sei nur so verflogen.<br />

Gab es Hindernisse, die Sie zuerst<br />

überwinden mussten?<br />

Unsere beiden Familien lebten in bescheidenen<br />

Verhältnissen. Sie haben keinen<br />

Einspruch gegen unsere Heirat eingelegt.<br />

Serge bereitete sich 1972 in Abendkursen<br />

auf sein eidgenössisches Meisterdiplom<br />

vor. Das war keine einfache Zeit, denn unsere<br />

älteste Tochter war bereits auf der<br />

Welt, und ich war mit unserem zweiten<br />

Kind schwanger.<br />

Haben Sie vor Ihrer Hochzeit spezielle<br />

Vorsätze gefasst?<br />

Nein, wir haben vor unserer Hochzeit keinerlei<br />

Vorsätze gefasst.<br />

Sie haben in den 70er Jahren geheiratet.<br />

Das war eine Zeit des Umbruchs,<br />

der neuen Lebensmodelle. Hat Sie das<br />

irgendwie tangiert?<br />

Ich verfolgte im Mai 1968 die Ereignisse in<br />

Paris interessiert mit. Raymonde hielt sich<br />

in dieser Zeit in den USA auf und hatte gar<br />

nichts davon mitbekommen. Die Kommunen<br />

und die freie Liebe haben uns jedoch<br />

in keiner Weise beeinflusst.<br />

Welches sind für Sie die wichtigsten<br />

Faktoren in einer Beziehung?<br />

Am wichtigsten sind Vertrauen, Ehrlichkeit,<br />

Bescheidenheit, aber auch, Träume<br />

zu haben und sie zu verwirklichen.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 39


Fokus<br />

Partnerschaftliche<br />

Beziehungen<br />

hinter Gittern<br />

Strafanstalten sind kein Quell der Romantik.<br />

Die Insassen bringen eine schwierige Vergangenheit mit,<br />

was keine gute Voraussetzung für dauerhafte Beziehungen ist.<br />

Und bereits bestehende Beziehungen drohen<br />

durch die Situation zu zerbrechen.<br />

Dr. med. Thomas Knecht, Leitender Arzt, Fachstelle Forensische Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Psychiatrisches Zentrum Appenzell Ausserrhoden<br />

«Absence makes the heart<br />

grow fonder», heisst es opti<br />

mistisch in einer Songzeile<br />

von Kris Kristofferson.<br />

In der Tat: Liebessehnsucht mag eine stärkende<br />

Wirkung auf die Verbundenheit<br />

zwischen zwei Menschen haben. Allerdings<br />

spielt nebst der Dauer auch der<br />

Grund der Absenz eine nicht unwesentliche<br />

Rolle. Ob es dabei um einen Studienaufenthalt<br />

an einer Topuniversität oder<br />

eine längere Freiheitsstrafe geht, ist von<br />

einiger Relevanz.<br />

In unseren liberalen Verhältnissen<br />

wird man nicht wegen jeder Lappalie arrestiert;<br />

vielmehr ist das «Wegsperren» oft<br />

die Konsequenz einer unhaltbar gewordenen<br />

Lebenssituation, welche Delinquenz<br />

miteinschliesst. Intakte Beziehungen mit<br />

attraktiven Partnern passen dagegen besser<br />

zu einem gelungenen Lebensvollzug.<br />

So kann es nicht verwundern, dass es oftmals<br />

eher Mütter und Geschwister sind,<br />

welche zur Besuchszeit in den Strafanstalten<br />

aufmarschieren als etwa eine rassige<br />

Geliebte. Entsprechend ist der häufigste<br />

Zivilstand unter Strafgefangenen entweder<br />

ledig oder getrennt/geschieden.<br />

Theoretisch wären auch Beziehungen<br />

zwischen zwei Personen denkbar, welche<br />

sich beide hinter Gittern befinden. Aber<br />

erstens werden Männer- und Frauenabteilungen<br />

strikte separat geführt, und zweitens<br />

sind Verhältnisse zwischen Angestellten<br />

und Insassen gänzlich tabu. Gegenbeispiele<br />

wie Hassan Kiko und Angela<br />

Magdici (Limmattaler Gefängnis) sind zumindest<br />

hochgradig unerwünscht. Aber<br />

auch unter Gleichgeschlechtlichen entwickeln<br />

sich kaum je zarte Bande von bleibendem<br />

Wert. Die vielzitierte «Nothomosexualität»<br />

zeigt wenig romantische Züge,<br />

ist oftmals mehr Ausdruck von Dominanz,<br />

Unter drückung und Ausbeutung unter<br />

den Insassen.<br />

Bad Boys und Abhängigkeit<br />

Aber ist der Strafgefangene für das Gegengeschlecht<br />

durchs Band unattraktiv? Mitnichten!<br />

Ein krasses Beispiel ist der Massenmörder<br />

Breivik, der korbweise Heiratsanträge<br />

erhält. Ähnlich gelagerte Fälle<br />

waren Charles Manson mit seiner «family»,<br />

der Satanist Richard Ramirez mit seinen<br />

Groupies und Ted Bundi, welcher via<br />

künstliche Insemination sogar aus der<br />

Haft heraus ein Kind mit einer Verehrerin<br />

gezeugt haben soll. Diese erotische Verklärung<br />

des dominanten Gewalttäters<br />

wird in der Wissenschaft als «Hybristophilie»<br />

bezeichnet; der Volksmund spricht<br />

lieber vom «Bad-Boy-Syndrom». Damit<br />

sind wir bei jenen Beziehungsformen angelangt,<br />

bei denen sich der eine Partner<br />

in Haft, der andere in Freiheit befindet.<br />

Bestand die Beziehung schon vorher, so<br />

stellt die Inhaftierung oftmals einen<br />

Brechpunkt dar. Das liegt aber keineswegs<br />

nur am staatlichen Eingriff; oftmals war<br />

die gesamte Lebenssituation bereits zerrüttet<br />

und keine gemeinsame Perspektive<br />

mehr vorhanden.<br />

Auf der anderen Seite haben wir aber<br />

auch Beziehungen, welche während der<br />

Haft ihren Anfang nehmen. Die Initialzündung<br />

geht dabei meist von einer Kontaktanzeige<br />

des Inhaftierten aus. Grundtenor:<br />

«Böser Junge (29), sucht Frauen<br />

zwischen 20 und 40 für BK (Briefkontakt).<br />

Bei Sympathie ist durchaus auch mehr<br />

möglich …» Viele Strafanstalten verfügen<br />

heute über spezielle «Familienzimmer»,<br />

in die sich die Liebenden für eine definierte<br />

Weile zurückziehen können. Ein<br />

solches Verhältnis weist auf psychologischer<br />

Ebene ein paar interessante Aspekte<br />

auf. Der Mann ist gewöhnlich das Punctum<br />

fixum, die Frau hat ihre volle Mobilität.<br />

Es liegt somit in ihrer Hand, wie hoch<br />

sie die Dauer (und Intensität) des Zusammenseins<br />

dosieren will. Da sich der Staat<br />

um die Versorgung des Eingeschlossenen<br />

kümmert, ist sie einstweilen auch von<br />

dieser Last befreit, zumal wechselseitig<br />

keine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht.<br />

Ausserdem hat sie jederzeit die<br />

40<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Eine stabile Beziehung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Resozialisierung.<br />

Leider erweisen sich Partnerschaften von Strafgefangenen meist nicht als dauerhaft.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Möglichkeit eines Rückziehers, ist zumindest<br />

temporär vor Stalking geschützt. Alles<br />

in allem ergibt sich daraus für die Frau<br />

eine Position der strategischen Überlegenheit,<br />

die ihr sehr entgegenkommt, zumal<br />

hier der Mann weit stärker auf ihren<br />

Goodwill angewiesen ist.<br />

Feste Partnerschaft als Schutzfaktor<br />

Aber wie steht es nun mit der Beziehungsqualität<br />

derjenigen Strafgefangenen, die<br />

in einer Langzeitbeziehung leben? – Nun,<br />

hier zeichnen sich zwei unterschiedliche<br />

Beziehungsmuster ab, welche m.E. vor allen<br />

Dingen durch die Altersklasse bedingt<br />

zu sein scheinen. Bei den jüngeren Semestern<br />

macht sich oft das sog. «assortative<br />

mating» bemerkbar, d.h., es werden<br />

vorwiegend Partnerinnen gewählt, welche<br />

den Betreffenden in entscheidenden<br />

Charaktereigenschaften ähneln. So tragen<br />

diese Frauen nicht selten Borderline<br />

oder gar dissoziale Wesenszüge, so dass<br />

sie durch ihr unstetes Bindungsverhalten<br />

ständig neue Turbulenzen ins Beziehungsleben<br />

hineinbringen. Bei dissozialen<br />

Persönlichkeiten ist das «Unvermögen<br />

zur Beibehaltung längerfristiger<br />

Beziehungen» sogar eines von sechs diagnostischen<br />

Kriterien gemäss ICD-10,<br />

während Borderlinerinnen in einem wilden<br />

Wechsel von Nähesuchen und brüsker<br />

Abstossung hin und her oszillieren,<br />

für die Eingeschlossenen oft eine heftige<br />

Nagelprobe.<br />

Das Ideal einer stetigen, ausgewogenen<br />

und kraftspendenden Dauerbeziehung<br />

findet sich nach meiner Erfahrung<br />

am häufigsten bei den älteren Jahrgängen<br />

unserer Inhaftierten. Diese zeichnen sich<br />

oft durch ein erhebliches Mass an Lebenserfahrung<br />

und Abgeklärtheit aus, was<br />

sie den quälenden Zustand des Getrenntseins<br />

und die damit immer verbundenen<br />

Ungewissheiten besser ertragen lässt. Die<br />

Stärke dieser Bindung kann aufgrund gewisser<br />

Abhängigkeiten der frei lebenden<br />

Partnerin noch vergrössert werden, so z.B.<br />

durch Kulturfremdheit, soziale Isolation<br />

oder wirtschaftliche Abhängigkeit.<br />

Angesichts all dieser problematischen<br />

Aspekte muss festgestellt werden,<br />

dass Freiheitsstrafen zweifellos erschwerende<br />

Umstände für ein natürliches Beziehungsleben<br />

erzeugen. Dies ist sehr zu<br />

bedauern, wenn man bedenkt, dass eine<br />

funktionierende partnerschaftliche Beziehung<br />

einer der stärksten bekannten<br />

Schutzfaktoren auf dem Weg zur Resozialisierung<br />

ist. Nicht umsonst spricht man<br />

im Fachjargon von einem «turning point»<br />

(Wendepunkt) in der kriminellen Karriere,<br />

wenn eine solche tragende Beziehung unverhofft<br />

zustande kommt.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 41


Fokus<br />

Bild: Adobe Stock<br />

42<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Symbiosis<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 43


Fokus<br />

Ausgelassen mit Mama und den Geschwistern zu spielen, ist Teil des Aktivierungsplans.<br />

Dieser hilft den Welpen auf ihren ersten Schritten hin zum Blindenführhund.<br />

Ein Lotse<br />

für alle Wege<br />

Bordsteinkanten, Blumentöpfe, aber auch<br />

Einsamkeit und Diskriminierung: Vieles, was sich blinden<br />

und sehbehinderten Menschen täglich in den Weg stellt,<br />

ist für Sehende unsichtbar. Blindenführhunde können helfen,<br />

einen Teil dieser Hindernisse zu überwinden.<br />

Hierfür braucht es aber eine lange Ausbildung und Training –<br />

auch für den menschlichen Partner.<br />

Bianca Molnar, Redaktionsmitglied <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Bilder: zvg<br />

