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Lebensfreude unter alten Bäumen

Helmut Wartner stellt in diesem Buch Zeichnungen aus mehreren Jahrzehnten zum Thema „Lebensfreude unter alten Bäumen“ und eine Auswahl von Artikeln der Landshuter Zeitung vor. Diese sind zwischen 2018 und 2023 zusammen mit weiteren Autorinnen und Autoren der Bauminitiative Landshut entstanden. Auch sein jahrelanger Einsatz für einen Kirschgarten am Fuß des Hofbergs in Landshut ist in diesem reich bebilderten Werk enthalten.

Helmut Wartner stellt in diesem Buch Zeichnungen aus mehreren Jahrzehnten zum Thema „Lebensfreude unter alten Bäumen“ und eine Auswahl von Artikeln der Landshuter Zeitung vor. Diese sind zwischen 2018 und 2023 zusammen mit weiteren Autorinnen und Autoren der Bauminitiative Landshut entstanden. Auch sein jahrelanger Einsatz für einen Kirschgarten am Fuß des Hofbergs in Landshut ist in diesem reich bebilderten Werk enthalten.

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<strong>Lebensfreude</strong><br />

Helmut Wartner (Hg.)<br />

<strong>unter</strong> <strong>alten</strong><br />

<strong>Bäumen</strong><br />

Biergärten und Bäume<br />

in und um Landshut


<strong>Lebensfreude</strong><br />

<strong>unter</strong> <strong>alten</strong> <strong>Bäumen</strong><br />

Biergärten und Bäume<br />

in und um Landshut<br />

herausgegeben von<br />

Helmut Wartner


Inhalt<br />

Warum dieses Buch? Seite 7<br />

Vorwort von Prof. Dr. Martin Balle Seite 9<br />

Zum Geleit von Dieter Wieland Seite 10<br />

Bäume als Zeichenobjekte Seite 13<br />

Baumgiganten in Landshut Seite 25<br />

<strong>Lebensfreude</strong> <strong>unter</strong> <strong>alten</strong> <strong>Bäumen</strong>: Seite 59<br />

Biergärten in und um Landshut<br />

Verschwundene Biergärten Seite 137<br />

in Stadt und Land<br />

Bäume als Naturschmankerl Seite 147<br />

im Landkreis Landshut<br />

Das Kirschgartenprojekt<br />

in Landshut Seite 171<br />

Zum Ausklang von Markus Stenger Seite 183<br />

Dank Seite 185<br />

Bildnachweise Seite 187<br />

Impressum Seite 188


12


Der Hausbaum, Unterdörfel 1978<br />

Bäume<br />

als Zeichenobjekte<br />

Eine Zeichnung ist kein Foto. Beim Zeichnen entscheide ich, was ich abbilden will.<br />

Und was nicht. Störende Elemente lasse ich einfach weg.<br />

Doch das eigentlich Aufregende ist jedesmal der Start vor dem leeren Blatt Papier.<br />

Wohin führt die Reise mit dem Zeichenstift? Das ist ein großes Abenteuer. Am besten<br />

ohne Vorzeichnung – nach einer mehr oder weniger langen Konzentrationsphase<br />

einfach beginnen und staunen, was sich zwischen Kopf, Hand und Herz entwickelt.<br />

Im Idealfall entsteht eine fließende Bewegung auf dem Papier, eine Art musikalisches<br />

Auf und Ab, Hin und Her – mit langsamen und schnellen Sätzen.<br />

Viele Menschen sprechen mich darauf an, dass ich „so toll und unverwechselbar<br />

zeichne.“ Es gibt den schönen Spruch „Von nix kommt nix.“ So ist es auch beim Zeichnen:<br />

Ohne Übung können keine gelungenen Werke entstehen. Und das Lernen und<br />

Ausprobieren hört ja nie auf.<br />

Die folgenden Seiten zeigen ein paar Bäume, Baumgest<strong>alten</strong> und erstaunliche<br />

Lebewesen, die ich im Laufe der letzten Jahrzehnte portraitiert habe. Auch das war für<br />

mich pure <strong>Lebensfreude</strong> <strong>unter</strong> <strong>alten</strong> <strong>Bäumen</strong>.<br />

Helmut Wartner<br />

Bäume, mehr Bäume, das ist die Lösung.<br />

Bäume bringen Wasser, Futter, Vieh, Ernte;<br />

der Baum bedeutet Schatten, Gemütlichkeit, Lieder –<br />

er regt Dichter, Maler, Gesetzgeber, Denker an.<br />

–<br />

Henry Miller über die Landschaft Griechenlands, 1940<br />

13


14<br />

Bavariabuche, Pondorf 1989


1000-jährige Eiche, Ottersdorf 1989<br />

15


Weide in Tiefenbach<br />

Baumgiganten<br />

in Landshut<br />

Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) Landshut hat vor einigen Jahren<br />

ein ganz besonderes Projekt <strong>unter</strong> dem Namen „Landshuts Giganten“ ins Leben gerufen.<br />

In Stadt und Landkreis können dabei alle Bäume mit einem Stammdurchmesser<br />

über 100 cm gemeldet werden, die nach einer nachvollziehbaren Eingabemaske<br />

Einzug in eine Übersichtskarte finden. Die Arbeit wird ständig aktualisiert und fortgeführt.<br />

Im Jahr 2023 sind rund 1.800 Exemplare gelistet, rund 1.000 sind Anwärter<br />

und Kandidaten; Fast 150 hingegen wurden leider bereits gefällt, sind umgesürzt oder<br />

abgestorben.<br />

Das Projekt richtet sich an Naturfreunde, Spaziergänger, Waldbesitzer, Biergartenbesucher,<br />

