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Elektronischer Sonderdruck für Sexualität und Internet Christiane ...

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Psychotherapeut<br />

<strong>Elektronischer</strong> <strong>Sonderdruck</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Christiane</strong> Eichenberg<br />

Ein Service von Springer Medizin<br />

Psychotherapeut 2012 · 57:177–190 · DOI 10.1007/s00278-012-0894-z<br />

© Springer-Verlag 2012<br />

<strong>Christiane</strong> Eichenberg · Demetris Malberg<br />

<strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> <strong>Internet</strong><br />

Relevante Schnittstellen <strong>für</strong> die psychotherapeutische Praxis<br />

www.Psychotherapeut.springer.de<br />

zur nichtkommerziellen Nutzung auf der<br />

privaten Homepage <strong>und</strong> Institutssite des Autors


Psychotherapeut 2012 · 57:177–190<br />

DOI 10.1007/s00278-012-0894-z<br />

© Springer-Verlag 2012<br />

Redaktion<br />

T. Fydrich, Berlin<br />

A. Martin, Erlangen<br />

W. Schneider, Rostock<br />

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CME.springer.de<br />

Teilnahmemöglichkeiten<br />

- kostenfrei im Rahmen des jeweiligen<br />

Zeitschriftenabonnements<br />

- individuelle Teilnahme durch den Erwerb<br />

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Zertifizierung<br />

Diese Fortbildungseinheit ist <strong>für</strong> ärztliche<br />

Psychotherapeuten mit 3 CME-Punkten<br />

zertifiziert von der Landesärztekammer<br />

Hessen <strong>und</strong> der Nordrheinischen Akademie<br />

<strong>für</strong> Ärztliche Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

<strong>und</strong> damit auch <strong>für</strong> andere Ärztekammern<br />

anerkennungsfähig.<br />

Für psychologische Psychotherapeuten<br />

ist diese Fortbildungseinheit von der<br />

Landespsychotherapeutenkammer<br />

Baden- Württemberg akkreditiert.<br />

Hinweis <strong>für</strong> Leser aus Österreich<br />

Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm<br />

(DFP) der Österreichischen Ärztekammer<br />

werden die auf CME.springer.de<br />

erworbenen CME-Punkte hier<strong>für</strong> 1:1 als<br />

fachspezifische Fortbildung anerkannt.<br />

Kontakt <strong>und</strong> weitere<br />

Informationen<br />

Springer-Verlag GmbH<br />

Fachzeitschriften Medizin / Psychologie<br />

CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17<br />

69121 Heidelberg<br />

E-Mail: cme@springer.com<br />

CME.springer.de<br />

© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin<br />

CME Weiterbildung<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

<strong>Christiane</strong> Eichenberg 1 · Demetris Malberg 2<br />

1 Department Psychologie, Klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychologische Diagnostik, Universität Köln<br />

2 Institut <strong>für</strong> Soziale Therapie, Supervision <strong>und</strong> Organisationsberatung, Universität Kassel<br />

<strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> <strong>Internet</strong><br />

Relevante Schnittstellen <strong>für</strong> die<br />

psychotherapeutische Praxis<br />

Zusammenfassung<br />

In der Auseinandersetzung mit sexuellen <strong>Internet</strong>aktivitäten waren der fachliche <strong>und</strong> der<br />

öffentliche Diskurs lange Zeit stark polarisiert. Inzwischen geht der Trend dahin, Onlinesexualität<br />

differenziert <strong>und</strong> empirisch f<strong>und</strong>iert zu betrachten. Neben der ungewollten (z. B.<br />

Übergriffe in Onlineforen) oder indirekten (z. B. durch exzessiven Pornokonsum des Partners)<br />

Konfrontation mit Onlinesexualität gibt es ein breites Spektrum an selbst initiierten<br />

sexuellen Nutzungsweisen. Dazu zählen u. a. die Rezeption von Aufklärungsseiten, der Erfahrungsaustausch,<br />

die Inanspruchnahme sexueller Onlineberatung sowie der Aufbau sexueller<br />

<strong>und</strong> romantischer Beziehungen. Gleichzeitig können mit der sexualbezogenen <strong>Internet</strong>nutzung<br />

aber auch klinisch relevante Probleme einhergehen (z. B. „Cybersexsucht“). Durch<br />

die Mediatisierung in der Gesellschaft verfügen die Patienten in psychotherapeutischen Praxen<br />

zunehmend mehr über sexualbezogene <strong>Internet</strong>erfahrung. Für Psychotherapeuten ist<br />

wichtig, die netzspezifischen Besonderheiten potenziell resultierender Probleme zu kennen,<br />

um ihnen informiert begegnen zu können. Darüber hinaus sollten auch die sexuell konstruktiven<br />

Einsatzweisen des <strong>Internet</strong> bekannt sein, um diese bei Bedarf in das Spektrum<br />

netzbasiert-sexualtherapeutischer Möglichkeiten einzubinden.<br />

Schlüsselwörter<br />

Beratung · Psychotherapie · Selbsthilfegruppen · Suchtverhalten · Gewalt<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

177


CME<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Probleme der Patienten<br />

mit <strong>Sexualität</strong> im <strong>Internet</strong><br />

werden immer häufiger Anlass zur<br />

Aufnahme einer Psychotherapie<br />

Der Begriff „<strong>Internet</strong>sexualität“ umfasst<br />

alle sexualbezogenen Inhalte<br />

<strong>und</strong> Aktivitäten im Netz<br />

178 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

Nach Lektüre dieses Beitrags<br />

F wissen Sie, warum die Kenntnis über Informationen <strong>und</strong> Diskurse im <strong>Internet</strong> zu<br />

sexuellen Störungen oder Dysfunktionen <strong>für</strong> die psychotherapeutische Beratung <strong>und</strong><br />

Behandlung wichtig ist.<br />

F sind Sie in der Lage, den Onlinesupport als Erweiterung der bestehenden Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Therapieinfrastruktur zu verstehen.<br />

F wissen Sie, warum Sie Aspekte der Mediennutzung in der Anamnese systematisch <strong>und</strong><br />

standardmäßig erheben sollten.<br />

F können Sie die spezifischen Motive <strong>und</strong> Gratifikationen sowie Belastungen <strong>und</strong> Probleme<br />

Ihres Patienten sensibel erfassen <strong>und</strong> evtl. bestehende exzessive Nutzungsweisen<br />

oder auch Erfahrungen mit sexueller Gewalt im <strong>Internet</strong> kompetent bearbeiten.<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

In der Vergangenheit erfuhr sowohl der fachliche als auch der öffentliche Diskurs bezüglich sexueller<br />

<strong>Internet</strong>aktivitäten eine starke Polarisierung, die auf pauschal-alarmierenden Annahmen gründete<br />

oder Onlinesexualität in ihrer Bedeutung marginalisierte. Inzwischen geht der Trend dahin, Onlinesexualität<br />

in ihren vielfältigen Erscheinungsformen <strong>und</strong> Funktionen zu betrachten <strong>und</strong> empirisch<br />

f<strong>und</strong>iert zu beleuchten. So etablierte sich in Fachkreisen eine Normalisierungsperspektive, die<br />

sexuelle <strong>Internet</strong>aktivität auf der Gr<strong>und</strong>lage theoretischer Nutzungsmodelle im <strong>Internet</strong> relativiert<br />

(Döring 2003).<br />

Die Relevanz des Themenfelds „<strong>Sexualität</strong> im <strong>Internet</strong>“ <strong>für</strong> die psychotherapeutische Praxis ergibt<br />

sich daraus, dass die damit zusammenhängenden Erfahrungen <strong>und</strong> Probleme der Patienten<br />

immer häufiger Anlass zur Aufnahme einer Therapie sind. Auch in laufenden Psychotherapien<br />

können Probleme virulent werden, die im Zusammenhang mit sexualbezogener <strong>Internet</strong>nutzung<br />

stehen (s. Fallbeispiel im Abschn. „Sexualbezogene Information <strong>und</strong> Meinungsaustausch“). Ziel<br />

dieses Beitrags ist, das Spektrum sexueller <strong>Internet</strong>aktivitäten im Hinblick auf relevante Aspekte <strong>für</strong><br />

die psychotherapeutische Praxis differenziert zu beleuchten.<br />

Der Begriff „<strong>Internet</strong>sexualität“ (oder auch „Onlinesexualität“, „Cybersexualität“, „virtuelle <strong>Sexualität</strong>“)<br />

umfasst alle sexualbezogenen Inhalte <strong>und</strong> Aktivitäten im Netz. Er kennzeichnet eine Vielfalt<br />

von sexuellen Phänomenen, wie z. B. Onlinepornografie, sexualbezogene Psychoedukation <strong>und</strong> Onlineberatung<br />

sowie die Anbahnung sexueller Kontakte über Chats oder soziale Netzwerke wie Facebook.<br />

Laut Döring (2009) lassen sich Formen von sexuellen <strong>Internet</strong>aktivitäten anhand der aktuellen<br />

empirischen Bef<strong>und</strong>lage in sechs große Bereiche klassifizieren (. Tab. 1).<br />

Sexuality and internet. Relevant interfaces<br />

for the psychotherapeutic practice<br />

Abstract<br />

On the discussion about sexual internet activities, the professional and public discourses have been<br />

strongly polarized for a long time. Currently the trend is that online sexuality is to be seen in a differentiated<br />

and empirical manner. Next to <strong>und</strong>esired (e.g. assault by internet platform) or indirect<br />

