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Der Orden der Allerheiligsten Dreifaltigkeit<br />

von der Erlösung der Gefangenen und<br />

seine Tätigkeit in den habsburgischen<br />

Ländern (1688–1783)<br />

Entstehung und Verbreitung des Ordens<br />

Von Elisabeth Pauli<br />

Der heute in der Öffentlichkeit nahezu unbekannte Orden der Trinitarier war in<br />

der Habsburgermonarchie vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18.<br />

Jahrhunderts sehr präsent in der Wahrnehmung der zeitgenössischen Gesellschaft<br />

1 , und zwar aufgrund seiner im Vergleich zu vielen anderen katholischen<br />

Orden „spektakulären“ Haupttätigkeit, der Befreiung christlicher Gefangener<br />

„aus den Händen der Ungläubigen“ 2 . Begründet wurde der „Ordo Sanctissimae<br />

Trinitate de redemptione captivorum“, zu Deutsch: „Orden der Allerheiligsten<br />

Dreifaltigkeit von der Erlösung Gefangener“, in den 1190er Jahren von Johannes<br />

de Matha (1154–1213) und Felix von Valois (1127–1212) in Frankreich 3 . Die Genehmigung<br />

zur Errichtung ihres ersten „Hauses der Barmherzigkeit“ (benannt<br />

Cerfroid) erhielten die beiden vom französischen König, Philipp II. August.<br />

Unter Absprache mit dem Bischof von Paris, Odo, und dem Abt von Saint-Victor,<br />

Absalon, wanderten die beiden Ordensgründer Anfang 1198 nach Rom, um<br />

von Papst Innozenz III. die Approbation zu erlangen. Schon am 16. Mai 1198<br />

wurden die ersten drei Häuser des Ordens unter päpstlichen Schutz gestellt und<br />

die Ordensregeln am 8. Dezember bestätigt. Die Approbation des Ordens ge-<br />

1 Nach der Aufhebung des Ordens in der Habsburgermonarchie durch Joseph II. kam es erst<br />

um 1900 zu einer neuerlichen Ansiedlung dieser geistlichen Gemeinschaft im Gebiet des heutigen<br />

Österreich, freilich mit veränderter Aufgabenstellung. Heute bestehen Ordensniederlassungen<br />

in Mödling und Wien (Mexikoplatz).<br />

2 Hierzu Elisabeth PAULI, Die Trinitarier in Österreich von 1688 bis 1783. Der Orden der Allerheiligsten<br />

Dreifaltigkeit von der Erlösung Gefangener in der Habsburgermonarchie und seine Befreiungstätigkeit<br />

(Dipl. <strong>Graz</strong> 2004). Die Forschungen zu diesem Thema setze ich derzeit im Rahmen<br />

des FWF-Projekts „Karitative religiöse Orden im frühneuzeitlichen Mitteleuropa“ fort.<br />

3 Richard von KRALIK, Geschichte des Trinitarierordens. Von seiner Gründung bis zur seiner<br />

zweiten Niederlassung in Österreich (Wien - Innsbruck - München o.J. [1920]) 11–13.


88 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

schah mit der Bulle „Operante divinae dispositionis“ am 17. Dezember 1198 4 .<br />

Die dabei bestätigten Regeln waren von Odo und Absalon verfasst worden 5 .<br />

Aufgrund der engen Beziehung des Johannes von Matha zu den Augustiner-<br />

Chorherren von Saint-Victor in Paris wurden die Trinitarier zunächst den Augustiner-Chorherren<br />

zugerechnet, später aber den Mendikanten; eindeutig als<br />

Bettelorden defi niert wurde aber erst im Jahr 1609 der Ordenszweig der Unbeschuhten<br />

Trinitarier, die ab dem späten 17. Jahrhundert auch in Österreich ihr<br />

Wirken entfalteten 6 . Johannes wollte nach der Approbation sofort selbst mit den<br />

Redemptionen, also den Erlösungen oder Befreiungen gefangener Christen, beginnen,<br />

wurde aber vom Papst in den Vatikan abberufen, sodass die englischen<br />

Trinitarier Johann Anglik und Wilhelm Scot die erste Redemption durchführten.<br />

Mit einem Empfehlungsschreiben von Innozenz III. an Abu Abd Allah Muhammad<br />

al-Nasir, den König von Marokko, mit dem Titel „Inter opera misericordiae“<br />

machten sich die beiden 1199 auf den Weg nach Marokko und feierten<br />

einen großen Erfolg, als sie wenig später mit 186 befreiten Christen wieder<br />

in Marseille an Land gingen 7 . Während sich Johannes de Matha in der Folge<br />

eher den Redemptionen widmete, begründete Felix de Valois karitative Tätigkeiten<br />

des Ordens im Bereich der Seelsorge und Krankenpfl ege; er gründete<br />

die so genannten „Häuser der Barmherzigkeit“; im Jahr 1209 existierten insgesamt<br />

bereits 30 Niederlassungen des Ordens, von denen zehn mit einem Hospital<br />

ausgestattet waren 8 .<br />

Im Zentrum der Ordenstätigkeit stand aber jedenfalls die Gefangenenbefreiung<br />

als evangelische Tat der Barmherzigkeit; sie wurde ab dem 13. Jahrhundert zu<br />

einem festen Bestandteil der Caritas, der sich die institutionelle Kirche insgesamt<br />

zu widmen hatte 9 .<br />

Auch vor der Gründung des Trinitarierordens waren in den christlichen Ländern<br />

Gefangenenfreikäufe bzw. Gefangenenaustausche durchgeführt worden,<br />

besonders auf der Iberischen Halbinsel, wo es seit dem frühen Mittelalter beständig<br />

zu Kriegen zwischen Christen und Muslimen gekommen war. Bei den<br />

hier durchgeführten Gefangenenbefreiungen handelte es sich aber um einen<br />

Geschäftszweig, der von den so genannten „Exeas“ oder „Alfaqueques“ ausgeübt<br />

wurde. Da die Lösegelder üblicherweise sehr hoch veranschlagt waren und<br />

4 Franz BUHL, Die Wiederkehr der Trinitarier nach Österreich (Dipl. Wien 1997) 5.<br />

5 Georg DENZLER u. Carl ANDRESEN, Wörterbuch Kirchengeschichte (München 1997) 593.<br />

6 Anthony d’ERRICO, The Trinitarians. An Overview of their eight hundred year service to God<br />

and Humanity (Rom o.J. [ca. 1998, Privatdr.]) 78.<br />

7 Max HEIMBUCHER, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche (Paderborn<br />

3 1933) I 450 sowie BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 4) 10.<br />

8 Ruth KOBLIZEK, Die erste Niederlassung des Ordens der unbeschuhten Trinitarier in Wien.<br />

Kloster und Kirche zur allerheiligsten Dreifaltigkeit in der Alserstrasse in Wien (Dipl. Wien<br />

1995) 16.<br />

9 Vgl. d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 82.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

zusätzlich 10 bis 25 % des Betrages an die Vermittler zu bezahlen waren, konnten<br />

sich das nur sehr begüterte Menschen leisten, sodass für die Masse der Gefangenen<br />

kaum eine Chance auf Rückkehr bestand. Die einzige Möglichkeit<br />

bestand in der Flucht; misslang diese aber, zog das meist sehr schwere Konsequenzen<br />

nach sich, z.B. Verstümmelung 10 . Eine weitere Möglichkeit des Gefangenen,<br />

sein Schicksal zu verbessern, war natürlich, zum jeweils anderen Glauben<br />

überzutreten, was aber für einen Menschen des Mittelalters und der Frühen<br />

Neuzeit eigentlich fast die völlige Aufgabe seiner bisherigen Existenz bedeutete.<br />

Deswegen betrachtete es die neu entstandene religiöse Gemeinschaft der Trinitarier<br />

als ihr wesentlichstes Ziel, im Rahmen ihrer Befreiungstätigkeit die Seelen<br />

der gefangenen Christen zu retten, d.h. diese vor der Apostasie zu bewahren.<br />

Sehr prägnant bringt dieses Bestreben der im frühen 18. Jahrhundert in der<br />

österreichischen Ordensprovinz als Pater Redemptor tätige Trinitarier Joannes<br />

a San Felice auf den Punkt:<br />

„Was in der Tartarey, Türkei oder Barbarei verkauft und gelöst wird,<br />

[...] was von den Ketten befreit wird, sind die Körper, aber was vor allem<br />

gekauft und erhalten wird, was hauptsächlich erlöst wird, was an erster<br />

Stelle aus der Gefangenschaft befreit werden soll, sind die Seelen.<br />

[...] Seelen und Körper werden erlöst, Seelen und Körper werden befreit.<br />

Aber [...] [was] das letztendliche Ziel [betrifft]: die Seelen werden um ihrer<br />

selbst willen, die Körper aber wegen der Seelen erlöst und erkauft.<br />

Daher auch erlösen wir nicht Christen, die bei Gläubigen in Gefangenschaft<br />

festgehalten werden [...]“ 11 .<br />

Das im 13. Jahrhundert mit dem Trinitarierorden (und seit 1218 auch dem<br />

Mercedarierorden) entstandene Engagement in der Gefangenenbefreiung als<br />

selbstlose christliche Aufgabe steht dabei im Zusammenhang mit einer generell<br />

verstärkten Beachtung der Sieben Werke der Barmherzigkeit als zentralem Element<br />

des Christentums, unter welchen auch die Erlösung der Gefangenen fi rmiert:<br />

„Kranke besuchen, Hungernde speisen, Durstige tränken, Gefangene er-<br />

10 Vgl. d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 82.<br />

11 JOANNES A SAN FELICE, Triumphus Misericordiae, id est Sacrum Ordinis SSS. Trinitatis Institutum<br />

Redemptionis Captivorum, cum Adiuncto Kalendaro Ecclesiastico Historico Universi<br />

Ordinis (Wien 1704) 116. Im Original: „Quod in Tartaria Turcia sive Barbaria venditur &<br />

solvitur [...] quod a catenis liberatur, esse corpora, sed quod principaliter emitur & acquiritur,<br />

quod principaliter redimitur, quod primario a captivitate liberari intenditur, esse animas.<br />

[...] Animae & Corpora redimuntur, Animae & Corpora liberantur. Sed [...] ultimum<br />

fi nem; animae gratia & amore sui ipsarum, corpora vero gratia & amore animarum redimuntur<br />

& comparantur. Hinc est, quod non redimamus Christianos, qui apud Fideles in<br />

captivitatem sunt adstricti [...]“.<br />

89


90 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

lösen, Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Tote begraben“ 12 . Dass sich bis<br />

dahin kaum eine kirchliche Organisation der Gefangenenbefreiung annahm,<br />

lag sicher auch daran, dass es sich um eine sehr beschwerliche, schwierige und<br />

spezialisierte Arbeit handelte. Auf den Umstand, dass diese Tat der Barmherzigkeit<br />

bisher missachtet wurde und diesem durch den Trinitarierorden Abhilfe<br />

zu schaffen wäre, wies Papst Innozenz III. in seinem Brief an Abu Abd Allah<br />

Muhammad al-Nassir, den Almohaden-König von Marokko, aus dem Jahr<br />

1199 hin. Dieser Brief gilt auch als eines der ersten Zeugnisse von friedlichen<br />

Annäherungen und Verhandlungen zwischen Christen und Muslimen; zugleich<br />

wurde auch das kanonische Verbot aufgehoben, das untersagte, dass Christen<br />

mit Muslimen Geschäfte betreiben, und so eine Vorbedingung geschaffen, damit<br />

überhaupt Sklaven von beiden Seiten verkauft bzw. ausgetauscht werden<br />

konnten 13 . In dem Schreiben an den marokkanischen König betont Innozenz<br />

auch, dass der Orden aufgrund eines Zeichens von Gott und daher quasi von<br />

Gott selbst gegründet worden sei, ein in der islamischen Welt vermutlich auch<br />

nicht unerheblicher Hinweis 14 .<br />

Die „Wiederbelebung“ der sieben Werke der Barmherzigkeit im Hochmittelalter<br />

setzte ein gewisses Maß an Solidarität voraus; im Falle der Gefangenenbefreiung<br />

musste diese Solidarität über die Grenzen der eigenen Verwandtschaft<br />

oder Gemeinde hinaus und die damit verbundene Betroffenheit angesichts des<br />

Unrechts und Leids, das jemandem angetan wird, offensichtlich erst entwickelt<br />

werden. Mit der zunehmenden Urbanisierung, aber auch mit der Kreuzzugsidee<br />

wurde so im 12. und 13. Jahrhundert die weitgehende Beschränkung der sozialen<br />

Welt auf dörfl iche und abstammungsmäßige Gemeinschaften überwunden.<br />

Die Ordensgründungen des 12. und 13. Jahrhunderts erhoben demgemäß einen<br />

neuen Anspruch an die Welt und an sich selbst. Die Trinitarier sprachen in ihren<br />

Prozessionen, die sie mit Trompeten und Pauken untermalten, und bei denen sie,<br />

wenn möglich, auch ehemalige Gefangene mit sich führten, die von ihren Erlebnissen<br />

ergreifend erzählen sollten, das Mitgefühl und Mitleid der Menschen an.<br />

Die Sammlungen für die Befreiungsfahrten, die so genannten „Redemptionen“,<br />

fanden üblicherweise spezifi sch für eine Region statt, sodass die Bevölkerung<br />

derselben für die Verschleppten ihres Heimatlandes Verantwortung übernehmen<br />

sollten. Möglicherweise haben auch diese Almosensammlungen zur Ent-<br />

12 Aus den im Matthäusevangelium genannten sechs Werken der Barmherzigkeit wurden im<br />

3. Jahrhundert, seit Lacantius, sieben – wohl auch als Parallelisierung zu anderen biblischen<br />

Aufzählungen mit der heiligen Siebenzahl; das hinzugefügte „7. Werk“ betrifft die Totenbestattung.<br />

Vgl. Marlies GIELEN, Werke der Barmherzigkeit. In: Walter KASPAR u.a. (Hgg.), Lexikon<br />

für Theologie und Kirche 10 [LThK] (Freiburg - Basel – Wien 3 2006) 1098–1100.<br />

13 d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 48.<br />

14 d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 47.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

stehung eines über rein verwaltungsmäßige Zugehörigkeiten hinausgehenden<br />

regionalen Zusammengehörigkeits- und Solidaritätsgefühls beigetragen.<br />

Bei ihren Almosensammlungen sollten die Trinitarier aufgrund päpstlicher Privilegien<br />

auch nicht durch kirchliche (Diözesan-) oder weltliche Grenzen beeinträchtigt<br />

und durch keinerlei Behörden in ihrer Tätigkeit gehindert werden.<br />

Die Spendengeber ihrerseits konnten mit Ablässen ihrer Sündenstrafen rechnen<br />

