Gestaltungsfaktor Digitalisierung - so stemmt der Einkauf die Zukunft!
eProcurement bzw. digitale Beschaffung und automatisierter Belegfluss bilden das Rückgrat, mit dem der Einkauf erfolgreich die Herausforderungen von Lieferkettenschwierigkeiten und ESG bewältigt. Das Magazin bietet neben den neuesten Trends und interessanten Case Studies erfolgreiche Beispiele der Einkaufsdigitalisierung in unterschiedlichen Branchen.
eProcurement bzw. digitale Beschaffung und automatisierter Belegfluss bilden das Rückgrat, mit dem der Einkauf erfolgreich die Herausforderungen von Lieferkettenschwierigkeiten und ESG bewältigt. Das Magazin bietet neben den neuesten Trends und interessanten Case Studies erfolgreiche Beispiele der Einkaufsdigitalisierung in unterschiedlichen Branchen.
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Friedrich Baumann
ehem. CEO
Die DIG-Story
Friedrich Baumann, intern liebevoll Fritz genannt, hat maßgeblichen Anteil
an der Erfolgsgeschichte der DIG seit der Restrukturierung im Jahr 2015.
Trotz Verabschiedung in den Ruhestand ist der agile Schweizer auch heute noch
regelmäßig in Linz anzutreffen – wenn er nicht gerade seine Sozialprojekte in
Brasilien voranbringt.
„Ursprünglich habe ich Elektromonteur gelernt“,
schildert Baumann seinen Weg zur IT. Denn ein
eigenes Fachstudium gab es in den 1960ern noch
gar nicht. „Begonnen habe ich beim Schweizer
Elektrotechnikkonzern BBC, aus dem Ende der
80er die heutige ABB AG als Automatisierungstechnikkonzern
hervorging.“ Hier schlug er die
Laufbahn als Informatiker ein – und lernte den
Beruf von Grund auf.
„Meine Schule war IBM und viel echte Praxis.
Und die war so gut, dass ich über alle Stufen zum
Großprojektleiter aufstieg.“ Auch der Bezug zu
Südamerika resultiert aus dieser Zeit: „Als CIO
von BBC Brasilien war ich vier Jahre lang am
Mega-Staudammprojekt Itaipu beteiligt. Das war
auch der Beginn meiner Managementkarriere!“
Fokus auf Sanierungen mit IT-Bezug
Nach mehreren führenden Positionen u.a. bei den
Softwarehäusern Ploenzke und Systor wechselte er
das Fach: „Zuletzt war ich Leiter der Entwicklung
und für Schulungen zuständig. Irgendwann sagte
ich mir, es reicht, ich werde Berater.“ Als solcher
spezialisierte er sich erfolgreich auf Sanierungen
von Informatikunternehmen und wurde
als IT-Experte, der etwas von Verkauf versteht,
geschätzt. Anfang 2014 – immerhin schon seit
sechs Jahren im Privatleben in Sozialprojekten
in Brasilien engagiert und nur noch fallweise
mit Beratungsprojekten beschäftigt – erhielt er
einen besonderen Anruf: „Pascal Sieber, einer der
Verwaltungsräte der Post Liechtenstein, bat mich
um Unterstützung – es ging um eine IT-Firma in
Linz, die sich in einer Schieflage befand.“
Schlechte Ausgangslage
„Das Ganze war ein ziemliches Chaos“, erinnert
sich Baumann an seine ersten Eindrücke der
DIG. „Die Post Liechtenstein wollte damals als
Eigentümer eine Fusion der DIG mit der deutschen
Newtron GmbH, die gut im strategischen Einkauf
aufgestellt war. Eigentlich ein kongenialer Partner.“
Letztlich hinderten allerdings gegenläufige
Interessen ein gedeihliches Miteinander.
Gleichzeitig liefen die DIG-internen Prozesse
nicht effizient: „Das erinnerte mich eher an ein
Start-up! Es gab keine geregelten Abläufe und
die Jahre 2013 und 14 bilanzierten katastrophal
mit hohen Verlusten.“Kein Wunder, dass man in
Liechtenstein verkaufen wollte.
„Eine entsprechende Due Diligence war bereits
erstellt und es gab verschiedene Interessenten.