(e.g. due to excessive pornography use by partners) confrontations with online sexuality, there is a<br />

broad spectrum of self-initiated sexual use of the internet. These are, for example reception of information<br />

sites, exchange of experiences, utilization of online sexual consultation and romantic relationships.<br />

On the other hand clinically relevant problems could accompany sexual internet use, such<br />

as cybersex addiction. Because of the mediatization in society ambulant patients in the psychotherapeutic<br />

practice are more informed about sexual internet use. For psychotherapists it is important to<br />

know the internet-specific details and the potential risks and chances for sexual behavior in order to<br />

know how to deal with the situation and if necessary to integrate the internet into the spectrum of<br />

web-based sexual therapeutic options.<br />

Keywords<br />

Counselling · Psychotherapy · Self-help groups · Behavior, addictive · Violence


Tab. 1 Nutzungsbereiche der sexualbezogenen <strong>Internet</strong>aktivität. (Döring 2009)<br />

Bereiche der Onlinesexualität Beispiele<br />

Pornografie Aktive Produktion oder Rezeption des vorhandenen pornografischen Materials<br />

Sexshops Käuflicher Erwerb von erotischen Produkten<br />

Sexuelle Tätigkeit Prostitution: Vermarktung der „Offlinesexarbeit“ vs. Ausübung der „Onlinesexarbeit“<br />

(„Cyberprostitution“)<br />

Sexualbezogene Psychoedukation<br />

<strong>und</strong> -Beratung<br />

Websites, Foren, Onlineberatungsstellen mit Fokus auf sexualbezogene Probleme<br />

Anbahnung sexueller Kontakte Unentgeltliche sexuelle Kontakte („Cybersex“)<br />

Austragungsort sexueller<br />

Subkulturen<br />

Plattformen <strong>für</strong> marginalisierte sexuelle Subkulturen, Nutzer mit speziellen<br />

sexuellen Präferenzen<br />

Insgesamt können <strong>Internet</strong>nutzer auf unterschiedliche Art <strong>und</strong> Weise mit Onlinesexualität konfrontiert<br />

werden (Eichenberg u. Malberg 2011):<br />

F selbst gewollte <strong>und</strong> bewusst initiierte Nutzung,<br />

F indirekter Miteinbezug durch z. B. exzessiven Konsum von Erotika <strong>und</strong> Pornografie des Partners,<br />

F ungewollte Konfrontation, z. B. durch sexuelle Belästigung in Chatrooms <strong>und</strong> durch „grooming“<br />

oder<br />

F erzwungene Cyberprostitution.<br />

Schnittstelle 1: selbst gewählte Onlinesexualität<br />

Aus dem Spektrum selbst gewählter Onlinesexualität werden im Folgenden vier Nutzungsbereiche<br />

näher beschrieben:<br />

F sexualbezogene Information <strong>und</strong> Meinungsaustausch,<br />

F sexualbezogene Onlineberatung,<br />

F sexueller Selbstausdruck <strong>und</strong><br />

F Aufbau sexueller <strong>und</strong>/oder romantischer Beziehungen.<br />

Sexualbezogene Information <strong>und</strong> Meinungsaustausch<br />

Das <strong>Internet</strong> bietet Hilfestellungen bei sexuellen Problemen <strong>und</strong> Störungen im Rahmen selbstedukativer<br />

Aktivitäten wie z. B. die Rezeption entsprechend ausgerichteter Websites, die von unterschiedlichen<br />

Anbietern realisiert werden. Manche sind allgemeiner Natur (z. B. das Onlinelexikon<br />

„ <strong>Sexualität</strong>“, www.onmeda.de/lexi+ka/sexualitaet); andere richten sich an bestimmte Zielgruppen<br />

(wie Jugendliche, www.sextra.de; marginalisierte sexuelle Subkulturen, z. B. www.datenschlag.org)<br />

oder fokussieren bestimmte sexuelle Störungen oder Problembereiche (z. B. Impotenz, www.impodoc.de).<br />

Analog verhält es sich bei virtuellen Diskussionsangeboten.<br />

Da im <strong>Internet</strong> jeder veröffentlichen kann, gibt es keine Sicherheit bezüglich der Qualität von<br />

WWW-Inhalten oder Postings in Foren. So belegen Studien zur Qualität ges<strong>und</strong>heitsbezogener <strong>Internet</strong>inhalte,<br />

dass entsprechende Websites häufig Fehl- <strong>und</strong> Falschinformationen mit z. T. erheblicher<br />

Gefahr <strong>für</strong> die körperliche <strong>und</strong> seelische Ges<strong>und</strong>heit beinhalten (Eichenberg u. Blokus 2010; Eichenberg<br />

u. Ott 2012). Die Inhaltsqualität der Websites beispielsweise zum Thema sexuelle Hypoaktivität<br />

bei Frauen wurde im Schnitt schlecht bis mäßig bewertet (Touchet et al. 2007). Es ist wichtig, dass<br />

Psychotherapeuten über die Informationen <strong>und</strong> Diskurse im <strong>Internet</strong> unter den Betroffenen zu bestimmten<br />

sexuellen Störungen oder Dysfunktionen informiert sind, um vom Patienten eingebrachte<br />

potenzielle Falsch-/Fehlinformationen zu identifizieren <strong>und</strong> zu korrigieren.<br />

Sexualbezogene Informationssysteme im Netz können eine geeignete Quelle zur Unterstützung<br />

der Sexualaufklärung sein. Die Informationen sind kostenlos, decken ein breites Themenspektrum<br />

ab <strong>und</strong> sind jederzeit sowie anonym abrufbar. Die Anonymität erlaubt bei prekären Fragen <strong>und</strong> Problemen,<br />

wie es sexualbezogene per se sind, einen niederschwelligen Zugang zu solchen Informationen.<br />

Der kritische Punkt von Informationen im Netz liegt in der Qualität <strong>und</strong> Nützlichkeit des konsumierten<br />

Materials.<br />

CME<br />

Fehl- <strong>und</strong> Falschinformationen der<br />

Websites können eine erhebliche<br />

Gefahr <strong>für</strong> die körperliche <strong>und</strong> seelische<br />

Ges<strong>und</strong>heit bedeuten<br />

Sexualbezogene Informationssysteme<br />

im Netz können eine geeignete<br />

Quelle zur Unterstützung der<br />

Sexualaufklärung sein<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

179


CME<br />

Sexualbezogene Diskussionsforen<br />

ermöglichen den offenen Austausch<br />

In der psychotraumatologischen Literatur<br />

wird ausdrücklich zu geleiteten<br />

Selbsthilfegruppen geraten<br />

180 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

Tab. 2 Chancen <strong>und</strong> Probleme virtueller Selbsthilfegruppen <strong>für</strong> Betroffene von sexueller Gewalt<br />

Chancen Probleme<br />

Soziale Unterstützung Soziale Belastung<br />

Anonymität erleichtert das Äußern von schambesetzten<br />

Themen<br />

Schriftlichkeit erleichtert das erstmalige Mitteilen<br />

traumatischer Erfahrungen<br />

Enttabuisierung eines in der Gesellschaft stark stigmatisierten<br />

Themas<br />

Anbahnung <strong>und</strong> Ermutigung zur Aufnahme einer<br />

Psychotherapie<br />

Unempathische Reaktionen auf intime Selbstoffenbarung<br />

bzw. Druck zur Mitteilung traumatischer Erfahrungen<br />

„Trigger“-Effekte<br />

Ausbildung oder Verfestigung einer „Opferidentität“<br />

„False-memory“-Effekte<br />

Isolation überwinden Sozialer Rückzug<br />

Kollektives Wissen Fehl- oder Falschinformationen<br />

Sexualbezogene Diskussionsforen ermöglichen den offenen Austausch über die eigenen sexuellen<br />

Erfahrungen sowie über Themen, die sexuell konnotiert sind (z. B. Brustkrebs, www.brustkrebs.<br />

net; sexualisierte Gewalt, www.sexuelle-gewalt.de). Entsprechende Netzangebote ergänzen die Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> kommen insbesondere denjenigen zugute, die im „realen Leben“ keine entsprechende<br />

Unterstützung haben oder finden. So kann die Teilnahme an einem derartigen Forum z. B. die Selbstakzeptanz<br />

von bestimmten sexuellen Begehrensformen fördern <strong>und</strong> Isolierungsgefühlen entgegenwirken.<br />

Gleichzeitig ist es wichtig, mit Patienten über ihre internetbasierten Recherchen <strong>und</strong> Selbsthilfeaktivitäten<br />

im Dialog zu sein, wie das nachfolgende Fallbeispiel illustriert:<br />

Die Patientin sucht die Therapeutin wegen einer Reihe <strong>für</strong> sie unverständlicher Symptome auf. Neben<br />

Ängsten <strong>und</strong> depressiven Zuständen leidet sie an einem diffusen Gefühl, keine Daseinsberechtigung zu<br />

haben. Im Laufe der Therapie können die Ursachen biografisch erklärt werden. In der Behandlungsphase,<br />

in der der Patientin zunehmend bewusster wird, dass sie von der Mutter höchst unerwünscht war,<br />

begann sie, im <strong>Internet</strong> exzessiv Onlineforen zu besuchen. Sie las fast suchtartig viele St<strong>und</strong>en am Tag<br />

vorzugsweise solche Foren, in denen sich Menschen mit sexuellen Missbrauchserlebnissen austauschten.<br />

