NK 06_Bafin
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WWW.NETWORK-KARRIERE.COM <strong>06</strong>.2023<br />
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EUROPAS GRÖSSTE WIRTSCHAFTSZEITUNG FÜR DEN DIREKTVERTRIEB<br />
ZKZ 66685<br />
TATORT INTERNET:<br />
WIE DIE BAFIN ILLEGALE<br />
FINANZGESCHÄFTE<br />
BEKÄMPFT:<br />
Die BaFin rückt auch zu<br />
Durchsuchungen aus.<br />
Notfalls mit der Brechstange.<br />
Ein BaFin-Mitarbeiter berichtet.<br />
Initiative<br />
Nebentätigkeit 20 23<br />
Professor Dr. Claudia Kemfer<br />
Die Professorin für Energiewirtschaft<br />
und Energiepolitik nennt die<br />
Verantwortlichen für die verfahrene<br />
Energiesituation.<br />
Sven Gabor Janszky<br />
Der Verrat an der Natur heißt<br />
Humanismus – nicht SUV.<br />
Georg Lehmacher<br />
Die Bombe, die in der<br />
Jackentasche tickt: Das<br />
Handy ist wohl das<br />
Explosivste überhaupt.<br />
Künstliche Intelligenz<br />
Network-Karriere<br />
Versuchsredaktion lässt<br />
von Künstlicher Intelligenz<br />
Berichte schreiben.<br />
www.seitz-mediengruppe.de<br />
NETWORK-<br />
KARRIERE<br />
VERBINDET
TITEL STORY<br />
17<br />
© Adobe Stock / Michael<br />
TATORT INTERNET:<br />
WIE DIE BAFIN ILLEGALE<br />
FINANZGESCHÄFTE<br />
BEKÄMPFT<br />
So oft wie noch nie ist die Finanzaufsicht BaFin im vergangenen Jahr gegen dubiose<br />
Finanzanbieter vorgegangen. Es gibt immer wieder neue Maschen. Ein<br />
Klick – und das Geld ist weg: Diese Erfahrung machen immer wieder Anlegerinnen<br />
und Anleger, die ihre Ersparnisse vermeintlich seriösen Finanzdienstleistern<br />
im Internet anvertrauen. Aktiendeals, Kredite, Versicherungspolicen oder<br />
der ganz große Gewinn mit Kryptowährungen – dubiose Anbieter machen sich<br />
mehr und mehr im Netz breit und werben vor allem auf Online-Handelsplattformen<br />
für Finanzprodukte und -dienstleistungen.<br />
Und das alles, ohne die Erlaubnis zu<br />
haben und von der BaFin beaufsichtigt<br />
zu werden. Dabei behaupten sie<br />
oft gerade das: von der Finanzaufsicht<br />
BaFin oder anderen Behörden<br />
beaufsichtigt zu werden. Manche<br />
agieren auch unter dem Namen eines<br />
lizensierten Unternehmens, was<br />
nichts anderes ist als Identitätsdiebstahl.<br />
Alle diese Maschen haben eines<br />
gemeinsam: Sie können die Opfer<br />
in den Ruin führen.<br />
Auch und gerade für Geschäfte im<br />
Internet gilt: Um nicht Opfer eines<br />
Betrugs zu werden, sollten sich Anlegerinnen<br />
und Anleger vor Vertragsschluss<br />
über den Anbieter informieren.<br />
Besonders empfehlenswert sind<br />
ein Blick auf die Warnmeldungen,<br />
welche die BaFin auf ihrer Homepage<br />
veröffentlicht, und ein Blick in die Unternehmensdatenbank<br />
der BaFin. Ist<br />
ein Unternehmen nicht in der Datenbank<br />
gelistet, ist Vorsicht geboten.<br />
BaFin: Gefahrenabwehr auf dem<br />
Schwarzen Kapitalmarkt<br />
Bank-, Finanzdienstleistungs-, Investment-<br />
und Versicherungsgeschäfte,<br />
Zahlungsdienste- und E-Geld-Geschäfte<br />
darf in Deutschland nur betreiben,<br />
wer eine schriftliche Erlaubnis<br />
der BaFin hat (siehe Infokasten „Erlaubnispflichtige<br />
Geschäfte“). Das ist<br />
gesetzlich vorgeschrieben. Das Marktsegment,<br />
in dem sich Anbieter bewegen,<br />
die erlaubnispflichtige Geschäfte<br />
ohne Erlaubnis tätigen, wird Schwarzer<br />
Kapitalmarkt genannt (siehe Infokasten<br />
„Weißer, Schwarzer und Grauer<br />
Kapitalmarkt“).<br />
