Beschaffung aktuell 09.2023
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Ausgabe 09 | 2023<br />
www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de<br />
Einkauf<br />
Materialwirtschaft<br />
Logistik<br />
Interview<br />
Fertigungsplattformen<br />
Einkaufsprozesse flexibel<br />
und zuverlässig gestalten<br />
» Seite 45<br />
Lieferstrategien<br />
Haben Just-in-Time und<br />
Just-in-Sequence ausgedient?<br />
» Seite 18<br />
Resilienz<br />
Vom Buzzword zum Geheimnis<br />
einer Superkraft<br />
» Seite 22<br />
Markus Löning, ehem. Beauftragter<br />
der Bundesregierung für<br />
Menschenrechtspolitik und<br />
Humanitäre Hilfe<br />
» Seite 14<br />
„Next Level“ im<br />
C-Teile- Einkauf<br />
» Seite 32<br />
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2 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
» EDITORIAL<br />
Chips made in Germany<br />
Während andere Länder wachsen, kommt die deutsche Wirtschaft nicht in die<br />
Pötte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für dieses Jahr einen<br />
Rückgang der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent und der Einkaufsmanagerindex<br />
EMI sackte im Juli mit 38,8 Punkten auf den tiefsten Stand<br />
seit Mai 2020 ab. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Klemme. Das bestätigt<br />
nach den enttäuschenden vorläufigen BIP-Zahlen für das zweite<br />
Quartal 2023 auch der <strong>aktuell</strong>e EMI“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr.<br />
Helena Melnikov. „Angesichts der <strong>aktuell</strong>en Situation scheint eine kurzfristige<br />
Wiederbelebung der Wirtschaft mehr Illusion als Realität zu sein.“ Wirtschaftsverbände<br />
warnen bereits vor einer schleichenden Deindustrialisierung,<br />
da Unternehmen wegen der derzeitigen Standortbedingungen ihre Produktion<br />
ins Ausland verlagern könnten.<br />
Sollte es wirklich zu einer Abwanderung kommen, stellt sich die Frage,<br />
welche Zukunftsbranche Deutschland halten kann. Neuste Meldungen legen<br />
nahe, dass die Regierung hierbei ein Auge auf die Halbleitertechnologie<br />
geworfen haben könnte. Nachdem zuletzt Intel (Magdeburg) und Infineon<br />
(Dresden) den Aufbau von Produktionsstätten angekündigt hatten, hat der<br />
taiwanesische Halbleiterhersteller TSMC Anfang August entschieden ebenfalls<br />
in Dresden eine Halbleiterproduktion aufzubauen. An dem Projekt sind<br />
außerdem Bosch, Infineon und die niederländische NXP beteiligt. Die Bundesregierung<br />
unterstützt das Investment laut dem Handelsblatt, das sich auf<br />
Regierungs kreise beruft, mit fünf Milliarden Euro. Die neue Intel-Fabrik plant<br />
die Regierung gar mit 9,9 Milliarden Euro zu fördern. Für Robert Habeck zeigt<br />
das Investment, dass „Deutschland ein attraktiver und wettbewerbsfähiger<br />
Standort ist, gerade auch bei Schlüsseltechnologien wie der Mikroelektronik“.<br />
Gleichzeitig betont er, dass man daran arbeite, die Rahmenbedingungen für<br />
solche Großinvestitionen weiter zu verbessern, Genehmigungsverfahren zu<br />
beschleunigen und Bürokratie abzubauen.<br />
Chips gelten als ein Schlüsselprodukt für die Industrie. Welche Relevanz<br />
Halbleiter haben, dürften die vergangenen Jahre gezeigt haben, als es bei<br />
Automobilen , Wind- und Solaranlagen oder Unterhaltungselektronik zu<br />
Liefereng pässen kam. Mit eigenen Halbleiter-Kapazitäten sollen Abhängigkeiten<br />
reduziert und die Versorgungssicherheit sowie Wettbewerbsfähigkeit<br />
gestärkt werden. Ob aber allein durch die subventionierte Halbleiterindustrie<br />
der mögliche Wegfall vieler produzierender<br />
Industrieunternehmen<br />
aufgefangen werden kann, darf zumindest<br />
bezweifelt werden.<br />
Yannick Schwab,<br />
Redakteur der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
yannick.schwab@konradin.de<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 3
» INHALT 09 | 2023 70. JAHRGANG<br />
TITEL<br />
„Next Level“ im<br />
C-Teile- Einkauf<br />
» Seite 32<br />
Titelbild: Keller & Kalmbach<br />
MAGAZIN<br />
Branchennews & Wirtschaftsindices 6<br />
Symposium Einkauf und Logistik<br />
#PRO: CONNECT 23 10<br />
Rohstoffpreise: Schwerpunkt Ferrolegierungen<br />
Kunden blieben bei aggressivem Ansatz –<br />
die Preise sanken 12<br />
Deutscher Logistik-Kongress<br />
„Think Networks.“ – Logistik der Zukunft 13<br />
MANAGEMENT<br />
Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsfragen<br />
Am Ende geht es um einen Interessen ausgleich 14<br />
Lieferkettenmanagement<br />
Haben JiT und JiS in einer VUCA- Welt ausgedient? 18<br />
Hinterfragt – Schlagwort im Supply Chain Management<br />
Resilienz? Buzzword?<br />
Solange man nicht weiß, wie es geht ... 22<br />
Zentrales <strong>Beschaffung</strong>ssystem<br />
Kundenorientierung auch für interne<br />
Bestellvorgänge zentral 24<br />
Wie KI die Resilienz erhöht<br />
Verbesserte Frühwarnsignale in der Lieferkette 26<br />
Rechte des Käufers beim Erwerb von KI<br />
Was Künstliche Intelligenz können muss 28<br />
Resilienz: Zwischen Hype und Horror<br />
Das Geheimnis hinter der Superkraft Resilienz 30<br />
C-TEILE-MANAGEMENT<br />
TITEL<br />
Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in der <strong>Beschaffung</strong><br />
Das „Next Level“ im C-Teile-Einkauf 32<br />
Aufbau eines indirekten Einkaufs<br />
„Digitale Transformation:<br />
Next Level im Indirect Procurement“ 38<br />