Nur wollte aufgrund der großen Verluste niemand
den geforderten Preis zahlen.“
Entschlossen ans Steuer
Mit einem zunehmend stabileren Team und
besseren Abläufen setzte bei Baumann ein
Umdenken ein. „Damals habe ich ein Gefühl
entwickelt, um welchen Einsatz die DIG zu haben
wäre. Und irgendwann kam mir angesichts des
grundsätzlich interessanten Geschäftsfeldes und
der richtig guten Plattform fürs eProcurement
eine kühne Idee.“ Und die legte er in Linz auf den
Tisch: Die Zukunft des Unternehmens sollte in
einem Management Buyout liegen!
An eine eigene Beteiligung dachte er dabei
ursprünglich nicht. „Das war mehr eine Forderung
der Banken, die alle nur die Verluste gesehen
haben. Aber nachdem trotzdem keine der angefragten
Banken das Risiko eingehen wollte,
wir aber die Realität und die Risiken sehr wohl
kannten, wollten wir es wagen.“
Anfang 2016 kam der Deal dann zustande und
Leopold Binder, Dieter Dobersberger, Harald
Allerstorfer und Friedrich Baumann waren die
neuen Eigentümer der DIG. „Dieter und Harald
haben damals sogar ihre Häuser belehnt, um das
Geld für den Neustart zusammenzubekommen.
Das war alles sehr emotional.“
Auch die Liechtensteiner konnten überzeugt
werden, Starthilfe zu leisten: „Die Post bürgte
im ersten Jahr für den Kontokorrentrahmen.“
Restrukturierung der DIG
Damals schlug die große Stunde des Sanierers:
„Wir strukturierten um und mussten leider auch
einige Kündigungen aussprechen. Beispielsweise
konnten wir uns das überdimensionierte Sales-
Team nicht mehr leisten.“
Auch das Chaos im Tagesgeschäft nahm man
in Angriff: „Wir hatten tausende Kundenanfragen
wegen irgendwelcher Probleme – völlig unmöglich,
das alles zu bearbeiten.“
Dieter Dobersberger kam auf eine etwas unkonventionelle
Idee: „Als er vorschlug, sämtliche
Anfragen einfach zu löschen und dafür neu eingehende
ordentlich abzuarbeiten, stand erstmal
allen der Mund offen. Aber es funktionierte!“
Parallel konnte das Team neu aufgebaut werden:
„Sonja Elias und Michael Neumüller kamen wieder
zurück – und sind bis heute geblieben!“
Gleichzeitig galt es, große Kunden wie UNIQA und
MAGNA zu beruhigen. „Damals dachten beide
an eine Strategie ohne DIG. Das wäre das Ende
gewesen.“ Der renommierte IT-Experte Baumann
konnte aber in beiden Fällen seinen Beitrag
leisten, verlorenes Vertrauen neu aufzubauen.
Neues Selbstbewusstsein
„Die Grundlage für den erfolgreichen Turnaround
bildeten verschiedene Schlüsselfaktoren, die wir
gemeinsam erarbeitet haben. Der Wichtigste
war sicher das Bewusstsein, dass die DIG aus
vielen unterschiedlichen Charakteren besteht,
die einander ergänzen! Diese Vision hat uns als
Team stark gemacht.“
Aber auch die Umstellung des Geschäftsmodells
und der konsequente Einsatz von EDI-Kompetenz
als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb
spielten eine wesentliche Rolle: „Wir wollten uns
als ehrlicher und zuverlässiger Partner unserer
Kunden sehen. Dazu war es vor allem nötig,
unsere Organisation in Ordnung zu bringen, was
wir schlussendlich gut gemeistert haben.“
Seine Arbeit als CEO sah Baumann vor allem als
Coach: „Mir ging es darum, Klimazonen des Vertrauens
zu schaffen, in denen Leistung entstehen
kann. Das bedeutet aber auch Verantwortung
zu übernehmen, um Freiheiten entsprechend
wahrzunehmen.“
Dieser Weg schlug sich bald in den Zahlen
nieder: Seit der Übernahme gab es keine Verluste
mehr und die Entwicklung der DIG wies immer
stärker nach oben!
Abschied im Jahr 2020
Baumanns Einsatz für die DIG dauerte bis Ende
2020, dann zog er sich als CEO zurück: „Mit dem
schönen Gefühl, dass nun alles so weit auf Schiene
gebracht war, dass es auch ohne mich weitergeht!“
Dass der Brasilien-begeisterte Schweizer
trotzdem noch regelmäßig in Linz zu Besuch ist,
verdankt DIG seiner emotionalen Verbundenheit.
So ganz loslassen kann er eben doch nicht, der
Fritz. ■
26 DIG-Magazin 2023
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