15 . Clemens VI. und Urban VI. erteilten 1343 bzw. 1384 zudem Weisungen<br />

an die Bischöfe, dass alle Priester, die die Trinitarier daran hinderten, um Almosen<br />

zu betteln, oder von ihnen einen Anteil des gesammelten Geldes oder<br />

der Gaben verlangten, hart bestraft werden sollten 16 . Eminente Bedeutung für<br />

das „Fund-Raising“ der Trinitarier hatten von Anfang an Bruderschaften, teils<br />

auch der Tertiarorden, welche sehr verbreitet waren und schon im 13. Jahrhundert<br />

einen beträchtlichen Teil des Geldes für die Freikäufe aufbrachten. Um das<br />

Jahr 1200 wurde auch ein weiblicher Zweig des Trinitarierordens gegründet,<br />

der sich hauptsächlich der Krankenpfl ege und später auch dem Unterricht von<br />

Mädchen widmete. Die Trinitarierinnen waren besonders in Spanien und Portugal<br />

verbreitet 17 .<br />

Die rechtmäßige Etablierung des Ordens wurde durch Papst Honorius III. am 9.<br />

Februar 1217 abermals bestätigt, außerdem wurde allen Bischöfen und Prälaten<br />

geraten, die Ausbreitung der Trinitarier zu unterstützen, was einer raschen Verbreitung<br />

den Weg ebnete. Der Höhepunkt der Ausdehnung des Ordens war im<br />

15. Jahrhundert erreicht, mit angeblich 880, jedenfalls aber mehreren hundert<br />

Konventen und kleineren Niederlassungen 18 . Hierauf folgte aber, wie ja bei vielen<br />

geistlichen Gemeinschaften im Spätmittelalter, ein gewisser Niedergang der<br />

Trinitarier, die nun zu den etablierten Orden zählten und deren Mitglieder die<br />

ursprünglichen Ziele und Regeln vielfach vernachlässigten. Mit den Reformen<br />

Ende des 16. Jahrhunderts – nicht zuletzt im Zuge des Konzils von Trient und<br />

der beginnenden Gegenreformation – kam man den ursprünglichen Zielen wieder<br />

näher. Die Klöster der Trinitarier wurden im Allgemeinen in strategisch<br />

wichtigen Städten errichtet, so z.B. in Marseille oder Barcelona. Bereits im<br />

Spätmittelalter bestanden Niederlassungen in Frankreich, Spanien, Flandern,<br />

15 d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 84.<br />

16 d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 85, 96–97.<br />

17 Vgl. Angelo ROMANO, Le Affi liazione dell’Ordine Trinitario. Appunti storici (Isola del Liri 1947)<br />

25–32; <strong>Karl</strong> Suso FRANK, Trinitarier, Trinitarierinnen. In: LThK 10 (wie Anm. 12) 239.<br />

18 Vgl. Max HEIMBUCHER, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche (Paderborn<br />

1933) I 450; Joseph HERGENRÖTHER u. Franz KAULEN, Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon<br />

oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften 12 (Freiburg<br />

2 1901) 84. – Den Berichten des Mönches Alberich zufolge soll es schon 50 Jahre nach Bestehen<br />

des Ordens 600 größere und kleinere Häuser gegeben haben, vor allem in Frankreich, Spanien,<br />

England, Italien und Schottland; vgl. Moritz GMELIN, Die Trinitarier oder Weißspanier in<br />

Österreich. In: Österreichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie 10 (1871) 345.<br />

91


92 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Luxemburg, Portugal, Italien, England, Schottland, Irland, Griechenland und<br />

Palästina 19 . In Frankreich trug besonders auch die Anteilnahme König Ludwigs<br />

IX., des Heiligen, der 1250 von den Trinitariern aus der Gefangenschaft im Heiligen<br />

Land freigekauft worden war, zum Erfolg des Ordens bei. 1259 stiftete<br />

Ludwig das berühmte Kloster Fontainebleau und schenkte den Trinitariern einen<br />

„Dorn aus der Dornenkrone Jesu“; außerdem war er das berühmteste Mitglied<br />

des Dritten Ordens der Trinitarier 20 .<br />

Was die Ordensregeln betrifft, so besteht eine Besonderheit darin, dass aufgrund<br />

des spirituellen Bezugs zur Trinität der Zahl 3 in allen Bereichen des Ordenslebens<br />

eine große Bedeutung eingeräumt wurde. Neben den drei allgemeinen<br />

Ordensgelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams befolgten<br />

die Trinitarier daher noch eine besondere Bestimmung, wonach jegliche Einnahmen<br />

des Ordens in drei gleiche Teile geteilt werden mussten, wobei je einer<br />

für den Unterhalt der Ordensbrüder, für die Unterstützung von Armen und<br />

Kranken sowie für den Loskauf von Gefangenen Verwendung fi nden sollte. Diese<br />

„Drittel-Lösung“ wurde zunächst sehr streng gehandhabt und erhielt mit der<br />

erweiterten Regel von 1267 eine bis zu den Ordensreformen der Frühen Neuzeit<br />

gültige Form 21 . Unter den Päpsten Leo X. und Hadrian VI. ging man am Anfang<br />

des 16. Jahrhunderts jedoch zeitweilig so weit von der ursprünglichen Regel<br />

ab, dass die Dreiteilung einer Schenkung gänzlich ausbleiben konnte, wenn<br />

ein Entschluss des jeweiligen Ordensprovinzials dies erlaubte 22 . Nichtsdestoweniger<br />

sollten die Brüder selbstverständlich auch zu dieser Zeit in persönlich bescheidenen<br />

Verhältnissen leben; das Bekenntnis zur Armut sollte glaubwürdig<br />

sein. Die Kirchen der Trinitarier sind deshalb von schlichter Bauart; sie sind im<br />

Übrigen sämtlich der Dreifaltigkeit geweiht 23 . Weitere Bestimmungen der Ordensregeln<br />

beziehen sich auf das Zusammenleben der Brüder, die Zeiten des<br />

Gebets und der Meditation, die Ordenstracht, die Aufnahme von Kandidaten<br />

etc. Strenge Bestimmungen waren u.a. das Schweigegebot im Chor, im Refektorium<br />

und in den Schlafkammern und die Beschränkung des Genusses von<br />

19 Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 18) 345. – Eines der ältesten Klöster war jenes des Hl.<br />

Mathurin in Paris, das schon Anfang des 13. Jahrhunderts auf dem Platz, wo die Kapelle des<br />

Hl. Mathurin gestanden war, errichtet wurde. Deswegen hießen die Trinitarier in Frankreich<br />

auch Maturiner. Im englischen Sprachraum waren die Mönche als „Brothers of the Trinity“<br />

oder „Friars Redeemers“ bekannt, in Schottland wurden sie zudem als „Red Friars“ betitelt.<br />

Aber auch der Name „Eselsbrüder“ war üblich, weil den Mönchen beim Sammeln der Spenden<br />

zunächst nur die Fortbewegung auf Eseln, nicht aber auf Pferden gestattet war. Diese Einschränkung<br />

war aber schon bald durch einen Dispens von Honorius III. aufgehoben. – Vgl.<br />

d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 112; HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 7) 452; d’ERRICO,<br />

Trinitarians (wie Anm. 6) 110–112.<br />

20 KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 3) 24–29.<br />

21 d’ERRICO, Trinitarians (wie Anm. 6) 110–112.<br />

22 GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 18) 359f.<br />

23 KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 3) 23.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Fleisch auf Sonn- und Feiertage. Außerdem sollte jeder Bruder, einschließlich<br />

der Kleriker, einer dem Orden dienlichen Beschäftigung nachgehen 24 ; die Brüder<br />

sollten sich zudem als den Armen und Gefangenen gleichgestellt betrachten<br />

25 . Die Gleichheit der Brüder untereinander sollte auch nicht dadurch beeinträchtigt<br />

werden, dass etwa ein Novize beim Eintritt ins Kloster Geldzahlungen<br />

leisten würde, wodurch ein Vorwurf der Protektion entstehen könnte. Mitgebrachte<br />

Wertsachen wurden daher im Kloster deponiert und bei einem etwaigen<br />

Austritt wieder zurückerstattet. Auf die Ausbildung der Novizen wurde besonders<br />

großer Wert gelegt; strebte ein Trinitarier die Priesterlaufbahn an, sollte<br />

er an einer anerkannten <strong>Universität</strong> 26 studiert haben 27 . Eine Ordensniederlassung<br />

bestand im Allgemeinen aus drei bis zwanzig Brüdern; einzelne Konvente<br />

– so jener in Wien im 18. Jahrhundert – konnten aber auch etliche Dutzend Mitglieder<br />

aufweisen. Die Ordensregeln von 1267 legten auch die Organisationsstruktur<br />

fest, wobei als zentrale Elemente, wie auch in anderen geistlichen Gemeinschaften<br />

üblich, die einzelnen Konvente mit ihrem jeweiligen Vorsteher,<br />

„Pater Minister“ genannt, sowie die Ordensprovinzen, an deren Spitze jeweils<br />

ein Provinzial stand, erscheinen. Sowohl auf diesen beiden Ebenen als auch in<br />

der Gesamtleitung des Ordens, dem der Ordensgeneral vorstand, spielten auch<br />

Kollektivorgane eine wichtige Rolle. Eine der entscheidendsten Funktionen für<br />

das Erreichen der Ordensziele erfüllte aber – schon der Titel weist darauf hin<br />

– der „Pater Redemptor“, also dasjenige Ordensmitglied, welches tatsächlich<br />

die Befreiungsaktionen durchführte. Ihm konnte zur Unterstützung ein weiterer<br />

Bruder, der so genannte Socius, beigestellt werden, der ihn gegebenenfalls<br />

auch ablöste. Der Redemptor führte die Verhandlungen mit den Besitzern der<br />

christlichen Sklaven, übergab die Lösegelder bzw. die auszutauschenden muslimischen<br />

Gefangenen, überwachte die Rückführung der befreiten Christen und<br />

erstattete nach Abschluss der Redemption Bericht an die Superioren. Außerdem<br />

hatte der Redemptor die Leitung der Almosensammlung inne, wobei ihn<br />

zwei oder drei Prokuratoren unterstützten, welche für die Durchführung der<br />

Sammlung von Geld und Naturalien verantwortlich waren 28 .<br />

Die Ordensreform durch Juan Baptist de la Concepcion und<br />

die Regeln der Unbeschuhten Trinitarier<br />

Juan Baptist de la Concepcion – auf Deutsch Johann Baptist von der Empfängnis<br />

– wurde am 10. Juli 1561 in Almodóvar del Campo als Juan García Rico ge-<br />

24 KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 24.<br />

25 Quirin de LEEUW, Die Trinitarier. Ein alter Orden mit jungem Herzen (Mödling 1984) 16f.<br />

26 KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 3) 31.<br />

27 Vgl. KOBLIZEK Niederlassung (wie Anm. 8) 24.<br />

28 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 26.<br />

93


94 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

boren. Im Alter von 17 Jahren studierte er in Baeza, danach in Toledo und in Alcalá<br />

29 . Nach seinem Eintritt in den Trinitarierorden fi el er als besonders leidenschaftlicher<br />

Kanzelprediger in Toledo und Sevilla auf, wovon auch der Dichter<br />

Lope de Vega berichtete. Angeregt durch die Reformbewegung, die vom Konzil<br />

von Trient ausging, und deren Ideen bereits „Reformorden“, wie z.B. Jesuiten,<br />

Theatiner und die Hospitalbrüder des Hl. Johannes von Gott, folgten, wollte<br />

Juan García die Trinitarier im Sinne des Tridentinums umgestalten, wobei<br />

dies vor allem durch die Wiederbelebung der Befolgung der ursprünglichen Regeln<br />

aus dem 13. Jahrhundert erreicht werden sollte. Allerdings stieß er dabei in<br />

den eigenen Reihen auf großen Widerstand, sodass er zeitweise überlegte, aus<br />

dem Trinitarierorden aus- und den Unbeschuhten Karmeliten beizutreten, mit<br />

denen ihn ohnehin eine sehr enge Freundschaft verband 30 . Im Jahr 1594 kam es<br />

in Valladolid zu einem Interprovinzialen Kapitel der Trinitarier aus Kastilien,<br />

Aragón und Andalusien, wobei festgelegt wurde, dass es in allen Provinzen<br />

mindestens zwei bis drei Klöster geben sollte, welche die ursprüngliche Regel<br />

befolgen würden. Das Übereinkommen scheiterte jedoch; Pater Juan Baptist<br />

setzte die Reform aber mit einigen Mitbrüdern im Kloster Valdepeñas durch,<br />

wo er auch ein Spital für Arme und Kranke gründete. Mit Hilfe der Unbeschuhten<br />

Karmeliten und der Jesuiten versuchte er in der Folge in Rom, die Reform<br />

vom Papst beglaubigen zu lassen, und 1599 erreichte er dieses Ziel, indem von<br />

Papst Clemens VIII. eine entsprechende Bulle „Ad militans ecclesiae reginem“<br />

erlassen wurde. Die Rückkehr nach Valdepeñas wurde ihm zunächst von seinen<br />

Ordensbrüdern verweigert; als er die Leitung dieses Kloster schließlich in seinem<br />

Sinne übernahm, wurden er und seine „reformierten“ Mitbrüder im Jahr<br />

1600 von nicht-reformierten Trinitariern sogar tätlich angegriffen. Später kam<br />

es aber zu einer Aussöhnung. Schließlich gedieh die Reform, schon bald bestanden<br />

vier Konvente in Socullamos, Alcalá, Madrid und Valladolid. Im Jahr 1613,<br />

als Juan Baptist de la Concepcion starb, existierten schon 23 Klöster der Unbeschuhten<br />

Trinitarier (auch Trinitarierbarfüßer), die nun, seit 1609, kirchenrechtlich<br />

als eigenständiger Bettelorden konstituiert waren. Für die Ausdehnung des<br />

neuen Ordenszweiges hatte vor allem die Werbung von Novizen an den berühmten<br />

