vsao Journal Nr. 4 - August 2023
Wild - Kinder, Käuze, Kräuter Politik - Weitblick am Runden Tisch Impfungen - Neue Ausgangslage, neuer Aktionsplan Palliativmedizin - Wie gelingt gute Kommunikation?
Wild - Kinder, Käuze, Kräuter
Politik - Weitblick am Runden Tisch
Impfungen - Neue Ausgangslage, neuer Aktionsplan
Palliativmedizin - Wie gelingt gute Kommunikation?
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<strong>vsao</strong><br />
<strong>Nr</strong>. 4, <strong>August</strong> <strong>2023</strong><br />
<strong>Journal</strong><br />
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Wild<br />
Kinder, Käuze,<br />
Kräuter<br />
Seite 26<br />
Politik<br />
Weitblick am<br />
Runden Tisch<br />
Seite 8<br />
Impfungen<br />
Neue Ausgangslage,<br />
neuer Aktionsplan<br />
Seite 46<br />
Palliativmedizin<br />
Wie gelingt gute<br />
Kommunikation?<br />
Seite 50
Rundumschutz<br />
für Ärztinnen und<br />
Ärzte am Steuer<br />
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Inhalt<br />
Wild<br />
Kinder, Käuze, Kräuter<br />
Coverbild: Stephan Schmitz<br />
Editorial<br />
5 Wilde Zeiten<br />
In eigener Sache<br />
6 20 Jahre Leidenschaft und Qualität<br />
Politik<br />
8 Eine erfolgversprechende Tafelrunde<br />
10 Pionierarbeit von und für Schweizer<br />
Ärztinnen<br />
13 Auf den Punkt gebracht<br />
Weiterbildung /<br />
Arbeitsbedingungen<br />
14 Eine Rose für bessere Arbeitszeiten<br />
16 Positive Erfahrungen mit der<br />
42+4-Stunden-Woche<br />
18 Mehr Medizin – weniger Bürokratie!<br />
21 Im AA-Universum<br />
Perspektiven<br />
46 Nationale Strategie zu Impfungen<br />
50 Aus der «Therapeutischen<br />
Umschau» – Übersichtsarbeit:<br />
Kommunikation mit schwerstkranken<br />
Patienten – mehr als nur Breaking<br />
Bad News<br />
57 Der besondere Ort<br />
mediservice<br />
58 Briefkasten<br />
60 Vertragen sich Hypothek und Rente?<br />
62 Sorgenfrei verreisen – dank<br />
Reiseversicherung<br />
Medpension<br />
64 Mit modularen Vorsorgelösungen<br />
gegen den Fachkräftemangel<br />
66 Impressum<br />
<strong>vsao</strong><br />
22 Neues aus den Sektionen<br />
24 <strong>vsao</strong>-Inside<br />
25 <strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Fokus: Wild<br />
26 Born to be wild<br />
30 Aus den Augen …<br />
36 Ein Stück Wildnis<br />
40 Der evolutionäre Drang nach<br />
Bewegung<br />
44 Nächtliche Besucher im Vorgarten<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 3
Allgemeine<br />
Innere Medizin<br />
15. – 18.11.<strong>2023</strong> Zürich<br />
Innere Medizin<br />
05. – 09.12.<strong>2023</strong> Zürich<br />
Hausarzt<br />
Fortbildungstage<br />
07. – 08.09.<strong>2023</strong> Basel<br />
14. – 15.09.<strong>2023</strong> Bern<br />
22. – 23.09.<strong>2023</strong> Luzern<br />
14 SGAIM<br />
32 h<br />
40 h<br />
Allergologie<br />
04. – 05.12.<strong>2023</strong> Zürich<br />
Diabetes<br />
09. – 11.11.<strong>2023</strong> Zürich<br />
21 SGAIM | 20 SGED<br />
EKG – Aufbaukurs<br />
23. – 24.10.<strong>2023</strong> Zürich<br />
14 SGAIM | 16 SSAPM<br />
Gynäkologie<br />
13 h<br />
30.11. – 02.12.23 Zürich<br />
14 SGGG | 2 SSMIG | 1 SSUM<br />
Nephrologie<br />
08. – 09.09.<strong>2023</strong> Zürich<br />
12 SGN | 11 SGAIM<br />
Pädiatrie<br />
23. – 25.10.<strong>2023</strong> Zürich<br />
Psychiatrie und<br />
Psychotherapie<br />
30.11. – 02.12.23 Zürich<br />
21 SGPP | 20 SAPPM |<br />
24 ASP | 21 FSP<br />
Psychologie<br />
07. – 09.12.<strong>2023</strong> Zürich<br />
24 h<br />
21 h<br />
Update Refresher<br />
Kardiologie<br />
10. – 11.11.<strong>2023</strong> Zürich<br />
12 SGAIM<br />
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Editorial<br />
Wilde Zeiten<br />
Regula Grünwald<br />
Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Vom «Drappen seindt fu e nfferley Speiß vnd Trachten<br />
zu machen», schreibt Marx Rumpolt 1581 in seinem<br />
«new Kochbuch». So schlägt er unter anderem vor, den<br />
Waldrapp mit «einer braunen Bru e h» warm anzubraten<br />
oder aus seiner Brust Hackfleisch zu machen und mit einem<br />
«sauren frischen Limoniensafft» zuzubereiten, um ein «gut vnd<br />
wolgeschmack» Gericht zu erhalten. Was uns heute ungewohnt<br />
erscheinen mag, war im Mittelalter gang und gäbe: Der damals<br />
häufige Waldrapp wurde bis ins 17. Jahrhundert unerbittlich gejagt,<br />
bis er in ganz Mitteleuropa ausgerottet war. Danach geriet er so<br />
stark in Vergessenheit, dass überlieferte Zeichnungen bis zu seiner<br />
Wiederentdeckung Ende des 19. Jahrhunderts als Darstellung<br />
eines Fabelwesens galten. Heute ist der Waldrapp hierzulande wieder<br />
heimisch und die Population vermehrt sich. Zu verdanken ist dies<br />
der erfolgreichen Nachzucht und Auswilderung, an welcher sich auch<br />
der Zoo Zürich beteiligt. Ein Beitrag dazu findet sich in unserem<br />
Schwerpunkt «Wild».<br />
Während Waldrappe wieder da sind, verschwinden still und<br />
leise verschiedene Arten von Insekten. Doch auch da gibt es eine<br />
gute Nachricht: Bereits ein Balkon und etwas guter Wille reichen,<br />
um einen kleinen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität zu leisten.<br />
Wie Mensch und Tier in nächster Nähe zusammenleben, zeigt ein<br />
Beitrag zu einem Projekt in Berlin: Während zweier Jahre haben 150<br />
in Gärten aufgestellte Wildtierkameras Tausende Bilder von Füchsen,<br />
Waschbären und Mardern gemacht. Nicht ganz so haarig, aber auch<br />
ganz schön wild können Kinder sein. Wie temperamentvoll darf<br />
ein Kind sein? Und wann ist ein Verhalten auffällig? Etwas älter,<br />
aber bisweilen ebenfalls wild sind jene, die die Zürcher Partyszene<br />
bevölkern. Ihnen gilt ein weiterer Fokus-Text.<br />
Ganz gesittet ging es hingegen am Runden Tisch zu, den der <strong>vsao</strong><br />
im Juni zu den Themen Arbeitsbedingungen, Bürokratie sowie<br />
Weiter- und Fortbildung organisiert hatte. Die konstruktive Diskussion<br />
zeigte, dass sich die Teilnehmenden in vielen Punkten einig sind.<br />
Verschie dene Lösungsansätze sollen nun in kleineren Arbeitsgruppen<br />
weiterverfolgt werden. Dass eine Verbesserung möglich ist, zeigt<br />
ein Pilotprojekt zur Einführung der 42+4-Stunden-Woche am Institut<br />
für Intensivmedizin des Universitätsspitals Zürich (USZ). Lobenswerte<br />
Bemühungen, welche der <strong>vsao</strong> mit der Spitalrose ausgezeichnet hat.<br />
Richtige Rosen verdient Catherine Aeschbacher. Während 20 Jahren<br />
prägte sie das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> als Chefredaktorin mit Wissen, Witz und<br />
unzähligen, durchaus auch wilden Ideen. Für ihr grosses Engagement<br />
danken wir ihr herzlich und wünschen ihr alles Gute!<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 5
In eigener Sache<br />
20 Jahre<br />
Leidenschaft und<br />
Qualität<br />
«Gift zu mischen ist ein geringeres Verbrechen denn schlechte Prosa zu schreiben.»<br />
Oscar Wilde<br />
Mit der Pensionierung von Catherine Aeschbacher verlässt uns<br />
nicht nur eine beliebte und erfahrene Mitarbeiterin. Es verlässt uns auch<br />
die Person, die das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> in den letzten 20 Jahren massgeblich<br />
geprägt und zu dem gemacht hat, was es heute ist.<br />
Daniel Schröpfer, Präsident mediservice <strong>vsao</strong>, und Marc Schällebaum, Geschäftsführer mediservice <strong>vsao</strong><br />
Bei Stellenantritt und heute: Catherine Aeschbacher prägte und entwickelte das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> in den letzten 20 Jahren massgeblich.<br />
Bilder: zvg (links), Severin Nowacki (rechts)<br />
6<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
In eigener Sache<br />
Bild: Adobe Stock<br />
Catherine Aeschbacher war bereits<br />
eine renommierte <strong>Journal</strong>istin<br />
und Redaktorin, als sie<br />
2003 zum <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> kam.<br />
Doch ihre berufliche Reise hatte nicht im<br />
<strong>Journal</strong>ismus begonnen und schon gar<br />
nicht in der Medizin, sondern mit ihrer<br />
Liebe zur Kultur. Im Studium hatte sie<br />
im Hauptfach Neuere deutsche Literatur<br />
gewählt, im ersten Nebenfach Kunstgeschichte<br />
und – auf die Empfehlung einiger<br />
Kommilitoninnen hin – Medienwissenschaft<br />
im zweiten Nebenfach. Dieses<br />
zweite Nebenfach rückte im Verlauf ihrer<br />
beruflichen Entwicklung immer mehr in<br />
den Mittelpunkt, doch auch ihre Liebe zur<br />
Kultur blieb bestehen. Spuren dieser Leidenschaft<br />
lassen sich in vielen Kolumnen<br />
oder Artikeln im <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> finden.<br />
Die erste grosse berufliche Station war<br />
die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft<br />
(SRG), wo Catherine Aeschbacher<br />
während des Studiums als wissenschaftliche<br />
Assistentin arbeitete, und da<br />
nebenbei noch etwas Zeit zum Schreiben<br />
blieb, gewann sie 1992 – zusammen mit<br />
ihrem Kollegen Dr. Urs Mall – den 1. Preis<br />
des Forschungsreportagen-Wettbewerbs<br />
des Bernischen Hochschulvereins. Ab 1995<br />
ging es Schlag auf Schlag voran in ihrer<br />
journalistischen Karriere: Zuerst erhielt sie<br />
eine Stelle als Fachredaktorin der Berner<br />
Tageszeitung «Der Bund», später wurde sie<br />
als Teamleiterin und Verantwortliche für<br />
die Beilage «Medien» im «Tages-Anzeiger»<br />
rekrutiert.<br />
Parallel zu ihren ersten Schritten im<br />
Berufsleben engagierte sich Catherine<br />
Aeschbacher auch früh in Vereinen und<br />
Stiftungen. So war sie unter anderem Generalsekretärin<br />
der internationalen Vereinigung<br />
für Kommunikationswissenschaft<br />
(IVK), Stiftungsrätin der Stiftung Klartext<br />
und der Zürcher Radio-Stiftung sowie<br />
Vizepräsidentin des Schweizer Presserats.<br />
Ein weiteres Highlight war die Wahl in die<br />
Schweizerische UNESCO-Kommission für<br />
die Sektion Kommunikation im Jahr 2000.<br />
Nach einer Babypause trat sie dann<br />
die Stelle an, in der sie die darauffolgenden<br />
20 Jahre wirken sollte: als Chefredaktorin<br />
des <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong>s. Das <strong>Journal</strong>, das Catherine<br />
Aeschbacher bei Stellenantritt übernahm,<br />
erschien zwar zehnmal jährlich,<br />
umfasste aber jeweils nur 36 Seiten mit<br />
deutschen und französischen Artikeln –<br />
eine eher trockene Affäre. Nach und nach<br />
führte sie nicht nur den zweimonatlichen<br />
Erscheinungsrhythmus und die heute bestehenden<br />
Rubriken ein, sondern sorgte<br />
auch dafür, dass die Westschweiz ihre<br />
eigene französischsprachige Ausgabe bekam.<br />
Mit ihrem unerschöpflichen Interesse<br />
an verschiedensten Themen und<br />
ihrem Gespür für Menschen gelang es ihr,<br />
eine hervorragend funktionierende Milizredak<br />
tion auf die Beine zu stellen, die mit<br />
Begeisterung half, das <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong> auf<br />
ein neues Level zu hieven. Es kamen Redesigns,<br />
höhere Auflagen und grössere<br />
Bekanntheit. Titelbilder mit aufgeklebtem<br />
Brailleschrift-Alphabet, Emoji-Missverständnissen<br />
und zuletzt nur einem<br />
QR-Code (der natürlich zum «richtigen»<br />
Titelbild führte). Es wurde mit der Redaktion<br />
gehirnt, gelacht, getestet, sei es bei<br />
Glace oder Bier, es gab spannende und<br />
amü sante Kolumnen, Leserbriefe, die<br />
zum Schmunzeln und ganz selten zum<br />
Stirnrunzeln anregten. Immer gab es eine<br />
gute neue Idee, meistens wurde sie umgesetzt.<br />
Catherine Aeschbacher wird auch im<br />
offiziellen Ruhestand nicht untätig sein;<br />
was auch immer sie machen wird, es wird<br />
mit einem hohen Sinn für Qualität und<br />
viel Leidenschaft verbunden sein.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 7
Politik<br />
Eine<br />
erfolgversprechende<br />
Tafelrunde<br />
Im Juni versammelte der <strong>vsao</strong> wichtige Akteure des Gesundheitswesens<br />
an einem Runden Tisch. Ziel war es, den Beteiligten den Ernst der Lage<br />
bewusst zu machen und ihnen ihre Verantwortung vor Augen zu führen.<br />
Die Diskussionen verliefen konstruktiv und werden nun themenspezifisch<br />
in kleineren Gruppen weitergeführt.<br />
Oliviero Reusser, Mitarbeiter Politik und Kommunikation <strong>vsao</strong><br />
Bild: Adobe Stock<br />
8<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
Der im März vom <strong>vsao</strong> initiierte<br />
Runde Tisch fand am 9. Juni<br />
in Bern statt. Am Tisch sassen<br />
Vertreterinnen und Vertreter<br />
des Bundesamts für Gesundheit<br />
(BAG), der Kantone (GDK), des Spitalverbandes<br />
H+, der FMH, des Vereins der leitenden<br />
Spitalärztinnen und -ärzte (VLSS),<br />
des Schweizerischen Instituts für ärztliche<br />
Weiter- und Fortbildung (SIWF) und<br />
des <strong>vsao</strong>. Gemeinsam diskutierten sie<br />
über die schwierige Arbeitssituation der<br />
jungen Ärztinnen und Ärzte an Schweizer<br />
Spitälern und über mögliche Lösungswege.<br />
Die Krankenkassenverbände santésuisse<br />
und curafutura waren ebenfalls<br />
eingeladen, haben aber leider auf eine<br />
Teilnahme verzichtet. Dies hatte keinen<br />
negativen Einfluss auf die Diskussionen.<br />
Es ist jedoch klar, dass gewichtige Herausforderungen<br />
des Spitalwesens und entsprechend<br />
der Ärztinnen und Ärzte kaum<br />
ohne diese wichtigen Player angepackt<br />
werden können. Umso mehr bedauert der<br />
<strong>vsao</strong> deshalb, dass sie nicht teilnahmen.<br />
Er wird sie jedoch bei den anstehenden<br />
Arbeiten – wo sinnvoll – erneut einladen<br />
und einzubeziehen versuchen.<br />
Bild: zvg<br />
Noch stehen die Ideen, die am Runden Tisch entwickelt wurden, nur auf Papier.<br />
Nun will der <strong>vsao</strong> ihre Umsetzung vorantreiben.<br />
Eindrücke aus dem Arbeitsalltag<br />
Die Veranstaltung war in drei Blöcke gegliedert:<br />
die arbeitsrechtliche Situation,<br />
die überbordende Bürokratie sowie die<br />
Weiter- und Fortbildung.<br />
Bezüglich Arbeitsrecht zeigt sich, dass<br />
das Arbeitsgesetz noch immer regelmässig<br />
missachtet wird; jede zweite Person arbeitet<br />
im Durchschnitt mehr als 50 Stunden<br />
pro Woche. Diese Situation belastet Ärztinnen<br />
und Ärzte zunehmend und führt<br />
oft zu einem frühzeitigen Ausstieg aus<br />
dem Beruf.<br />
Ebenso belastend ist die ständig wachsende<br />
Bürokratie. Der administrative Aufwand<br />
ist gerade für Spitalärztinnen und<br />
-ärzte in den letzten Jahren weiter gestiegen,<br />
trägt zu den langen Arbeitszeiten bei<br />
und kostet unnötig ärztliche Ressourcen.<br />
Wenig Erfreuliches enthüllte auch<br />
der dritte Themenblock: Weder Assistenznoch<br />
Oberärztinnen und -ärzte können<br />
ihre Weiter- bzw. Fortbildung im vorgeschriebenen<br />
Ausmass absolvieren.<br />
Zur Einführung jedes Themenblocks<br />
spielte der <strong>vsao</strong> ein kurzes Video ab, das<br />
die Arbeitssituation, wie sie viele Ärztinnen<br />
und Ärzte aus ihrem Alltag kennen,<br />
an einem realen Beispiel zeigt. So konnten<br />
die Teilnehmenden unter anderem den<br />
Dokumentenwirrwarr, der bei der Anmeldung<br />
einer MRI entsteht, bestaunen – inklusive<br />
des mittlerweile berühmt-berüchtigten<br />
Gangs zum Faxgerät. Dass dies gelebter<br />
Alltag in vielen Spitälern ist, war<br />
offensichtlich den meisten Anwesenden<br />
nicht bewusst. Das zeigt, wie wichtig es ist,<br />
auf konkrete Erfahrungen aus der Praxis<br />
zurückzugreifen und die Perspektive der<br />
praktizierenden Ärztinnen und Ärzte einzubeziehen.<br />
Jetzt fängt die Arbeit erst richtig an<br />
Die Diskussion verlief sehr konstruktiv. In<br />
vielen Punkten waren sich die Teilnehmenden<br />
einig, dass Lösungen gefunden<br />
werden müssen. Dies galt insbesondere<br />
für die zu langen Arbeitszeiten und die<br />
fehlende strukturierte Weiterbildung. In<br />
Bezug auf die Administration gilt es zu<br />
unterscheiden zwischen den Zusatzaufwänden,<br />
die aufgrund von mangelhaft organisierten<br />
Prozessen entstehen, und den<br />
Mehraufwänden, die aufgrund von externen<br />
Anforderungen anfallen. Allgemein<br />
schätzten es alle Anwesenden sehr, dass<br />
offen und klar kommuniziert wurde,<br />
gleichzeitig aber auch die Schwierigkeiten<br />
und Grenzen bei den einzelnen Aspekten<br />
betont werden konnten. Dies sind sehr<br />
gute Voraussetzungen für die weitere Zusammenarbeit.<br />
Der Runde Tisch hat dem <strong>vsao</strong> gezeigt,<br />
dass die verschiedenen Akteure<br />
zwar bereit sind, zusammenzuarbeiten<br />
und Lösungen umzusetzen, dass sie dabei<br />
aber tatkräftig unterstützt werden müssen.<br />
Der <strong>vsao</strong> wird die Gunst der Stunde<br />
nutzen und die weitere Zusammenarbeit<br />
zügig vorantreiben. Insbesondere die<br />
Reduktion der Bürokratie steht in der<br />
nä heren Zukunft im Fokus. Fortschritte<br />
in diesem Bereich werden auch bei den<br />
Arbeitszeiten und der Weiterbildung neue<br />
Ressourcen freisetzen.<br />
@<strong>vsao</strong>asmac<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 9
Politik<br />
Pionierarbeit von<br />
und für Schweizer<br />
Ärztinnen<br />
Seit 2005 sind die Frauen bei den<br />
Studienabschlüssen in Humanmedizin in der Überzahl.<br />
Entsprechend steigt auch der Frauenanteil im<br />
Arztberuf stetig an. Der Verband Medical Women Switzerland (MWS),<br />
der im vergangenen Jahr sein 100-jähriges Bestehen feierte,<br />
hat diese Entwicklung mitgeprägt.<br />
Adelheid Schneider-Gilg, Präsidentin Medical Women Switzerland (MWS)<br />
Seit Marie Heim-Vögtlin als erste<br />
Schweizerin an der Universität<br />
Zürich Medizin studiert und 1874<br />
ihren medizinischen Doktortitel<br />
erhalten hatte, haben zunehmend mehr<br />
Frauen in der Schweiz ihr Medizinstudium<br />
abgeschlossen und anschliessend<br />
eine medizinische Tätigkeit aufgenommen.<br />
Marie Heim-Vögtlin war vor allem<br />
Frauen ärztin und in verschiedenen Sozialbereichen<br />
engagiert, sie war verheiratet<br />
und hatte Kinder. Zu ihrem 100. Todestag<br />
2016 wurde auf Anregung von MWS eine<br />
Post-Sondermarke gedruckt. 1901 gründete<br />
sie zusammen mit der Chirurgin Anna<br />
Heer die Pflegerinnenschule Zürich, ein<br />
Spital von Frauen für Frauen. Erwähnenswert<br />
ist weiter Caroline Farner, die nebst<br />
ihrer Aktivität als Frauenrechtlerin als Allgemeinpraktikerin<br />
tätig war.<br />
Die Ärztinnen waren Einzelkämpferinnen<br />
und hatten es zweifellos schwer unter<br />
der männlichen Übermacht, und so erstaunt<br />
es nicht, dass 1922 die Vereinigung<br />
der Schweizer Ärztinnen (VSÄ) ins Leben<br />
gerufen wurde, initiiert vor allem von einer<br />
Ärztinnengruppe in Zürich. Ziele dieser<br />
Vereinigung waren: Gedankenaustausch<br />
untereinander, gegenseitige Unterstützung,<br />
Fördern der Fortbildung, sozialpolitische<br />
Belange und allgemein die Emanzipation<br />
der Frauen. In den folgenden Jahren<br />
schloss sich die Vereinigung an die<br />
1919 in New York gegründete internationale<br />
Gesellschaft MWIA (Medical Women’s<br />
International Association) an. 2005 erfolgte<br />
zeitgemäss die Namensänderung in Medical<br />
Woman Switzerland (MWS).<br />
Ab 1950 stieg die Zahl der Mitglieder<br />
stetig, mit dem Maximum von ca. 1400 um<br />
das Jahr 2000, aktuell schwankt die Zahl<br />
um 1000. Ebenfalls seit den 1950er Jahren<br />
besteht eine rege Vereinstätigkeit schweizweit<br />
und regional-kantonal.<br />
Visionäre Forderungen<br />
Zwei unserer Präsidentinnen haben sich<br />
zur Situation der Frau als Ärztin schriftlich<br />
geäussert:<br />
1983 veröffentlichte Frau Prof. Ursula<br />
Ackermann, damals Vorsteherin der Abteilung<br />
Sozial- und Präventivmedizin an der<br />
Universität Basel, das Buch «Schweizer<br />
Ärztinnen» mit einer Studie über die berufliche<br />
und familiäre Lage der Ärztinnen<br />
1979–1983. Fazit respektive visionäre Forderungen<br />
aufgrund dieser Studie waren:<br />
1. Vermeiden eines gänzlichen beruflichen<br />
Unterbruchs, 2. Anstreben eines Fach-Arzt-<br />
Abschlusses, soweit möglich in Teilzeitarbeit,<br />
3. Bekämpfung von geschlechtsspezifischen<br />
Benachteiligungen vor allem während<br />
Schwangerschaft und Mutterschaft.<br />
1996 veröffentlichte die Psychiaterin<br />
Dr. Therese Augsburger das Buch «Die Förderung<br />
der Einseitigkeit». Sie beschreibt<br />
darin, dass eine Karriere nur möglich sei<br />
mit einem beträchtlichen Zeitaufwand,<br />
wie ihn Frauen (und auch Männer), die<br />
nebst der beruflichen auch eine familiäre<br />
Verantwortung wahr nehmen wollen, nicht<br />
leisten können. Sie befürwortete modernere<br />
Arbeitszeitmodelle, die eine Karrierelaufbahn<br />
nebst familiären Verpflichtungen<br />
erlauben.<br />
Aktive Verbandsarbeit<br />
Auch heute bringt sich der Verband in aktuelle<br />
Debatten ein und vertritt die Perspektive<br />
der Schweizer Ärztinnen aktiv<br />
mit Stellungnahmen und Positionsbezügen.<br />
MWS setzt sich für individuell zugeschnittene<br />
Berufs- und Karrierewege<br />
und die Vereinbarkeit von beruflichem,<br />
sozialem und familiärem Engagement<br />
ein. Der Verband berät Medizinstudentinnen<br />
und junge Ärztinnen bei Fragen<br />
bezüglich Laufbahn und Vereinbarkeit. Er<br />
stützt sich dabei auf sein breites Netzwerk<br />
von Ärztinnen in Praxen und in Führungspositionen,<br />
das durch den regelmässigen<br />
Erfahrungsaustausch an Weiterbildungen,<br />
Vernetzungsanlässen und internen<br />
Veranstaltungen gefördert wird.<br />
Dieser Austausch stand auch an der<br />
Feier zum 100-jährigen Bestehen des Verbandes<br />
im Vordergrund. Die Historikerin<br />
Prof. Caroline Arni von der Universität<br />
Basel schilderte in ihrem spannenden<br />
10<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Politik<br />
Marie Heim-Vögtlin war eine Exotin, heute bilden Frauen die Mehrheit im Medizinstudium. Gewisse Probleme jedoch wie die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf oder mangelnde Karrierechancen sind noch immer vorhanden.<br />
Bilder: Heim-Vögtlin (Wikimedia) / Ärztin. (Rido – Adobe Stock)<br />
Vortrag die Situation der Frauen im<br />
19. Jahrhundert generell und insbesondere<br />
in medizinischen Belangen.<br />
Frau Prof. Catherine Gebhard, tätig an<br />
den Universitäten Zürich und Bern, sprach<br />
zum Thema Gendermedizin, das international<br />
und speziell in der Schweiz noch<br />
mehr Beachtung verdient. Lehre und Forschung<br />
insbesondere im Bereich Pharmakologie<br />
wurde lange fast nur von Männern<br />
für bzw. an Männern durchgeführt, so<br />
dass Frauen inadäquat beurteilt und behandelt<br />
wurden.<br />
Karriereentwicklung mit<br />
«Aiming Higher»<br />
Frau Prof. Gudrun Sander von der Universität<br />
St. Gallen berichtete über erste Erfahrungen<br />
aus dem seit Anfang 2022<br />
laufenden Weiterbildungsprogramm «Aiming<br />
Higher – Karriereentwicklung für<br />
Assistenzärztinnen». Basierend auf der<br />
Tatsache, dass, obwohl heute mehr Frauen<br />
als Männer das Medizinstudium abschlies<br />
sen, immer noch nur circa zehn<br />
Prozent Frauen in Kader-/Chefarztstellen<br />
zu finden sind, hat sie dieses berufsbegleitende<br />
Programm für Assistenzärztinnen<br />
im 2. und 3. Jahr entwickelt. Ziele des<br />
Programms sind die Sensibilisierung und<br />
Aktivierung hinsichtlich klinischer und<br />
akademischer Karrieremöglichkeiten und<br />
Karriereplanung, die Stärkung persönlicher<br />
Kompetenzen sowie das Fördern eines<br />
Netzwerks unter jungen Ärztinnen.<br />
Yvonne Gilli, seit Anfang 2021 erste<br />
Präsidentin der FMH, sprach zum Thema<br />
«Die Medizin auf dem Weg zum Frauenberuf».<br />
Anhand verschiedener statistischer<br />
Kennzahlen zeichnete sie den Werdegang<br />
der Schweizer Ärztin seit 1960<br />
nach: Damals gab es etwa 6600 Ärzte in<br />
der Schweiz, die Anzahl der Frauen war<br />
mi nimal. Im Jahr 2000 betrug der Frauenanteil<br />
29 Prozent, 2018 bereits 43 Prozent.<br />