44<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Gäbe es ein Tinder für Blinde<br />

und ihre potentiellen Führhunde,<br />

wären die wichtigsten<br />

Kriterien Grösse, Laufgeschwindigkeit,<br />

Temperament, Belastbarkeit<br />

gegenüber Umweltreizen. Und anders<br />

als bei der zwischenmenschlichen<br />

Version entscheiden zunächst andere, ob<br />

es ein Match ist. Doch bis Mensch und<br />

Hund wirklich zueinander finden, vergehen<br />

zwei bis drei Jahre.<br />

Die zehn Labradorwelpen, die in der<br />

Nacht auf den 13. Dezember 2022 in der<br />

Zucht der Blindenhundeschule Allschwil<br />

zur Welt kamen, sind die jüngsten von<br />

durchschnittlich 80 Welpen, die hier jährlich<br />

geboren werden.<br />

Die ersten zehn Lebenswochen werden<br />

sie aufmerksam betreut. Ein Aktivitätsplan<br />

unterstützt ihre Entwicklung: Mit<br />

zwei Wochen öffnen sie die Augen und beginnen,<br />

die Wurfbox zu erkunden, später<br />

das Hundezimmer mit den angebotenen<br />

Spielsachen, danach den Garten. Mit<br />

sechs bis sieben Wochen geht es auf Ausflüge<br />

in das nahe gelegene Dorf oder in<br />

den Wald. Dabei lernen sie verschiedene<br />

Bodenbeschaffenheiten, Verkehrsgeräusche<br />

oder das Autofahren kennen.<br />

Mit zehn Wochen dann der erste Meilenstein:<br />

Jeder Welpe zieht in sein neues<br />

Zuhause bei einem Paten ein. Hier wird er<br />

die ersten anderthalb Lebensjahre verbringen<br />

und alles erlernen, was ein Hund<br />

können muss: neben Stubenreinheit und<br />

Grundgehorsam auch die Gewöhnung an<br />

Menschenmengen, Tramtüren oder Bahnhofslärm.<br />

Am Ende seiner Sozialisation<br />

soll er sich so sicher in die Welt der Menschen<br />

bewegen, dass er einen Blinden darin<br />

führen kann. Er soll weder ängstlich<br />

noch besonders ablenkbar sein und eigenständig<br />

Lösungen finden, wenn Unerwartetes<br />

passiert.<br />

er den Hund auffordern, Boden-, Seitenund<br />

Höhenhindernisse anzuzeigen, Bankomaten,<br />

Zebrastreifen und Türen aufzusuchen<br />

oder bei Treppen und Trottoirkanten<br />

stehen zu bleiben. Genau wie ihre Kollegen<br />

bleibt Jennifer Meyer für alle von ihr<br />

ausgebildeten Hunde, was Betreuung und<br />

Platzierung angeht, ein Hundeleben lang<br />

verantwortlich. Das Matching von Mensch<br />

und Hund bedarf eingehender Vorabklärungen.<br />

Das Führhundegespann soll sich<br />

möglichst harmonisch zusammen fortbewegen<br />

können, deshalb spielen Körpergrösse,<br />

Laufgeschwindigkeit und Temperament<br />

eine Rolle. So sollte ein sensibler<br />

Hund eher in eine ruhige, ländliche Umgebung<br />

vermittelt werden, während ein<br />

junger, sportlicher Mensch einen energiegeladenen<br />

Partner brauche, erklärt Jennifer<br />

Meyer.<br />

Das «Zusammengehen» und -leben<br />

erlernen<br />

Die Führhundeanwärter absolvieren einen<br />

sogenannten Infokurs, um das Geführtwerden<br />

unverbindlich auszuprobieren.<br />

Nach dem Matching mit einem geeigneten<br />

Hund wird das Gespann vom zuständigen<br />

Instruktor zwei Wochen lang<br />

täglich zu Hause betreut, um das Mitein-<br />

Auf die Grundschule folgt die<br />

Spezialisierung<br />

Die Eignung zum Blindenführhund wird<br />

während der monatlichen Besuche durch<br />

einen Patenbetreuer der Blindenhundeschule<br />

evaluiert. Ist sie gegeben, kehrt der<br />

Hund mit zwei Jahren für die sechs- bis<br />

neunmonatige Führhundeausbildung<br />

nach Allschwil zurück. An die Stelle des<br />

Paten als primäre Bezugsperson tritt nun<br />

ein Instruktor bzw. eine Instruktorin, zum<br />

Beispiel Jennifer Meyer. Sie trainiert mit<br />

dem angehenden Führhund rund 30 Hörzeichen,<br />

die es dem späteren menschlichen<br />

Partner erlauben, möglichst selbstständig<br />

unterwegs zu sein. Dadurch kann<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 45


Fokus<br />

Unterwegs mit Esra<br />

Jolanda Gehri treffe ich an einem<br />

Samstagnachmittag in der Berner<br />

Altstadt. Esra, ihre braune Labradorführhündin,<br />

begleitet sie. Wie ihre<br />

drei Vorgänger kommt auch Esra aus<br />

Allschwil.<br />

Der Weg durch den Vorweihnachtstrubel<br />

der Innenstadt erweist sich<br />

diesmal als Hindernisparcours.<br />

Jolanda Gehri hakt sich bei mir unter,<br />

ich kündige Richtungswechsel, Bordsteine,<br />

Stufen oder im Weg stehende<br />

Blumentöpfe an, weiche Passanten aus<br />

und gerate auf zu schmale Trottoirs.<br />

Dass sich Jolanda Gehri hier bestens<br />

auskennt, merke ich, als sie nach dem<br />

Besteigen eines Bordsteins sagt: «Ah,<br />

jetzt sind wir beim Swisscom-Shop.»<br />

Jolanda Gehri ist 68 Jahre alt und<br />

von Geburt an blind. Sie besuchte die<br />

Blindenschule in Zollikofen bei Bern,<br />

die damals noch ein Internat war. In<br />

Basel absolvierte sie eine Ausbildung<br />

zur Telefonistin und zog als junge Frau<br />

zurück nach Bern. Im Blindenheim in<br />

der Länggasse lernte sie ihren Mann<br />

kennen, zusammen bekamen sie zwei<br />

Kinder. Nach deren Auszug habe sie<br />

Lust auf eine neue Aufgabe gehabt<br />

und sich als Führhundeanwärterin in<br />

Allschwil angemeldet, erzählt sie.<br />

Sowohl Beginn als auch Ende der<br />

Partnerschaften mit ihren Führhündinnen<br />

hätten ihre Tücken: Am Anfang<br />

müsse man eine tragfähige Beziehung<br />

aufbauen, Vertrauen zum Hund<br />

gewinnen, ihm aber auch Halt und<br />

Orientierung bieten. Die Trennung<br />

von den älteren Hunden falle nach<br />

langen gemeinsamen Jahren natürlich<br />

schwer. Einem ihrer ehemaligen<br />

Hunde ist Jolanda Gehri nach dessen<br />

«Pensionierung» manchmal noch<br />

begegnet und hat ihm den Loyalitätskonflikt<br />

angemerkt: «Er wusste nicht<br />

so recht, mit wem er jetzt nach Hause<br />

gehen soll.»<br />

Im Alltag biete Esra ihr Entlastung,<br />

aber auch Gesellschaft, sagt Jolanda<br />

Gehri. Im Urlaub könne man den<br />

Führhund jedoch nicht gebrauchen, er<br />

könne nur dort helfen, wo ihm der<br />

Mensch klare Anweisungen geben<br />

kann, weil er den Weg kennt. Während<br />

ihrer geplanten Reise nach Amsterdam<br />

wird Esra deshalb von Bekannten<br />

zu Hause betreut.<br />

Jennifer Meyer trainiert mit einem Blindenführhund<br />

das Anzeigen eines Bodenhindernisses.<br />

ander zu erlernen. Dabei ist der Wechsel<br />

vom weissen Langstock zum Führhund<br />

nicht immer einfach: Beim Pendeln mit<br />

dem Stock können Bodenunebenheiten<br />

oder Hindernisse ertastet werden, Säulen<br />

oder Mauern können als Orientierung dienen.<br />

Der Hund führt den Menschen um<br />

diese Hindernisse herum, dieser muss<br />

ihm jedoch über Hörzeichen sagen, wohin<br />

es gehen soll. Dafür braucht der blinde<br />

Mensch einen sehr guten Orientierungssinn,<br />

um sich auch ohne tastbare Fixpunkte<br />

auf bekannten Wegen zurechtzufinden.<br />

Der Hund muss seinerseits selbstständig<br />

Lösungen, zum Beispiel Umwege, finden,<br />

wenn der gewohnte Weg plötzlich durch<br />

eine Baustelle verstellt ist. So fordert jede<br />

Strecke die enge Zusammenarbeit des Gespanns.<br />

Man könne sich nicht einfach auf<br />

den Hund verlassen, unterstreicht Jennifer<br />

Meyer. Er merke sofort, wenn der<br />

Mensch nicht bei der Sache sei. Daneben<br />

brauche es Vertrauen und eine tragfähige<br />

Beziehung zum Hund, dessen Bedürfnisse<br />

ebenfalls Raum benötigen. Um sich von<br />

der konzentrierten Arbeit zu erholen,<br />

braucht jeder Blindenführhund auch Spaziergänge<br />

ohne Geschirr und Leine, auf<br />

denen er frei laufen, mit anderen Hunden<br />

spielen oder im Gras herumtollen kann.<br />

Währenddessen ist sein Mensch auf sich<br />

allein gestellt.<br />

Aufgrund der anspruchsvollen Aufgabe<br />

können die meisten Führhunde ihre<br />

Menschen nicht ein Leben lang begleiten.<br />

Mit zehn oder elf Jahren können sich erste<br />

Anzeichen der Überforderung oder Konzentrationsschwäche<br />

bemerkbar machen:<br />

Der Zug im Geschirr sei nicht mehr so<br />

stark, in unruhiger Umgebung lege der<br />

Hund die Ohren an oder zeige andere sogenannte<br />

Konfliktzeichen, erklärt Jennifer<br />

Meyer. «Dann wird es Zeit, das Führgeschirr<br />

an den Haken zu hängen und dem<br />

Hund einen Platz fürs Alter zu suchen.»<br />

Manchmal kann er als Haustier bei seinem<br />

sehbehinderten Menschen bleiben. Wenn<br />

nicht, wird ihm mit Hilfe der Blindenhundeschule<br />

ein neuer Platz vermittelt.<br />

Nach seiner längsten Partnerschaft<br />

als Teil des Führhundegespanns muss der<br />

pensionierte Führhund eine neue Beziehung<br />

eingehen. Aufgrund ihres offenen<br />

Wesens sei dies für Labradore jedoch nicht<br />

so problematisch, sagt Jennifer Meyer.<br />

Nichtsdestotrotz seien die Abschiede oft<br />

sehr emotional.<br />

Den zehn Welpen des jüngsten Wurfs<br />

der Blindenführhundeschule Allschwil<br />

steht all das noch bevor. Ob sie zu Führoder<br />

Assistenzhunden ausgebildet, als<br />

Zuchthunde ausgewählt oder als Sozialhunde<br />

vermittelt werden, es bleibt zu hoffen,<br />

dass sie ein ganzes Hundeleben lang<br />

viele glückliche Partnerschaften eingehen.<br />

46<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Anzeige<br />

SPINAS CIVIL VOICES<br />

Wir Blinden sehen anders,<br />

z. B. mit der Nase.<br />

Obwohl Matthias Etter mit einer Sehbehinderung lebt, steht er auf eigenen Beinen.<br />

Statt mit den Augen orientiert er sich mit allen anderen Sinnen. Damit er unabhängig<br />

seine Wege gehen kann, steht ihm der SZBLIND mit Rat und Tat zur Seite.<br />

Selbstbestimmt durch den Alltag. Dank Ihrer Spende: PK 90-1170-7. szblind.ch<br />

SZB_FuellerIns_Hund_210x290_RA_d_4c_ZS.indd 1 10.11.21 09:52<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 47