FERTIGUNGSTECHNIK<br />
Datenbasierte Investitions- und Finanzierungsmodelle<br />
Pay-per-X als Finanzierungsalternative 40<br />
Dr. Christian Hoffart, CEO, Sparepartsnow<br />
Disruption im Ersatzteilgeschäft 42<br />
Lohnfertigung im Wandel<br />
Wie Fertigungsplattformen den Einkauf verändern 46<br />
Digitale Plattform für Zeichnungsteile<br />
Die Zukunft der <strong>Beschaffung</strong> 49<br />
Neue Wege im Thermoforming<br />
Tiefziehteile digital beschaffen 50<br />
Additive Fertigung<br />
Mass-Customization mit 3D-Fließbanddruckern 52<br />
INTRALOGISTIK<br />
Stefan Lampa, CEO, Proglove<br />
„Die Mitarbeiter spüren wesentliche Verbesserungen<br />
in ihren Abläufen“ 54<br />
Innerbetrieblicher Materialfluss<br />
Vollautomatisierte Anlage ersetzt alte Förderstrecke 56<br />
4 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Bild: Bittner<br />
Co-Gründer und Geschwister: Moritz und Lisa-Marie<br />
Bittner von Formary.<br />
» Seite 50<br />
Keith Fisher, Präsident, Honeywell<br />
„Automatisierung wird eine Voraussetzung sein,<br />
um Schritt zu halten“ 58<br />
BME<br />
BME-Sustainability-Summit<br />
Nachhaltigkeit im Einkauf prägt die Lieferketten 60<br />
KARRIERE<br />
Rezension<br />
Einkauf 4.0: Stellhebel für den Wandel des Einkaufs 63<br />
Qualifizierung im Einkauf<br />
„Sie müssen einen Nutzen auch für andere<br />
Fachabteilungen schaffen“ 64<br />
RUBRIKEN<br />
Editorial 3<br />
Inserentenverzeichnis, Vorschau, Impressum 62<br />
Meinung<br />
Der „Brückenstrompreis“ – Rettung<br />
für den Industriestandort Deutschland? 66<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 5<br />
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» MAGAZIN<br />
Supplier Risk Management<br />
ESG-Ziele im Einkauf steuern<br />
Bild: Pcess609/stock.adobe.com<br />
Onventis, Anbieter für Source-to-Pay-<br />
Prozesse, und IntegrityNext, eine Cloud-<br />
Lösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement<br />
in der Lieferkette, werden<br />
Lösungs partner im Bereich Supplier Risk<br />
Assessment. Ab sofort unterstützt Onventis<br />
das Lieferketten-Monitoring durch die<br />
direkte Anbindung des Einkaufssystems<br />
Onventis erweitert sein Produktportfolio um die ESG-Risikoinformationen von IntegrityNext.<br />
an die Nachhaltigkeitsmanagement-<br />
Plattform.<br />
Durch die Anbindung über den „Integrity-<br />
Next API Connector“ sollen ESG-Risiken<br />
entlang der Lieferkette frühzeitig erkannt<br />
werden. Einkaufsteams führen auf Basis<br />
automatischer Lieferanten-Assessments<br />
regelmäßig Risikoanalysen durch und verankern<br />
gleichzeitig Präventionsmaßnahmen.<br />
Die ESG-Risiken werden in einem<br />
Dashboard als Bericht oder Bewertungskriterium<br />
angezeigt. Potenzielle Lieferanten<br />
können über konfigurierte, kostenlose<br />
Assessments schnell vorqualifiziert werden,<br />
so die Unternehmen. Über die<br />
Schnittstelle werden unmittelbare Zulieferer<br />
auf Basis von Nachhaltigkeitsprofilen<br />
kontinuierlich überwacht, sodass Einkaufsteams<br />
mit einem Klick lieferkettenbezogene<br />
CSR-Reports in Onventis erstellen<br />
können.<br />
Neben dieser Anbindung stehen zur fortlaufenden<br />
Überwachung von Supply-<br />
Chain-Risiken weitere Lösungen rund um<br />
das Lieferantenmanagement zur Verfügung,<br />
wie z. B. die individuelle Lieferantenqualifizierung<br />
und -klassifizierung.<br />
Über das offene Lieferantennetzwerk von<br />
Onventis können schnell nachhaltige und<br />
compliance-konforme Lieferanten gefunden<br />
werden. Erweiterte Erkenntnisse im<br />
Umgang mit Regularien und Vorgaben<br />
werden in IntegrityNext über Lieferantenfragebögen<br />
erzielt. Zentrale Anfragen und<br />
Stammdatenübernahmen sollen zuverlässige<br />
und verantwortungsvolle Qualifizierungen<br />
gewährleisten. (ys)<br />
Osapiens und die Prospitalia starten Zusammenarbeit<br />
Mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />
Das Mannheimer Softwareunternehmen<br />
Osapiens und der im Gesundheitswesen<br />
beheimatete Einkaufsdienstleister Prospitalia<br />
haben eine Kooperation gestartet.<br />
Ziel der Kooperationspartner ist es, Lieferketten-<br />
und <strong>Beschaffung</strong>sprozesse im<br />
Krankenhaussektor transparenter und damit<br />
nachhaltiger und in erster Linie<br />
rechtskonform zu gestalten, also die Gesundheitsbranche<br />
in Deutschland bei der<br />
Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu<br />
unterstützen.<br />
Kernelement der Initiative ist eine von<br />
Osapiens entwickelte Softwareplattform,<br />
die es Krankenhäusern und medizinischen<br />
Einrichtungen ermöglicht, mithilfe von<br />
Automatisierung und Künstlicher Intelligenz<br />
ihre Lieferketten und Lieferanten<br />
effizient zu überwachen und potenzielle<br />
Risiken frühzeitig zu erkennen. Durch die<br />
Konsolidierung der Daten auf einer Plattform<br />
erhalten die Kliniken schnell einen<br />
Überblick und können mithilfe der Softwarelösung<br />
gezielt Maßnahmen ergreifen,<br />
um möglichen Verstößen entgegenzuwirken.<br />
Nils Koch, Leitung Zentraleinkauf, SRH<br />
Gesundheit GmbH: „Die Kooperation ermöglicht<br />
es uns, einen ganzheitlichen<br />
Ansatz für das Risikomanagement in der<br />
Lieferkette zu verfolgen. Durch die Nutzung<br />
einer einheitlichen Softwareplattform<br />
haben wir einen klaren Überblick<br />
über unsere Lieferanten und können<br />