Gemeinsam mit der Therapeutin konnte herausgearbeitet werden, dass <strong>für</strong> die Patientin unbewusst<br />

erträglicher schien, wenn sie von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht worden sei. Den Vernichtungswunsch<br />

durch die Mutter zu realisieren, war <strong>für</strong> sie kaum auszuhalten. Hier scheint die Nutzung von<br />

entsprechenden Onlineforen ein Versuch gewesen zu sein, die Abwehr gegen die Kenntnisnahme der<br />

eigentlichen Traumatisierung aufrechtzuerhalten. Dies konnte therapeutisch bearbeitet werden, da die<br />

Patienten in der Therapie über ihre <strong>Internet</strong>aktivitäten sprach. Andernfalls wäre die Gefahr eines „False-memory“-Effekts<br />

sicherlich vorhanden gewesen.<br />

Insgesamt wird das generelle Potenzial des <strong>Internet</strong> zur Selbsthilfe bei verschiedenen Störungen in<br />

Fachkreisen positiv eingeschätzt <strong>und</strong> ist mithilfe entsprechender Evaluationsstudien inzwischen<br />

belegt (z. B. Uden-Kraan et al. 2008). So zeigte sich u. a., dass Onlineselbsthilfegruppen Brustkrebspatientinnen<br />

zu einem höheren Maß an Verantwortungsbewusstsein sich selbst gegenüber<br />

verhelfen, <strong>und</strong> bei an Unfruchtbarkeit leidenden Betroffenen führten die Onlineselbsthilfegruppen<br />

zur Verbesserung der Beziehung zum Partner sowie zur Verringerung von Isolationsgefühlen ( Malik<br />

u. Coulson 2008).<br />

Onlineselbsthilfegruppen <strong>für</strong> Betroffene von sexueller Gewalt im Speziellen werden allerdings<br />

skeptischer beurteilt (zum Überblick der Chance <strong>und</strong> Probleme . Tab. 2; Eichenberg u. Malberg<br />

2011). Diese Einschätzungen beruhen jedoch auf klinischen Erfahrungen, da bislang keine soliden<br />

empirischen Untersuchungen zu den Effekten entsprechender Onlinegruppen vorliegen.<br />

So steht beispielsweise der Möglichkeit zur emotionalen Entlastung durch haltgebende <strong>und</strong> verständnisvolle<br />

Kontakte zu anderen Betroffenen die Gefahr gegenüber, dass sich die Teilnehmenden<br />

durch die gegenseitigen Schilderungen ihrer Erlebnisse zusätzlich belasten. Insgesamt wird in der<br />

psychotraumatologischen Literatur ausdrücklich zu geleiteten Selbsthilfegruppen geraten (Fischer u.<br />

Riedesser 2009), um auf die Stabilisierung der Teilnehmer zu achten <strong>und</strong> Trigger-Effekte durch Moderation<br />

eines erfahrenden Therapeuten möglichst auszuschalten. Dies ist bei Onlineselbsthilfegruppen<br />

häufig nicht gewährleistet, da sie in der Regel wenn nur durch Laien moderiert werden. Allerdings<br />

sehen die Teilnehmer der Foren vielfach diese Gefahr <strong>und</strong> versuchen sie eigenständig zu minimie-


Abb. 1 8 Screenshot der Website „Sextra.de“<br />

ren, z. B. durch die Regel, bestimmte Reizwörter nicht auszuschreiben, sondern einzelne Buchstaben<br />

durch Platzhalter oder Sternchen zu ersetzen („m*ssbr**ch“).<br />

Selbsthilfegruppen können der Tendenz von Opfern entgegenwirken, sich selbst zu beschuldigen<br />

<strong>und</strong> sozial zu isolieren. Dies setzt ein offenes <strong>und</strong> freies Klima in der Gruppe voraus. Negative Auswirkungen<br />

sind hingegen zu erwarten, wenn der Gruppendruck zu groß ist. Manche Gruppenmitglieder<br />

spielen sich als selbst ernannte Autoritäten auf, erzeugen ein paranoides Klima <strong>und</strong> können die<br />

neuen Mitglieder unter Druck setzen, ihre traumatische Erfahrung vorzeitig zu offenbaren (Hurley et<br />

al. 2007). Hier fällt den Moderatoren eine anspruchsvolle Aufgabe zu. Obwohl z. B. Ochberg (1984)<br />

von positiven Erfahrungen mit dyadischen Selbsthilfegruppen berichtet, in denen ehemalige Traumapatienten<br />

durch Gespräch bei der Bewältigung von Lebensproblemen den neuerlich Betroffenen<br />

helfen, besteht ein hohes Risiko zur Labilisierung der Helferpatienten. Dieses dürfte im <strong>Internet</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

der hohen Gruppengrößen besonders hoch sein.<br />

Weitere Gefahren sind z. B. sozialer Rückzug aus „Face-to-face“-Beziehungen <strong>und</strong> Verfestigung<br />

einer „Opferidentität“, wenn beispielsweise ausschließlich <strong>und</strong> sehr intensiv der Austausch unter Betroffenen<br />

geführt wird. Ebenso können „False-memory“-Effekte insbesondere bei denjenigen Betroffenen,<br />

die noch auf der Suche nach den Ursachen ihrer Symptome sind, virulent werden. Zu den<br />

sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> tertiärpräventiven Funktionen der Onlinegruppen gehört neben der Enttabuisierung<br />

eines in der Gesellschaft stark stigmatisierten Themas die gegenseitige Ermutigung zur Aufnahme<br />

einer Psychotherapie. Studien zeigen, dass die Teilnahme an Selbsthilfeforen sogar bei Gruppen, die<br />

einer Psychotherapie eher ambivalent bis ablehnend gegenüberstehen (z. B. die „Pro-Ana“-Bewegung<br />

im Bereich der Essstörungen; Eichenberg u. Malberg 2011; Eichenberg et al. 2011), die Therapiemotivation<br />

erhöht. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass u. a. bezüglich Psychotherapie Falschinformationen<br />

verbreitet <strong>und</strong> Fehlerwartungen erzeugt werden.<br />

Allerdings muss in diesem Kontext das <strong>Internet</strong> auch in seinen begünstigenden Gelegenheitsstrukturen<br />

<strong>für</strong> pädophile Aktivitäten reflektiert werden (Eichenberg 2006, s. Abschn. „Pädophilie im<br />

<strong>Internet</strong>“). Sexuelle Belästigung z. B. von pädophil veranlagten Menschen in Foren von als Kind se-<br />

CME<br />

Den Moderatoren der Selbsthilfegruppen<br />

fällt eine anspruchsvolle<br />

Aufgabe zu<br />

Gefahren sind sozialer Rückzug aus<br />

„Face-to-face“-Beziehungen <strong>und</strong><br />

Verfestigung einer „Opferidentität“<br />

Die gegenseitige Ermutigung zur<br />

Aufnahme einer Psychotherapie gehört<br />

zu den präventiven Funktionen<br />

der Onlinegruppen<br />

Sexuelle Belästigung kann retraumatisierende<br />

Effekte haben<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

181


CME<br />

Der Mangel an nonverbaler Kommunikation<br />

erhöht das Potenzial <strong>für</strong><br />

Missverständnisse<br />

Die Offenheit von Psychotherapeuten<br />

gegenüber der Einbindung neuer<br />

Medien ist wichtig<br />

182 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

xuell Missbrauchten zerstört nicht nur den geschützten Raum der Betroffenen, sondern kann auch<br />

retraumatisierende Effekte haben. Hier können geschlossene/moderierte Foren zumindest ein etwas<br />

höheres Maß an Schutz bieten (Igney 2008). Zwar können sich auch dort pädophil veranlagte<br />

oder (sexuell) anders gestörte Menschen anmelden, um nach potenziellem Material wie Narrativen<br />

von Betroffenen zu suchen oder gar direkte Kontakte zu Opfern anzubahnen. Allerdings kann eine<br />

entsprechend motivierte Aktivität einfacher identifiziert <strong>und</strong> schneller unterb<strong>und</strong>en werden. „Flaming“-Inhalte<br />

1 , die das Klima einer Onlineselbsthilfegruppe gefährden, können zeitnäher beseitigt<br />

oder erst gar nicht „frei geschaltet“ werden. Dies bedingt aber, dass der Moderator jeden Forumbeitrag<br />

zunächst persönlich liest – ein Aufwand, der kaum zu bewältigen ist. Zudem wird eine solche<br />

Kontrolle häufig als Zensur erlebt <strong>und</strong> daher nicht praktiziert. Gängiger ist das Modell, dass Moderatoren<br />

die technischen, aber auch von der Gruppe legitimierten Rechte haben, Beiträge zu editieren<br />

<strong>und</strong> zu löschen.<br />

Sexualbezogene Onlineberatung<br />

Fallbeispiel: Mädchen, 17 Jahre<br />

Als wir noch zusammen waren, ja, da haben wir manchmal so Bilder gemacht, haben uns ausgezogen<br />

<strong>und</strong> so Sachen gemacht <strong>und</strong> die Webcam angeschaltet. Und jetzt ist es aus, <strong>und</strong> er erpresst mich.<br />