<strong>Universität</strong>en Alcalá, Salamanca und Baeza sowie die Unterstützung<br />

eines der mächtigsten Politiker im Spanien Philipps III., des Grafen von Lerma,<br />

den entscheidenden Erfolg gebracht: Mit Hilfe desselben wurde Pater Juan<br />

Baptist de la Concepcion beim König mit seinen Reformbestrebungen vorstellig<br />

und erreichte dessen Unterstützung 31 . Päpstlicherseits wurden die neuen Or-<br />

29 Vgl. de LEEUW, Trinitarier (wie Anm. 25) 61.<br />

30 Vgl. Juan PUJANA, Hl. Johannes Baptist von der Empfängnis. Reformator des Ordens der Aller-<br />

heiligsten Dreifaltigkeit (Rom 1975) 5–56.<br />

31 Vgl. PUJANA, Johannes Baptist (wie Anm. 30) 5–56.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

densstatuten von Urban VIII. 1629/31 approbiert und den Unbeschuhten Trinitariern<br />

ein eigener General zugestanden, womit sie vollständig von der alten<br />

Observanz getrennt wurden 32 .<br />

Der „Ordo Sanctissimae Trinitatis de Redemptione captivorum excalceatorum“<br />

(oder „discalceatorum“) beschränkte sich zunächst auf Spanien, breitete sich<br />

bald aber auch in anderen katholischen Ländern aus. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

existierten schließlich sechs Provinzen, drei in Spanien, eine in Italien,<br />

eine in Polen und eine in Österreich. Alle Klöster mit Ausnahme der Niederlassungen<br />

in Rom fi elen später, zwischen dem Ende des 18. und der Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts, politisch-sozialen Veränderungen zum Opfer – der Revolution<br />

in Frankreich (1792/93), dem „aufgeklärten Absolutismus“ in Österreich<br />

(1783), der durch die Liberale Partei durchgesetzten Säkularisierung in<br />

Spanien (1835) und den Russifi zierungsmaßnahmen in Polen unter Alexander<br />

II. (1863) 33 . Neben der Ordensreform in Spanien haben in der Frühen Neuzeit<br />

auch in Frankreich und Portugal Reformen stattgefunden, die aber keine derartige<br />

Wirksamkeit wie der spanische Reformzweig entfalten sollten. 1578 war<br />

ein französischer reformierter Ordenszweig gegründet worden; dieser blieb allerdings<br />

durch einen gemeinsamen Ordensgeneral mit der alten Observanz verbunden.<br />

Insgesamt entwickelten sich in Frankreich schließlich drei verschiedene<br />

Zweige der trinitarischen Ordensreform, welche am Generalkapitel von<br />

Cerfroid 1769 alle die Augustinerregel vollständig annahmen und zu Generalkanonikern<br />

wurden; sie erloschen aber im Zuge der französischen Revolution<br />

34 .<br />

Die spanische Ordensreform des Juan Baptist de la Concepcion strebte insgesamt<br />

eine Rückbesinnung auf das eigentliche Ordensziel, die Gefangenenbefreiung<br />

und allgemein karitatives Engagement, an. Das Leben in Armut und<br />

Mäßigung, Stillschweigen, Gehorsam und Gebet zu allen Tages- und Nachtzeiten,<br />

aber auch wissenschaftliche Studien sollten ideale Bedingungen für die<br />

Durchführung des Werkes der Befreiung schaffen. Auch auf die zeitweise wenig<br />

beachtete Dreiteilung aller Einkünfte wurde bei den reformierten Trinitariern<br />

wieder mehr Wert gelegt. Die neuen, im Sinne einer Renaissance der Ordensanfänge<br />

als „Regula Primitiva“ betitelten Ordensregeln wurden im Auf-<br />

32 Vgl. HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 18) 452.<br />

33 Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 4) 15. Das Kloster San Carlino alle Quattro Fontane in Rom<br />

nahm im 19. Jahrhundert zahlreiche vertriebene Ordensbrüder auf, vor allem die Mönche aus<br />

Spanien; außerdem erhielten die Trinitarier in Rom damals das Kloster San Crisogono in Trastevere,<br />

das nachmalige Haupthaus des Ordens und Residenz des Generals. Die Unbeschuhten<br />

Trinitarier unterhielten eine sehr enge Beziehung zum Heiligen Stuhl; Johannes Baptist von<br />

der Empfängnis wurde am 26. 9. 1819 selig gesprochen, die Heiligsprechung erfolgte am 25. 5.<br />

1975. Der reformierte „spanische“ Ordenszweig besteht heute wieder in vielen Ländern. Vgl.<br />

KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 21–23.<br />

34 Vgl. HERGENRÖTHER u. KAULEN, Kirchenlexikon (wie Anm. 18) 87.<br />

95


96 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

trag von Papst Urban VIII. im Jahr 1631 publiziert 35 und im Jahr 1676 durch<br />

die von Clemens X. erlassenen „Constitutiones Generales“ noch näher konkretisiert<br />

36 . So wurde etwa, was die Sammlungstätigkeit betrifft, angeordnet, dass<br />

kein Ordensmitglied seine Stellung dazu nutzen dürfe, für Verwandte oder andere<br />

ihm nahe stehende Personen Almosen zu sammeln; für den Fall besonderer<br />

Bedürftigkeit von Angehörigen würde der jeweilige Provinzial Unterstützungsleistungen<br />

veranlassen 37 . Auch die erlaubten „Freizeitbetätigungen“ der<br />

Brüder wurden hier erörtert; die vorgesehenen Beschränkungen muten dabei<br />

aus heutiger Sicht teils seltsam an:<br />

„Bei der Rekreation sollen sich alle mit Mäßigkeit und ehrbarer Würde<br />

betragen. Es möge ein spiritueller Text gelesen werden, oder über<br />

eine solche Sache gesprochen, aber nur über unanstößige Dinge, nicht<br />

aber über Genealogien, Herkünfte, Nationen, Länder, Botschafter und<br />

Gerüchte, die zur Erbauung und Vervollkommnung der Seelen unnütz<br />

sind. […] Zu keiner Zeit dürfen unsere Religiosen Komödien oder andere<br />

Schauspiele, seien es auch geistliche, aufführen“ 38 .<br />

Der Hinweis auf „Genealogien” und „Herkünfte” macht bei näherer Betrachtung<br />

die Intentionen dieser Vorschriften deutlich: Insbesondere Vorrangstreitigkeiten<br />

zwischen Brüdern unterschiedlicher geographischer oder sozialer<br />

Herkunft sollten unterbleiben. Bemerkenswert erscheint auch das absolute Verbot<br />

für die Trinitarierbrüder, sich an Schauspielen zu beteiligen, selbst an geistlichen<br />

Theaterdarbietungen, die ja ansonsten zu dieser Zeit – z.B. bei den Jesuiten<br />

– durchaus üblich waren. Zur Aufrechterhaltung der Gleichheit unter<br />

den Brüdern diente auch die vorgeschriebene Unterlassung der Nennung akademischer<br />

Titel 39 . Auch über die vorgesehene Ausbildung der Ordensmitglieder<br />

machen die „Constitutiones Generales“ nähere Angaben, woraus hervorgeht,<br />

dass eine insgesamt achtjährige Studiendauer für die Priester des Ordens vorgesehen<br />

war:<br />

35 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE (Hg.), Regula Primitiva et Constitutiones Patrum Discalceatorum<br />

Ordinis SS. Trinitati Redemptionis Captivorum (Rom 1851) 8–24.<br />

36 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) 25–225.<br />

37 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 54.<br />

38 ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 77 (Übers. hier, wie in<br />

den folgenden Zitaten, von Elisabeth Pauli unter Mitwirkung von Carlos Watzka). Die Textstelle<br />

lautet im Original: „In recreationibus omnes cum modestia et honesta gravitate se gerant.<br />

Legatur ibi res aliqua spiritualis, vel de illa agatur, et saltem de rebus indifferentibus; non<br />

vero de genealogiis, stirpibus, nationibus, patriis, nuntiis et rumoribus inutilibus ad aedifi cationem,<br />

et profectum animarum; […] Nullo tempore Religiosi nostri comoedias, aliosve actus,<br />

tametsi spirituales, agant”.<br />

39 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 80.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

„Unsere (studierenden) Kollegen werden sich drei Jahre der Philosophie<br />

und weitere drei Jahre der scholastischen Theologie widmen, schließlich<br />

zwei Jahre der expositiven und moralischen Theologie“ 40 .<br />

Der Unterricht fand an ordenseigenen Kollegien statt, von denen in jeder Ordensprovinz<br />

nach Möglichkeit drei, jeweils eines pro Studienabschnitt, bestehen<br />

sollten. Die theologischen und philosophischen Studien sollten dabei, wie<br />

speziell hervorgehoben wird, nach den Lehren des Hl. Thomas von Aquin erfolgen<br />

41 . Auch Zulassungsbedingungen für die Aufnahme in den Orden fanden<br />

in die Konstitutionen Eingang, wobei hier deutlich zum Ausdruck kommt, dass<br />

für die katholische Kirche der Frühen Neuzeit die Zugehörigkeit zu anderen<br />

christlichen Konfessionen oder zu Judentum und Islam als „Verbrechen“ galt,<br />

und zwar als so schwerwiegendes, dass sogar katholische Nachkommen derart<br />

„Unreiner“ von einer Ordensaufnahme ausgeschlossen blieben:<br />

„Es wird auch kein Neophyt zugelassen, und keiner, der in direkter Linie<br />

(in welchem Grad auch immer) von Juden, Mauren oder Maurisken<br />

abstammt, ebenso keiner, dessen Vorfahren in direkter Linie wegen Verbrechen<br />

des Judentums oder der Mohammedanischen Sekte von Inquisitoren<br />

bestraft worden waren“ 42 .<br />

Diese Regelung galt zunächst auch für ehemalige „Häretiker“ und deren Nachkommen;<br />

für letztere wurde der Ausschluss von der Ordensaufnahme angesichts<br />

der sich hieraus ergebenden praktischen Probleme in Mitteleuropa – hier<br />

stammte ja ein großer Teil der katholischen Bevölkerung von Protestanten ab<br />

– auf Ersuchen der Trinitarier durch Papst Innozenz XII. im Jahr 1692 aufgehoben<br />

43 .<br />

40 ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 123. Im Original: „Collegae<br />

nostri per triennium Philosophiae, et per aliud triennium Theologiae scholasticae, ac denique<br />

per biennium expositivae et morali Theologiae operam dabunt.”<br />

41 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 121.<br />

42 ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 205. Im Original: „Nec<br />

admittatur Neophytus; nec qui descenderit per lineam rectam (in quodlibet gradu) a Judaeis,<br />

Mauris, vel Mauriscis; nec ullus, cuius Praedecessores per lineam etiam rectam [...] ob Judaismi,<br />

vel sectae Mahometanae crimina puniti fuerint ab [...] Inquisitoribus.“<br />

43 Vgl. ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 226–229 sowie<br />

JOANNES A SAN FELICE, Annalium Provinciae Sancti Josephi Ordinis Excalceatorum Sanctissimae<br />

Trinitatis Redemptionis Captivorum Libri Decem, In quibus ab origine Provinciae &<br />

Ordinis Propagatione post ultimam Viennae obsidionem Anno MDCLXXXIII. usque ad constitutam<br />

Provinciam Anno MDCCXXVIII. referunter Coenobiorum Origines, peractae Captivorum<br />

Redemptiones, Illustrium Virorum Vitae sive Elogia, Descpriptiones variarum Urbium ac<br />

locorum in Turcia praesertim & Tartaria, aliaeque Res Memorabiles, Saeculi duodevigesimi<br />

& antecedentis Historiam illustraturae. Omnia fere ex Summorum Pontifi cum & Imperatorum<br />

Diplomatibus, Principum & Magnorum Virorum Epistolis, atque allis Domesticis & Originalibus<br />

Actis, Documentis & probatis Scriptoribus desumpta. Studio et Labore P. Fr. Joannis a S.<br />

Felice, Eiusdem Ordinis & Provinciae Chronographi (Wien 1739) 479–483.<br />

97


98 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Aufnahmebeschränkungen galten im 17. und 18. Jahrhundert freilich nicht nur<br />

für den Trinitarierorden, sondern waren in dieser oder ähnlicher Weise für alle<br />

Ordensgemeinschaften festgelegt; sie betrafen außerdem nicht nur religiöse<br />

Kriterien, sondern es gab auch eine ganze Reihe anderer Ausschlussgründe:<br />

ansteckende oder schwere chronische Krankheit, Armut, uneheliche Geburt,<br />

merkliche Behinderungen, (ehemalige) Leibeigenschaft, Sklavenstatus u.a. 44<br />

Die Ordenshäuser der Unbeschuhten Trinitarier in der<br />

Habsburgermonarchie und die Provinz „St. Joseph“<br />

In der Regierungszeit Leopolds I. (Ks. 1658–1705), eines auch persönlich sehr<br />

religiösen Vertreters der „Pietas Austriaca“ und den geistlichen Orden besonders<br />

zugeneigten Kaisers, gründeten die Trinitarier im Jahr 1688 in Wien ihr<br />

erstes und wichtiges Ordenshaus im deutschsprachigen Raum 45 . Bereits im<br />

Zuge der Gründung eines polnischen Ordenszweiges im Jahr 1685 waren die<br />

aus Spanien stammenden Trinitarier P. Joannes a S. Antonio und P. Franciscus<br />

a Conceptione Beatae Virginis durch Wien gereist und hatten den Wunsch ausgesprochen,<br />

auch in Österreich eine Niederlassung zu errichten. Nach der Fertigstellung<br />

des Ordenshauses in Lemberg kehrte Pater Johannes, der vom Ordensgeneral<br />

zum Prokurator für die Gründung einer Niederlassung in Wien bestellt<br />

worden war, im Jahr 1687 nach Wien zurück. Erste einfl ussreiche Fürsprecher<br />

fand er hier, neben dem päpstlichen Nuntius Francesco Buonvisi – der sich<br />

schon drei Jahre zuvor, damals als Nuntius in Warschau, für die Etablierung<br />

des Ordens in Polen eingesetzt hatte – in Gräfi n Johanna Harrach, Graf Ferdinand<br />

Buonaventura Harrach – dem „Premierminister“ Leopolds I. und ehemaligen<br />

kaiserlichen Botschafter in Spanien – und nicht zuletzt in Kardinal Leopold<br />

<strong>Karl</strong> Graf Kollonitsch, Bischof von Neutra, Wiener Neustadt und Raab,<br />