gezielt Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen<br />
oder Verstöße<br />
gegen den Klimaschutz zu verhindern.“<br />
75 Prozent der deutschen Universitäts -<br />
kliniken haben sich der Kooperation<br />
bereits angeschlossen, so die beiden Unternehmen.<br />
Erklärtes Ziel ist es, gemeinsam<br />
eine Standardlösung zu entwickeln,<br />
die auch den wachsenden Anforderungen<br />
an die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
im Hinblick auf kommende EU-Richtlinien<br />
wie die ab 2024 geltende Corporate<br />
Sustainability Reporting Directive (CSRD)<br />
gerecht wird. (ys)<br />
6 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 7<br />
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» MAGAZIN<br />
Einkaufsmanagerindex EMI im Juli<br />
Abschwung der Industrie hat sich verschärft<br />
Die Geschäftstätigkeit in der deutschen<br />
Industrie ist weiter zurückgegangen. Produktion,<br />
Neuaufträge und Erzeugerpreise<br />
schrumpften im Juli 2023 allesamt mit<br />
beschleunigten Raten, teilt S&P Global<br />
mit. Mit 38,8 Punkten nach 40,6 im<br />
Vormonat erreichte der HCOB Einkaufsmanagerindex<br />
Deutschland (EMI) den<br />
tiefsten Wert seit Mai 2020. Ausschlaggebend<br />
für den Abschwung sind vor allem<br />
die weiter rückläufigen Neuaufträge. In<br />
Anbetracht des zunehmend erbitterten<br />
Wettbewerbs um neue Aufträge und des<br />
allmählich nachlassenden Kostendrucks<br />
gaben die durchschnittlichen Verkaufspreise<br />
den zweiten Monat in Folge nach.<br />
Zudem beschleunigten sich die Rückgangsraten<br />
der Verkaufspreise und der<br />
Einkaufspreise auf die schnellsten Werte<br />
seit September bzw. April 2009. Neben<br />
den sukzessive fallenden Energiekosten<br />
berichteten viele Befragte von teils kräftig<br />
rückläufigen Rohstoffpreisen, was oft<br />
der schwachen Nachfrage über alle<br />
Liefer ketten hinweg zugeschrieben wurde.<br />
„Die deutsche Wirtschaft steckt in der<br />
Klemme. Das bestätigt nach den enttäuschenden<br />
vorläufigen BIP-Zahlen für das<br />
zweite Quartal 2023 auch der <strong>aktuell</strong>e<br />
EMI. Unverändert hohe Energiepreise, der<br />
Quelle: S&P Global/BME<br />
anhaltende Mangel an Fachkräften und<br />
sich verschärfende geopolitische Spannungen<br />
sind nur einige der Hindernisse,<br />
die unsere Industrie ausbremsen“, betont<br />
BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena<br />
Melnikov . (ys)<br />
Geschäftsklima Zuliefererindustrie<br />
Bewölkte Sommertage<br />
Das Geschäftsklima der deutschen Zulieferer legte im Juli eine<br />
Seitwärtsbewegung hin, so die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie<br />
(ArGeZ). Durch einen Saldenrückgang um 0,2 Punkte<br />
liegt das Geschäftsklima bei saisonbereinigten –14,6 Punkten.<br />
Nach dem Einbruch im Vormonat erholen sich die Erwartungen<br />
für die kommenden sechs Monate leicht von –32,1 auf –29,6<br />
Saldenpunkte. Somit bleiben die Aussichten auf die zweite Jahreshälfte<br />
sehr pessimistisch. Gleichzeitig verschlechtert sich die<br />
Beurteilung der <strong>aktuell</strong>en Geschäftslage um weitere 3,6 Saldenpunkte.<br />
Dies markiert den sechsten Rückgang in Folge.<br />
Während die deutschen Zulieferer die Auftragsbestände sukzessive<br />
abbauen, sind Auftragseingänge weiterhin rückläufig. So<br />
hat zwar der VDA zuletzt seine Inlandsproduktionsprognose für<br />
Pkw von +9 auf +15 Prozent angehoben, was danach kommt, ist<br />
aufgrund der rückläufigen Bestellungen jedoch fraglich. Folglich<br />
sind in den vergangenen zwei Monaten neben den Erwartungen<br />
im Maschinenbau auch die Aussichten im Fahrzeugbau erheblich<br />
eingebrochen. Trifft das durch Löhne und Energiepreise gestiegene<br />
Kostenniveau nun auf eine weiter unter Druck geratene<br />
Nachfrage, werden die kommenden Monate für die deutschen<br />
Zulieferer laut der ArGeZ zum abermaligen Stresstest. (ys)<br />
Anstieg in der Industrie weitestgehend gestoppt<br />
Preisaussichten steigen geringfügig<br />
Die Preiserwartungen der deutschen Unternehmen für die kommenden<br />
Monate sind geringfügig gestiegen. Das geht aus der<br />
Umfrage des ifo Instituts hervor. Sie stiegen im Juli auf 16,4<br />
Punkte, von 16,3 im Juni (saisonbereinigt korrigert). „Erstmals<br />
seit Oktober 2022 hat der Anteil der Unternehmen, der per saldo<br />
seine Preise anheben will, nicht weiter abgenommen“, sagt ifo-<br />
Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Vor allem bei den Einzelhändlern<br />
(34,8 Punkte nach 32,9) und den konsumnahen Dienstleistern<br />
(32,9 Punkte nach 32,7) plant eine wachsende Mehrheit<br />
weitere Preiserhöhungen. „Im Gegensatz zu den konsumnahen<br />
Bereichen dürfte der Preisanstieg im Produzierenden Gewerbe<br />
mittlerweile gestoppt sein“, sagt Wollmershäuser. In der Industrie<br />
sanken die Preiserwartungen auf 4,1 Punkte, nach 6,0 im<br />
Juni . Auch hier verläuft die Entwicklung nicht einheitlich. Die<br />
Autoindustrie plant vermehrt Preisanhebungen (35,6 Punkte<br />
nach 24,9). Die Hersteller von EDV-Geräten wollen hingegen<br />
ihre Preise nur noch seltener erhöhen (13,3 Punkte nach 31,1).<br />
Sinkende Preise planen unter anderem das Papiergewerbe (-53,8<br />
Punkte nach –52,3) und die Chemische Industrie (-27,4 Punkte<br />
nach –33,3). Auch im Baugewerbe dürften die Preise weiter sinken<br />
(-8,1 Punkte nach –5,2). (ys)<br />