Radfahrer, Reiter, Schwammerlsucher und alle anderen, die sich gerne<br />

in der Natur aufh<strong>alten</strong>.<br />

Um das Projekt einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, hat die „Landshuter<br />

Bauminitiative“ beschlossen, den Baumgiganten eine Artikelserie in der Lokalzeitung<br />

zu widmen. Ein paar der im Jahr 2016 vorgestellten Bäume aus dem Stadtgebiet präsentieren<br />

wir auf den folgenden Seiten.<br />

Helmut Wartner<br />

Doch wir sind begünstigte<br />

Wir dürfen noch zu ende leben<br />

<strong>unter</strong> bäumen<br />

–<br />

Reiner Kunze<br />

25


Stammumfang: ca. 370 cm<br />

Höhe: ca. 15 m<br />

Naturdenkmal No. 10<br />

Baumgigant No. 1.741<br />

Der Samtahorn im Hofgarten<br />

Auf dem Weg vom Stadtblick Richtung Herzoggarten kommt jeder Besucher des<br />

Landshuter Hofgartens an einem wahrhaft zauberhaften Gewächs vorbei: An einem<br />

Samtahorn (Acer velutinum) – eine Rarität, die die Gründer des Hofgartens sicher<br />

bewusst an dieser Stelle gepflanzt haben, um dem Park einen weiteren Exoten hinzuzufügen.<br />

Sein weiterer Name ̦Persischer Ahorn̒ weist auf die Herkunft und das natürliche<br />

Verbreitungsgebiet im Kaukasus und nördlichen Iran hin. Dort wächst die wärmeliebende,<br />

frostharte Baumart in artenreichen Wäldern auf frischen bis feuchten, sauren<br />

bis neutralen, sandig-humosen bis lehmig-humosen Böden an sonnigen bis halbschattigen<br />

Standorten.<br />

Seine mächtigen, über dem Weg fast waagrecht verlaufenden, schenkeldicken<br />

Äste stellen jeden irdischen Statiker vor das Rätsel, wie dieser Baum es schafft, die Last<br />

seiner Krone zu tragen. Doch die Wirkgesetze der Natur entziehen sich erfreulicherweise<br />

oft menschlichen Maßstäben und Kalkulationstabellen – manche sprechen deshalb<br />

auch von Naturwundern …<br />

Der bis zu 25 m hohe Baum mit breiter Krone hat die für Ahorne so typischen<br />

fünflappigen, 15 bis 25 cm breiten Blätter mit herzförmiger Basis. Sie sind eiförmig,<br />

grob und unregelmäßig gesägt. Die Blattoberseite ist frischgrün, die Unterseite bläulich<br />

grün und zottig behaart. Die Blätter färben sich – wie alle Vertreter der Art – wunderbar<br />

gelb.<br />

In Bayern pilgern im Herbst jährlich Hunderte von Ahornbegeisterten in den sogenannten<br />

Ahornboden in der Hinterriß im oberbayerischen Karwendel-Voralpenland,<br />

um die spektakuläre Blattfärbung der dortigen Bergahorn-Baumgiganten zu erleben<br />

und zu bestaunen. Auch an der amerikanischen Ostküste zaubert der sogenannte „Indian<br />

Summer“ jährlich spektakuläre Farbbilder in die dortigen Kulturlandschaften, die vom<br />

Zucker-Ahorn (Acer saccharum) mit der dazugehörigen Sirup-Ernte geprägt sind.<br />

Einen kleinen Hauch dieses Farbschauspiels können auch alle Landshuter im Hofgarten<br />