Wenn ich ihm nicht weitere solcher Bilder schicke, dann droht er, die alten zu veröffentlichen. Was soll<br />

ich jetzt tun?<br />

[Auszug aus einer Onlineberatungsanfrage]<br />

Bei sexualbezogenen Fragen können Ratssuchende sexualbezogene Onlineberatungsangebote<br />

nutzen. Ein Beispiel <strong>für</strong> eine entsprechende Onlineberatung <strong>für</strong> Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene<br />

r<strong>und</strong> um das Thema <strong>Sexualität</strong> ist die psychosoziale E-Mail-Beratung sextra.de (. Abb. 1)von Pro<br />

Familia. Eine Evaluationsstudie zeigte, dass sextra ein wirksames Angebot ist, das auch solche Ratsuchenden<br />

erreicht, <strong>für</strong> die herkömmliche Beratungsformen eine zu hohe Zugangsschwelle haben. Die<br />

wichtigsten Gründe <strong>für</strong> die Konsultation der E-Mail-Beratung sind (Eichenberg 2007):<br />

F internetimmanente Besonderheiten der zeitversetzten <strong>und</strong> schriftlichen Kommunikation,<br />

F einfache <strong>und</strong> schnelle Erreichbarkeit sowie<br />

F Möglichkeit eines anonymen Hilfegesuchs.<br />

Onlineberatung bei sexualbezogenen Problemen ist mit Vor- <strong>und</strong> Nachteilen verb<strong>und</strong>en. Der textbasierte<br />

Austausch kommt besonders Menschen entgegen, die sich lieber schriftlich austauschen wollen;<br />

Anonymität erleichtert die Kontaktaufnahme bei Schwellenängsten <strong>und</strong> beschleunigt die Selbstöffnung<br />

bei heiklen Themen wie <strong>Sexualität</strong>. Risiken der Onlineberatungen sind z. B. das Potenzial<br />

<strong>für</strong> Missverständnisse durch den Mangel an nonverbaler Kommunikation (ausführlich bei Eichenberg<br />

2008).<br />

Fallbeispiel: Medizinstudentin, 24 Jahre<br />

Dass Onlineberatung den Weg zur Aufnahme einer Psychotherapie anbahnen kann, illustriert nachfolgende<br />

Kasuistik (Bollinger 2004). Die Offenheit von Psychotherapeuten gegenüber der Einbindung<br />

neuer Medien vor <strong>und</strong> während der Behandlung kann <strong>für</strong> bestimmte Patienten nicht nur gewinnbringend<br />

sein, sondern z. T. die einzige Möglichkeit darstellen, in therapeutischen Kontakt zu kommen<br />

bzw. zu bleiben (zur Einstellung von Psychotherapeuten bezüglich der therapeutischen Nutzung<br />

von <strong>Internet</strong> <strong>und</strong> Handy: Eichenberg u. Kienzle 2011).<br />

Die 24-jährige Medizinstudentin mit sexuellen Missbrauchserfahrungen zwischen dem 13. <strong>und</strong> 17. Lebensjahr<br />

wendet sich per E-Mail an die Studentenberatungsstelle:<br />

“… seit Tagen schleiche ich hier in meiner Wohnung umher, wie ein Tiger im Käfig …, mein Hirn<br />

arbeitet auf Hochtouren, schläft scheinbar nie … es produziert immer <strong>und</strong> immer mehr Erinnerungen,<br />

die mich erschlagen … ich kann einfach nicht mehr! In einer Beratungsstelle war ich diesbezüglich noch<br />

nie, da ich nicht darüber reden kann, was passiert ist … Ich bekomme kein einziges Wort über die Lip-<br />

1 Ein Flame (aus dem Englischen: to flame, aufflammen) ist ein ruppiger Kommentar bzw. eine Beleidigung in<br />

E-Mail- oder Forennachrichten. Flaming wird in den meisten Foren als Unsitte empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> von den Moderatoren<br />

meist mit einer Verwarnung bis hin zum Ausschluss geahndet.


pen, kann noch nicht einmal <strong>für</strong> mich die Dinge aussprechen … Schreiben klappt – wie es scheint – bisher<br />

recht gut …“<br />

Die Therapeutin war zunächst aufgr<strong>und</strong> von Bedenken bezüglich eines potenziellen Mitagierens<br />

<strong>und</strong> der Verstärkung von Vermeidungstendenzen verunsichert, auf die Anfrage zu reagieren. Nach<br />

der Reflexion in ihrer Supervisionsgruppe machte sich die Überzeugung breit, dass <strong>für</strong> diese Patientin<br />

in einem E-Mail-Kontakt die derzeit einzige Möglichkeit besteht, sich an eine professionelle Helferin<br />

zu wenden. Nach einem kurzen E-Mail-Wechsel kam der erste reale Kontakt zwischen Patientin<br />

<strong>und</strong> Therapeutin zustande. Ohne das Einlassen der Therapeutin auf die Kontaktaufnahme via <strong>Internet</strong><br />

wäre die sich anschließende Behandlung nie zustande gekommen, die weiterhin von E-Mails<br />

begleitet wurde.<br />

Sexueller Selbstausdruck<br />

<strong>Internet</strong>nutzer haben die Möglichkeit, sexualbezogene Websites anzubieten sowie eigene <strong>Sexualität</strong><br />

auf verschiedene Weise zu exponieren. Innerhalb von Blogs <strong>und</strong> virtuellen Tagebüchern können<br />

die Nutzer Privates <strong>und</strong> Sexuelles ausdrücken, künstlerisch ausleben <strong>und</strong> psychologisch verarbeiten.<br />

In einer Inhaltsanalyse von 300 willkürlich ausgewählten sexualbezogenen Websites (Eichenberg<br />

u. Döring 2006) zeigte sich, dass die mediumimmanenten Besonderheiten des <strong>Internet</strong> die<br />

Artikulation sexuellen Begehrens unabhängig von geschlechtsstereotypen Erwartungen begünstigen.<br />

So unterschieden sich z. B. die von Frauen <strong>und</strong> Männern publizierten Websites nicht im Grad ihrer<br />

Explizitheit, obwohl stereotyp oft davon ausgegangen wird, dass Frauen sexuell explizite bzw. pornografische<br />

Darstellungen ablehnen, während Männer diese bevorzugen.<br />

Zum anderen wird die Reproduzierung der bekannten, polarisierenden <strong>Sexualität</strong>sklischees gefördert.<br />

Als deutlichstes stereotypkonformes Ergebnis stach hervor, dass auf den von Frauen publizierten<br />

Seiten signifikant mehr erotisch-pornografische Texte <strong>und</strong> auf den von Männern publizierten<br />

Seiten mehr Bilder zu finden waren.<br />

Sexueller Diskurs im Netz entlastet nicht nur von Diskriminierung <strong>und</strong> Stigmatisierung, sondern<br />

bietet auch neue Möglichkeiten der sozialen Vernetzung, im Besonderen unter marginalisierten Personengruppen.<br />

Darüber hinaus scheinen die Auswirkungen der sexualbezogenen Websites vorwiegend<br />

positiv zu sein (Eichenberg u. Döring 2006).<br />

Aufbau sexueller <strong>und</strong>/oder romantischer Beziehungen (Cybersex <strong>und</strong> Cyberliebe)<br />

Zu sexualbezogener <strong>Internet</strong>nutzung zählt schließlich auch, via <strong>Internet</strong> sexuelle sowie romantische<br />

Kontakte aufzubauen <strong>und</strong> Beziehungen einzugehen. Nach Döring (2003) lassen sich folgende Formen<br />

der Beziehungsanbahnung, -entwicklung <strong>und</strong> -motivation unterscheiden:<br />

F beiläufiges Kennenlernen, das etwa im Rahmen von geselligen Foren oder Fachdiskursen stattfindet,<br />

<strong>und</strong><br />

F gezielte Partnersuche über Onlinekontaktanzeigen <strong>und</strong> Sex-Chats.<br />

Unabhängig davon, ob eine erotische Begegnung nun ungeplant erfolgt oder bewusst arrangiert wurde,<br />

können die Beteiligten es darauf anlegen, eine feste Partnerschaft einzugehen <strong>und</strong> letztlich auch<br />

im realen Leben zusammenzukommen oder aber eine eher unverbindliche Affäre oder Nebenbeziehung<br />

zu führen.<br />

Bei Netzbeziehungen kann einerseits ein emotional-romantischer Austausch im Zentrum stehen.<br />

Andererseits kann aber auch Cybersex stattfinden, wobei man einander per Chat oder E-Mail durch<br />

explizite Botschaften zu erregen versucht <strong>und</strong> nicht selten durch begleitende oder anschließende Masturbation<br />

auch körperliche Höhepunkte erlebt.<br />

Die Besonderheit von intimen Beziehungen im <strong>Internet</strong> liegt in einer im Vergleich zu Face-toface-Situationen<br />

beschleunigten Selbstöffnung: Durch den Wegfall körperlicher Kopräsenz werden<br />

Stressfaktoren minimiert, was dazu führt, dass in Netzbeziehungen häufig sehr schnell intensive<br />

Nähe erlebt wird (zum Phänomen der gesteigerten Emotionalität beim Cybersex: Leidlmair 2001).<br />