8 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Kiel Trade Indicator im Juli<br />
Der Welthandel trübt sich ein<br />
Die Werte des Kiel Trade Indicator für den<br />
Welthandel sind im Juli im Vergleich zum<br />
Juni durchweg negativ (preis- und saisonbereinigt).<br />
Das jüngste Datenupdate weist<br />
für den Welthandel im Vergleich zum Vormonat<br />
ein deutliches Minus von 1,6 Prozent<br />
aus (preis- und saisonbereinigt). Für<br />
Deutschland liegen die Werte sowohl für<br />
Exporte (–0,4 %) als auch Importe<br />
(–1,2 %) im roten Bereich. Gleiches gilt in<br />
noch etwas stärkerem Maße für die EU-<br />
Exporte (–1,6 %) und -Importe (–1,5 %).<br />
Den im Vergleich kräftigsten Rückgang<br />
verzeichnen die USA bei den Exporten<br />
(–3,7 %), auch die Importe (-0,8 %) sind<br />
negativ. Bei Chinas Handel ist nach dem<br />
Aufwärtstrend der vergangenen Monate<br />
ein Rücksetzer zu beobachten, Exporte<br />
(–1,6 %) und Importe (–0,7 %) liegen im<br />
roten Bereich. „China importiert inflationsbereinigt<br />
spürbar weniger Waren aus<br />
Global gehandelte Gütermenge in Containern (Stand 03.08.2023).<br />
der Welt als in der Boomphase 2021“,<br />
sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade<br />
Indicator . Chinas Anteil an deutschen<br />
Exporten ist im ersten Halbjahr von 7 Prozent<br />
im Vorjahr auf 6,2 Prozent gefallen.<br />
Die USA sind mit einem Anteil von fast 10<br />
Prozent das wichtigste Abnehmerland für<br />
deutsche Exporte.<br />
Ins Bild der schwachen Handelszahlen im<br />
Juli passt die leicht rückläufige Aktivität<br />
auf den Weltmeeren. Die Menge an verschifften<br />
Standardcontainern sank auf<br />
rund 13,7 Millionen und damit um 4 Prozent<br />
unter ihr Allzeithoch im Frühjahr<br />
2022. Die Menge an verschifften Waren<br />
im Roten Meer, der wichtigsten Seehandelsroute<br />
zwischen Europa und Asien,<br />
sinkt um ca. 50.000 Standardcontainer<br />
und liegt damit rund 13 Prozent unter<br />
dem eigentlich zu erwartenden Wert. (ys)<br />
Bild: IfW Kiel<br />
Effektive <strong>Beschaffung</strong> 2023<br />
<strong>Beschaffung</strong>sstrateg:innen moderner Unternehmen bewegen sich<br />
heute auf einer schmalen Gratwanderung zwischen Kostensenkung<br />
und Investition für echte Wertschöpfung.<br />
Foto: © Amazon Business<br />
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Der Einkauf hat sich zu einem dynamischen Faktor entwickelt:<br />
Anstatt als reine Kontrollinstanz für Kosten zu fungieren,<br />
stellt man sich die Frage, wie die <strong>Beschaffung</strong> für Unternehmen<br />
echte Werte generieren kann. Denn auch wenn sich Kosten -<br />
effizienz in Krisenzeiten lohnen kann, darf sich eine effektive<br />
<strong>Beschaffung</strong>sstrategie nicht nur auf das Heute konzentrieren.<br />
Wie definieren <strong>Beschaffung</strong>sleiter:innen in Europa also ihre<br />
Rolle? Laut Amazon Business* betrachtet ein Drittel Kosten -<br />
senkung weiter als die Hauptaufgabe. Dagegen hat für mehr als<br />
die Hälfte (59 %) die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der<br />
<strong>Beschaffung</strong> sowie für fast jede:n Zweiten (48 %) eine Effizienzsteigerung<br />
innerhalb der <strong>Beschaffung</strong>sabteilung oberste Prio -<br />
rität. Diese Ziele schließen einander nicht aus. Laut McKinsey**<br />
verzeichnen ESG-konforme Unternehmen ein bis zu 20 %<br />
schnelleres Wachstum, eine höhere Bewertung und eine<br />
Kostensenkung um bis zu 10 %.<br />
<strong>Beschaffung</strong>s -<br />
leiter:innen definieren<br />
ihre Rolle im Unternehmen<br />
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80807 München<br />
E-Mail: de-pr@amazon.de<br />
https://business.amazon.de/<br />
Quellen: *Amazon Business Procurement Survey 2023; **McKinsey Global Survey 2019<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 9
» MAGAZIN<br />
Symposium Einkauf und Logistik 2023<br />
#PRO: CONNECT 23<br />
Das BME-Symposium bietet vom 18. bis 20. Oktober 2023 in der Station Berlin<br />
eine Mischung aus praxisnahen Vorträgen, Diskussionsformaten und<br />
interaktiven Sessions zu den <strong>aktuell</strong>en Heraus forderungen von Einkauf und<br />
SCM sowie zahlreiche Gelegenheiten, das persönliche Netzwerk zu erweitern.<br />
Auf dem Podium in der Station Berlin beim letztjährigen BME-Symposium: Asmus Wolff,<br />
Vorstand Supply Chain bei Ritter Sport. Auch dieses Jahr wird es wieder viele interessante Vorträge<br />
und andere interaktive Kommunikationsformen geben.<br />
Volatile Märkte, globale fragile Lieferketten,<br />
sich permanent ändernde<br />
Regularien aber auch Digitalisierung oder<br />
Agilität verschärfen die Herausforderungen<br />
in Einkauf und SCM. Das BME-Symposium<br />
gibt Ideen und innovative Einkaufsstrategien<br />
an die Hand, um mit den<br />
anhaltenden Unsicherheiten und den anstehenden<br />
Veränderungen umzugehen.<br />
Der Kongress bietet Ihnen eine Mischung<br />
aus praxisnahen Vorträgen, Diskussionsformaten<br />
und interaktiven Sessions zu<br />
den <strong>aktuell</strong>en Themen sowie zahlreiche<br />
Gelegenheiten, um Ihr persönliches Netzwerk<br />
zu erweitern. Die Themen-Highlights<br />
des BME-Symposiums 2023:<br />
• Procurement & Supply Chain Management<br />
– mit Strategie in die Zukunft<br />
blicken!<br />
• Zukunft gestalten – Procurement als<br />
Business Partner auf Augenhöhe<br />