Erzbischof von Kálocsa und Gran und Primas von Ungarn 46 . Kardinal Kollo-<br />

44 ANTONIUS A CONCEPTIONE, Regula (wie Anm. 35) Constitutiones 204–207.<br />

45 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 8 u. 67.<br />

46 Franz LOIDL, Geschichte des Erzbistums Wien (Wien - München 1983) bes. 96. Kollonitsch,<br />

damals Bischof von Wiener Neustadt, hatte sich 1683 besondere Verdienste um die Befreiung<br />

Wiens erworben. Als Präsident der ungarischen Hofkammer ließ er zahlreiche Wertgegenstände<br />

aus dem Schatz des Primas von Ungarn verpfänden, um sofortige fi nanzielle Hilfe bereitstellen<br />

zu können. Kollonitsch sorgte auch dafür, dass die Besoldung der Soldaten im belagerten<br />

Wien korrekt abgewickelt wurde; viele Klöster, das Bischofspalais etc. ließ er in Notspitäler<br />

umfunktionieren. Vgl. die umfassende und materialreiche, wenn auch deutlich „hagiographische“<br />

Biographie von Joseph MAURER, Cardinal Leopold Graf Kollonitsch, Primas<br />

von Ungarn. Sein Leben und sein Wirken (Innsbruck 1887) sowie die Hinweise auf die Tätigkeit<br />

Kollonitschs in Thomas WINKELBAUER, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen<br />

des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (=Österreichische Geschichte 1522–<br />

1699, Wien 2004) I 162, 507 und II 81, 84, 203. Kollonitsch spielte in der Zeit um 1700 jedoch auch<br />

eine sehr zweifelhafte Rolle, und zwar in religionspolitischen Angelegenheiten, vor allem als<br />

Motor für die besonders brutal durchgeführte Gegenreformation in Ungarn; als „Judenhasser“


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

nitsch (manchmal auch mit der Schreibung: Kollonitz) entwickelte ein besonderes<br />

Naheverhältnis zum Trinitarierorden und ein großes Interesse an dessen Tätigkeit,<br />

da er selbst schon den Austausch türkisch-tartarischer Gefangener mit<br />

christlichen Soldaten initiiert hatte, wobei er die Methode anwandte, zunächst<br />

gefangene Muslime von ihren christlichen „Besitzern“ – meist Adeligen, vor<br />

allem ungarischen Magnaten – zu kaufen, um sie danach gegen Christen auszutauschen.<br />

Das zu errichtende Haupthaus der Trinitarier in der Habsburgermonarchie<br />

hätte seiner anfänglichen Meinung nach jedoch am besten in Ungarn errichtet<br />

werden sollen, in Wien dagegen nur ein Hospiz 47 .<br />

Obwohl das politische Klima für die Trinitarier in Österreich anfangs ein sehr<br />

günstiges war und Joannes a S. Antonio in einer Audienz die prinzipielle Zustimmung<br />

Leopolds I. erhalten hatte, verzögerten zunächst einige Koordinationsprobleme<br />

die Etablierung des Ordens in Wien: Pater Joannes a S. Antonio<br />

reiste bereits nach Spanien, wohin er berufen worden war, ab, bevor der ihm zur<br />

Unterstützung aus Rom gesandte P. Maurus a Conceptione eintraf, welcher ein<br />

„Recommendations- Schreiben“ des Papstes Innozenz XI. für den Kaiser sowie<br />

ein formelles Ansuchen für die Erbauung eines Hospitals bei sich hatte. Die<br />

auf Spanisch abgefasste Bittschrift verschwand aber; auf Anraten des Hofvizekanzlers<br />

Bucelleni wurde eine neue Schrift in Latein verfasst, in welcher aber<br />

anstatt eines Hospitals von einem zu gründenden Kloster die Rede war. Dieses<br />

Ansuchen wurde sodann von Hof und Magistrat rundweg abgeschlagen, wobei<br />

die Begründung – die in der Barockzeit keineswegs eine seltene war – lautete,<br />

dass es schon Klöster genug gäbe. Allerdings war die Sache damit noch nicht<br />

abgetan, sondern gelangte weiter an den Fürstbischof von Wien, Ernest Graf<br />

Trautson, einen weiteren Befürworter des Ordens, welcher ein Gutachten von<br />

den bereits in Wien ansässigen Orden einholte. Hier waren es, neben anderen,<br />

vor allem die Jesuiten, die Karmeliter-Barfüsser und die Kapuziner, die sich für<br />

die Niederlassung der Trinitarier in Österreich einsetzten. Auch Graf Harrach<br />

machte neuerlich seinen Einfl uss beim Kaiser geltend, und am 19. November<br />

1688 traf schließlich der Landesfürstliche Konsens ein 48 .<br />

Nach dem Konsens der weltlichen Behörden war es nötig, einen Platz für das<br />

Ordenshaus zu fi nden; dabei standen zunächst zwei günstig zum Verkauf ste-<br />

war er auch treibende Kraft für die Ausweisung der Juden aus dem „unteren Werd“, der späteren<br />

Leopoldstadt in Wien. In dem 1688/89 gegründeten „Einrichtungs-Werkh des Königreiches<br />

Hungarn“, das unter der Leitung von Kollonitsch stand, tat er sich als Befürworter für eine gerechtere<br />

Aufteilung der Steuerlast zwischen Adel und Bevölkerung hervor, was in Ungarn aufgrund<br />

der adeligen Privilegien besonders schwierig durchzuführen war.<br />

47 Vgl. KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 3) 58.<br />

48 Vgl. Matthias FUHRMANN, Historische Beschreibung und kurz gefaste Nachricht von der Römisch.<br />

Kaiserlich und Königlichen Residenz-Stadt Wien und ihren Vorstädten. 2. Theil, 1. Band:<br />

Von denen Kirchen, geistlichen Collegien und Clöstern in der Stadt, mit derselben in Kupffer<br />

gestochenen Prospecten (Wien 1766) 514f.<br />

99


100 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

hende Lokalitäten in Betracht, eine bei St. Ulrich, wo der Baugrund aber zu<br />

klein war, und eine bei St. Margarethen „untern Weißgärbern“, wo aber „ungesunde<br />

Luft“, der sumpfi ge Untergrund und häufi g vorkommende Überschwemmungen<br />

durch Wienfl uss und Donau gewichtige Nachteile waren 49 . Ein nicht<br />

zuletzt wegen eines nahe gelegenen Kreuzwegs, der auf einen großen Zulauf<br />

hoffen ließ, strategisch günstiger Ort schien die Pfarrkirche von Hernals, zu deren<br />

Übernahme auch der General-Vikar von Wien, Johann Baptist Mayer, riet.<br />

Hier erwies es sich aber als Problem, dass die nach Wien gekommenen Trinitarier<br />

Spanier waren und noch nicht genügend Deutsch sprachen, um für die<br />

pfarrliche Seelsorge geeignet zu sein; außerdem befand sich der Ort weit von<br />

der Stadt entfernt. Schließlich ergab sich unter Mithilfe des Kardinals Kollonitsch<br />

und der Familie Harrach eine weitere, geeignetere Möglichkeit zur Niederlassung,<br />

nämlich in der „Alßherr“-Gassen (heute Alsergasse), wo schließlich<br />

ein Grundstück für den Orden erworben wurde 50 .<br />

Anfänglich bestand die Trinitariergemeinschaft in Wien nur aus drei Patres;<br />

deren Anzahl wurde aber sehr rasch erhöht, sodass 1689 schon 13 Ordensbrüder,<br />

allesamt Spanier oder Italiener, in Wien lebten. Als erster Oberer wurde P.<br />

Joseph a Matre Dei gewählt, der sogleich auch ein Noviziat einrichtete. Im Mai<br />

1690 wurde der Bau eines Klosters begonnen, zu welchem Bischof Graf Trautson<br />

den ersten Stein legte. Da in der Umgebung des Trinitarierklosters für die<br />

Bevölkerung sonst nur wenige Möglichkeiten zur Messteilnahme gegeben waren,<br />

erfreute sich die Kapelle der Trinitarier bald großer Beliebtheit, war es<br />

doch üblich, zu jeder Stunde Messen und Andachten abzuhalten. Aufgrund des<br />

großen Zustroms begann der Orden im April 1695 mit dem Bau einer ordenseigenen<br />

Kirche; für diese legte Leopold I. den Grundstein 51 . In der Folge entwickelte<br />

sich das Wiener Trinitarierkloster rasch zu beachtlicher Größe (1783,<br />

als der Orden aufgelöst wurde, befanden sich 32 Priester, 12 Laienbrüder und<br />

zwei Studenten im Wiener Konvent 52 ), und schon bald wurden weitere Niederlassungen<br />

innerhalb der Habsburgermonarchie etabliert.<br />

49 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 36.<br />

50 Vgl. FUHRMANN, Historische Beschreibung (wie Anm. 48) 517.<br />

51 Vgl. FUHRMANN, Historische Beschreibung (wie Anm. 48) 512–521.<br />

52 Vgl. Joseph KOPALLIK, Regesten zur Geschichte der Erzdiözese Wien (Wien 1890) 17–19.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Abb. 1: Trinitarierkonvent in der Alserstraße in Wien; Zeichnung von<br />

Salomon Kleiner, 1724 53 . – Bildnachweis<br />

Von den insgesamt 17 Ordenshäusern, die der 1728 eingerichteten „Deutschen<br />

Provinz“ des Unbeschuhten Trinitarierordens unter dem Titel St. Joseph (im<br />

Gedenken auch an Kaiser Joseph I.) 54 bis zu ihrer Aufl ösung 1783 angehörten,<br />

lag etwa die Hälfte im Königreich Ungarn, eines in Belgrad (das 1718 bis 1739<br />

bekanntlich zur Habsburgermonarchie gehörte); ein weiteres wurde im Jahr<br />

1723, mit Zustimmung der „Hohen Pforte“, in Konstantinopel eröffnet. Die übrigen<br />

Ordenshäuser lagen, mit Ausnahme jener in Wien und <strong>Graz</strong>, in Böhmen<br />

und Mähren. Im Einzelnen bestanden in folgenden Städten und Orten Konvente<br />

und Niederlassungen 55 : Wien (Haupthaus der Provinz, von hier aus wurden<br />

die Redemptionsreisen gewöhnlich begonnen und hier endeten sie auch feierlich),<br />

gegründet 1688, Illava (SK), gegründet 1695, Pressburg/Bratislava/Pozsony,<br />

gegründet 1697, Prag/Praha, gegründet 1707, Tyrnau/Trnava (SK), gegründet<br />

1712, Komorn/Komárom/Komárno (HU), gegründet 1714, <strong>Karl</strong>sburg/<br />

Alba Iulia/Gyulafehérvár (RO), gegründet 1716, Erlau/Eger/Agria (HU), gegründet<br />

1717, Belgrad/Beograd, gegründet 1718 (die Niederlassung wurde 1739,<br />

als die Stadt wieder an die Osmanen fi el, aufgegeben), Pera (bei Konstantinopel/Istanbul),<br />

gegründet 1723, Zaschau/Zašová (CS), gegründet 1724, Sáro-<br />

53 Reprod. erhältlich in der nunmehrigen Minoritenkirche in der Alserstraße.<br />

54 Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 18) 357f.<br />

55 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 814f; KRALIK, Trinitarierorden (wie<br />

Anm. 3) 69.<br />

101


102 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Abb. 2: Die Niederlassungen des Trinitarierordens in der Habsburgermonarchie<br />

(1688–1783) – Karte erstellt von Elisabeth Pauli auf Grundlage<br />

der Karte: Egon LENDL u. Wilhelm WAGNER (Hg.), F[riedrich]<br />

W[ilhelm] Putzger – Historischer Weltatlas (Wien 1981) 78f.<br />

spatak (HU), gegründet 1728, Ofen/Buda, gegründet 1738, Holleschau/Holešov<br />

(CS), gegründet 1748, Mària Makk /Makkos Maria (bei Budapest), gegründet<br />

1749 56 , Stienowitz/Štenovice (CS), gegründet 1753, <strong>Graz</strong>, gegründet 1756 57 .<br />

In den knapp 100 Jahren seines Bestehens in der Habsburgermonarchie von<br />

1688 bis 1783 gehörten, gemäß einer im Orden entstandenen Zusammenstellung<br />

aus dem frühen 20. Jahrhundert, 447 Priester und 165 Laienbrüder der österreichischen<br />

Provinz des Trinitarierordens an; im Stichjahr 1748, in welchem<br />

eine besondere Erhebung stattgefunden hatte, waren in der Habsburgermonarchie<br />

insgesamt 220 Trinitarier für die Befreiung von versklavten Christen tätig 58 .<br />

Die „Redemptionen“ (Befreiungsreisen) der Trinitarier der<br />

österreichischen Ordensprovinz<br />

Über die Redemptionen von den 1690er bis in die 1730er Jahre berichten die<br />

sehr detaillierten, über 800 Seiten starken „Annales Provinciae Sancti Josephi“<br />

56 Ich möchte Herrn Norbert Medgyesy-Schmikli sehr herzlich für seine Hilfe bei der Lokalisie-<br />

rung dieser Niederlassung danken.<br />

57 Kralik nennt noch eine weitere Niederlassung der Trinitarier, welche in den 1780er Jahren von<br />

Österreich aus in Preußen – nämlich in „Emmerich“ – etabliert worden sei. Diese hatte aber<br />

offensichtlich keine größere Bedeutung und keinen langfristigen Bestand. Vgl. KRALIK, Trinitarierorden<br />

(wie Anm. 3) 69.<br />

58 Vgl. ANTONIO AB ASSUMPTIONE, Monumenta ordinis excalceatorum SS. Trinitatis redemptionis<br />

Captivorum ad Provincias S. Ioachim (Poloniae) et S. Iosephi (Austriae-Hungariae) (Rom<br />

1911) 211–274.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

des Ordenshistoriographen und Redemptors Joannes a San Felice 59 . Die Haupttätigkeitsgebiete<br />

bei den Befreiungsfahrten waren anfänglich in erster Linie der<br />

Budschak (die „budziakische Tartarey“, das Gebiet nordöstlich des Donaudeltas),<br />

dann das im Norden anschließende, ebenfalls tatarische Jedisan und das<br />

Gebiet der Krimtartaren, das wahrscheinlich die höchste Dichte an Sklaven<br />

aufwies (die meisten Sklaven im Schwarzmeerraum dürften polnischer oder<br />

russischer Herkunft gewesen sein) 60 .<br />

Die Reise der österreichischen Trinitarier nahm gewöhnlich von Wien aus ihren<br />