Zudem begünstigt die Niederschwelligkeit der E-Mail-Kommunikation, ständig in Tuchfühlung zu<br />

bleiben, sodass zu Beginn der Beziehungsentwicklung typischerweise sehr viel mehr Engagement<br />

eingebracht wird als bei Beziehungsanbahnungen im „real life“.<br />

CME<br />

<strong>Internet</strong>nutzer können die eigene<br />

<strong>Sexualität</strong> auf verschiedene Weise<br />

im <strong>Internet</strong> exponieren<br />

Die Artikulation sexuellen Begehrens<br />

unabhängig von geschlechtsstereotypen<br />

Erwartungen wird begünstigt<br />

Sexueller Diskurs im Netz entlastet<br />

von Diskriminierung <strong>und</strong> Stigmatisierung<br />

Der emotional-romantische Austausch<br />

kann im Zentrum stehen<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

183


CME<br />

Das Gegenüber kann als „ideales<br />

Gegenüber“ fantasiert werden<br />

Hauptprobleme sind kulturelle<br />

Unterschiede, geografische<br />

Distanzen oder der Verlust der<br />

etablierten emotionalen <strong>und</strong> sexuellen<br />

Intimität<br />

Sexualbezogene Onlineberatung<br />

hat sich als effektiv erwiesen<br />

Onlinesupport bedeutet die Erweiterung<br />

der bestehenden Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Therapieinfrastruktur<br />

184 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

Bei der Verliebtheit spielen Imagination <strong>und</strong> Projektion immer eine große Rolle. Beim Kennenlernen<br />

im Netz, bei dem immanenterweise viele Hintergr<strong>und</strong>informationen fehlen, ist die Gefahr<br />

besonders groß, das Gegenüber durch gesteigerte Projektionsprozesse als „ideales Gegenüber“ zu fantasieren.<br />

Im negativsten Fall kann es somit passieren, dass bei einem Face-to-face-Treffen die reale<br />

Person gegenüber der fantasierten keine Chance mehr hat – es folglich zu Enttäuschungen kommt.<br />

Um solche Entwicklungen zu vermeiden, ist ratsam, dass die Beteiligten möglichst schnell einen<br />

„ Realitätscheck“ durchführen, indem der Kontakt auf andere Medien (Fotos, Telefonieren, persönliches<br />

Treffen) ausgeweitet wird.<br />

Langzeitstudien, die systematisch vergleichen, welche besonderen Erfolgs- <strong>und</strong> Misserfolgsfaktoren<br />

in Partnerschaften wirken, die sich aus Onlinebegegnungen ergeben haben, fehlen bislang. Dennoch<br />

lassen sich einige Hauptprobleme extrahieren, wie z. B. kulturelle Unterschiede <strong>und</strong> geografische<br />

Distanzen, da man im Netz häufiger Personen trifft, die nicht dem unmittelbaren Umfeld entstammen,<br />

oder der Verlust der etablierten emotionalen <strong>und</strong> sexuellen Intimität, da die mediengeb<strong>und</strong>ene<br />

Attraktion sich manchmal nicht auf die Begegnung im Real life übertragen lässt. Dass im Netz aufgebaute<br />

Beziehungen auch zu tragfähigen Beziehungen im „Offline-Leben“ werden können, zeigt z. B.<br />

Döring (2000) anhand einer systematischen Auswertung von Erfahrungsberichten.<br />

Hinweise <strong>für</strong> die Praxis<br />

Sexualbezogene Onlineberatung hat sich als effektiv erwiesen. Psychotherapeuten sollten nicht nur<br />

Kenntnis entsprechender Angebote haben, um sie ggf. zu empfehlen, sondern ebenso um sie parallel<br />

zu einer laufenden Therapie nutzen zu können. Auch ist bei auslaufender oder gar abgeschlossener<br />

Behandlung die Möglichkeit einer E-Mail-Konsultation im Sinne einer Rückfallprävention gegeben.<br />

Generell ist Onlinesupport nicht als Konkurrenz, sondern als Erweiterung der bestehenden Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Therapieinfrastruktur zu verstehen. Vielfach erweist sich die Information über <strong>und</strong><br />

Thematisierung von einem sexualbezogenen Problem im Netz als erster Schritt zu einer weiteren<br />

Beschäftigung mit dem Thema. Laien ermutigen sich gegenseitig, professionelle Hilfe in Anspruch<br />

zu nehmen, <strong>und</strong> weisen auf entsprechende Anlaufstellen hin.<br />

Insbesondere wenn im therapeutischen Kontext ebenfalls mit kreativen Methoden gearbeitet<br />

wird, lassen sich diese mit Netzpublikationen koppeln (z. B. „sex blogs“, z. B. Belle de Jour,<br />

belledejour-uk.blogspot.com) oder auch mithilfe entsprechender Netzaktivitäten in der Psychotherapie<br />

reflektieren (z. B. Schreiber 2003). In therapeutischen, aber auch in sozialen Kontexten sollten<br />

Onlineromanzen nicht von vornherein pauschal als eskapistische oder nicht ernst zu nehmende<br />

Scheinbeziehungen entwertet werden.<br />

Schnittstelle 2: klinisch relevante Probleme<br />

Neben den vorgestellten Chancen (aber auch Risiken) des <strong>Internet</strong> als psychoedukatives <strong>und</strong> therapeutisches<br />

Medium <strong>für</strong> <strong>Sexualität</strong> kann die sexualbezogene <strong>Internet</strong>nutzung auch mit klinisch<br />

relevanten Problemen einhergehen. In diesem Kontext werden folgende Phänomene exemplarisch<br />

vorgestellt:<br />

F Cybersexsucht,<br />

F „barebacking“ <strong>und</strong><br />

F sexuelle Gewalt im <strong>Internet</strong>.<br />

Cybersexsucht<br />

Fallbeispiel<br />

„Bei mir ist es momentan so, dass ich glaube, schon lange ein sexuelles Problem zu haben. In meiner<br />

Kindheit, so mit 16, habe ich heimlich mehrmals wöchentlich im Elternhaus Sexhotlines angerufen. Als<br />

dann die Rechnung kam <strong>und</strong> meine Eltern sich fragten, wie den diese horrende Rechnung zustande komme<br />

(habe Geschwister), bin ich in Tränen ausgebrochen <strong>und</strong> habe gelogen, dass mir Zuhause ja keiner<br />

zuhört <strong>und</strong> ich die Telefonseelsorge angerufen hätte. Es ist dann ein paar Jahre gut gegangen; mit der<br />

eigenen Wohnung hat es dann aber wieder angefangen. Ich habe dann wieder Sexhotlines angerufen –<br />

zwar nicht so oft, aber die Telefonrechnung war höher als normal. Meine Exfre<strong>und</strong>in habe ich angelogen<br />

<strong>und</strong> habe ihr erzählt, dass das vom <strong>Internet</strong>surfen kommt. Seitdem ich jetzt seit mehr als ein Jahr


alleine wohne, hänge ich manchmal bis zu 3-mal am Tag vor dem <strong>Internet</strong> <strong>und</strong> gucke mir Pornoseiten<br />

an … Habe so gut wie keine sozialen Kontakte. Bin vereinsamt.“<br />

(Auszug aus einem Onlineselbsthilfeforum)<br />

<strong>Internet</strong>sucht als psychologisches Phänomen<br />

Seit einigen Jahren wird die <strong>Internet</strong>sucht als psychologisches Phänomen diskutiert. Erste Studien<br />

zur Epidemiologie pathologischen <strong>Internet</strong>gebrauchs wurden bereits vor 10 Jahren unternommen.<br />

Hahn u. Jerusalem (2001) kamen in einer Onlinebefragungsstudie mit 7091 Teilnehmern zu dem<br />

Ergebnis, dass die Prävalenz der <strong>Internet</strong>abhängigkeit etwa 3% beträgt. Hierbei trifft die <strong>Internet</strong>sucht<br />

insbesondere (männliche) Jugendliche unter 20 Jahren, <strong>und</strong> die Anzahl der Betroffenen sinkt<br />

mit zunehmend höherem Schulabschluss. Eine bestehende Partnerschaft schützt vor der <strong>Internet</strong>sucht;<br />

Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Teilzeitbeschäftigung begünstigen sie. Verschiedene Subtypen der <strong>Internet</strong>sucht<br />

wurden von diversen Autoren unterschieden. In einer aktuellen Studie fanden sich insbesondere<br />

das Spielen von Online-Games <strong>und</strong> die Rezeption sexueller Angebote als die <strong>Internet</strong>anwendungen,<br />

deren Nutzung mit pathologischem <strong>Internet</strong>gebrauch einhergehen (Meerkerk et al. 2006).<br />

Zum Ausmaß der „Cybersexsucht“ existieren bislang keine repräsentativen Ergebnisse. Insgesamt<br />

liegt nur eine Handvoll US-amerikanischer <strong>und</strong> skandinavischer Studien zur Prävalenzschätzung vor<br />

(Übersicht bei Eichenberg u. Blokus 2010). So ermittelten z. B. Cooper et al. (2000) in einer internetbasierten<br />

Fragebogenstudie mit 9265 Teilnehmern einen Anteil von 83% unauffälligen Cybersex-Usern<br />

gegenüber 11% mit problematischem <strong>und</strong> knapp 6% mit süchtigem sexuellem Verhalten,<br />

von denen 1% als „cybersex compulsive“ eingestuft wurde. Somit wird deutlich, dass die Mehrheit<br />

der Cybersexnutzer keine mit ihrem Nutzungsverhalten zusammenhängenden Probleme aufweist.<br />

Erste Hinweise auf Komorbidität insbesondere mit Substanzabhängigkeit, Sexsucht, Essstörungen,<br />

posttraumatischen Belastungsstörungen (Schwartz u. Southern 2000) sowie affektiven, Persönlichkeits-<br />