Die Abteilung Integrität des Finanzsystems<br />
(IF) der BaFin setzt den gesetzlichen<br />
Erlaubnisvorbehalt durch und<br />
verfolgt die illegalen Geschäfte auf<br />
dem Schwarzen Kapitalmarkt. Falls erforderlich,<br />
ficht sie Fälle, in denen gegen<br />
die Aufsichtsgesetze verstoßen<br />
wurde, auch vor den Verwaltungsgerichten<br />
aus. Die BaFin ist qua Gesetz<br />
eine Gefahrenabwehrbehörde –<br />
und die Bekämpfung von unerlaubten<br />
Geschäften ein<br />
zentrales Anliegen der<br />
Abteilung IF. Die Ba-<br />
Fin arbeitet dabei<br />
eng mit den Strafverfolgungsbehörden<br />
zusammen<br />
(siehe Infokasten<br />
„Zusammenarbeit<br />
mit<br />
Strafverfolgungsbehörden“).<br />
© Adobe Stock/ LIGHTFIELD STUDIOS
18 TITEL STORY<br />
© Adobe Stock / Maksim Shmeljov<br />
© Adobe Stock / leomalsam<br />
Wie geht die BaFin dabei vor?<br />
Zunächst prüft sie, ob die Geschäfte<br />
nach Maßgabe der Aufsichtsgesetze<br />
erlaubnispflichtig sind.<br />
Auf einen Blick<br />
Erlaubnispflichtige Geschäfte<br />
Für folgende Geschäfte benötigen<br />
Anbieter eine Erlaubnis:<br />
Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen<br />
nach dem Kreditwesengesetz<br />
(KWG)<br />
Wertpapierdienstleistungen nach<br />
dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG)<br />
Versicherungsgeschäfte nach dem<br />
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)<br />
Zahlungsdienste oder das E-Geld-<br />
Geschäft nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz<br />
(ZAG)<br />
Verwaltung von Investmentvermögen<br />
im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs<br />
(KAGB)<br />
Kommt die BaFin zu dem Schluss,<br />
dass ein Anbieter ohne die erforderliche<br />
Erlaubnis beispielsweise Bankgeschäfte<br />
betreibt oder Wertpapierdienstleistungen<br />
erbringt, dann ordnet<br />
sie an, diese einzustellen und abzuwickeln.<br />
Flankiert werden die Anordnungen<br />
mit der Androhung und Festsetzung<br />
von Zwangsgeldern, damit sie<br />
möglichst schnell und effektiv wirken.<br />
Die Anordnungen sind kraft Gesetzes<br />
sofort vollziehbar. Die BaFin macht<br />
sie öffentlich bekannt, um potentielle<br />
Anlegerinnen und Anleger zu warnen.<br />
Grundsätzlich gilt: Auch bei der Verfolgung<br />
unerlaubter Geschäfte arbeitet<br />
die BaFin risikoorientiert. Sie richtet<br />
sich nach den Marktgegebenheiten.<br />
Sie hat im Blick, welche neuen<br />
Geschäftsmodelle und Trends es<br />
gibt, und reagiert umso härter, je höher<br />
sie das Schadenspotential der<br />
unerlaubten Geschäfte einschätzt.<br />
Illegale Finanzgeschäfte: Neuer<br />
Höchststand im Jahr 2022<br />
Die Zahl der förmlichen Maßnahmen<br />
erreichte 2022 einen neuen Höchststand:<br />
354 solcher Maßnahmen hat<br />
die BaFin beschlossen.<br />
Auf einen Blick<br />
Weißer, Schwarzer und Grauer<br />
Kapitalmarkt<br />
Der Weiße Kapitalmarkt erfasst die<br />
Kreditinstitute, Finanzdienstleister,<br />
Zahlungsdienstleister, E-Geld-Institute,<br />
Kapitalverwaltungsgesellschaften<br />
und Versicherungsunternehmen, die<br />
für ihre Tätigkeiten eine Erlaubnis<br />
nach den jeweils einschlägigen Aufsichtsgesetzen<br />
haben (siehe Infokasten<br />
„Erlaubnispflichtige Geschäfte“).<br />
Sie sind erlaubt tätig und werden von<br />
der BaFin laufend beaufsichtigt.<br />
Im Gegensatz dazu üben am illegalen<br />
Schwarzen Kapitalmarkt Akteure<br />
erlaubnispflichtige Geschäfte<br />