Trotz dieses wachsenden Frauenanteils<br />
finden sich in Chefarzt- und Kaderstellen<br />
immer noch nur circa zehn Prozent Frauen.<br />
Teilzeitarbeit wird mehrheitlich von<br />
Frauen wahrgenommen. Ein weiterer Aspekt<br />
ist, dass wenn eine Berufsbranche<br />
weiblicher wird, Verdienst und Wertschätzung<br />
sinken. Besonders davon betroffen<br />
ist die sogenannte «sprechende Medizin»,<br />
bei der viele Frauen tätig sind. Yvonne<br />
Gilli votierte abschliessend für ein starkes<br />
Engagement der Ärztinnen für eine gute<br />
berufliche Zukunft und die Optimierung<br />
der Ausbildungs- und Arbeitszeiten.<br />
Medical Women Switzerland wird<br />
sich weiterhin für diese Anliegen einsetzen,<br />
mit der Erfahrung und der Kraft aus<br />
über 100 Jahren Verbandsarbeit.<br />
Wegleitung zur<br />
Vereinbarkeit<br />
Die Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
(FHNW) hat in Zusammenarbeit mit<br />
Spitälern und Gesundheitsorganisationen<br />
eine Wegleitung für die Förderung<br />
der Vereinbarkeit erarbeitet. Ziel ist es,<br />
das ärztliche Arbeitsumfeld mit einer<br />
vereinbarkeitsorientierten Kultur<br />
attraktiv zu gestalten. Die Wegleitung<br />
dient als Referenzwerk für Spitäler, auf<br />
dessen Basis sie die Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Privatleben stärken können.<br />
Der <strong>vsao</strong> war bei ihrer Erarbeitung<br />
in beratender Funktion involviert und<br />
organisierte dazu die Veranstaltung<br />
«Vereinbarkeit Ärzteberuf und Privatleben»,<br />
an der das Thema vertieft<br />
wurde. Der Anlass fand am 6. Juni<br />
statt und richtete sich an HR-Verantwortliche<br />
sowie an Leitende von<br />
Weiterbildungsstätten.<br />
Mehr dazu unter<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch/familienfreundlichemass<br />
nahmen.<br />
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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 11
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Politik<br />
Vereint für die<br />
Vereinbarkeit<br />
Bild: zvg<br />
Viele <strong>vsao</strong>-Mitglieder «befinden sich in Weiterbildung,<br />
praktisch alle sind angestellt, oft sind sie jung und<br />
stehen am Anfang ihrer Karriere. Und sie haben uns<br />
in den letzten Jahren immer wieder klar kommuniziert,<br />
dass es für sie auch ein Leben neben der Arbeit geben<br />
muss», schreibt <strong>vsao</strong>-Vizepräsidentin Nora Bienz im Vorwort<br />
zur Wegleitung «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von<br />
Spitalärztinnen und -ärzten» der Fachhochschule Nordwestschweiz<br />
(FHNW).<br />
Das Wort «Vereinbarkeit» ist aktuell in aller Munde. Ein Blick<br />
in den Duden zeigt, dass Vereinbarkeit mit «das Vereinbarsein»<br />
beschrieben wird. Zugegeben, eine etwas<br />
unübliche Formulierung – und doch treffend.<br />
Die berufliche Tätigkeit soll vereinbar<br />
sein mit der Familie, dem Hobby oder<br />
sonstigen Interessen und Verpflichtungen,<br />
die eine berufstätige Person hat.<br />
Eigentlich ganz einfach. Oder doch<br />
nicht? Gerade bei der Ärzteschaft ist<br />
die Vereinbarkeit der beruflichen<br />
Tätigkeit mit dem Privatleben eine<br />
Herausforderung. Es sind Nachtschichten<br />
zu leisten, der Fachkräftemangel<br />
erfordert Zusatzdienste, die<br />
Bürokratie nimmt zu. Dazu kommen<br />
Dienstplanungen mit 50 Arbeitsstunden<br />
pro Woche und eine teilweise geringe Akzeptanz<br />
von Teilzeitarbeit. Die Liste dieser<br />
«Hürden» könnte ohne Weiteres verlängert werden.<br />
Dass es unter diesen Voraussetzungen schwierig<br />
ist, sich Zeit für das Privatleben freizuhalten, erklärt<br />
sich von selbst.<br />
Umso erfreulicher ist es, dass der <strong>vsao</strong> am 6. Juni <strong>2023</strong><br />
zum Abschluss des Forschungsprojekts der FHNW einen Netzwerkanlass<br />
zum Thema «Vereinbarkeit Arztberuf und Privatleben»<br />
organisieren durfte. Und noch mehr Freude bereitet es,<br />
dass über 60 Vertreterinnen und Vertreter von Spitälern, Wissenschaft<br />
und Ärzteschaft an diesem Anlass teilnahmen und intensiv<br />
und konstruktiv darüber diskutierten, wie die Vereinbarkeit von<br />
Arztberuf und Privatleben gelingen kann. Die Teilnehmenden<br />
besprachen zahlreiche Ideen, Vorschläge sowie Best Practices<br />
und konnten neue Erkenntnisse gewinnen. Bei fast jeder Diskussion,<br />
bei jedem Vorschlag und jedem Lösungsansatz wurde<br />
am Schluss bekräftigt, dass dies alles nur funktioniert, wenn<br />
der Wille da ist. Der Wille, den Wunsch nach Vereinbarkeit<br />
anzu erkennen, ernst zu nehmen und umzusetzen.<br />
Die Forderung der jungen Ärzteschaft nach der «Vereinbarkeit»<br />
ist ein Bedürfnis. In diesem Zusammenhang sei auf<br />
Auf den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
die Mitgliederumfrage des <strong>vsao</strong> <strong>2023</strong> verwiesen, wonach die<br />
junge Ärzteschaft zunehmend erschöpft ist und Teilzeitarbeit als<br />
grosses Bedürfnis angibt. Es ist unbestritten, dass bei Teilzeitstellen<br />
höhere administrative Kosten anfallen und die Organisation<br />
aufwendiger sein kann, doch resultieren daraus zufriedene<br />
junge Ärztinnen und Ärzte, die ihre Arbeit gerne ausüben,<br />
ohne dabei auszubrennen, und die bereit sind, sich langfristig<br />
für ein Spital und ihre Patientinnen und Patienten zu engagieren.<br />
Der konstruktive Dialog am Netzwerkanlass des <strong>vsao</strong> hat<br />
gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam Lösungen zu finden.<br />
Dabei liessen sich die Teilnehmenden vom folgenden<br />
Grundgedanken leiten: Nehmen wir die Bedürfnisse<br />
der (jungen) Ärztinnen und Ärzte ernst<br />
und tragen wir ihnen Sorge. Damit wir<br />
auch in Zukunft auf eine motivierte<br />
Ärzteschaft zählen können.<br />
Yvonne Stadler,<br />
Leiterin Recht, stv. Geschäftsführerin <strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 13
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Eine Rose für<br />
bessere<br />
Arbeitszeiten<br />
Der <strong>vsao</strong> zeichnet das Institut für Intensivmedizin<br />
des Universitätsspitals Zürich (USZ) mit der Spitalrose aus.<br />
Damit honoriert er die Bemühungen des Instituts,<br />
die zu langen Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und<br />
-ärzte zu verkürzen.<br />
Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Anna Wang, Präsidentin VSAO Zürich / Schaffhausen, und Angelo Barrile, Präsident <strong>vsao</strong>-Dachverband, (v. l.) übergaben die Spitalrose 2022 an<br />
Reto Schüpbach, Direktor des Instituts für Intensivmedizin, Laetitia Dacorogna, Co-Leiterin HR Beratung Universitätsspital Zürich, und Rolf Curschellas,<br />
Direktor HRM Universitätsspital Zürich (v. r.).<br />
Bild: Robert Fischlin<br />
14<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Die Arbeitsbedingungen in<br />
Schweizer Spitälern sind für<br />
Assistenz- und Oberärztinnen<br />
und -ärzte prekär. Regelmässig<br />
werden die Bestimmungen des<br />
Arbeitsgesetzes verletzt, die durchschnittliche<br />
Wochenarbeitszeit in der Schweiz<br />
beträgt bei einem 100-Prozent-Pensum<br />
über 56 Stunden. Umso wertvoller sind<br />
positive Beispiele von Spitälern, die in die<br />
Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />
von Ärztinnen und Ärzten investieren.<br />
Solche Beispiele zeichnet der <strong>vsao</strong> mit<br />
seiner jährlich verliehenen Spitalrose aus.<br />
Für das Jahr 2022 nominierten die<br />
<strong>vsao</strong>-Sektionen drei Spitäler als Anwärter<br />
auf die Spitalrose. Die Wahl fiel am Ende<br />
auf das Institut für Intensivmedizin des<br />
Universitätsspitals Zürich (USZ) mit seinem<br />
Pilotprojekt 42+4-Stunden-Woche,<br />
welches das USZ in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem <strong>vsao</strong>-Dienstplanbe rater<br />
Philipp Rahm initiiert hat. Damit geht die<br />
Spitalrose bei ihrer 10. Verleihung zum<br />
ersten Mal an ein Spital in Zürich, nachdem<br />
sie zuvor bereits in fast allen Regionen<br />
der Schweiz von St. Gallen bis Genf<br />
vergeben worden ist.<br />
Das Arbeitsgesetz einhalten<br />
«Das Institut bemüht sich darum, die klinischen<br />
Einsätze der Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte auf der Basis einer 42-Stunden-Woche<br />
zu planen. Zusätzlich werden<br />
wöchentlich vier Stunden für die obligatorische<br />
strukturierte Weiterbildung reserviert»,<br />
sagt Angelo Barrile, Präsident des<br />
<strong>vsao</strong>-Dachverbands. «Damit versucht das<br />
Institut, den Wunsch von fast allen jungen<br />
Ärztinnen und Ärzten zu erfüllen, näher<br />
an eine 42-Stunden-Woche heranzukommen»,<br />
ergänzt Anna Wang, Präsidentin<br />
der VSAO-Sektion Zürich / Schaffhausen.<br />
«Mit dieser Planung ist es realistisch,<br />
unter der im Arbeitsgesetz festgelegten<br />
Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche<br />
zu bleiben.»<br />
Laetitia Dacorogna, Leiterin HR Beratung<br />
am USZ, zeigt sich hocherfreut<br />
über die Auszeichnung: «Nur, wenn wir<br />
als Arbeitgeber attraktiv bleiben, können<br />
wir unsere Leistungen im Dienste der<br />
Patientinnen und Patienten weiterhin auf<br />
höchstem Niveau erbringen. Die Spitalrose<br />
bedeutet uns deshalb sehr viel und<br />
ist ein Ansporn, das Projekt weiter zu optimieren.»<br />
Versorgungsqualität sichern<br />
Die Einführung der 42+4-Stunden-Woche<br />
ist für den <strong>vsao</strong> ein wichtiges Ziel, das er<br />
schweizweit verfolgt. Angelo Barrile: «Für<br />
die jungen Ärztinnen und Ärzte hat die<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben<br />
zu Recht einen hohen Stellenwert. Die<br />
Reduktion der Arbeitszeit von heute<br />
durchschnittlich immer noch über<br />
56 Stunden auf deutlich unter 50 Stunden<br />
ist deshalb alternativlos. Nur so<br />
können wir junge Menschen weiterhin<br />
für den Arztberuf begeistern und die hohe<br />
Qualität des Schweizer Gesundheitssystems<br />
langfristig sichern.»<br />
Mehr zum Thema unter<br />
<strong>vsao</strong>.ch/aerztliche-weiterbildung/<br />
<strong>vsao</strong>-spitalrose/<br />
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Seit 2014 zeichnet der <strong>vsao</strong> jährlich<br />
eine Gesundheitseinrichtung für ihr<br />
Engagement zugunsten der Arbeitsund<br />
oder Weiterbildungsbedingungen<br />
der Assistenz- und Oberärzteschaft<br />
aus. Für das Jahr 2022 waren Institutionen<br />
gesucht, die sich vor allem im<br />
Bereich Weiterbildung besonders<br />
engagierten. Das Projekt des USZ ist<br />
der verdiente Sieger, weil die<br />
42+4-Stunden-Woche insbesondere<br />
auch die ärztliche Weiterbildung<br />
stärkt. Mehr dazu im Bericht auf<br />
Seite 16.<br />
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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 15
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Positive<br />
Erfahrungen mit der<br />
42+4-Stunden-Woche<br />
Seit Januar <strong>2023</strong> arbeiten die Assistenzärztinnen und -ärzte des Instituts<br />
für Intensivmedizin am Universitätsspital Zürich 42+4 Stunden pro Woche.<br />
Was war für die Lancierung und Umsetzung dieses Pilotprojekts nötig?<br />
Und hat es funktioniert? Wir haben mit den Verantwortlichen gesprochen.<br />
Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Laetitia Dacorogna ist als Leiterin HR Beratung<br />
des USZ mitverantwortlich für die Umsetzung<br />
des 42+4-Pilotprojekts.<br />
Die Spitalrose 2022 des <strong>vsao</strong><br />
geht an das Institut für Intensivmedizin<br />
des Universitätsspitals<br />
Zürich (siehe Bericht<br />
auf S. 14). Der <strong>vsao</strong> zeichnet damit das Pilotprojekt<br />
zur Einführung einer geplanten<br />
42+4-Stunden-Woche aus. Mit diesem Modell<br />
will das Institut die langen Arbeitszeiten<br />
der Assistenzärztinnen und -ärzte<br />
verkürzen und gleichzeitig die Weiterbildung<br />
stärken. Doch was genau bedeutet<br />
42+4 Stunden? Warum wurde dieses Projekt<br />
initiiert? Und wie ist es verlaufen?<br />
Das Arbeitszeitmodell 42+4-Stunden-<br />
Woche bedeutet, dass die wöchentliche<br />
klinische Sollarbeitszeit auf durchschnittlich<br />
42 Stunden geplant wird. Damit ist die<br />
Zeit gemeint, in der die Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte für Dienstleistungen an Patientinnen<br />
und Patienten zur Verfügung<br />
stehen. Zusätzlich verpflichtet sich ihr Arbeitgeber<br />
dazu, ihnen wöchentlich vier<br />
Stunden strukturierter Weiterbildung zu<br />
ermöglichen. Diese kann zum Beispiel in<br />
Form von klinikinternen Weiterbildungsveranstaltungen<br />
erfolgen oder durch den<br />
Besuch von Konferenzen und Tagungen.<br />
Die Vorteile dieses Modells: Der Arbeitgeber<br />
kommt einem Bedürfnis der<br />
jungen Ärzteschaft entgegen, die nicht<br />
mehr die bislang üblichen 50 oder mehr<br />
Stunden pro Woche im Spital verbringen<br />
möchte. Gleichzeitig erfüllt er seine<br />
Pflicht, die Assistenzärztinnen und -ärzte<br />
weiterzubilden. Und schliesslich läuft er<br />
weniger Gefahr, die Bestimmungen des<br />
Arbeitsgesetzes zu verletzen. Selbst wenn<br />
Ungeplantes eintrifft und Schichten länger<br />
dauern, kann die Grenze von 50 Stunden<br />
pro Woche respektiert werden, da<br />
dank der Planung mit 42+4 Stunden pro<br />
Woche ein gewisser Spielraum besteht.<br />
Fachkräftemangel und Druck von<br />
der Ärzteschaft<br />
Das Universitätsspital Zürich (USZ) beschloss<br />
Anfang 2022, ein Pilotprojekt zur<br />
Einführung der 42+4-Stunden-Woche am<br />
Institut für Intensivmedizin zu starten.<br />
Dies geschah in enger Zusammenarbeit<br />
mit Philipp Rahm, der für den <strong>vsao</strong><br />
schweizweit als Dienstplanberater tätig ist<br />
und das USZ seit vielen Jahren beratend<br />
unterstützt. Die Motivation? Laetitia Dacorogna,<br />
Leiterin HR Beratung am USZ, sagt,<br />
dass unter anderem der Personalmangel<br />
ein wichtiger Treiber war: «Wir haben den<br />
Fachkräftemangel schon vor der Pandemie<br />
stark gespürt. Während der Pandemie<br />
ist der Druck weiter gestiegen. Wir haben<br />
ärztliches Personal verloren und es fiel uns<br />
schwer, die offenen Stellen wieder zu besetzen.<br />
Deshalb mussten wir etwas unternehmen.»<br />
Es bestand auch Druck von den<br />
Assistenzärztinnen und -ärzten am Institut,<br />
die in einem offenen Brief klar sagten,<br />
dass es so nicht mehr weitergeht.<br />
Das grüne Licht von der Spitalleitung<br />
kam relativ schnell, da es sich auf das ganze<br />
Spital auswirkt, wenn die Intensivstation<br />
aufgrund von Personalmangel nicht<br />
voll ausgelastet werden kann. Dank Prozessoptimierungen<br />
konnte die Umstellung<br />
umgesetzt werden, ohne zusätzliche<br />
Stellen zu schaffen.<br />
Das Pilotprojekt startete 2022 mit verschiedenen<br />
Workshops und Planungssitzungen,<br />
umgesetzt wird es seit Januar<br />
<strong>2023</strong>. Offenbar sehr erfolgreich: Elia von<br />
Felten, seit April <strong>2023</strong> Assistenzarzt am<br />
Institut, sagt: «Meine Arbeitszeiten sind<br />
kürzer als bei anderen Stellen, die ich vorher<br />
hatte, und ich erhalte mehr Weiterbildung.»<br />
Zwar komme es vor, dass er in einer<br />
Woche mehr arbeite, manchmal auch<br />
mehr als 50 Stunden. Aber er könne das<br />
kompensieren, sodass er aufs ganze Jahr<br />
gesehen die 42 Arbeitsstunden pro Woche<br />
voraussichtlich einhalten könne. Auch die<br />
vier Stunden Weiterbildung pro Woche erhält<br />
er. «Die beispielsweise durch Nacht-<br />
Bilder: Robert Fischlin (Laetitia Dacorogna); Adobe Stock<br />
16<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Mit der 42+4-Stunden-Woche wird es möglich, die vier Stunden strukturierte Weiterbildung pro Woche zu besuchen.<br />
oder Wochenenddienst verpasste Weiterbildungszeit<br />
wird festgehalten und in<br />
Form von Weiterbildungstagen monatlich<br />
ausgeglichen. Ausserdem werden viele<br />
Weiterbildungen aufgezeichnet und wir<br />
können sie zu einem späteren Zeitpunkt<br />
online nachholen.»<br />
Die Einstellung ist entscheidend<br />
Aus Optik der Dienstplanung ist wesentlich,<br />
dass es sich bei den 42 Stunden<br />
Dienstleistung an Patientinnen und Patienten<br />
um eine durchschnittliche Arbeitszeit<br />
handelt. Dies ermöglicht eine gewisse<br />
Flexibilität, die in einem Spital wichtig ist.<br />
Insbesondere gibt es eine Reserve bis zum<br />
Erreichen der wöchentlichen Höchstarbeitszeit.<br />
Entscheidend für den Erfolg ist<br />
gemäss Assistenzarzt von Felten der Kulturwandel,<br />
der vollzogen wurde: «In anderen<br />
Spitälern wird man schräg angeschaut,<br />
wenn man um 17 Uhr nach Hause geht.<br />
Hier ist das erwünscht. Das Mindset ist ein<br />
anderes. Die 42+4-Stunden-Woche ist das<br />
Ziel – und das ist auch bei den Kaderärztinnen<br />
und -ärzten verankert.»<br />
Auch aus der Sicht von Laetitia Dacorogna<br />
ist das Projekt ein Erfolg. Viele der<br />
zuvor definierten Ziele seien erreicht worden:<br />
«Die Assistenzärztinnen und -ärzte<br />
haben bei einer Befragung angegeben, weniger<br />
gestresst zu sein, obwohl die Schichten<br />
komprimiert wurden. Die obligatorische<br />
strukturierte Weiterbildung von vier<br />
Stunden pro Woche kann genutzt werden.<br />
Das Feedback der Assistenzärztinnen und<br />
-ärzte ist sehr gut, wir haben wieder mehr<br />
Bewerbungen und können die Stellen besetzen.»<br />
Zudem hat das Institut weniger<br />
Probleme, die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes<br />
einzuhalten. Vorher seien die<br />
Ärztinnen und Ärzte oft nur knapp unterhalb<br />
der Grenze der maximal erlaubten<br />
140 Stunden Überzeit pro Jahr geblieben<br />
oder hätten diese überschritten. Schon<br />
jetzt, nach einem halben Jahr Betrieb,<br />
geht Dacorogna davon aus, dass das kein<br />
Problem mehr sein wird.<br />
Pilotprojekt wird zum Regelbetrieb<br />
Gibt es auch noch Verbesserungspotenzial?<br />
Elia von Felten nennt die teilweise immer<br />
noch langen Arbeitstage. Er wünscht<br />
sich, dass die Tage, an denen die Schichten<br />
länger sind als geplant, weniger werden.<br />
Laetitia Dacorogna nennt an erster<br />
Stelle das Zeiterfassungssystem, das noch<br />
nicht auf die 42+4-Stunden-Woche abgestimmt<br />
ist. Die Mitarbeitenden im HR<br />
müssen deshalb viele Fehler manuell korrigieren,<br />
was zeitlich einen grossen Aufwand<br />
bedeutet. Dacorogna erwähnt zudem,<br />
dass durch die Straffung der Prozesse,<br />
die für die Senkung der Arbeitszeiten<br />
nötig war, das Arbeitstempo höher wurde.<br />
Dadurch bekommt zum Beispiel der informelle<br />
Austausch zwischen den Ärztinnen<br />
und Ärzten und Mitarbeitenden aus anderen<br />
Berufsgruppen weniger Raum. Das<br />
stellt die Spitalleitung vor die Herausforderung,<br />
sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit<br />
im Team nicht darunter leidet<br />
und die Qualität aufrechterhalten bleibt.<br />
Trotzdem: Für Dacorogna ist jetzt<br />
schon klar, dass eine Umwandlung des Pilotprojekts<br />
in eine Dauerlösung angestrebt<br />
wird. Das Modell, das bisher nur für<br />
Assistenzärztinnen und -ärzte gilt, wird<br />
derzeit im Institut für Intensivmedizin<br />
auch für die Oberärzteschaft geprüft. Eine<br />
Übernahme durch andere Kliniken und<br />
Institute ist ebenfalls ein Thema. Einige<br />
Fragen gebe es diesbezüglich jedoch noch<br />
zu klären: «Das Pilotprojekt ist als Modell<br />
für Kliniken mit Dreischichtsystem wegweisend.<br />
Bei Kliniken mit Zweischichtsystem<br />
ist die Umsetzung deutlich komplizierter.<br />
Wichtig ist, dass die Prozesse in<br />
den Kliniken optimiert werden», sagt Dacorogna.<br />
Zudem sei nicht klar, ob die Arbeitszeitreduktion<br />
kostenneutral erfolgen<br />
könne. «Eventuell braucht es mehr Personal,<br />
was dann wiederum andere Fragen<br />
nach sich zieht.»<br />
Aber die Entwicklung ist angestossen<br />
und wird nicht aufzuhalten sein. Oder, wie<br />
es Rolf Curschellas, Direktor HRM am<br />
USZ, anlässlich der Übergabe der Spitalrose<br />
formulierte: «Der Stein ist im Wasser,<br />
den kriegen wir nicht mehr raus.»<br />
Mehr zum Thema:<br />
Ausführliche Informationen zur<br />
42+4-Stunden-Woche gibt es auf der<br />
<strong>vsao</strong>-Website unter <strong>vsao</strong>.ch/42plus4.<br />
Ein Erklärvideo gibt es auf der Website<br />
des <strong>vsao</strong> Zürich: <strong>vsao</strong>-zh.ch, siehe dazu<br />
auch den Beitrag auf Seite 23.<br />
@<strong>vsao</strong>asmac<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 17
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Mehr Medizin –<br />
weniger<br />
Bürokratie!<br />
Gerade junge Ärztinnen und Ärzte sitzen heute mehr am Computer als<br />
am Krankenbett. Mit dem Handbuch «Medizin statt Bürokratie!»<br />
will der <strong>vsao</strong> Ärztinnen und Ärzte wie auch Spitäler dabei unterstützen,<br />
administrativen Aufwand zu reduzieren.<br />
Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />
Das Gesundheitssystem ist am<br />
Anschlag, der Fachkräftemangel<br />
macht sich überall<br />
bemerkbar, während gleichzeitig<br />
die Zahl der Patientinnen und Patienten<br />
steigt. Das fehlende Personal<br />
führt zu gesperrten Betten und zu noch<br />
mehr Druck für Ärztinnen und Ärzte wie<br />
auch für Pflegefachpersonen in den Spitälern.<br />
Oft leidet darunter nicht nur das<br />
Privatleben des Gesundheitspersonals,<br />
sondern auch die Weiterbildung und<br />
letztlich die Qualität der Versorgung.<br />
Teil des Problems ist zudem der enorme<br />
administrative Aufwand, der betrieben<br />
wird, vielerorts verbunden mit ineffizienten<br />
Abläufen und IT-Systemen. Für<br />
die Arbeit mit Patientinnen und Patienten<br />
bleibt immer weniger Zeit. Gerade Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte verbringen oft<br />
einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit mit<br />
administrativen Tätigkeiten.<br />
Das Problem ist nicht neu und der<br />
<strong>vsao</strong> hat deshalb bereits vor einigen Jahren<br />
die Kampagne «Medizin statt Bürokratie!»<br />
lanciert. Der Startschuss für<br />
«Medizin statt Bürokratie!» fiel im <strong>August</strong><br />
2017. Im ersten Schritt richtete sich die<br />
Kampagne speziell an Spitäler und Weiterbildungsstätten.<br />
Das Ziel: sensibilisieren.<br />
Eine Broschüre erklärte, wie sich<br />
Schreibtischarbeit verringern lässt – zum<br />
Nutzen der Patientinnen und Patienten<br />
und auch der Finanzen. Denn weniger<br />
Administration heisst weniger Kosten.<br />
Zudem illustrierte ein Leiterspiel leicht<br />
augenzwinkernd den bürokratischen Hürdenlauf<br />
von Ärztinnen und Ärzte auf dem<br />
Weg ans Spitalbett.<br />
Pilotprojekte in Aarau und Freiburg<br />
Lösungen standen ab September 2018 im<br />
Mittelpunkt der zweiten Kampagnenwelle.<br />
Der <strong>vsao</strong> hatte einzelne Spitäler<br />
ausgewählt, um konkret zu zeigen, was<br />
diese tun – und vor allem: dass man etwas<br />
tun kann. Während der Herbstsession<br />
2018 fand auch ein Informationsanlass<br />
im Bundeshaus statt. Dort also, wo Entscheide<br />
fallen, die oftmals zu noch mehr<br />
Bürostunden führen.<br />
Die Pilotprojekte waren sehr erfolgreich:<br />
Eines davon wurde im Februar 2020<br />
im Kantonsspital Aarau auf der Abteilung<br />
Allgemeine Innere und Notfallmedizin<br />
unter der Leitung von Philipp Schütz gestartet<br />
– bereits nach wenigen Monaten<br />
konnten grosse Fortschritte in Sachen<br />
Bürokratiereduktion erzielt werden. Das<br />
zweite Pilotprojekt startete gleichzeitig<br />
im Freiburger Netzwerk für Psychische<br />
Gesundheit (FNPG). Der externe Berater<br />
Philipp Rufer, der die Pilotprojekte im<br />
Auftrag des <strong>vsao</strong> begleitete, betont die<br />
Wichtigkeit des gewählten schrittweisen<br />
Vorgehens: «Getreu dem Motto ‹Bürokratiereduktion›<br />
haben wir im Pilotprojekt<br />
darauf geachtet, den Zeitaufwand schlank<br />