Fokus<br />

Scheidungsschmerz<br />

verringern<br />

«Gleich und Gleich gesellt sich gern», sagt das Sprichwort.<br />

Das trifft bei Ärztinnen und Ärzten überdurchschnittlich oft zu.<br />

Was aber geschieht, wenn Gleich und Gleich sich scheiden lassen?<br />

Über die finanziellen Folgen und Alternativen zum<br />

Gerichtsverfahren.<br />

Anaïs Brodard, Rechtsanwältin, Mediatorin SAV, Collaborative Lawyer<br />

Die Statistiken sprechen eine<br />

klare Sprache: Eine Ärztin<br />

hat eine Wahrscheinlichkeit<br />

von 29,1 Prozent, in einer Beziehung<br />

mit einem Arzt zu leben. Auf Seiten<br />

der Ärzte sind 30,1 Prozent mit einer<br />

Ärztin liiert. Innerhalb dieses Berufsstandes<br />

besteht somit eine ausgeprägte Homogamie<br />

[1].<br />

Wie die Zahlen vom Bundesamt für<br />

Statistik zeigen, endet in der Schweiz<br />

praktisch jede zweite Ehe mit einer Scheidung<br />

[2]. Für das Jahr 2021 beläuft sich die<br />

Scheidungsrate auf 41,9 Prozent. Aufgrund<br />

dieser Tatsachen lohnt es sich, einen<br />

genaueren Blick auf die Besonderheiten<br />

der Scheidungsfälle bei Ärztinnen<br />

und Ärzten zu werfen.<br />

Finanzielle Interessen<br />

Die grosse Mehrheit der Ärztinnen und<br />

Ärzte sind in einem Angestelltenverhältnis<br />

(z.B. in einem Spital) oder frei praktizierend<br />

(in einer Privatpraxis, die üblicherweise<br />

als Einzelfirma betrieben wird)<br />

tätig.<br />

Bei einer Scheidung wird das Ver mögen<br />

des Paares gemäss dem gewählten Güterstand<br />

(ordentliche/geänderte Errungenschaftsbeteiligung<br />

oder Gütertrennung,<br />

sofern ein notariell beurkundeter Ehevertrag<br />

vorliegt) aufgeteilt.<br />

Falls der Arzt oder die Ärztin einer<br />

unselbstständigen Tätigkeit nachgeht,<br />

gibt es keine besonderen Fragen hinsichtlich<br />

der Bewertung seiner Tätigkeit, die<br />

geklärt werden müssen. Die Situation von<br />

Ärztinnen und Ärzten, die ihre Praxis als<br />

Einzelfirma betreiben, ist hingegen anders.<br />

In einem solchen Fall muss die Arztpraxis<br />

einer Bewertung unterzogen werden.<br />

Dieser Wert dient dann als Grundlage<br />

für die Aufteilung.<br />

Bei der Bewertung der Arztpraxis hat<br />

der Zivilrichter die Kompetenz, die Bewertungskriterien<br />

festzulegen und den<br />

finanziellen Wert zu bestimmen. Es gibt<br />

verschiedene Bewertungsmethoden, wie<br />

z.B. den Substanzwert oder den Buchwert,<br />

die Praktiker-Methode oder den<br />

Durchschnittswert, die Discounted-Cashflow-Methode<br />

oder den Ertragswert. Der<br />

Gesetzgeber präzisiert nicht, welche Methode<br />

auf welche Situation angewendet<br />

werden muss. Die Bewertung eines kleinen<br />

oder mittleren Unternehmens und<br />

insbesondere eines Einzelunternehmens<br />

ist insofern heikel, als der Erfolg eines solchen<br />

Unternehmens oft an eine bestimmte<br />

Person gebunden ist. Dies ist auch bei<br />

einer Arztpraxis der Fall.<br />

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die<br />

Ergebnisse der Bewertung je nach gewählter<br />

Methode stark schwanken können.<br />

Der Ausgang der gerichtlichen Entscheidung<br />

bezüglich Wert der Arztpraxis<br />

ist damit ungewiss.<br />

Das Bundesgericht hatte einen Fall zu<br />

beurteilen, in dem es um die Frage ging,<br />

welchen Wert der «Patientenstamm» eines<br />

Arztes hat. Das Bundesgericht hat<br />

entschieden, dass in einem solchen Fall<br />

der Kundenstamm eines Arztes aufgrund<br />

des persönlichen Vertrauensverhältnisses,<br />

das ein wesentliches Element in der<br />

Beziehung zwischen Arzt und Patienten<br />

darstellt, keinen sicheren Wert im Vermögen<br />

des Ehegatten darstellt [3]. Im vorliegenden<br />

Fall wurde die Arztpraxis auf der<br />

Grundlage ihres Buchwerts mit mehreren<br />

zehntausend Franken bewertet.<br />

So kommt es häufig vor, dass ein Arzt<br />

seine Praxis verkaufen oder teilweise oder<br />

vollständig auflösen muss, um seinen Verpflichtungen<br />

aus der Scheidung nachkommen<br />

zu können. Für den Arzt kann eine<br />

Scheidung nicht nur den Verlust seiner Arbeitsgrundlage<br />

(seiner Praxis), sondern<br />

auch die Verringerung oder sogar den Wegfall<br />

seines Einkommens (zumindest für einen<br />

bestimmten Zeitraum) bedeuten. Um<br />

eine solch chaotische Situation zu vermeiden,<br />

die kaum vollstreckt werden kann,<br />

empfiehlt es sich, Ärzte auf Alternativen zu<br />

einem Gerichtsverfahren hinzuweisen.<br />

Weshalb? Damit diese die Folgen ihrer<br />

48<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Fokus<br />

Nicht jede Trennung muss in einem Gerichtsprozess enden. Einvernehmliche Lösungen, gefunden mit Hilfe qualifizierter Personen, ersparen oftmals<br />

nicht nur Geld, sondern mildern auch den seelischen Schmerz.<br />

Bild: Adobe Stock<br />

Scheidung bewältigen und zu realistischen,<br />

dauerhaften Lösungen kommen können,<br />

die den Interessen und Bedürfnissen aller<br />

von der Scheidung betroffenen Parteien so<br />

weit wie möglich gerecht werden.<br />

Alternativen zum Gerichtsverfahren<br />

Es gibt verschiedene Alternativen zum<br />

Gerichtsverfahren. Die zu bevorzugenden<br />

sind das kooperative Anwaltsverfahren<br />

(collaborative law & practice, clp) oder die<br />

Mediation.<br />

Das kooperative Anwaltsverfahren ist<br />

freiwillig und vertraulich. Dabei wird jede<br />

Partei von einem eigenen Anwalt unterstützt,<br />

der in diesem Bereich ausgebildet<br />

ist. Es läuft in fünf klar definierten Schritten<br />

ab. Die anwesenden Anwälte verpflichten<br />

sich, ihr Mandat zu kündigen, falls<br />

keine Einigung erzielt werden kann. Die<br />

Arbeit findet im Team statt und folgt den<br />

Grundprinzipien der Transparenz und<br />

Vertraulichkeit [4].<br />

Die Mediation wiederum ist ein freiwilliger<br />

Prozess, bei dem die Parteien mit<br />

Hilfe eines neutralen, unparteiischen und<br />

unabhängigen Mediators versuchen, die<br />

Kommunikation wiederherzustellen und<br />

eine Einigung zu erzielen [5].<br />

Der Entscheid für einen Prozess (Gericht)<br />

oder für eine alternative Vorgehensweise<br />

(kooperatives Anwaltsverfahren<br />

oder Mediation) bringt grundlegende Unterschiede<br />

mit sich:<br />

– In einem Gerichtsverfahren ist es der<br />

Richter, der entscheidet, die Arztpraxis<br />

bewertet und Zahlungsfristen ansetzt.<br />

Im kooperativen Anwaltsverfahren oder<br />

bei der Mediation hingegen sind es die<br />

Parteien die die Wahl haben und finanzielle<br />

Vereinbarungen treffen können,<br />

um das Fortbestehen der Praxis zu ermöglichen.<br />

– In einem Gerichtsverfahren folgt der<br />

Richter strengen Verfahrensregeln (Prozesshandlung,<br />

Beweise, Einvernahme<br />

von Zeugen, Anhörungen, Gutachten),<br />

während beim kooperativen Anwaltsverfahren<br />

oder bei der Mediation die<br />

Anzahl Sitzungen im Voraus festgelegt<br />

wird und die Parteien entscheiden, nach<br />

welcher Methode sie die Arztpraxis bewerten<br />

lassen wollen.<br />

– In einem Gerichtsverfahren können die<br />

anfallenden Kosten extrem hoch sein<br />

und hängen von der Komplexität des<br />

von den Anwälten eingeleiteten Verfahrens,<br />

den herangezogenen Beweismitteln<br />

sowie der Anzahl der erforderlichen<br />

Gerichtsverhandlungen ab. Im Gegensatz<br />

zu einem aussergerichtlichen Verfahren<br />

verliert man hier die Kontrolle<br />

über die finanziellen Konsequenzen des<br />

Gerichtsverfahrens.<br />

Letztendlich sind Lösungen, die von den<br />

Parteien selbst gefunden werden, oft dauerhafter<br />

als die von einem Richter nach<br />

einem oft langen und anstrengenden Prozess<br />

auferlegten Lösungen. Zudem ermöglichen<br />

einvernehmliche Lösungen auch<br />

eine bessere Planung der Folgen hinsichtlich<br />

Steuern, Vorsorge und Übergabe der<br />

Praxis.<br />

Literatur<br />

[1] Pierre Courtioux, Vincent<br />

Lignon, Homogamie éducative et inégalités<br />

de revenu salarial: une perspective de cycle<br />

de vie, 2015.<br />

[2] https://www.bfs.admin.ch/bfs/<br />

de/home/statistiken/bevoelkerung/<br />

heiraten-eingetragene-partnerschaftenscheidungen.html<br />

[3] BGer 5C.271/2005 vom 23. März<br />

2006, Erw. D.b.<br />

[4] https://www.droitcollaboratif.ch/<br />

[5] https://www.vd.ch/themes/<br />

justice/conseils-et-assistance/mediation<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 49


Perspektiven<br />

Aktuelles aus der Gefässmedizin:<br />

Arterielle und venöse Thrombosen bei COVID-19-Infektionen<br />

«Nebenwirkungen»<br />

der Pandemie<br />

Dass COVID-19 weit mehr als eine Erkrankung der oberen Atemwege ist,<br />

wurde bald klar. Das Risiko von kardiovaskulären und thromboembolischen<br />

Komplikationen liegt deutlich höher als etwa bei einer Influenza und<br />

nimmt mit der Schwere der Erkrankung zu. Eine Antikoagulationstherapie<br />

muss individuell evaluiert werden.<br />

Ioannis Sotirelis, Prof. Dr. Alexander Zimmermann, PD. Dr. Claudia Schrimpf, Klinik für Gefässchirurgie,<br />