ohne die erforderliche Erlaubnis<br />
der BaFin aus oder betreiben sogar<br />
verbotene Geschäfte. Das sind<br />
Geschäfte, die gar nicht erst erlaubt<br />
werden können.<br />
Der Graue Kapitalmarkt umschreibt<br />
die Marktteilnehmer und Angebote,<br />
die für ihre Angebote keine Erlaubnis<br />
der BaFin benötigen und daher von<br />
ihr auch nicht beaufsichtigt werden.<br />
Die Angebote, die auf dem Grauen<br />
Kapitalmarkt vertrieben werden, können<br />
aber als Vermögensanlagen oder<br />
Wertpapiere einer Prospektpflicht<br />
unterliegen.<br />
Wertvolle Hinweise von Betroffenen<br />
Ausgangspunkt für Ermittlungen<br />
der BaFin sind oft Beschwerden von<br />
Anlegerinnen und Anlegern. Auch<br />
Geschäftspartner, Konkurrenten oder<br />
Strafverfolgungsbehörden weisen<br />
Meist gehen aufwändige<br />
Recherchen den konkreten<br />
Durchsuchungen voraus.<br />
die BaFin auf unerlaubte Geschäfte<br />
hin. Die BaFin nimmt dann Einsicht in<br />
die Handelsregister und recherchiert<br />
im Internet und anderen Medien.<br />
Meist fordert sie die Betreiber auf, zu<br />
den fraglichen Geschäften Stellung<br />
zu nehmen und bestimmte Unterlagen<br />
dazu vorzulegen.<br />
Kooperieren die Betreiber nicht, kann<br />
die BaFin zur Aufklärung des Sachverhalts<br />
die Geschäfts- und Wohnräume<br />
der Betreiber durchsuchen<br />
und Beweismittel sicherstellen. Speziell<br />
geschulte Kolleginnen und Kollegen<br />
der Abteilung IF sind in der gesamten<br />
Bundesrepublik für Durchsuchungen<br />
im Einsatz.<br />
Wie eine solche Durchsuchung ablaufen<br />
kann und wer daran beteiligt<br />
ist, berichtet ein BaFin-Mitarbeiter<br />
im nachstehenden Interview „Notfalls<br />
mit der Brechstange“.<br />
Auf einen Blick<br />
Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden<br />
Die BaFin arbeitet intensiv mit Staatsanwaltschaften<br />
und Strafverfolgungsbehörden<br />
zusammen. Das ist für beide<br />
Seiten wichtig.<br />
Die BaFin ist selbst jedoch keine<br />
Strafverfolgungsbehörde. Ihre Aufgabe<br />
ist die Gefahrenabwehr. Dabei<br />
agiert die BaFin unabhängig von den<br />
Strafverfolgungsbehörden. Ihre Ermittlungen<br />
setzen oft lange vor den<br />
strafrechtlichen Ermittlungen ein. Soweit<br />
erforderlich, stimmt die BaFin ihr<br />
Vorgehen mit den Strafverfolgern ab.<br />
Sie stellt den Strafverfolgungsbehörden<br />
auch ihre Erkenntnisse zur Verfügung<br />
und unterstützt sie mit ihrer<br />
Expertise.<br />
Die Aufsichtsgesetze sehen zudem<br />
vor, dass die BaFin umgekehrt bei der<br />
Aufnahme strafrechtlicher Ermittlun-<br />
gen möglichst frühzeitig informiert<br />
und eingebunden wird.<br />
Weisungen retten<br />
Kundengelder<br />
Mit Weisungen kann die BaFin das<br />
Geld der Anlegerinnen und Anlegergelder<br />
und andere Vermögenswerte<br />
sichern. Bildlich gesprochen, werden<br />
die Konten der kriminellen Betreiber<br />
eingefroren. Im besten Fall können<br />
dank dieser Maßnahmen Gelder, die<br />
mit unerlaubten Geschäften entgegengenommen<br />
wurden, bei einer<br />
späteren Abwicklung an die Anlegerinnen<br />
und Anleger zurückgezahlt<br />
werden. Die BaFin erlässt solche Weisungen<br />
insbesondere, wenn die Gefahr<br />
besteht, dass ein Betreiber illegaler<br />
Geschäfte Gelder dem Zugriff<br />
deutscher Behörden entziehen will,<br />
Ein Teil der<br />
Bitcoin-Automaten ist<br />
illegal<br />
etwa durch Überweisungen ins Ausland.<br />
Ist das Geld erst einmal im Ausland,<br />