zu halten und wirkungsorientiert zu arbeiten.<br />
In kurzen Sequenzen haben wir als<br />
Projektteam eine Vielzahl von Lösungsideen<br />
erarbeitet. Mir war es wichtig, mit<br />
wenigen Verbesserungsmassnahmen zu<br />
starten und diese rasch im Klinikalltag zu<br />
testen. In kleinen Experimenten haben<br />
wir die Wirkung und Umsetzbarkeit beispielsweise<br />
auf einer Station ausprobiert.<br />
Was gut funktioniert hat, haben wir weiterverfolgt<br />
und auf weiteren Stationen<br />
eingeführt.»<br />
Genau dieses pragmatische Vorgehen<br />
ist möglicherweise der Schlüssel zum Erfolg,<br />
um bürokratischen Aufwand nachhaltig<br />
und dauerhaft zu reduzieren. Das in<br />
den Pilotprojekten angewandte Verfahren<br />
ist im vor Kurzem publizierten <strong>vsao</strong>-Handbuch<br />
«Medizin statt Bürokratie!» Schritt<br />
für Schritt beschrieben.<br />
Das Handbuch richtet sich an alle, die<br />
im medizinischen Arbeitsumfeld zu einer<br />
Entlastung von Bürokratie beitragen und<br />
konkrete Verbesserungen erreichen wollen.<br />
Für Projektverantwortliche, die ein<br />
eigenes Projekt zur Bürokratiereduktion<br />
durchführen möchten, dient es als konkreter<br />
Leitfaden, der von A bis Z durch das<br />
Projekt führt. Für Ärztinnen und Ärzte,<br />
die in ihrem beruflichen Alltag Veränderungen<br />
anstossen möchten, dient es als<br />
Argumentationshilfe gegenüber Vorgesetzten<br />
oder Personalverantwortlichen.<br />
In vier Etappen zum Erfolg<br />
Das Handbuch schlägt ein vierstufiges<br />
Vorgehen vor: Zuerst erfolgt der Projekt<br />
18<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Bürokratie:<br />
Beispiele gesucht<br />
Bürokratie und administrative Arbeiten<br />
in den Spitälern beanspruchen<br />
immer mehr Zeit, was für Ärztinnen<br />
und Ärzte sehr frustrierend ist. Um<br />
diese Herausforderung anzugehen,<br />
benötigt der <strong>vsao</strong> konkrete Beispiele<br />
aus der Praxis. Deshalb hat er eine<br />
Umfrage gestartet. Sie finden diese<br />
auf unserer Website.<br />
Wir sind dankbar für jede Antwort.<br />
Mit dem Handbuch «Medizin statt Bürokratie!» lassen sich die administrativen Aufgaben<br />
von Ärztinnen und Ärzten reduzieren.<br />
Bild: zvg<br />
start, bei dem das Projekt der Klinik- oder<br />
Spitalleitung vorgestellt und von ihr freigeben<br />
wird. Das Projektteam wird organisiert<br />
und es erfolgt eine erste Kommunikation<br />
an die (potenziell) betroffenen<br />
Mitarbeitenden. In der zweiten Etappe<br />
geht es um die Erhebung der Ausgangslage.<br />
Mit einem Fragebogen wird die Ist-<br />
Situation erfasst und ausgewertet, um im<br />
nächsten Schritt gezielt und praxisnah<br />
Verbesserungen erarbeiten zu können.<br />
Die Auswertung der Fragebogen und Erstellung<br />
der Situationsanalyse erfordern<br />
gute Kenntnisse des Klinikalltags und<br />
sind je nach Anzahl ausgefüllter Fragebogen<br />
relativ zeitintensiv.<br />
Kernstück der dritten Etappe (Verbesserungen)<br />
ist die Ideation-Session. In diesem<br />
Workshop entwickelt und bewertet<br />
das Projektteam gemeinsam mit weiteren<br />
Personen aus Ärzteschaft, Pflege und Sekretariat<br />
sowie (idealerweise) einer Moderationsperson<br />
verschiedene Lösungsideen.<br />
Die zur Umsetzung ausgewählten<br />
Ideen werden als Projektsteckbriefe aufbereitet<br />
und nach der Freigabe durch<br />
das Entscheidgremium (Steuergruppe<br />
oder Klinik-/Spitalleitung) umgesetzt.<br />
In der vierten Etappe (Abschluss) geht<br />
es um die Evaluierung. Mit einem weiteren<br />
Fragebogen werden die Mitarbeitenden<br />
dazu befragt, wie die getroffenen<br />
Massnahmen wirken und welche Verbesserungen<br />
allenfalls noch getroffen werden<br />
könnten. Die Auswertung der Fragebogen<br />
dient entweder als Abschluss des Projekts<br />
oder als Zwischenauswertung für die Einleitung<br />
weiterer Projektschritte und Verbesserungsmassnahmen.<br />
Individuelle Beratung für<br />
<strong>vsao</strong>-Mitglieder<br />
Das Handbuch ist auf der <strong>vsao</strong>-Website frei<br />
verfügbar (medizin-statt-buerokratie.ch).<br />
Es enthält für jeden oben beschriebenen<br />
Schritt Dokumentvorlagen im Powerpoint-,<br />
Word- und Excelformat, die je nach<br />
Bedarf individuell angepasst und erweitert<br />
werden können. Damit sind alle Instrumente<br />
verfügbar, um ein eigenes Projekt<br />
Schritt für Schritt umzusetzen.<br />
<strong>vsao</strong>-Mitglieder, die ein Projekt umsetzen<br />
wollen, erhalten auf Wunsch eine<br />
kostenlose individuelle Beratung im Umfang<br />
von 30 Minuten durch Philipp Rufer,<br />
der die Pilotprojekte begleitet hat. Jeden<br />
Ideation-Workshop (Kernstück der dritten<br />
Etappe) unterstützt der <strong>vsao</strong> zudem, indem<br />
er die Verpflegung für die Teilnehmenden<br />
organisiert und finanziert. Mitglieder,<br />
die von diesen Angeboten Gebrauch<br />
machen möchten, melden sich<br />
gerne direkt bei sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch.<br />
@<strong>vsao</strong>asmac<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 19
©Pierre-Yves Massot<br />
Lachen und Träume<br />
für unsere Kinder im Spital<br />
Jede Woche erhalten die Kinder im Spital Besuch von<br />
den Traumdoktoren.<br />
Ihre Spende schenkt Lachen. Herzlichen Dank.<br />
www.theodora.ch<br />
IBAN CH51 0900 0000 1006 1645 5
Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
Im AA-Universum<br />
Was kommt genau<br />
wo hinein?<br />
Es hilft, den oftmals harzigen<br />
Spitalalltag – wann immer<br />
möglich – mit Humor zu<br />
nehmen. Natürlich ist Medizin<br />
in der Regel nicht zum Lachen, aber allzu<br />
ernst sollte man es auch nicht immer<br />
nehmen. Mein Tipp: Meistens muss man<br />
sich nicht allzu sehr anstrengen, um<br />
etwas Lustiges zu finden. Denn komische<br />
Situationen begegnen einem täglich. Es<br />
reicht völlig, wenn man sich ein wenig<br />
umsieht und darauf achtet.<br />
Bekanntlich hat der Mensch verschiedene<br />
Öffnungen am Körper. Durch welche<br />
nun ein Medikament durch soll, ist nicht<br />
immer auf Anhieb klar und muss dementsprechend<br />
klar definiert werden. Letztlich<br />
rief eine etwas verzweifelte Patientin an<br />
und berichtete, trotz regelmässiger Einnahme<br />
von Analgetika noch immer unter<br />
Schmerzen zu leiden. Nach einem kurzen<br />
Blick auf die ausgestellten Rezepte sah<br />
ich, dass ihr ein Voltaren Supp verschrieben<br />
worden war. Nach langem Hin und<br />
Her kam schliesslich raus, dass sich die<br />
Patientin in der Öffnung vertan und statt<br />
den analen den peroralen Weg gewählt<br />
hatte. Und die Vaginaltabletten schluckte<br />
sie gleich hinterher. Wobei Letztere<br />
durchaus sehr einfach mit oralen Tabletten<br />
verwechselt werden können, muss ich<br />
zum Schutz der Patientin sagen.<br />
Ebenfalls interessant sind die verschiedenen,<br />
meist sehr abenteuerlichen<br />
erotischen oder zumindest als erotisch<br />
empfundenen Geschichten mancher<br />
Menschen. So kann eine Bartholin-Zyste<br />
durchaus einen erregenden Charakter<br />
annehmen und als sexuell besonders<br />
stimulierend empfunden werden. So<br />
zumindest nach Aussage einer Patientin,<br />
die mich letzthin entsprechend hierüber<br />
aufklärte. Ein Kollege aus der Chirurgie<br />
erzählte mir kürzlich von einem Patienten,<br />
der versuchte, sich mit dem Staubsaugeraufsatz<br />
den Analmuskel auszudehnen<br />
. Der Plan klappte nicht ganz, blieb<br />
doch der Aufsatz dummerweise stecken<br />
und musste operativ entfernt werden.<br />
Was tun, wenn um 2.30 Uhr morgens<br />
eine angetrunkene – das entschlüsselt<br />
sich nicht zuletzt aus der olfaktorischen<br />
Wahrnehmung – Dame vor der Türe steht,<br />
die ihren Tampon nicht mehr ausfindig<br />
machen kann? Nach gründlicher Suche<br />
fand sich der Schlingel weder vaginal,<br />
noch anal, noch oral, noch sonst in einer<br />
Öffnung. Weitere Möglichkeiten stehen<br />
der kreativen Imagination offen. Es gibt<br />
bekanntlich nichts, was es nicht gibt.<br />
Camille Bertossa,<br />
Assistenzärztin im<br />
1. Weiterbildungsjahr<br />
Bild: zvg<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 21
<strong>vsao</strong><br />
Neues aus<br />
den Sektionen<br />
Basel<br />
«Bloody Mary» erleichtert<br />
das Blutspenden<br />
Wir sind uns alle der anspruchsvollen und<br />
kraftraubenden Natur des Klinikalltags<br />
bewusst. Darüber hinaus ist es bekannt,<br />
dass Blutreserven, insbesondere bei spezifischen<br />
Blutgruppen, häufig knapp sind,<br />
was die Arbeit der Ärzte und Ärztinnen<br />
zusätzlich erschwert.<br />
Im Rahmen des gemeinsamen Projekts<br />
«Ständig auf Achse – Tour de Bâle»<br />
möchten der VSAO Basel und das Blutspendezentrum<br />
SRK beider Basel, mit<br />
Unterstützung der Medizinischen Gesellschaft<br />
Basel MedGes und der Ärztegesellschaft<br />
Baselland, der ständigen Blutknappheit<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Wir planen, möglichst viele Ärztinnen<br />
und Ärzte sowie das gesamte weitere Spitalpersonal<br />
zur Blutspende zu motivieren.<br />
Im Wissen darum, dass sie dauernd auf<br />
Achse sind und kaum Zeit für eine Blutspende<br />
haben, selbst wenn sie aus Erfahrung<br />
wissen, wie überaus wichtig eine<br />
regelmässige Blutspende wäre.<br />
Gemeinsam haben wir deshalb das<br />
Projekt Tour de Bâle ins Leben gerufen. Es<br />
verfolgt zwei Ziele: Erstens den Aufwand<br />
für das Klinikpersonal beim Blutspenden<br />
zu minimieren und zweitens die Bedeutung<br />
der Blutspende ins Bewusstsein zu rufen.<br />
So funktionierts:<br />
Das Busteam der Blutspende Basel wird<br />
mit dem hochmodernen Blutspendebus<br />
(liebevoll Bloody Mary genannt) im Zeitraum<br />
von einem Jahr eine Runde durch<br />
ganz Basel und Liestal drehen und alle<br />
teilnehmenden Spitäler besuchen. Dadurch<br />
haben Ärztinnen, Ärzte und das<br />
Spitalpersonal der Region Basel die Möglichkeit,<br />
effizient und schnell an ihrem<br />
eigenen Arbeitsplatz Blut zu spenden.<br />
Offiziell startete die Tour am Weltblutspendetag,<br />
dem 14. Juni, im Universitätsspital<br />
Basel (USB) und dem Universitäts-Kinderspital<br />
beider Basel (UKBB)<br />
und war ein Erfolg!<br />
Tour <strong>2023</strong>/2024:<br />
30. <strong>August</strong> KSBL Bruderholz<br />
11. September KSBL Liestal<br />
25. September Merian Iselin Klinik<br />
16. November Felix Platter Spital<br />
21. März 2024 Bethesda Spital<br />
Weitere Spitäler haben angefragt und werden<br />
laufend in die Tour eingeplant.<br />
Jenny Settembrini, Leiterin Kommunikation<br />
VSAO Basel<br />
Thurgau<br />
Mitmachen und etwas<br />
bewegen<br />
Du arbeitest auch im Thurgau? Dann<br />
komm doch bei uns vorbei!<br />
Der Vorstand der Sektion Thurgau<br />
möchte sich vergrössern und sucht engagierte<br />
Mitstreiterinnen und Mitstreiter,<br />
die bei uns mitmachen. Was das heisst?<br />
Wir treffen uns viermal im Jahr in gemütlicher<br />
Runde und besprechen die Anliegen<br />
unserer Mitglieder, sei es zum Thema<br />
Arbeitszeit, zu Arbeitsverträgen oder zu<br />
anderen rechtliche Fragen. Mit dabei ist<br />
auch immer unser Sektionsjurist. Gemeinsam<br />
haben wir für die Spitalärztinnen und<br />
-ärzte in unserem Kanton schon viel bewirkt:<br />
Zum Beispiel haben wir erreicht,<br />
dass der Gesamtarbeitsvertrag für Psychiaterinnen<br />
und Psychiater eine niedrigere<br />
Stundenzahl (46 Stunden) vorsieht<br />
und die Arbeitszeiterfassung mittels Stempeln<br />
korrekter erfasst wird als zuvor.<br />
Wir freuen uns darauf, wenn Kolleginnen<br />
und Kollegen uns kennenlernen und<br />
bei unserer spannenden Arbeit mit anpacken<br />
möchten. Ein Besuch als Gast bei<br />
unseren Sitzungen ist jederzeit und völlig<br />
unkompliziert möglich. Melde dich einfach<br />
bei info@<strong>vsao</strong>-tg.ch oder schau auf<br />
unserer Website www.<strong>vsao</strong>-tg.ch nach, auf<br />
der wir unsere nächsten Treffen und Versammlungen<br />
ankündigen. Bis bald!<br />
Michael Wallies, Co-Präsident VSAO Thurgau<br />
Bilder: zvg<br />
22<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
Bild: zvg<br />
Zürich /<br />
Schaffhausen<br />
Erklärvideo zur<br />
42+4 h-Arbeitswoche<br />
In zahlreichen Spitälern wird aktuell über<br />
die Einführung einer 42+4 h-Arbeitswoche<br />
diskutiert. Es freut uns, dass der Vorstoss<br />
nun auch in den Spitalleitungen Gehör findet<br />
– unter anderem auch infolge unserer<br />
Kündigung des GAV, der bislang zwischen<br />
Assistenzärzt/innen und den kantonalen<br />
Kliniken bestand.<br />
Damit unsere Mitglieder noch besser<br />
verstehen, was das Modell für ihren Arbeitsalltag<br />
bedeutet, haben wir ihre Fragen<br />
gesammelt und beantwortet. In unserem<br />
Erklärvideo zeigen wir, wie die 42+4 h-Woche<br />
konkret umgesetzt werden und welche<br />
Konsequenzen sie für die Ärzteschaft und<br />
die Klinken mit sich bringen könnte.<br />
Das Erklärvideo findest Du auf<br />
www.<strong>vsao</strong>-zh.ch/aktuell<br />
VSAO Zürich mit neuem<br />
Co-Präsidium<br />
Unsere Sektion startet mit einem Co-Präsidium<br />
ins neue Amtsjahr. Die beiden<br />
Co-Präsidenten, namentlich Anna Wang,<br />
bisherige Präsidentin, sowie Federico<br />
Mazzola, bisheriges Vorstandsmitglied,<br />
wurden an unserer Mitgliederversammlung<br />
Mitte Juni gewählt.<br />
Federico Mazzola und Anna Wang, das neue<br />
Co-Präsidium des VSAO Zürich.<br />
Sowohl Anna Wang als auch Federico<br />
Mazzola haben an der Universität Zürich<br />
studiert und verfügen dank ihrer Arbeit auf<br />
nationaler und internationaler Ebene<br />
(swimsa, IFMSA, VSAO Sektion Solothurn)<br />
über ein grosses Netzwerk. Beide haben<br />
zudem die Swiss Medical Students Association<br />
präsidiert und kennen im Kanton<br />
Zürich Mediziner/innen verschiedenster<br />
Altersgruppen. In der Klinik arbeiten beide<br />
als leidenschaftliche Chirurgen. Wir sind<br />
uns sicher, dass sie unseren Berufsverband<br />
auf innovative, effiziente Art und mit konkreten<br />
Ideen vorwärtsbringen werden.<br />
An der Mitgliederversammlung Mitte<br />
Juni wurden ebenfalls unsere beiden<br />
neuen Vorstandsmitglieder Mira Klix<br />
(Ressort Chirurgie) und Zehra Hepp (Ressort<br />
Chancengerechtigkeit) gewählt. Wir<br />
freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit.<br />
Schliesslich verabschiedeten wir uns von<br />
unseren bisherigen Vorstandsmitgliedern<br />
Linda Kammer und David Muggli und<br />
danken beiden für ihren langjährigen Einsatz<br />
beim VSAO Zürich.<br />
Die diesjährige Mitgliederversammlung<br />
fand bei sommerlichem Wetter im<br />
Kongresshaus mit Blick auf den Zürichsee<br />
statt. Neben unseren Traktanden sorgte<br />
die internationale TV-Moderatorin Martina<br />
Fuchs mit ihrem Input zu den kulturellen<br />
Unterschieden beim Gebrauch<br />
von Emojis für Unterhaltung. Besonders<br />
freute uns auch der Besuch der VSAO<br />
Präsidenten aus den Sektionen Basel, Zentralschweiz<br />
und Aargau!<br />
Herzlichen Dank allen Mitgliedern<br />
fürs Dabeisein – auf ein weiteres tatkräftiges<br />
Jahr!<br />
Rückzug der Zulassungssteuerung<br />
Ende Juni hat die Gesundheitsdirektion<br />
des Kantons Zürich mitgeteilt, dass die<br />
sich in der Vernehmlassung befindende<br />
«Kantonale Verordnung über die Festlegung<br />
der Höchstzahlen für Ärztinnen und<br />
Ärzte im ambulanten Bereich (VHZA)»<br />
mangels gesetzlicher Grundlage zurückgezogen<br />
werde. Damit kam es per 1. Juli<br />
<strong>2023</strong> nicht zu der in der Verordnung vorgesehenen<br />
Beschränkung der Zahl der<br />
zugelassenen Ärztinnen und Ärzte in den<br />
vier Fachgebieten Kardiologie, Radiologie,<br />
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie<br />
sowie Urologie.<br />
Auch der VSAO Zürich hatte fristgerecht<br />
zum Verordnungsentwurf Stellung<br />
genommen und die fehlende rechtliche<br />
Grundlage bemängelt. Überdies wurde<br />
der Verordnungsentwurf als zu unausgereift<br />
beurteilt, weshalb der VSAO Zürich<br />
den Entscheid des Regierungsrats begrüsst,<br />
derzeit auf die Zulassungsbeschränkung<br />
zu verzichten.<br />
Nächste Events des VSAO Zürich<br />
Politpodium zu den nationalen Wahlen<br />
Im Herbst stehen die Wahlen in den National-<br />
und Ständerat an. Gemeinsam mit<br />
der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich<br />
AGZ laden wir deshalb unsere Mitglieder<br />
ein, ihre Kolleginnen und Kollegen, die<br />
sich zur Nationalratswahl stellen, persönlich<br />
kennenzulernen und mit ihnen zu<br />
diskutieren. Unser Wahlevent mit Angelo<br />
Barrile (Präsident <strong>vsao</strong> Schweiz, abtretender<br />
Nationalrat) und Yvonne Gilli (Präsidentin<br />
FMH, ehemalige Nationalrätin),<br />
moderiert von Patrick Hässig, findet am<br />
21. September <strong>2023</strong> ab 18.30 Uhr im Hotel<br />
Marriott Zürich statt. Anmeldung unter<br />
www.<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />
Time to cut – Surgical Basics 4 Everyone<br />
Nach der erfolgreichen Premiere letztes<br />
Jahr freuen wir uns auf die zweite Durchführung<br />
des Karriereseminars für Assistenz-<br />
und Oberärzt/innen. Ein abwechslungsreiches<br />
Programm mit Karrieregesprächen<br />
und Hands-on-Trainings wartet<br />
auf die Teilnehmenden.<br />
Samstag, 7. Oktober <strong>2023</strong>, Universität<br />
Zürich. Anmeldung unter www.<strong>vsao</strong>-zh.ch.<br />
Dominique Iseppi, Kommunikationsassistentin,<br />
VSAO Zürich / Schaffhausen<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 23
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Inside<br />
Matthias Jungo<br />
Wohnort: Freiburg<br />
Beim <strong>vsao</strong> seit: Januar <strong>2023</strong><br />
Der <strong>vsao</strong> für Dich in drei Worten:<br />
Engagiert, lösungsorientiert,<br />
wertschätzend<br />
Das Wort «Verbandsentwicklung»<br />
mag für viele trocken<br />
klingen. Nicht jedoch für<br />
Matthias Jungo, der seit<br />
Anfang Jahr als Leiter Gremien und<br />
Vernetzung beim <strong>vsao</strong> wirkt.<br />
Sitzt Matthias Jungo nicht in seinem<br />
Büro am Bollwerk 10 in Bern, ist die<br />
Wahrscheinlichkeit gross, dass er<br />
draussen anzutreffen ist: beim Wandern<br />
mit seiner Familie, beim Rennradfahren<br />
über irgendeinen Pass oder beim Joggen<br />
im Freiburger Galterental. Mindestens<br />
so schnell wie er joggt, redet er auch.<br />
Etwa wenn er über den Aufbau und die<br />
Entwicklung von Workshops und Webinaren<br />
für Assistenz- und Oberärztinnen<br />
und -ärzte sowie Medizinstudierende<br />
spricht, die er vorantreiben möchte.<br />
Wenn er aufzählt, worauf es bei der<br />
Organisation von Gremiensitzungen<br />
ankommt. Oder wenn er erklärt, warum<br />
der Bereich der Verbandsentwicklung<br />
beim <strong>vsao</strong> neu geschaffen wurde. «Unser<br />
Ziel ist es, die Zusammenarbeit im <strong>vsao</strong><br />
zu stärken, Synergien zu nutzen und<br />
voneinander zu lernen.»<br />
Um herauszufinden, wie der Verband<br />
funktioniert und wo es Optimierungspotenzial<br />
gibt, hat Matthias seit seinem<br />
Stellenantritt vor acht Monaten eine<br />
regelrechte Tour de Suisse gemacht und<br />
fast alle Sektionen besucht. Nebst vielen<br />
Unterschieden bei der Organisation<br />
der Sektionen ist Matthias, der Betriebswirtschaft<br />
studiert hat und zuletzt als<br />
Geschäftsleiter bei Caritas Bern tätig war,<br />
auch eine grosse Gemeinsamkeit aufgefallen:<br />
«Wir hatten stets einen offenen<br />
und konstruktiven Austausch. Das hat<br />
mich sehr gefreut.»<br />
Diese konstruktive Stimmung ist<br />
denn auch das, was der Hobbybrotbäcker<br />
im Zentralsekretariat besonders schätzt.<br />
Und er findet beim <strong>vsao</strong> noch weitere<br />
Zutaten für eine sinnstiftende und freudvolle<br />
Arbeit: Das fröhliche und engagierte<br />
Team, die Offenheit gegenüber neuen<br />
Ideen und die wichtigen Anliegen, für welche<br />
sich der <strong>vsao</strong> einsetzt, sorgen dafür,<br />
dass Matthias nicht nur gerne draussen<br />
Sport treibt, sondern wochentags auch<br />
gerne im Zug von Freiburg nach Bern sitzt.<br />
Bild: zvg<br />
24<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong>-Rechtsberatung<br />
Fortzahlung von Provisionen<br />
bei Krankheit<br />
Bild: zvg<br />
Ich arbeite seit 18 Monaten in<br />
einem privaten Gesundheitszentrum.<br />
Gemäss Arbeitsvertrag<br />
bekomme ich einen Fixlohn<br />
sowie zusätzlich Provisionen auf den<br />
fakturierten Leistungen, die ich für<br />
meine Patientinnen und Patienten<br />
erbringe. Mein Kind wird in einigen<br />
Monaten zur Welt kommen. Auf welchen<br />
Lohn habe ich Anspruch, falls<br />
ich vor der Geburt krankgeschrieben<br />
werde bzw. während meines Mutterschaftsurlaubs?<br />
In meinem Arbeitsvertrag<br />
sind diese Punkte nicht im<br />
Detail geregelt.<br />
Das Arbeitsrecht sieht keinen bezahlten<br />
vorgeburtlichen Urlaub vor, der durch<br />
eine Sozialversicherung gedeckt wird.<br />
Eine schwangerschaftsbedingte Arbeitsunfähigkeit<br />
vor der Geburt wird also<br />
gleich behandelt wie eine krankheitsbedingte<br />
Arbeitsunfähigkeit.<br />
Bei sämtlichen Arbeitsverhinderungen,<br />
welche die Arbeitnehmenden,<br />
wie im vorliegenden Fall, persönlich<br />
betreffen, sieht das Gesetz einen zeitlich<br />
begrenzten Lohnanspruch vor. Dieser<br />
steigt mit zunehmendem Dienstalter.<br />
Gemäss der Rechtsprechung der Gerichte<br />
(sogenannte Berner Skala), beträgt dieser<br />
Lohnanspruch<br />
– im ersten Dienstjahr drei Wochen,<br />
– im zweiten Dienstjahr einen Monat,<br />
– im dritten und vierten Dienstjahr<br />
zwei Monate,<br />
– vom fünften bis neunten Dienstjahr<br />
drei Monate,<br />
– vom zehnten bis vierzehnten<br />
Dienstjahr vier Monate,<br />
– vom fünfzehnten bis neunzehnten<br />
Dienstjahr fünf Monate,<br />
– ab dem zwanzigsten Dienstjahr<br />
sechs Monate.<br />
Diese Lohnfortzahlung deckt sämtliche<br />
Arbeitsverhinderungen innerhalb eines<br />
Dienstjahres ab. Ist der jährliche Lohnfortzahlungsanspruch<br />
also ausgeschöpft,<br />
ist der Arbeitgeber bei einer länger<br />
andauernden Arbeitsverhinderung nicht<br />
verpflichtet, den Lohn weiter zu bezahlen.<br />
In der Regel schliessen die Arbeitgeber<br />
jedoch eine Taggeldversicherung ab,<br />
um diesen gesetzlich vorgesehenen<br />
Lohnanspruch bei Arbeitsverhinderung<br />
zu ersetzen oder zu ergänzen. Häufig<br />
sind die Arbeitgeber aufgrund von<br />
Gesamtarbeitsverträgen verpflichtet,<br />
solche Versicherungsdeckungen<br />
abzuschliessen.<br />
Wenn der Lohn vollständig oder<br />
teilweise in Form von Provisionen<br />
bezahlt wird, wie in Ihrem Fall, muss<br />
der Arbeitgeber während der oben<br />
erwähnten Perioden die fehlenden<br />
Provisionen auch kompensieren.<br />
Dazu stützt er sich üblicherweise auf<br />
die in den Vormonaten durchschnittlich<br />
bezahlten Provisionen. Wenn eine<br />
Taggeldversicherung besteht, werden<br />
die Leistungen in der Regel auch unter<br />
Berücksichtigung der als Lohn ausbezahlten<br />
Provisionen berechnet. Die<br />
entsprechenden Angaben finden Sie<br />
in der Versicherungspolice, die vom<br />
Arbeitgeber abgeschlossen wurde, sowie<br />
in den dazugehörigen Allgemeinen<br />
Versicherungsbedingungen (AVB).<br />
Da Sie erst im zweiten Dienstjahr<br />
sind, ist Ihr Arbeitgeber – falls er keine<br />
solche Taggeldversicherung abgeschlossen<br />
hat – im Falle einer Arbeitsunfähigkeit<br />
vor der Geburt nur während eines<br />
Monats zur Lohnfortzahlung (Grundlohn<br />
und Provisionen) verpflichtet. Diese<br />
Dauer wird noch kürzer ausfallen, wenn<br />
Sie in den vorangehenden Monaten<br />
bereits aus anderen Gründen arbeitsunfähig<br />
waren.<br />
Bei Mutterschaft sieht das Gesetz<br />
einen vierzehnwöchigen Urlaub vor.<br />
Der Arbeitsvertrag oder der Gesamtarbeitsvertrag<br />