• Economies of skills and standards – fit<br />
for the future NOW<br />
Bild: BME<br />
• Digitalisierung der Supply Chain & des<br />
Einkaufs – endlich weg vom Status<br />
Quo<br />
• Business people in procurement – das<br />
Einkaufsteam der Zukunft<br />
• Mittelstand – der Motor unserer Wirtschaft<br />
• Nachhaltigkeit – Aufgabe und Chance<br />
für den Einkauf<br />
• Agilität & Resilienz in der Supply Chain<br />
– Wettbewerbsentscheider der Zukunft<br />
Hinzu kommen rund 90 Partner und ausstellende<br />
Unternehmen. Zum Ablauf:<br />
Am 18. Oktober eröffnet um 9.30 Uhr<br />
Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des<br />
BME e.V., Bereichsleitung Einkauf & Sustainability,<br />
Funke Mediengruppe die Veranstaltung<br />
in der Station Berlin. Im Anschluss<br />
begrüßt der diesjährige Moderator<br />
Erik Wirsing, Vice President Global Innovation,<br />
Schenker AG die anwesenden<br />
Gäste. Um 12 Uhr gibt die BME-Hauptgeschäftsführerin<br />
Dr. Helena Melnikov die<br />
Gewinner der diesjährigen BME-Business-Awards<br />
in den folgenden Kategorien<br />
bekannt:<br />
• Procurement Excellence Award – Auszeichnung<br />
für Großunternehmen<br />
• Procurement Excellence Award – Auszeichnung<br />
für KMU<br />
• Sustainable Supply Award – Auszeichnung<br />
für nachhaltige <strong>Beschaffung</strong>/<br />
SCM<br />
• CPO/CSCO of the Year<br />
Darüber hinaus haben u. a. folgende<br />
Personen ihre Mitwirkung zugesagt:<br />
• Wolfgang Bosbach, ehem. Mitglied des<br />
Deutschen Bundestages, ehem. Vorsitzender<br />
des Bundestagsinnenausschusses,<br />
• Anna Spinelli, CPO and Head of<br />
Mobility , Deutsche Post DHL Group<br />
• Dr.-Ing. Jürgen Reinert, Chief Executive<br />
Officer, SMA Solar Technology AG<br />
• Martin Stillger, Vorstandsvorsitzender/<br />
CEO, Thyssenkrupp Materials Services<br />
• Ulrich Bär, Vice President Group<br />
Purchasing , Varta AG Group<br />
• Judith Diem und Anita Tode, Director<br />
Supply Chain Sustainability in job -<br />
sharing, Robert Bosch GmbH<br />
• Dr. Thomas Germer, Leiter Zentral -<br />
einkauf, ADAC SE<br />
• Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement<br />
& Logistics (CPO), Wacker<br />
Chemie AG<br />
• Pia Hochgerner, Senior Director Procure -<br />
ment Excellence, Lufthansa Group<br />
• Jan-Kristof Hohenstein, Executive Vice<br />
President Purchasing, Webasto Group<br />
• Olaf Komitsch, Leiter Einkauf, EnBW AG<br />
• Gaby Symonds, Head of Procurement,<br />
Nestlé Deutschland AG<br />
• Kirsti Werntze, Global Head of Indirect<br />
Procurement & Processes, Kiekert AG<br />
Weitere Informationen und Anmeldung<br />
unter: www.bme-symposium.de<br />
10 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Einladung zur Websession am 07.<strong>09.2023</strong><br />
Plattformen für den Einkauf<br />
Die Angebotsvielfalt digitaler <strong>Beschaffung</strong>splattformen<br />
wächst rasant. Wer den<br />
Überblick nicht verlieren will, sollte also<br />
auf dem neuesten Stand bleiben. Erfahren<br />
Sie in unserer kostenfreien <strong>Beschaffung</strong><strong>aktuell</strong>-Websession<br />
„Plattformen für den<br />
Einkauf“ am 07.<strong>09.2023</strong>, wie Unternehmen<br />
durch zeitgemäße Einkaufslösungen<br />
ihre Arbeitsabläufe optimieren, Kosteneffizienz<br />
schaffen und eine zuverlässige<br />
Versorgungssicherheit gewährleisten. Den<br />
Start macht Dr.-Ing. Matthias Koch vom<br />
Fraunhofer IESE. In seiner Keynote spricht<br />
er über „Digitale Ökosysteme – Von<br />
Wollen , Mut und Können“ und beleuchtet<br />
die Vorteile von Plattformen und warum<br />
es lohnenswert ist, sich damit auseinanderzusetzen.<br />
Im Anschluss stellen wir Ihnen verschiedene<br />
Plattformen vor, die den Einkaufs-<br />
Digitale Plattformen<br />
bringen Anbieter und<br />
Kunden zusammen<br />
und sorgen für mehr<br />
Effizienz.<br />
prozess vereinfachen – von der Online-<br />
<strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen über<br />
die Arbeitskleidungsverwaltung bis hin<br />
zum unkomplizierten Einkauf von Maschinenersatzteilen.<br />
Im Bereich der Fertigungsplattformen<br />
präsentieren CNC24,<br />
Facturee, Spanflug und Protolabs, wie<br />
Sie mehr Effizienz in die <strong>Beschaffung</strong><br />
von Fertigungsteilen bekommen, Kosten<br />
reduzieren und Lieferantenausfällen vorbeugen.<br />
Darüber hinaus zeigt Sparepartsnow,<br />
wie Ersatzteile für Industriemaschinen<br />
im digitalen Zeitalter beschafft werden.<br />
Dass es bei Plattformen für den Einkauf<br />
allerdings nicht nur um die Funktionalität<br />
geht, sondern auch die Mitarbeitenden<br />
mitgenommen werden sollten,<br />
darüber geht es im Vortrag von Coupa.<br />
Abschließend werfen wir gemeinsam mit<br />
Innovationsoft einen Blick auf die Verwaltung<br />
und <strong>Beschaffung</strong> von Arbeitskleidung.<br />
Entdecken Sie, wie diese Lösungen den<br />
Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter spürbar erleichtern und zu<br />
einer effizienteren <strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />
führen. Für weitere Einblicke, haben wir<br />
den „Online-Fertigern“ ab S. 45 ein eigenes<br />
Special gewidmet. (ys)<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 11
» MAGAZIN<br />
Rohstoffpreise: Schwerpunkt Ferrolegierungen<br />
Kunden blieben bei aggressivem<br />
Ansatz – die Preise sanken<br />