erleben – wenn sie rechtzeitig vor Ort sind.<br />

Helmut Wartner<br />

31


Naturdenkmal No. 10<br />

Baumgigant No. 1.741<br />

Stammumfang: ca. 370 cm<br />

Höhe: ca. 15 m<br />

32


Die Esche in Salzdorf<br />

Ein mächtiger, frisch gepflegter Baum markiert<br />

eine landwirtschaftliche Hoffläche am Südrand der<br />

Stadt in Salzdorf: eine gemeine Esche (Fraxinus excelsior),<br />

das Naturdenkmal Nr. 61 in Landshut mit<br />

einer stolzen Höhe von 25 m und einem Stammumfang<br />

von rund 430 cm. Der Name leitet sich<br />

vom griechischen „phrasso“ (=umzäunen) ab, denn<br />

junge Stämme lieferten früher gute Zaunpfosten<br />

und Pfähle für Palisaden.<br />

Zahlreiche Ortsnamen enth<strong>alten</strong> auch den<br />

Wortstamm der Esche, wie z. B. Eschenlohe, Eschenhart<br />

oder Aschau. Im germanischen Nationalepos<br />

Edda steht: „Eine Esche weiß ich, sie heißt Yggdrasil,<br />

die hohe, benetzt mit hellem Nass: von dort kommt der<br />

Tau, der in Täler fällt; immmergrün steht sie am Urdbrunnen.“<br />

Als „Ask“ (Esche) und „Embla“ (Ulme)<br />

symbolisieren sie in der germanischen Mythologie<br />

die ersten Menschen, so wie in der christlichen<br />

Mythologie Adam und Eva. Und die Indianer glauben,<br />

dass Mann und Frau entstanden sind, als der<br />

große Manitu einen Pfeil in eine Esche schoss …<br />

Humose, frische und mäßig feuchte kalkhaltige<br />

Böden ohne Staunässe – das sind die Standortsansprüche<br />

der Esche als Laubbaum. Sie versagt<br />

auf trockenen Böden – zunehmend in den heißen<br />

Städten des Klimawandels, wo sie bisher ein beliebter<br />

Allee- und Straßenbaum war. Auch die<br />

sogenannte rätselhafte Eschentriebkrankheit, die<br />

von einem Schlauchpilz verursacht wird, sorgt an<br />

Straßen, Au-, Schlucht- und Hangwäldern für einen<br />

dramatischen Rückgang dieser Art.<br />

Der Rückgang der Eschen begünstigt in den<br />

Auwäldern die Eiche, die den frei gewordenen Licht-<br />

raum nach den Fällungen der kranken Eschen gerne<br />

einnimmt. Die Esche wurde früher eher nicht als<br />

Hofbaum wie Linden und Ulmen domestiziert,<br />

weil ihr umfangreiches Wurzelwerk den Mauern<br />

schaden kann und ihre gefiederten Blätter nur einen<br />

lichten Schatten spenden. Für Bauern ist sie<br />

deshalb eine äußerst ausschlagsfreudige „Matz“, die<br />

fleißig Senkwurzeln mit kräftigen Seitentrieben<br />

bildet und so eher verfolgt als geliebt wird.<br />

Die Lebenserwartung des bis zu 40 m hohen<br />

Baumes liegt bei rund 250 – 300 Jahren. Mit 80<br />

Jahren erreicht die Esche ihr bestes Hiebalter. Ältere<br />

Stämme entwickeln häufig einen bräunlichen<br />

Kern. Wenn dieser größere Ausmaße annimmt,<br />

erinnert die Holzstruktur des Ölbaumgewächses an<br />

Ölbäume und wird deshalb als „Olivenesche“ teuer<br />

bezahlt. Seit der Antike ist es auch als Waffenholz<br />

für Speere und Bögen beliebt – so z. B. für den berühmten<br />

Eschenspeer des Kentauren Chiron, mit<br />

dem Achill Hektor den Garaus machte. Auch die<br />

Liebespfeile von Amor waren angeblich aus Esche.<br />

Hildegard von Bingen beschreibt die Esche<br />

als „Sinnbild der besonnenen Einsicht“. Ihre Blätter<br />

wurden auch als Hopfenersatz bei der Herstellung<br />

von Haferbier verwendet. Hippokrates empfiehlt<br />

Zubereitungen als Mittel gegen Rheuma und Gicht.<br />

Als Chinarinden-Ersatz flößte man die abgeschabte<br />

Rinde junger Äste als Tee Fieberkranken ein. Und<br />

im Barock verband man mit Eschenrindenstreifen<br />

Schnittwunden.<br />

Die Engländer panschten aus Eschenblättern<br />

Schwarztee, indem zuvor „Eschenblätter von Kindern<br />

gesammelt in einem Kupferkessel mit Schafsdung ge-<br />

Stammdumfang: ca. 430 cm<br />

Höhe: ca. 25 m<br />

Naturdenkmal No. 61<br />

Baumgigant No. 2.777<br />

42


Naturdenkmal No. 61<br />

Baumgigant No. 2.777<br />

Stammdumfang: ca. 430 cm<br />

Höhe: ca. 25 m<br />

kocht“ wurden. Und so verwundert es nicht, dass es in einem Lexikon von 1750 heißt:<br />

„ … dass man sich so unglaubliche Dinge von der Esche erzählt, und wenn nur die Hälfte davon<br />

wahr wäre, man bekennen müsste, es wäre in einem einzigen Baum eine ganze Apotheke zu<br />

finden.“<br />

Helmut Wartner<br />

45


Weide in Tiefenbach<br />

<strong>Lebensfreude</strong><br />

<strong>unter</strong> <strong>alten</strong> <strong>Bäumen</strong>:<br />

Biergärten in<br />

und um Landshut<br />

Nach den Baumgiganten, Alleen und den Naturschmankerln und deren Pflege hat sich<br />

die „Landshuter Bauminitiative“ im Jahr 2023 den Biergärten in und um Landshut mit<br />

einer Artikelserie in der „Landshuter Zeitung“ angenommen. Am Beginn standen folgende<br />

Fragen: Was macht den besonderen Reiz jener Biergärten aus? Wie gefährdet<br />

sind sie? Was <strong>unter</strong>nehmen die Pächter und Brauereien zum Erhalt, zur Pflege und<br />

Weiterentwicklung ihrer Biergärten-Kulturschätze? Wer hat den ältesten Biergarten?<br />

Und wer den schönsten, mächtigsten Baum im Biergarten?<br />

Für die Auswahl innerhalb der 21-teiligen Serie waren die Initiatoren – die Kreisgruppe<br />

des Bundes Naturschutz (BN) und die „Landshuter Bauminitiative“ – verantwortlich.<br />

Sie haben jeweils zehn Biergärten in Landshut und im Landkreis ausgewählt.<br />

Auf die erste Vorankündigung im August 2023 hin hat sich nur ein Besitzer an uns<br />

gewandt, um in die Serie aufgenommen zu werden. Kurz vor dem Abschluss kam<br />

spontan noch ein wiederbelebter Biergarten in Pfettrach hinzu. Die übrige Auswahl<br />

spiegelt die subjektiven Vorlieben und Empfehlungen der Autoren wider.<br />

Auch die Geschichte der 20 Freiräume hat uns interessiert. Die letzte Folge beschreibt<br />

verlorene Biergärten, die dem Zahn der Zeit, Bauprojekten oder den Auswirkungen<br />

der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen sind.<br />

Die Zeichnungen mit den Baumportraits versuchen, Stimmungen einzufangen.<br />

Dagegen zeigen die erhellenden Luftbilder von Klaus Leidorf: Diese Biergärten sind<br />

oft letzte grüne Baum- und Schatteninseln inmitten von Stadt und Land. Das erklärt<br />

<strong>unter</strong> anderem auch ihre Popularität in Zeiten des Klimawandels mit zunehmend heissen<br />