kann auch einen längeren<br />
Mutterschaftsurlaub vorsehen. Während<br />
der vierzehn Wochen des gesetzlichen<br />
Mutterschaftsurlaubs erhält die Arbeitnehmerin<br />
gemäss Bundesgesetz über<br />
den Erwerbsersatz (EOG) 80 Prozent<br />
des versicherten Lohnes (Fixlohn und<br />
Provisionen), bis zu einem Höchstbetrag<br />
von CHF 220.– pro Kalendertag. Der<br />
Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die<br />
Differenz zwischen dieser Mutterschaftsentschädigung<br />
und dem vollen Lohn<br />
auszugleichen, es sei denn, der Arbeitsvertrag<br />
oder ein Gesamtarbeitsvertrag<br />
verlangen dies.<br />
Christian Bruchez,<br />
Jurist der VSAO-Sektion Genf<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 25
Fokus: Wild<br />
Born to be wild<br />
Munzig klein lagen sie an Ostern in ihrem Nest,<br />
vier frisch geschlüpfte Habichtskäuze im Zoo Zürich.<br />
Doch lange bleiben sie nicht da. Sobald die Jungtiere flügge sind,<br />
werden sie ausgewildert und tragen so zum Erhalt ihrer Art bei.<br />
Der Zoo Zürich beteiligt sich an diesem und weiteren Auswilderungsprojekten,<br />
zum Beispiel zur Förderung des Waldrapps,<br />
denn neben Edukation und Forschung sind Natur- und Artenschutz<br />
die grössten Anliegen eines modern geführten Zoos.<br />
Dr. Pascal Marty, Kurator Zoo Zürich, und Martina Kaelin, PR-Managerin Zoo Zürich<br />
Es ist eine freudige Nachricht:<br />
Einst in Zentraleuropa ausgestorben,<br />
ist der Waldrapp wieder<br />
da. Die aufwendige Wiederansiedlung<br />
des Ibisvogels ist laut einem<br />
Artikel, der kürzlich im Wissenschaftsmagazin<br />
«Oryx» veröffentlicht<br />
wurde, auf gutem Weg. Auch der Zoo Zürich<br />
beteiligt sich an mehreren Artenschutzprojekten.<br />
Er hält seit 1971 Waldrappe<br />
und schickt regelmässig Jungvögel<br />
in Auswilderungsstationen in Europa.<br />
Weil die Jungtiere im Winter nicht instinktiv<br />
in den Süden migrieren, werden<br />
sie von menschlichen Pflegeeltern aufgezogen<br />
und trainiert, einem Ultraleichtflugzeug<br />
zu folgen, so dass die Jungvögel<br />
im Herbst ins Überwinterungsgebiet gelangen,<br />
wo sie dann eigenständig überwintern.<br />
Mit seinen strubbeligen Nackenfedern<br />
und seiner düsteren Erscheinung ist<br />
der Waldrapp definitiv keine klassische<br />
Schönheit. Aber: Er war beliebt – als<br />
fleischliche Delikatesse. Oder als Trophäe.<br />
Aus diesem Grund wurde der Waldrapp im<br />
Mittelalter so lange gejagt, bis es ihn nicht<br />
mehr gab. Im 17. Jahrhundert starb der<br />
Zugvogel mit dem langen gebogenen<br />
Schnabel hierzulande und in ganz Mitteleuropa<br />
endgültig aus. Nur ein paar Restpopulationen<br />
in Nordafrika und im Nahen<br />
Osten überlebten.<br />
knapp 100 Jahren halten, existiert eine gesunde<br />
Reservepopulation. Doch der Artenschutzgedanke<br />
geht über die erfolgreiche<br />
Nachzucht in Zoos hinaus. Seit 2003<br />
wird eine migrierende Population in Mitteleuropa<br />
angesiedelt. Nun zeigen wissenschaftliche<br />
Daten, dass die Population gute<br />
Aussichten auf ein langfristiges Überleben<br />
hat. Aktuell sind etwa 200 Vögel im<br />
Lebensraum Österreich und Süddeutschland<br />
unterwegs – und auch in der Schweiz<br />
werden Waldrappe gesichtet. Seit 2011<br />
pflanzt sich die Population in der Wildnis<br />
erfolgreich fort, durchschnittlich gibt es<br />
mehr als zwei flügge gewordene Jungvögel<br />
pro Nest. Allerdings ist die Population<br />
noch nicht selbsterhaltend, da es immer<br />
wieder zu Todesfällen durch illegale Jagd<br />
kommt oder Tiere aufgrund von Stromleitungen<br />
sterben. Deshalb werden die Auswilderungsprojekte<br />
vorerst aufrechterhalten,<br />
weiterhin auch mit Jungvögeln aus<br />
dem Zoo Zürich. Ziel des Projektes ist es,<br />
die Population auf mindestens 350 Individuen<br />
anwachsen zu lassen.<br />
Heimkehr der Habichtskäuze<br />
Was mit dem Waldrapp auf gutem Weg ist,<br />
soll auch mit dem Habichtskauz gelingen.<br />
Seit 2009 werden im Osten Österreichs<br />
Langfristiges Überleben des<br />
Waldrapps ist realistisch<br />
Noch heute ist der Waldrapp gefährdet.<br />
Dank europäischen Zoos, die ihn seit<br />
Vielleicht keine Schönheit, aber auf jeden Fall imposant und schützenswert. Dank internationalen<br />
Auswilderungsprogrammen sind die vor langer Zeit ausgerotteten Waldrappe auch in der Schweiz<br />
wieder unterwegs.<br />
Bilder: Zoo Zürich<br />
26<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Kleiner Vogel, grosser Hoffnungsträger: Nur wenige Wochen ist dieser Habichtskauz alt, aber bald wird er den Zoo Zürich verlassen,<br />
um in Österreich ausgewildert zu werden und zum Erhalt seiner Art beizutragen.<br />
Habichtskäuze, die in Zoos geschlüpft<br />
sind, ausgewildert, mit dem Ziel, ihr langfristiges<br />
Überleben zu sichern. Der Zoo<br />
Zürich unterstützt dieses Projekt mit<br />
Jungvögeln. Die Jungtiere bauen die lokale<br />
Population aus und sind ein wichtiger<br />
Baustein im Artenschutzbestreben.<br />
Der Habichtskauz hat eine durchgehende<br />
Verbreitung von Nordeuropa über<br />
Russland bis nach Japan. Während es<br />
in Osteuropa noch Populationen von Habichtskäuzen<br />
gibt, sind sie Mitte des<br />
20. Jahrhunderts in unsern Nachbarländern<br />
Österreich und Deutschland ausgestorben.<br />
Ob die Art auch in der Schweiz<br />
heimisch war, ist nicht ganz klar. Es gibt<br />
historische Hinweise, aber nur wenige.<br />
Ursache für das Aussterben waren der Lebensraumverlust<br />
und die Bejagung durch<br />
den Menschen.<br />
Der Habichtskauz ist eine grosse Eule<br />
und besitzt Ähnlichkeit mit dem Waldkauz.<br />
Er ist aber viel grösser und schwerer.<br />
Er ist dämmerungs- und nachtaktiv, während<br />
der Jungenaufzucht auch tagaktiv.<br />
Die Augen von Eulen sind nach vorne gerichtet,<br />
was ein binokulares Sehen ermöglicht.<br />
Obwohl die Augen selbst nicht beweglich<br />
sind, können die Eulen ihren Kopf<br />
mit 14 Halswirbeln um bis zu 270 Grad<br />
drehen, was ihr Gesichtsfeld stark vergrössert.<br />
Habichtskäuze leben monogam und<br />
verteidigen ein gemeinsames Revier gegen<br />
Artgenossen. Das Weibchen bebrütet<br />
die ein bis sechs Eier seines Geleges während<br />
32 bis 34 Tagen. Das Männchen füttert<br />
es in dieser Zeit. Nach weiteren 35 bis<br />
40 Tagen verlassen die Jungtiere das Nest<br />
zum ersten Mal.<br />
Küken aus ganz Europa<br />
Der Zoo Zürich unterstützt das Projekt<br />
der Österreichischen Vogelwarte und der<br />
Veterinärmedizinischen Universität Wien<br />
mit der Abgabe von Jungvögeln. Das Ziel<br />
ist die Etablierung einer stabilen Population<br />
von Habichtskäuzen. Dazu braucht<br />
es jedes Jahr Jungvögel. Insgesamt 49<br />
Brutpaare aus 32 Zoos und Zuchtstationen<br />
in sieben europäischen Ländern beteiligen<br />
sich am Auswilderungsprojekt. Die<br />
vier Küken, die im Zoo Zürich über Ostern<br />
geschlüpft sind, werden in den nächsten<br />
Wochen nach Österreich abreisen. Zur<br />
Identifikation wurden sie bereits im Zoo<br />
Zürich beringt.<br />
Der Weg in die Natur erfolgt nach einer<br />
erprobten Methode und in zwei Schritten.<br />
Um sich an die neue Umgebung zu<br />
gewöhnen, kommen die jungen Eulen am<br />
Freilassungsort zuerst in eine Voliere. So<br />
können sie die Umgebung kennenlernen<br />
und sich akklimatisieren. Im Juli werden<br />
sie aus dieser Voliere entlassen und können<br />
ihr Revier beziehen, um im Herbst mit<br />
der Balz zu beginnen. 2016 war mit 45 freigelassenen<br />
Habichtskäuzen das erfolgreichste<br />
Jahr des Wiederansiedlungsprojektes.<br />
Normalerweise brüten die Habichtskäuze<br />
in Baumhöhlen oder in Horsten von<br />
anderen Grossvögeln. Um den Bruterfolg<br />
zu erhöhen, stellt das Projekt «Habichtskauz<br />
Wiederansiedlung» auch witterungsgeschützte<br />
Nistkästen auf. Zurzeit existieren<br />
440. Diese werden von ehrenamtlichen<br />
Nistkastenbetreuerinnen und -betreuern<br />
kontrolliert. Seit 2011 sind<br />
erfolgreiche Naturbruten beobachtet worden.<br />
2021 war das bisher erfolgreichste<br />
Brutjahr mit 47 Jungvögeln von über 20<br />
nachgewiesenen Paaren. Das Zählen des<br />
Habichtskauzes gilt als eher schwierig. Er<br />
bewohnt ein grosses Gebiet, oft ist dieses<br />
schwer zugänglich und hoch in den Bergen.<br />
Erschwerend für das Zählen kommt<br />
die hauptsächlich nächtliche Lebensweise<br />
im Dunkeln dazu. Um den Erfolg der<br />
Wiederansiedelung zu messen, werden<br />
einige der Habichtskäuze mit einem Sender<br />
ausgestattet, mit dem sie hoffentlich<br />
zusammen mit immer mehr Artgenossen<br />
durch die Lüfte schweben.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 27
Fokus: Wild<br />
Bild: Adobe Stock<br />
28<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 29
Fokus: Wild<br />
Mitten drin in der Szene. Anonym und kostenlos kann man<br />
direkt im Club seine Drogen testen lassen. Damit verbunden ist<br />
jedoch ein Beratungsgespräch, denn auch Freizeitkonsum<br />
ist nicht ungefährlich.<br />
Aus den Augen …<br />
… aber nicht aus dem Sinn.<br />
Der Konsum legaler und illegaler Drogen ist<br />
in der Schweiz weit verbreitet. Dominique Schori,<br />
Leiter des Drogeninformationszentrums (DIZ) Zürich,<br />
versucht die Konsumkompetenz zu stärken und so<br />
Abhängigkeiten zu verhindern.<br />
Catherine Aeschbacher, ehemalige Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Wer je eine offene Drogenszene<br />
wie den Zürcher Platzspitz gesehen<br />
hat, erhält heute den Eindruck,<br />
das Drogenproblem sei sozusagen<br />
verschwunden. Wohin ist es denn<br />
gegangen?<br />
Verschwunden ist es sicher nicht. Heute<br />
werden nicht weniger Drogen konsumiert<br />
als vor 30 Jahren, aber das Konsumverhalten<br />
hat sich verändert. Zum einen werden<br />
andere Substanzen konsumiert. Zum andern<br />
gibt es andere Gruppen von Konsumierenden,<br />
die man im öffentlichen Raum<br />
weniger sieht. Diese verursachen entsprechend<br />
weniger Probleme in der Öffentlichkeit.<br />
Der für alle sichtbare Leidensdruck<br />
ist dadurch deutlich schwächer. Die Überlebenden<br />
vom Platzspitz sind nicht verschwunden,<br />
aber dank eines grossen Betreuungsangebots<br />
leben sie heute nicht<br />
mehr in einem vergleichbaren Elend.<br />
Welche Drogen werden heute hauptsächlich<br />
konsumiert?<br />
Alkohol ist in allen Gesellschaftsschichten<br />
die am weitaus häufigsten konsumierte<br />
Droge, auch in der Party- und Clubsze<br />
Bilder: zvg<br />
30<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
ne. Wenn wir von illegalen psychoaktiven<br />
Substanzen sprechen, dann ist es Cannabis.<br />
Die Zahlen sind recht beeindruckend.<br />
Mehr als ein Drittel der Schweizer Bevölkerung<br />
hat bereits mindestens einmal im<br />
Leben Cannabis konsumiert, rund 220 000<br />
Menschen in der Schweiz konsumieren regelmässig<br />
Cannabis. Im Vergleich zu andern<br />
europäischen Ländern ist in der<br />
Schweiz zudem der Kokainkonsum recht<br />
hoch. Das hängt vermutlich mit den<br />
ökonomischen Möglichkeiten der schweizerischen<br />
Bevölkerung zusammen. Galt<br />
Kokain früher als «Yuppie-Droge», wird<br />
es heute in allen Bevölkerungsschichten<br />
konsumiert und ist jederzeit verfügbar.<br />
Sprechen wir von Ihrem Arbeitsumfeld.<br />
Wie wild ist die Zürcher Partyszene?<br />
Zürich ist mit seiner Clubszene ein Anziehungspunkt,<br />
dessen Umkreis weit über<br />
die Stadtgrenzen hinausreicht. Ausgehfreudige<br />
finden hier verschiedenste Szenen<br />
und Gruppen. Da Zürich seit 1997 keine<br />
Polizeistunde mehr kennt, ist es quasi<br />
möglich, von Donnerstagabend bis Montagmorgen<br />
durchzufeiern.<br />
Wie hat sich die Szene in den letzten<br />
Jahren verändert?<br />
Zürich hatte lange mit illegalen Partys zu<br />
kämpfen, die irgendwo draussen stattfanden.<br />
Vor rund zehn Jahren entschied man<br />
sich, einen Bewilligungsprozess zu initiieren<br />
und Räume zu schaffen, in denen solche<br />
Partys legal abgehalten werden können.<br />
Vor ca. fünf Jahren ist zur klassischen<br />
Techno-Szene, die es seit den neunziger<br />
Jahren gibt, neu eine Hard-Tech-Szene<br />
hinzugekommen. Diese zieht viele sehr<br />
junge Menschen an, und der Konsum psychoaktiver<br />
Substanzen ist hoch. Auch in<br />
anderen Szenen (z. B. im Hip-Hop) werden<br />
psychoaktive Substanzen konsumiert.<br />
Unterscheiden sich die Szenen auch<br />
bezüglich des Konsums von Substanzen?<br />
Ja, ein Stück weit schon, aber die Grenzen<br />
sind fliessend. Cannabis ist überall üblich,<br />
ebenso Amphetamine. In der Goa-Szene<br />
sind psychodelische Substanzen wie LSD<br />
verbreitet. In der Hard-Tech-Szene sowie<br />
im Hip-Hop haben wir eine Zunahme von<br />
opioidhaltigen Schmerzmitteln und von<br />
Benzodiazepinen festgestellt, auch bei<br />
ganz jungen Menschen. Und dazu kommt<br />
sozusagen als «Grundrauschen» überall<br />
der Alkohol.<br />
Das ergibt eine gefährliche Mischung.<br />
Genau. Am gefährlichsten ist der Mischkonsum,<br />
insbesondere von dämpfenden<br />
Substanzen wie Alkohol, Opioiden und<br />
Benzodiazepinen. In den letzten Jahren<br />
gab es einige Todesfälle von Jugendlichen,<br />
die mediale Aufmerksamkeit erregten.<br />
In allen Fällen kam es zu einem Mischkonsum<br />
von illegalen Substanzen und Alkohol.<br />
Speziell jungen Menschen fehlt das<br />
Risikobewusstsein in Zusammenhang mit<br />
Medikamenten. Diese gelten als sicher,<br />
haben eine Packungsbeilage usw. Sie werden<br />
entsprechend ganz anders wahrgenommen<br />
als beispielsweise Heroin. Dass<br />
die Kombination mit Alkohol lebensgefährlich<br />
sein kann, erkennen viele nicht.<br />
Gefährlich sind auch falsch deklarierte<br />
Substanzen.<br />
Wie gelangen die Jugendlichen an<br />
diese Medikamente?<br />
Der häufigste Weg ist immer noch der persönliche<br />
Kontakt. Zugenommen haben<br />
auch die Online-Vertriebskanäle, sei es Social<br />
Media, seien es Messengerdienste wie<br />
Telegram oder illegale Marktplätze im<br />
Darknet. Zudem werden Substanzen von<br />
den Dealerinnen und Dealern auch an den<br />
Partys selbst verkauft. Der Verkauf «über<br />
die Gasse», wie man ihn von früher kannte,<br />
ist eher selten geworden, zumindest für<br />
unsere Zielgruppen.<br />
Sprechen wir vom Drogeninformationszentrum<br />
(DIZ). Was genau ist<br />
dessen Aufgabe?<br />
Als Teil des Sozialdepartements haben wir<br />
von der Stadt Zürich den Auftrag zur Schadensminderung.<br />
Wir sind die erste Anlaufstelle<br />
für alle, die mit Freizeitkonsum<br />
zu tun haben. Es geht also in erster Linie<br />
um Menschen, die an Partys oder allein<br />
oder mit andern im privaten Rahmen Substanzen<br />
konsumieren und weniger um<br />
Menschen mit einem problematischen<br />
Substanzgebrauch. Ein wichtiges schadensminderndes<br />
Angebot ist das Drug<br />
Checking. Nach Vereinbarung können<br />
Menschen ihre Drogen anonym und kostenlos<br />
testen lassen. Verbindlich dazu gehört<br />
jedoch eine Beratung. Zudem betreiben<br />
wir mehrmals im Jahr ein mobiles<br />
Drug Checking, welches direkt in Clubs<br />
stattfindet. Aber auch hier gehört ein Beratungsgespräch<br />
dazu. Pro Jahr testen wir<br />
rund 3000 Proben. Von diesen ist rund die<br />
Hälfte verunreinigt oder zu hoch dosiert.<br />
Wir geben nie «grünes Licht» für den Konsum<br />
von Drogen, sondern klären über die<br />
spezifischen Risiken auf.<br />
Zur Person<br />
Dominique Schori hat langjährige<br />
berufliche Erfahrung im Bereich<br />
psychoaktive Substanzen in unterschiedlichen<br />
Funktionen und Settings.<br />
Er absolvierte ein Studium der<br />
Philosophie und Geschichte und ist<br />
dipl. Pflegefachmann. Das Drogeninformationszentrum<br />
(DIZ) informiert<br />
und berät neutral und akzeptanzorientiert<br />
rund um den Konsum psychoaktiver<br />
Substanzen und bietet<br />
Drug Checking an.<br />
Wer kommt zu Ihnen?<br />
Das ist eine sehr heterogene Gruppe. Der<br />
Altersdurchschnitt liegt bei 35 Jahren.<br />
Es kommen vereinzelt aber auch sehr<br />
Junge (ab 14) und Ältere (bis 78) ins Drug<br />
Checking. Auch was den Bildungsstand<br />
betrifft, sind alle Niveaus vertreten. Ebenso<br />
unterschiedlich ist das Konsumverhalten.<br />
Es gibt Menschen, die einmal pro Jahr<br />
eine Linie Kokain nehmen, und andere,<br />
die sich Sorgen über ihren täglichen Konsum<br />
machen.<br />
Wann ist Abhängigkeit gegeben?<br />
Grundsätzlich, sobald eine ärztliche Diagnose<br />
vorliegt. Wobei die Grenzen sehr<br />
fliessend sind. Kokain oder Cannabis können<br />
über eine längere Zeit regelmässig<br />
eingenommen werden, ohne dass es dem<br />
Umfeld auffällt und den Alltag tangiert.<br />
Allerdings stellt sich irgendwann möglicherweise<br />
eine Persönlichkeitsveränderung<br />
ein. Dazu kommen die finanziellen<br />
Auswirkungen, die ein regelmässiger<br />
Konsum hat. Unser Ziel ist es deshalb,<br />
Menschen zu befähigen, Substanzen so zu<br />
konsumieren, dass sie nicht in eine Abhängigkeit<br />
geraten. Es geht also um Kon<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 31
Das <strong>Journal</strong> des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
<strong>Nr</strong>. 3, Juni 2021<br />
Seite 27<br />
Kardiologie<br />
Neue Therapien für die<br />
kardiale Amyloidose<br />
Seite 36<br />
Hämatologie<br />
Neoplasien ohne<br />
Chemotherapie behandeln?<br />
Seite 39<br />
Politik<br />
Arbeitszeiten müssen sinken<br />
Seite 6<br />
Fokus: Wild<br />
sumkompetenz. Falls jemand Abstinenz<br />
anstrebt, versuchen wir selbstverständlich,<br />
diese Bemühungen nach Kräften zu<br />
unterstützen.<br />
Welche weitere Aufgaben hat das DIZ?<br />
Neben dem Drug Checking sind gemäss<br />
unserer Zielsetzung die weiterführenden<br />
Beratungsgespräche sehr wichtig. Hier<br />
können Betroffene ihren Konsum reflektieren.<br />
Wir können das gesamte Spektrum<br />
der Sozialarbeit anbieten, d. h. auch bei<br />
finanziellen, beruflichen oder familiären<br />
Problemen Unterstützung bieten, und haben<br />
die Möglichkeit einer längerfristigen<br />
Betreuung. Zudem sind wir im öffentlichen<br />
Raum unterwegs und können an<br />
«Hot Spots» direkt Kontakt aufnehmen.<br />
Schliesslich stehen wir im Kontakt zu<br />
andern Behörden und Institutionen und<br />
suchen Schulen auf, um über Drogen neutral<br />
zu informieren.<br />
Wie sehen Sie die Entwicklung in<br />
Zukunft?<br />
Was uns Sorge bereitet, sind die sehr<br />
Jungen, sprich die 12- bis-17-Jährigen,<br />
die dämpfende Medikamente zusammen<br />
mit Alkohol konsumieren. Wie Studien<br />
zeigen, sind Jugendliche momentan sehr<br />
belastet; zu den Pandemieerfahrungen<br />
kommen Sorgen ums Klima und Angst vor<br />
einem Krieg in Europa. Von daher denke<br />
ich, dass der Konsum von dämpfenden<br />
Substanzen nicht ganz zufällig ist.<br />
Interessant sind ferner die laufenden<br />
Versuche zur Abgabe von Cannabis. Es ist<br />
möglich, dass irgendwann der Konsum<br />
von Cannabis in der Schweiz neu geregelt<br />
wird. Dann wird es wichtig sein zu sehen,<br />
wie man eine Abgabe am besten regelt. In<br />
der Folge stellt sich die Frage, wie man mit<br />
allen andern Substanzen verfahren will.<br />
Aus Ihrer Expertensicht: Welche<br />
wichtigsten Veränderungen würden<br />
Sie sich wünschen?<br />
Ich wünschte mir, dass sich die Wahrnehmung<br />
von Drogen in der öffentlichen<br />
Diskussion verändern würde. Will heissen,<br />
wenn die moralische Trennung in der<br />
fachlichen Debatte zwischen Alkohol und<br />
psychoaktiven Substanzen wegfallen würde.<br />
Die Vorstellung, dass der legale Status<br />
etwas mit Gefährlichkeit zu tun hat, sollte<br />
überdacht werden. Und unter diesen Vorzeichen<br />
sollte man künftig evidenzbasierter<br />
über die Regulierung von Substanzen<br />
nachdenken.<br />
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4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Ich möchte<br />
als Arzt<br />
arbeiten und<br />
meine Kinder<br />
betreuen.<br />
Geht das?<br />
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machen wir es<br />
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Fokus: Wild<br />
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34<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 35
Fokus: Wild<br />
Ein Stück Wildnis<br />
Wer auf seinem Balkon einheimische Wildpflanzen erblühen lässt<br />
und vielleicht noch Nistmöglichkeiten für Insekten oder Vögel schafft,<br />
hilft der Natur in vielerlei Hinsicht. Hier folgt die Bauanleitung<br />
für die eigene ökologische Oase.<br />
Ilinka Siegrist, M. Sc. Umweltwissenschaften, Projektleiterin Stiftung Wirtschaft und Ökologie SWO<br />
Bild: zvg<br />
36<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Ein Sommer ohne summende<br />
Bienen und tanzende Schmetterlinge?<br />
Für viele undenkbar.<br />
Aber leider schreitet auch in<br />
der Schweiz das Artensterben stark voran.<br />
Heutzutage fliegen im Sommer rund 80<br />
Prozent weniger Fluginsekten herum als<br />
noch vor dreissig Jahren. Dabei erfüllen<br />
Insekten unzählige Leistungen für unsere<br />
Ökosysteme, ohne die wir nicht leben<br />
können: Sie sind die Nahrungsgrundlage<br />
unzähliger anderer Tierarten, sie tragen<br />
zur Vermehrung von Pflanzen bei und<br />
leisten durch die Bestäubung einen wichtigen<br />
Beitrag zu unserer Nahrungsversorgung.<br />
Der Rückgang der Artenvielfalt<br />
hängt mit dem Verlust der Lebensräume,<br />
mit dem Ausbringen von Insektiziden<br />
und mit dem Klimawandel zusammen.<br />
Aber auch der Trend zu naturfremden<br />
Gärten setzt vielen Arten zu.<br />
Die Wildnis kommt zurück<br />
Jeder Garten – sei es ein prachtvoller<br />
Schlosspark, ein kleiner Privatgarten oder<br />
der eigene Balkon – entsteht aus einer Beziehung<br />
zwischen dem Ich und der Natur.<br />
Es ist offensichtlich, dass Naturgärten<br />
nicht die alleinige Lösung gegen den Verlust<br />
der Biodiversität sind. Jedoch kann<br />
selbst ein Balkon einen kleinen, aber<br />
wichtigen Beitrag leisten, wenn er naturnah<br />
gestaltet wird.<br />
Einheimische statt fremder Pflanzen<br />
Unsere heimische Schmetterlings- und<br />
Wildbienenfauna liefert unzählige Beispiele<br />
für sogenannte «Schicksalsgemeinschaften»:<br />
So benötigen die Raupen des<br />
Zitronenfalters die beiden Sträucher Faulbaum<br />
oder Kreuzdorn. Ohne diese ganz<br />
bestimmten Futterpflanzen kann sich dieser<br />
Schmetterling nicht entwickeln. Auch<br />
der Stieglitz wird magisch angezogen von<br />
den Samenständen hoher Stauden wie der<br />
Karde. Möchten wir einheimische Tierarten<br />
fördern, müssen wir die entsprechenden<br />
Lebensräume mit den standortgerechten<br />
Pflanzen berücksichtigen. Bei uns<br />
eingebrachte, gebietsfremde Pflanzenarten<br />
stehen meistens ausserhalb dieses<br />
vielfältigen Beziehungsnetzes. So können<br />
vom invasiven Sommerflieder lediglich<br />
drei, vom einheimischen Weissdorn aber<br />
über hundert Schmetterlingsarten leben.<br />
Pflege<br />
Robuste einheimische Pflanzen kommen<br />
vielfach ohne Pflege aus. Sie müssen aber,<br />
wie alle Pflanzen in Gefässen, bei andauernder<br />
Trockenheit gegossen werden.<br />
Nährstoffbedürftige Pflanzen (Arten der<br />
Fettwiesen und Äcker) können mit Hornmehl,<br />
Kompost oder biologischen Düngemitteln<br />
gedüngt werden.<br />
Im Herbst bricht üblicherweise der<br />
Ordnungswahn aus: Alle abgestorbenen<br />
Stängel und Blüten werden abgeschnitten,<br />
um den Balkon winterfest zu machen.<br />
In den Stängeln von Brombeeren, Sonnenblumen,<br />
Karden etc. überwintern jedoch<br />
unzählige Larven. Indem wir zumindest<br />
einen Teil der Winterverstecke bis im April<br />
stehen lassen, bieten wir den Insekten<br />
einen Unterschlupf in der kalten Jahreszeit.<br />
Tipps für den naturnahen Balkon<br />
– Standort<br />
Den natürlichen Standortbedingungen<br />