ist es in der Regel für die Anlegerinnen<br />
und Anleger verloren.<br />
Daneben kann die BaFin ihre Weisungen<br />
auch an kontoführende Stellen<br />
adressieren, beispielsweise an Kreditinstitute.<br />
Weisungen – vor allem in<br />
Form von Kontensperren – sind ein<br />
effektives Mittel, um innerhalb kurzer<br />
Zeit unerlaubt entgegengenommene<br />
Gelder zu sichern. Die BaFin hat Konten<br />
schon oft und in vielen verschiedenen<br />
Fallkonstellationen sperren<br />
lassen – etwa bei klassischen<br />
Schneeballsystemen, die je nach<br />
Ausgestaltung ein unerlaubtes Einlagengeschäft<br />
darstellen können. Die<br />
Beträge sind mitunter beachtlich: Mit<br />
einzelnen Kontensperren hat die Ba-<br />
Fin bereits Vermögenswerte in zweistelliger<br />
Millionenhöhe gesichert. Übrigens:<br />
Der Zugriff der BaFin ist nicht<br />
auf Bankkonten beschränkt. Die Abteilung<br />
IF hat auch schon Gold- und<br />
Silberbestände und Bargeld sichergestellt.<br />
Bitcoin-Automaten:<br />
Hohes Geldwäscherisiko<br />
Die BaFin verfolgt auch den illegalen<br />
Betrieb von Bitcoin-Automaten. An<br />
solchen Automaten können Bitcoin<br />
gekauft oder verkauft werden. Der<br />
springende Punkt: Für diese relativ<br />
neue Finanzdienstleistung benötigt<br />
05.2023 <strong>06</strong>.2023<br />
© Hintergrundbild: Adobe Stock / New Africa
TITEL STORY<br />
19<br />
man in Deutschland eine Erlaubnis<br />
der BaFin.<br />
Einige Bitcoin-Automaten werden<br />
von lizenzierten Unternehmen betrieben.<br />
Sie sind also legal. Es gibt aber<br />
auch viele Anbieter, die unerlaubt solche<br />
Automaten betreiben. Sie werben<br />
zum Beispiel damit, dass man<br />
ihren Automaten anonym nutzen<br />
könne, also ohne, dass die Identität<br />
geprüft wird. Als Gegenleistung erheben<br />
sie eine Gebühr, die weit über<br />
dem Marktniveau liegt. Der unerlaubte<br />
Betrieb derartiger Automaten ist<br />
strafbar. Die Automaten können beispielsweise<br />
zur Geldwäsche genutzt<br />
werden, also um Gewinne aus Straftaten<br />
zu verschleiern. Und das mit einem<br />
sehr geringen Risiko, entdeckt<br />
zu werden.<br />
Die BaFin geht deshalb verstärkt gegen<br />
das unerlaubte Betreiben solcher<br />
Bitcoin-Automaten vor. Sie stellt die<br />
Automaten dann als Beweismittel sicher,<br />
um den Sachverhalt weiter aufzuklären<br />
und für ein eventuell folgendes<br />
Verwaltungsgerichtsverfahren.<br />
Schwerpunkt betrügerische Online-<br />
Broker<br />
Für viele Bürgerinnen und Bürger gehört<br />
es mittlerweile zum Alltag, Bankund<br />
Finanzgeschäfte online zu tätigen.<br />
Das machen sich auch Täterinnen<br />
und Täter zunutze, die der Organisierten<br />
Kriminalität zuzuordnen<br />
sind. Besonders gefährlich für die potentielle<br />
Kundschaft ist, dass sich die<br />
Kriminellen sehr bemühen, einen seriösen<br />
Eindruck zu machen und ihren<br />
Unternehmen im Internet gute Rezensionen<br />
zu verschaffen. Im Netz<br />
und in der persönlichen Kommunikation<br />
treten sie sehr professionell auf<br />
und missbrauchen dabei mitunter die<br />
Identität bestehender unbescholtener<br />
Unternehmen.<br />
Betrügerische internetgestützte Anlageplattformen<br />
bilden daher nach<br />
wie vor einen Schwerpunkt bei der<br />
Verfolgung unerlaubter Geschäfte<br />
durch die BaFin. Fortlaufend werden<br />
Die <strong>Bafin</strong> intensiviert die<br />
internationale Zusammenarbeit<br />