Sommern.<br />

Helmut Wartner<br />

59


LZ-Artikel vom 22.2.2023<br />

Zur Post Bahnhofstraße 11, 84076 Pfeffenhausen<br />

Seit fast vier Jahrhunderten gibt es das Brauereigasthaus<br />

„Zur Post“ in Pfeffenhausen. Der Markt<br />

hieß früher im Volksmund auch „Krügelhausen“,<br />

weil er zu seiner Glanzzeit mit 14 Wirtshäusern und<br />

mehr als 6 Brauereien mit entsprechenden Wirtshäusern<br />

und Gasthöfen inmitten der Holledau/<br />

Hallertau aufwarten konnte. Das denkmalgeschützte<br />

Ensemble geht bis ins 17. Jahrhundert zurück<br />

und beherbergt auch heute noch den kleinsten<br />

Biergarten im Landkreis – das sogenannte „Salettl“.<br />

Dieses aus dem italienischen (saletta) abgeleitete<br />

„Sälchen“ wird hier von einer einzigen großen<br />

Traueresche zu einer lauschigen Laube überspannt.<br />

Der dichte Wuchs mit den für Trauereschen typischen<br />

gefiederten Blättern spendet einen wunderbaren,<br />

dachartigen Schatten, der die Gäste selbst<br />

bei leichtem Regen noch trocken hält. Der Baum<br />

hat eine unversiegelte kiesige Baumscheibe von<br />

über 50 m² als Lebensraum und wurde vor ca. 140<br />

Jahren vom Großvater der jetzigen Besitzerfamilie,<br />

einem Botaniker, gepflanzt. Das erklärt die etwas<br />

ausgefallene Baumart, die aber hier ganz hervorragend<br />

passt und mit den hängenden Zweigen dem<br />

Gast ein gemütliches, fast romantisches Ambiente<br />

vermittelt.<br />

1824 wurde auf Geheiß des Königs von Bayern<br />

im Anwesen der Brauerei in Pfeffenhausen, gelegen<br />

an der <strong>alten</strong> Salzstraße von Salzburg nach<br />

Nürnberg, eine Relais-Station, d. h. Posthalterei<br />

mit Poststall für das Postwesen eingerichtet. Daraus<br />

ging die „Brauerei Zur Post“ hervor. Der Ahnherr<br />

der heutigen Familie kam durch Heirat 1850 auf das<br />

Anwesen und konnte die Posthalterei auf Dienstvertrag<br />

mit einer Bürgschaft von 500 Gulden übernehmen.<br />

Er musste sich <strong>unter</strong> anderem dazu verpflichten,<br />

das ganze Jahr über zwei ausgeruhte<br />

Pferde vorzuh<strong>alten</strong>, die bei Bedarf für Postzwecke<br />

(Kutsche etc.) eingespannt werden konnten, meist<br />

um den gefürchteten Zornhofer Berg überwinden<br />

zu können, der erst jüngst aufwendig mit einer<br />

Neutrassierung der B 299 mit weniger Steigungsgefälle<br />

umfahren wurde. Die Relaisstrecke Landshut<br />

– Pfeffenhausen – Siegenburg – Neustadt wurde<br />

zweispännig und fast ausschließlich nur bei Tageslicht<br />

befahren. Die Reisegeschwindigkeit betrug<br />

ca. 6 km/h.<br />

Eine Anekdote am Rande: Am 13. Dezember<br />

1872 zur Tageszeit überfiel das berüchtigte Räuberduo<br />

aus dem Donaumoos „Gump und Gänswürger“<br />

die im Gebäude befindliche Postexpedition, fesselte<br />

61


den Postexpediteur und raubte die Postkasse – das<br />

alles, während das Gasthaus nebenan voll mit Gästen<br />

war.<br />

Kurios ist auch die Geschichte des Brauerei-<br />

Signets: Die deutsche Bundespost hat der Brauerei<br />

verboten, das Mundstück des verwendeten aufgem<strong>alten</strong><br />

Posthorns auf dem als Briefmarke gestalteten<br />

Logo linksseitig zu verwenden. Außerdem<br />

wurde das Gelb der Briefmarke beanstandet – die<br />

Bundespost erklärte, nur sie alleine habe das Recht,<br />

das Symbol „Posthorn“ und den gelben Farbton<br />

diesbezüglich zu verwenden.<br />

Die Folge war: Das Posthorn wurde seitenverkehrt<br />

gespiegelt, und der Farbton wurde etwas dunkler<br />

gewählt. Diese Abänderung wurde von Seiten der<br />

Bundespost dann anstandslos genehmigt …<br />

Ein Besuch des kleinen, aber so besonderen<br />

Wirtsgartens „Zur Post“ lohnt sich also für Gäste<br />

aus Nah und Fern. Die Öffnungszeiten sind saisonund<br />

wetterbedingt zu erfragen. Das bestens gepflegte<br />

Anwesen freut sich auf einen Aufschwung<br />

im Zuge der Aktivitäten rund um das künftig in<br />

Pfeffenhausen angesiedelte Wasserstoffzentrum.<br />

Helmut Wartner<br />

62


LZ-Artikel vom 22.3.2023<br />

Zur Linde Bruckenstraße 15, 84175 Leberskirchen<br />

Die kleine Gemeinde Schalkham im Vilstal und<br />

Holzland liegt ca. 30 Kilometer östlich von Landshut.<br />

Und im Ortsteil Leberskirchen liegt mitten im<br />

Dorfzentrum das Gasthaus „Zur Linde“. Im Sommer<br />

1995 plante der damalige Eigentümer zusammen<br />

mit einem Bau<strong>unter</strong>nehmer und Architekten,<br />

anstelle des stark her<strong>unter</strong>gekommenen Gebäudes<br />

Reihenhäuser und einen Wohnblock zu errichten.<br />

Doch sie hatten nicht mit dem Widerstand des<br />

Dorfes gerechnet: Unter der segensreichen Führung<br />

der Nachbarin Irmi Seisenberger gingen<br />

allein an einem Wochenende 100.000 Mark an<br />

privaten Darlehens-Anteilen von Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern ein, die den verblüfften Gemeinderat<br />

