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2022<br />
Abschlussbericht<br />
DVS-Forschung<br />
Untersuchung und Bewertung<br />
der Mischbruchneigung<br />
von<br />
Widerstandspunktschweißverbindungen<br />
in hochfesten Stählen
Untersuchung und Bewertung<br />
der Mischbruchneigung von<br />
Widerstandspunktschweißverbindungen<br />
in hochfesten<br />
Stählen<br />
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />
IGF-Nr.: 20.364 N<br />
DVS-Nr.: 04.3043<br />
Fraunhofer-Gesellschaft e.V.<br />
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />
IWM<br />
Förderhinweis:<br />
Das IGF-Vorhaben Nr.: 20.364 N / DVS-Nr.: 04.3043 der Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die<br />
AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des<br />
Deutschen Bundestages gefördert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />
unter: http://dnb.dnb.de<br />
© 2022 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />
DVS Forschung Band 573<br />
Bestell-Nr.: 170683<br />
I<strong>SB</strong>N: 978-3-96870-573-6<br />
Kontakt:<br />
Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />
T +49 211 1591-0<br />
F +49 211 1591-200<br />
forschung@dvs-hg.de<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />
vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.
Inhaltsverzeichnis /<br />
Content<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung ............................................................................................................ 1<br />
1.1 Problemstellung ............................................................................................... 1<br />
1.2 Zielsetzung ...................................................................................................... 2<br />
2 Stand der Technik ............................................................................................... 3<br />
2.1 Identifikation von Rissinitiierung am Schweißpunkt ......................................... 5<br />
2.2 Numerische Simulation des Verformungs- und Versagens-verhaltens<br />
von Widerstandspunktschweißverbindungen .................................................. 7<br />
3 Untersuchung der Rissinitiierung an Punktschweißverbindungen .................... 10<br />
3.1 Rissfortschrittsmessungen an Punktschweißverbindungen (AP1) ................ 10<br />
3.2 Einfluss der Temperatur auf die Bruchzähigkeit (AP2) .................................. 17<br />
3.3 Einfluss der Schweißparameter auf die Mikrostruktur und Bruchzähigkeit<br />
(AP3) 18<br />
3.4 Einfluss der Blechdicke und Blechfestigkeit (AP 4) ....................................... 21<br />
3.5 Berechnung der Tragfähigkeit eines duktilen Ausknöpfbruchs (AP5) ............ 29<br />
4 Zusammenfassung ........................................................................................... 35<br />
5 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 36<br />
I
Einleitung<br />
1 Einleitung<br />
Die Anforderungen an moderne Karosseriekonzepte bezüglich Energie- und<br />
Ressourceneffizienz bei gleichzeitiger Erhöhung der Sicherheitsstandards führen<br />
vermehrt zu einer Substitution konventioneller Karosseriestähle durch hochfeste Mehrund<br />
Martensitphasenstähle. Durch geeignete Wärmebehandlung der Gefüge während<br />
der Stahlerzeugung oder bei der Bauteilfertigung (z.B. Warmumformen und<br />
Presshärten) bieten diese Stahlgüten ein breites Spektrum mechanischer<br />
Eigenschaften, die durch eine anwendungsspezifische Werkstoffauswahl zur<br />
Reduktion des Karosseriegewichts und einer Verbesserung des Crashverhaltens<br />
beitragen können.<br />
Aufgrund seines hohen Automatisierungsgrads, der Prozesssicherheit und der damit<br />