mit den Ermittlungsbehörden<br />
Fälle bekannt, bei denen Anlegerinnen<br />
und Anleger im Internet von angeblich<br />
seriösen Online-Brokern dazu<br />
veranlasst werden, hohe Summen auf<br />
Online-Handelsplattformen zu investieren.<br />
Die Angebote sind verlockend:<br />
Die Gewinnchancen sind hoch, die<br />
Handelsgeschäfte einfach zu tätigen.<br />
Oft agieren die Täterinnen und Täter<br />
in Gruppen und grenzüberschreitend.<br />
Die BaFin intensiviert daher die nationale<br />
und internationale Zusammenarbeit<br />
mit den Ermittlungsbehörden.<br />
Außerdem setzt sie verstärkt auf Prävention<br />
durch gezielte Informationen.<br />
Um potentielle Anlegerinnen und Anleger<br />
von Investitionen in betrügerische<br />
Angebote zu bewahren und diese<br />
Geschäfte einzudämmen, veröffentlicht<br />
die BaFin auf ihrer Website<br />
Warnungen.<br />
Unrechtmäßige Angebote vorbörslicher<br />
Aktien und Festgelder<br />
Seit Mitte 2021 treten vermehrt Fälle<br />
auf, in denen potentielle Anlegerinnen<br />
und Anleger direkt kontaktiert<br />
werden – meist telefonisch. Das Angebot:<br />
Aktien bekannter Unternehmen,<br />
die gegebenenfalls einen Börsengang<br />
für sich oder ein verbundenes<br />
Unternehmen angekündigt haben.<br />
Die Masche: Nachdem die Opfer<br />
den Kaufpreis für die Aktien auf ein<br />
meist ausländisches Konto gezahlt<br />
haben, werden die Aktien nicht geliefert,<br />
und die Anbieter sind nicht mehr<br />
erreichbar. Meist existieren sie nicht<br />
einmal, sind also komplette Fakes.<br />
Andere Anbieter werben auf ihren<br />
Websites mit angeblichen Festgeldangeboten.<br />
Sie gaukeln den Kundinnen<br />
und Kunden vor, dass auf ihren<br />
Namen ein Konto bei einem bekannten<br />
ausländischen Institut angelegt<br />
werde. Überweist das Opfer einen<br />
Betrag, ist das Geld verloren. Auf ausländische<br />
Konten kann die Ba-<br />
Fin nicht zugreifen.<br />
Betrügerische Jobangebote:<br />
Finanzagenten gesucht<br />
Seit Mitte 2021 ein Trend: Privatpersonen<br />
werden mit vermeintlich lukrativen<br />
Stellenangeboten als „Finanzagentinnen“<br />
oder „Finanzagenten“<br />
angeworben. Ihre Aufgabe: Sie sollen<br />
ihr eigenes Girokonto für die Einzahlung<br />
oder Überweisung von Geldern<br />
angeblicher Kundinnen und Kunden<br />
zur Verfügung stellen oder Konten zu<br />
angeblichen Testzwecken eröffnen.<br />
Auf Weisung ihres „Arbeitgebers“ sollen<br />
sie das Geld dann weiterleiten.<br />
De facto werden die Konten der Opfer<br />
missbraucht, um Zahlungen abzuwickeln.<br />
Damit machen sich die Opfer<br />
eventuell sogar selbst strafbar. Die<br />
Gelder stammen in der Regel aus kriminellen<br />
Handlungen. Herkunft und<br />
Verbleib des Gelds sollen verschleiert<br />
werden. Zur Geldwäscheprävention<br />
und um Menschen davor zu warnen,<br />
auf solche Angebote einzugehen,<br />
veröffentlicht die BaFin immer wieder<br />
aktuelle Hinweise auf ihrer Website.<br />
Immense Schäden – und noch mehr<br />
Geld gerettet<br />
Bei den Maßnahmen, welche die Ba-<br />
Fin gegen illegale Finanzgeschäfte<br />
ergreift, geht es Jahr für Jahr nach<br />
vorsichtiger Schätzung um mehrere<br />
hundert Millionen Euro. Der Schaden,<br />
vor dem die BaFin Anlegerinnen und<br />
Anleger jedes Jahr bewahrt, dürfte<br />
deutlich höher liegen.<br />
Michel-Wegner<br />
BaFin Referat IF 1 - Grundsatzfragen,<br />
Widerspruchs- und Gerichtsverfahren<br />
© Adobe Stock / JaRiRiyawat<br />