<strong>und</strong> Angststörungen (z. B. Orzack et al. 2006) liegen vor.<br />

Ätiologische Modelle zur Cybersexsucht existieren bislang nicht. Eichenberg u. Blokus (2010) versuchten<br />

jedoch, die möglichen Ursachen der Cybersexsucht mithilfe des polyätiologischen Modells<br />

(Fischer 2007) zu systematisieren. Entsprechend können der Cybersexsucht traumatische, sozialisationsbedingte<br />

<strong>und</strong> biologische Ursachen zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />

Psychische Traumatisierung spielt bei der Entstehung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung der Sexsucht insgesamt<br />

eine zentrale Rolle (Carnes 1991; Schwartz u. Southern 2000). Eine Untersuchung von Sexsüchtigen<br />

konnte z. B. belegen, dass emotionaler Missbrauch (97%), körperliche Gewalt (72%) <strong>und</strong><br />

sexuelle Gewalt (82%) besonders häufig vorkommen (Carnes 1991).<br />

Das interaktive Verhältnis zwischen Traumaschema (d. h. das in der traumatischen Situation<br />

aktivierte Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Handlungsschema) <strong>und</strong> den spezifischen (v. a. präventiven)<br />

Aspekten des traumakompensatorischen Schemas (naive Vorbeugungstheorie der Betroffenen: Was<br />

muss geschehen, um eine Retraumatisierung/vergleichbare traumatische Erfahrung <strong>für</strong> die Zukunft<br />

zu vermeiden?) macht die Entstehung der Cybersexsucht vor dem Hintergr<strong>und</strong> von traumatischen<br />

Erfahrungen versteh- <strong>und</strong> erklärbar. Die psychotraumatischen Symptome stellen im Sinne eines minimal<br />

kontrollierten Handlungs- bzw. Ausdrucksfelds eine Kompromissbildung zwischen diesen<br />

Schemata dar. So könnte das <strong>Internet</strong> <strong>für</strong> Cybersexsüchtige dieser „minimal kontrollierbare Handlungsraum“<br />

<strong>für</strong> Sex- <strong>und</strong> Liebesbeziehungen sein, der aufgr<strong>und</strong> der Tendenz des Traumaschemas<br />

zur Wiederholung (Tendenz zur reproduktiven Assimilation von kognitiv emotionalen Schemata<br />

nach Piaget) <strong>und</strong> Wiederaufnahme der Handlung exzessiv in dem Sinne genutzt wird, dass traumatische<br />

Erfahrungen in virtueller Form umgestaltet <strong>und</strong> zu einem anderen Ausgang gebracht werden.<br />

Cybersexsucht würde so ein psychotraumatisches Symptom als Bewältigungsversuch eines erlittenen<br />

Traumas darstellen.<br />

Psychodynamische f<strong>und</strong>ierte Erklärungen ergänzen, dass Betroffene hiermit versuchen, ihr sexuelles<br />

Trauma kontraphobisch durch eine analgetische Überbesetzung des Sexuellen zu bewältigen.<br />

Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass bei Cybersexsüchtigen negative traumatisierende<br />

Beziehungserfahrungen in Kindheit <strong>und</strong> Jugend einerseits Vermeidung von Intimität in (realen)<br />

Beziehungen <strong>und</strong> andererseits Entkoppelung von sexueller Lust <strong>und</strong> Beziehungsbedürfnis bewirken<br />

(Fallbeispiel bei Berner u. Koch 2009).<br />

Während die Übersozialisation einem übermäßig autoritären Erziehungsstil entspricht, stellt die<br />

Untersozialisation das genaue Gegenteil dar („Laissez-faire“-Stil mit Verwöhnung <strong>und</strong>/oder Vernach-<br />

Die <strong>Internet</strong>sucht trifft<br />

insbesondere Jugendliche<br />

CME<br />

Die Mehrheit der Cybersexnutzer<br />

weist keine mit ihrem Nutzungsverhalten<br />

zusammenhängende Probleme<br />

auf<br />

Psychische Traumatisierung spielt<br />

bei der Sexsucht eine zentrale Rolle<br />

Cybersexsucht kann den Bewältigungsversuch<br />

eines erlittenen Traumas<br />

darstellen<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

185


CME<br />

Triebwünsche kommen in der exzessiven<br />

sexualbezogenen Nutzung<br />

des <strong>Internet</strong> zu einer explosionsartigen<br />

Entladung<br />

Cybersexsucht kann ihre Ursachen<br />

in der Einflusssphäre der Untersozialisation<br />

haben<br />

Suchtverhalten kann als regulative<br />

Kompensation eines Mangels an<br />

körpereigenen Endorphinen verstanden<br />

werden<br />

Durch bewusst ungeschützten<br />

Geschlechtsverkehr nehmen<br />

Sexualpartner eine HIV-Infektion<br />

zumindest in Kauf<br />

Hauptgründe <strong>für</strong> Barebacking sind<br />

die als stärker empf<strong>und</strong>ene physische<br />

Stimulation <strong>und</strong> emotionale<br />

Nähe<br />

Das <strong>Internet</strong> wird als Mittel zur<br />

Prävention von sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten genutzt<br />

186 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

lässigung). Übermäßige Verdrängung von Triebwünschen aufgr<strong>und</strong> der Übersozialisation führt dazu,<br />

dass diese in der exzessiven sexualbezogenen Nutzung des <strong>Internet</strong> zu einer explosionsartigen Entladung<br />

kommen. Infolge von Scham- <strong>und</strong> Schuldgefühlen bildet sich dabei der <strong>für</strong> die Entstehung von<br />

Suchterkrankungen generell bekannte Kreislauf von Verlangen, Angst, Reue <strong>und</strong> Selbstbestrafung<br />

aus. Tabuisierung von <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> Sensualität in rigiden Familien führen zu gehemmten Handlungen<br />

in dem Sinne, dass Betroffene sexuelle Bedürfnisse ausschließlich abgespalten, d. h. z. B. in<br />

der virtuellen Welt ausleben können.<br />

Ebenso kann die Cybersexsucht ihre Ursachen jedoch in der Einflusssphäre der Untersozialisation<br />

haben. Patienten, die infolge eines Mangels an Akzeptanz von gesellschaftlichen Normen <strong>und</strong> Werten<br />

unter Cybersexsucht leiden, befinden sich deshalb vermutlich oftmals an oder hinter der Schwelle<br />

zur Delinquenz. Ein chaotisches <strong>und</strong> unberechenbares Familienklima hat die Betroffenen in einen<br />

Zustand der Schutzlosigkeit versetzt (Roth 2010), wobei die Folge enthemmte Handlungen sind.<br />

Letztlich können auch biologische Faktoren im Sinne einer prädispositiv unterschiedlich ausgeprägten<br />

Stärke des Sexualtriebs bei der Entstehung von Cybersexsucht von Bedeutung sein. Dies trifft<br />

insbesondere auf Männer zu, die physiologisch in der Amygdala eher stark erregbar sind <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

über wenige inhibitorische Mechanismen des präfrontalen Kortex verfügen (Bancroft u. Vukadinovic<br />

2004). Diese erhöhte Vulnerabilität, die ebenso durch psychische Traumatisierung erworben<br />

werden kann, lässt sich zudem neurobiologisch mit dem Belohnungssystem <strong>und</strong> den entsprechenden<br />

Neurotransmittern (v. a. Dopamin <strong>und</strong> endogene Opiate) in Verbindung bringen. Hierbei kann<br />

Suchtverhalten im Sinne einer antidepressiven <strong>und</strong> sich selbst verstärkenden, regulativen Kompensation<br />

eines Mangels an körpereigenen Endorphinen verstanden werden (Schreckenberger 2009). In<br />

besonderer Weise können dadurch Mehrfachabhängigkeiten als Kombination von sexuell süchtigen<br />

Verhaltensweisen <strong>und</strong> beispielsweise Alkoholismus erklärt werden.<br />

Barebacking<br />

Ein weiteres diskutiertes Phänomen der Nutzung des <strong>Internet</strong> ist die Anbahnung spezifischer destruktiver<br />

sexueller Verbindungen, das Barebacking. Ursprünglich beschränkte sich der Begriff<br />

auf den bewusst ungeschützten Geschlechtsverkehr zwischen homosexuellen Männern mit dem<br />

vorrangigen Motiv, sich gezielt mit „human immunodeficiency virus“ (HIV) zu infizieren bzw.<br />

diesen Virus weitertragen zu können oder dieses zumindest in Kauf zu nehmen. Inzwischen wird<br />

Barebacking auch <strong>für</strong> heterosexuelle Sexualpartner, die aus unterschiedlichsten Gründen bewusst ungeschützten<br />

Sexualverkehr präferieren, verwendet.<br />

Die Motivlage der Barebacker wurde im Rahmen einer eigenen Onlinebefragung von 414 internetnutzenden<br />

Männern (Eichenberg u. Creutz in Eichenberg 2009), die bewusst ungeschützten Geschlechtsverkehr<br />

mit Männern haben <strong>und</strong> suchen, untersucht. Als Motive <strong>für</strong> Barebacking gaben<br />

die Befragten an:<br />

F ein intensiveres Gefühl (94% der Befragten),<br />

F eine tiefere, stärkere Verbindung mit dem Sexualpartner (81% der Befragten) <strong>und</strong><br />

F die Wichtigkeit des Spermaaustauschs (62% der Befragten).<br />

Es würden 90% der Befragten ein HIV-verhütendes Gleitmittel verwenden, wenn dies erhältlich wäre.<br />