Universitätsspital Zürich<br />

Die Erkrankung an COVID-19<br />

(Coronavirus Disease 2019)<br />

durch ein SARS-CoV-2 (Severe<br />

Acute Respiratory Syndrome<br />

Coronavirus Type 2) ist mit einer<br />

hohen kardiovaskulären Morbidität und<br />

Mortalität assoziiert [1; 2]. Die Rate an<br />

thromboembolischen und kardiovaskulären<br />

Komplikationen nimmt mit der<br />

Schwere der Erkrankung zu. Thromboembolische<br />

Ereignisse treten nicht nur als<br />

klassische tiefe Venenthrombose (TVT)<br />

oder Lungenembolie (LE) auf, sondern<br />

manifestieren sich auch als Mikrothrombosen<br />

in unterschiedlichen Organsystemen.<br />

Zwei Mechanismen verantwortlich<br />

Als einer der Hauptmechanismen thromboembolischer<br />

Ereignisse der COVID-19-<br />

Infektion wird ein systemischer Inflammationsprozess<br />

verantwortlich gemacht.<br />

Es kommt zu einem Sturm an proinflammatorischen<br />

Zytokinen (wie z.B. Interleukin<br />

[IL]-1, IL2, IL-6 und Tumornekrosefaktor<br />

alpha), die ähnlich wie bei einer<br />

disseminierten intravasalen Gerinnung<br />

(DIC) zu einem prothrombotischen Milieu<br />

mit Steigerung der Produktion und Aktivität<br />

von Thrombozyten als auch zu einer<br />

Verminderung der Fibrinolyse (IL-2) führen.<br />

Anders als bei einer DIC ist bei CO-<br />

VID-19 die Thrombozytopenie gering und<br />

auch die aktivierte partielle Thromboplastinzeit<br />

und/oder Prothrombinzeit nur<br />

in einem geringen Ausmass erhöht. Deshalb<br />

wurde ein zweiter Mechanismus für<br />

die Entstehung arterieller Thrombosen<br />

postuliert, nämlich eine direkte Schädigung<br />

des Endothels mit konsekutiver Endotheliitis<br />

[3, 4]. Diese Hypothese wurde<br />

durch eine relativ frühe Entdeckung von<br />

Varga et al. unterstützt, die elektronenmikroskopisch<br />

SARS-CoV2-Partikel in Endothelzellen<br />

nachweisen konnten [5]. In diesem<br />

Zusammenhang wird angenommen,<br />

dass für die Infektion der Endothelzelle<br />

die Bindung des Virus an den ACE-2-<br />

Rezeptor (Angiotensin Converting Enzyme-2)<br />

notwendig ist [6, 7]. Interessanterweise<br />

deuten einige Studien darauf<br />

hin, dass der ACE-2-Rezeptor auf arteriosklerotischen<br />

Endothelzellen hochreguliert<br />

zu sein scheint [8–10], was das Auftreten<br />

arterieller Thrombosen bei Patienten<br />

mit kardiovaskulärem Risikoprofil und<br />

COVID-19 zusätzlich begünstigt [11, 12].<br />

Häufigkeit arterieller und venöser<br />

Thrombosen<br />

Das Auftreten venöser Thromboembolien<br />

(VTE) variiert aufgrund der unterschiedlichen<br />

Endpunkterfassung in der Literatur.<br />

Zwei Metaanalysen von Patienten mit<br />

COVID-19 konnten Inzidenzen an VTE<br />

von etwa 28–38 Prozent bei Intensivpatien<br />

ten und 7–17 Prozent bei nicht<br />

intensiv pflichtigen Patienten identifizieren<br />

[13, 14]. Am häufigsten kamen tiefe<br />

Beinvenenthrombosen und Lungenembolien<br />

mit jeweils 22 Prozent bei Intensivund<br />

13 Prozent bei nichtintensivpflichtigen<br />

Pa tienten vor [15]. Mit 3,7–9,6 Prozent<br />

sind thrombotische Ereignisse im arteriellen<br />

System weitaus seltener und wurden<br />

dadurch weniger untersucht [16, 17]. Ein<br />

erhöhtes Risiko für das Auftreten eines<br />

akuten Koronarsyndroms aufgrund von<br />

COVID-19 scheint mit vorbestehender<br />

Arteriosklerose assoziiert zu sein und<br />

COVID-19 scheint auch in anderen arteriellen<br />

Stromgebieten das Auftreten arterieller<br />

Thrombosen zu begünstigen [11, 12].<br />

Klok et al. berichteten in einer initialen<br />

Fallserie an 187 intensivpflichtigen Patienten<br />

über 3,7 Prozent ischämische<br />

Schlaganfälle [16]. Eine Metaanalyse der<br />

Datenbank des «Coronavirus Critical Care<br />

Consortiums» konnte bei insgesamt 2699<br />

eingeschlossenen Patienten 19 ischämische<br />

Insulte nachweisen [18]. Verglichen<br />

damit ist das Risiko eines ischämischen<br />

Insultes bei einer vergleichbaren viralen<br />

Erkrankung wie z.B. Influenza mit ca. 0,2<br />

Prozent deutlich niedriger [19]. Anders als<br />

50<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

bei koronaren und zerebralen CO-<br />

VID-19-Manifestationen konnten Cheruiyot<br />

et al. arterielle Thrombosen bei jungen<br />

Männern ohne vorbestehende Atherosklerose<br />

nachweisen. Dabei waren meist<br />

grosse Gefässe wie die Aorta und mesenteriale<br />

Gefässe betroffen [20]. Dies unterstützt<br />

die Theorie, dass auf molekularer<br />

Ebene ein akuter, lokaler Endothelschaden,<br />

also eine Endotheliitis, für das Auftreten<br />

thrombotischer Ereignisse mitverantwortlich<br />

ist. Eine endotheliale arteriosklerotische<br />

Vorschädigung kann zwar<br />

begünstigend wirken, ist jedoch nicht<br />

Grundvoraussetzung für eine CO-<br />

VID-19-bedingte arterielle Thrombose [3–<br />

5, 7]. Letztlich ist der zugrunde lie gende<br />

Mechanismus nicht abschliessend geklärt.<br />

Einen Hinweis geben Fournier<br />

et al., die feststellten, dass eine initiale<br />

Erhöhung des D-Dimers > 1250 ng/l einen<br />

unabhängigen Prädiktor für das Auftreten<br />

arterieller Thrombosen darstellt und<br />

ein dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko<br />

bei COVID-19-Patienten mit arterieller<br />

Throm bose im Vergleich zu Patienten<br />

ohne COVID-19, trotz etablierter Antikoagulation,<br />

besteht [21].<br />

Antikoagulation zur Prävention<br />

thromboembolischer Ereignisse<br />

Aufgrund des erhöhten Risikos thromboembolischer<br />

Ereignisse ist die wissenschaftliche<br />

Evaluation einer Antikoagulation<br />

bei COVID-19 erstrebenswert.<br />

In der ACTION(AntiCoagulaTIon- cOro-<br />

Na virus)-Studie wurden bei an COVID-19<br />

erkrankten Patienten mit erhöhten D-Dimeren<br />

eine 30-tägige therapeutische Antikoagulation<br />

(Rivaroxaban 20 mg oder unfraktioniertes/niedermolekulares<br />

Heparin)<br />

mit einer prophylaktischen In-Hospital-Dosierung<br />

von unfraktioniertem/niedermolekularem<br />

Heparin verglichen. Die therapeutische<br />

Antikoagulation zeigte keinen Vorteil<br />

bezüglich der Sterblichkeit, ging aber mit<br />

einem höheren Blutungsrisiko einher [22].<br />

Hingegen konnte in der ATTACC<br />

(Anti -thrombotic-Therapy-to-Ame liorate-<br />

Complications-of-Covid-19)-Studie belegt<br />

werden, dass hospitalisierte COVID-19-<br />

Erkrankte auf Normalstation von einer therapeutischen<br />

Antikoagulation profitieren<br />

können und entsprechend eine Abwägung<br />

erfolgen sollte [23]. Bei intensiv pflichtigen<br />

Patienten mit COVID-19, ohne anderweitige<br />

Indikation zur Antikoagulation, wurden<br />

verschiedene Studien (ATTACC, ACTIV-4a<br />

und REMAP-CAP) vorzeitig gestoppt, da<br />

es unter Vollantikoagulation zu vermehrten<br />

Blutungsereignissen ohne Prognoseverbesserung<br />

kam [23, 24]. Für den ambulanten<br />

Bereich bzw. nach Spitalaufenthalt<br />

ist anhand der aktuellen Datenlage nicht<br />

davon auszugehen, dass Patienten von<br />

einer Antikoagulation profitieren [25]. Bei<br />

ambulanten Patienten mit hohem Risiko<br />

für eine venöse Thrombo embolie kann<br />

jedoch, je nach Risikoprofil, eine prophylaktische<br />

Antikoagulation erwogen werden<br />

(Tabelle 1) [25].<br />

Besondere Empfehlungen für eine Antikoagulation<br />

bei Patienten mit arterieller<br />

Thrombose aufgrund einer COVID-19-<br />

Infektion bestehen nicht. Vielmehr bestimmt<br />

das Ausmass des operativen/interventionellen<br />

Eingriffs die nachfolgende<br />

Antikoagulationsstrategie.<br />

Letztlich bleibt in der täglichen Praxis<br />

die Durchführung einer Antikoagulation<br />

oftmals eine patientenindividuelle Entscheidung<br />

unter Einbezug des Blutungsund<br />

Thromboserisikos. Die multifaktoriell<br />

bedingte Entstehung der Thrombosen<br />

sowie die unterschiedliche Ausprägung<br />

der COVID-19-Infektion stellen für Kliniker<br />

dabei eine Herausforderung im Therapieentscheid<br />

dar.<br />

Tabelle 1. Antikoagulationsmanagement bei gesicherter COVID-19-Infektion. VTE: venöse Thromboembolie, NMH: niedermolekulares Heparin,<br />

FPX: Fondaparinux, UFH: unfraktioniertes Heparin [25].<br />

Aufenthaltsort<br />

VTE-Risiko<br />

ambulante Behandlung<br />

– Keine generelle prophylaktische oder therapeutische Antikoagulation<br />

bei alten, schwer kranken teils immobilen Patienten<br />

– Prophylaxe möglich Enoxaparin 1×4000 IE sc.<br />

Normalstation VTE-Risiko hoch – Frühe Antikoagulation mit NMH, FPX oder UFH in prophylaktischer<br />

Dosierung bei niedrigem Blutungsrisiko therapeutische Antikoagulation<br />

erwägen<br />

VTE-Risiko niedrig<br />

– Standardmässige medikamentöse Thromboembolieprophylaxe<br />

Intensivstation<br />

ambulant nach<br />

Hospitalisation<br />

VTE-Risiko niedrig<br />

VTE-Risiko hoch<br />

– Standardmässige medikamentöse Thromboembolieprophylaxe<br />

– Engmaschiges Monitoring<br />

– Keine therapeutische Antikoagulation, ohne spezifische Indikation<br />

(z.B. LE)<br />

– Keine prophylaktische oder therapeutische Antikoagulation<br />

– Prophylaktische Antikoagulation erwägen<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 51