NOTFALLS MIT<br />
DER BRECHSTANGE:<br />
EIN BAFIN-MITARBEITER BERICHTET<br />
Ein zentrales Anliegen der BaFin ist der Kampf gegen illegale Finanzgeschäfte.<br />
Dazu rückt die BaFin auch zu Durchsuchungen aus. Die gestalten sich mitunter sehr spannend.<br />
Nur mit Erlaubnis: Bank-, Finanzdienstleistungs-, Investment- und Versicherungsgeschäfte,<br />
Zahlungsdienste- und E-Geld-Geschäfte darf in Deutschland<br />
nur betreiben, wer eine schriftliche Erlaubnis der BaFin hat. Anbieter, die auf<br />
diesem Terrain ohne Erlaubnis unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass<br />
die BaFin sie verfolgt und zur Rechenschaft zieht. Um Sachverhalte aufzuklären,<br />
kann die BaFin Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen und Beweismittel<br />
sicherstellen. Speziell geschulte Kolleginnen und Kollegen der Abteilung IF sind<br />
in der gesamten Bundesrepublik bei Durchsuchungen im Einsatz.<br />
Im Interview mit dem BaFinJournal schildert ein BaFin-Mitarbeiter, der<br />
anonym bleiben möchte, wie eine solche Durchsuchung ablaufen kann, wer<br />
daran beteiligt ist und dass manche Durchsuchungen bis in die Nacht andauern<br />
können.<br />
Die BaFin kann bei der Ermittlung unerlaubter<br />
Geschäfte Geschäfts- und<br />
Wohnräume durchsuchen.<br />
Was ist der Unterschied zwischen<br />
Durchsuchungen und Prüfungen, die<br />
ja auch möglich sind?<br />
Prüfungen können wir als BaFin anordnen.<br />
Wir führen sie dann entweder<br />
selbst durch oder beauftragen die<br />
Deutsche Bundesbank. Prüfungen<br />
ordnen wir normalerweise an, wenn<br />
wir davon ausgehen, dass das Unternehmen<br />
kooperiert. Vermuten wir,<br />
dass das Unternehmen nicht kooperiert,<br />
ist eine Durchsuchung das Instrument<br />
der Wahl. Dafür brauchen wir<br />
einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss<br />
und können dann Geschäfts-<br />
und Privaträume durchsuchen.<br />
Das kennt man aus TV-Krimis: Wir<br />
können uns im Zweifel gewaltsam Zutritt<br />
zu den Räumlichkeiten der Verdächtigen<br />
beschaffen und beispielsweise<br />
verschlossene Schränke oder<br />
Tresore aufbrechen lassen. Und wir<br />
können den Zugang zu IT-Systemen<br />
erzwingen. Auch Personen können<br />
wir durchsuchen.<br />
Bei Gefahr im Verzug kann die Ba-<br />
Fin eine Durchsuchung auch ohne<br />
richterlichen Beschluss durchführen.<br />
Das heißt: Sie brechen auch schon<br />
mal die Türen auf?<br />
Zugegeben, das ist eher selten. Wir<br />
klingeln erst einmal ganz klassisch<br />
beim Unternehmen oder gehen durch<br />
die Eingangstür. Sollte niemand da<br />
sein oder öffnen wollen, schauen wir<br />
erst einmal nach einem alternativen<br />
Eingang. Oder wir versuchen, telefonisch<br />
oder über Nachbarinnen und<br />
Nachbarn bzw. Hausmeister jemanden<br />
zu erreichen, der uns die Tür öffnen<br />
kann. Zum Schluss bleibt noch<br />
der gute alte Schlüsseldienst, der die<br />
Tür öffnen kann.<br />
Werden wir durch die Betroffenen am<br />
Zugang gehindert, indem sie uns die<br />
Türen nicht aufschließen oder diese<br />
abschließen, kommt es auch vor,<br />
dass wir die Türschlüssel in Gewahrsam<br />
nehmen. Und falls die Täterinnen<br />
oder Täter gerade dabei sind,<br />
Beweismittel zu zerstören, kann auch<br />
die Brechstange zum Einsatz kommen.<br />
Wir sind auch schon durch<br />
Fenster eingestiegen. Eines ist jedenfalls<br />
klar: Unverrichteter Dinge ziehen<br />
wir nicht ab.