Hierdurch wird verdeutlicht, dass <strong>für</strong> die meisten der Befragten nicht der Empfang bzw. die Weitergabe<br />

des Virus der Hauptgr<strong>und</strong> <strong>für</strong> Barebacking ist, sondern vielmehr die als stärker empf<strong>und</strong>ene<br />

physische Stimulation <strong>und</strong> emotionale Nähe.<br />

Dass das <strong>Internet</strong> bei der Suche nach Liebes- <strong>und</strong> Sexualpartnern eine zentrale Rolle spielt, belegen<br />

die hohen Nutzerzahlen entsprechender Börsen <strong>und</strong> Foren (Eichenberg 2010). Inwieweit entsprechende<br />

WWW-Portale (z. B. www.gayromeo.com, www.barebackcity.de) Barebacking jedoch begünstigen,<br />

lässt sich schwer einschätzen. Als Kommunikationsmedium ermöglicht es über Blogs, Websites,<br />

Foren <strong>und</strong> Chats verbesserte Kontaktaufnahme zu „Bareback-Partys“. Es erleichtert insgesamt<br />

sicherlich, den gewünschten Sexualpartner besser selektieren zu können <strong>und</strong> senkt Hemmschwellen<br />

zur Kontaktaufnahme. Auf der anderen Seite wird in den einschlägigen „online communities“ –<br />

im Gegensatz zu „darkrooms“ <strong>und</strong> Sexpartys – jedoch immer auf die Gefahren des ungeschützten<br />

Verkehrs hingewiesen.<br />

Insgesamt wird das <strong>Internet</strong> auch als Mittel zur Prävention von HIV <strong>und</strong> anderen sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten genutzt. So zeigt beispielsweise die Studie von McFarlane u. Bull (2007), dass


Verhaltensinterventionen im <strong>Internet</strong>, die auf die Aids-/HIV-Problematik abgestimmt sind, positive<br />

Effekte erzielen können.<br />

Sexuelle Gewalt im <strong>Internet</strong><br />

Im Spektrum der ungewollten sexualbezogenen <strong>Internet</strong>nutzung (Eichenberg u. Malberg 2011) stellt<br />

sexuelle Gewalt im <strong>Internet</strong> das schwerwiegendste Problem dar. Verschiedene Phänomene sind hier<br />

anzutreffen, vom pädophilen Grooming über Chaträume, über sexuelle Viktimisierung, über Videoplattformen<br />

bis hin zu einem bislang wenig erforschten Problem, der „virtuellen Vergewaltigung“.<br />

Pädophilie im <strong>Internet</strong><br />

Das <strong>Internet</strong> erlaubt einerseits eine unkomplizierte Vernetzung zwischen Gleichgesinnten, andererseits<br />

die anonyme Kontaktanbahnung zwischen pädophilen Tätern <strong>und</strong> ihren Opfern bei gleichzeitig<br />

niedrigem Risiko, bei illegalen Aktivitäten entdeckt zu werden. Eine Besonderheit der <strong>Internet</strong>kommunikation<br />

ist die Möglichkeit, virtuelle Identitäten anzunehmen. Erwachsene können sich<br />

als Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, Männer als Frauen ausgeben <strong>und</strong> Grooming praktizieren, d. h. unter<br />

Annahme falscher Identitäten gezielt an Kinder herantreten.<br />

Ob das <strong>Internet</strong> hier die Schwelle zur direkten Tat senkt, wird kontrovers diskutiert (ausführlich<br />

bei Eichenberg 2006). Zudem bietet sich eine Reihe von Möglichkeiten zur Prävention sexuellen<br />

Kindesmissbrauchs an. Es könnte z. B. durch entsprechende Aufklärungskampagnen das mangelnde<br />

Unrechtsbewusstsein in Bezug auf „cybercrimes“ im Allgemeinen (Eichenberg u. Rüther 2006) <strong>und</strong><br />

bezüglich der Rezeption von Kinderpornografie im Besonderen (McCabe 2000) geschärft werden.<br />

Ebenso gibt es erste, sehr innovative Ansätze, Online- <strong>und</strong> Offlinehilfsangebote <strong>für</strong> z. B. pädophile<br />

Dunkelfeldtäter miteinander zu verzahnen (Beier u. Neutze 2009, www.kein-taeter-werden.de).<br />

Sexuelle Viktimisierung über Videoplattformen<br />

Das öffentliche Bewusstsein über sexuelle Gewalt im <strong>Internet</strong> wird vorwiegend vom Bild des<br />

( pädosexuellen) Fremdtäters geprägt, der die modernen Medien nutzt, um mit potenziellen Opfern<br />

in Kontakt zu kommen. Allerdings wird sexuelle Gewalt in den neuen Medien vielfach von sowohl<br />

Täterinnen als auch Tätern aus dem sozialen Nahbereich verübt, die nicht selten kaum volljährig sind.<br />

So erfolgt sexuelle Viktimisierung häufig durch Hochladen von Videos oder Fotos auf „Community“-<br />

Plattformen wie z. B. YouTube. Die Veröffentlichungen von Nacktszenen einer Exfre<strong>und</strong>in oder gar<br />

die Preisgabe einer Vergewaltigungsszene können zu massiven primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Viktimisierungen<br />

mit entsprechend massiven psychischen Folgen bei den Betroffenen führen. Demzufolge<br />

ist es <strong>für</strong> Therapeuten von Relevanz, die medienspezifischen Möglichkeiten, derartige Übergriffe auszuüben,<br />

zu kennen, um adäquat mit betroffenen Opfern (aber auch Tätern) umgehen zu können.<br />

Virtuelle Vergewaltigung<br />

Unter dem Begriff der virtuellen Vergewaltigung werden einerseits Vergewaltigungen in virtuellen<br />

Rollenspielen wie z. B. „Second Life“, andererseits sexuelle Gewalt mithilfe von „rape games“ (z. B.<br />

Artificial Girl, Rapeplay), die z. T. verboten sind, verstanden. Inwieweit es bei „virtuellen“ Opfern zu<br />

realen Traumatisierungen kommen kann, ist bislang nicht untersucht. Eine offene Forschungsfrage ist<br />

ebenso, inwieweit Rape games Tendenzen zu realer sexueller Gewalt fördern. Auf der anderen Seite<br />

schlagen manche Autoren vor, den potenziellen Nutzen virtueller Welten <strong>für</strong> rehabilitative Zwecke<br />

zu prüfen, beispielsweise in der psychiatrischen Behandlung von forensischen Patienten (Gorrindo<br />

u. Groves 2010). Weiterhin wird diskutiert, ob der gezielte Einsatz virtueller Realitäten (VR) präventive<br />

Effekte erzielen kann: So untersuchten Jouriles et al. (2009; n = 62), ob VR die Bewusstwerdung<br />

von bedrohlichen sexuellen Signalen in Rollenspielen steigern bzw. entsprechende Kompetenzen<br />

der Gegenwehr vermitteln können. Die Bef<strong>und</strong>e weisen darauf hin, dass die Probandinnen mit Einsatz<br />

von VR im Vergleich zu einer Kontrollgruppe schneller <strong>und</strong> gezielter auf die in einem Rollenspiel<br />

gesendeten bedrohlichen sexuellen Signale reagierten. Inwiefern diese Effekte auf reale Situationen<br />

übertragen werden können, bleibt offen. Äquivalent <strong>für</strong> (potenzielle) Täter entstehen aktuell<br />

erste Projekte zu „Antivergewaltigung-Websites“, die an Männer adressiert sind. Masters (2010) führte<br />

eine Evaluationsstudie zu entsprechenden Websites durch mit dem ersten Ergebnis, dass sie dazu<br />

verhelfen, positives soziosexuelles Verhalten zu fördern.<br />

CME<br />

Im Rahmen der <strong>Internet</strong>kommunikation<br />

können virtuelle Identitäten<br />

angenommen werden<br />

Sexuelle Viktimisierung erfolgt<br />

häufig durch Hochladen von Videos<br />

oder Fotos auf „Community“-Plattformen<br />

Aktuell entstehen erste Projekte zu<br />

„Antivergewaltigung-Websites“<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

187


CME<br />

Aspekte der Mediennutzung sollten<br />

in der Anamnese systematisch <strong>und</strong><br />

standardmäßig erhoben werden<br />

188 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

Hinweise <strong>für</strong> die Praxis<br />

Therapeuten stehen heutzutage vor der Aufgabe, der <strong>Internet</strong>nutzung ihrer Patienten informiert<br />

gegenüberzustehen, um dysfunktionale <strong>und</strong> pathogene Onlinenutzungsmuster im Allgemeinen <strong>und</strong><br />

<strong>Internet</strong>pornografie sowie Cybersex im Besonderen im Alltag diagnostizieren <strong>und</strong> behandeln zu können.<br />

Die Auswirkungen der veränderten Verfügbarkeit von sexuellem Material <strong>und</strong> Interaktion auf<br />

menschliche Beziehungen <strong>und</strong> die psychische Ges<strong>und</strong>heit wurden bereits in einigen Studien untersucht<br />

(Albright 2008). Folglich ist es empfehlenswert, Aspekte der Mediennutzung in der Anamnese<br />

systematisch <strong>und</strong> standardmäßig zu erheben. Dies setzt voraus, dass Therapeuten den cybersexuellen<br />

Aktivitäten ihrer Patienten offen gegenüberstehen. Nur so können die damit im Zusammenhang<br />

stehenden spezifischen Motive, (stabilisierenden) Gratifikationen, aber auch Belastungen <strong>und</strong><br />