veranlassten, das Gebäude samt Grundstück<br />

zu kaufen. Damit gehörte es fortan allen Leberskirchnerinnen<br />

und Leberskirchnern.<br />

Der damals eingeschlafene Verein „Sing- und<br />

Spielgruppe Leberskirchen e. V.“ wurde wieder ins<br />

Leben gerufen. Im nächsten Schritt beschloss der<br />

Gemeinderat, nach einem Grundseminar der Dorferneuerung<br />

in das Bayerische Dorferneuerungsprogramm<br />

des Landwirtschaftsministeriums aufgenommen<br />

zu werden. Das ermöglichte ab 1996<br />

den Zugang zu lukrativen Fördertöpfen für die<br />

grundlegende Sanierung des Gebäudes und den<br />

Neubau des Festsaales in Holzständerbauweise,<br />

der dank hoher Eigenleistung mit sage und schreibe<br />

5.000 Arbeitsstunden der Dorfbewohner heute<br />

ein Schmuckstück im Dorfzentrum ist. Er dient<br />

seit Jahren neben zahlreichen Gruppen aus dem<br />

Dorf dem Amateurtheater „Bühne links der Bina“<br />

als willkommener Aufführungsort für ihre erfolgreich<br />

inszenierten, manchmal zu Unrecht vernachlässigten<br />

Stücke der Theaterliteratur.<br />

Hinter dem Wirtshaus wurde zudem 1998 in<br />

Eigenleistung ein großer Kinderspielplatz errichtet<br />

und feierlich eingeweiht. Im Jahr 2005 titelte<br />

die Vilsbiburger Zeitung am 15. Juni: „Ortskern hat<br />

eine neue ‚Gute Stube‘ – Ideen, Tatkraft und Solidarität<br />

der Bürger lassen das ‚Wirtshaus zur Linde‘ erstrahlen.“<br />

Und weiter hieß es im Text: „Hindernisse<br />

haben die Leberskirchner humorvoll aus dem Weg geräumt<br />

und in ca. 9.000 Arbeitsstunden etliche Tausend<br />

Kilogramm Putz, Zement, Kies und Sand hingeräumt,<br />

hunderte Meter Kabel und Rohre verlegt und an die<br />

1.500 Halbe Bier verbraucht.“<br />

Die lassen sich heute auch gut im erh<strong>alten</strong>en<br />

Biergarten mit einer mächtigen Linde, einem Bergahorn<br />

und vier Kastanien entlang des Holzzaunes<br />

91


gemütlich mit den typisch bayerischen Speisen aus<br />

der Pächterküche von Lydia und Carsten Schneider<br />

verdrücken, die auch durch moderne Schmankerl<br />

angereichert ist. Seit 17 Jahren sorgen sie für Speis<br />

und Trank. Und dank des Eigentümers, der „Singund<br />

Spielgruppe e. V.“, kamen sie mit moderatem<br />

Pachtzins und vielen Bestellungen außer Haus<br />

durch die solidarische Dorfgemeinschaft bisher<br />

auch gut durch die Corona-Pandemie. Durch seine<br />

Lage direkt am Vilstalradweg lädt der Biergarten<br />

auch immer zu einer gemütlichen, stärkenden<br />

Rast ein.<br />

Unterm Kirschbaum<br />

in der Suppe, im Salat,<br />

Blüten überall!<br />

–<br />

Basho<br />

Helmut Wartner<br />

92


93


Weide in Tiefenbach


Bäume<br />

als Naturschmankerl<br />

im Landkreis<br />

Wenn Menschen ein hohes Alter erreichen, stellt<br />

sich immer die Frage: Können sie sich noch alleine<br />

versorgen oder brauchen sie Hilfe, müssen sie sogar<br />

in ein Altenheim für einen würdigen letzten Lebensabschnitt?<br />

Auch Bäume sind Lebewesen, und<br />

immer noch entscheiden wir uns – meist aus vordergründigen<br />

Argumenten ohne eingehende Prüfung<br />

– für die Radikallösung: Der Baum muss weg,<br />

weil er eine scheinbare Gefahr darstellt! Gerade<br />

die vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) im<br />

Landkreis erfassten Baumgiganten (Exemplare mit<br />

einem Stammdurchmesser von mindestens 1 m<br />

in Brusthöhe gemessen) werden dankbarerweise<br />

regelmäßig von Fachleuten auf ihre Vitalität und<br />

Standsicherheit <strong>unter</strong>sucht.<br />

Ganz wesentliche neue Erkenntnisse zeigen,<br />

wie wertvoll gerade das vorhandene Totholz bei<br />

diesen <strong>Bäumen</strong> ist: als Lebensraum für Spechte, Fledermäuse<br />