20TITEL STORY<br />
© XXXXXXX<br />
kräften. Eine Durchsu-<br />
© Adobe Stock / LIGHTFIELD STUDIOS<br />
Wie lange dauert<br />
eine Durchsuchung?<br />
chung ist also keine Einbahnstraße,<br />
und wir haben<br />
keine Scheuklappen auf.<br />
Danach durchsuchen wir alle Räumlichkeiten,<br />
selbst Küchen und Bäder.<br />
In einem Haus zum Beispiel alles vom<br />
Keller bis zum Dachboden, alle Außengebäude<br />
wie Garagen und Gartenhäuser,<br />
aber auch Fahrzeuge und<br />
Personen.<br />
Was sind das für Personen oder Unternehmen,<br />
die Sie durchsuchen?<br />
Wir haben ein ziemlich breites Spektrum.<br />
Da sind zum Beispiel die, die da<br />
eher unbeabsichtigt reinschlittern.<br />
Dass sie Geschäfte betreiben, für die<br />
sie eine Erlaubnis bräuchten, ist ihnen<br />
nicht richtig klar. Wir schreiben sie an,<br />
und sie reagieren nicht. Dann gehen<br />
wir davon aus, dass sie sich weigern,<br />
uns Auskünfte zu geben. Obwohl sie<br />
dazu verpflichtet sind. Deshalb suchen<br />
wir sie persönlich auf. Diese Personen<br />
sind in der Regel so beeindruckt,<br />
wenn wir vor ihrer Tür stehen,<br />
dass sie von da an kooperieren.<br />
Dann gibt es noch die, die zwar selbst<br />
keine unerlaubten Geschäfte betreiben,<br />
die aber andere dabei unterstützen<br />
– etwa, indem sie ihnen erlauben,<br />
ihre Adresse zu nutzen. Auch sie ignorieren<br />
unsere Anfragen und sind<br />
dann meist völlig überrascht, wenn<br />
wir auftauchen. Viele haben von<br />
der BaFin noch nie etwas gehört.<br />
Es gibt aber auch alte Bekannte, die<br />
wir mittlerweile seit Jahrzehnten kennen.<br />
Wir müssen sie immer wieder<br />
aufsuchen, weil sie unbelehrbar sind.<br />
Beim Online-Betrug oder beim unerlaubten<br />
Finanztransfergeschäft sind<br />
wir dann manchmal schon im Bereich<br />
der organisierten Bandenkriminalität.<br />
Durchsucht die BaFin dann mit eigenen<br />
Mitarbeitenden?<br />
Ja, Durchsuchungen führen wir immer<br />
mit eigenem Personal durch. Allerdings<br />
lassen wir uns dabei von der<br />
Landes- oder Bundespolizei begleiten<br />
– im Interesse unserer eigenen Sicherheit<br />
und auch, weil die Polizei bei<br />
Bedarf auch körperliche Gewalt anwenden<br />
kann, notfalls auch durch<br />
05.2023<br />
Waffengebrauch. Das dürfen wir<br />
nämlich nicht.<br />
Wann greift die Polizei ein?<br />
Zum Beispiel, wenn wir nicht wollen,<br />
dass bei einer Durchsuchung eine<br />
Person flieht, bevor wir ihre Identität<br />
feststellen konnten. Die Polizei kann<br />
die Flucht notfalls verhindern.<br />
Sie kann auch eingreifen, wenn es bei<br />
der Durchsuchung zu Störungen<br />
kommt. Es passiert natürlich häufiger,<br />
dass Betroffene mit unserer Anwesenheit<br />
nicht einverstanden sind.<br />
Dann erläutern wir ihnen ausführlich,<br />
warum wir durchsuchen und dass wir<br />
das dürfen. Wenn das nicht reicht, erklären<br />
wir ihnen, dass die Polizei sie<br />
für die Dauer der Durchsuchung<br />
auch festsetzen kann. Das bedeutet:<br />
Die Polizei bleibt immer in der Nähe<br />
der betroffenen Person und hindert<br />
sie mit unmittelbarem Zwang daran,<br />
die Durchsuchung zu stören. Bis auf<br />
ganz wenige Einzelfälle genügt schon<br />
die Androhung dieser Maßnahme,<br />
und wir können ungestört weiterarbeiten.<br />
Mit wie vielen Kolleginnen und Kollegen<br />
sind Sie vor Ort?<br />
Das hängt in erster Linie von der Größe<br />
des Objekts ab, aber auch davon,<br />
mit wie vielen Personen im Objekt<br />
wir rechnen. In einer<br />
kleinen Zwei-Zimmer-<br />
Wohnung brauchen<br />
wir natürlich<br />