(Boden, Licht/Schatten, feucht/trocken)<br />
ist unbedingt Rechnung zu tragen. Nach<br />
Möglichkeit sollten nur Pflanzen mit<br />
SWO<br />
Die Stiftung Wirtschaft und Ökologie,<br />
SWO, ist eine gemeinnützige, selbsttragende<br />
Stiftung mit rund 50 Jahren<br />
Erfahrung im praktischen Naturschutz.<br />
Zu unserem Bestreben gehören<br />
der Erhalt und die Förderung der<br />
einheimischen Flora und Fauna und<br />
der vielfältigen Lebensräume in<br />
unserer Kulturlandschaft und im<br />
Siedlungsraum. Konkret bietet die<br />
SWO bei ökologisch wertvollen Projekten<br />
Beratung, Planung, Umsetzung<br />
und Unterhalt aus einer Hand an. Die<br />
SWO ist mit Arbeitsgruppen in den<br />
Regionen Zürich, Wallis und Basel<br />
unterwegs.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.stiftungswo.ch<br />
Nützliche Links:<br />
www.pronatura.ch, www.wildstauden.ch,<br />
www.bioterra.ch, www.floretia.ch,<br />
www.stiftungswo.ch<br />
ähnlichen Ansprüchen in dasselbe Balkonkistchen<br />
gepflanzt werden.<br />
– Erde<br />
Die übliche (Torf-)Balkonerde eignet<br />
sich nur in wenigen Fällen für einheimische<br />
Wildpflanzen, da sie zu nährstoffreich<br />
ist. Mischungen aus Magererde,<br />
Kies oder Sand mit geringem<br />
Zusatz von Rindenkompost oder eigenem<br />
Balkonkompost ermöglichen ein<br />
gutes Wachstum. Beim Pflanzen von<br />
Gemüse oder Beeren sollten die Töpfe<br />
stets mit Stroh, Heu oder bodendeckenden<br />
Pflanzen abgedeckt werden. Ohne<br />
Mulch trocknet die Erde aus oder muss<br />
täglich ausgiebig gegossen werden. Um<br />
Stau nässe zu verhindern, müssen alle<br />
Töpfe mit ausreichend Abflussöffnungen<br />
versehen sein.<br />
– Pflanzen<br />
Bei der Bepflanzung sollten einheimische<br />
und standortgerechte Wildpflanzen<br />
gewählt werden. Im Gegensatz zu<br />
Kulturformen und gebietsfremden Arten<br />
sind Wildpflanzen bestens an die<br />
hiesigen Standortbedingungen angepasst<br />
und ermöglichen den einheimischen<br />
Tieren eine ökologische Vernetzung.<br />
Im Grosshandel sind einheimische<br />
Wildpflanzen meistens nicht er<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 37
Fokus: Wild<br />
hältlich. Suchen Sie in Ihrer Region<br />
nach Wildpflanzen-Märkten und Wildstaudengärtnereien.<br />
– Künstliche Nisthilfen<br />
Die meisten Tiere benötigen einen Unterschlupf,<br />
sei dies als Schutz vor Fressfeinden<br />
oder als Aufzugsort für Jungtiere.<br />
Viele Tiere sind durch die unzähligen<br />
Änderungen und Störungen, die der<br />
Mensch in der Natur vornimmt, nicht<br />
mehr in der Lage, Nistplätze zu finden<br />
oder selbst zu bauen. Auf dem Balkon<br />
können Wildbienenhotels in Kombination<br />
mit Wildblumen oder Vogelnistkästen<br />
angebracht werden.<br />
Top fünf Nahrungspflanzen und<br />
deren Bewohnerinnen<br />
Die Blüten der folgenden Pflanzen dienen<br />
im Siedlungsraum besonders vielen Wildbienen<br />
als Pollen- und Nektarquellen:<br />
Wilde Möhre für die Hain-Schwebfliege,<br />
sonniger Standort<br />
Hornklee für die Kleine Harzbiene, sonniger<br />
Standort<br />
Glockenblumen für die Glockenblumen<br />
Scherenbiene, Sonne – Halbschatten<br />
Gewöhnlicher Natternkopf für 40 Schmetterlingsarten ein wahrer Insektenmagnet,<br />
sonniger Standort. Bildnachweis: SWO Zürich<br />
Efeu für das Tagpfauenauge, Schatten<br />
Bilder: Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf: Albert Krebs (Ausnahmen: Natternkopf, Wildbienenhotel: Adobe Stock)<br />
38<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Bild: Adobe Stock<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 39
Fokus: Wild<br />
Der kindliche Bewegungsdrang ist zwar individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, gehört aber grundlegend zum Kindsein. In welchem Mass Kinder<br />
diesem Drang nachgeben dürfen, entscheidet nicht zuletzt ihr Umfeld.<br />
Der evolutionäre<br />
Drang nach<br />
Bewegung<br />
Toben und Raufen gehört in einem gewissen Alter zum Kindsein.<br />
Nebst einem geschlechtsbedingten Unterschied bestimmt<br />
auch das Temperament eines Kindes die Intensität des Bewegungsdrangs.<br />
Der Entwicklungspädiater Oskar Jenni über Wildheit und deren Grenzen.<br />
Catherine Aeschbacher, ehemalige Chefredaktorin <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Bild: Adobe Stock<br />
40<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Bild: zvg<br />
In unserem Schwerpunkt geht es um<br />
den Begriff «wild». Können Sie mit<br />
diesem Begriff in Bezug auf Kinder<br />
etwas anfangen?<br />
Die Bewegungsfreude von kleinen Kindern<br />
kann man durchaus als «wild» bezeichnen.<br />
Besonders Knaben kennen<br />
«wilde» Spielformen wie das Raufen und<br />
Kämpfen. Diese «wilden» Spiele fördern<br />
die Regulation der Gefühle in komplexen<br />
sozialen Situationen und schaffen die Voraussetzungen,<br />
damit Kinder lernen, ihre<br />
kognitiven, kommunikativen und sozialen<br />
Fähigkeiten in der Interaktion mit<br />
anderen Menschen angemessen einzusetzen.<br />
Mit zunehmendem Alter nimmt<br />
dieser Bewegungsdrang ab, um in der<br />
Pubertät in anderer Form wiederzukehren.<br />
Da geht es dann um die Ablösung<br />
von den Eltern, um Identitätsfindung, zudem<br />
um das Abtasten von Grenzen und<br />
den Drang nach intensiven Emotionen<br />
mit gelegentlich risikoreichem und «wildem»<br />
Verhalten.<br />
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts<br />
herrschte ein eher autoritärer Erziehungsstil<br />
vor. Die 68er-Bewegung<br />
propagierte das Gegenteil. Wo stehen<br />
wir heute?<br />
Tatsächlich wurde das Kind bis in die späten<br />
1960er-Jahre als «einfaches, reflexgesteuertes<br />
Wesen» betrachtet. Es herrschte<br />
die Haltung vor, dass ein Kind streng erzogen<br />
werden müsse, um zu einem funktionierenden<br />
Mitglied der Gesellschaft zu<br />
werden. Auch waren Disziplin und Ordnung<br />
zentrale Forderungen der Hygienebewegung<br />
um 1900, die zu einer drastischen<br />
Senkung der Säuglingssterblichkeit<br />
führte. Erst ab den 1960er-Jahren setzte<br />
sich – dank der Forschungsarbeiten des<br />
britischen Kinderpsychiaters John Bowlby<br />
– die Einsicht durch, dass ein Kind<br />
auch liebevolle Zuwendung und Geborgenheit<br />
benötigt, um gesund aufwachsen<br />
zu können. Es gab dann zwar in den<br />
1970er-Jahren in gewissen Kreisen einen<br />
Hang zu «antiautoritärer» Erziehung.<br />
Aber heute weiss man: «Gute» Erziehung<br />
setzt Geborgenheit und eine liebevolle,<br />
zugewandte Haltung voraus, die auch mit<br />
Regeln, Prinzipien und Erwartungen an<br />
das Kind einhergehen darf. Diese müssen<br />
aber an den individuellen Entwicklungsstand<br />
des Kindes angepasst sein und die<br />
jeweilige Situation berücksichtigen. Zugleich<br />
sollten sich Eltern immer bewusst<br />
sein, dass sie nie perfekt sind und es auch<br />
nicht sein müssen.<br />
Wie viel Wildheit sollte es altersabhängig<br />
denn sein?<br />
Das ist nicht einfach zu beantworten. Bis<br />
ins Alter von fünf bis sechs Jahren nimmt<br />
der Bewegungsdrang stark zu. Dieser<br />
Drang ist geschlechtsabhängig, d.h. bei<br />
Mädchen weniger ausgeprägt als bei Jungen.<br />
Danach geht die «Wildheit» wieder<br />
zurück. Dieses Entwicklungsphänomen<br />
in der Aktivität sieht man bei allen Kindern,<br />
selbstverständlich in individueller<br />
Ausprägung. Der Bewegungsdrang ist dabei<br />
nicht abhängig vom Umfeld der Kinder.<br />
Auch Jahreszeit, Wohnort oder Förderung<br />
und Aktivität der Eltern haben keinen<br />
wesentlichen Einfluss auf den kindlichen<br />
Bewegungsdrang – das zeigen<br />
unsere Studien. Nun fragt sich, wieviel<br />
Aktivität noch normal ist. Diese Einschätzung<br />
hängt zu grossen Teilen auch vom<br />
Umfeld ab. Welche Vorstellungen oder<br />
Erwartungen haben die Eltern? Wie gross<br />
ist der Spielraum des Kindes, sich auszutoben?<br />
In einer Wohnung mitten in einer<br />
Stadt beispielsweise ist ein grosser Bewegungsdrang<br />
schwieriger zu tolerieren als<br />
auf dem Land.<br />
Und was ist mit Kindern, die eher<br />
still sind?<br />
Der Grad der «Wildheit» hängt vom Temperament<br />
und Charakter des Kindes ab.<br />
Dies zeichnet sich sehr früh, bereits bei<br />
Säuglingen, ab. Kinder, die mit zwei Monaten<br />
eher unruhig und quengelig sind,<br />
zeigen in der Regel später einen höheren<br />
Bewegungsdrang als die ruhigen Säuglinge.<br />
Gewisse Temperamentseigenschaften<br />
sind offenbar angelegt und ändern sich<br />
über die Zeit nur wenig. Bei ruhigen Kindern<br />
muss man einfach sicherstellen, dass<br />
sie nicht vergessen gehen.<br />
Viele Kinder werden teilweise<br />
fremdbetreut. Ist der Anpassungsdruck<br />
deswegen höher?<br />
Das ist sicher so. In Kitas, Spielgruppen,<br />
später auch in der Schule üben die Kinder<br />
das soziale Zusammenleben, sie lernen unsere<br />
Regeln und entwickeln Gemeinsinn,<br />
also die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen.<br />
Dazu braucht es Anpassung. Das ist<br />
nichts Schlechtes. Aber die Institutionen<br />
sollten den Kindern trotzdem ausreichend<br />
Möglichkeiten geben, sich eigenaktiv zu<br />
entwickeln und dabei auch ihren Bewegungsdrang,<br />
ihre «Wildheit», auszuleben.<br />
Zur Person<br />
2005 übernahm Oskar Jenni in der<br />
Nachfolge von Remo Largo die Leitung<br />
der Abteilung Entwicklungspä diatrie<br />
am Universitäts-Kinderspital Zürich.<br />
Seit 2011 wird die Abteilung zusammen<br />
mit Bea Latal in einer Co-Leitung<br />
geführt. Der Kinder- und Jugendmediziner<br />
ist Professor für Entwicklungspädiatrie<br />
an der Universität Zürich.<br />
Zu seinen Forschungsgebieten zählen<br />
unter anderem das Schlafverhalten<br />
im Kindesalter sowie die motorische,<br />
kognitive und soziale Entwicklung<br />
von gesunden und kranken Kindern.<br />
2021 erschien im Verlag Springer sein<br />
Fachbuch «Die kindliche Entwicklung<br />
verstehen». Seit 2018 leitet der Vater<br />
von vier Jungen zudem die «Akademie.<br />
Für das Kind. Giedion Risch»,<br />
die sich für mehr Wertschätzung der<br />
Verschiedenartigkeit von Kindern<br />
engagiert.<br />
Wann ist ein Verhalten auffällig?<br />
Die Grenze des Normalen wird dann überschritten,<br />
wenn das Kind in seiner Entwicklung<br />
beeinträchtigt wird. Wenn ein<br />
Kind keine Lernfortschritte macht und es<br />
in der Schule Probleme gibt, dann sind Abklärungen<br />
angezeigt.<br />
1845 erschien das Buch «Struwwelpeter».<br />
Darin erscheinen «Hanns<br />
Guck-in-die-Luft» und der «Zappel<br />
Philipp». Hatte man damals die<br />
Krankheitszeichen nicht erkannt,<br />
oder wird heute auffälliges Verhalten<br />
eventuell vorschnell als Krankheit<br />
taxiert?<br />
Damals hatte man nicht so einen differenzierten<br />
Blick auf die Kinder wie heute,<br />
übrigens auch nicht auf Erwachsene.<br />
Auch waren «Zucht und Ordnung» ein gesellschaftliches<br />
Primat, und Kinder wie<br />
der Zappel-Philipp oder der verträumte<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 41
Fokus: Wild<br />
Hanns wurden als «komische Vögel» abgetan.<br />
Heute haben Fachleute einen viel<br />
differenzierteren Blick: Sie erkennen und<br />
behandeln Verhaltensstörungen viel rascher.<br />
Angesichts der hohen Zahl von<br />
Kindern, die in der Schule irgendeine<br />
Massnahme erhalten, fragt man<br />
sich dennoch, was mit der Norm<br />
passiert ist.<br />
Die Zahl ist hoch. Aber heute schauen<br />
Fachpersonen eben viel genauer hin. Das<br />
ist auch gut so, denn wir wollen ja, dass<br />
sich unsere Kinder bestmöglich entwickeln<br />
können. Ich weiss nicht, ob die<br />
Norm in den letzten Jahrzehnten wirklich<br />
enger geworden ist; vielleicht ist sie sogar<br />
etwas breiter geworden, wenn wir die Entwicklung<br />
der Wokeness-Bewegung betrachten.<br />
Aber der Leistungsdruck auf die<br />
Kinder hat zugenommen – und somit leider<br />
auch ihr Leidensdruck. Die aktuellen<br />
gesellschaftlichen Veränderungen sind ja<br />
in der Tat enorm und können Heranwachsende<br />
durchaus belasten. Da dürfen wir<br />
nicht wegschauen und sollten sie und ihre<br />
Familien vielmehr unterstützen.<br />
Ist Erziehung heute schwieriger als<br />
vor 50 Jahren?<br />
Ich denke schon. Der Wandel von Wertvorstellungen,<br />
zum Beispiel durch neue Familienbilder<br />
und Vorstellungen von Kindheit,<br />
Selbstentfaltung und Individualismus,<br />
haben zu veränderten Ansprüchen<br />
der Gesellschaft an das Kind geführt. Zudem<br />
wurde der Zukunftsoptimismus des<br />
späten 20. Jahrhunderts seit der Jahrtausendwende<br />
von einer grossen Zukunftsangst<br />
und Verunsicherung verdrängt.<br />
Früher gab es eine klare Ordnung und gesellschaftliche<br />
Vorstellungen, die allgemein<br />
verbindlich waren. Heute leben wir<br />
in einer pluralistischen Gesellschaft, die<br />
enorm viele Möglichkeiten bietet. Und in<br />
einer solchen Gesellschaft wollen Eltern<br />
für ihre Kinder eine bestmögliche Zukunft.<br />
Wie beurteilen Sie die Angebote<br />
in der Schweiz hinsichtlich der frühen<br />
Kindheit (Bildung, Betreuung,<br />
Erziehung)?<br />
Das hängt davon ab, mit welchen Ländern<br />
man uns vergleicht: Im Gegensatz zu den<br />
USA ist unser Angebot umfassend. Verglichen<br />
mit den skandinavischen Ländern<br />
sind wir hingegen weniger gut ausgestattet.<br />
Aber zieht man den weltweiten Vergleich<br />
heran, dann kann man sagen, dass<br />
es der Mehrheit der Kinder in unserem<br />
Land recht gut geht.<br />
Welche Systemänderung wäre für Sie<br />
am dringendsten?<br />
Die Einführung einer Elternzeit, wie sie in<br />
den nördlichen Ländern bereits umgesetzt<br />
wird. Die ersten Lebensjahre sind<br />
entscheidend für die Gesundheit von<br />
Kindern und für die Entwicklung ihrer<br />
motorischen, sprachlichen, kognitiven,<br />
sozialen und emotionalen Kompetenzen.<br />
In keinem anderen Lebensabschnitt lernen<br />
Menschen so viel wie in der frühen<br />
Kindheit. Eine wichtige Voraussetzung<br />
dafür sind verlässliche, vertraute und verfügbare<br />
Bezugspersonen, die dem Kind<br />
ein liebevolles Umfeld und eine angemessene<br />
Stimulation bieten. Das können Eltern<br />
am besten leisten, und genau deswegen<br />
braucht es eine ausreichende Elternzeit.<br />
Ausserdem sollte die Qualität der<br />
Fremdbetreuung von kleinen Kindern<br />
verbessert werden. Da gibt es noch viel zu<br />
tun, aber Investitionen in die frühe Kindheit<br />
lohnen sich auf Dauer.<br />
Kommen wir noch einmal auf unser<br />
Thema zurück. Wie sieht es mit der<br />
kindlichen «Wildheit» in Zukunft aus?<br />
Ich glaube, dass die «Wildheit» von Kindern<br />
tief in der Evolution verankert ist.<br />
Das wird sich auch bei grossen gesellschaftlichen<br />
Verschiebungen nicht ändern.<br />
Trotz der fortschreitenden Digitalisierung<br />
sind analoge Aktivitäten der<br />
Kinder genauso präsent wie früher, wie<br />
grosse Studien aufzeigen. Bewegungsspiele<br />
wie Raufen und Kämpfen werden<br />
also auch in Zukunft ein wichtiger Teil der<br />
Kindheit sein.<br />
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Kathrin Grüneis<br />
42<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Bild: Adobe Stock<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 43
Fokus: Wild<br />
Nächtliche<br />
Besucher im<br />
Vorgarten<br />
Welchen Einfluss übt der Mensch in der Stadt auf den Alltag<br />
von Wildtieren wie Marder oder Fuchs aus? In Berlin hat dies ein<br />
Wissenschaftsteam mit Hilfe von Gartenbesitzern untersucht.<br />
Jan Zwilling, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)<br />
Vorsichtig, aber dezidiert und selbst bei Tag streift der Fuchs durch den Stadtgarten. Dank den von Menschen geschaffenen Räumen finden Wildtiere nicht<br />
nur den Weg in die Stadt, sondern vor Ort auch ausreichende Nahrungsquellen.<br />
Bild: Leibniz-IZW<br />
44<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Fokus: Wild<br />
Meiden oder konkurrieren,<br />
fressen oder gefressen<br />
werden, ausbeuten oder<br />
zusammenarbeiten – Tierund<br />
Pflanzenartengemeinschaften werden<br />
durch vielfältige Interaktionen geprägt.<br />
In Städten werden diese Spielregeln<br />
des Zusammenlebens zudem fundamental<br />
durch die Menschen beeinflusst. Ein<br />
Forschungsteam des deutschen Leibniz-Instituts<br />
für Zoo- und Wildtierforschung<br />
(Leibniz-IZW) hat in Berlin untersucht,<br />
wie Wildtiere mit den Menschen<br />
und ihren Hauskatzen klarkommen.<br />
Um den Tieren – in Berlin waren es<br />
vor allem Marder, Füchse und Waschbären<br />
– auf die Schliche zu kommen,<br />
arbeitete das Team mit Interessierten<br />
zusammen, die ihre Gärten für die Installation<br />
von Wildtierkameras zur Verfügung<br />
stellten. Insgesamt sind 150 Geräte montiert<br />
worden. Diese schossen jeweils in<br />
fünf einmonatigen Durchgängen zwischen<br />
Herbst 2018 und Herbst 2020 Bilder,<br />
wenn der Bewegungssensor Vierbeiner im<br />
Garten registrierte.<br />
Der Stadtgarten als Nahrungsquelle<br />
Dass für die Studie Gärten als Kamerastandorte<br />
ausgewählt worden sind, liegt<br />
laut dem Leibniz-IZW daran, dass Gärten<br />
auf Wildtiere sowohl anziehend als auch<br />
abweisend wirken können. Städtische<br />
Gärten stellen mit Kompost, Gemüsebeeten,<br />
Obstbäumen oder Haustierfutter eine<br />
wichtige Nahrungsquelle für Wildtiere<br />
dar. Gleichzeitig sind es Orte, an denen<br />
es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer<br />
unerwünschten Begegnung mit Menschen<br />
oder Haustieren kommen kann.<br />
So entstanden Zehntausende von<br />
Auf nahmen, die von den Wissenschaftlern<br />
ausgewertet worden sind. In jeder<br />
Feldphase machten die Kameras zwischen<br />
2200 und 3000 Bilder von Katzen, 300 bis<br />
1200 von Rotfüchsen, 250 bis 1000 von<br />
Waschbären und 50 bis 300 von Mardern<br />
sowie zahlreiche Fotos anderer Säugetiere.<br />
Die Auswertung der Fotos ergab,<br />
dass Fuchs und Co. während der Lockdowns<br />
häufiger in Gärten auftauchten als<br />
ausserhalb der Lockdowns. Und sie zeigte<br />
auch, dass alle Wildtiere Hauskatzen meiden.<br />
Bei seiner Analyse bezog das Forschungsteam<br />
zudem weitere Daten mit<br />
ein: Nebst der Bevölkerungsdichte vor<br />
Ort waren dies Informationen zur jeweiligen<br />
Gartengrösse, zu Baumbestand, zu<br />
potenziellen Nahrungsquellen und zur<br />
Höhe des Gartenzauns. «Uns interessierte,<br />
ob und wie die flexiblen und anpassungsfähigen<br />
Beutegreifer in vom Menschen<br />
dominierten Umgebungen präsent sind<br />
und räumlich und zeitlich interagieren»,<br />
sagt Erstautorin Dr. Julie Louvrier. «Das<br />
heisst, wir wollten wissen, ob sie dieselben<br />
Orte nutzen, und wenn ja, ob sie sich aus<br />
dem Weg gehen, indem sie zum Beispiel<br />
zu unterschiedlichen Tages- oder Nachtzeiten<br />
kommen.»<br />
Jahreszeit und Lockdown<br />
Die Untersuchung zeigte, dass sowohl<br />
Jahreszeiten als auch Lockdowns sich<br />
stark darauf auswirkten, wie oft Wildtiere<br />
in einem Garten nachgewiesen werden<br />
können. So waren sie im Herbst deutlich<br />
aktiver als im Frühling, dasselbe trifft auf<br />
die Hauskatzen zu. Zudem legt die Untersuchung<br />
nahe, dass die Berliner während<br />
der Lockdowns ihre Gärten häufiger tagsüber<br />
nutzten, so dass die Wildtiere auf die<br />
Nacht auswichen. Gleichzeitig nahm die<br />
Anwesenheit von Füchsen, Mardern und<br />
Waschbären in Gärten während der Ausgangssperren<br />
insgesamt zu, was wohl wiederum<br />
auf die allgemein geringere Aktivität<br />
von Menschen im städtischen Raum<br />
zurückgeführt werden kann. Zwar tolerieren<br />
die untersuchten Wildtierarten die<br />
Anwesenheit des Menschen bis zu einem<br />
gewissen Grad, versuchen aber Begegnungen<br />
mit ihnen zu vermeiden, indem sie<br />
ihre Aktivität auf die Nacht konzentrieren.<br />
In ihrem Auftreten unterschieden<br />
sich Füchse, Waschbären und Marder<br />
kaum, obwohl sie sich eigentlich aus dem<br />
Weg gehen und sich nicht zur selben Zeit<br />
im Garten aufhielten: Waren mehr Füchse<br />
da, gab es auch mehr Waschbären und<br />
Marder – und andersherum. Dies, weil sie<br />
unter anderem alle dieselben Ressourcen<br />
in einer vom Menschen überformten Umgebung<br />
wie der Stadt nutzen. Anders sah<br />
es bei den Hauskatzen aus: Sie scheinen<br />
keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob<br />
andere Tiere unterwegs sind.<br />
Der Mensch spielt die Rolle einer<br />
«Superschlüsselart», und seine Haustiere<br />
üben eine Dominanz auf die lokale Tierwelt<br />
aus, heisst es dazu in der Studie des<br />
Leibniz-IZW. Dies gilt selbst für Arten, die<br />
relativ gut mit menschlicher Präsenz in<br />
vom Menschen überformten Landschaften<br />
zurechtkommen.<br />
Gesamte Studie: Louvrier J. L. P., Planillo A.,<br />
Stillfried M., Hagen R., Börner K., Kimmig S.,<br />
Ortmann S., Schumann A., Brandt M., Kramer<br />
Schadt S. (2021): Spatiotemporal interactions<br />
of a novel mesocarnivore community in an urban<br />
environment before and during SARS-CoV-2<br />
lockdown. <strong>Journal</strong> of Animal Ecology.<br />
DOI: 10.1111/1365-2656.13635<br />
Mit herzlichem Dank an das Leibniz-Institut<br />
für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)<br />
und an das «Baublatt» für den Nachdruck.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 45
Perspektiven<br />
Nationale Strategie<br />
zu Impfungen<br />
Impfungen sind in der Schweiz freiwillig. Eine möglichst<br />
hohe Durchimpfungsrate ist jedoch entscheidend für die Gesundheit der<br />
Bevölkerung. Das hat nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie gezeigt.<br />
Die Erfahrungen aus dieser Zeit haben dazu geführt,<br />
dass der Aktionsplan zur Impfstrategie aktuell überarbeitet wird.<br />
Elise de Aquino, Programmleiterin Nationale Strategie zu Impfungen, Bundesamt für Gesundheit BAG<br />
Impfungen gehören zu den wirksamsten<br />
und kostengünstigsten<br />
medizinischen Präventionsmassnahmen<br />
zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten.<br />
Jedes Jahr werden<br />
durch Impfungen weltweit Millionen<br />
von Todesfällen und bleibenden Gesundheitsschäden<br />
vermieden. Die Wichtigkeit<br />
von Impfungen bestätigt auch die<br />
jüngste Vergangenheit bei der Bekämpfung<br />
von Covid-19. Neben dem individuellen<br />
Schutz können Impfungen auch<br />
einen kollektiven Schutz verleihen: Bei<br />
genügend hohen Durchimpfungsraten<br />
in der Bevölkerung sind auch weitere,<br />
besonders schutzbedürftige Personen, die<br />
z.B. aus medizinischen Gründen nicht geimpft<br />
werden können, vor einer Ansteckung<br />
geschützt («Herdenimmunität»).<br />
Die vom Bundesrat 2017 verabschiedete<br />
Nationale Strategie zu Impfungen<br />
NSI will die Bevölkerung in der Schweiz<br />
optimal vor impfverhütbaren Krankheiten<br />
schützen. Der Bundesrat hat die NSI<br />
Bild: Adobe Stock<br />
46<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Aktionsplan NSI<br />
I. Impfplan und<br />
Hilfsmittel<br />
II. Ausbildung<br />
III. Austausch<br />
IV. Kommunikation<br />
Massnahmenpakete<br />
I.1 Prozess der Impfplanerarbeitung<br />
bekannt<br />
machen<br />
I.2 Darstellung und Inhalt<br />
des Impfplans<br />
I.3 Schnittstelle zu und<br />
Nutzung von Expertensystem<br />
I.4 Systematische Erstellung<br />
von e-Impfausweisen<br />
II.1 Empfehlungen zu Aus-,<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
II.2 Anpassung von Aus-,<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
III.1 Inter-/intradisziplinärer<br />
Austausch<br />
III.2 Bekanntmachen guter<br />
Umsetzungsbeispiele<br />
IV.1 Umfassende<br />
Kommunikationsstrategie<br />
IV.2 Beratungsmaterial<br />
für Gesundheitsfachpersonen<br />
IV.3 Neueste Erkenntnisse<br />
betreffend Impfstoffe<br />
IV.4 Zielgruppenspezifisches<br />
Informationsmaterial<br />
IV.5 Gesuche um Entschädigung<br />
und Genugtuung<br />
