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Die grüne Bude - Herten erleben

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nachbarn & freunde<br />

Leben in der <strong>Bude</strong><br />

<strong>Bude</strong>nromantik auf 18 Quadratmetern<br />

Ruhrgebietsidylle in Langenbochum >>><br />

25|2008 <strong>Herten</strong> <strong>erleben</strong> 39


FOTOS: ANDREAS ANDERS<br />

Momentaufnahmen: Tatjana Aufferkamp raucht eine Zigarette, Horst Brauer und Christian Chilla sind Freunde fürs Leben, Klaus Schröder denkt nach und ein Kind kauft Klümpchen.<br />

Eigentlich wollte Birgit Glöckner an der <strong>grüne</strong>n<br />

<strong>Bude</strong> nur für ihren Mann ein Bier holen.<br />

Was sie dann mit nach Hause brachte, waren ein<br />

Bier und ein Aushilfsjob am Büdchen. „Und als<br />

die Inhaberin schließlich aufhören wollte, habe<br />

ich die <strong>Bude</strong> übernommen“, strahlt die 45-jährige<br />

schlanke Frau. Seit sechs Jahren ist sie nun<br />

die Chefin auf geschätzten 18 Quadratmetern<br />

an der Langenbochumer Straße. Ihr Büdchen<br />

bietet Süßigkeiten, Zigaretten und Getränke, ist<br />

Nahversorger, Wohnzimmer und Nachbarschaftstreff<br />

in einem. Am Schiebefenster der<br />

<strong>grüne</strong>n <strong>Bude</strong> ist immer was los.<br />

Das kleine Holzhaus an der Langenbochumer<br />

Straße steht mitten zwischen mehrgeschossigen<br />

Wohn- und Geschäftshäusern. Ein wenig<br />

trotzig steht es da, mit seinem frechen, <strong>grüne</strong>n<br />

Anstrich. Kaum größer als eine Garage mit<br />

40 <strong>Herten</strong> <strong>erleben</strong> 25|2008<br />

Spitzdach und Verkaufsöffnung. Ein Eisfähnchen<br />

flattert im Wind und ein Strauch schmiegt<br />

sich schutzsuchend an die Außenwand. Um die<br />

<strong>Bude</strong> ranken sich Legenden und Anekdoten, die<br />

von den Stammgästen gerne weiter erzählt werden.<br />

Längst ist die <strong>grüne</strong> <strong>Bude</strong> bekannt als eine<br />

der schönsten, ältesten und urigsten im ganzen<br />

Revier. Vor einigen Jahren wurde sie sogar mit<br />

einem Preis ausgezeichnet und in den Routenführer<br />

der „Route der Industriekultur“ aufgenommen.<br />

Wenn Birgit Glöckner vormittags um elf den<br />

Rollladen vor dem kleinen Fenster hochzieht,<br />

sind die ersten Kunden schon zur Stelle. So wie<br />

Klaus Schröder, der sich erst mal ein Bier bestellt<br />

... und für seinen Hund ein Erdbeer-Eis. „Es<br />

darf auch Vanille sein“, ruft er durch das kleine<br />

Fenster, während Birgit Glöckner in der Eistruhe<br />

wühlt. „Erdbeere und Vanille hat er einfach lieber<br />

als Schokolade“, schiebt Schröder erklärend<br />

hinterher. Balu, der Golden Retriever, blickt freudig<br />

hechelnd zur Fensteröffnung. Hier kommt<br />

gleich sein Leckerchen.<br />

An der <strong>grüne</strong>n <strong>Bude</strong> werden eben noch<br />

Sonderwünsche erfüllt, da ist der Kunde König.<br />

Auch das Bier gibt’s in Wunschtemperatur:<br />

„Kühlschrank oder Kiste“, fragt Glöckner nach.<br />

„Und wenn ich weiß, was einer besonders gern<br />

hat, erweitere ich natürlich mein Sortiment“, erläutert<br />

die Frau von der <strong>Bude</strong> ihr Geschäftskonzept.<br />

Auch die Wünsche der jüngsten Kunden<br />

darf sie dabei nicht aus den Augen verlieren.<br />

Mittags, gleich nach Schulschluss, ist nämlich<br />

„High Noon“ an der <strong>grüne</strong>n <strong>Bude</strong>.<br />

Schüler der nahe gelegenen Waldschule<br />

drängen sich dann am etwa ein Meter breiten


Fensterbrett. Kinderstimmen schallen durcheinander.<br />

Für kurze Zeit scheint die <strong>grüne</strong> <strong>Bude</strong> der<br />