Der europäische Markt für Ferrolegierungen stand auch zuletzt unter dem Druck der<br />
saisonal niedrigen Nachfrage. Kunden in ganz Europa behielten ihren aggressiven Ansatz<br />
bei, indem sie unnachgiebig bei Verhandlungen um Rabatte bemüht waren.<br />
Zwar löste das sporadische Auftreten<br />
von Käufern im Markt bei den Anbietern<br />
Spekulationen aus. Ein Anstieg erfolgte<br />
allerdings nur bei den Angeboten.<br />
Bei den tatsächlichen Abschlüssen mussten<br />
die Verkäufer weiterhin nachgeben –<br />
die Preise sanken.<br />
Ferrosilizium<br />
Nach dem rapiden Preisverfall zu Beginn<br />
des Monats Juli nahmen die Marktteilnehmer<br />
für Ferrosilizium in Europa eine vorsichtige<br />
Haltung ein. Die Preise stabilisierten<br />
sich zwischen 1380 bis 1450 €/mt DDP<br />
(Delivery Duty Paid) – das entspricht einem<br />
Rückgang von durchschnittlich 8 % gegenüber<br />
dem Juni. Der Trend zu niedrigeren<br />
Preisen wurde von Handelsunternehmen<br />
vorgegeben, die ihre Lagerbestände<br />
abbauen wollten. Die Produzenten nahmen<br />
ihrerseits eine zurückhaltendere Position<br />
ein. Sie beriefen sich auf die hohen<br />
Produktionskosten. Der gewichtete Durchschnittspreisindex<br />
für FeSi (75 % Si min)<br />
auf Metalshub sank im Juli um 9 % und<br />
pendelte sich bei 1485 €/mt FCA (Free<br />
Carrier) ein.<br />
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Die digitale Handels- und<br />
Preisintelligenzplattform für<br />
die Metallindustrie<br />
www.metals-hub.com<br />
Gesamtmarktbetrachtung von Juni 2021 bis Juni 2023, Gewichtete Indizes:<br />
FeMo, FeSi, EMM, HC FeMn, LC FeCr, FeV, HC FeCr, Ni Briq, Mo OX, SiMn, FeW, FeTi<br />
Ferromolybdän<br />
Der Markt für Ferromolybdän blieb im Juli<br />
volatil. Trotz bestimmter Einflussfaktoren<br />
(etwa die beginnende Ferienzeit), die zu<br />
einer schleppenden Nachfrage in der Region<br />
führten, bestanden die Anbieter auf<br />
höhere Preise. Sie nutzten das geringere<br />
Angebot, da die südkoreanischen Produzenten<br />
aufgrund des großen Kaufinteresses<br />
in China weitgehend ausverkauft waren.<br />
Insgesamt stieg der gewichtete<br />
Durchschnittspreisindex für FeMo<br />
(65 % Mo min) auf Metalshub seit Ende<br />
Juni um 1,67 USD/kg Mo. Stand Ende Juli:<br />
53,51 USD/kg Mo FCA.<br />
Ferrovanadium<br />
Die Nachfrage nach Ferrovanadium in<br />
Europa war ebenfalls saisonbedingt<br />
schwach. Die Verkäufer erhöhten aber Mitte<br />
Juli die Preise in ihren Angeboten. Händler<br />
machten dafür die Verknappung von<br />
Vanadium Pentoxid (V2O5) und die daraus<br />
resultierenden höheren Kosten für den<br />
Kauf neuer Chargen verantwortlich. Allerdings<br />
wurden nur die Angebotspreisschil-<br />
der um 2 % angehoben, während für den<br />
gewichteten Durchschnittspreis index für<br />
FeV auf Metalshub, der auf den tatsächlichen<br />
Transaktionen basiert, im Vergleich zu<br />
Ende Juni sogar ein leichter Rückgang auf<br />
32,2 USD/kg V FCA zu verzeichnen war.<br />
Ferrochrom<br />
Infolge des Rückgangs des vierteljährlichen<br />
Benchmark-Preises und der saisonal niedrigen<br />
Nachfrage der Endverbraucher sind die<br />
Ferrochrompreise in Europa leicht rückläufig.<br />
Allerdings ist kein Preisverfall zu verzeichnen.<br />
Der Grund: Die Verkäufer verfügen<br />
über keine nennenswerten Lagerbestände.<br />
Einige Produzenten von Qualitätsware<br />
strebten einen höheren Preis an. Wie<br />
so oft zu dieser Jahreszeit achten die Käufer<br />
jedoch eher auf den günstigen Preis als auf<br />
die Qualität. Der gewichtete durchschnittliche<br />
Metalshub-Index für HC FeCr (65 % Cr)<br />
ging im Monatsdurchschnitt um 5 % auf<br />
1,42 USD/lb Geds Cr FCA zurück, während<br />
der Index für LC FeCr (0,15 % C max) im<br />
Monatsdurchschnitt um 1,16 % auf<br />
2,56 USD/lb Cr FCA sank. (su)<br />
Bild: Metalshub<br />
12 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Deutscher Logistik-Kongress, 18.-20. Oktober, Berlin<br />
„Think Networks.“ – Logistik der Zukunft<br />
Der Deutsche Logistik-Kongress findet<br />
dieses Jahr zum 40. Mal statt. Die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer früherer<br />
Kongresse wurden befragt, was sie sich<br />
Neues wünschen. Das Ergebnis: Der Ausstellungsbereich<br />
wird verändert. Ein integriertes<br />
Forum und interaktive Workshops<br />
schaffen Raum für Wissensaustausch.<br />
Unter anderem mit Masterclasses, Content-to-go-Formaten,<br />
Briefing-Sessions<br />
sowie zusätzlichen Netzwerkformaten<br />
wird der Wunsch nach kürzeren Einheiten<br />
aufgegriffen. Das Programm steht als PDF<br />
bereit unter www.bvl.de/dlk.<br />
Beim Kongress sprechen unter anderem:<br />
• Ilse Henne, CTO und Vorstandsmitglied<br />
bei Thyssenkrupp Materials Services,<br />
Essen und im Vorstand der BVL,<br />
• Anette Matre, Chief People and Information<br />
Officer bei der AutoStore AS,<br />
• Dr. Martina Fohr, Consultant bei der<br />
Spencer Stuart & Associates GmbH,<br />
• Nicolas F. Steinbacher, Head of Strategy<br />
and Program bei Northvolt AB,<br />
• Dr. Volker Wissing, Bundesminister für<br />
Digitales und Verkehr,<br />
• Stefan Paul, CEO bei der<br />
Kühne + Nagel International AG,<br />
• Hanno Brümmer, EVP, Head of Supply<br />
Chain & Logistics EMEA and Latin America<br />
bei der Covestro Deutschland AG,<br />
• Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek, Universität<br />