verbundenen Wirtschaftlichkeit, stellt das Widerstandspunktschweißen das<br />
dominierende Fügeverfahren im stahlbasierten Karosseriebau dar. Neben den<br />
mechanischen Eigenschaften der Stahlbleche spielen insbesondere auch deren<br />
Verbindungseigenschaften eine zentrale Rolle für das Crashverhalten von<br />
Fahrzeugstrukturen.<br />
1.1 Problemstellung<br />
Optimale Punktschweißprozesse müssen hinreichend große Schweißbereiche und<br />
Elektrodenstandzeiten aufweisen, sowie die Lastübertragung unter quasi-statischen,<br />
zyklischen und dynamischen Beanspruchungen durch ausreichende<br />
Verbindungsfestigkeiten sicherstellen. Als Qualitätsmerkmal der Verbindung gilt unter<br />
Praktikern das Auftreten von Ausknöpfbrüchen (siehe Abbildung 1 (i), (ii)) in Meißel-,<br />
Scher- und Kopfzugprüfungen. Punktschweißverbindungen in konventionellen<br />
Tiefziehstählen zeigen nahezu ausschließlich Ausknöpfbrüche [1] [2]. In hochfesten<br />
Stählen treten daneben auch gemischte Bruchformen mit komplexen Risspfaden,<br />
sogenannte Mischbrüche sowie Fügeebenenbrüche (Scherbrüche) auf (vgl. Abbildung<br />
1 (iii) bis (v)). Die dabei auftretenden Schädigungs- und Bruchmechanismen, sowie<br />
deren Entwicklung während der Beanspruchung sind bislang nur an einzelnen<br />
beispielhaften Verbindungen untersucht [3] [5]. Z.B. wurde im abgeschlossenen<br />
österreichischen COMET K-Projekts Join4+ [4] Schweißpunkte in HCT980X<br />
untersucht. Systematische Untersuchungen der Haupteinflussfaktoren, die dieses<br />
Bruchverhalten begünstigen oder verursachen, existieren nicht. Des Weiteren ist<br />
unklar, ob mit dem Auftreten solcher Brucharten Tragfähigkeitseinbußen und<br />
reduziertes Energieabsorptionsvermögen im Vergleich zu einem duktilen<br />
Ausknöpfbruch einhergehen. Also ob und wieviel höhere Kräfte und Energieabsorption<br />
in punktgeschweißten Konstruktionen erzielbar wären, wenn hochfeste Stähle ihr<br />
Festigkeitspotential unter Normalbeanspruchung der Schweißverbindungen<br />
ausschöpfen könnten.<br />
In der Praxis wird daher vielfach eine zeit- und kostenintensive Optimierung der<br />
Schweißparameter durchgeführt, um ein Ausknöpfen von Schweißpunkten in<br />
hochfesten Stählen zu erreichen, d.h. den gewohnten und als „gut“ eingestuften<br />
Ausknöpfbruch zu erhalten. Diese Optimierung gelingt teilweise nicht, oder nur mit<br />
1
Einleitung<br />
großem Aufwand und „untypischen“ d.h. ungeeigneten Schweißparametern für die<br />
Serienfertigung (sehr lange Schweißzeiten, viele Pulse, Nachwärmen) [6] [7] [8]. In<br />
solchen Fällen wird z.B. die Schweißpunktanzahl pro Flanschlänge erhöht, was mit<br />
verlängerten Fertigungszeiten verbunden ist und damit ebenfalls wirtschaftliche<br />
Nachteile mit sich bringt.<br />
Abbildung 1: Bruchformen von Punktschweißverbindungen nach Normalbeanspruchung (Kopfzug):<br />
Ausknöpfbrüche im Grundwerkstoff (i) und der Wärmeeinflusszone (ii), Mischbrüche (iii, iv) und<br />
Fügeebenenbruch (bzw. Scherbruch) (v)<br />
Punktgeschweißte Flansche sollen nach gängiger Konstruktionslehre [9] so ausgeführt<br />
werden, dass sie auf Scherung belastet werden, da hier die höchsten Festigkeiten<br />
vorliegen. Dieses Prinzip kann nicht durchgehend wirtschaftlich umgesetzt werden.<br />
Unter Normalbelastung, d.h. im Kopfzug, sind die Festigkeiten niedriger, was auch als<br />
Kopfzugempfindlichkeit bezeichnet wird. Bei Deformation von Crashboxen treten z.B.<br />
in ihren Flanschen komplexe, kombinierte Belastungen auf, bei denen die<br />
Schweißpunkte auch durch hohe Kopf- und Schälzugbelastungen beansprucht<br />
werden. Konstruktive Lösungen zur Vermeidung dieser Belastungen wären in vielen<br />
Fällen nur mit sehr großer Bauteilkomplexität und geringer Materialeffizienz umsetzbar<br />