Interventionsachsen<br />
Handlungsbereiche<br />
Stärkung des<br />
Verantwortungsbewusstseins<br />
und Unterstützung<br />
der Akteure<br />
1a<br />
1b<br />
1c<br />
1d<br />
Schweizerischer Impfplan: Erarbeitung<br />
transparent gestalten und Umsetzung erleichtern<br />
Beratung und Impfung fördern<br />
Beratung und Impfung transparent abgelten<br />
Impfstoffversorgung verbessern<br />
I.1<br />
I.2<br />
IV.2<br />
V.5<br />
V.6<br />
VI.2<br />
VI.1<br />
VI.4<br />
VI.5<br />
1e<br />
Kommunikation mit und zwischen den Akteuren stärken<br />
III.1<br />
IV.3<br />
Kommunikation<br />
und Angebote für<br />
die Bevölkerung<br />
2a<br />
2b<br />
2c<br />
2d<br />
Die Bevölkerung wirksam, kohärent,<br />
umfassend und differenziert informieren<br />
Zugang zu Impfinformationen und Impfungen in Schulen<br />
und Kindertagesstätten fördern<br />
Zugang zur Impfung für Erwachsene verbessern<br />
Verwendung von elektronischen Impfausweisen fördern,<br />
die das anerkannte Expertensystem nutzen<br />
I.3<br />
I.4<br />
IV.1<br />
IV.4<br />
V.1<br />
V.2<br />
V.3<br />
V.4<br />
VI.3<br />
2e<br />
Entschädigung und Genugtuung<br />
bei Schäden aus Impffolgen sicherstellen<br />
IV.5<br />
Ausbildung<br />
und Koordination<br />
3a<br />
3b<br />
Ausbildung der Gesundheitsfachpersonen verbessern<br />
Erfahrungsaustausch über erfolgreiche Lösungen zwischen<br />
den Kantonen organisieren und erleichtern<br />
II.1<br />
II.2<br />
III.2<br />
Überwachung,<br />
Forschung und<br />
Evaluation<br />
4a<br />
4b<br />
Durchimpfung überwachen<br />
Wirkungsanalysen von Impfempfehlungen durchführen<br />
und Massnahmen zur Impfförderung evaluieren<br />
VII.1<br />
VII.2<br />
VII.3<br />
Spezifische Strategien<br />
5<br />
Strategien zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, die durch<br />
eine Impfung vermieden werden können, entwickeln und umsetzen<br />
VIII.1<br />
V. Settings<br />
V.1 Impfstatusdokumentation<br />
an Kindertagesstätten<br />
Massnahmenpakete<br />
V.2 Impfstatuskontrollen/<br />
Impfungen obligatorische<br />
Schulzeit<br />
V.3 Zugang an Schulen auf<br />
Sek-II- und Tertiär-Stufe<br />
V.4 Niederschwelliger<br />
Zugang für Erwachsene<br />
V.5 Arbeitgebende von Gesundheitsfachpersonen<br />
fördern Impfungen<br />
V.6 Engagement Arbeitgebende<br />
von Nicht-Gesundheitsfachpersonen<br />
VI. Versorgung<br />
VI.1 Angemessene Entschädigung<br />
Ärzteschaft<br />
VI.2 Rahmenbedingungen<br />
für nichtärztliche<br />
Gesundheitsberufe<br />
VI.3 Franchisebefreiung<br />
VI.4 Meldesystem und Pflichtlagerhaltung<br />
Impfstoffe<br />
VI.5 Versorgungsengpässe<br />
vermeiden/überbrücken<br />
VII. Evaluation<br />
VII.1 Erhebung Durchimpfungsdaten<br />
VII.2 Wirkungen der<br />
Impfempfehlungen<br />
VII.3 Evaluation Umsetzung<br />
und Wirkung NSI<br />
VIII. Spezifische<br />
Strategien<br />
VIII.1 Spezifische Strategien<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 47
Perspektiven<br />
als Anliegen mit hoher Priorität bezeichnet,<br />
denn es gibt im Schweizer Impfsystem<br />
immer noch Optimierungspotential:<br />
So sind beispielsweise Teile der Bevölkerung<br />
verunsichert, ob einzelne Impfungen<br />
Sinn machen und wirken, und der Zugang<br />
zu Impfungen ist nicht immer einfach.<br />
Hauptziele der Strategie<br />
Bund, Kantone und weitere Akteure aus<br />
dem Impfbereich haben die NSI gemeinsam<br />
erarbeitet und setzen diese nun um.<br />
Die Strategie schafft die Voraussetzungen<br />
für einen koordinierten, effektiven und effizienten<br />
Einsatz der Impfungen. Die NSI<br />
hat drei grundlegende Ziele:<br />
– Die Akteure erachten Impfungen als<br />
sehr wichtig für die Gesundheit der Bevölkerung.<br />
Sie informieren einheitlich<br />
über Impfungen und führen sie durch.<br />
– Die Bevölkerung hat Vertrauen in die offiziellen<br />
Impfempfehlungen. Sie anerkennt<br />
die Bedeutung der Impfung zum<br />
eigenen Schutz und zum Schutz anderer.<br />
– Der Zugang zu praktischen, klaren und<br />
transparenten Informationen und zu<br />
den Impfungen ist für alle einfach.<br />
Mit der NSI sollen die Rahmenbedingungen<br />
geschaffen werden, um die Impfempfehlungen<br />
gemäss dem Schweizerischen<br />
Impfplan bestmöglich umsetzen zu können.<br />
Die Strategie ist darauf ausgerichtet,<br />
eine optimale Zusammenarbeit zwischen<br />
allen Akteuren im Bereich Impfen (Behörden,<br />
Institutionen, Gesundheits- und<br />
Bildungsfachpersonen, Hersteller) sicherzustellen<br />
und krankheitsspezifische Massnahmen<br />
untereinander zu koordinieren.<br />
Impfungen in der Schweiz sind freiwillig<br />
und beruhen auf persönlichen Entscheidungen.<br />
Der Aktionsplan zur Strategie<br />
Erster Schritt in der Umsetzung der NSI<br />
war die Konkretisierung und Detailplanung<br />
in Form eines Aktionsplans. Das<br />
Bundesamt für Gesundheit BAG hat den<br />
Aktionsplan NSI in einem partizipativen<br />
Prozess zusammen mit den Kantonen und<br />
involvierten Organisationen und Institutionen<br />
erarbeitet und Ende 2018 fertiggestellt.<br />
Die NSI und der dazugehörige<br />
Aktionsplan sind Grundlage dafür, dass<br />
die zahlreichen Akteure aus den verschiedenen<br />
Aufgabenbereichen ihre Rolle<br />
wahrnehmen können und die Rahmenbedingungen<br />
für ihre Zusammenarbeit<br />
festlegen können. Insgesamt konkretisiert<br />
der Aktionsplan 28 Massnahmen in acht<br />
Massnahmenpaketen. Die Massnahmenpakete<br />
– Impfplan und Hilfsmittel; Ausbildung;<br />
Austausch; Kommunikation; Settings;<br />
Versorgung; Evaluation; spezifische<br />
Strategien – ergeben sich aufgrund der<br />
thematischen Zusammengehörigkeit und<br />
beteiligten Umsetzungspartner.<br />
Die Kantone haben bei der Umsetzung<br />
von mehreren Massnahmen die Federführung<br />
und nehmen damit eine<br />
Schlüsselrolle ein. Die Koordination und<br />
gute Zusammenarbeit des Bundes mit den<br />
Kantonen ist für die erfolgreiche Umsetzung<br />
ein wichtiger Aspekt. Entsprechend<br />
arbeitet die Programmleitung NSI eng mit<br />
der Schweizerischen Konferenz der kantonalen<br />
Gesundheitsdirektorinnen und<br />
-direktoren GDK und dem Vorstand der<br />
Vereinigung der Kantonsärztinnen und<br />
Kantonsärzte der Schweiz VKS zusammen.<br />
Stand der Umsetzung<br />
Die NSI ist zeitlich nicht begrenzt: Der Aktionsplan<br />
sollte zunächst den Kurs bis zur<br />
Zwischenevaluation <strong>2023</strong> abstecken und<br />
danach basierend auf einer Zwischenevaluation<br />
gegebenenfalls angepasst werden.<br />
Aufgrund der Bewältigung der Covid-19-Pandemie<br />
mussten alle Arbeiten<br />
rund um die NSI unterbrochen und Anfang<br />
2020 die gesamte Umsetzung zurückgestellt<br />
werden. Im Sommer 2022 konnten<br />
erste Aktivitäten wieder aufgenommen<br />
werden. Durch die Pandemie hat sich jedoch<br />
die Ausgangslage etwas verändert:<br />
Mit der Covid-19-Impfung kamen dem<br />
Thema Impfen eine besondere Wichtigkeit<br />
und ein hohes Interesse in Politik,<br />
Medien und Gesellschaft zu. Die in dieser<br />
Zeit gesammelten Erfahrungen sollen in<br />
der weiteren Umsetzung der NSI adäquat<br />
berücksichtigt werden. Um der neuen<br />
Ausgangslage Rechnung zu tragen, wird<br />
darum der Aktionsplan NSI aktuell überarbeitet;<br />
früher als ursprünglich geplant.<br />
Diese Weiterentwicklung des Aktionsplans<br />
wird wiederum partizipativ zusammen<br />
mit den verschiedenen Akteuren<br />
im Impfbereich vorgenommen. Die Publikation<br />
ist Ende <strong>2023</strong> geplant.<br />
Verschiedene Arbeiten rund um die<br />
NSI wurden bereits umgesetzt oder seit<br />
der Wiederaufnahme der Arbeiten in die<br />
Wege geleitet. Beispielsweise wurden<br />
umfassende Analysen der Informationsbedürfnisse<br />
von Bevölkerung und Gesundheitsfachpersonen<br />
sowie deren Gesundheitskompetenz<br />
im Bereich Impfen<br />
durchgeführt. Die Resultate fliessen in die<br />
aktuellen Arbeiten zur Umsetzung einer<br />
Kommunikationsstrategie ein: Die gesamte<br />
Impfkommunikation soll künftig optimiert<br />
gestaltet werden. Drohende Lieferengpässe<br />
von Impfstoffen werden über<br />
die Meldestelle für lebenswichtige Humanarzneimittel<br />
erfasst und unter Angabe<br />
der voraussichtlichen Dauer in einer<br />
Liste auf der Webseite des Bundesamts<br />
für wirtschaftliche Landesversorgung BWL<br />
publiziert. Zudem konnte das BAG den<br />
geplanten Antrag zur Franchisebefreiung<br />
von Impfungen der Eidgenössischen<br />
Kommission für allgemeine Leistungen<br />
und Grundsatzfragen ELGK erfolgreich<br />
unterbreiten. Und die Arbeiten für den<br />
Ersatz des elektronischen Impfausweises<br />
«meineimpfungen.ch» durch ein Impfmodul<br />
im elektronischen Patientendossier<br />
sind weit fortgeschritten.<br />
Weiterführende Informationen zur NSI<br />
finden sich unter: www.bag.admin.ch/nsi.<br />
48<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
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Perspektiven<br />
Aus der «Therapeutischen Umschau»* – Übersichtsarbeit<br />
Kommunikation<br />
mit schwerstkranken<br />
Patienten – mehr als nur<br />
Breaking Bad News<br />
Anja Mehnert-Theuerkauf und Susan Koranyi<br />
Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät,<br />
Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich<br />
in der «Therapeutischen Umschau» (2022),<br />
79(1), 29 – 35.<br />
Kommunikation und<br />
Advance Care Planning<br />
Advance Care Planning (ACP) oder vorausschauende<br />
Versorgungsplanung ist ein<br />
gemeinschaftlicher Prozess zwischen Patienten,<br />
Angehörigen und dem professionellen<br />
Behandlungsteam. In diesem Prozess<br />
klären Patienten ihre Ziele, Werte und<br />
Präferenzen für die zukünftige Behandlung<br />
und die Versorgung am Lebensende.<br />
Eine korrekte, patientenzentrierte und<br />
der Situation angemessene Kommunikation<br />
über die Erkrankung des Patienten und<br />
die Behandlungs- sowie Versorgungsoptionen<br />
ist wichtig und notwendig, um die<br />
Autonomie des Patienten zu respektieren<br />
und eine informierte Entscheidungsfindung<br />
sicherzustellen. Zu den wesentlichen<br />
Elementen der informierten Entscheidungsfindung<br />
und der informierten<br />
Einwilligung gehören die vollständige<br />
Aufklärung über die Diagnose beziehungsweise<br />
den Gesundheitszustand, die<br />
Besprechung des möglichen Nutzens einer<br />
Behandlungsoption und die damit<br />
verbundenen Risiken sowie verfügbare<br />
Behandlungsalternativen.<br />
Im Rahmen des Advance Care Planning<br />
ist die Kommunikation mit schwer<br />
und unheilbar erkrankten Patienten und<br />
ihren Angehörigen durch eine Reihe von<br />
Herausforderungen gekennzeichnet. Dazu<br />
gehören Merkmale wie starke körperliche<br />
Belastungen, Funktionsstörungen<br />
und Behinderungen einschliesslich<br />
sprachlicher Einschränk ungen sowie psychische<br />
und kognitive Beeinträchtigungen<br />
wie ein reduziertes Bewusstsein, starke<br />
Affekte (u. a. Angst, Wut, Aggressivität,<br />
depressive Verstimmungen, psychische<br />
Krisen), Rückzug und Passivität, psychische<br />
Störungen und Persönlichkeitsakzentuierungen<br />
und familiäre wie partnerschaftliche<br />
Konflikte und Krisen. Häufig<br />
erfordert eine empathische Kommunikation<br />
auch den Umgang mit psychischen<br />
Abwehrreaktionen wie beispielsweise Verleugnung<br />
oder Verdrängung. Seltener<br />
können Verhaltensweisen wie beständige<br />
Unzufriedenheit oder Klagsamkeit, wiederkehrende,<br />
unveränderte Beschwerden<br />
oder forderndes, manipulatives und unkooperatives<br />
Verhalten auftreten, die<br />
spezifische kommunikative Strategien<br />
erfordern. Professionelle Behandler sind<br />
aber auch mit verschiedenen kulturellen<br />
Traditionen und Sprachbarrieren konfrontiert,<br />
die den Einsatz eines Sprachmittlers<br />
erforderlich machen.<br />
Zu den Gesprächsanlässen, die kommunikative<br />
Herausforderungen darstellen,<br />
gehören:<br />
– die Besprechung und Erläuterung der<br />
palliativen Erkrankungssituation, des<br />
weiteren Krankheitsverlaufs und der<br />
Sterbephase;<br />
– die Erläuterung wahrscheinlicher oder<br />
möglicherweise auftretender Symptome<br />
und das dazugehörige Symp tom-<br />
Management;<br />
– die Besprechung der Therapieziele und<br />
Therapieziel änderungen;<br />
– der Umgang mit «schwierigen» Emotionen<br />
(u. a. Ängste, Traurigkeit und depressive<br />
Verstimmungen, Frustration<br />
und Aggressivität) und starken Stimmungsschwankungen;<br />
– der Umgang mit Unsicherheit und partnerschaft<br />
lichen / familiären Konflikten;<br />
– gemeinsame Entscheidungsfindung;<br />
– Entscheidung über die Einstellung lebensverlängernder<br />
Massnahmen.<br />
Innere Haltung als wichtige<br />
Voraussetzung gelungener<br />
Kommunikation<br />
Eine gelungene Kommunikation im Rahmen<br />
des Advance Care Planning sollte sich<br />
an den zentralen Kriterien der Patientenzentriertheit<br />
orientieren. Dies umfasst eine<br />
innere Haltung, die den Patienten (und<br />
Angehörigen) unabhängig von seinen körperlichen<br />
und psychischen Einschränkungen<br />
und Belastungen wertschätzt und<br />
durch die Art und Weise der Interaktion<br />
und Kommunikation vermittelt, dass<br />
die Würde im Menschen begründet liegt<br />
und nicht in körperlichen oder funktionalen<br />
Merkmalen. Eine patientenzentrierte<br />
Kommunikation beinhaltet, die Perspektive<br />
und den psychosozialen Kontext des<br />
Patienten (und der Angehörigen) zu erfragen<br />
und zu verstehen, ein gemeinsames<br />
Problemverständnis und ein gemeinsames<br />
50<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Verständnis über angemessene Behandlungsoptionen<br />
unter Beachtung und Berücksichtigung<br />
der Patientenpräferenzen<br />
und -werte sicherzustellen, um eine gemeinsame<br />
Entscheidung zu ermöglichen.<br />
Die Mehrzahl der Patienten und Angehörigen<br />
wünschen sich Gespräche geprägt<br />
von einer Balance aus Ehrlichkeit<br />
und Empathie sowie emotionaler und sozialer<br />
Unterstützung. Diagnostische und<br />
Behandlungsinformationen sollten unter<br />
Beachtung patientenseitiger Präfer enzen<br />
direkt und in einer verständlichen Art und<br />
Weise vermittelt werden. Professionelle<br />
Behandler sollten empathisch explorieren,<br />
zu welchem Zeitpunkt der Patient<br />
(und der Angehörige) bereit ist, über sensible<br />
Themenfelder zu sprechen und Informationen<br />
aufzunehmen.<br />
Die meisten Patienten (und Angehörigen)<br />
profitieren von einem Gesprächsführungsstil,<br />
der durch folgende Merkmale<br />
gekennzeichnet ist: Augenkontakt; Verwendung<br />
offener Fragen; einfühlsame,<br />
aber realistische Vermittlung von Informationen<br />
und schlechten Nachrichten;<br />
Eingehen auf das emotionale Befinden<br />
und auf Lebensbereiche, die nicht direkt<br />
mit der Krankheit in Verbindung stehen;<br />
sensible Exploration von Sorgeninhalten<br />
und Berücksichtigung nonverbaler Signale<br />
während des Gesprächs.<br />
Charakteristische Erlebens- und Verhaltensweisen<br />
von Patienten oder Angehörigen,<br />
die im Gespräch beachtet und<br />
adressiert werden sollten, beinhalten:<br />
– Hilflosigkeit, emotionale Not und Verzweiflung;<br />
– (antizipierte) Trauer;<br />
– Angst, dass keine optimale Behandlung<br />
erfolgt / dass «mehr» getan werden<br />
könnte;<br />
– Depressivität, sozialer Rückzug, Isolation;<br />
– Einschränkungen in der Alltagsführung<br />
(berufliche, familiäre, partnerschaftliche,<br />
finanzielle Einschränkungen);<br />
– Vernachlässigung der Selbstfürsorge;<br />
– Entscheidungslast bei schwierigen Behandlungsentscheidungen;<br />
– Widersprüche zwischen den Wünschen<br />
der Angehörigen und Präferenzen des<br />
Patienten.<br />
Die Kommunikation mit dem Patienten<br />
und den Angehörigen kann nicht nur<br />
durch Komorbiditäten wie zum Beispiel<br />
depressive Verstimmungen, sondern auch<br />
durch unklare oder abweichende Vorstellungen<br />
über die Ziele der Behandlung und<br />
die Heilbarkeit der Krankheit behindert<br />
werden. Rodin und Zimmermann [1] benutzen<br />
den Begriff «double awareness»,<br />
um die Situation von Patienten mit fortgeschrittener<br />
Erkrankung zu beschreiben,<br />
nämlich die Herausforderung, mit dem<br />
Wissen um den nahenden Tod umzugehen,<br />
ohne die Wahrnehmung von Lebenssinn<br />
und den Willen zu leben, aufzugeben.<br />
Somit wird das Behandlungsteam mit<br />
der schwierigen Aufgabe konfrontiert,<br />
diese Ambivalenz zu reflektieren und<br />
auszu halten und gleichzeitig Patienten<br />
zu ermutigen, aktiv mit der palliativen<br />
Behandlungssituation umzugehen, die<br />
Lebensqualität zu fördern und gleichzeitig<br />
die Akzeptanz «realistischer» Therapieziele<br />
und Behandlungsentscheidungen<br />
zu ermöglichen.<br />
Förderung kommunikativer<br />
Fertigkeiten<br />
Fertigkeiten, die eine gelungene Kommunikation<br />
begünstigen, sind erlernbar und<br />
beeinflussen im Rahmen der palliativmedizinischen<br />
Versorgung wichtige Parameter<br />
auf Seiten der Patienten, Ange hörigen<br />
wie auf Seiten der professionellen<br />
Behandler [2]. Dazu gehören unter anderem<br />
der Aufbau einer vertrauensvollen<br />
Beziehung zum Behandlungsteam, ein<br />
verbessertes Wissen auf Seiten der Patienten<br />
einschliesslich des Verständnisses<br />
über prog nostische Informationen und<br />
der Akzeptanz der unheil baren Erkrankung,<br />
eine informierte und gemeinsame<br />
Entscheidungsfindung, eine verbesserte<br />
emotionale Bewältigung schwieriger<br />
Behandlungsentscheidungen und eine<br />
verbesserte Therapieadhärenz sowie eine<br />
erhöhte Zufriedenheit und Lebensqualität<br />
bei Patienten und Angehörigen. Die Förderung<br />
von Kommunikationsfertigkeiten<br />
ist deshalb eine wichtige Zielsetzung.<br />
In den letzten Jahren wurden verschiedene<br />
Kommunikationstrainingsprogramme<br />
und klinische Praxisleitlinien<br />
entwickelt, von denen einige spezifisch<br />
für Berufsgruppen, die in der palliativen<br />
Versorgung tätig sind, konzipiert wurden.<br />
Exemplarisch sind hier das «End-of-life<br />
Communication Skills Training» [3], das<br />
ONCOTALK / Vitaltalk Model [4] zu nennen<br />
sowie für den deutschsprachigen<br />
Raum unter anderem das Schweizer Modell<br />
[5] und das COMSKIL-Modell [6, 7].<br />
COMSKIL-Kommunikationstrainingsprogramm<br />
Das COMSKIL-Kommunikationstrainingsprogramm<br />
wurde für verschiedene Berufsgruppen<br />
in der medizinisch-onko -<br />
lo gischen Versorgung konzipiert. Es ist<br />
modular aufgebaut und adressiert Basisfertigkeiten<br />
sowie kommunikative Herausforderungen<br />
im Rahmen spezifischer<br />
Gesprächsanlässe [6, 7]. Im COMSKIL-Trainingsprogramm<br />
werden fünf zentrale<br />
Komponenten eines Gesprächs definiert:<br />
Kommunikationsziele, Kommunikationsstrategien,<br />
Kommunika tionstechniken,<br />
Prozessaufgaben sowie kognitive Beurteilungen<br />
(Abbildung 1).<br />
Abbildung 1<br />
Kognitive Beurteilung:<br />
Gesprächsbarrieren<br />
Kommunikationstechniken<br />
Kommunikationsziele<br />
Kommunikationsstrategien<br />
Kognitive Beurteilung:<br />
Patientenseitige Hinweisreize<br />
Prozessaufgaben<br />
Kommunikationsziele<br />
Das übergeordnete Ziel eines Gesprächs<br />
wird als Kommunikationsziel definiert<br />
und bildet einen Rahmen für das Gespräch.<br />
Im klinischen Alltag ist es sinnvoll,<br />
vor einem Gespräch zu klären, welche<br />
Ziele verfolgt werden sollen. Typische<br />
Kommunikationsziele für Gespräche in<br />
der palliativen Versorgung sind beispielsweise<br />
die Informationsvermittlung über<br />
die Notwendigkeit einer Therapieplanänderung,<br />
die Vermittlung bedrohlicher<br />
Informationen auf eine Art und Weise,<br />
die das Verstehen und Erinnern der Informationen<br />
fördert oder den Patienten<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 51
Perspektiven<br />
(und Angehörigen) im Umgang mit seinen<br />
emotionalen Reaktionen unterstützt.<br />
Kommunikationsstrategien<br />
Kommunikationsstrategien sind konkrete<br />
Pläne, die helfen, das Kommunikationsverhalten<br />
individuell im Behandlungsverlauf<br />
anzupassen, um die spezifischen<br />
Kommuni kations ziele zu erreichen. Typische<br />
Kommunikationsstrategien sind<br />
beziehungsweise die Anpassung des Ge-<br />
Tabelle 1. Typischer Gesprächsablauf nach dem COMSKIL-Kommunikationsmodell bei der Mitteilung schlechter Nachrichten.<br />
1. Kommunikationsstrategie: Festlegung des Gesprächsrahmens<br />
Kommunikationstechniken<br />
Benennung der eigenen Agenda des Gesprächs, Erfragen der Agenda des<br />
Patienten, Festlegung einer gemeinsamen Agenda («Heute würde ich gerne<br />
mit Ihnen über die Untersuchungsergebnisse und über die<br />
Behandlungsmöglich keiten sprechen. Bevor wir anfangen, würde ich gern<br />
erfahren, was Ihre Anliegen für das heutige Gespräch sind.»).<br />
Prozessaufgaben<br />
u. a. Begrüssung des Patienten auf angemessene<br />
Weise, Sicherstellen, dass der<br />
Patient bekleidet ist, Wahl der Sitzposition<br />
auf Augenhöhe des Patienten.<br />
2. Anpassung des Gesprächs an die Bedürfnisse des Patienten und / oder Angehörigen<br />
Überprüfung des Informationsverständnisses des Patienten und der<br />
patientenseitigen Informations bedürfnisse («Um sicher zu sein, dass wir<br />
auch auf dem gleichen Informationsstand sind, möchte ich Sie bitten,<br />
noch einmal in Ihren Worten zu sagen, was man Ihnen über die Untersuchungen<br />
mitgeteilt hat / was ich Ihnen erklärt habe.»).<br />
u. a. Vermeidung von Fachsprache,<br />
gege benenfalls Nutzung graphischer<br />
Darstel lungen, Zusammenfassung der<br />
Informationen.<br />
3. Vermittlung der Informationen in leicht verständlichen und gut erinnerbaren Worten<br />
Vorschau über die zu vermittelnden Informationen, Ermutigung, Fragen<br />
zu stellen, Überprüfung des Informationsverständnisses des Patienten,<br />
Zusammenfassung der vermittelten Informationen («Im Folgenden möchte<br />
ich Ihnen nun die Untersuchungsergebnisse erläutern und die Behandlungsmöglichkeiten<br />
besprechen. Sind Sie damit einverstanden?», «Scheuen<br />
Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Wahrscheinlichkeiten sind oft schwer<br />
zu verstehen.», «Ich möchte sichergehen, dass Sie alles, was wir eben<br />
besprochen haben, auch richtig verstanden haben. Gibt es irgendetwas,<br />
das Ihnen im Moment noch unklar ist?»).<br />
u. a. Vermeidung von Fachsprache,<br />
Beantwortung aller Fragen, Nutzung<br />
graphischer Darstellungen.<br />
4. Empathische Berücksichtigung der emotionalen Reaktionen des Patienten und / oder Angehörigen auf die schlechte Nachricht<br />
Förderung / Unterstützung des Gefühlsausdrucks des Patienten, Anerkennung<br />
der emotionalen Reak tionen des Patienten, Normalisierung, Validierung,<br />
Verwendung offener Fragen («Es ist sehr wichtig für mich zu verstehen,<br />
wie Sie mit diesen belastenden Informationen umgehen.», «Vielen<br />
Patienten geht es so wie Ihnen, wenn sie solche Informationen erhalten.»).<br />
u. a. Aufrechterhaltung des Blickkontaktes,<br />
Einräumen von Zeit zur Sammlung / Aufnahme<br />
der Informationen.<br />
5. Überprüfung der Bereitschaft des Patienten, Behandlungsoptionen zu besprechen<br />
Ziehen einer Zwischenbilanz, Überprüfung der patientenseitigen Entscheidungspräferenzen,<br />
Vorschau über die zu vermittelnden Informationen<br />
(«Gut, ich möchte das bisher Besprochene noch einmal zusammenfassen<br />
…», Wir wollten ja gemeinsam entscheiden, welche Behandlung für Sie<br />
am besten geeignet ist. Ist dieses Vorgehen für Sie weiterhin in Ordnung?<br />
Ich denke, es ist wichtig, dass Sie mit der endgültigen Entscheidung<br />
einverstanden sind.»).<br />
u. a. schriftliche Niederlegung der zentralen<br />
Informationen, Anbieten von Material zum<br />
Nachlesen / Recherchieren (Broschüren,<br />