Perspectives<br />

Bibliographie<br />

[1] Birocchi S., Manzoni M.,<br />

Podda G. M., Casazza G., Cattaneo<br />

M. High rates of pulmonary artery<br />

occlusions in COVID-19. A<br />

meta-analysis. Eur J Clin Invest.<br />

2021; 51(1): e13433.<br />

[2] Cattaneo M., Bertinato<br />

E. M., Birocchi S., Brizio C.,<br />

Malavolta D., Manzoni M., et al.<br />

Pulmonary Embolism or<br />

Pulmonary Thrombosis in<br />

COVID-19? Is the Recommendation<br />

to Use High-Dose Heparin for<br />

Thromboprophylaxis Justified?<br />

Thromb Haemost. 2020; 120 (8):<br />

1230–2.<br />

[3] Obi A. T., Tignanelli C.<br />

J., Jacobs B. N., Arya S., Park P. K.,<br />

Wakefield T. W., et al. Empirical<br />

systemic anticoagulation is<br />

associated with decreased venous<br />

thromboembolism in critically ill<br />

influenza A H1N1 acute respiratory<br />

distress syndrome patients. J Vasc<br />

Surg Venous Lymphat Disord.<br />

2019; 7 (3): 317–24.<br />

[4] Bellosta R, Luzzani L,<br />

Natalini G, Pegorer M. A., Attisani<br />

L., Cossu L. G., et al. Acute limb<br />

ischemia in patients with<br />

COVID-19 pneumonia. J Vasc Surg.<br />

2020; 72 (6): 1864–72.<br />

[5] Varga Z., Flammer A. J.,<br />

Steiger P., Haberecker M.,<br />

Andermatt R., Zinkernagel A. S., et<br />

al. Endothelial cell infection and<br />

endotheliitis in COVID-19. Lancet.<br />

2020; 395 (10234): 141–8.<br />

[6] Hamming I., Timens W.,<br />

Bulthuis M. L., Lely A. T., Navis G.,<br />

van Goor H. Tissue distribution<br />

of ACE2 protein, the functional<br />

receptor for SARS coronavirus.<br />

A first step in understanding SARS<br />

pathogenesis. J Pathol. 2004; 203<br />

(2): 631–7.<br />

[7] Zou X., Chen K., Zou J.,<br />

Han P., Hao J., Han Z. Single-cell<br />

RNA-seq data analysis on the<br />

receptor ACE2 expression reveals<br />

the potential risk of different<br />

human organs vulnerable to<br />

2019-nCoV infection. Front Med.<br />

2020; 14 (2): 185–92.<br />

[8] Dong B., Zhang C., Feng<br />

J. B., Zhao Y. X., Li S. Y., Yang Y. P.,<br />

et al. Overexpression of ACE2<br />

enhances plaque stability in a<br />

rabbit model of atherosclerosis.<br />

Arterioscler Thromb Vasc Biol.<br />

2008; 28 (7): 1270–6.<br />

[9] Li M. Y., Li L., Zhang Y.,<br />

Wang X. S. Expression of the<br />

SARS-CoV-2 cell receptor gene<br />

ACE2 in a wide variety of human<br />

tissues. Infect Dis Poverty.<br />

2020; 9 (1): 45.<br />

[10] Ma S., Sun S., Li J., Fan<br />

Y., Qu J., Sun L., et al. Single-cell<br />

transcriptomic atlas of primate<br />

cardiopulmonary aging. Cell Res.<br />

2021; 31 (4): 415–32.<br />

[11] Lodigiani C., Iapichino<br />

G., Carenzo L., Cecconi M.,<br />

Ferrazzi P., Sebastian T., et al.<br />

Venous and arterial thromboembolic<br />

complications in COVID-19<br />

patients admitted to an academic<br />

hospital in Milan, Italy. Thromb<br />

Res. 2020; 191: 9–14.<br />

[12] Bansal M. Cardiovascular<br />

disease and COVID-19. Diabetes<br />

Metab Syndr. 2020; 14 (3): 247–50.<br />

[13] Mohamed M. F. H.,<br />

Al-Shokri S. D., Shunnar K. M.,<br />

Mohamed S. F., Najim M. S.,<br />

Ibrahim S. I., et al. Prevalence of<br />

Venous Thromboembolism in<br />

Critically Ill COVID-19 Patients:<br />

Systematic Review and Meta-<br />

Analysis. Front Cardiovasc Med.<br />

2020; 7: 598–846.<br />

[14] Jimenez D., Garcia-<br />

Sanchez A., Rali P., Muriel A.,<br />

Bikdeli B., Ruiz-Artacho P., et al.<br />

Incidence of VTE and Bleeding<br />

Among Hospitalized Patients<br />

With Coronavirus Disease 2019: A<br />

Systematic Review and Meta-analysis.<br />

Chest. 2021; 159 (3): 1182–96.<br />

[15] Liu Y., Cai J., Wang C.,<br />

Jin J., Qu L. A systematic review<br />

and meta-analysis of incidence,<br />

prognosis, and laboratory<br />

indicators of venous thromboembolism<br />

in hospitalized patients<br />

with coronavirus disease 2019. J<br />

Vasc Surg Venous Lymphat Disord.<br />

2021; 9 (5): 1099–111 e6.<br />

[16] Klok F. A., Kruip M.,<br />

van der Meer N. J. M., Arbous M. S.,<br />

Gommers D., Kant K. M., et al.<br />

Confirmation of the high<br />

cumulative incidence of thrombotic<br />

complications in critically<br />

ill ICU patients with COVID-19:<br />

An updated analysis. Thromb Res.<br />

2020; 191: 148–50.<br />

[17] de Roquetaillade C.,<br />

Chousterman B. G., Tomasoni D.,<br />

Zeitouni M., Houdart E., Guedon<br />

A., et al. Unusual arterial<br />

thrombotic events in Covid-19<br />

patients. Int J Cardiol. 2021;.<br />

323: 281–4.<br />

[18] Cho S. M., Premraj L.,<br />

Fanning J., Huth S., Barnett A.,<br />

Whitman G., et al. Ischemic<br />

and Hemorrhagic Stroke Among<br />

Critically Ill Patients With<br />

Coronavirus Disease 2019:<br />

An International Multicenter<br />

Coronavirus Disease 2019 Critical<br />

Care Consortium Study. Crit Care<br />

Med. 2021; 49 (12): e1223–e33.<br />

[19] Merkler A. E., Parikh N.<br />

S., Mir S., Gupta A., Kamel H., Lin<br />

E., et al. Risk of Ischemic Stroke in<br />

Patients With Coronavirus Disease<br />

2019 (COVID-19) vs Patients With<br />

Influenza. JAMA Neurol. 2020;<br />

77(11): 1–7.<br />

[20] Cheruiyot I., Kipkorir V.,<br />

Ngure B., Misiani M., Munguti J.,<br />

Ogeng’o J. Arterial Thrombosis in<br />

Coronavirus Disease 2019 Patients:<br />

A Rapid Systematic Review. Ann<br />

Vasc Surg. 2021; 70: 273–81.<br />

[21] Fournier M., Faille D.,<br />

Dossier A., Mageau A., Nicaise<br />

Roland P., Ajzenberg N., et al.<br />

Arterial Thrombotic Events in<br />

Adult Inpatients With COVID-19.<br />

Mayo Clin Proc. 2021; 96(2):<br />

295–303.<br />

[22] Lopes R. D., de Barros E.<br />

S. P. G. M., Furtado R. H. M,<br />

Macedo A. V. S., Bronhara B.,<br />

Damiani L. P., et al. Therapeutic<br />

versus prophylactic anticoagulation<br />

for patients admitted to<br />

hospital with COVID-19 and<br />

elevated D-dimer concentration<br />

(ACTION): an open-label,<br />

multicentre, randomised,<br />

controlled trial. Lancet. 2021; 397<br />

(10291): 2253–63.<br />

[23] Investigators A,<br />

Investigators AC-a, Investigators<br />

R-C, Lawler P. R., Goligher E. C.,<br />

Berger J. S., et al. Therapeutic<br />

Anticoagulation with Heparin in<br />

Noncritically Ill Patients with<br />

Covid-19. N Engl J Med. 2021; 385<br />

(9): 790–802.<br />

[24] Investigators R-C,<br />

Investigators AC-a, Investigators A,<br />

Goligher E. C., Bradbury C. A.,<br />

McVerry B. J., et al. Therapeutic<br />

Anticoagulation with Heparin in<br />

Critically Ill Patients with Covid-19.<br />

N Engl J Med. 2021; 385 (9): 777–89.<br />

[25] Kluge S., U. J., T. W. S3<br />

Leitlinie Empfehlung zur<br />

stationären Therapie von Patienten<br />

mit COVID-19. AWMF Register <strong>Nr</strong><br />

113/001 [Internet]. 2022.<br />

52<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />

Leitsymptome<br />

bei proktologischen<br />

Erkrankungen und<br />

allgemeine Massnahmen<br />

Manfred Essig, Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie, Spital Tiefenau, Insel Gruppe AG, Bern<br />

Gemeinsamkeit von proktologischen<br />

Erkrankungen ist eine<br />

hohe Selbstmedikation und<br />

eine oft eine längere Leidensgeschichte<br />

zum Schutz der Intimsphäre.<br />

Deshalb ist bei Andeutungen von Beschwerden<br />

ein gezieltes Nachfragen nötig.<br />

Patienten mit proktologischen Erkrankungen<br />

haben eine Anamnese mit gut zu<br />

erfragenden Leitsymptomen. Dabei ist<br />

wichtig zu verstehen, dass im umgangssprach<br />

lichen Verständnis alle Symptome<br />

von Patienten unter dem Begriff: «Ich habe<br />

Probleme mit den Hämorrhoiden» subsummiert<br />

werden. Der umgangssprachlich<br />

verwendete Begriff «Hämorrhoidenbeschwerden»<br />

lässt sich in fünf wesentliche<br />

Leitsymptome aufgliedern, mit denen rein<br />

anamnestisch eine breite Differentialdiagnose<br />

abgebildet werden kann.<br />

Der Leidensdruck ist bei vielen Patienten<br />

oft gut durch einen stabilen Allgemeinzustand<br />

kompensiert, weshalb eine Frage:<br />

«Wie geht es Ihnen?» meist mit «gut» beantwortet<br />

wird.<br />

Initial ist eine grobe Einschätzung<br />

von proktologischen Erkrankungen wichtig.<br />

Ob es sich eher um einen akut benignen<br />

Verlauf, wie zum Beispiel die häufige<br />

symptoma tische Vergrösserung des inneren<br />

Hämorrhoidalplexus mit Blutungen<br />

handelt, oder ob es sich um akut lebensbedrohliche<br />

Zustände handelt, wie zum<br />

Beispiel eine sich abzeichnende Beckenphlegmone.<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der<br />

«Therapeutischen Umschau» (2021), 78(9),<br />

489–493.<br />

Nach einer allgemeinen Anamnese,<br />

welche B-Symptome, Ernährungsgewohnheiten,<br />

Genussmittel und Drogenkonsum,<br />

Bauchsymptome wie Durchfall<br />

oder Obstipation, Medikamenteneinnahmen<br />

und die Sexualanamnese des letzten<br />

Jahres erfragt, kommen wir zu den Leitsymptomen:<br />

1. Haben sie Blut im Stuhl? Wenn ja, ist es<br />

nur am Papier oder nach dem Stuhlgang<br />

verteilt auf die ganze Toi lettenschüssel?<br />

2. Haben sie Schmerzen im Analbereich?<br />

Wenn ja, während des Stuhlgangs oder<br />

den ganzen Tag?<br />

3. Leiden sie unter Juckreiz? Wenn ja, zu<br />

welcher Tageszeit / Jahreszeit, essensabhängig,<br />

bestehen weitere Symp tome?<br />

4. Haben sie ein Fremdkörpergefühl?<br />

Wenn ja, wie lange besteht das und wie<br />

beeinträchtigt sie das in ihrer gesamten<br />

Lebensqualität?<br />

5. Haben sie unwillkürlichen Stuhlabgang<br />

/ ­drang? Wenn ja, haben sie Geburten<br />

oder Operationen hinter sich<br />

leiden sie an einer neurologischen Erkrankung<br />

oder leiden sie an Rückenmarksveränderungen<br />

oder -schädigungen,<br />

hatten sie Operationen im<br />

Anal- / Beckenbereich?<br />

Leitsymptom Blutung<br />

Bestehen nur anale Frischblutabgänge ohne<br />

Schmerzen, ist dies ein häufiges Symptom<br />

von pathologisch vergrösserten inneren<br />

Hämorrhoiden und damit statistisch<br />

das das häufigste Symptom des klassischen<br />

inneren Hämorrhoidalleidens (siehe<br />

Abb. 1a – c) [1, 2].<br />

Dabei spielt das Alter des Patienten<br />

für die nosologische Zuordnung eine wesentliche<br />

Rolle in der statischen Verteilung.<br />

Es treten jedoch Tumoren, sexuell<br />

übertragbare Erkrankungen, entzündliche<br />

Darmerkrankungen in jedem Lebensalter,<br />

jedem Geschlecht und jeder Ethnie<br />

und jedem Sozialstatus auf. Auch wenn<br />

die statistische Verteilung der Symptome<br />

mit dem Alter klar zunimmt, ist es sehr<br />

einschneidend, wenn eine therapierbare<br />

Läsion im jüngeren Lebensalter verpasst<br />

wird.<br />

Blutungen können sich bei fast allen<br />

analen Erkrankungen zeigen, allerdings<br />

in einer differenzierten Gewichtung mit<br />

anderen Symptomen [3].<br />

Innere Hämorrhoiden haben typisch<br />

Frischblut und sonst seltener Symptome,<br />

je nach Stadium wenig Juckreiz, Soiling,<br />

Schmerzen sind eher selten (allenfalls bei<br />

zusätzlichen Entzündungen und Thrombosierungen<br />

bei höhergradigen Hämorrhoidalleiden).<br />

Die Blutmenge kann leicht<br />

bis anämisierend sein, je nach Stuhlkonsistenz<br />

und Konstitution sowie unter Gerinnungshemmung.<br />

Tumoren und deren Vorstufen im<br />

Anal bereich können sich mit Frischblut<br />

zuerst manifestieren, haben aber oft bei<br />

Cave: Jede neu aufgetretene anale<br />

Blutung muss ernst genommen werden<br />

und bedarf einmal einer Standortbestimmung<br />

mittels Endoskopie,<br />

am besten Koloskopie und Anoskopie!<br />

54<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

subtilen Nachfragen Kombinationen mit<br />

Fremdkörpergefühl, Urgesymptomatik,<br />

Gefühl der unvollständigen Entleerung.<br />

Jede sexuell übertragbare Erkrankung<br />

(STD), jede entzündliche Darmerkrankung<br />

kann anale Blutungen hervorrufen<br />

dies können oft auch Schmierblutungen<br />

sein. Wenige Blutauflagerungen am Toilettenpapier<br />

können durch Ekzeme, entzündete<br />

Marisken oder durch schmerzhafte<br />

Fissuren hervorgerufen werden.<br />

Die Aussage «Frischblutabgang» ist<br />

wie Vieles in der Medizin von relativer<br />

Natur und hängt von der Erfahrung des<br />

Beschreibers ab, so können Divertikelblutungen,<br />

je nach Intensität von koaguliertem<br />

Blut bis zum massiven analen Frischblutabgang<br />

das Erscheinungsbild prägen.<br />

Aus ärztlich-ethischer Sicht ist der<br />

Leidensdruck bei analen Blutungen und<br />

die Angst des Patienten oft ein Taktgeber<br />

zur Intensivierung der Diagnostik – aus<br />

gastroenterologischer Sicht sollte jeder<br />

Patient zur Entspannung seiner Angst<br />

zum Ausschluss relevanter Differentialdiagnosen<br />

und zur juristischen Entlastung<br />

des Arztes einer Endoskopie zugeführt<br />

werden [4].<br />

Leitsymptom Schmerz<br />

Anale Schmerzen beeinträchtigen in den<br />

meisten Fällen das Allgemeinbefinden<br />

(siehe Abb. 2a – c).<br />

Schmerzen, welche bei der Defäkation<br />

auftreten und messersticharig sind<br />

und dann noch bis Stunden nach der Defäkation<br />

bestehen können, sind ein klassisches<br />

Leitsymptom der akuten Analfissur.<br />

Die Schmerzen können derartig stark sein,<br />

dass eine Vermeidung des Toilettengangs<br />

mit Folge von Obstipation durch den Patienten<br />

induziert wird. Ursächlich für die<br />

Entstehung der Analfissur ist meist eine<br />

leichte lokale Inflammation mit Dehnung<br />

durch harten Stuhlgang. Die Fissur wird<br />

dabei durch den schmerz-reflektorisch erhöhten<br />

Analsphinktertonus, welche den<br />

Blutabfluss behindert, verlängert.<br />

Schmerzen bei entzündlichen Darmerkrankungen<br />

können nach der Defäkation<br />

kurzzeitig besser werden. Meistens<br />

werden jedoch anale Schmerzen bei der<br />

Defäkation kurzzeitig intensiviert.<br />

Schmerzen, welche unabhängig von<br />

der Defäkation bestehen, sind oft mit<br />

Fremdkörpergefühl kombiniert. Hier ist<br />

an erster Stelle die Thrombose der äusseren<br />

Analvenen zu erwähnen. Diese entsteht<br />

oft unvermittelt innerhalb von wenigen<br />

Stunden, ausgelöst durch Pressen,<br />

langes Sitzen, Lastenheben und vieles<br />

anderes.<br />

Dauerschmerz mit meist leichten bis<br />

schweren und schwersten Allgemeinsymptomen<br />

können durch Abszesse ausgelöst<br />

werden.<br />

Anale Schmerzen erfordern eine lokale<br />

Inspektion und rektal digitale Untersuchung<br />

als Minimum. Bei Unklar heiten<br />

und vor allem bei B-Symptomen ist eine<br />

Bildgebung (CT Becken) zum Ausschluss<br />

von Abszessen nötig.<br />

Leitsymptom Juckreiz<br />

Der Häufigkeit nach spielen hygienische<br />

Aspekte oft kombiniert mit Adipositas eine<br />

grosse Rolle. Klassische Ursachen sind<br />

Ekzeme (siehe Abb. 3a – c) [5].<br />

Bei Juckreiz ohne erkennbare äussere<br />

Ursachen kann pragmatisch an eine Wurminfektion<br />

gedacht werden. Differenzialdiagnostisch<br />

machen sexuell übertragbare<br />

Krank heiten und andere entzündliche Erkrankungen<br />

ebenso einen wesentlichen<br />

Teil aus.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

Abbildung 1a – c. Bei Blutungen: a. Hämorrhoiden Grad II; b. Rektumkarzinom; c. Melanom im Analbereich.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