und zahlreiche Insekten. Trotzdem zeigt<br />

nur eine sorgfältige Untersuchung vor Ort, wie<br />

standsicher diese Rentner sind: Gibt es Wurzelfäule,<br />

die sich nur mit dem Wund<strong>unter</strong>suchungsbohrer<br />

oder im Extremfall mit einem gewöhnlichen Meterstab<br />

feststellen lässt? Wenn sich der Meterstab wie<br />

Butter weit in die Erde einführen lässt, ist Gefahr<br />

im Verzug. Klopfproben geben dem Fachmann<br />

weiteren sicheren Aufschluss über den eventuell<br />

mangelnden Gesundheitszustand der Patienten.<br />

Ein Prachtexemplar ist z. B. die Weide in Tiefenbach<br />

mit vier Stämmen zwischen 240 und 304 cm<br />

Stammumfang – ein landschaftsprägender Baumgigant<br />

an der Hauptstraße.<br />

Eine aktuelle Untersuchung empfiehlt eine<br />

„Entfernung der abgestorbenen oder gebrochenen Kronenzweige<br />

… sowie eine Totholzentnahme und die<br />

Entfernung eines bruchgefährdeten Astes zur Herstellung<br />

der Verkehrssicherheit straßenseits.“<br />

Zur Gefahrenabwehr müssen diese schonenden<br />

Baumschnitte von der Gemeinde angeordnet<br />

werden. Im Extremfall dulden entsprechende Maßnahmen<br />

auch keinerlei Aufschub, um Haftungsausschlüsse<br />

zu garantieren. Doch ganz entscheidend<br />

ist, dabei die „artenschutzrechtlichen Belange zu<br />

beachten“ – die aktuell in einem sehr anschaulich<br />

bebilderten „Fachbericht Artenschutz“ der<br />

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung<br />

Landschaftsbau (FLL) allgemeinverständlich aufbereitet<br />

sind.<br />

Bei entsprechend vorgeschriebener regelmäßiger<br />

Umsetzung der nötigen Maßnahmen durch eine<br />

qualifizierte Fachfirma kann die wunderschöne<br />

Weide im Ortsteil Ast noch weitere Jahrzehnte das<br />

Herz aller Baumfreundinnen und Baumfreunde<br />

erfreuen.<br />

Richard Kuther und Helmut Wartner<br />

147


LZ-Artikel vom 2.5.2021<br />

Die Preysing-Eiche in Eching<br />

Südlich der katholischen Pfarrkirche St. Johann<br />

Baptist in unmittelbarer Nähe zum Echinger Stausee<br />

steht eine mächtige Stiel-Eiche, die heute im<br />

Besitz der Grafenfamilie Preysing Lichtenegg-<br />

Moos ist. Als Schutzzweck ist in der Verordnung<br />

vom Januar 1984 angegeben: „ … die ca. 250 – 300<br />

Jahre alte Eiche wegen ihrer hervorragenden Schönheit<br />

und ihres Alters zu erh<strong>alten</strong>. Die Eiche hat durch<br />

ihre Mächtigkeit und ihrer Verbindung mit der Kirche<br />

und dem Pfarrhof eine dorf- und landschaftsprägende<br />

Wirkung sowie geschichtliche und heimatkundliche<br />

Bedeutung.“<br />

Schon im Jahr 816 wird St. Johann Baptist urkundlich<br />

erwähnt. Die einst romanische Basilika am<br />

Ufer der früher wilden Isar war 1702 Opfer von<br />

Abspülungen eines dramatischen Hochwassers,<br />

das Teile des Kirchenschiffes zum Einsturz brachte.<br />

Erst 1710 konnte der heutige Barockbau – besser<br />

geschützt auf dem kleinen Hügel – eingeweiht<br />

werden. Beim Bau der Grafengruft 1891 wurde<br />

eine kleine Eiche gepflanzt. So lädt sie gut 130 Jahre<br />

später mit ihrem mächtigen Schattenwurf zum<br />

Ratschen vor und nach dem Kirchgang ein. Oder<br />

zu einem stimmungsvollen Hochzeitsfoto.<br />

Die einst wilde Isar ist nach der Anlage des<br />

Echinger Stausees 1924 als Endglied der Kraftwerkstreppe<br />

Mittlere Isar zur Stromgewinnung<br />

gebändigt. Seit 1982 ist sie Teil der Vogelfreistätte<br />

Mittelere Isarstauseen. Erst 1995 wurde auf massives<br />

Betreiben des Bund Naturschutz Landshut<br />

mit ihrem rührigen Vorsitzenden Paul Riederer<br />

die Jagd auf Wasservögel aller Art eingestellt. So<br />

konnten sich im NATURA 2000-Schutzgebiet<br />

dank der LBV-Kreisgruppe Landshut sogar die<br />

äußerst seltenen Flussseeschwalben auf den künstlichen<br />

Brutinseln im Stausee ungestört vermehren.<br />

Der damalige Stadtplaner, Autor und Baumexperte<br />

Dr. Aloys Bernatzky (1910 – 1992), Herausgeber<br />

des Buches „Baum und Mensch“ von 1973,<br />

regte Mitte der 1980er Jahre etliche standortverbessernde<br />

Maßnahmen für den auf einer Wasseraderkreuzung<br />

befindlichen Baum an. Sie sollten<br />

auch heute noch für jedes Baum-Naturdenkmal<br />

selbstverständlich sein: keine Parkplätze im Kronenbereich,<br />

Entfernung von Belägen samt Bettung,<br />

149


Aufstellen von Pollern gegen weiteres Wildparken,<br />

anschließender Einbau von Belüftungsrohren und<br />

eine Stärkung der Vitalität durch Baumfutter. Weitblickend<br />

dachte er auch an die Einleitung des Dachwassers<br />

der nahen Grafengruft zur natürlichen<br />

Bewässerung!<br />

Dank dieser umgesetzten Vorschläge eines<br />

Landschaftsarchitekten strotzt die Echinger Eiche<br />

auch heute noch vor Lebenskraft. Und wer sich<br />

nach einem Besuch des Naturschmankerls und der<br />

sehenswerten Pfarrkirche stärken will, die auf der<br />

Neben-Schleife E2 des „Landshuter Höhenwegs“<br />

liegt, findet im nahen Traditions-Gasthof „Forster<br />

am See“ eine reichhaltige Speisekarte samt Biergarten<br />

mit Seeblick.<br />

Helmut Wartner<br />

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LZ-Artikel vom 14.5.2021<br />