der Bundeswehr München,<br />
• Andrew Bell, VP Product Management<br />
bei Kinaxis,<br />
• Carina Lebsack, Head of Corporate<br />
Sustainability & Circularity bei der<br />
Würth Group.<br />
Noch mehr als heute sind künftig jene<br />
Unternehmen erfolgreich, die ihre Beschäftigten<br />
begeistern und als attraktive<br />
Arbeitgeber bestehen. Nach einer Plenumsdiskussion<br />
werden Fragen zu neuer<br />
Führung, den Besonderheiten von KMU<br />
oder der Wertschätzung gegenüber der<br />
Belegschaft am Mittwoch in einer Fachsequenz<br />
im Stil eines World Café aus vier<br />
Perspektiven beleuchtet. Unter anderem<br />
diskutieren Christine Mezger-Behan (Kion<br />
Group), Fabienne Wohlt (Festo), Julia Jocher<br />
(Group7) sowie Alexandra Barber<br />
(Frontline Sidekicks).<br />
Die Anforderungen in Sachen nachhaltige<br />
Logistik steigen. Es ist jetzt an der Zeit,<br />
sich den Aufgaben zu widmen und von<br />
anderen zu lernen Dazu bietet eine dreigeteilte<br />
Fachsequenz Gelegenheit, in der<br />
auch die Logistikpotenziale in der Circular<br />
Economy aufgezeigt und diskutiert werden.<br />
Unter den Expertinnen und Experten<br />
sind Dr. Nadine Kiratli-Schneider (Schaeffler),<br />
Andrea Goeman (JAS Forwarding),<br />
Carina Lebsack (Würth) sowie Prof. Dr. Ulrich<br />
Müller-Steinfahrt (TH Würzburg-<br />
Schweinfurt und Sprecher des BVL Themenkreises<br />
Nachhaltig gestalten).<br />
Zwei Fachsequenzen beschäftigen sich mit<br />
der Frage, wie die Energiewende bewältigt<br />
werden kann. Welche Ansätze gibt es, um<br />
dieser Herausforderung gerecht zu werden?<br />
Darüber diskutieren unter anderem<br />
Ralf Busche (BASF), Dr. Andreas Brockmeyer<br />
(Infraserv Logistics), Hanno Brümmer<br />
(Covestro Deutschland), Prof. Dr.-Ing. Przemyslaw<br />
Komarnicki (Fraunhofer IFF) sowie<br />
Thomas Panzer (Bayer AG). (sas)<br />
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Der Deutsche Logistik-Kongress findet dieses Jahr wieder im Berliner Hotel Intercontinental statt. Termin: 18.-20. Oktober.<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 13
» MANAGEMENT<br />
Interview zu Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsfragen<br />
Am Ende geht es um einen<br />
Interessen ausgleich<br />
Markus Löning war Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und<br />
unterstützt Unternehmen beim Aufbau menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse. Das<br />
Lieferkettengesetz habe im Einkauf einen Schalter umgelegt, sagt er im Gespräch.<br />
Deutsche Firmen sieht er durch das frühe Gesetz im Vorteil.<br />
»Es geht ja nicht nur<br />
um Kontrolle, sondern<br />
auch darum, wie wir<br />
die Risiken verteilen.«<br />
Markus Löning<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Löning, seit neun<br />
Jahren beraten Sie Unternehmen beim Aufbau<br />
menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Inwiefern<br />
hat sich der Blick auf die Lieferketten in dieser Zeit<br />
verändert?<br />
Markus Löning: Die ersten, die sich der Einhaltung<br />
der Menschenrechte in den Lieferketten angenommen<br />
haben, waren jene Unternehmen, die aufgrund<br />
schlechter Arbeitsbedingungen<br />
bei Lieferanten<br />
oder Vorlieferanten in der<br />
Presse standen. Das waren<br />
Markenunternehmen, die daraus<br />
ihre Lehren gezogen haben.<br />
Sie waren die ersten Treiber.<br />
Mit dem Beginn der Diskussion<br />
um das Lieferkettengesetz<br />
haben weitere Firmen begonnen sich mit<br />
Menschrechtsthemen zu beschäftigen. Die, die vorher<br />
schon etwas gemacht hatten, systematisierten<br />
ihre Maßnahmen. Anderen wurde bewusst, dass sie<br />
eine Steuerung, einen Verantwortlichen und Ressourcen<br />
brauchen.<br />
Mittlerweile steigt auch der Druck aus dem<br />
Finanzbereich .<br />
Löning: Exakt, aber das wird in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung gar nicht im gleichen Umfang diskutiert.<br />
Seit zwei, drei Jahren kommen Nachfragen von<br />
Banken, von Anteilseignern, von Familienstiftungen.<br />
Das gibt dem Ganzen nochmal eine andere Dynamik,<br />
weil die Geschäftsführung, CEO und CFO involviert<br />
sind. Es geht um Geld, um Kreditkonditionen im Zusammenhang<br />
mit ESG.<br />
Spielt dem Einkauf die Aufmerksamkeit in die<br />
Hände?<br />
Löning: Der Einkauf wusste zunächst nicht, wie er<br />
das Thema umsetzen sollte. Es gab viele Bedenken,<br />
dass das Lieferkettengesetz die Arbeit im Einkauf<br />
schwieriger macht. Das ist auch zunächst einmal<br />
richtig. Denn es kommt eine weitere Schicht an<br />
Bedingungen im Verhältnis zu den Lieferanten dazu.<br />
Inzwischen ist der Einkauf ein gutes Stück weiter. Es<br />
hat viele Schulungen gegeben. Allen ist klar: Nachhaltigkeit<br />
ist für das Kerngeschäft, für die Geschäftsstrategie<br />
mitentscheidend.<br />
Der Einkauf betrachtete die Lieferketten stets von<br />
innen nach außen. Gab es ein Perspektivwechsel?<br />
Löning: Es gab einen Perspektiv- und einen Strategiewechsel.<br />
Der Perspektivwechsel ist, dass man nicht<br />
mehr an das Risiko für das Unternehmen, sondern an<br />
das Risiko für den Menschen in der Lieferkette denkt.<br />
Das ist für manchen herausfordernd. Letzten Endes ist<br />
es aber so, dass wenn es ein Risiko für die Menschen<br />
auf dem Schiff, die Fahrer in den Lkws oder die Arbeiter<br />
in den Fabriken gibt, dies auch ein Risiko fürs Geschäft<br />