Ausgang und führte meistens über die trinitarischen Klöster in Oberungarn<br />

und Siebenbürgen in die Walachei nach Bukarest, wo Fürst Constantin II.<br />

Brankowan (1688–1714) für die Trinitarier zu einem der wichtigsten Unterstützer<br />

in ihrer Arbeit wurde, obwohl er ein Vasall des Sultans war. Von Bukarest<br />

aus wurden über einheimische Kundschafter Informationen über die Aufenthaltsorte<br />

der Gefangenen und deren „Besitzer“ eingeholt, sodann die Höhe der<br />

üblichen „Verkaufspreise“ und die Währungsverhältnisse erhoben, damit man<br />

beim geplanten Freikauf eine optimale Ausgangsbasis für Verhandlungen hatte.<br />

Wurden Gefangene aus dem relativ nahen Budschak befreit, so deponierte man<br />

gewöhnlich die Redemptionskassa in Bukarest im Palast des Fürsten und übermittelte<br />

die Lösegelder erst nach Abschluss der Verträge. Manchmal wurden<br />

von den Trinitariern befreite Gefangene zum walachischen Fürsten geschickt,<br />

damit dieser sie während der Abwesenheit der Mönche aufnehme und sie nicht<br />

die Patres begleiten mussten, wenn diese zu weiteren Zielorten unterwegs waren.<br />

So konnte das Risiko verringert werden, dass die Befreiten erneut versklavt<br />

würden – ein Risiko, dass prinzipiell auch die Trinitarier selbst immer<br />

auf sich nehmen mussten. Trotz aller Vorsicht blieben sie manchmal auch tatsächlich<br />

nicht verschont, denn grundsätzlich galt in den tatarischen Gebieten<br />

jeder Christ (und im besonderen Maße katholische Geistliche) als potentieller<br />

Feind, den man versklaven konnte, um ihn zu Arbeiten – bei den Tataren vor<br />

allem zu landwirtschaftlichen Tätigkeiten – einzusetzen oder auch, um ihn profi<br />

tabel weiterzuverkaufen.<br />

Wie im „konfessionellen Zeitalter“ üblich, so wurde den jeweils „Andersgläubigen“,<br />

deren „anderer Glaube“ sehr oft auch eine andere ethnische Zugehörigkeit<br />

bedeutete, meistens großer Hass entgegengebracht. Im Osmanischen Reich<br />

insgesamt war ein erhebliches Misstrauen, auch gegenüber Glaubensgenossen,<br />

wahrscheinlich verbreiteter als in mittel- und westeuropäischen Ländern, was<br />

vielleicht am osmanischen Staatswesen lag, dem neben seinem extremen Konservativismus<br />

auch eine systemimmanente Instabilität eigen war – vom Harem<br />

mit seinen Intrigen und wechselnden Gunstverhältnissen und der jeweils un-<br />

59 JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43).<br />

60 JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 87–167.<br />

103


104 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

sicheren Erbfolge, die vielfach erst durch die Ermordung von nächsten männlichen<br />

Verwandten durch den erfolgreichen Thronanwärter defi nitiv geregelt<br />

wurde, bis zum Timar- (Lehens-) und Ämtersystem, in welchem Enthebungen<br />

durchaus möglich waren. Vor allem drängte die islamische Militärdiktatur –<br />

wie das Osmanische Reich eine war – ständig auf weitere Ausdehnung, was seit<br />

dem späten 17. Jahrhundert angesichts der sich zu Gunsten der Christen verändernden<br />

Kräfteverhältnisse zu eminenten inneren Problemen der Staatsorganisation<br />

führte 61 . Dies betraf auch die Vasallenstaaten, nur dass hier eine noch<br />

größere Instabilität, bis hin zum politischen Chaos, herrschte; innerhalb dieser<br />

staatsähnlichen Gefüge bestand eine wenig geregelte Ämter- und Befehlsstruktur,<br />

sodass es für die Trinitarier sehr schwierig war, zu erkennen, an welche Ansprechpersonen<br />

sie sich wenden konnten bzw. sollten.<br />

Als Beispiel für die Schwierigkeiten, welche die Trinitarier bei ihren Reisen insbesondere<br />

in der „Tartarey“ zu bewältigen hatten, sei hier von der dritten Redemption<br />

der österreichischen Ordensprovinz in den Jahren 1692/93 berichtet,<br />

die den spanischen Pater Maurus a Conceptione und den polnisch-armenischen<br />

Trinitarier Michaele a SS. Sacramento auf die Halbinsel Krim in die dortige<br />

Hauptstadt der Krimtartaren Bağçeseray führte 62 . Bei diesem riskanten und<br />

schwierigsten Unternehmen nahmen die Redemptoren zuerst den Weg über Polen.<br />

Im Kloster in Lemberg – erst 1675 hatte Jan III. Sobieski Lemberg von den<br />

Krimtartaren zurückerobert 63 – wurden ihnen wichtige Hinweise im Bezug auf<br />

den Umgang mit den Tartaren gegeben, z.B. dass sie landesübliches Gewand,<br />

einen Kaftan, tragen sollten, um nicht aufzufallen, und immer zusammen mit<br />

Nichtkatholiken (Griechen, Armenier, Juden, Tartaren usw.) reisen sollten, damit<br />

diese als Zeugen dienen könnten, wenn sie in Unannehmlichkeiten geraten<br />

sollten. In Lemberg hielt sich während der Anwesenheit der Redemptoren<br />

gerade auch ein Mitglied der Girey-Familie als Gesandter auf, die als Khane<br />

das Oberhaupt der Krimtartaren stellten. Dieser versah die Mönche mit Geleitbriefen,<br />

die ihnen die Erlaubnis zum Gefangenenfreikauf erteilten, und gab ihnen<br />

einen „Murza“ (Offi zier) als Begleitschutz auf ihren weiteren Weg mit. In<br />

Bağçeseray angekommen, wurden die Trinitarier dennoch sogleich vom dortigen<br />

Wesir der Spionage bezichtigt, obwohl sie im Gefolge eines weiteren Angehörigen<br />

der Familie des Khans gereist waren. Diese Anschuldigung basierte,<br />

so berichtet San Felice, auf einer Intrige dieses Wesirs, der einige Sklavenbesitzer<br />

aufforderte, Gefangene zu maßlosen Preisen anzubieten. Wenn die Trinitarier<br />

daraufhin das Geschäft ablehnen würden, könnte man ihnen vorwer-<br />

61 Vgl. Bertrand Michael BUCHMANN, Österreich und das Osmanische Reich (Wien 1999) 105–<br />

109.<br />

62 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 124–148.<br />

63 Vgl. Boris ISCHBOLDIN, Essays on Tatar History (New Dehli 2 1973) 129.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

fen, sich gar nicht wegen der Gefangenen, sondern wegen Erkundigung der dortigen<br />

Begebenheiten in der Krim aufzuhalten. Diese Vorwürfe wurden vor einer<br />

versammelten Menge vorgebracht, um das ohnehin gegen „Fremde“ aufgebrachte<br />

Volk für die Pläne des Wesirs einzunehmen. Sodann ließ dieser Beamte<br />

die Trinitarier verhaften und einsperren, um für ihre Freilassung hohe Geldsummen<br />

fordern zu können. Allerdings durchschaute ein angesehener Mufti<br />

die Absichten des Wesirs und setzte sich für sie ein, worauf sie freikamen. Dieser<br />

Mufti, so San Felice, engagierte sich auch dafür, dass die Trinitarier Gefangene<br />

zu üblichen Preisen freikaufen durften. Der Wesir erwirkte jedoch, dass<br />

diese Geschäfte nur außerhalb der Stadt stattfi nden dürften; dort ließ er die Trinitarierpatres<br />

abermals einsperren und entzog sie so der Verfügungsgewalt des<br />

Mufti. Obwohl die Trinitarier, die nun in der jüdischen Vorstadt gefangen gehalten<br />

wurden, durch die Hilfe einiger ihnen wohlgesonnener, dort ansässiger<br />

Juden geschmuggelte Briefe an den Khan sandten, damit er sich für sie einsetze,<br />

konnte dieser ihre Freilassung nicht durchsetzen. Nach mehrmonatiger Haft<br />

schickten die Redemptoren an Kaiser Leopold ein Schreiben und baten ihn,<br />

sich für sie beim polnischen König Jan III. Sobieski zu verwenden, da dieser<br />

diplomatische Verbindungen zu den Krimtataren unterhielt. Leopold I. wandte<br />

sich auch tatsächlich persönlich in einem Schreiben an Jan Sobieski, doch während<br />

diese Vorbereitungen auf allerhöchster Ebene zur Befreiung der Trinitarier<br />

anliefen, gewährte ihnen schließlich der Wesir, der sie gefangen hielt (sein<br />

Name ist nicht bekannt), die Freiheit, nachdem er erhebliche Geldsummen für<br />

die Freilassung erhalten hatte 64 .<br />

Anhand dieser Begebenheit wird auch ersichtlich, dass die Machtbasis des<br />

Khans der Krimtartaren eine sehr geringe war; die Herrscher der erwähnten<br />

Giray-Dynastie wurden vom Sultan eingesetzt und konnten bei Fehlverhalten<br />

wieder abgesetzt werden. Im Unterschied zu seinen Untertanen war der Khan<br />

einer direkten Kontrolle durch das Osmanische Reich ausgesetzt, sodass eine<br />

zu starke, öffentliche Parteinahme für Christen (besonders für die am meisten<br />

verhassten Katholiken) offensichtlich ein hohes Risiko darstellen konnte. Generell<br />

standen die unter osmanischer Oberhoheit stehenden Krimtataren zum Osmanischen<br />

Reich nur in einem sehr losen Vasallenverhältnis 65 . Die Tataren der<br />

Krim wurden von den Osmanen seit dem Feldzug Süleymans des Prächtigen<br />

gegen Belgrad 1521 als schlagkräftige Hilfstruppen eingesetzt; ab dem 17. Jahrhundert<br />

erfüllten sie die Funktion der nicht mehr so „leistungsfähigen“ Akin-<br />

64 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 125–143.<br />

65 Die Nogai- und Kuban-Tartaren (vom Budschak bis zum Fluss Kuban bzw. dem Kaukasus<br />

wohnhaft) waren zudem, ähnlich den ukrainischen Kosaken, nomadisierende kriegerische<br />

Gruppen, die kaum in ein Untertanenverhältnis zu bringen waren und sich ihre Auftraggeber<br />

(Osmanisches Reich, Russland, Polen) je nach Zugeständnis und Beuteversprechen aussuchten.<br />

Vgl. ISCHBOLDIN, Tatar History (wie Anm. 63) 132.<br />

105


106 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

ci, der berüchtigten „Renner und Brenner“, die als Störtrupps oft schon Wochen<br />

vor dem Eindringen des Hauptheers der Osmanen das Feindesland verwüsteten.<br />

Bei der zweiten Belagerung Wiens im Jahr 1683 waren es vorrangig<br />

Krimtartaren, welche die Massaker an der Bevölkerung in Ungarn und Österreich<br />

verübten und viele Menschen in die Sklaverei führten 66 . Das Bestreben<br />

des Beutemachens ging dabei soweit, dass, wie der Zeremonienmeister des osmanischen<br />

Heeres berichtete, einer der Gründe für die Niederlage der Osmanen<br />

bei der Schlacht am Kahlenberg auch die Kampfuntauglichkeit der Krimtartaren<br />

war, welche infolge einer Unmenge an Beute und Sklaven, die sie mit sich<br />

führten und demgemäß auch bewachen mussten, nicht mehr zu einem effektiven<br />

Eingreifen in das Kampfgeschehen imstande waren 67 . Diese Kriegsführung<br />

war demnach für das osmanische Heer insgesamt keineswegs zielführend;<br />

die Verwüstungen durch die Tataren beeinträchtigten zudem auch die Versorgung<br />

des angreifenden Heeres schwer. Außerdem führte die enorme Grausamkeit<br />

der Kriegsführung dazu, dass ein erbitterter Widerstand auch in der „Zivilbevölkerung“<br />

hervorgerufen wurde.<br />

Die trotz der Niederlage vor Wien 1683 zahlreichen von den Tataren Verschleppten<br />

waren der Grund dafür, dass sich die ersten Redemptionen der „österreichischen“<br />

Trinitarier ab 1690 in das nördliche Schwarzmeergebiet richteten.<br />

Noch bis in das Jahr 1720 befreiten die Mönche dort Österreicher und Ungarn,<br />

die 1683 verschleppt worden waren; darüber geben die Gefangenenlisten Aufschluss,<br />

die anlässlich jeder Redemption von den Trinitariern erstellt wurden,<br />

als eine Art Erfolgsbilanz für die Öffentlichkeit, insbesondere die Almosengeber,<br />

und als Informationsgrundlage für die nächsten geplanten Befreiungen 68 .<br />

In den Befreiungskatalogen bis um 1740 fi nden sich vor allem Verschleppte aus<br />

Ungarn und den österreichischen Erblanden, darunter auch viele Frauen und<br />

66 3 Vgl. Josef MATUZ, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte (Darmstadt 1996)<br />

156.<br />

67 Vgl. BUCHMANN, Österreich und das Osmanische Reich (wie Anm. 61) 147.<br />

68 Vgl. JOSEPHO A SS. SACRAMENTO, Relatio Austriacae Redemptionis captiorum. In Constantinopolitana<br />

Civitate peractae Anno Jubilei 1700 et Sanctissimo D. N. Clementi XI. P. O. M. Dicata<br />

(Romae 1700); JOANNES A S. FRANCISCO, Catalogus Captivorum ex Turcia, & Tartaria<br />

Budziackensi Redemptorum (Romae 1715); MICHAEL A S. JOSEPHO, Notitia Captivorum<br />

in Tartaria Redemptorum a Sac. Ordine Excalceatorum SS. Trinitatis Redeptionis Captivorum<br />

Congregationis Hispaniarum (Romae 1720); ANDREAS A CRUCE, Redemptiones Captivorum<br />

Constantinopoli, & Tripoli liberatorum per Familiam Redemptricem Discalceatroum<br />

SSme Trinitatis, Provinciarum Germaniae, & Status Veneti (Romae 1730); GEORG A S. JO-<br />

SEPHO, Verzeichnis deren gefangenen Christen, so unter Glückseeligster Regierung Unser<br />

Durchleuchtigsten Königin Mariae Theresiae &c. &c. Mittels der an die Ottomannische Porten<br />

Anno 1740 abgeschickten ausserordentlichen Bottschaft Ihro Excellenz Herrn Grafens von<br />

Ulefeld, sowohl von denen Galeeren zu Constantinopel, als auch zu Thessalonica in Bulgarien<br />

und anderen Orten erlöset und den 11. Julii 1741 zu Wienn Processionaliter eingeführet worden<br />

(Wien 1741).


