Kunstbulletin Juli/August 2023
Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.
Unsere Juli/August Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Doris Salcedo, Franz Hohler, Reena SainiKallat, Reto Müller, uvm.
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lungen auch über zweihundert Werke aus der<br />
Familiensammlung zu sehen. Zur Ausstellung<br />
‹Burning Green› veröffentlicht die Collezione<br />
ein umfangreiches Buch, das Deplazes’<br />
Arbeiten auf Leinwand und Papier vorstellt.<br />
Es enthält ein Gespräch mit <strong>Juli</strong>an Denzler,<br />
dem Kurator Gegenwartskunst am Museum zu<br />
Allerheiligen in Schaffhausen, sowie Essays<br />
vom italienischen Kunsthistoriker Davide Ferri<br />
und der Umweltsystemwissenschaftlerin Anna<br />
Deplazes-Zemp von der ETH Zürich. PS<br />
Andriu Deplazes · Körper und offene Tür, <strong>2023</strong>,<br />
Öl, Leinwand, 187 x 261 cm, Courtesy Galerie<br />
Peter Kilchmann © ProLitteris. Foto: R. Marossi<br />
Andriu Deplazes · Tambursoldat, <strong>2023</strong>, Acryl<br />
auf Plexiglas, 251 x 81 x 0,4 cm, Courtesy<br />
Galerie Peter Kilchmann © ProLitteris.<br />
Foto: R. Marossi<br />
→ Collezione Maramotti, bis 29.10.<br />
↗ collezionemaramotti.org<br />
Ja, wir kopieren!<br />
Solothurn — Auf dem Gemälde ‹Untitled (How<br />
Long Runnin’ Away With This Junk, Red<br />
Ryder?)›, 2006, lässt der kolumbianische<br />
Künstler Álvaro Barrios (*1945) einen Cowboy<br />
und einen Knaben durch eine Comic-Westernlandschaft<br />
reiten. Der Cowboy trägt Marcel<br />
Duchamps Readymade ‹Roue de Bicyclette› mit<br />
sich. Der Knabe fragt in einer Sprechblase, wie<br />
lange er diesen Plunder noch mit sich herumschleppen<br />
wolle. Der Cowboy: «Hab Geduld,<br />
Kleiner Biber. Wir werden dieses Einrad hier<br />
verstecken, wo es kein Künstler des 21. Jahrhunderts<br />
mehr sehen kann. Niemals!» Lustvoll<br />
werden hier Popkultur und Kunstgeschichte<br />
verquickt. Das ‹Roue de Bicyclette› löste 1913<br />
heftige Debatten aus und landete auf dem Müll.<br />
Duchamp selbst schuf eine Reproduktion. Der<br />
Comic-Stil des Bildes verweist auf die Pop-Art,<br />
die ihrerseits gern mit Werbeästhetik spielte.<br />
Auf vielschichtige Weise macht das Werk deutlich,<br />
dass es beim Kopieren in der Kunst um<br />
mehr geht als um schlichtes Nachmachen. Wer<br />
kopiert, lernt. Das Neue entsteht aus dem Alten.<br />
Und die Kopie weiss oft mehr als das Original.<br />
Dieser Gedanke steht leitmotivisch hinter<br />
der Ausstellung ‹Ja, wir kopieren! Strategien<br />
der Nachahmung in der Kunst seit 1970› im<br />
Kunstmuseum Solothurn. Katrin Steffen, Meret<br />
Kaufmann und Michael Hiltbrunner haben<br />
Arbeiten von über vierzig Kunstschaffenden<br />
und Kollektiven aus der Schweiz und dem<br />
Ausland zusammengestellt, um zu zeigen,<br />
wie fruchtbar der Prozess des Nachahmens<br />
in der Kunst sein kann. Judith Albert (*1969)<br />
macht aus Félix Vallotons Stillleben ‹Poivrons<br />
rouges› ein Video namens ‹Peperoni (d’après<br />
Vallotton)›, 2009. Die roten und grünen Peperoni<br />
werden im Video von Theaterschnee überrieselt.<br />
Das Moment der Vergänglichkeit, das in<br />
Vallottons Stillleben mitschwingt, wird hier<br />
neu erzählt. Ein Pastiche kann auch ganz neue<br />
Inhalte einfügen. Das Kollektiv Mickry 3 [(Nina<br />
von Meiss (*1978), Dominique Vigne (*1981)<br />
und Christina Pfander (*1980)], übersetzt eine<br />
Brunnenskulptur von Aristide Maillol in farbiges<br />
Acrylharz. Die Künstlerinnen attackieren<br />
86 <strong>Kunstbulletin</strong> 7-8/<strong>2023</strong>