Abbildung 2a – c. Bei Schmerzen: a. Analfissur; b. Abszess; c. Thrombose.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 55


Perspektiven<br />

Analschleimhautprolaps und innere<br />

Hämorrhoiden ab Grad II können durch<br />

eine unphysiologische Hypersalivation<br />

ebenfalls zu Hautirritationen mit Juckreiz<br />

führen.<br />

Eine Hauptursache für Juckreiz ist<br />

die Anwendung von alkoholhaltigen, vasodilatierenden<br />

Reinigungstüchern oder<br />

die Verwendung von allergisierenden,<br />

topischen Stoffen wie Umweltschutztoilettenpapier<br />

(Herstellung aus alten Zeitungen<br />

mit Druckerschwärze) oder auch<br />

Kamillenextrakte können eine allergisierende<br />

Wirkung haben.<br />

Juckreiz erfordert im Minimum eine<br />

lokale Inspektion und bei Unklarheit eine<br />

proktologische Untersuchung.<br />

Leitsymptom Fremdkörpergefühl<br />

Hier kommen alle Tumorarten und entzündlichen<br />

Erkrankung in Betracht (siehe<br />

Abb. 4a – c).<br />

Dieses Symptom hat eine breite Differentialdiagnose<br />

und bedarf einer in tensiven<br />

Abklärung mittels Endoskopie und bis und<br />

mit MR-Diagnostik oder Endosonographie<br />

des Beckens und Analkanales.<br />

Leitsymptome Inkontinenz<br />

oder Urge-Symptome<br />

Patienten mit Inkontinenz kommen oft<br />

spät zur Abklärung zum Spezialisten, da<br />

die Symptome meist langsam auftreten<br />

und eine Art damit umzugehen etabliert<br />

ist (von häufigen Toilettenbesuchen, Einlagen<br />

tragen, bis zur sozialen Isolation).<br />

Typische einfach zu verstehende Pathophysiologie<br />

ist eine neuromuskuläre<br />

Störung des komplexen Sphinktersystems,<br />

die jede Stufe betreffen kann. Zum<br />

einen können entzündliche Irritationen<br />

zum Beispiel bei einer beginnenden Colitis<br />

ulcerosa im Rectum zu Urge-Symptomen<br />

führen. Zum anderen kann jede<br />

Schädigung des Sphinkters selbst (jede<br />

Geburt, ob normal, Sectio oder traumatisch;<br />

jeder operative Eingriff im Analbereich)<br />

zum Verlust von kontraktilen<br />

Fasern führen. Jede neurogene Schädigung<br />

kann zur Inkontinenzsymptomen<br />

führen (MS, Rückenmarksoperationen,<br />

Parkinson, Diabetes, Traumata, Noxen<br />

wie Alkohol). Meistens kommen relevante<br />

Störungen durch die Kombination von<br />

Schädigung mit zunehmendem Alter vor.<br />

Zusammenfassung<br />

Neben einer allgemeinen Anamnese<br />

gibt es bei proktologischen Erkrankungen<br />

fünf gezielt zu erfragende<br />

Leitsymptome, welche das diagnostische<br />

Prozedere bestimmen. Neben<br />

Allgemeinmassnahmen wie Lifestyle<br />

und Basisthera-pien kommen einfach<br />

anzuwendende Hinweise mit nicht<br />

relevanten Nebenwirkungen zur<br />

Anwendung.<br />

Abstract: Leading<br />

symptoms in proctological<br />

diseases and<br />

general measures<br />

In addition to a general anamnesis,<br />

proctological diseases are characterised<br />

by five specific leading symptoms that<br />

determine the diagnostic procedure.<br />

In addition to general measures such as<br />

lifestyle and basic therapies, easy-touse<br />

tips with no relevant side effects are<br />

explained.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

Abbildung 3a – c. Zu Juckreiz: a. Ekzem; b. Analkarzinom; c. Condylomata acuminata.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

Abbildung 4a – c. Bei Fremdkörpergefühl: a. Rektumtumor; b. gutartige Hypertrophe Analpapille; c. Morbus Crohn Fisteln.<br />

56<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Perspektiven<br />

Grundsätzlich bedürfen die Inkontinenz<br />

und Urge-Symptomatik einer Abklärung<br />

beim Spezialisten oder einem proktologischen<br />

Zentrum. Der Leidensdruck<br />

des Patienten ist hier der Taktgeber.<br />

Therapeutische Basismassnahmen<br />

bei proktologischen Symptomen<br />

Der Grundsatz, dass eine Stuhlregulation<br />

von maximal drei Mal täglich und minimal<br />

drei Mal wöchentlich angestrebt wird,<br />

ist eine Richtlinie, die vom Wohlbefinden<br />

des Patienten bestimmt wird und kann<br />

deshalb auch eine grössere Bandbreite haben<br />

[6].<br />

Ziel ist eine schmerzfreie, geformte,<br />

Defäkation von hellbrauner Farbe, welche<br />

kontrolliert werden kann, aber nicht unterdrückt<br />

werden sollte.<br />

Viele gut durchgeführte Studien bestätigen<br />

den Benefit von klassischen Lifestyleinterventionen.<br />

1. Ausreichende Bewegung (WHO-Empfehlung;<br />

www.euro.who.int)<br />

2. Ernährung im mediterranen Sinn (nicht<br />

Pizza, nicht Pasta – vornehmlich pflanzlich;<br />

www.thelancet.com – mediterranean<br />

diet)<br />

3. Beckenbodentraining zur Motivation<br />

unter physiotherapeutischer Anleitung<br />

4. Anstrebung eines normalen BMI<br />

5. Pragmatischer Versuch mit Flavonoiden,<br />

um den Blutfluss im kleinen Becken<br />

zu regulieren (Daflon®)<br />

Als Basismassnahmen kann bei den Leitsymptomen<br />

nach oder parallel zu den<br />

empfohlenen Abklärungen und spezifischen<br />

Therapien Folgendes allgemein<br />

empfohlen werden.<br />

Leitsymptom Blutung<br />

1. Bei ursächlichem Hämorrhoidalleiden<br />

aller Grade – Beckenbodentraining, Lifestyleinterventionen<br />

2. Stuhlregulation mit Leinsamen und<br />

Floh samen<br />

3. Hygiene mit Wasser und weichen weissem<br />

Papier<br />

4. Keine langen Sitzzeiten auf der Toilette<br />

Leitsymptom Schmerz<br />

1. Analgesie bei Thrombosen mit Novaminsulfon,<br />

oder nicht steroidalen Antirheumatika<br />

(NSAR), oder topisch mit<br />

Lokalanästhetika (Emla®), die Stichinzision<br />

bringt bei der Gesamtschau<br />

über eine Woche keinen Vorteil gegenüber<br />

der konservativen Therapie.<br />

2. Bei Fissuren warme Sitzbäder abends<br />

zur Relaxation der Muskulatur, topisch<br />

Ca-Antagonisten vom Typ Nifedipinsalbe<br />

zwei Mal täglich 0,2 %<br />

3. Stuhlregulation<br />

Leitsymptom Juckreiz<br />

1. Anale Hygiene<br />

2. Lifestyleintervention<br />

3. Bei pruritus sine materie: pragmatischer<br />

Versuch mit Mebendazol (Vermox®)<br />

4. Meiden von Feuchttüchern (Allergisierung,<br />

Vasodilatation)<br />

5. Kein Umweltschutztoilettenpapier (Druckerschwärze)<br />

6. Topische Hautpflege mit Mandelöl,<br />

Zinksalbe (bei Rissen)<br />

Leitsymptom Fremdkörpergefühl<br />

1. Stuhlregulation<br />

2. Bei Nachweis von unspezifischen entzündlichen<br />

Veränderungen kurzzeitige<br />

pragmatische Therapie mit Mesalazin<br />

Leitsymptom Inkontinenz / Urge<br />

1. Hygiene<br />

2. Beckenbodentraining Biofeedback unter<br />

geschulter physiotherapeutischer<br />

Leitung<br />

3. Vorbeugung durch Schwangerschaftsgymnastik<br />

4. Vermeidung von relativ indizierten<br />

operativen Eingriffen im Analbereich<br />

Literatur<br />

[1] Kuehn HG, Gebbensleben O, Hilger<br />

Y, Rohde H. Relationship between anal<br />

symptoms and anal findings. Int J Med Sci.<br />

2009;6:77 – 84.<br />

[2] Gallo G, Martellucci J, Sturiale<br />

A, Clerico G, Milito G, Marino F, et al. Consensus<br />

statement of the Italian society of<br />

colorectal surgery (SICCR): management<br />

and treatment of hemorrhoidal disease.<br />

Tech Coloproctol. 2020;24:145 – 164.<br />

[3] Jensen SL, Harling H,<br />

Arseth-hansen P, Tange G. The natural<br />

history of symptomatic haemorrhoids.<br />

Int J Colorectal Dis. 1989;4:41 – 4.<br />

[4] Pfenninger JL, Surrell J. Nonsurgical<br />

treatment options for internal<br />

hemorrhoids. Am Fam Physician.<br />

1995;52:821 – 34.<br />

[5] Kreuter AJ. Proctology – diseases<br />

of the anal region. Dtsch Dermatol<br />

Ges. 2016;14:352 – 73. quiz 372 – 5.<br />

[6] Alonso-Coello P, Zhou Q, Martinez-Zapata<br />

MJ, Mills E, Heels­ Ansdell D,<br />

Johanson JF, et al. Meta-analysis of flavonoids<br />

for the treatment of haemorrhoids.<br />

Br J Surg. 2006;93:909 – 20.<br />

Prof. Dr. med. Anne Leuppi-Taegtmeyer, PhD<br />

Oberärztin Klinische Pharmakologie<br />

und Toxikologie<br />

Leiterin Regionales Pharmacovigilance Zentrum<br />

Universitätsspital Basel<br />

Petersgraben 4<br />

4031 Basel<br />

Anne.Leuppi-Taegtmeyer@usb.ch<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 57


©Pierre-Yves Massot<br />

Lachen und Träume<br />

für unsere Kinder im Spital<br />

Jede Woche erhalten die Kinder im Spital Besuch von<br />

den Traumdoktoren.<br />

Ihre Spende schenkt Lachen. Herzlichen Dank.<br />

www.theodora.ch<br />

IBAN CH51 0900 0000 1006 1645 5


Perspektiven<br />

Der besondere Ort<br />

Ein einzigartiges<br />

Naturjuwel<br />

Fabian Kraxner, Redaktionsmitglied <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />

Mein Lieblingsort liegt<br />

bloss 900 Längs- und<br />

80 Höhenmeter entfernt<br />

von meiner Wohnadresse<br />

im attraktiven Zürcher Bezirk Affoltern.<br />

Der badetaugliche Naturweiher in<br />

Hedingen ist ein friedvoller, idyllischer<br />

und kraftspendender Ort. Er ist zu jeder<br />

Jahreszeit facettenreich und bei allen<br />

Generationen beliebt, ein kleines Naturjuwel<br />

fernab von Trubel und Wirbel.<br />

Nachstehend schildere ich einige Impressionen<br />

im Jahresverlauf.<br />

Wenn im Herbst die bunten Blätter<br />

von den Bäumen fallen, die Tage kürzer<br />

und die Nächte länger werden, Morgennebel<br />

über dem Wasser liegt, erscheint<br />

uns der Weiher mit seinem Schilf- und<br />

Wiesenufer, den Büschen und Bäumen<br />

als mystischer und kraftvoller Ort.<br />

Die Stimmung erinnert mich an ein<br />

Gedicht von Eduard Mörike mit dem Titel<br />

«Septembermorgen»:<br />

Bild: zvg<br />

Im Nebel ruhet noch die Welt,<br />

Noch träumen Wald und Wiesen:<br />

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,<br />

Den blauen Himmel unverstellt,<br />

Herbstkräftig die gedämpfte Welt<br />

In warmem Golde fliessen.<br />

Raureif bedeckt Bäume und Sträucher<br />

rund um den Weiher, Schnee überpudert<br />

den Boden. Der Winter hat sich angekündigt.<br />

Die Luft ist kalt, und wenn die<br />

Sonnenstrahlen durch die Bäume<br />

scheinen, ist dies ein erquickender<br />

Moment. Immer wieder ist der Weg zum<br />

und um den Weiher ein lohnenswerter<br />

Winterspaziergang, wohltuend für Körper<br />

und Geist. Bei genügend Schnee besteht<br />

die Möglichkeit, auf der nahe gelegenen<br />

Hochebene Feldenmaas Langlauf zu<br />

betreiben.<br />

Die Tage werden spürbar länger,<br />

die Vögel zwitschern es laut von den<br />

Bäumen, die Knospen an Büschen und<br />

Bäumen spriessen, erste Blümchen<br />

erscheinen aus dem Boden. Ja, es stimmt:<br />

Der Frühling ist da. Am Weiher wirds<br />

belebter; Kinder und Erwachsene spielen,<br />

lachen und diskutieren im Restaurant<br />

oder beim gemeinsamen Picknick.<br />

Die Wärme des Sommers, die grosszügige<br />

Liegewiese sowie die familiäre<br />

Atmosphäre locken Bade- und Sonnenliebhaber<br />

zum Weiher. Das gemütliche,<br />

feine Restaurant freut sich ebenso darüber.<br />

Es wird geplanscht, geschwommen<br />

oder ins erfrischende Nass gesprungen.<br />

Ganz persönlich freue ich mich auf den<br />

«Abendschwumm» am Ende des Tages.<br />

Das Schwimmen Richtung Abendrot ist<br />

für mich eine unersetzliche Wohltat.<br />

Der Naturweiher ist aus Hedingen<br />

nicht wegzudenken. Er verbindet die<br />

gesamte Bevölkerung an einem wunderprächtigen<br />

Ort. Klein, aber fein, und dies<br />

zu jeder Jahreszeit.<br />

Fabian Kraxner<br />

ist seit 2021 Redaktionsmitglied<br />

des <strong>vsao</strong><br />

<strong>Journal</strong>s und Oberarzt<br />

in der Psychiatrie und<br />

Psychotherapie.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 59


mediservice<br />

Briefkasten<br />

Unfall mit Garagenauto –<br />

wie ist das versichert?<br />

Während einer Reparatur<br />

an meinem Fahrzeug<br />

stellte mir die Garage<br />

ein Ersatzauto zur<br />

Verfügung. Ohne mein Verschulden<br />

wurde ich in eine Kollision verwickelt.<br />

Wer bezahlt die Drittschäden und die<br />

Schäden am Garagenauto?<br />

Da Sie als Lenker des von der Garage zur<br />

Verfügung gestellten Autos kein Verschulden<br />

trifft, können sich die Garage<br />

(für die Bezahlung des Schadens am zur<br />

Verfügung gestellten Ersatzwagen) und<br />

allfällige andere Geschädigte direkt an<br />

den Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden<br />

Autos wenden. Wir gehen<br />

davon aus, dass Ihnen die Garage den<br />

Ersatzwagen aufgrund einer vorgängigen<br />

Abmachung gegen Entgelt – eventuell zu<br />

einem reduzierten Preis – zur Verfügung<br />

stellte. Die Fahrzeugbenutzung erfolgte<br />

daher aufgrund eines Mietvertrages.<br />

Wurde Ihnen hingegen das Ersatzfahrzeug<br />

als Dienstleistung gratis abgegeben,<br />

würde es sich um eine Gebrauchsleihe<br />

handeln. Da Sie an der Kollision nachweislich<br />

keine Schuld trifft, können Sie<br />

hinsichtlich der Beschädigungen am<br />

gemieteten oder geliehenen Fahrzeug<br />

gegenüber der Garage den für beide<br />

Vertragssituationen nötigen Entlastungsbeweis<br />

erbringen. Sie sind somit in<br />

beiden Fällen gegenüber der Garage nicht<br />

entschädigungspflichtig.<br />

Direktes Forderungsrecht des<br />

Geschädigten<br />

Die Garage kann sich als geschädigte<br />

Partei aufgrund des im Strassenverkehrsgesetz<br />

verankerten direkten Forderungsrechtes<br />

unmittelbar an den Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherer<br />

des ihr<br />

bekannten Schadenverursachers wenden.<br />

Dieser wird die Schadenerledigung<br />

aufgrund der klaren Verschuldenslage<br />

unverzüglich in die Wege leiten und<br />

schliesslich die ausgewiesenen Reparaturkosten<br />

übernehmen. Sollte die Garage<br />

für das beschädigte Fahrzeug eine<br />

Vollkasko-Versicherung besitzen, kann<br />

sie den Schaden unter Berücksichtigung<br />

des vertraglichen Selbstbehaltes auch<br />

über diese Versicherung abwickeln<br />

lassen. Die Vollkasko-Versicherung wird<br />

sich dann ihre Aufwendungen vom<br />

Haftpflichtversicherer des Verursachers<br />

zurückerstatten lassen. Auch den vertraglichen<br />

Vollkasko-Selbstbehalt kann die<br />

Garage vom Haftpflichtversicherer des<br />

Schadenverursachers zurückfordern.<br />

Schweizerischer Versicherungsverband<br />

(SVV)<br />

Bild: Adobe Stock<br />

60<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


Wir beraten Ärztinnen und Ärzte, weil wir sie gut verstehen.<br />

Lassen Sie sich von uns einen gratis Versicherungs-Check-Up<br />

verschreiben. Und danach sprechen wir über Ihre Personenversicherung,<br />

Sach- und Vermögensversicherung und Unfallversicherung.<br />

www.mediservice-<strong>vsao</strong>.ch


mediservice<br />

Fitter mit<br />

Klettern<br />

Sportklettern in der Halle ist so populär wie Krafttraining<br />

im Fitnesscenter und findet sogar im Schulsport statt. Weil ausser<br />

Muskelkraft auch Beweglichkeit, Gleichgewicht und mentale Power<br />

trainiert werden, gilt Klettern als Prävention.<br />

Kimberly Ann Zwygart, Spezialistin Bewegung bei santé24 / SWICA<br />

Klettern und Bouldern sind<br />

nicht nur im Trend, sondern<br />

mittlerweile etablierte Breitensportarten<br />

zum Aufbauen<br />

von Kraft, Beweglichkeit, gutem Gleichgewicht,<br />

mentaler Stärke und taktischem<br />

Geschick. Neben der Arm- und Schultermuskulatur<br />

werden dabei ganze Muskelschlingen<br />

inklusive der Rumpfmuskulatur<br />

aktiviert. Das Ganzkörpertraining<br />

schult auch die Bewegungskoordination.<br />

Haltung und auch das Körpergefühl verbessern<br />

sich.<br />

Boomender Freizeitsport für alle<br />

Nur wenige Sportarten haben sich in den<br />

letzten Jahren so stark entwickelt wie das<br />

Sportklettern. Gemäss Zahlen des Bundesamts<br />

für Sport aus dem Jahr 2021 betreiben<br />

3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung<br />

die zur Sportart Klettern gehörenden<br />

Disziplinen Bouldern, Bergsteigen,<br />

Indoor-Klettern, Eisklettern, Freestyle<br />

und Freeclimbing. Während Klettern am<br />

Fels draussen das Naturerlebnis miteinschliesst,<br />

hat der Sport in der Halle den<br />

Vorteil, ganzjährig unabhängig von Wetterbedingungen<br />

praktiziert werden zu<br />

können.<br />

Beim Sportklettern dienen Seil und<br />

Haken üblicherweise nur als Sicherung<br />

und werden nicht für die Fortbewegung<br />

benutzt. Meistens wird in Zweierseilschaf-<br />

ten geklettert, wobei sich eine Person am<br />

Boden befindet und sichert, während die<br />

andere Person klettert. Bouldern ist Sportklettern<br />

in Absprunghöhe. Daher fehlen<br />

Sicherungsseil und Klettergurt. Eine Matte<br />

am Boden soll Stürze abfangen und<br />

Fussverletzungen verhindern. Weil der<br />

Bewegungsablauf beim Bouldern sehr<br />

komplex ist, muss die Route vorgängig<br />

geistig bewältigt werden. Konditionell ist<br />

in der Regel ein sehr hoher Krafteinsatz<br />

notwendig.<br />

Sicher unterwegs in der Kletterwand<br />

Der Klettersport ist grundsätzlich für jede<br />

Person geeignet. Lediglich ist Vorsicht geboten<br />

bei akuten Verletzungen oder Entzündungen.<br />

Diese sollten ärztlich abgeklärt<br />

werden, bevor man mit dem Klettern<br />

beginnt. Gemäss Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

bfu sind die Hauptunfallursachen<br />

beim Hallenklettern Ablenkung<br />

und falsche Sicherung. Um das Risiko zu<br />

minimieren, ist wichtig: Sicherungstechnik<br />

erlernen und die Knoten überprüfen<br />

lassen, mit einer Person klettern, der man<br />

vertraut, sich nicht ablenken lassen. Gutes<br />

Aufwärmen senkt das Verletzungsrisiko<br />

ebenfalls. Als Ausgleich zum Klettersport<br />

eignet sich zum Beispiel Schwimmen,<br />

also Ausdauertraining kombiniert<br />

mit Beweglichkeit. Ausdauertraining steigert<br />

die Leistungsfähigkeit, während die<br />

Beweglichkeit wichtig ist, damit die Muskeln<br />

geschmeidig und beweglich bleiben.<br />

Wertvolles Training auch für Kinder<br />

Klettern fördert auch die physische<br />

und psychische Gesundheit der Kinder.<br />

Es schult Motorik, Koordination und die<br />

räumliche Orientierungsfähigkeit, die<br />

Konzentration und stärkt das Selbstbewusstsein.<br />

Ab wann ein Kind klettern darf,<br />

hängt von seiner Entwicklung ab und von<br />

den Eltern, inwiefern sie das zulassen. Ein<br />

vierjähriges Kind kann auch spielerisch<br />

die Kletterwand «erkunden» und mit einem<br />

Seil von den Eltern abgesichert werden.<br />

Grundsätzlich liegt das ideale Einstiegsalter<br />

für das Bouldern bei sechs bis<br />

acht Jahren, da Kinder in diesem Alter in<br />

der Lage sind, Regeln zu befolgen. Sie sollten<br />

aber immer von einer volljährigen Begleitperson<br />

beaufsichtigt werden. Seit<br />

Klettern in den Lehrplan 21 der Volksschule<br />

aufgenommen wurde, lernen die Kinder<br />

vielerorts schon im Schulsport, wie man<br />

richtig und sicher klettert.<br />

Bilder: zvg; Adobe Stock<br />

62<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


mediservice<br />

SWICA unterstützt<br />

den Klettersport<br />

Seit 2015 besteht die Kollektivpartnerschaft<br />

zwischen der IGKA Interessengemeinschaft<br />

Kletteranlagen Schweiz<br />

für einen sicheren und qualitativ<br />

hochstehenden Indoor-Klettersport<br />

und SWICA. Über die Hälfte der 76<br />

Kletterhallen in der Schweiz haben<br />

einen Vertrag mit SWICA. Klettern<br />

und Bouldern gehören zu den gesundheitsfördernden<br />

Sportarten, die<br />

SWICA mit umfangreichen Gesundheitsförderungsbeiträgen<br />

unterstützt:<br />

Bei entsprechender Zusatzversicherung<br />

erhalten Kundinnen und Kunden<br />

von SWICA anerkannten Kletterhallen<br />

bis zu 600 Franken jährlich an ihr<br />

persönliches Kletterabonnement für<br />

ein, sechs oder zwölf Monate zurückerstattet.<br />

Mehrfache<br />

Prämien rabatte<br />

Als Mitglied von mediservice <strong>vsao</strong>asmac<br />

profitieren Sie bei SWICA dank<br />

Kollektivvertrag und BENEVITA<br />

Bonusprogramm von attraktiven<br />

Prämienrabatten auf Spital- und<br />

Zusatzversicherungen. Zudem unterstützt<br />

SWICA Ihre Aktivitäten in<br />

den Bereichen Bewegung, Ernährung<br />

und Entspannung mit bis zu<br />

800 Franken pro Jahr.<br />

www.swica.ch/de/mediservice<br />

SWICA ist zudem Partner der Kletterweltmeisterschaft<br />

<strong>2023</strong>, die vom<br />

1. bis 12. August in Bern stattfindet.<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 63