belebteste Ort in ganz Langenbochum zu sein.<br />

Lutscher und Bonbons werden durch das Schiebefenster<br />

gereicht und bei den Stammgästen<br />

wird so manche alte Erinnerung wieder lebendig.<br />

Einige von ihnen haben in ihrer Kindheit an<br />

eben diesem Fenster ebenfalls mit strahlenden<br />

Augen Süßigkeiten entgegen genommen.<br />

Am Nachmittag werden die <strong>Bude</strong> und der<br />

Platz davor zum Treffpunkt. Es kommen fast nur<br />

Langenbochumer hierher und Scherlebecker.<br />

„Hier trifft man immer ein paar Bekannte. Man<br />

kennt sich eben. An der <strong>Bude</strong> erfährt man immer<br />

das Neueste. Und wenn man etwas oder jemand<br />

sucht, wird schon irgendjemand etwas wissen.“<br />

Und was heutzutage keineswegs mehr selbstverständlich<br />

ist: hier ist man noch hilfsbereit.<br />

„Da kam mal ein Rentner mit seinem Rad<br />

vorbei, da war der Reifen platt“, erzählt einer der<br />

älteren Stammgäste. „Und die jungen Leute haben<br />

ihm das einfach mal eben geflickt!“ Da ist sie<br />

wieder: Eine der vielen Geschichten, die sich um<br />

diese <strong>Bude</strong> ranken. Und wer noch mehr hören<br />

will, braucht nur an die verschlossene <strong>grüne</strong> Türe<br />

zu klopfen. Denn, wer hätte es gedacht, die <strong>grüne</strong><br />

<strong>Bude</strong> hat ein Innenleben! Echte <strong>Bude</strong>nromantik<br />

auf 18 Quadratmetern. Inklusive Warenlager.<br />

Hier sollen sich zwischen Kühltruhe, Kasse<br />

und Theke früher bis zu 20 Personen aufgehalten<br />

haben, weiß ein Stammgast hinter vorgehaltener<br />

Hand zu berichten. Auch heute sitzen<br />

schon drei Gäste auf der Holzbank mit karierten<br />

Bezügen. Ein altes Förderband ersetzt den Bodenbelag.<br />

Das SportBild-Thermometer an der<br />

Wand der „Räucherkammer“ zeigt 26 Grad. Daneben<br />

der Spielplan der Fußball-Bundesliga und<br />

eine blauweiße Fahne. Stammgast Christian<br />

Chilla macht eine klare Ansage: „Hier ist<br />

Schalke.“ Und da kommt sie schon, die nächste<br />

Anekdote.<br />

Seit 1923 steht die <strong>Bude</strong> und sie war immer<br />

grün. Ziemlich ungewöhnlich, aber sonst wäre<br />

es ja auch nicht die „<strong>grüne</strong> <strong>Bude</strong>“. Und damit das<br />

so bleibt, ist die Farbe im Pachtvertrag festgeschrieben.<br />

Bisweilen wird sogar gemunkelt, die<br />

<strong>grüne</strong> <strong>Bude</strong> stehe unter Denkmalschutz. Ganz so<br />

weit ist es aber doch noch nicht. Trotzdem muss<br />

es ein ziemlich dickes Ding gewesen sein, als die<br />

Stammgäste die legendäre <strong>Bude</strong>, in den Vereinsfarben<br />

blau und weiß umlackierten.<br />

„Das gab natürlich sofort Ärger und wir<br />

mussten sie wieder grün streichen“, erinnert<br />

sich Chilla an jene Tage im Jahr 1997, als<br />

Schalke den UEFA-Pokal gewann. Aber ein Mann<br />

wie er gibt nicht auf: „Es wird Zeit, das Schalke<br />

Meister wird. Dann streichen wir die <strong>Bude</strong> wieder<br />

blau-weiß an!“<br />

infotipps<br />

Ingo J. Freitag<br />

<strong>Die</strong> <strong>grüne</strong> <strong>Bude</strong><br />

Birgit Glöckner, Langenbochumer Straße 203<br />

45701 <strong>Herten</strong>, Öffnungszeiten: täglich<br />

von 11 bis 22 Uhr, Tel.: 0 23 66 / 18 46 20

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