Probleme sensibel erfasst <strong>und</strong> evtl. bestehende exzessive Nutzungsweisen oder auch Erfahrungen mit<br />

sexueller Gewalt im <strong>Internet</strong> bearbeitet werden.<br />

Fazit <strong>für</strong> die Praxis<br />

F Sexuelle <strong>Internet</strong>aktivitäten sind in verschiedenen Formen <strong>und</strong> Ausprägungen ein ubiquitäres<br />

Phänomen.<br />

F Für Therapeuten ist es wichtig, sich einen f<strong>und</strong>ierten Überblick darüber zu verschaffen, auf welche<br />

Weise Menschen mit Onlinesexualität konfrontiert werden <strong>und</strong> was <strong>Internet</strong>nutzer sexualbezogen<br />

im Netz tun. Dies impliziert, sowohl über salutogene als auch pathogene Nutzungsformen<br />

mit den jeweiligen Effekten informiert zu sein.<br />

F Bei der Betrachtung der Auswirkungen von selbst gewählter Onlinesexualität ist nicht von allgemeinen<br />

Effekten auszugehen.<br />

F Welche Effekte die Nutzung letztendlich hervorbringt, hängt von vielen Faktoren ab, die sich<br />

grob in Personen-, Kontext- <strong>und</strong> Medienmerkmale sowie Nutzungsdimensionen unterscheiden<br />

lassen. So sind beispielsweise neben der psychosozialen Gesamtsituation die Häufigkeit bestimmter<br />

sexueller Onlineaktivitäten <strong>und</strong> ihre Integration in reale Bezüge bei der Beurteilung<br />

zu berücksichtigen.<br />

Korrespondenzadresse<br />

PD Dr. <strong>Christiane</strong> Eichenberg<br />

Department Psychologie, Klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychologische Diagnostik, Universität Köln<br />

Höninger Weg 115, 50969 Köln<br />

eichenberg@uni-koeln.de<br />

Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin gibt <strong>für</strong> sich <strong>und</strong> ihre Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.<br />

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heute. Z Sexualforschung<br />

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Cooper A, Delmonico DL, Burg R (2000)<br />

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Döring N (2000) Romantische Beziehungen<br />

im Netz. In: Thimm C (Hrsg) Soziales<br />

im Netz. Sprache, Beziehungen<br />

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im Netz. Westdeutscher Verlag, Opladen,<br />

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Döring N (2003) Sex im <strong>Internet</strong>: (k)ein<br />

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In: Ott R, Eichenberg C (Hrsg)<br />

Klinische Psychologie <strong>und</strong> <strong>Internet</strong>.<br />

Potenziale <strong>für</strong> klinische Praxis, Intervention,<br />

Psychotherapie <strong>und</strong> Forschung.<br />

Hogrefe, Göttingen, S 271–<br />

291<br />

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25:1089–1101


Eichenberg C (2009) <strong>Internet</strong>nutzung<br />

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Qual Health Res 18:405–417<br />

Psychotherapeut 2 · 2012 |<br />

CME<br />

189


Bitte beachten Sie:<br />

F Antwortmöglichkeit nur online unter:<br />

CME.springer.de<br />

F Die Frage-Antwort-Kombinationen werden<br />

online individuell zusammengestellt.<br />

F Es ist immer nur eine Antwort möglich.<br />

?In wie viele Bereiche lassen sich laut Döring<br />

(2009) Formen von sexuellen <strong>Internet</strong>aktivitäten<br />

anhand der aktuellen empirischen<br />

Bef<strong>und</strong>lage klassifizieren?<br />

o Drei<br />

o Sechs<br />

o Sieben<br />

o Acht<br />

o Zehn<br />

?Welche Aussage zu sexuellen Informations-<br />

<strong>und</strong> Unterstützungsangeboten im<br />

<strong>Internet</strong> trifft nicht zu?<br />

o Die Teilnahme an einem Diskussionsforum<br />

kann die Selbstakzeptanz von bestimmten<br />

sexuellen Begehrensformen fördern.<br />

o Onlineberatung kann den Weg zur Aufnahme<br />

einer Psychotherapie anbahnen.<br />

o Die Qualität ges<strong>und</strong>heitsbezogener Websites<br />

ist als sehr gut zu beurteilen.<br />

o Onlineberatung erleichtert die Kontaktaufnahme<br />

bei Schwellenängsten.<br />

o In der Onlineberatung besteht Potenzial<br />

<strong>für</strong> Missverständnisse durch den Mangel<br />

an nonverbaler Kommunikation.<br />

?Als Hauptgr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Konsultation der<br />

E-Mail-Beratung ist nach Eichenberg<br />

(2007) vorrangig zu nennen …<br />

o die schriftliche Kommunikationsform.<br />

o die kostenlose bzw. kostengünstige Beratungsform.<br />

o die örtliche Flexibilität.<br />

o die Abneigung gegenüber herkömmlichen/traditionellen<br />

Beratungsangeboten.<br />

o die schnelle Erreichbarkeit sowie die Möglichkeit<br />

eines anonymen Hilfegesuchs.<br />

?Welche der folgenden Aussagen wurde<br />

in der Studie von Eichenberg u. Döring<br />

(2006) zum sexuellen Selbstausdruck auf<br />

privaten Homepages nicht bestätigt?<br />

o Frauen lehnen sexuell explizite bzw. pornografische<br />

Darstellungen ab, während<br />

Männer diese bevorzugen.<br />

o Auf den von Frauen publizierten Seiten<br />

waren im Vergleich zu diesen von Männern<br />

signifikant mehr erotisch-pornografische<br />

Texte vorzufinden.<br />

o Auf den von Männern publizierten Seiten<br />

waren signifikant mehr erotisch-pornografische<br />

Bilder zu finden.<br />

o Die Auswirkungen der sexualbezogenen<br />

Websites sind vorwiegend positiv.<br />

o Sexueller Diskurs im Netz entlastet von<br />

Diskriminierung <strong>und</strong> Stigmatisierung.<br />

?Was sind laut Forschungsbef<strong>und</strong>en vorrangige<br />

Risikofaktoren <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

einer „<strong>Internet</strong>sexsucht“?<br />

o Früher Beginn der <strong>Internet</strong>nutzung, höherer<br />

Schulabschluss, häufiger Wohnortwechsel.<br />

o Arbeitslosigkeit, Teilzeitbeschäftigung,<br />

Einsamkeit.<br />

o Weibliche Jugendliche, Substanzabhängigkeit.<br />

o Aufmerksamkeitsdefizit- <strong>und</strong> Hyperaktivitätssyndrom,<br />

Impulsivität, emotionale Instabilität.<br />

o Stress, Burn-out-Syndrom, mangelnde soziale<br />

Unterstützung.<br />

?Die Prävalenz von „<strong>Internet</strong>sexsucht“ beträgt<br />

ca. …<br />

o 1%.<br />

o 3%.<br />

o 8%.<br />

o 11%.<br />

o 20%.<br />

?Das stärkste Motiv <strong>für</strong> „barebacking“ laut<br />

der Studie von Eichenberg <strong>und</strong> Creutz<br />

(2009) ist …<br />

o Infizierungswunsch mit HIV<br />

o Spermaaustausch<br />

o ein intensiveres Gefühl<br />

o Weitergabe von HIV<br />

o „Sensation seeking“<br />

?Was bedeutet „grooming“?<br />

o Ungewollte <strong>und</strong> erzwungene Cyberprostitution.<br />

o Diffamierung durch (bearbeitete) Bilder.<br />

o Sexuelle Viktimisierung über Videoplattformen.<br />

o Kontaktaufnahme pädophiler Menschen<br />

zu potenziellen Opfern via <strong>Internet</strong>.<br />

o „Mutproben“ (z. B. erzwungene Konfrontation<br />

mit Gewaltbildern).<br />

?Masters (2010) ging in seiner Studie der<br />

Frage nach, ob …<br />

o „Rape-games“-Tendenzen zu realer<br />

sexueller Gewalt fördern.<br />

o virtuelle Realitäten präventiv die<br />

Kompetenz zur Gegenwehr bei<br />

Vergewaltigungen fördern können.<br />

o virtuelle Realitäten in der psychiatrischen<br />

Behandlung von forensischen Patienten<br />

die Rehabilitation unterstützen können.<br />

o virtuelle Vergewaltigung zu realen<br />

Traumatisierungen führen kann.<br />

o „Antivergewaltigung-Websites“ positives<br />

soziosexuelles Verhalten fördern können.<br />

?Welche Funktion kommt dem Therapeuten<br />

bei der Thematisierung der sexualbezogenen<br />

<strong>Internet</strong>nutzung des Klienten<br />

nicht zu?<br />

o Von sexualbezogener <strong>Internet</strong>nutzung abzuraten.<br />

o Falsch- <strong>und</strong> Fehlinformationen zu identifizieren<br />

<strong>und</strong> zu korrigieren.<br />

o Das Nutzungsmuster in der Anamnese<br />

systematisch zu erheben.<br />

o Die Auswirkungen der selbst gewählten<br />

Onlinesexualität mit Berücksichtigung der<br />

Nutzungsdimensionen zu beurteilen.<br />

o Sich allgemein über pathogene Nutzungsformen<br />

zu informieren.<br />

Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate<br />

auf CME.springer.de verfügbar.<br />

Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie<br />

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190 | Psychotherapeut 2 · 2012<br />

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