Linde von Tannlohe<br />

Die Linden von Vilsheim<br />

Zwei als Naturdenkmäler ausgewiesene Lindenbäume<br />

stehen in der Gemeinde: eine in Gessendorf,<br />

und eine bei Tannlohe. Die Gessendorfer<br />

Linde ist mit Sicherheit eine der schönsten Linden<br />

im Landkreis Landshut. Noch in den 1960er Jahren<br />

führte die Straße von Osten her durch ein Baumtor<br />

nach Gessendorf. Neben der großen Winterlinde<br />

standen auf der anderen Seite eines Hohlweges<br />

auch noch Bäume, die mit der Krone der mächtigen<br />

Linde ein Baumtor bildeten. In den 1970er Jahren<br />

wurde die Straße nach Gessendorf von der Linde<br />

weg verlegt, der Hohlweg verfüllt und die Bäume<br />

auf der anderen Seite beseitigt. Nun steht die<br />

mächtige Linde alleine in der Feldflur.<br />

Wenn man mit Faustformeln und dem Stammumfang<br />

von über sechs Meter zurückrechnet, dann<br />

kommt man auf das Jahr 1492 in dem die Linde<br />

als kleiner Baum gekeimt hat. Unweit dieses Zeitpunkts<br />

ankerte Christoph Columbus in Amerika,<br />

die Landshuter Martinskirche war noch im Bau<br />

und die Landshuter Hochzeit lag gerade mal einige<br />

Jahre zurück. Und als im April 1809 Napoleon<br />

in Landshut einzog, war die Linde in Gessendorf<br />

schon 300 Jahre alt. Der Volksmund sagt: „Die<br />

Linde kommt 300 Jahre, steht 300 Jahre und geht 300<br />

Jahre.“ Als sich in den 1980er Jahren einige Risse<br />

im Baum zeigten, hat sich der Besitzer darum gekümmert,<br />

dass der Baum als Naturdenkmal ausgewiesen<br />

wurde und dass einige Äste mit Seilen<br />

gesichert wurden.<br />

Etwas aus der Mode gekommen ist das Sammeln<br />

von Lindenblütentee. In den vergangenen<br />

Jahrzehnten war der Baum Hauptteelieferant für<br />

die Gessendorfer. Die Bund Naturschutz Ortsgruppe<br />

hat in den vergangenen Jahren schon mehrmals<br />

eine Radltour zur Linde organisiert. Und es<br />

ist immer ein schöner Sonntagnachmittag, wenn<br />

man <strong>unter</strong> der Linde Kaffee und Kuchen genießen<br />

kann. Damit künftige Generationen in Vilsheim<br />

auch noch mächtige Linden bewundern können,<br />

hat die Bund Naturschutz Ortsgruppe in Gessendorf<br />

und an vielen Plätzen freistehende Lindenbäume,<br />

den Symbolbaum des Bundes Naturschutz,<br />

gepflanzt.<br />

Die zweite Baumpersönlichkeit steht auf dem<br />

Weg von Kapfing nach Tannlohe. Schon seit 1937<br />

ist sie als Naturdenkmal in die Liste des Landkreises<br />

Landshut aufgenommen. Der gebürtige Kapfinger<br />

Domvikar und Finanzrat Josef Niedereder<br />

(*1903) schreibt in seinen Erinnerungen über<br />

Kapfing: „Es war schon Krieg, als ich am 15. Septem-<br />

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er 1915 drei Stunden weit zur Bahn nach Mossburg<br />

ging [Strecke 15 km, Anm. Autor], um in Scheyern<br />

mein Studium zu beginnen. Die Mutter begleitete mich<br />

schweren Herzens – wie sie es sagte – bis zur Bahnstation<br />

nach Moosburg. Bei der <strong>alten</strong> Linde in Untertannloh<br />

sah ich nochmals hin<strong>unter</strong> auf mein Kapfing,<br />

in das ich 14 Jahre später als Primiziant einzog … Niemand,<br />

der es nicht miterlebt hat, wird die Not eines<br />

Studenten verstehen, der in der Inflationszeit auf das<br />

tägliche Brot wartete. Oft bin ich als Student <strong>unter</strong> der<br />

ur<strong>alten</strong> Linde gesessen und habe nach Kapfing hin<strong>unter</strong>geschaut,<br />

die Heimat meiner Väter! Mit Gedanken<br />

beschwert, die einem einsamen jungen Menschen nie<br />

ganz froh werden ließen.“<br />

Nachdem die Linde exponiert auf der Anhöhe<br />

steht, ist sie in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals<br />

vom Blitz getroffen und schwer ramponiert<br />

worden. In den Hohlräumen bauen Hornisssen<br />

ihre Nester, und der Waldkauz hat hier schon seine<br />

Jungen groß gezogen. Vor einigen Jahren ist<br />

der Baum in der Mitte abgebrochen, aber alle Jahre<br />

treibt er wieder neu aus. Und damit sich auch an<br />

dieser Stelle wieder ein mächtiger Lindenbaum<br />

entwickeln kann, hat der Bund Naturschutz dem<br />

Gartenbauverein in Vilsheim zur Wiedergründung<br />

eine Linde geschenkt, die jetzt auf der anderen<br />

Seite der Straße steht.<br />

Johannes Selmansberger<br />

Linde von Gessendorf<br />

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Linde von Gessendorf<br />

153


170<br />

Baumsegnung Prantlgarten durch Pfarrer Joachim Quasbarth, 2015


Das Kirschgartenprojekt<br />

in Landshut<br />

Seit fast 15 Jahren versuche ich mit Gleichgesinnten, die Bebauung eines städtischen<br />