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Kinder 69 . Die späteren Gefangenenkataloge der österreichischen Trinitarier enthalten<br />

dagegen fast nur noch männliche Befreite, und ein beträchtlicher Teil<br />

von ihnen stammte ursprünglich aus Italien, viele auch aus dem Reich 70 .<br />

69 Die Verschleppten von 1683 waren auch im Durchschnitt weit länger in Gefangenschaft, als<br />

jene der späteren Zeit, oft jahrzehntelang. Bei etlichen von ihnen wird deutlich, dass sie entweder<br />

als Kleinkinder verschleppt worden waren oder überhaupt erst in der Tartarey geboren<br />

wurden. Dies kann aus den Befreiungskatalogen, abgesehen von den Altersangaben, auch<br />

daraus erschlossen werden, dass in solchen Fällen meist der Nachname in der Liste fehlt, anstelle<br />

dessen nur „N.“ angegeben ist, die Eltern also unbekannt waren. Bei diesen Befreiten<br />

war wohl auch die „Resozialisierung“ teils sehr schwierig, da sie ihre Heimat ja eigentlich fast<br />

nicht kannten und eine Anpassung an die neue Umgebung im Erwachsenenalter sicher nicht<br />

leicht war.<br />

70 XAVER A S. JOANNES NEPOMUK, Catalogus Captivorum Christianorum, quos PP. Discalceati<br />

Ordinis SSS. Trinitatis de Redemptione Captivorum, Provinciae S. Josephi, in Ditionibus<br />

Haereditariis Augustissimae Domus Austriacae Erectae, Ab Anno 1753 usque ad Annum 1756<br />

tam in Turica Europaea & Asiatica, quam in Barbaria, aut persoluto lytro nativae libertati restituerunt,<br />

aut pecuniariis subsidiis ad eam recuperandam adjuverunt (Wien o.J. [1756/57]);<br />

Giovanni Constanzo CARACCIOLO (Hg.), Catalogo de Christiani schiavi riscattati dalla Provincia<br />

di S. Giuseppe dell’ Ordine de’ Trinitari Scalzi della Redenzione de’ Schiavi, eretta ne’<br />

felicissimi Stati dell’ Augustissima Casa d’Austria dall’ Anno 1760 fi no al 1763, tanto nella Turchia<br />

Europea e Asiatica, quanto nella Tartaria, e Barbaria, o con l’ interio prezzo del di loro<br />

Riscatto, o ajutati con danare a conseguire la libertà (Roma 1764); DANIEL A RESURRECTIO-<br />

NE DOMINI, Verzeichniß der gefangenen Christen, welche die in gesammten Kayserlich-Königlichen<br />

Erb-Landen, des Durchlauchtigsten Erz-Hauses von Oesterreich, errichtete Josephinische<br />

Provinz des Barfüsser-Ordens der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit von Erlösung der gefangenen<br />

Christen, vom Jahre 1765 bis zum Jahre 1768 sowohl in der Europaeischen und Asiatischen<br />

Türkey, als in der Barbarey, entweder durch Zahlung des Lösegeldes wieder in die angebohrene<br />

Freyheit versetzet, oder doch zu Erlangung derselben mit Geld-Beyhülfen unterstützet<br />

hat (Wien o.J. [1768/69]); BENEDICTUS A S. FELICE, Verzeichniß der gefangenen Christen,<br />

welche die in gesammten Kayserlich-Königlichen Erb-Landen, des Durchlauchtigsten<br />

Erz-Hauses von Oesterreich, errichtete Josephinische Provinz des Barfüsser-Ordens der Allerheiligsten<br />

Dreyfaltigkeit von Erlösung der gefangenen Christen, vom Jahre 1768 bis zum Jahre<br />

1771 europaeischen und asiatischen Türkey, als in der Barbarey, entweder durch Zahlung des<br />

Lösegeldes wieder in die angebohrene Freyheit versetzet, oder doch zu Erlangung derselben<br />

mit Geldbeyhülfen unterstützet hat (Wien o.J. [1771/72]); BERNARDINUS A BEATA VIRGINE,<br />

Verzeichniß der gefangenen Christen, welche die in gesammten Kayserlich-Königlichen Erb-<br />

Landen, des Durchlauchtigsten Erz-Hauses von Oesterreich, errichtete Josephinische Provinz<br />

des Barfüsser-Ordens der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit von Erlösung der gefangenen Christen,<br />

vom Jahre 1771 bis zum Jahre 1773 theils in denen Africanischen Plätzen, fürnemlich: zu<br />

Algier, Maschera und Tripoli; theils in der Europäischen und Asiatischen Türkey entweder<br />

durch Zahlung des Lösegeldes wieder in die Christliche Freyheit versetzet, oder doch zu Erlangung<br />

derselben mit Geldbeyhülfen unterstützet hat (Wien o.J. [1773/74]); BARTHOLOMEUS<br />

A S. NICOLAO, Catalogus Captivorum Christianorum, quos Provincia S. Josephi Ordinis Discalceatorum<br />

SSS. Trinitatis de Redemptione Captivorum erecta in ditionibus haereditariis Augustissimae<br />

Domus Austriacae ab Anno 1773 usque ad Annum 1776 tum Algerii, in Africa, tam<br />

in Turcia Europaea & Asiatica, aut persoluto lytro Christianitati liberos restituit, aut pecuniariis<br />

subsidiis ad recuperandam libertatem adjuvit (Wien o.J. [1776/77]); ANSELMUS A S. P. JOAN-<br />

NE DE MATHA, Verzeichniß der Gefangenen Christen, welche die in gesammten kaiserlichköniglichen<br />

Erblanden, des Durchlauchtigsten Erzhauses von Oesterreich, errichtete Josephinische<br />

Provinz des Barfüsserordens der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit von Erlösung der gefangenen<br />

Christen, vom Jahre 1777 bis zum Jahr 1780 theils in den afrikanischen Pläzen, fürnehmlich:<br />

zu Algier, Maschera und Tripoli, theils in der europäischen und asiatischen Türkey entweder<br />

durch Zahlung des Lösegeldes wieder in die christliche Freiheit versetzet, oder doch zu<br />

Erlangung derselben mit Geldbeihilfen unterstützet hat (Wien o.J. [1780/81]); ENGELBERTUS<br />

107


108 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Dies hängt damit zusammen, dass einerseits bei den Auseinandersetzungen<br />

zwischen Habsburgern und Osmanen zu Land letztere zunehmend in die Defensive<br />

gedrängt wurden und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keine<br />

großen „Beutezüge“ in den mitteleuropäischen Raum mehr stattfanden, andererseits<br />

aber die österreichische Habsburgermonarchie im Laufe des 18. Jahrhunderts<br />

zahlreiche Besitzungen in Italien erwarb: Nach dem spanischen Erbfolgekrieg<br />

kamen 1714 Mailand, Mantua, Neapel und Sardinien in österreichischen<br />

Besitz; letzteres wurde 1720 mit den Bourbonen gegen Sizilien eingetauscht,<br />

das bis 1735 österreichisch war. Beim Friedensschluss nach dem polnischen<br />

Erbfolgekrieg in jenem Jahr verlor das Haus Habsburg-Lothringen<br />

zwar Lothringen, Neapel und Sizilien, erhielt aber Parma, Piacenza und die<br />

Toskana 71 . Damit besaß das Habsburgerreich beträchtliche Gebiete an italienischen<br />

Küsten, insbesondere auch in Süditalien. Diese und vor allem deren<br />

Schifffahrt, die einen wichtigen Wirtschaftszweig darstellte, konnte die Habsburgermonarchie<br />

aber – zum Unterschied von traditionellen maritimen Großmächten,<br />

die über leistungsfähige Kriegsfl otten verfügten – nur sehr unzureichend<br />

schützen, sodass zahlreiche Personen, die als habsburgische Untertanen<br />

bzw. in Diensten habsburgisch regierter Gemeinwesen zur See fuhren, Opfer<br />

von Piratenangriffen wurden. Während des gesamten 18. Jahrhunderts bedrohten<br />

ja noch die so genannten Barbareskenstaaten (Tripolis, Tunis, Algier, Salé<br />

und Marokko) Schifffahrt und Küsten im Mittelmeer und versklavten die Besatzungen<br />

und Reisenden von gekaperten christlichen Schiffen ebenso wie bei<br />

immer wieder veranstalteten Raubzügen an Land Einwohner von – vor allem<br />

italienischen – Küstenstrichen 72 . Dementsprechend richteten sich die Redemptionsreisen<br />

der österreichischen Trinitarier ab der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

zunehmend – neben Konstantinopel, das wegen seines großen Sklavenmarktes<br />

weiterhin eine wichtige Destination für Befreiungsunternehmen blieb – in die<br />

nordafrikanischen Länder. Die dort Befreiten waren fast ausschließlich erwachsene<br />

Männer, was damit zusammenhängt, dass man den Schiffstransport von<br />

A MATRE DEI, Catalogus Christianorum tum redemptorum tum adjutorum, quos extens inhaereditariis<br />

caesareo-regiis ditionibus Provincia Josephina P.P. Trinitariorum de Redemptione<br />

Captivorum ab anno 1780 usque ad mensem Aprilem 1783 magna momenta conferentibus<br />

S.C.R.A.M. Cancellaria Status Intimo-Aulica nec non C.R. Ministro Perae et Consule Liburni<br />

dura capitivitate tam in Barbaria quam in Turcia vel praesenti lytro exemit, aut sane auxiliis<br />

argentariis et collatis Christianae charitatis benefi ciis offi ciose, a calamitatibus eripuit, adjuvit,<br />

ac necessariis provisos ad patriam remisit (Wien o.J. [1783]).<br />

71 Vgl. etwa <strong>Karl</strong> VOCELKA, Glanz und Untergang der höfi schen Welt. Repräsentation, Reform<br />

und Reaktion im habsburgischen Vielvölkerstaat (=Österreichische Geschichte 1699–1815,<br />

Wien 2001).<br />

72 Vgl. Robert DAVIES, Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the Mediterranean,<br />

the Barbary Coast and Italy, 1500–1800 (New York 2004); Salvatore BONO, Corsari nel Mediterraneo.<br />

Cristiani e musulmani fra Guerra, schiavitù e commercio (Torino 1993).


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Frauen und Kindern im Mittelmeer, wenn nicht eine absolute Notwendigkeit<br />

bestand, damals mied.<br />

Die erwähnten Redemptionskataloge der Trinitarier 73 sind aus historischer<br />

Sicht ausgesprochen wertvoll; sie geben nicht nur über Namen, geographische<br />

Herkunft, Alter und Geschlecht der Befreiten Auskunft, sondern nennen meist<br />

auch deren Beruf oder Stand, die Dauer der Gefangenschaft (gelegentlich auch<br />

die Umstände, etwa eine Verwendung als Galeerensklave), den Ort der Befreiung<br />

und die Höhe des Lösegeldes. Allerdings sind solche Listen nicht für alle<br />

Befreiungsfahrten der österreichischen Trinitarier erhalten; die Informationen<br />

aller noch in Bibliotheken und Archiven erhaltenen Kataloge werden derzeit<br />

in einer Datenbank erfasst und sollen statistisch ausgewertet werden. Für den<br />

Zeitraum von 1760 bis 1783, für welchen die Kataloge aller Redemptionsfahrten<br />

erhalten sind, konnten die entsprechenden Auswertungen bereits abgeschlossen<br />

werden 74 : Unter den 600 Befreiten befanden sich nur neun Frauen, die meisten<br />

Befreiten (80,7 %) waren im Alter zwischen 16 und 45 Jahren. Aus den Angaben<br />

zu den Berufen geht hervor, dass es sich beim Großteil der ehemaligen Gefangenen<br />

um Seeleute (44,7 %), Soldaten (23,2 %), Handwerker (13,9 %) und<br />

Handelsleute (8,4 %) handelte, also Berufsgruppen, deren Tätigkeit häufi g die<br />

Notwendigkeit von Seereisen nach sich zog. Hinsichtlich der Lösegelder 75 kann<br />

festgestellt werden, dass mit Abstand die höchsten „Preise“ in diesem Zeitraum<br />

für Handwerker (im Durchschnitt 860 Gulden) bezahlt werden mussten.<br />

An diesen herrschte im Osmanischen Reich und seinen Vasallenstaaten traditionell<br />

ein Mangel und eine sehr hohe Nachfrage. An nächster Stelle folgten Militärangehörige<br />

mit 595 fl . und Seeleute mit 426 fl . Bemerkenswert ist weiters,<br />

dass sich auch bezüglich des Alters der Freigekauften deutliche Unterschiede<br />

in den Lösegeldsummen zeigen; für 26- bis 35-Jährige wurde im Durchschnitt<br />

am meisten bezahlt.<br />

Enorme Differenzen in der Höhe des Lösegeldes gab es aber vor allem hinsichtlich<br />

der Befreiungsorte: An erster Stelle rangierte die Großregion Nordafrika<br />

mit durchschnittlich 862 fl ., die pro Person für den Freikauf aufgewandt werden<br />

mussten. In Marokko und Salé im Speziellen betrug der Durchschnittspreis sogar<br />

1600 fl .; hier wurden allerdings nur sehr wenige Sklaven befreit; die weitaus<br />

meisten – 39,2 % – stammten aus Algier, der Hochburg des damaligen Sklavenhandels<br />

im Mittelmeer (ca. 1/3 der Bevölkerung der Stadt Algier setzte sich aus<br />

Sklaven zusammen), wo durchschnittlich 882 fl . pro Gefangenem aufgewandt<br />

werden mussten. Der besonders hohe Sklavenpreis dieser Region lässt sich teils<br />

73 Siehe die voranstehenden Quellenangaben.<br />

74 Vgl. PAULI, Befreiungstätigkeit (wie Anm. 2) 153–168.<br />

75 Berechnet für die Redemptionen der Jahre 1765 bis 1783, für die „Preisangaben“ in Gulden vor-<br />

handen sind.<br />

109


110 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

damit erklären, dass, anders als im Osmanischen Reich, Fluchtgefahr fast ausgeschlossen<br />

werden konnte. Insgesamt waren 56,5 % der zwischen 1760 und<br />

1783 von den österreichischen Trinitariern befreiten Christen in Nordafrika in<br />