mediservice<br />

Mobilität der<br />

Zukunft<br />

Elektromobilität, Car-Sharing, Multimodalität.<br />

Die Liste der Möglichkeiten und Trends im Bereich Mobilität ist lang –<br />

und sie wird länger. Während sich vor ein paar Jahren<br />

die Frage stellte, ob man das Auto, die öffentlichen Verkehrsmittel<br />

oder das Fahrrad nimmt, gibt es heute viel mehr Optionen und<br />

Variationsmöglichkeiten. Und die Innovationslust im Bereich Mobilität<br />

kommt dabei keineswegs zum Erliegen.<br />

Bild: zvg<br />

64<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


mediservice<br />

men und dabei auch zeitlich effizient zu<br />

handeln, funktioniert als Katalysator für<br />

diese Entwicklung. Als Entscheidungshilfe<br />

für die Wahl des Fortbewegungsmittels<br />

helfen zum Beispiel Faktoren wie<br />

Strecke, Verkehrsdichte oder Rushhour.<br />

Shared Mobility: mieten statt<br />

besitzen<br />

Um nahtlos und einfach ans Ziel zu kommen,<br />

stellt sich längst nicht mehr nur<br />

die Frage nach dem richtigen Gefährt,<br />

sondern auch, ob es ein eigenes oder ein<br />

gemietetes sein soll. «Sharing is caring.»<br />

Ob Autos, Fahrräder oder Roller, sie alle<br />

können einfach nach Bedarf gemietet<br />

werden. Zeit und Kosten für die Instandhaltung<br />

entfallen, abgerechnet wird kilometergenau.<br />

Wir zahlen nur, was wir nutzen<br />

und bleiben dabei stets flexibel.<br />

Gleichzeitig gibt es beruhigende Effekte<br />

auf Parkflächen und Verkehrsdichte. Die<br />

Umwelt fährt mit uns. Verlockend und<br />

auch clever, könnte man meinen. Und<br />

doch nutzen laut Swiss Mobility Monitor<br />

2022 weiterhin mehr als 75 Prozent der<br />

Schweizer das eigene Auto und nur 10 Prozent<br />

nutzen Car-Sharing als Alternative.<br />

Ähnlich gering ist die Anzahl Personen,<br />

die vorhaben, in den nächsten Monaten<br />

Car-Sharing-Angebote beruflich oder privat<br />

zu nutzen. Und das, obwohl unsere<br />

Autos laut Mobilitätsforschung 95 Prozent<br />

der Zeit ungenutzt herumstehen.<br />

Elektromobilität: Steckdose statt<br />

Zapfsäule<br />

Auch die Möglichkeiten der Elektromobilität<br />

werden aktuell noch nicht vom<br />

Grossteil der Schweizer Bevölkerung genutzt.<br />

Im Jahr 2022 handelte es sich<br />

gemäss Bundesamt für Statistik bei nur<br />

2,3 Prozent der immatrikulierten Personenwagen<br />

um Fahrzeuge mit Elektroantrieb.<br />

Der Grossteil der Autofahrer setzt<br />

nach wie vor auf den klassischen Benziner,<br />

gefolgt von Dieselmotoren.<br />

Gleichzeitig steigt aber die Zahl der<br />

Neuzulassungen von Elektroautos stark<br />

an. So wurden in der Schweiz 2021 im<br />

Vergleich zum Vorjahr 62,1 Prozent mehr<br />

MyWay: die kilometergenaue Autoversicherung<br />

Ideal für Personen, die nur bei Bedarf fahren: Eine kleine Grundgebühr – und dann<br />

zahlen Sie nur noch pro gefahrene Kilometer. Den bewährten Versicherungsschutz von<br />

Zurich geniessen Sie trotzdem rund um die Uhr.<br />

Unterwegs sein ist längst mehr,<br />

als von A nach B zu gelangen.<br />

Ob beruflich oder privat, jeder<br />

von uns bewegt sich regelmässig<br />

an verschiedene Orte. Zu Fuss<br />

zum Bahnhof und dann mit dem Zug weiter,<br />

einen E-Roller mieten und an der Bushaltestelle<br />

umsteigen oder doch direkt<br />

das Auto für den gesamten Weg nehmen?<br />

Inzwischen gibt es eine Fülle an Möglichkeiten,<br />

die sich zusätzlich noch kombinieren<br />

lassen. Verschiedene Fortbewegungsmittel<br />

für eine Wegstrecke nehmen – die<br />

sogenannte Multimodalität wird zunehmend<br />

attraktiver. Das Bedürfnis, bequem<br />

und ohne Hindernisse ans Ziel zu kommediservice<br />

<strong>vsao</strong>-Mitgliedschaft<br />

Dank Ihrer mediservice <strong>vsao</strong>-Mitgliedschaft<br />

geniessen Sie bei Zurich<br />

erstklassige Vorzüge.<br />

Besuchen Sie einfach online den<br />

Mitgliederbereich und entdecken<br />

Sie die Möglichkeiten:<br />

zurich.ch/de/partner/login<br />

Ihr Zugangscode: TqYy4Ucx<br />

Bei Fragen erreichen Sie uns telefonisch<br />

montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr<br />

unter<br />

0800 33 88 33<br />

Bitte erwähnen Sie bei Ihrer Kontaktaufnahme<br />

mit Zurich immer Ihre<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-Mitgliedschaft.<br />

Elektroautos neu in Verkehr gesetzt. Der<br />

Anstieg setzt sich auch 2022 fort, bleibt<br />

jedoch gesamthaft kaum spürbar. Die Einstellung<br />

der Bevölkerung zu neuen und<br />

alternativen Fortbewegungsmöglichkeiten<br />

wirkt weiterhin zögerlich. Ob und wie<br />

weit sich der Blickwinkel öffnet, wird die<br />

Zukunft zeigen. Der Anstieg bei den Neuzulassungen<br />

von Elektroautos erlaubt jedoch<br />

den Eindruck, dass sich etwas tut.<br />

Fahren wir künftig autonom?<br />

Die abwartende Haltung gegenüber Car-<br />

Sharing und Elektromobilität verstärkt<br />

sich im Hinblick aufs autonome Fahren.<br />

Während Assistenzsysteme wie die Einparkhilfe<br />

sich grosser Beliebtheit er freuen,<br />

bleibt die Haltung gegenüber der Vision<br />

vom selbstfahrenden Auto reserviert. Früher<br />

gab es den Traum vom Fliegen. Heute<br />

wird am Fahren ohne Fahrer gearbeitet.<br />

Die Skepsis erscheint nicht völlig unbegründet<br />

angesichts der vielen technischen<br />

Herausforderungen. Die Fahrzeuge müssen<br />

standardisiert aufgesetzt werden und<br />

dann in individuellen, teils unvorhersehbaren<br />

Situationen bestehen. Welche konkreten<br />

Lösungen für diese Art der Komplexität<br />

bei der Mobilitätsinnovation realisierbar<br />

sind, ist an vielen Stellen noch offen.<br />

Wo wir hinwollen und wie ebenfalls.<br />

Eins ist sicher: Die Möglichkeiten werden<br />

weiterwachsen und unserem Bedürfnis<br />

nach Flexibilität und komfortabler Fortbewegung<br />

Rechnung tragen.<br />

Mehr dazu erfahren Sie online auf zurich.ch/myway<br />

<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 2/23 65


Impressum<br />

Kontaktadressen der Sektionen<br />

<strong>Nr</strong>. 2 • 42. Jahrgang • <strong>April</strong> <strong>2023</strong><br />

Herausgeber/Verlag<br />

AG<br />

VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />

Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 88<br />

journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />

www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />

Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />

Redaktion<br />

Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />

Kerstin Jost, Fabian Kraxner, Maya Cosentino,<br />

Bianca Molnar, Patricia Palten, Léo Pavlopoulos,<br />

Lukas Staub, Anna Wang<br />

Geschäfts ausschuss <strong>vsao</strong><br />

Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />

(Vizepräsidentin), Severin Baerlocher,<br />

Christoph Bosshard (Gast), Marius Grädel,<br />

Patrizia Kündig, Richard Mansky,<br />

Gert Printzen, Svenja Ravioli, Patrizia Rölli,<br />

Martin Sailer, Jana Siroka, Clara Ehrenzeller<br />

(swimsa)<br />

Druck, Herstellung und Versand<br />

Stämpfli AG, Kommunikationsunternehmen,<br />

Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />

Telefon +41 31 300 66 66<br />

info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />

Layout<br />

Oliver Graf<br />

Titelillustration<br />

Stephan Schmitz<br />

Inserate<br />

Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />

Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />

Telefon 044 928 56 53<br />

E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />

Auflagen<br />

Druckauflage: 22 250 Expl.<br />

WEMF/KS-Beglaubigung 2022: 21 697 Expl.<br />

Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />

inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 3/<strong>2023</strong> erscheint im<br />

Juni <strong>2023</strong>. Thema: Digital<br />

© <strong>2023</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

BL/BS<br />

VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />

lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />

4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />

sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />

BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />

info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />

FR<br />

ASMAC Sektion Freiburg, Sanae Chemlal, Rue du Marché 36, 1630 Bulle,<br />

presidence@asmaf.ch<br />

GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />

Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />

GR<br />

JU<br />

NE<br />

VSAO Sektion Graubünden, Kornplatz 2, 7000 Chur, Samuel B. Nadig,<br />

lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55,<br />

info@<strong>vsao</strong>-gr.ch, www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />

ASMAC Sektion Jura, Bollwerk 10, 3001 Bern, sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch<br />

Tel. 031 350 44 88<br />

ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />

Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />

Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />

SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />

9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />

surber@anwaelte44.ch<br />

SO<br />

TI<br />

TG<br />

VD<br />

VS<br />

VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />

segretariato@asmact.ch<br />

VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />

asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />

ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />

Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />

Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />

VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />

Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />

Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />

ZH/SH<br />

VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />

Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />

susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />

Publikation<strong>2023</strong><br />

FOKUSSIERT<br />

KOMPETENT<br />

TRANSPARENT<br />

Gütesiegel Q-Publikation<br />

des Verbandes Schweizer Medien<br />

66<br />

2/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>


PROFITIEREN SIE VON<br />

EXKLUSIVEN VORTEILEN.<br />

Dank der Partnerschaft zwischen mediservice <strong>vsao</strong>-asmac und SWICA<br />

sowie dem BENEVITA Bonusprogramm erhalten Sie bis zu 30 Prozent*<br />

Prämienrabatt auf ausgewählte Zusatzversicherungen.<br />

*Mehr erfahren<br />

Telefon 0800 80 90 80 oder swica.ch/mediservice<br />

In Partnerschaft mit<br />

AndreaMag ®<br />

300 mg Magnesium (12.3 mmol)<br />

• Brausetabletten mit angenehmem Geschmack<br />

• Erhältlich als Orangen- oder Himbeeraroma<br />

• Vegan<br />

Kassenpflichtig<br />

Mehr<br />

Informationen:<br />

Andreabal AG, 4123 Allschwil<br />

www.andreabal.ch<br />

Andreamag®, Z: Magnesium 300 mg (12.3 mmol). I: Magnesiummangel, zur Deckung eines erhöhten Bedarfs während der Schwangerschaft und Stillzeit, im<br />

Hochleistungssport, Neigung zu Wadenkrämpfen, bei muskulären Krampfzuständen, bei Eklampsie und Präeklampsie, tachykarden Herzrhythmusstörungen.<br />

D: Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren: 1x täglich 1 Brausetablette oral. KI: Niereninsuffizienz, AV-Block, Exsikkose. IA: Tetracycline, Eisensalze, Cholecalciferol.<br />

UW: Gelegentlich Durchfall. P: 20 und 60 Brausetabletten. VK: Liste D. 04/2020. Kassenpflichtig. Ausführliche Informationen unter www.swissmedicinfo.ch.<br />

Andreabal AG, Binningerstrasse 95, 4123 Allschwil, Tel. 061 271 95 87, Fax 061 271 95 88 www.andreabal.ch


Was ist besser<br />

als rechtzeitig<br />

anzukommen?<br />

Mit 28 Zurich Help Points und<br />

250 Partnergaragen bringen wir<br />

Sie sicher und schnell ans Ziel.<br />

mediservice <strong>vsao</strong>-asmac Mitglieder<br />

profitieren von Sonderkonditionen.<br />

Prämie berechnen:<br />

zurich.ch/partner<br />

Zugangscode: TqYy4Ucx<br />

ZH32441-2203

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!