Grundstücks am Fuße des Hofgartens zu blockieren. Symbolisch steht dafür Anton<br />

Tschechows Stück „Der Kirschgarten“. Denn dort erwirbt ein skrupelloser aufstrebender<br />

Geschäftsmann einen Altbestand von Kirschbäumen von einer <strong>alten</strong> Frau und<br />

beseitigt ihn zugunsten von Landsitzen für gut betuchte Städter.<br />

In Landshut soll die laufende Pflanzung von gespendeten Vogel- und Süßkirschen<br />

die Errichtung von luxuriösen Wohngebäuden in einer ruhigen Top-Lage der Innenstadt<br />

langfristig verhindern. Inzwischen zieren bereits 18 Kirschbäume das immer noch<br />

städtische Grundstück, das seit Jahren einen „provisorischen“ Parkplatz beherbergt.<br />

Da die einstigen Gründe für das Provisorium mittlerweile entfallen sind und der fortschreitende<br />

Klimawandel den Wert zentral gelegener Grün- und Erholungsflächen<br />

immer stärker begünstigt, steigen die Chancen für einen barrierefreien Bürgerpark an<br />

ebenjener Stelle, wo sich einst Landshuts schönster Biergarten befand: der Prantlgarten.<br />

Die nachfolgenden Berichte und Dokumente illustrieren die Historie des Projektes.<br />

Helmut Wartner<br />

Ein halbes Jahr bevor der russische Schriftsteller Anton Tschechow an Tuberkulose<br />

starb, verfasste er als sein letztes Stück die tragische Komödie ,,Der Kirschgarten“.<br />

Während dort der Kaufmann Lopachin vorschlägt, auf einem Grundstück Datschen zu<br />

errichten, um die Schulden der Gutsbesitzerin Ranjewskaja zu begleichen, ist in<br />

Landshut das Gegenteil geplant: Anstatt einen wunderschönen, blühenden Kirschgarten<br />

für Wohnbauten zu opfern, soll hier seit 2012 ein junger Kirschgarten die schon fast<br />

genehmigte Bebauung eines städtischen Grundstücks mit Luxuswohnungen verhindern.<br />

Deshalb betitelte die örtliche Presse die Aktion einmal treffend als "OPERATION<br />

KIRSCHGARTEN“ à la Tschechow.<br />

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Kirschbaumtransport durch die Altstadt und Pflanzung, 2013<br />

(…) Bauen in der historischen Stadt bedeutet immer Abriss,<br />

Umbau und Neubau in einem ausgewogenen Verhältnis.<br />

Das gezielte angekündigte Verfallen-Lassen durch Investoren<br />

ist das Gegenteil davon und Zeichen einer einseitigen Profitmaximierung.<br />

Die Stadt kann im Prantlgarten einmal mit gutem<br />

Beispiel vorausgehen – wann finden die sogenanten Vertreterinnen<br />

und Vertreter der Bürger den Mut, nach dieser Maxime<br />

zu handeln? (…)<br />

–<br />

Aus einem meiner LZ-Leserbriefe, 2012<br />

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Lesung aus ,,Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow mit Léonie Thelen und Mathias Kupfer, 2013<br />

(…) Ungeachtet dieser Not-Entscheidung werden engagierte<br />

Landshuter im kommenden Frühjahr wieder drei Kirschbäume für<br />

den neuen Prantlgarten spenden und pflanzen, weil Bäume dem<br />

ehemaligen Klostergarten langfristig am besten gerecht werden.<br />

Denn nur so wird der Prantlgarten wieder ein Park. Ein provisorischer<br />

Parkplatz kann nur eine Zwischenlösung auf dem Weg zum<br />

Ziel sein: Der Prantlgarten wird ein Kirschgarten. (…)<br />

–<br />

Aus einem meiner Leserbriefe, 2014<br />

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Von der Wurzel bis zur Krone, vom Stamm bis zum<br />

Blatt, von der Rinde bis zur Blüte: Bäume spenden<br />

<strong>Lebensfreude</strong>. Besonders, wenn die Jahresringe immer<br />

weiter wachsen. In diesem Buch versammelt Helmut<br />

Wartner deshalb zahlreiche seiner Zeichnungen, die<br />

über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zwischen<br />

<strong>Bäumen</strong>, vor <strong>Bäumen</strong> und <strong>unter</strong> <strong>Bäumen</strong> mit<br />

entsprechender Motivwahl entstanden sind.<br />

Ergänzt wird diese Auswahl um die besten Texte einer<br />

Artikelserie zu Biergärten, Baumgiganten und Naturdenkmälern,<br />

erdacht und umgesetzt von 2018 bis 2023<br />

in Zusammenarbeit mit der „Bauminitiative Landshut“<br />

und der „Landshuter Zeitung“.<br />

Auch Helmut Wartners jahrelanger Einsatz für einen<br />

Kirschgarten am Fuße des Landshuter Hofbergs ist<br />

in diesem reich bebilderten Werk dokumentiert. Wie<br />

zwischen Wurzeln und Blättern ensteht so eine unverwechselbare<br />

Symbiose – oder um es mit Leo Tolstoi<br />

zu sagen: „Die Kraft der Gedanken ist unsichtbar wie<br />

der Same, aus dem ein riesiger Baum erwächst.“<br />

Beim Anblick eines Baumes<br />

ISBN 978-3-948137-79-3<br />

Preis: 25,00 Euro<br />

www.buero-wilhelm-verlag.de<br />

Die Vöglein sind zu beneiden,<br />

sie meiden,<br />

an Stamm und Wurzeln zu denken,<br />

und selbstzufrieden schaukeln den ganzen Tag die behenden<br />

und singen auf letztverzweigten Enden.<br />

Paul Klee

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