Gestaltungsfaktor Digitalisierung - so stemmt der Einkauf die Zukunft!
eProcurement bzw. digitale Beschaffung und automatisierter Belegfluss bilden das Rückgrat, mit dem der Einkauf erfolgreich die Herausforderungen von Lieferkettenschwierigkeiten und ESG bewältigt. Das Magazin bietet neben den neuesten Trends und interessanten Case Studies erfolgreiche Beispiele der Einkaufsdigitalisierung in unterschiedlichen Branchen.
eProcurement bzw. digitale Beschaffung und automatisierter Belegfluss bilden das Rückgrat, mit dem der Einkauf erfolgreich die Herausforderungen von Lieferkettenschwierigkeiten und ESG bewältigt. Das Magazin bietet neben den neuesten Trends und interessanten Case Studies erfolgreiche Beispiele der Einkaufsdigitalisierung in unterschiedlichen Branchen.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Komplette Änderung des Aufgabengebiets
Ing. Aime Wouwermans (ehem. Einkaufsleiter bei
der Semperit AG) formulierte den historischen
Satz: Die richtige Ware zur richtigen Zeit in der
richtigen Menge am richtigen Ort zum richtigen
Preis. „Daran hat sich bis heute nichts geändert,
auch wenn dieser Bereich mehr dem Supply-
Chain-Management, das es damals noch nicht
gab, zugeordnet wird“, fasst Pechek zusammen
und postuliert: „Die Rahmenbedingungen sind
heute aber komplett andere!“
Neben neuen Methoden und Technologien
stehe vor allem das Rollenverständnis des Einkaufs
im Mittelpunkt. „Er agiert als Motor für
Innovationen und Treiber der Digitalisierung,
denn er hat die dafür erforderlichen Außenkontakte
zu den Lieferanten!“ Deren Suche
und Bewertung setzt viel Wissen voraus: „Der
Einkauf ist Schnittstelle und Vermittler zwischen
Konstruktion, Entwicklung und Produktion –
sowohl im eigenen Unternehmen als auch bei den
Zulieferern. Ergänzt um die Kundensicht muss er
drei Perspektiven samt den damit verbundenen
Kostenstrukturen zu einer Gesamtlösung verbinden!“
Während Ingenieure auf die technisch beste
Lösung hinarbeiten, behält der Einkauf den Markt
und damit die Beschaffungssituation, Kosten,
Risiken und Versorgungssicherheit im Blick.
Die genaue Kenntnis der gesamten Lieferkette
inklusive aller Vorvorlieferanten, Verkehrswege
und Risiken ist bei Schlüsselkomponenten essenziell:
„Bei Bedarf müssen brauchbare Alternativen
eingeplant und gegebenenfalls die Konstruktion
angepasst werden.“
Begleiter bei der Transformation des Einkaufs
Einkäufer sind sich dieser zuvor genannten
Tragweite heute durchaus bewusst, können
diese Rolle aber oft auf Grund vorherrschender
Strukturen und Denkweisen im Unternehmen
nicht ausreichend wahrnehmen.
„In solchen Fällen verstehen wir uns als
Innovator, Begleiter, Unterstützer und Coach
der Einkäufer. Wir führen z.B. Veranstaltungen,
Gespräche auf Unternehmerebene und entsprechende
Pressearbeit durch“, sagt Pechek.
Aus- und Weiterbildungsangebote wie z.B. die
Certified Programs der BMÖ-Akademie oder
das MBA-Programm des BMÖ in Kooperation
mit der Middlesex University London und der
KMU-Akademie Linz sorgen für effizienten
Knowhow-Transfer. „Internationale Vernetzung
und direkten Kontakt zu Expert*innen
bieten wir z.B. als Mitglied der ELA und der
IFPSM“, sagt Pechek und betont die Förderung
von Forschungsprojekten zu aktuellen Themen.
„Die Weiterentwicklung des Supply-Chain-Managements,
die Digitalisierung oder auch die
aktuelle Lieferkettenproblematik sind wichtige
Schwerpunkte in unserer Verbandsarbeit.“
Die Zukunft des Einkaufs sieht er jedenfalls
in der Ausnutzung aller Marktpotentiale, der
Optimierung der Lieferantenstruktur und der
Qualifikation der Mitarbeiter: „Die strategische
Arbeit des Einkaufs sollte jedenfalls mit zumindest
80% gewichtet sein!“
Die dargestellten Zusammenhänge bedingen
die Entwicklung zur starken Einbindung des
Einkaufs in alle Prozesse. „In größeren, internationalen
Unternehmen ist der Einkäufer mit
seinem Knowhow als Problemlöser und Wertschöpfungsmanager
schon meist gefragter Player!“
Umdenken und Lieferketten neu absichern
Der Einkauf trägt auch zur Lösung der Lieferkettenproblematik
bei, betont Pechek: „Prof.
Dr. Wolfgang Stölzle vom Lehrstuhl für Logistikmanagement
an der Universität St. Gallen fordert
nicht umsonst auch Mut zu Beständen als nötiges
Umdenken.“
Eine zentrale Rolle spiele dabei auch der
partnerschaftliche Kontakt mit den Lieferanten:
„Ein fairer Preis und partnerschaftlicher Umgang
in der Zusammenarbeit stellen eine Beziehung
sicher, die sich im Verknappungsfall bewährt.“
Natürlich sind nach Möglichkeit auch der Aufbau
von Alternativen und die Wiederbelebung des
bewährten Instrumentes der Wertanalyse gefragt:
„In der bereits dargestellten Kommunikation mit
Entwicklung und Fertigung ist auch die Frage nach
der tatsächlichen Notwendigkeit des betroffenen
Gutes zu stellen!“ ■
Wer nicht digitalisiert, verliert.
» Na und? «
Dieser leicht hämische Nachsatz scheint zumindest im Mittelstand noch weit
verbreitet. Es mutet zumindest seltsam an, wenn seit gut 20 Jahren das dringende
Gebot der Digitalisierung gepredigt wird, aber vielerorts bis heute auf taube
Ohren stößt. Dabei geht es längst um bedeutend mehr als nur die Verlagerung
der Ressourcen in strategische Einkaufsbereiche: Es geht um die Zukunft des
Mittelstands!
„Mich überrascht immer wieder, dass sogar große
Mittelständler mit der Einkaufsdigitalisierung
noch nicht richtig begonnen haben“, erzählt
Vollblut-Einkäufer Jan-Henner Theißen.
An Bord der BENTELER Group und der @AGCO
Corporation hat er Einkaufs- und Transformationsprojekte
globaler Beschaffungsorganisationen
begleitet und nutzt diese Erfahrungen heute als
targetP! Einkaufsberater.
An fehlenden Lösungen liege es jedenfalls nicht,
ergänzt Harald Allerstorfer, CCO des österreichischen
Business-Digitalisierers DIG GmbH:
„Wir bieten seit über 20 Jahren hochflexible
Lösungen in den Bereichen eProcurement und
automatisierte Belegverarbeitung.“
Neue Herausforderungen als
zusätzlicher Trigger
Schon die administrative Aufgabenflut von
Lieferkettensorgfaltspflicht und EU-Taxonomie
bedingen Digitalisierung – ein willkommener
Trigger für den Auf- oder Ausbau digitaler Beschaffungsprozesse.
„Die technischen Lösungen,
um etwa für die LkSG-Administration effiziente,
weitgehend automatisierte Abläufe einzuführen,
Jan-Henner Theißen
Einkaufsberater
Fotos
Imagefoto: Adobe Stock
Porträt: BMÖ
14 DIG-Magazin 2023
15