Sklaverei gewesen, zahlenmäßig gefolgt von Konstantinopel (28,5 %) und dem<br />

restlichen Osmanischen Reich (13,1 %). Die Tartarei spielte mit weniger als 2<br />

% kaum mehr eine Rolle, was wohl auch mit dem Umstand zusammenhängt,<br />

dass diese Gebiete seit den 1730er Jahren intensiv von Russland bekriegt wurden<br />

und teils bereits besetzt waren (ab 1771 bestand ein russisches Protektorat);<br />

die durchschnittlichen Lösegeldpreise betrugen in den Jahren 1765–1783 in<br />

der Tartarei (218 fl .), aber auch im Osmanischen Reich (340 fl .) weniger als die<br />

Hälfte des nordafrikanischen Niveaus von 862 fl . Hinsichtlich der Herkunftsregionen<br />

wurde der hohe italienische Anteil der Freigekauften in jener Zeitspanne<br />

schon angesprochen; aus dem österreichischen Küstenland (Triest, Fiume,<br />

Görz, öst. Istrien) stammten 67 Befreite, 96 stammten aus sonstigen habsburgischen<br />

Besitzungen in Italien, vor allem aus dem Herzogtum Mailand, 50<br />

aus anderen italienischen Staaten und 13 aus „Italien“, ohne dass die Herkunft<br />

näher zuzuordnen wäre. Insgesamt entspricht dies 37,7 % aller Freigekauften,<br />

also mehr, als den österreichischen Erblanden (ohne Küstenland) und den Ländern<br />

der böhmischen und ungarischen Krone entstammten (29,0 %). Eine beträchtliche<br />

Anzahl von durch die österreichischen Trinitarier Freigekauften<br />

war weiters „im Reich“, also den nicht-habsburgischen Teilen des Heiligen Römischen<br />

Reiches, geboren (19,4 %), unter denen besonders häufi g Handwerker<br />

waren. Die Dauer der Gefangenschaft betrug bei diesen freigekauften Personen<br />

in mehr als drei Viertel der Fälle unter fünf Jahre; die Finanzierung erfolgte<br />

vor allem über „Großspenden“ von Adeligen (ca. 209.000 fl . in den Jahren<br />

1765–1783), gefolgt von Spenden aus der allgemeinen Bevölkerung („Almosen<br />

der Provinz“, ca. 61.000 fl .); weiteres Geld (ca. 19.000 fl .) hatte das kaiserliche<br />

Ärar beigesteuert.<br />

Über die näheren Umstände der Gefangenschaft kann anhand der Redemptionslisten<br />

leider wenig ausgesagt werden; wenn überhaupt, wurden hierzu nur<br />

sehr knappe Angaben gemacht, meist die Verwendung des Betroffenen als Galeerenruderer.<br />

Die Befreiung der Gefangenen von dieser überaus entsetzlichen<br />

und grausamen Art der Sklaverei war mit außerordentlich großen Schwierigkeiten<br />

verbunden, da für den Galeerendienst aufgrund der schweren körperlichen<br />

Belastung nur sehr kräftige Sklaven herangezogen werden konnten und<br />

dennoch ein großer „Verschleiß“ vorherrschte, sodass diese Gefangenen nicht<br />

beliebig austauschbar und insbesondere die Osmanischen Flottenkommandanten<br />

zu Verkäufen auch um hohe Summen nicht gewillt waren. Im Jahr 1700,<br />

nach dem Friedensschluss von <strong>Karl</strong>owitz, konnten etwa solche Gefangene nur<br />

unter größter Anstrengung seitens des österreichischen Botschafters und der


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Trinitarier und nach Intervention der höheren osmanischen Behörden von diesem<br />

Sklavendasein erlöst werden 76 . Interessanterweise berichtet der Trinitarier<br />

Joannes a San Felice auch, dass „Deutsche“ unter den Gefangenen besonders<br />

häufi g zu schweren Arbeiten herangezogen würden, da sie „als mäßiger, willfähriger<br />

und zu Mühen bereiter den Gefangenen anderer Nationen vorzuziehen<br />

waren“ 77 . Wenn auch eine detaillierte Auswertung der Redemptionskataloge<br />

für die Zeit vor 1760 erst erfolgen muss, ist doch die ungefähre Gesamtzahl der<br />

vom Orden der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Erlösung Gefangener der österreichischen<br />

Provinz im Zeitraum seiner Tätigkeit von 1688 bis 1783 befreiten<br />

Sklaven aufgrund anderer Quellen bereits bekannt 78 : Es waren insgesamt etwa<br />

3.925 Personen, für deren Befreiung etwas mehr als eine Million Gulden aufgewandt<br />

wurde.<br />

Nähere Umstände der Befreiungsreisen der Trinitarier selbst sind, worauf schon<br />

hingewiesen wurde, vor allem aus den „Annales Provinciae Sancti Josephi“ des<br />

Joannes a San Felice bekannt, die allerdings nur bis zum Jahr 1728 reichen; derselbe<br />

Autor verfasste das Werk „Triumphus Misericordiae“, das insbesondere<br />

im Hinblick auf Ziele und Selbstbild des Ordens sehr informativ ist 79 . In beiden<br />

Werken, vor allem aber in den „Annales“, wird ausführlich auch auf die „Sitten<br />

der Tartaren“ eingegangen, die – wenig überraschend – nicht sehr schmeichelhaft<br />

geschildert werden. Zum Teil handelt es sich hierbei zweifellos um<br />

schon lange tradierte Klischees und verbreitete Vorurteile gegenüber als völlig<br />

„fremd“ empfundenen Völkern – so gelten die Tataren als besonders schmutzig,<br />

als Esser von Pferde-, Hunde- und Katzenfl eisch und als völlig zügellos in jeglichen<br />

Begierden, sodass sie sogar mit den am übelsten beleumundeten „Kannibalen“<br />

verglichen werden 80 ; die Schilderungen über die Grausamkeit und Brutalität<br />

im Umgang mit ihren Sklaven müssen freilich, angesichts der bekannten<br />

Gräueltaten, welche sie auf ihren Feldzügen verübten, im Allgemeinen durchaus<br />

realitätsbezogen gewertet werden 81 . Die Lebensbedingungen als Sklave in<br />

76 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 288–301.<br />

77 JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 327. Im Original: „[…] tanquam modestiores<br />

magísque morigeros, & ad labores promptiores cunctis aliarum Nationum mancipiis praeferre<br />

soleant”.<br />

78 Vgl. Bonifacio PORRES ALONSO, Libertad a los cautivos. Actividad redentora da la Orden Trinitaria<br />

(Córdoba - Salamanca 1997) 616f.<br />

79 JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43); JOANNES A SAN FELICE, Triumphus Misericordiae<br />

(wie Anm. 11).<br />

80 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 159.<br />

81 So ist es, wenn auch für die sozialen Verhältnisse innerhalb der Tataren wohl unzutreffend,<br />

dennoch kein Wunder, dass der Trinitarier festhält: „Promissorum apud Tartaros nulla utpluriumum<br />

constantia & veritas“, „Versprechen haben bei den Tartaren überhaupt keine Beständigkeit<br />

und Wahrheit“, wenn man bedenkt, dass der Kriegszug von 1683 sicherlich noch in<br />

lebhafter Erinnerung war (vgl. den expliziten Hinweis in JOANNES A SAN FELICE, Triumphus<br />

Misericordiae [wie Anm. 11] 84), bei dem etwa nahezu die gesamte Bevölkerung von<br />

Perchtoldsdorf von Hilfstruppen der Osmanen entweder niedergemetzelt oder versklavt wor-<br />

111


112 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

den tatarischen Gebieten wie auch im Osmanischen Reich waren zweifelsohne<br />

meist grauenhaft, wenn es auch Ausnahmen gab, wie San Felice, der diese<br />

Gegenden ja auch selbst als Redemptor bereist hatte, hervorhebt 82 . Auf der<br />

Krim waren die meisten Sklaven zur Feldarbeit eingesetzt, die für Tartaren als<br />

schändlich galt; auch als Hirten oder in der Hausarbeit fanden christliche Sklaven<br />

Verwendung; viele Frauen, aber auch Männer und Kinder, dienten gemäß<br />

den Ausführungen von San Felice – und auch dies erscheint durchaus glaubhaft<br />

– zudem als „Sexsklaven“ 83 . Der Trinitarier hebt auch hervor, dass ein Großteil<br />

der Wirtschaft dieser Gemeinwesen auf der Ausbeutung von Sklaven beruhte 84 .<br />

Die Tataren, so San Felice weiter, seien nicht einmal besonders gläubige Muslime;<br />

„Magier“ würden bei ihnen eine besonders hohe Autorität besitzen und<br />

teufl ische Künste ausüben, sodass etwa gefangene Christen in einem „Bannkreis“<br />

gefangen blieben, damit sie nicht fl iehen könnten 85 . Interessant an den<br />

Schilderungen des Trinitarierpaters ist auch, dass es seiner Auffassung nach<br />

fast ausschließlich die tatarischen Männer waren, welche Verbrechen verübten,<br />

und diese auch ihre Frauen dazu zwingen würden, unter ihrem brutalen Regiment<br />

zu leben. Die tatarischen Frauen würden im Gegensatz zu den Männern<br />

sehr wohl Arbeiten in der Landwirtschaft und im Haushalt verrichten und seien<br />

insgesamt der Willkür der Männer sehr ausgesetzt; in den Städten wäre dies allerdings<br />

weniger der Fall als auf dem Land 86 .<br />

Die Trinitarier und die staatliche Gefangenenbefreiung in<br />

Österreich<br />

Mit den Friedensverträgen von <strong>Karl</strong>owitz (1699) und Passarowitz (1718) wurden<br />

das erste Mal rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen für den Austausch<br />

von Sklaven bzw. Gefangenen zwischen einem christlichen Staat und dem Osmanischen<br />

Reich geschaffen 87 . Ab dem 18. Jahrhundert wandelte sich ja auch<br />

das gesamte Verhältnis zwischen letzterem und dem Habsburgerreich, da sich<br />

die Türken nun eindeutig in der Defensive befanden und daher bestimmte Ver-<br />

den war, als sie sich ergaben, nachdem ihnen Schonung zugesichert worden war. Vgl. hierzu<br />

BUCHMANN, Österreich und das Osmanische Reich (wie Anm. 61) 142.<br />

82 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 139.<br />

83 Vgl. bes. JOANNES A SAN FELICE, Triumphus Misericordiae (wie Anm. 11) 85–87.<br />

84 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 160–162; JOANNES A SAN FELICE,<br />

Triumphus Misericordiae (wie Anm. 11) 85.<br />

85 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 164.<br />

86 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 160.<br />

87 Vgl. <strong>Karl</strong> JAHN, Zum Loskauf christlicher und türkischer Gefangener und Sklaven im 18. Jahrhundert.<br />

In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 111, NF 36 (1961) 63–85.<br />

– Die entsprechenden Vereinbarungen des Vertrags von <strong>Karl</strong>owitz sind festgehalten in: Österreichisches<br />

Staatsarchiv [ÖSTA], Haus-, Hof- und Staatsarchiv [HHStA], BKA – 2027350/0004:<br />

„In Conferentia die 1. octobris 1699. Tr[actatus] Ratione captivorum“.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

träge akzeptieren mussten. Nach dem Frieden von <strong>Karl</strong>owitz sollten zunächst<br />

Kriegsgefangene ausgetauscht werden; die „überzähligen“ Gefangenen mussten<br />

sodann in ihre Heimatländer verkauft werden, wobei die Durchführung den<br />

jeweiligen Botschaftern übertragen wurde. Für Gefangene, die sich in Privatbesitz<br />

befanden, sollte gemäß den Vereinbarungen dieses Friedensvertrags ein<br />

„günstiger“ Preis veranschlagt werden; wäre eine freie Übereinkunft mit dem<br />

„Eigentümer“ nicht möglich, so habe ein vor Ort ansässiger Richter das Lösegeld<br />

festzustellen und die Durchführung der Freilassung nach Erlegung des Lösegeldes<br />

zu gewährleisten. Die „Sklavenbesitzer“ dürften sich diesen Richtlinien<br />

keinesfalls widersetzen, und die beiderseitigen Botschafter sollten darüber<br />

wachen, dass die Gefangenen bis zum Zeitpunkt ihrer Freilassung menschlich<br />

behandelt würden 88 . Die vereinbarte Freilassung der beiderseitigen Gefangenen<br />

bezog sich aber nur auf jene, die an ihrem jeweiligen Glauben während<br />

der Kriegsgefangenschaft festgehalten haben; die Durchführung gemäß diesem<br />

Zusatz gestaltete sich jedoch einigermaßen schwierig, da getaufte Türken<br />

natürlich auch wieder zum Islam rekonvertieren konnten, und dies galt analog<br />

natürlich auch für die Gegenseite, sodass hier der rechtliche Status nicht eindeutig<br />

geregelt war und jede Seite versuchte, ihn zu ihren Gunsten auszulegen,<br />

wie Vermerke im „Keyserlichen Hof-Kriegs Cantzley Registratur Protocoll“<br />

des Jahres 1700 zeigen 89 : Eingaben vom Oktober bis Dezember 1700 etwa sprechen<br />

von „Entführungen“ getaufter Türken durch den osmanischen Gesandten.<br />

Um dem vorzubeugen, wurde von österreichischer Seite den Kommandanten<br />

diverser Festungen der Befehl erteilt, an der „ungarischen Gränitz [ge]taufte<br />

Türkhen nit passieren zu lassen“ 90 .<br />

Insgesamt lag die Auswechslung und der Freikauf von Gefangenen viel eher<br />

im Interesse des Habsburgerreichs; die Zahl der türkischen und tatarischen Gefangenen<br />

hierzulande war im Vergleich zu den gefangen gehaltenen habsburgischen<br />

Untertanen im Osmanischen Reich sehr gering, sodass – hauptsächlich<br />

unter der Ägide von Kardinal Kollonitsch – regelrecht nach türkischen Gefangenen<br />

zum Zwecke des Austauschs gesucht werden musste. Adelige, wie<br />

etwa Fürst Batthyány, mussten mühevoll dazu überredet werden, ihre „Sklaven“<br />

zu verkaufen, wie gleichfalls aus den Protokollen des Hofkriegsrats für<br />

jene Jahre hervorgeht 91 . Im Osmanischen Reich hatte umgekehrt die Rückholung<br />

von sich in Gefangenschaft befi ndlicher Untertanen im Allgemeinen keinen<br />

hohen Stellenwert; im <strong>Karl</strong>owitzer Vertrag spiegelt sich dieses Desinteres-<br />