Internetadressen).<br />
6. Beendigung des Gesprächs<br />
Bekräftigung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung, Zusammenfassung<br />
der wesentlichen Gesprächsinhalte, Benennung der nächsten Schritte<br />
(«Es ist wichtig, dass Sie nicht das Gefühl haben, dass etwas über Ihren Kopf<br />
hinweg entschieden wurde, sondern dass Sie mitentscheiden. Daher lassen<br />
Sie sich doch bitte noch einmal durch den Kopf gehen, was wir heute<br />
besprochen haben und wir treffen dann die endgültige Entscheidung bei<br />
unserem nächsten Termin, okay?»).<br />
z. B. Festlegung eines weiteren Termins.<br />
52<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
sprächs auf die Bedürfnisse des Patienten,<br />
die Vermittlung der Informationen in<br />
leicht verständlichen und gut erinnerbaren<br />
Worten oder die empathische Berücksichtigung<br />
emotionaler Reaktionen<br />
im Gespräch. Kommunikationsstrategien<br />
setzen sich aus Kommunikationstechniken<br />
und Prozessaufgaben zusammen.<br />
Kommunikationstechniken<br />
Kommunikationstechniken umfassen Verhaltensweisen,<br />
mit denen das Gespräch<br />
gefördert oder in eine bestimmte Richtung<br />
im Sinne der Kommunikationsziele<br />
gelenkt werden kann. Kommunikationstechniken<br />
sind konkret, lehrbar und beobachtbar.<br />
Sie beinhalten zum Beispiel<br />
Fragetechniken, Techniken wie aktives<br />
Zuhören einschliesslich Paraphrasieren,<br />
Verbalisieren, das Überprüfen des pa tientenseitigen<br />
Verständnisses der vermittelten<br />
Information, die Validierung der Gefühle<br />
des Patienten oder die Erklärung<br />
und Zusammenfassung von Informationen.<br />
Prozessaufgaben<br />
Prozessaufgaben umfassen die kontextuellen<br />
Aspekte, die während des Gesprächs<br />
berücksichtigt werden sollten. Hierunter<br />
werden verbale und nonverbale Verhaltensweisen<br />
verstanden. Prozessaufgaben<br />
lassen sich auf einem Kontinuum von einfachen<br />
bis zu komplexen Verhaltensweisen<br />
beschreiben. Basale Prozessaufgaben<br />
sind zum Beispiel sich dem Patienten vorstellen<br />
oder eine ungestörte Atmosphäre<br />
für das Gespräch schaffen. Zu komplexeren<br />
Prozessaufgaben gehört beispielsweise<br />
die Vermeidung vorschneller Beschwichtigungen.<br />
Prozessaufgaben umfassen<br />
zum Beispiel auch Entscheidungshilfen,<br />
sogenannte «Decision Aids», die in<br />
Papierform oder video- bzw. webbasiert<br />
dargeboten werden können.<br />
Kognitive Beurteilungen<br />
Durch kognitive Beurteilungen wird bestimmt,<br />
welche Kommunikationsstrategie,<br />
welche Kommunikationstechniken<br />
und welche Prozessaufgaben zum Einsatz<br />
kommen oder im Verlauf des Gesprächs<br />
angepasst werden müssen. Kognitive Beurteilungen<br />
beruhen auf der Beobachtung<br />
und Einschätzung der verbalen und nonverbalen<br />
Verhaltensweisen und Reaktionen<br />
des Patienten (und der Angehörigen).<br />
Das COMSKIL-Modell adressiert zwei spezifische<br />
Arten kognitiver Beurteilungen:<br />
a) patientenseitige Hinweisreize und b)<br />
patientenseitige Barrieren.<br />
Patientenseitige Hinweisreize<br />
Patientenseitige Hinweisreize umfassen<br />
Informations-Hinweisreize und Emotions-<br />
Hinweisreize. Ein Patient könnte zum<br />
Beispiel den Wunsch nach einer bestimmten<br />
Information haben, sich jedoch nicht<br />
trauen, direkt danach zu fragen. Um sein<br />
Bedürfnis dennoch auszudrücken, könnte<br />
er indirekte Bemerkungen dazu machen<br />
(z. B. «Man hat nicht mit mir darüber<br />
gesprochen»). Diese indirekten Äus se rungen<br />
werden als Informations-Hinweisreize<br />
bezeichnet. Häufig äussern Patienten<br />
ihren Wunsch nach emotionaler Unterstützung<br />
indirekt und verwenden verbale<br />
oder nonverbale Emotions-Hinweisreize<br />
(Patient wirkt abwesend oder sagt z. B.<br />
«Ich weiss einfach nicht, wie es weitergehen<br />
soll.»).<br />
Gesprächsbarrieren<br />
Gesprächsbarrieren können den Patienten<br />
daran hindern, dem Gespräch mit<br />
voller Aufmerksamkeit zu folgen und<br />
müssen vom Behandler beobachtet und<br />
eingeschätzt werden. So können zum Beispiel<br />
Ängste oder Missverständnisse das<br />
Gespräch negativ beeinflussen und Entscheidungsprozesse<br />
behindern. Diese<br />
sollten im Gespräch ermittelt und überwunden<br />
werden.<br />
Mitteilung schlechter Nachrichten<br />
Eine schlechte Nachricht beinhaltet alle<br />
Informationen, die die subjektive Zukunftsperspektive<br />
des Adressaten negativ<br />
verändern. Die Vermittlung schlechter<br />
Nachrichten konfrontiert den mitteilenden<br />
Arzt wie auch das Behandlungsteam<br />
mit verschiedenen Herausforderungen:<br />
Ärzte berichten häufig von Schwierigkeiten,<br />
dem Patienten gegenüber ehrlich zu<br />
sein, ohne diesen zu sehr zu belasten und<br />
ihm die Hoffnung zu nehmen. Häufig besteht<br />
Unsicherheit, wie auf die emotionalen<br />
Reaktionen und Bedürfnisse des Patienten<br />
und der Angehörigen eingegangen<br />
werden kann.<br />
Informationen ehrlich und direkt zu<br />
vermitteln, ohne den Patienten zu entmutigen,<br />
ist im klinischen Alltag häufig eine<br />
Herausforderung. Patienten oder Angehörige<br />
setzen zuweilen ihre gesamte Hoffnung<br />
auf innovative Entwicklungen in<br />
der medizinischen Forschung. Es ist wichtig,<br />
diese Ideen und Wünsche nicht abzuwiegeln,<br />
sondern als Teil des psychischen<br />
Verarbeitungsprozesses zu verstehen.<br />
Gleichzeitig ist es hilfreich, für den<br />
Patienten wichtige Alternativen zur Hoffnung<br />
auf Heilung ins Gespräch zu bringen<br />
und den Patienten dabei zu unterstützen,<br />
sich auf die bevorstehenden Verluste vorzubereiten<br />
und den Fokus auf realistische<br />
Ziele und eine «Von- Tag-zu-Tag»-Per spektive<br />
zu lenken.<br />
Ein typischer Gesprächsablauf nach<br />
dem COMSKIL- Kommunikationsmodell<br />
bei der Mitteilung schlechter Nachrichten<br />
ist in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Der Umgang mit Ärger und emotional<br />
herausfordernden Situationen<br />
Patienten erleben im Verlauf der Diagnostik<br />
und Behandlungsplanung Stimmungsund<br />
Emotionswechsel. Zu häufigen Emotionen<br />
gehören unter anderem Traurigkeit,<br />
Sorgen, Frustration und Ärger. Aber<br />
auch Unsicherheit und Angst vor Fortschreiten<br />
der Erkrankung oder interpersonelle<br />
Schwierigkeiten sind häufige Ursachen<br />
emotionaler Belastung. Ärger und<br />
Wut können bei der Konfrontation mit einer<br />
lebensbedrohlichen Erkrankung neben<br />
Ängsten, Traurigkeit und Verzweiflung<br />
häufig auftreten. Ärger kann Ausdruck<br />
antizipierter Trauer sein, Ausdruck<br />
von Hilflosig keit, Teil der emotionalen<br />
Bewältigung der Erkrankung oder Folge<br />
von schwierigen Begleitumständen. Ärger<br />
und Wut richten sich oft gegen Mitglieder<br />
des Behandlungsteams, auch wenn diese<br />
gar nicht persönlich gemeint sind.<br />
Kommunikative Herausforderungen<br />
bei ärgerlichen Patienten oder Angehörigen<br />
bestehen darin, angemessen auf die<br />
Emotionen zu reagieren mit der Zielsetzung,<br />
das Ausmass des Ärgers auf ein Mass<br />
zu reduzieren, sodass eine effektive Kommunikation<br />
ermöglicht wird. Wesentlich<br />
ist hierbei zunächst, dem Patienten das<br />
Gefühl von Wertschätzung und Interesse<br />
an seinem Erleben zu vermitteln, das<br />
heisst die «Erlaubnis» für den Patienten,<br />
seine Beschwerden zu äussern und ein gemeinsames<br />
Verständnis der Erfahrungen<br />
des Patienten zu erarbeiten. Hierbei ist die<br />
Verwendung offener Fragen eine hilfreiche<br />
Kommunikationstechnik. Die empathische<br />
Berücksichtigung der emotionalen<br />
Reaktionen und Erfahrungen des Patienten<br />
ist beim Umgang mit Ärger oder<br />
Wut sehr wichtig. Wertschätzende Anerkennung<br />
und bei «berechtigtem» Ärger<br />
auch eine diesbezügliche Rückmeldung<br />
führt zu einer Entschärfung der angespannten<br />
Gesprächssituation und ermöglicht<br />
den Fortgang des Gesprächs. Ein typischer<br />
Gesprächsablauf nach dem<br />
COMSKIL- Kommunikations modell beim<br />
Umgang mit Ärger und Wut ist in Tabelle 2<br />
dargestellt.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 53
Perspektiven<br />
Tabelle 2. Typischer Gesprächsablauf nach dem COMSKIL-Kommunikationsmodell beim Umgang mit Ärger und Wut.<br />
1. Kommunikationsstrategie: Erlaubnis für den Patienten, seine Beschwerden zu schildern –<br />
Hören Sie sich seine vollständige Geschichte an!<br />
Kommunikationstechniken<br />
Verwendung offener Fragen, aktives Zuhören («Erzählen Sie mir doch bitte,<br />
was aus Ihrer Sicht schiefgelaufen ist.», «Bitte erzählen Sie mir, was genau<br />
geschehen ist, worüber Sie wütend sind.»).<br />
Prozessaufgaben<br />
u. a. Vermeidung des Einnehmens einer<br />
Verteidigungshaltung, Vermeidung von<br />
Unterbrechungen<br />
( Ausnahme: Kontrollverlust des Patienten).<br />
2. Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses der Emotionen / Erfahrungen des Patienten – Stellen Sie Fragen!<br />
Verwendung offener Fragen, Klärung der Äusserungen des Patienten,<br />
Neuformulierung / Paraphrasierung («Sie wirken auf mich heute sehr<br />
angespannt. Was belastet Sie?», «Was genau ist aus Ihrer Sicht die Ursache<br />
der Probleme?», «Was bedrückt Sie? Ich würde gern verstehen, wie Sie sich<br />
fühlen und was Sie belastet.», «Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen …?»,<br />
«Ja, ich verstehe, dass Sie sich über … aufregen und verärgert sind.»).<br />
u. a. Vermeidung von Suggestivfragen,<br />
Vermeidung vorschneller Beschwichtigung,<br />
Benennung der Emotion des Patienten<br />
unter Berücksichtigung von deren Intensität.<br />
3. Empathische Berücksichtigung der emotionalen Reaktionen und Erfahrungen des Patienten – Setzen Sie (je nachdem,<br />
ob der Ärger des Patienten angemessen / gerechtfertigt ist) die passende Kommunikationstechnik ein!<br />
Anerkennung, Normalisierung, Validierung, Würdigung der Anstrengungen<br />
/ Belastungen des Patienten («Ich sehe, dass Sie verärgert sind und<br />
würde gern die Gründe dafür erfahren.», «Die meisten Menschen würden in<br />
einer vergleich baren Situation ärgerlich / angespannt sein.», «Viele Menschen<br />
erleben eine Erkrankung als ungerecht, und es ist völlig normal, auch<br />
vermeintlich grundlos gereizt oder wütend zu sein.», «Es ist wirklich<br />
ärgerlich, dass Sie so lange warten mussten. Wir bemühen uns, die Termine<br />
pünktlich einzuhalten, aber manchmal klappt es leider nicht.»).<br />
u. a. Ausdruck der Entschuldigung bei<br />
Angemessenheit / Berechtigung des Ärgers.<br />
4. Exploration der Haltungen und Erwartungen des Patienten, die dem Ärger zugrunde liegen – insbesondere dann,<br />
wenn die Wut des Patienten der realen Situation nicht angemessen ist<br />
Verwendung offener Fragen, Klärung der Äusserungen des Patienten,<br />
Neuformulierung / Paraphrasierung, Anerkennung der Anstrengungen / Belastungen<br />
des Patienten («Worüber genau sind Sie verärgert?», «Was würde<br />
Ihnen helfen, sich besser zu fühlen?», «Was wünschen / erhoffen Sie sich von<br />
mir?», «Das heisst, Sie verstehen nicht, warum man Ihnen … nicht näher<br />
erklärt hat?», «Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sich gewünscht<br />
hätten, freundlicher behandelt zu werden?», «Was genau hätte aus Ihrer<br />
Sicht in der Situation anders verlaufen müssen?», «Ich finde es sehr wichtig,<br />
dass Sie mir sagen, worüber Sie sich ärgern, nur so lässt sich vielleicht auch<br />
etwas an der Situation ändern.»).<br />
u. a. Konstruktives Ansprechen des Ärgers<br />
5. Unterstützung bei der Bewältigung des Ärgers und Ermittlung von Ressourcen sozialer Unterstützung bzw.<br />
Vermittlung von Informationen über psychosoziale / psychoonkologische Unterstützungsangebote<br />
Ausdruck der Unterstützungsbereitschaft und Zusammenarbeit («Lassen<br />
Sie uns gemeinsam nach einer Lösung für das Problem suchen.», «Wer in<br />
Ihrer Umgebung könnte Sie bei der Auseinandersetzung mit … unterstützen?»,<br />
«Möchten Sie, dass wir zusammen mit dem übrigen Behandlungsteam<br />
noch einmal über die Situation sprechen?», «Vielen Menschen hilft es,<br />
mit jemandem ausserhalb der Familie seine Belastungen und Sorgen zu<br />
besprechen. Da eine Erkrankung nicht nur körperlich, sondern auch<br />
seelisch sehr belastend ist, arbeiten wir mit psychosozialen Behandlern<br />
zusammen, z. B. Beratungsstellen oder Psychotherapeuten, die speziell für<br />
diese Belastungen ausgebildet sind und Sie im Umgang damit unterstützen<br />
können. Ich glaube, diese Kollegen könnten Ihnen bei der Bewältigung<br />
Ihrer Erkrankung helfen.»).<br />
u. a. Exploration des sozialen Netzwerks des<br />
Patienten, ggf. Exploration der Bewältigungsstrategien<br />
des Patienten, ggf. Überweisung<br />
an Psychotherapeuten, Unterstützung<br />
des Patienten zur Vermeidung von Isolation<br />
(häufige Ursache für Gefühle von Einsamkeit<br />
und Hilflosigkeit, die dann zu Ärger<br />
führen)<br />
54<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Ein gleichgültiges Verhalten des Behandlungsteams,<br />
fehlende Empathie, Respektlosigkeit,<br />
hektisches und unverbindliches<br />
Verhalten, Schuldzuweisungen an<br />
den Patienten und das Abblocken von Fragen<br />
tragen eher dazu bei, dass sich Patienten<br />
unverstanden oder zurückgewiesen<br />
fühlen. Auch eine vorschnelle Beschwichtigung,<br />
die zwar häufig einen Versuch darstellt,<br />
Hoffnung auf Patientenseite zu fördern,<br />
berücksichtigt weder Art noch Tiefe<br />
oder Ursachen der Gefühle des Patienten<br />
und wird eher als «blockierendes Verhalten»<br />
erlebt [8].<br />
Einige Patienten drücken sich eher<br />
umständlich oder weitschweifig aus und<br />
erwarten vielleicht, dass sich das Behandlungsteam<br />
viel Zeit für sie nimmt. Behandler<br />
können in solchen Situationen durchaus<br />
das Gespräch unterbrechen, dabei aber<br />
die Gründe dieses Vorgehens erläutern, das<br />
heisst zum Beispiel erklären, dass nur eine<br />
begrenzte Zeitspanne für das Gespräch zur<br />
Verfügung steht, um die wesentlichen Inhalte<br />
besprechen zu können.<br />
Patienten, die sich eher einsilbig oder<br />
sogar misstrauisch im Gespräch verhalten,<br />
haben häufig wenig Vertrauen gegenüber<br />
dem Arzt oder dem Behandlungsteam.<br />
Die Kommunikation mit diesen<br />
Patienten lässt sich durch den expliziten<br />
Ausdruck der Sorge um das Wohlergehen<br />
des Patienten fördern. Darüber hinaus ist<br />
die Anerkennung der Ängste, die Verwendung<br />
offener Fragen, die Ermutigung<br />
Fragen zu stellen und das Bemühen um<br />
grösstmög liche Transparenz wichtig, um<br />
so die Autonomie und Entscheidungsfreiheit<br />
des Patienten zu wahren.<br />
Bei Patienten, die beständig über Beschwerden<br />
klagen und scheinbar unermüdlich<br />
nach Hilfe suchen, jedoch empfohlene<br />
Unterstützungsangebote oder Behandlungen<br />
nicht wahrnehmen, spielen unter Umständen<br />
persönlichkeits- und beziehungsdynamische<br />
Aspekte eine Rolle. Durch<br />
die Betonung der Kooperation zwischen<br />
Patienten und Behandlungsteam im Sinne<br />
einer partizipativen Entscheidungsfindung<br />
und durch das gemeinsame Abwägen aller<br />
Vor- und Nachteile kann beispielsweise<br />
Abhängigkeits-Autonomie-Konflikten auf<br />
Patientenseite Rechnung getragen werden.<br />
Manche Patienten, die ein arrogantes<br />
oder egozentrisches Verhalten zeigen, reagieren<br />
oft sehr ungehalten, wenn ihre<br />
Erwartungen an die Behandlung und Aufmerksamkeit<br />
durch das Behandlungsteam<br />
nicht erfüllt werden. Einige dieser Patienten<br />
neigen auch dazu, manche Mitglieder<br />
des Behandlungsteams zu idealisieren<br />
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen der palliativmedizinischen Versorgung werden spezifische kommunikative<br />
Strategien und Techniken der Gesprächsführung benötigt, um den besonderen Herausforderungen<br />
der palliativen Versorgungssituation angemessen zu begegnen. Eine gelungene<br />
Kommunikation ist durch zentrale Kriterien der Patientenzentriertheit gekennzeichnet<br />
und kann wichtige Parameter auf Seiten der Patienten, Angehörigen sowie auf<br />
Seiten der professionellen Behandler positiv beeinflussen. Hierzu zählen unter anderem<br />
die informierte und gemeinsame Entscheidungsfindung, eine vertrauensvolle Beziehung<br />
zum Behandlungsteam, verbessertes Wissen und Verständnis über die Prognose, verbesserte<br />
Therapieadhärenz und Bewältigung von schwierigen Therapieentscheidungen<br />
sowie eine erhöhte Zufriedenheit und Lebensqualität bei Patienten und Angehörigen.<br />
Kommunikative Fertigkeiten können in Kommunikationskursen erlernt und vertieft<br />
werden. Das COMSKIL-Trainingsprogramm, welches für verschiedene Berufsgruppen<br />
der medizinisch-onkologischen Versorgung konzipiert wurde, definiert fünf zentrale<br />
Komponenten eines Gesprächs (Kommunikationsziele, Kommunikationsstrategien,<br />
Kommunikationstechniken, Prozessaufgaben sowie kognitive Beurteilungen) und<br />
adressiert Basisfertigkeiten sowie kommunikative Herausforderungen im Rahmen<br />
spezifischer Gesprächsanlässe.<br />
Abstract: Communication with seriously<br />
ill patients – more than just breaking bad news<br />
In the context of palliative care, specific communication strategies and techniques are<br />
needed to adequately meet the special challenges of the palliative care situation. Successful<br />
communication is characterized by criteria of patient-centeredness and can positively<br />
influence important parameters of patients, caregivers, and clinicians. These parameters<br />
include informed and shared decision making, a trustful relationship with the treatment<br />
team, improved knowledge and understanding of prognosis, improved treatment adherence<br />
and coping with difficult treatment decisions, and increased patient satisfaction and<br />
quality of life of patients and caregivers. Communication skills can be learned and reinforced<br />
in communication courses. The COMSKIL training program, which was developed<br />
for various professional groups in medical oncology care, defines five central components<br />
of a professional conversation (communication goals, communication strategies, communication<br />
techniques, process tasks, and cognitive assessments) and addresses basic skills<br />
as well as communicative challenges in the context of specific conversation occasions.<br />
und äussern sich gleichzeitig sehr abwertend<br />
gegenüber anderen Behandlern. Die<br />
Beziehungsgestaltung dieser Patienten ist<br />
meist durch rasche Stimmungswechsel<br />
und eine intensive Emotionalität gekennzeichnet.<br />
Diese Patienten profitieren von<br />
einem hohen Mass an Strukturiertheit, Geduld,<br />
Zuverlässigkeit und einer geschützten<br />
Atmosphäre in der Kommunikation.<br />
Zusammenfassung<br />
Eine gute Kommunikation hat positive<br />
Auswirkungen auf die Zufriedenheit, Therapieadhärenz<br />
und die Lebensqualität von<br />
Patienten und ihren Angehörigen. Im Verlauf<br />
der Erkrankung erleben Patienten wie<br />
Angehörige häufig psychische Belastungen<br />
und emotionale Stimmungswechsel.<br />
Dazu gehören Unsicherheit und Angst vor<br />
Fortschreiten der Erkrankung, Traurigkeit,<br />
Sorgen, Hilflosigkeit, Frustration und<br />
Ärger, aber auch interpersonelle Schwierigkeiten<br />
oder Rollenkonfusion. Die Erwartungen<br />
an die Kommunikation mit<br />
dem Arzt und Behandlungsteam wird darüber<br />
hinaus auch durch Rollen und Einstellungen,<br />
das grundlegende Verständnis<br />
von Krankheit und Gesundheit, den kulturellen<br />
Hintergrund und andere Parameter,<br />
die nicht zwingend mit medizinischen<br />
Fragen in Zusammenhang stehen, beeinflusst.<br />
Neben einer empathischen und patientenzentrierten<br />
inneren Haltung sind<br />
kommunika tive Fertigkeiten sinnvoll und<br />
nützlich, um den kommunikativen Herausforderungen<br />
in der palliativen Versorgung<br />
angemessen zu begegnen.<br />
Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf<br />
Abteilung für Medizinische Psychologie und<br />
Medizinische Soziologie<br />
Medizinische Fakultät<br />
Universitätsklinikum Leipzig<br />
Philipp-Rosenthal-Strasse 55<br />
04103 Leipzig<br />
Deutschland<br />
anja.mehnert@medizin.uni-leipzig.de<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 55
Perspektiven<br />
Literatur<br />
[1] Rodin G, Zimmermann<br />
C. Psychoanalytic reflections on<br />
mortality: A reconsideration. <strong>Journal</strong><br />
of the American Academy Psychoanalysis<br />
and Dynamic Psychiatry.<br />
2008;36:181 – 96.<br />
[2] Stiefel F, Kiss A, Salmon<br />
P, Peters S, Razavi D, Cervantes A,<br />
et al. Training in communication of<br />
oncology clinicians: a position paper<br />
based on the third consensus<br />
meeting among European experts<br />
in 2018. Ann Oncol.<br />
2018;29:2033 – 6.<br />
[3] Levin TT, Wiesenthal A.<br />
Talking about dying: End-of-life<br />
communication training. In:<br />
Kissane DW, Bultz BD, Butow PN,<br />
Bylund CL, Noble S, Wilkinson S,<br />
eds. Oxford Textbook of Communication<br />
in Oncology and Palliative<br />
Care. 2nd ed. Oxford: Oxford University<br />
Press; 2017. 139 – 148.<br />
[4] Arnold RM, Back AL,<br />
Baile WF, Edwards KA, Tulsky JA.<br />
The Oncotalk / Vitaltalk model. In:<br />
Kissane DW, Bultz BD, Butow PN,<br />
Bylund CL, Noble S, Wilkinson S,<br />
eds. Oxford Textbook of Communication<br />
in Oncology and Palliative<br />
Care. 2nd ed. Oxford: Oxford University<br />
Press; 2017. 363 – 8.<br />
[5] Stiefel F, Bernhard J, Bianchi<br />
G, Dietrich L, Hürny C, Kiss<br />
A, et al. The Swiss model. In:<br />
Kissane DW, Bultz BD, Butow PN,<br />
Bylund CL, Noble S, Wilkinson S,<br />
eds. Oxford Textbook of Communication<br />
in Oncology and Palliative<br />
Care. 2nd ed. Oxford: Oxford University<br />
Press; 2017. 369 – 74.<br />
[6] Bylund CL, Brown R,<br />
Gueguen JA, Diamond C, Bianculli<br />
J, Kissane DW. The implementation<br />
and assessment of a comprehensive<br />
communication skills training curriculum<br />
for oncologists. Psychooncology.<br />
2011;19:583 – 93.<br />
[7] Hartung TJ, Kissane D,<br />
Mehnert A. COMSKIL Communication<br />
Training in Oncology-Adaptation<br />
to German Cancer Care Settings.<br />
Recent Results Cancer Res.<br />
2018;210:191 – 205.<br />
[8] Mehnert A, Lehmann C,<br />
Koch U. Schwierige<br />
Gesprächssitua tionen in der<br />
Arzt-Patient-Interaktion. Bundesgesundheitsbl.<br />
2012;55:1134 – 43.<br />
Anzeige<br />
Wir können Ärztinnen und Ärzten einiges bieten, weil wir sie gut verstehen.<br />
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56<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Perspektiven<br />
Der besondere Ort<br />
Die Gärten von Étretat –<br />
auf den Spuren von Monet<br />
Anna Wang, Redaktionsmitglied <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Bild: zvg; Fotos Étetat von Anna Wang<br />
Wer auf der Suche nach<br />
neuen Reisezielen ist<br />
und sich für impressionistische<br />
Kunst interessiert,<br />
sollte definitiv die Normandie<br />
in Betracht ziehen.<br />
Nicht umsonst ist die Normandie<br />
neben Paris ein Reiseziel für Kunstbegeisterte.<br />
Hier ist es mehr als einfach, auf den<br />
Spuren der Impressionisten zu wandeln<br />
und einige der schönsten Sehenswürdigkeiten<br />
Frankreichs zu entdecken. Man<br />
wird sich schnell in die Maler hineinversetzen<br />
können und verstehen, warum<br />
berühmte Künstler wie Degas oder Monet<br />
von dieser Landschaft fasziniert waren.<br />
Möchte man bei einem Urlaub in<br />
der Normandie den Schwerpunkt auf die<br />
Kunst setzen, kann man die Reise nach<br />
der Route der Impressionisten planen.<br />
Fixpunkte auf dieser Route sind zum<br />
Beispiel: Le Havre, Giverny, Honfleur,<br />
Rouen, Étretat, Deauville, Trouville,<br />