und damit unwirtschaftlich. Mehr Kenntnis und Basiswissen über die Entstehung und<br />
die entscheidenden Einflussfaktoren für das Auftreten der Brucharten Misch- und<br />
Fügeebenenbruch sind die ersten grundlegenden Schritte, um Konstruktionsweisen<br />
und/oder Prozessparameter zu erarbeiten, die diese Bruchphänomene reduzieren oder<br />
gar vermeiden können.<br />
1.2 Zielsetzung<br />
(i)<br />
(i) (ii) (iii) (iv) (v)<br />
Ziel des Projekts ist, die Entwicklung einer Bewertungsmethode, die die<br />
„Mischbruchneigung“ d.h. die Neigung zur Rissinitiierung in der Fügeebene eines<br />
Schweißpunkts unter quasi-statischer Belastung beschreibt. Bei Misch- und<br />
Fügeebenenbrüche initiiert der Riss an der Fügespaltwurzel und breitet sich unter<br />
Normalbeanspruchung bzw. anteiliger Normalbeanspruchung in die Schweißlinse aus.<br />
Zu zeigen ist, dass die Bruchzähigkeit des Schweißlinsengefüges der<br />
Werkstoffkennwert zur belastungsabhängigen Vorhersage der Mischbruchneigung ist.<br />
Durch unterbrochene Kreuzzugversuche mit dem Potentialsondenverfahren wird die<br />
Rissinitiierung und daraus die Bruchzähigkeit des Schweißlinsengefüges durch<br />
bruchmechanische Ansätze bestimmt. Dies soll hauptsächlich bei Raumtemperatur<br />
(RT) erfolgen, aber auch bei zwei weiteren Temperaturen von -35°C und +85°C. Da<br />
die Bruchzähigkeit temperaturabhängig ist, wird auch die Mischbruchneigung von der<br />
Temperatur abhängen. Des Weiteren muss die lokale Beanspruchung am Fügespalt<br />
und deren Umgebung ermittelt und bewertet werden. Diese hängt von den lokalen<br />
mechanischen Werkstoffeigenschaften und der geometrischen Ausbildung der<br />
Verbindung ab.<br />
2
Stand der Technik<br />
2 Stand der Technik<br />
Die Tragfähigkeit von Punktschweißverbindungen wird mit Proben bestimmt, in denen<br />
ein einzelner Schweißpunkt vorliegt. Nach DVS Merkblatt 2916-1 [10] werden hierfür<br />
die in Abbildung 2 gezeigten Scher-, Kreuz- und Schälzugproben eingesetzt. Die<br />
Tragfähigkeit wird mit ihnen abhängig von der Belastungsrichtung, d.h. bei Scher-,<br />
Normal- und einseitiger Normalbelastung (Biegung) bzgl. der Verbindungsebene<br />
ermittelt.<br />
Abbildung 2: Probenformen von Scherzug-, Schälzug- und Kreuzzugproben (von links nach rechts).<br />
Die Pfeile kennzeichnen die Belastungsrichtung.<br />
Die mechanische Prüfung der Punktschweißverbindung resultiert in einem Versagen<br />
des Schweißpunkts, das beeinflusst durch verschiedene Faktoren in unterschiedlichen<br />
Erscheinungsformen (vgl. Abbildung 3) auftreten kann.<br />
Abbildung 3: Brucharten und deren schematische Erscheinungsform nach [10]<br />
Grundsätzlich angestrebt wird das Auftreten des Ausknöpfbruchs. Diese Bruchart wird<br />
als Qualitätsmerkmal einer Verbindung angesehen und gilt als Indikator für die Eignung<br />
hohe Kräfte zu übertragen, hohe plastische Deformationen in den gefügten Blechen zu<br />
erzeugen und damit hohe Energieabsorptionen der Verbindung sicherzustellen [11].<br />
Andere Bruchformen, insbesondere Misch- und Scherbrüche, werden mit<br />
unzureichenden Schweißparametern [12], zu kleinen Schweißlinsen, Schweißfehlern<br />
[13] und gegenüber Ausknöpfbrüchen niedrigeren Tragfähigkeiten und<br />
Energieabsorptionen [14] [15] [16] in Verbindung gebracht. Für punktgeschweißte<br />
hochfeste Stähle werden nach der Prüfung häufig keine Ausknöpf-, sondern Scheroder<br />
Mischbrüche beobachtet. Um diese zu vermeiden, wurden in [7] [6]<br />
Stromprogramme mit gegenüber dem Schweißstrom erhöhten Nachwärmströmen<br />
eingesetzt. Hierdurch konnte das Bruchverhalten erfolgreich von Scher- und<br />
Mischbrüchen zum Ausknöpfen der Schweißpunkte geändert werden. Es zeigte sich<br />
3