deutlich weniger<br />
Kolleginnen<br />
und Kollegen als<br />
bei einer großen Büroetage.<br />
Ganz grob kann man aber sagen:<br />
mindestens zwei BaFin-Mitarbeitende,<br />
zwei Einsatzkräfte der Polizei und<br />
gegebenenfalls Kolleginnen und Kollegen<br />
der Bundesbank. Wenn wir größere<br />
Einfamilienhäuser durchsuchen,<br />
können es auch doppelt so viele sein,<br />
und bei sehr großen Objekten rücken<br />
wir in deutlich größerer Zahl an.<br />
Kommt es auch vor, dass Sie mehrere<br />
Objekte gleichzeitig durchsuchen?<br />
Das gibt es auch – und dann sind<br />
schnell 30 bis 40 Personen beteiligt:<br />
von der BaFin, der Bundesbank und<br />
der Polizei, eventuell auch von Zoll<br />
und Steuerfahndung. Bei den ganz<br />
großen Durchsuchungen, die sich<br />
zum Beispiel auf eine Vielzahl von Objekten<br />
erstrecken, oder wenn wir mit<br />
großer Gegenwehr rechnen, hatten wir<br />
sogar Einsatzhundertschaften des<br />
Bundes und der Länder dabei. Einmal<br />
waren über 150 Beamtinnen und<br />
Beamte unter unserer Regie im Einsatz.<br />
Solche großen Durchsuchungen<br />
sind aber selten – und in der Planung<br />
und Abstimmung extrem aufwändig.<br />
Immerhin muss eine solche Durchsuchung<br />
zeitgleich starten, zum Teil<br />
auch über Bundeslandgrenzen hinweg.<br />
Und natürlich muss<br />
alles geheim bleiben.<br />
Auch das hängt vom Objekt ab. Mit<br />
einem kleinen Objekt sind wir auch<br />
schon mal in einer Stunde fertig, bei<br />
einem großen dauert es natürlich länger.<br />
Da können auch mal zehn bis<br />
zwölf Stunden draus werden.<br />
Wenn man eine Durchsuchung unterbrechen<br />
muss, ist das ein ziemlich<br />
großer organisatorischer Aufwand.<br />
Wir müssen ja sicherstellen, dass niemand<br />
mehr das Objekt betreten<br />
kann. Notfalls können wir Objekte<br />
aber auch versiegeln. Denn wenn wir<br />
erst einmal raus sind und die betroffene<br />
Person verschafft sich danach<br />
Zutritt, kann man davon ausgehen,<br />
dass wir am nächsten Tag nichts Relevantes<br />
mehr finden. Daher ist es sicherer,<br />
einfach so lange weiterzumachen,<br />
bis die Durchsuchung abgeschlossen<br />
ist.<br />
Und das ist erst der Fall, wenn alles,<br />
was wir mitnehmen wollen, beschriftet,<br />
in Listen eingetragen und verpackt<br />
ist. Auch das kann ein bis zwei<br />
Stunden dauern.<br />
Was genau suchen Sie?<br />
Wir suchen gezielt nach Beweismitteln.<br />
Das sind Dinge, die unseren Verdacht<br />
untermauern – oder ihn ent-<br />
Beweismittel: Was bedeutet das konkret?<br />
Zum Beispiel Vertragsunterlagen,<br />
Kundenlisten oder –akten, Kontounterlagen,<br />
E-Mails usw. Früher waren<br />
das dann Berge an Papier. Da konnten<br />
auch mal ganz schnell etliche<br />
Umzugskartons zusammenkommen.<br />
Das hat sich inzwischen geändert,<br />
und wir müssen heute versuchen, die<br />
notwendigen Informationen auf Servern<br />
und Clouds zu sichern.<br />
Finden Sie manchmal auch verbotene<br />
Gegenstände jenseits der klassischen<br />
Wirtschaftskriminalität?<br />
Ab und zu schon. Wir haben schon<br />
alles Mögliche gefunden: zum Beispiel<br />
Waffen und Drogen. Und Kennzeichen<br />
verfassungswidriger Organisationen.<br />
Solche Dinge übergeben wir<br />
dann direkt den anwesenden Einsatzkräften<br />
der Polizei, die dann ihrerseits<br />
Ermittlungen einleiten.<br />
Quelle:<br />
Bundesanstalt für<br />
Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(BaFin)<br />
Graurheindorfer Str. 108<br />
53117 Bonn<br />
www.bafin.de<br />
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05.2023