Barfleur, Dieppe, Fécamp und Caen.<br />
Ein besonderer Ort in der Normandie<br />
ist definitiv Étretat. Bereits Namen wie<br />
Courtine, Manneporte, Falaises d’Aval et<br />
d’Amont, der Vaudieu-Felsen oder die<br />
Nadel von Belval sind vielversprechend.<br />
So poetisch sind die gewaltigen Felsklippen<br />
der Steilküste von Étretat<br />
benannt, die die Wellen aus dem Kreideund<br />
Feuerstein geformt haben.<br />
Das schöne Gemälde der Felsen von<br />
Étretat von Monet wird auf einmal zu<br />
einer berauschenden Szenerie. Die salzige<br />
Luft, die Schreie der Möwen und der<br />
Blick auf die kreideweissen Felsklippen<br />
sind unvergesslich. Ob man nun am<br />
Strand oder auf den Felsklippen spaziert,<br />
die strahlend weisse Steilküste ist immer<br />
ein wunderschöner Anblick. Die beste<br />
Aussicht auf die Felsenklippen hat man<br />
definitiv von den Gärten von Étretat aus.<br />
Die Gärten beherbergen eine Sammlung<br />
Aussicht von den Gärten von Étretat auf die Kreidefelsen.<br />
zeitgenössischer Kunst, die sich perfekt<br />
in die Architektur des Gartens einfügt.<br />
Das Werk menschlicher Hände verbindet<br />
sich harmonisch mit der Natur.<br />
Die Normandie ist eine Quelle von<br />
Kreativität und Treffpunkt wichtiger<br />
Künstler. So hat beispielsweise Christian<br />
Dior seine Kindheit in der Normandie<br />
verbracht und bei seinem Geburtshaus<br />
einen Rosengarten angelegt. Die Rosen<br />
wurden später zur wichtigsten Inspirationsquelle<br />
seiner Mode.<br />
Die Normandie ist eine Schatzkiste an<br />
Entdeckungen. Auch kulinarisch kommt<br />
man nicht zu kurz. Was bietet die Normandie<br />
ausser gutem, klassisch franzö sischem<br />
Essen Spezielles? Austern! Deren Liebhaber<br />
sind hier genau richtig. In den flachen<br />
Tidengewässern der Normandie herrschen<br />
exzellente Zuchtbedingungen für Austern.<br />
Wer also Austern geniessen möchte,<br />
kann dies zum Beispiel in Restaurants wie<br />
dem Pillet-Saiter oder La Belle Ostréa<br />
(beide mit eigenem Zucht betrieb) und<br />
an der Alabasterküste tun.<br />
Lust auf Ferien der kreativen Art?<br />
Ab in die Normandie!<br />
Die Gärten von Étretat.<br />
Anna Wang<br />
ist seit 2018 Redaktionsmitglied<br />
des <strong>vsao</strong><br />
<strong>Journal</strong>s. Sie arbeitet<br />
als Oberärztin in der<br />
Klinik für Plastische<br />
Chirurgie und Handchirurgie<br />
im Kantonsspital<br />
Aarau und ist zudem Präsidentin<br />
der VSAO-Sektion Zürich / Schaffhausen.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 57
mediservice<br />
Briefkasten<br />
Was sind die Unterhaltskosten<br />
bei einem Auto?<br />
Ich möchte mir gerne ein Auto<br />
anschaffen. Wie hoch fallen die<br />
Unterhaltskosten aus? Und was<br />
fällt alles darunter?<br />
Üblicherweise rechnet man in der<br />
Schweiz mit rund CHF 10 000.– Unterhaltskosten<br />
pro Jahr. Der Unterhalt eines<br />
Autos teilt sich dabei in die sogenannten<br />
Fixkosten und die Betriebskosten auf.<br />
Fixkosten<br />
Neben dem einmaligen Kaufpreis für das<br />
Fahrzeug gibt es fixe Unterhaltskosten,<br />
die Sie ganz einfach kalkulieren können:<br />
• Abschreibung:<br />
Ihr Auto verliert täglich an Wert.<br />
Üblicherweise wird mit einer Abschreibung<br />
von zirka 10 Prozent pro Jahr<br />
gerechnet – bei älteren Fahrzeugen<br />
weniger, bei Neuwagen deutlich mehr.<br />
Den grössten Wertverlust hat Ihr Auto<br />
in den ersten Jahren.<br />
• Leasingkosten:<br />
Ist Ihr Auto geleast oder mit einem<br />
Kredit gekauft, bezahlen Sie eine<br />
monatliche Rate.<br />
• Verkehrssteuer:<br />
Für Ihr Auto müssen Sie eine jährliche<br />
Steuer bezahlen. Diese ist von Kanton<br />
zu Kanton unterschiedlich und abhängig<br />
von Leistung, Gewicht und<br />
Hubraum.<br />
• Autobahnvignette:<br />
Wenn Sie auf der Autobahn unterwegs<br />
sind, brauchen Sie die Vignette. Diese<br />
kostet CHF 40.– pro Jahr.<br />
• Parkplatz:<br />
Ihr Auto benötigt einen Parkplatz.<br />
Zu Hause und bei der Arbeit. Und der<br />
verursacht ebenfalls Kosten.<br />
• Pflege:<br />
Waschen, saugen, Öl wechseln – Ihr<br />
Auto möchte regelmässig gepflegt<br />
werden. Die Kosten dafür sollten Sie<br />
einberechnen.<br />
• Versicherung:<br />
Die Haftpflichtversicherung ist in der<br />
Schweiz obligatorisch und stellt eine<br />
Voraussetzung für die Zulassung Ihres<br />
Autos dar. Die meisten entscheiden<br />
sich auch für eine Teilkasko- oder<br />
Vollkaskoversicherung. Gerade bei<br />
Neuwagen ist eine Vollkaskoversicherung<br />
sinnvoll. Bei Leasingwagen meist<br />
sogar ein Muss.<br />
Betriebskosten<br />
Zu den fixen kommen noch variable<br />
Unterhaltskosten eines Autos, die<br />
abhängig davon sind, wie viel Sie fahren:<br />
• Treibstoff:<br />
Benzin? Diesel? Oder sogar Elektro? Für<br />
welchen Antrieb Sie sich auch entscheiden,<br />
eines gilt immer: Je mehr Sie<br />
fahren, desto mehr müssen Sie für<br />
Treibstoff ausgeben. Die Kosten dafür<br />
schwanken stark.<br />
• Reifen:<br />
Nach ungefähr 30 000 km müssen Sie<br />
die Reifen wechseln. Und die Kosten<br />
für den Wechsel von Sommer- zu<br />
Winterreifen und deren Lagerung<br />
sollten Sie auch nicht vergessen.<br />
• Service und Reparaturen:<br />
So unterschiedlich Serviceleistung,<br />
Abgaswartung oder Reparaturen auch<br />
sind – durchschnittlich sollten Sie<br />
Bilder: zvg<br />
58<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
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sondern auch die Unterhaltskosten eines<br />
Autos sehr unterschiedlich. Und vor<br />
allem abhängig vom Fahrzeugmodell.<br />
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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 59
mediservice<br />
Vertragen<br />
sich Hypothek<br />
und Rente?<br />
Nach der Pensionierung das eigene Haus geniessen,<br />
sich dem Garten widmen – so die Vorstellung vieler Wohneigentümerinnen<br />
und -eigentümer. Doch kann man sich die Hypothek für das<br />
Eigenheim auch mit der Rente noch leisten?<br />
Martin Hügin, Communication Manager, Helvetia Versicherungen<br />
Bilder: Adobe Stock; zvg<br />
60<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
Wer mitten im Berufsleben<br />
steht, hat sich an sein regelmässiges<br />
Einkommen<br />
gewöhnt. Sogar die Finanzierung<br />
des Eigenheims ist gelungen, und<br />
die Hypothekarzinsen passen auch ins<br />
Budget. Wer keine böse Überraschung erleben<br />
will, muss sich jedoch rechtzeitig<br />
Gedanken machen für die Zeit nach der<br />
Pensionierung. Denn dann wird sich das<br />
regelmässige Alterseinkommen in der Regel<br />
aus der AHV-Rente und einer Pensionskassenrente<br />
zusammensetzen. Meist<br />
wird so nicht viel mehr als rund 60 Prozent<br />
des vorherigen Einkommens erreicht.<br />
Vielleicht steckt auch bereits ein<br />
Teil des Altersguthabens aus der Pensionskasse<br />
im Eigenheim. Und spätestens<br />
jetzt meldet sich der Hypothekargeber.<br />
Tragbarkeit der Hypothek berechnen<br />
Damit eine Hypothek gewährt wird, müssen<br />
die Kosten dafür tragbar sein. Die<br />
Bank beziehungsweise der Hypothekargeber<br />
sieht daher eine Obergrenze vor für<br />
Hypothekarzinsen, Liegenschaftsunterhalt<br />
und Amortisation der Hypothek. Maximal<br />
ein Drittel des aktuellen Einkommens<br />
sollen die Kosten dafür betragen.<br />
Reduziert sich jetzt mit der Pensionierung<br />
das Einkommen, wird die Bank aufgrund<br />
der tieferen Einkünfte nachrechnen. Sind<br />
die Kosten jetzt höher als ein Drittel des<br />
Alterseinkommens, wird sie eine Reduktion<br />
der Hypothek verlangen, damit diese<br />
wieder tragbar ist. Gut, wer darauf vorbereitet<br />
ist. Zusätzlich angespartes Vorsorgekapital<br />
aus der dritten Säule kann da<br />
erheblich mithelfen.<br />
Das Timing ist entscheidend<br />
Oft werden Hypotheken in eine erste und<br />
eine zweite Tranche aufgeteilt. Die zweite<br />
Hypothek ist meistens innert 15 Jahren zu<br />
amortisieren. Passiert das rechtzeitig vor<br />
der Pensionierung, reduziert sich dadurch<br />
die Hypothekarbelastung. Wurde richtig<br />
geplant, ist sie dann tiefer als ein Drittel<br />
des Alterseinkommens.<br />
ziert werden. Die finanzielle Belastung<br />
stimmt wieder, sodass die eigenen vier<br />
Wände nicht gefährdet sind.<br />
Vorausschauend planen<br />
Das Leben hat Chancen und Risiken. Es<br />
empfiehlt sich, gemeinsam mit einer<br />
Fachperson die individuell passende Vorsorgelösung<br />
zu besprechen, damit Sie Ihr<br />
Wohneigentum finanziell absichern und<br />
auch nach der Pensionierung unbeschwert<br />
geniessen können.<br />
Todesfall berücksichtigen<br />
Bei Paaren fasst man beide Alterseinkommen<br />
zum Haushaltseinkommen zusammen.<br />
Gemeinsam kann damit die Hypothek<br />
finanziert werden. Stirbt nun die<br />
Partnerin oder der Partner, fällt ein Teil<br />
des gemeinsamen Einkommens weg.<br />
Auch hier wird die Ein-Drittel-Regel neu<br />
überprüft. Mit einer passenden Todesfallversicherung<br />
kann die Hypothek redumediservice<br />
<strong>vsao</strong>-asmac<br />
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mediservice <strong>vsao</strong>-asmac und Helvetia<br />
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<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 61
mediservice<br />
Sorgenfrei verreisen –<br />
dank Reiseversicherung<br />
Die Ferien sollen zur schönsten Zeit des Jahres werden.<br />
Was aber, wenn Sie unterwegs ernsthaft erkranken und medizinische<br />
Betreuung benötigen? Packen Sie eine Reiseversicherung ins Gepäck,<br />
die hilft, wenn es darauf ankommt. So geniessen Sie Ihre Ferien<br />
noch unbeschwerter.<br />
Stephan Fischer, Redaktor Visana<br />
Bild: Adobe Stock<br />
62<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
mediservice<br />
Eine Reiseversicherung hilft,<br />
wenn Ihnen in den Ferien etwas<br />
Unvorhergesehenes widerfährt.<br />
Dies kann jeden und jede<br />
treffen, darum ist eine Reiseversicherung<br />
grundsätzlich für alle empfehlenswert.<br />
Sie hilft bei:<br />
– medizinischen Notfällen. Das ist besonders<br />
wichtig, da die Gesundheitskosten<br />
in einigen Ländern sehr hoch<br />
sind und nicht vollständig durch die<br />
Grundversicherung gedeckt sind.<br />
– Reiseabbruch und Annullierung. Unvorhersehbare<br />
Ereignisse können dazu<br />
führen, dass Ferien frühzeitig abgebrochen<br />
oder ganz abgesagt werden müssen.<br />
Reiseversicherungen übernehmen<br />
die Kosten der Stornierung ganz oder<br />
teilweise (Kleingedrucktes lesen!).<br />
– Verlust, Diebstahl oder Beschädigung<br />
von Gepäck. Die meisten Reiseversicherungen<br />
decken die entstehenden<br />
Kosten (z. B. für das Sperren und<br />
den Ersatz von Kreditkarten).<br />
– Rechtsstreitigkeiten im Ausland. Viele<br />
Reiseversicherungen beinhalten eine<br />
Rechtsschutzversicherung, die weltweit<br />
gültig ist.<br />
Gut zu wissen: Kreditkarte und<br />
Hausratversicherung bieten oft<br />
Reiseschutz<br />
Viele Kreditkarten beinhalten eine Reiseversicherung.<br />
Hier lohnt sich ein Blick auf<br />
die Leistungen des Kreditkartenanbieters.<br />
Auch die eigene Hausratversicherung<br />
kann einen Reiseschutz bieten. Bei beiden<br />
gilt: rechtzeitig vor den Ferien abklären<br />
und eine Doppeldeckung vermeiden.<br />
Sommerferien versus mehrmonatigen<br />
Auslandaufenthalt<br />
Für die vierwöchigen Surfferien in Portugal<br />
reicht in aller Regel eine klassische<br />
Reiseversicherung. Wie sieht es aber bei<br />
einem mehrmonatigen Sprachaufenthalt<br />
im Ausland oder bei einer einjährigen<br />
Weltreise aus? In diesen Fällen lohnt sich<br />
der Abschluss einer Langfrist-Versicherung,<br />
die Ihren Rundumschutz für acht,<br />
zehn oder zwölf Monate bietet.<br />
Tipp für Reisen über ein Jahr<br />
Der Versicherungsschutz einer Langfrist<br />
Versicherung beträgt maximal zwölf Monate.<br />
Unser Tipp, wenn Sie länger als ein<br />
Jahr unterwegs sind: Kehren Sie nach elf<br />
Monaten kurz in die Schweiz zurück,<br />
schliessen Sie eine neue Reiseversicherungspolice<br />
(Langfrist-Versicherung) ab<br />
und verreisen Sie dann wieder. So sind Sie<br />
stets optimal versichert.<br />
Sicher in die Ferien mit der Reiseversicherung Vacanza –<br />
und mit etwas Glück sogar mit neuem Reisegepäck<br />
Dank der Reiseversicherung Vacanza von Visana geniessen Sie Ihre Ferien im Ausland<br />
einfach und unbeschwert. In den Zusatzversicherungen Ambulant, Spital oder Basic von<br />
Visana ist dieser umfassende Schutz bereits acht Wochen pro Jahr kostenlos mit dabei.<br />
Vereinbaren Sie einen Beratungstermin, und gewinnen Sie ein Victorinox-Reisegepäck<br />
im Wert von 500 Franken. Wir wünschen Ihnen viel Glück und schöne Ferien!<br />
Réseau de l’Arc – ein neues Zeitalter<br />
Visana, Swiss Medical Network und der Kanton Bern entwickeln die neue Gesundheitsorganisation<br />
Réseau de l’Arc. Per 1. Januar 2024 lanciert Visana im Jurabogen als erster<br />
Krankenversicherer der Schweiz ein neues Grundversicherungsmodell für eine integrierte<br />
Versorgung – eine Pionierleistung im Schweizer Gesundheitssystem. Mit der<br />
neuen Gesundheitsorganisation Réseau de l’Arc spannen Leistungserbringer, Kanton<br />
und Versicherer erstmals zusammen und stellen die Gesunderhaltung anstelle der medizinischen<br />
Überversorgung der Patientinnen und Patienten in den Fokus. Durch die<br />
gemeinsame Verantwortung für eine ganzheitliche Patientenbetreuung wirtschaftet die<br />
Gesundheitsorganisation mit den ihr zur Verfügung stehenden Versicherungsprämien.<br />
Somit wird ein Anreizsystem geschaffen, mit dem alle medizinischen Leistungen kosteneffizient<br />
und die medizinische Versorgung mit hoher Qualität erbracht werden.<br />
www.reseaudelarc.net<br />
Exklusive Prämienrabatte<br />
auf die Zusatzversicherungen<br />
Dank der Partnerschaft zwischen<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac und Visana<br />
erhalten Sie und alle Mitglieder in<br />
Ihrem Haushalt 10 Prozent Kollektivrabatt<br />
auf die Spitalzusatzversicherung<br />
von Visana.<br />
Unser Geschenk für Sie: Coop-Gutschein<br />
im Wert von 30 Franken<br />
Vereinbaren Sie einen Beratungstermin,<br />
und erhalten Sie als Dankeschön<br />
einen Coop-Gutschein im Wert von<br />
30 Franken. Gerne beraten wir Sie in<br />
einer Visana-Agentur oder bei Ihnen<br />
zu Hause. So erreichen Sie uns:<br />
Visana Services AG<br />
Weltpoststrasse 19<br />
3000 Bern 16<br />
Telefon 0848 848 899<br />
www.visana.ch/ms-<strong>vsao</strong><br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 63
Medpension<br />
Mit modularen<br />
Vorsorgelösungen gegen<br />
den Fachkräftemangel<br />
Um Fachkräfte für medizinische Praxen zu gewinnen und<br />
langfristig zu binden, spielt die berufliche Vorsorge<br />
eine Schlüsselrolle. Eine neue Generation von Vorsorgeplänen erweitert<br />
die Spielräume zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität.<br />
Adrian Leiggener, Leiter Vertrieb, Marketing und Kommunikation Medpension<br />
Untersuchungen zeigen, dass ge <br />
rade bei medizinischen Leistungserbringern,<br />
bei denen der<br />
Fachkräftemangel besonders<br />
ausgeprägt ist, eine fortschrittliche berufliche<br />
Vorsorge die Attraktivität des Praxisbetriebs<br />
für bestehende und künftige Mitarbeitende<br />
massgeblich stärkt. Im Vorteil sind<br />
dabei jene Vorsorgeeinrichtungen, die flexible<br />
Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Modular<br />
aufgebaute Vorsorgepläne berücksichtigen<br />
die Bedürfnisse des jeweiligen<br />
Praxisbetriebs:<br />
– Lebenssituationen der Praxisbelegschaft<br />
– Unterschiedliche Beschäftigungsgrade<br />
der Mitarbeitenden<br />
– Einkommensstruktur des Praxispersonals<br />
– Altersstruktur der Mitarbeitenden<br />
Arbeitgeberattraktivität durch<br />
Gestaltungsfreiheit in der beruflichen<br />
Vorsorge<br />
Zentrales Element einer Pensionskassenlösung<br />
ist der jeweilige Vorsorgeplan. Dieser<br />
bestimmt die Leistungen der beruflichen<br />
Vorsorge sowie die Arbeitnehmenden- und<br />
Arbeitgeberanteile der Risikoprämien und<br />
der Altersgutschriften (Sparbeiträge für die<br />
Altersvorsorge). Individualität in der beruflichen<br />
Vorsorge lässt sich dann erzielen,<br />
wenn Sie bei den Vorsorgeplänen Wahlmöglichkeiten<br />
haben.<br />
Flexible Vorsorgelösungen tragen dazu<br />
bei, das Vertrauen und die Bindung von<br />
Fachkräften zu erhöhen sowie langfristige<br />
Beziehungen aufzubauen. Gleichzeitig ermöglichen<br />
sie den Mitarbeitenden, ihre finanzielle<br />
Zukunft aktiv zu gestalten und<br />
auf Veränderungen in ihrer Lebenssituation<br />
flexibel zu reagieren.<br />
64<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
Medpension<br />
Ratgeber «Wie modulare Vorsorgepläne<br />
die Arbeitgeberattraktivität<br />
steigern»<br />
Der Ratgeber von Medpension vermittelt<br />
selbständig erwerbenden Praxisinhaberinnen<br />
und -inhabern sowie der Praxisleitung<br />
eine wichtige Wissensgrundlage,<br />
um ihre Attraktivität als Arbeitgebende<br />
nachhaltig zu steigern. Sie erhalten den<br />
Rat geber kostenlos unter: medpension.ch/<br />
blog-news/arbeitgeberattraktivitaet.<br />
Medpension führt per 1. Januar<br />
2024 neue Vorsorgepläne ein<br />
Die neuen Vorsorgepläne von Medpension<br />
lassen sich auf die Erfordernisse der<br />
jeweiligen Lebenssituation abstimmen.<br />
Sie haben eine Auswahl von mehreren Plänen<br />
und stellen dabei diejenigen Module<br />
zusammen, welche Ihren Bedürfnissen<br />
und denjenigen Ihrer Mitarbeitenden am<br />
besten entsprechen. Sei es für das Alterssparen<br />
oder für die zu versichernden Risiken<br />
Tod und Invalidität.<br />
Die Anpassungen der Sparmöglichkeiten<br />
auf einen Blick<br />
– Sie haben die Wahl zwischen fünf Vorsorgeplänen<br />
– Bereits ab Alter 20 kann für die zweite<br />
Säule angespart werden<br />
– Mit der Option «Sparen +» können die Altersgutschriften<br />
um 1,0 % erhöht werden<br />
– Der Kombiplan bietet die Möglichkeit,<br />
Jahreslöhne ab CHF 88 200 in einer höheren<br />
Sparskala zu versichern<br />
– Freiwillige Sparbeiträge (Wahlpläne) ermöglichen<br />
der versicherten Person, zusätzlich<br />
zu sparen<br />
Höhe des<br />
Todesfallkapitals<br />
Optionale<br />
Versicherung der<br />
Rückgewähr des<br />
Alterskapitals<br />
Höhe der<br />
Ehegatten- oder<br />
der Lebenspartnerrente<br />
Höhe der<br />
Invalidenrente<br />
Erforderliche flexible Parameter bei einer idealen Struktur der Vorsorgepläne.<br />
Für weiterführende<br />
Informationen<br />
Medpension <strong>vsao</strong> asmac<br />
Brunnhofweg 37, Postfach 319<br />
3000 Bern 14, Tel. 031 560 77 77<br />
info@medpension.ch<br />
www.medpension.ch<br />
Höhe des<br />
Koordinationsabzugs<br />
und der<br />
Eintrittsschwelle<br />
Modulare<br />
Vorsorgepläne<br />
mit flexiblen<br />
Parametern<br />
Variables<br />
Finanzierungsverhältnis<br />
Sparbeiträge auch<br />
für jüngere<br />
Arbeitnehmende<br />
Erhöhte<br />
Sparbeiträge für<br />
Lohnanteile über<br />
dem BVG-<br />
Obligatorium<br />
Zusätzliche,<br />
freiwillige<br />
Sparbeiträge<br />
Erweiterung der Risiko- und der<br />
anwartschaftlichen Leistungen<br />
– Für die Risiken Tod und Invalidität kommen<br />
neue, attraktive Prämientarife zur<br />
Anwendung<br />
– Neu kann das Zusatz-Todesfallkapital bis<br />
maximal CHF 500 000 versichert werden<br />
– Variable Ehegatten- oder Lebenspartnerrente<br />
und Kinderrenten, je nach Absicherungsbedarf<br />
– Rückgewähr des restlichen Altersguthabens<br />
während der ersten zehn Jahre<br />
nach der Pensionierung<br />
Wir haben für Sie eine Webseite zu den<br />
neuen innovativen Vorsorgeplänen mit<br />
weiterführenden Informationen zusammengestellt.<br />
Unter anderem finden Sie dazu<br />
auch hilfreiche Erklärvideos:<br />
www.medpension.ch/vorsorgeplaene-neu<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 4/23 65
Impressum<br />
Kontaktadressen der Sektionen<br />
<strong>Nr</strong>. 4 • 42. Jahrgang • <strong>August</strong> <strong>2023</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
AG<br />
VSAO Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
mediservice <strong>vsao</strong>-asmac<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@<strong>vsao</strong>.ch, journal@asmac.ch<br />
www.<strong>vsao</strong>.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>vsao</strong><br />
Redaktion<br />
Regula Grünwald (Chefredaktorin),<br />
Maya Cosentino, Kerstin Jost, Fabian Kraxner,<br />
Bianca Molnar, Patricia Palten, Léo<br />
Pavlopoulos, Lukas Staub, Tharshika<br />
Thavayogarajah, Anna Wang<br />
Geschäfts ausschuss <strong>vsao</strong><br />
Angelo Barrile (Präsident), Nora Bienz<br />
(Vizepräsidentin), Severin Baerlocher,<br />
Christoph Bosshard (Gast), Clara Ehrenzeller<br />
(swimsa), Marius Grädel, Richard<br />
Mansky, Gert Printzen, Svenja Ravioli,<br />
Patrizia Rölli, Martin Sailer, Jana Siroka<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Kommunikationsunternehmen,<br />
Wölflistrasse 1, 3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
Layout<br />
Oliver Graf<br />
Titelillustration<br />
Stephan Schmitz<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien,<br />
Markus Haas, Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail <strong>vsao</strong>@fachmedien.ch<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 500 Expl.<br />
WEMF/KS-Beglaubigung 2022: 21 679 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>vsao</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag<br />
inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5/<strong>2023</strong> erscheint im<br />
Oktober <strong>2023</strong>. Thema: Sprache<br />
© <strong>2023</strong> by <strong>vsao</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
BL/BS<br />
VSAO Sektion beider Basel, Geschäftsleiterin und Sekretariat:<br />
lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin, Hauptstrasse 104,<br />
4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95, Fax 061 421 25 60,<br />
sekretariat@<strong>vsao</strong>-basel.ch, www.<strong>vsao</strong>-basel.ch<br />
BE VSAO Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
info@<strong>vsao</strong>-bern.ch, www.<strong>vsao</strong>-bern.ch<br />
FR<br />
ASMAC Sektion Freiburg, Rue du Marché 36, 1630 Bulle,<br />
presidence@asmaf.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
NE<br />
VSAO Sektion Graubünden, Kornplatz 2, 7000 Chur, Samuel B. Nadig,<br />
lic. iur. HSG, RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 081 256 55 55,<br />
info@<strong>vsao</strong>-gr.ch, www.<strong>vsao</strong>-gr.ch<br />
ASMAC Sektion Jura, Bollwerk 10, 3001 Bern, sekretariat@<strong>vsao</strong>.ch<br />
Tel. 031 350 44 88<br />
ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist,<br />
Rue du Musée 6, Postfach 2247, 2001 Neuenburg,<br />
Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR VSAO Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
surber@anwaelte44.ch<br />
SO<br />
TI<br />
TG<br />
VD<br />
VS<br />
VSAO Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
VSAO Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
VSAO Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ZH/SH<br />
VSAO ZH/SH, RA lic. iur. Susanne Hasse,<br />
Geschäftsführerin, Nordstrasse 15, 8006 Zürich, Tel. 044 941 46 78,<br />
susanne.hasse@<strong>vsao</strong>-zh.ch, www.<strong>vsao</strong>-zh.ch<br />
Publikation<strong>2023</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
66<br />
4/23 <strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong>
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D: Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren: 1x täglich 1 Brausetablette oral. KI: Niereninsuffizienz, AV-Block, Exsikkose. IA: Tetracycline, Eisensalze, Cholecalciferol.<br />
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