88 Vgl. JAHN, Loskauf (wie Anm. 87) 66.<br />

89 Vgl. ÖSTA, Kriegsarchiv [KA], Bestand Hofkriegsrat, Keyserliches Hof-Kriegs Cantzley Registratur<br />

Protocollum anno 1700, fol. 326, 354, 355, 363, 436.<br />

90 Ebd. fol. 326.<br />

91 Vgl. ÖSTA, KA, Bestand Hofkriegsrat, Keyserliches Hof-Kriegs Cantzley Expedit Protocollum<br />

anno 1699, fol. 86, 134, 205, 379,397,488.<br />

113


114 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

se insofern wider, als im 12. Artikel speziell festgelegt wurde, dass bei Nichterscheinen<br />

osmanischer Beamter zwecks Abholung ehemaliger türkischer Gefangener<br />

sich ein kaiserlicher Präfekt um die Rückstellung dieser Menschen zu<br />

kümmern hätte 92 .<br />

Vermutlich wurde die Gefangennahme eines osmanischen Soldaten auch eher<br />

als Schande angesehen, als dies in den christlichen Staaten der Fall war, wo sich<br />

im Rahmen des Konzepts der christlichen Barmherzigkeit seit dem Hochmittelalter<br />

eben auch eine spezifi sche Tradition der Gefangenenbefreiung „um Gottes<br />

Willen“ herausentwickelt hatte. Ein wichtiger Unterschied zwischen Habsburger-<br />

und Osmanenreich bestand auch darin, dass im mitteleuropäischen Raum<br />

Sklaverei und Sklavenhandel in der Frühen Neuzeit keine Tradition hatten, was<br />

auch mit dem vorherrschenden Ideal eines religiös homogenen, christlichen Gemeinwesens<br />

zusammenhängt, während im Osmanischen Reich Andersgläubige<br />

generell als Untertanen – und Steuerzahler – geduldet waren. Bemerkenswerterweise<br />

konnten dort auch Christen und Juden nicht-muslimische Sklaven besitzen.<br />

Mit den beiden Friedensverträgen von <strong>Karl</strong>owitz und Passarowitz wurde<br />

auch diese Sklaverei weitgehend abgeschafft; darüber hinaus bedeuteten diese<br />

Verträge aber auch, dass nun Maximen des humanitären Umgangs mit dem<br />

„andersgläubigen“ Feind geschaffen wurden.<br />

Für die weitere Befreiungstätigkeit des Trinitarierordens in Österreich wurden<br />

diese Vertragswerke sehr bedeutsam, da sie den von ihnen durchzuführenden<br />

Gefangenenaustausch bzw. -freikauf sehr erleichterten. Bis etwa zur Mitte des<br />

18. Jahrhunderts wurden die Trinitarier von Regierungsstellen auch immer wieder<br />

in die entsprechenden staatlichen Bemühungen eingebunden und angewiesen,<br />

gemeinsam mit österreichischen Botschaftern und Gesandten die Durchführung<br />

der Verträge zu vollziehen. Die größten und erfolgreichsten Unternehmungen<br />

dieser Art wurden jeweils kurz nach den Friedensschlüssen von 1699<br />

und 1718 ausgeführt; die erste im „Jubeljahr“ 1700, als der österreichische Botschafter<br />

Wolfgang Graf von Öttingen und der Redemptor Josephus a SS. Sacramento<br />

in der „europäischen Türkei“ und in Konstantinopel mehr als 900 Menschen,<br />

vornehmlich habsburgische Untertanen, zu vergleichsweise günstigen<br />

Bedingungen freikaufen konnten 93 . Die zweite konzertierte Befreiungsaktion<br />

fand in den Jahren 1719/1720 statt, wobei die Trinitarier allein 555 ehemalige<br />

Gefangene zurück in ihre Heimatländer bringen konnten 94 .<br />

Nicht selten erzielten die Trinitarier bei ihren Tätigkeiten auch einen „Bekehrungserfolg“<br />

bei Lutheranern, Kalvinisten oder „Schismatikern“, also Angehö-<br />

92 Vgl. JAHN, Loskauf (wie Anm. 87) 77f.<br />

93 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 294.<br />

94 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 718f.


„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

rigen orthodoxer Kirchen 95 . Als Zeichen des Triumphs des katholischen Glaubens<br />

wurde bei jeder Rückkehr der Redemptoren von ihren Befreiungsreisen<br />

eine spektakuläre Prozession veranstaltet, bei welcher die erlösten Gefangenen<br />

der Öffentlichkeit „präsentiert“ wurden. Hier ein Auszug aus der Beschreibung<br />

der ersten Prozession der österreichischen Trinitarier in Wien:<br />

„Am 10. Juni [1691] schritt eine glänzende Prozession aus unserem Kloster<br />

zur Kathedrale des Erz-Märtyrers St. Stefan in folgender Ordnung:<br />

Der durchlauchtigste Herr Alois Thomas Graf von Harrach […] trug das<br />

weiße Banner der Redemption voran, auf beiden Seiten begleitet von den<br />

Grafen Wallenstein und Auersperg […]. Dem Banner folgten die Befreiten,<br />

auf der Brust geschmückt mit dem Skapulier unseres Heiligen Ordens.<br />

Diesen folgte der Chor der Musiker“ 96 .<br />

Auch in siebenbürgischen und ungarischen Städten, vornehmlich dort, wo auch<br />

trinitarische Klöster bestanden, wurden auf der Durchreise Prozessionen veranstaltet<br />

und die Befreiten auf diese feierliche Art empfangen. Schon 1710, unter<br />

<strong>Karl</strong> VI., wollten die staatlichen Behörden diese Veranstaltungen explizit<br />

aus Kostengründen eindämmen; insbesondere sollten jene Befreiten, die<br />

aus den Ländern der ungarischen Krone stammten, bereits auf der Durchreise<br />

durch ihre Heimatländer entlassen und nicht, wie von den Trinitariern praktiziert,<br />

bis nach Wien mitgeführt werden, um hier als Teilnehmer der feierlichen<br />

Schlussprozession zu fungieren 97 . Bereits im beginnenden 18. Jahrhundert<br />

machten sich so Wirkungen einer beginnenden „Aufklärung“ bemerkbar,<br />

die manche Praktiken des symbolbeladenen Barockkatholizismus als überholt<br />

auffassten. Die Rückholung von Untertanen aus dem verfeindeten Auslande<br />

wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts bald weniger als eine Sache der christlichen<br />

Barmherzigkeit oder der Seelenrettung vor der drohenden Apostasie betrachtet,<br />

sondern als dem irdisch-nüchternen Nutzen des Staates angemessene<br />

Praxis. Die staatlichen Behörden übernahmen diese Agenden auch zunehmend<br />

selbst, wie ja auch zahlreiche andere Belange des Sozialwesens. Auch betraf die<br />

Gefangenschaft im Osmanischen Reich und dessen Vasallenstaaten nach 1720<br />

immer weniger „Zivilisten“ und zu immer größeren Teilen Soldaten und Matrosen,<br />

sodass die Angelegenheit der Gefangenenbefreiung immer stärker auch in<br />

die Kompetenzen der Militärverwaltung fi el. Schon während der Regierungs-<br />

95 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 216, 236, 705, 767.<br />

96 JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 101. Im Original: „Decima proinde mensis<br />

Junii splendida Processio e nostro Coenobio ad Cathedralem S. Stephani Proto-Martyris Basilicam<br />

hoc ordine procedit: Illustrissimus Dominus Aloysius Thomas comes ab Harrach […]<br />

candidum Redemptionis vexillum praetulit, cuius utrinque latus stipabant Comites Wallensteinius<br />

& Auersbergius […]. Vexillum sequebantur redempti, Sacri Ordinis nostri Scapulari<br />

in pectore ornati: hos Musicorum chorus excipiebat.“<br />

97 Vgl. JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 476.<br />

115


116 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

zeit Maria Theresias bildete sich zu einem beträchtlichen Grad ein „Staatskirchentum“<br />

heraus, welches die Organisationen der katholischen Kirche immer<br />

stärker staatlicher Kontrolle unterwarf. Kirchliche Einrichtungen, die als<br />

„Konkurrenz“ zu staatlichen Behörden oder als „überfl üssig“ aufgefasst wurden,<br />

wurden unter Joseph II. schließlich aufgelöst. Den Klosteraufhebungsdekreten<br />

von 1782 und 1783 fi el auch der Trinitarierorden zum Opfer; sein Vermögen,<br />

Stiftungen zum Zweck des Gefangenenfreikaufs im Ausmaß von 800.000<br />

fl ., ging in den von Joseph eingerichteten Religionsfond über 98 .<br />

Den österreichischen Trinitariern wurde nach der Aufhebung ihres Ordens die<br />

Möglichkeit geboten, einem anderen Orden beizutreten oder als Weltgeistliche<br />

in der Seelsorge zu arbeiten. Einige der Ex-Trinitarier wurden im neu gegründeten<br />

Wiener Allgemeinen Krankenhaus, gegenüber dem ehemaligen Konvent<br />

in der Alserstrasse, tätig. In Konstantinopel, wo seit 1723 ebenfalls österreichische<br />

Trinitarier ansässig waren, konnten die Ordensmitglieder als Legationskapläne<br />

der österreichischen Botschaft weiter geistliche Dienste versehen 99 .<br />

Es wäre sicherlich begrüßenswert gewesen, wenn sich in Österreich auch nach<br />

1783 neben der staatlichen Obsorge für Kriegsgefangene weiterhin eine von<br />

staatlichen Organen unabhängige, mit differenter Motivation ausgestattete Organisation<br />

wie der Trinitarierorden der Befreiung von im Ausland Verschleppten<br />

und Gefangenen hätte widmen können, schon um zu vermeiden, dass ein<br />

Monopol in den Entscheidungen entsteht, für wen sich ein Einsatz lohne und<br />

wer wegen etwaig resultierender diplomatischer Missstimmigkeiten lieber seinem<br />

Schicksal überlassen bleibe. So erfüllte der Orden der Trinitarier in der<br />

Habsburgermonarchie des 17. und 18. Jahrhunderts bedeutende Aufgaben in<br />

einem sehr schwierigen Gebiet im Schnittpunkt politischer, sozialer und humanitärer<br />

Interessen, wie es seit dem 19. und 20. Jahrhundert die sogenannten<br />

„NGOs“, „Nichtregierungsorganisationen“, wie Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie<br />

und Amnesty International, tun, die gleichfalls staatliche Maßnahmen zu kontrollieren<br />

und Missbräuche aufzuzeigen und zu verhindern versuchen.<br />

98 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 61.<br />

99 Vgl. KOPALLIK, Regesten (wie Anm. 52) 17–19. – Der Konvent der österreichischen Trinitarier<br />

in Konstantinopel war ein „Vorzeigeprojekt“ des Ordens und selbst bei den Muslimen in Konstantinopel<br />

anerkannt gewesen, da sich die Trinitarier im Allgemeinen strikt an ihre Aufgabe<br />

des Gefangenenfreikaufs und -austauschs hielten und nicht etwa missionarisch tätig wurden.<br />

Auch die angeschlossene Lateinschule des Ordens war stark frequentiert worden. Vgl. hierzu<br />

JAHN, Loskauf (wie Anm. 87) 72f; JOANNES A SAN FELICE, Annalium (wie Anm. 43) 761f. In<br />

den 1780er Jahren wurde gerade das für zeitgenössische Verhältnisse relativ „weltoffene“ Verhalten<br />

der Trinitarier ihren Mitgliedern zum Vorwurf gemacht und sie in Schmähschriften der<br />

Kollaboration mit den Türken bezichtigt. Vgl. hierzu KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 8) 61;<br />

de LEEUW, Trinitarier (wie Anm. 25) 26.


Abstract<br />

„Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

Abb. 3: Trinitarier versorgen eine vom Fußmarsch erschöpfte Frau;<br />

Gemälde von L. Deluise mit dem Titel „Il ritorno dall’Anno Santo“.<br />

Orig. in der Galerie du Palais Royal, Paris. 100 – Bildnachweis<br />

The Trinitarian Order or “the Order of the most holy Trinity of the redemption<br />

of captives” (OSST) has been founded in 1198 by Johannes de Matha and Felix<br />

de Valois in France under the papacy of Innocence III. The main purpose of the<br />

new charitable religious community consisted in – as its title already illustrates<br />

– the liberating of Christian captives from Islamic countries. Special attention<br />

was given to the redeeming of the captives’ souls, who in the hand of the “Infi -<br />

dels” were always in temptation of apostasy. Besides, the Order ran hospices for<br />

poor and ill people. In the Habsburg Monarchy it was the Spanish branch of the<br />

reformed Trinitarians - which since 1609 has been constituted canonically as a<br />

Mendicant Order - that started its activity of ransoming Christian slaves in Vienna<br />

in 1688. After the year 1683, the second siege of Vienna, when thousands<br />

of people from Lower Austria and Hungary had been killed or displaced to Turkey<br />

or the tartaric regions around the northern Black sea coast, the need of a<br />

professional organisation for liberating bringing the people back was urgent. In<br />

100 Reprod. erhältlich im Trinitarierkloster San Carlo alle Quattro Fontane, Rom. Die Abbildung<br />

zeigt die Ordenstracht der Unbeschuhten Trinitarier: weiße Kutte und weißes Skapulier mit<br />

dem rot-blauen Kreuz des Ordens, darüber brauner Mantel und Sandalen an den Füßen.<br />

117


118 „Bettelorden“ Korrekturabzug<br />

the course of the 18 th century seventeen cloisters and settlements were founded,<br />

most of them in Hungary; others existed in Bohemia, Moravia, Transylvania,<br />

Serbia, Constantinople and Styria. First most of the ransoming activities were<br />

undertaken in Turkey, the Tartaric regions and the Balkans. Since 1714, when<br />

many Italian countries were incorporated into the Habsburg Empire, the Austrian<br />

Trinitarians also had a lot to deal with the “Barbaresque-States” of Northern<br />

Africa, because they were continuously assaulting Italian coasts and ships.<br />

The peace treaties of <strong>Karl</strong>owitz (1699) and Passarowitz (1718) marked a change<br />

in the Trinitarians’ ransoming occupation, because from now on there existed<br />

rules for the exchange of captives between the Habsburg and the Ottoman Empire.<br />

The Trinitarians fi rst got involved into the quite successful state-controlled<br />

efforts for liberating the captive “subjects”, but later they were seen as superfl<br />

uous, and the order was dissolved in Austria in 1783.

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