ist. Diese Verknüpfung findet inzwischen statt.<br />
Was sich außerdem verändert, ist die Perspektive der<br />
Zusammenarbeit. Es geht ja nicht nur um Kontrolle,<br />
sondern auch darum, wie wir die Risiken verteilen.<br />
Wer hat welche Verantwortung? Wie bekomme ich<br />
den Lieferanten dazu, dass es für ihn attraktiv ist<br />
Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten? Wie muss die<br />
Beziehung, müssen die Verträge aussehen?<br />
Wie wird das Einhalten sozialer Standards für die<br />
Vorstufen attraktiver?<br />
Löning: Durch verlässliche Beziehungen. Bei Einmalgeschäften<br />
ist der ökonomische Anreiz etwas zu verändern<br />
gering und der Anreiz sich irgendwo ein Zertifikat<br />
zu besorgen hoch. Habe ich eine feste, lukrative<br />
Beziehung, ist das anders. Genau an diesem Punkt<br />
werden gerade sehr viele Modelle ausprobiert. Es gibt<br />
noch keinen goldenen Weg. Aber das Denken verändert<br />
sich und die Frage, wie wir unsere Lieferbeziehungen<br />
künftig gestalten, damit sie erfolgreich sind.<br />
14 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
»Allen ist klar: Nachhaltigkeit<br />
ist für das<br />
Kerngeschäft, für<br />
die Geschäftsstrategie<br />
mitentscheidend .«<br />
Markus Löning<br />
Werden die Lieferketten kürzer?<br />
Löning: Es wird der ein oder andere Agent wegfallen,<br />
wenn Unternehmen eine direkte Beziehung zur<br />
letzten Fertigungsstufe wollen. Auf jeden Fall wird es<br />
aufgrund der vielen Daten, die jetzt aggregiert werden,<br />
deutlich mehr Transparenz geben. Und eine<br />
Tendenz sich auf weniger Lieferanten zu konzentrieren<br />
und die Beziehung für beide Seiten verlässlicher<br />
zu machen.<br />
Der Einkauf versucht Lieferbeziehungen durch<br />
Selbstauskünfte und Audits fairer und umweltfreundlicher<br />
zu gestalten. Funktioniert das?<br />
Löning: Es ist ein wichtiger erster Schritt. Der Einkauf<br />
weiß, wie diese Instrumentarien funktionieren,<br />
deshalb sollte man sie nutzen. Kontrolle alleine<br />
reicht aber nicht aus. Es muss immer auch ein Interessenausgleich<br />
stattfinden. Wenn das Grundgerüst<br />
der Sorgfaltsprozesse steht, kommt die Frage, was<br />
das für die Einkaufsstrategie bedeutet. Die Einkaufs -<br />
praktiken in verschiedenen Industrien sind sehr unterschiedlich.<br />
Am Ende des Tages muss der Lieferant<br />
einen Vorteil davon haben, dass er soziale Arbeitsstandards<br />
verlässlich einhält. Er braucht eine intrinsische<br />
Motivation, weil er mein Lieferant bleiben will<br />
und weiß, dass dies eine der Bedingungen ist.<br />
Dann geht es also doch um höhere Einkaufspreise?<br />
Löning: Man muss von der reinen Preisdiskussion<br />
weg. Es gibt viele andere ökonomische Faktoren wie<br />
die Garantie einer Grundauslastung. Oder Zahlungsziele.<br />
Oder eine Anzahlung. Wenn ich einer Kooperative<br />
oder einem Zwischenhändler einfach nur höhere<br />
Preise zahle, weiß ich ja nicht, wo das Geld ankommt.<br />
Man muss andere Hebel in Bewegung setzen. Natürlich<br />
kann auch der Rohstoffpreis eine Rolle spielen.<br />
Etwa in Westafrika, wo Ghana und die Elfenbeinküste<br />
für Kakao Mindestpreise festsetzen wollen, um eine<br />
faire Bezahlung für die Bauern zu gewährleisten. Am<br />
Ende kommt es auf das Zusammenspiel an, auch mit<br />
staatlichen Stellen, damit nicht alleine Sie höhere<br />
Preise zahlen, Ihre Wettbewerber die Preise aber wieder<br />
drücken und sich am Ende nichts verändert.<br />
Der Mittelstand empfindet seinen Einfluss auf die<br />
Lieferketten als gering. Welche Möglichkeiten sehen<br />
Sie?<br />
Löning: Im globalen Kontext kauft auch ein DAX-<br />
Unternehmen manchmal nur geringe Mengen. Da ist<br />
das Lieferkettengesetze ganz klar: Es ist eine Frage<br />
der Verhältnismäßigkeit. Man sollte sich also von der<br />
Diskussion nicht verrückt machen lassen. Schauen<br />
Sie, wo Sie einen Unterschied machen können. Der<br />
Markus Löning, früherer<br />
Menschenrechtsbeauftragter<br />
der Bundesregierung,<br />
zur Umsetzung<br />
der im LkSG<br />
geforderten Sorgfaltspflicht<br />
der Praxis.<br />
Bild: Caroline-Pitzke<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 15
» MANAGEMENT<br />
»Das Denken<br />
verändert sich und die<br />
Frage, wie wir unsere<br />
Lieferbeziehungen<br />
künftig gestalten,<br />
damit sie erfolgreich<br />
sind.«<br />
Markus Löning<br />
andere Punkt ist: Es ist erstaunlich, wie Firmen plötzlich<br />
merken, wie Zusammenarbeit hilft. Hier passiert<br />
ganz viel. Auch die überarbeiteten Leitlinien der EU<br />
für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit,<br />
die die Europäische Kommission im Juni herausgegeben<br />
hat, beschreiben, wie Firmen ohne Verstoß<br />
gegen das Kartellrecht im Nachhaltigkeitsbereich zusammenarbeiten<br />
können.<br />
Das erste Berichtsjahr des LkSG endet im Dezember.<br />
Wie weit ist der Einkauf in der Umsetzung?<br />
Löning: Diejenigen, die zuvor schon was getan haben,<br />
sind unserer Beobachtung<br />
nach gut aufgestellt. Jene,<br />
die spät angefangen haben,<br />
tun sich viel schwerer.<br />
Viele haben sich lange mit<br />
teilweise überflüssigen Fragen<br />
aufgehalten: Wen müssen wir<br />
einbeziehen, wer hat den Hut<br />
auf? Der Vorstand hatte Fragen.<br />
Die Rechtsabteilung hatte<br />
ganz schwierige Fragen. Da<br />
hat sich viel verzögert, weil<br />
die interne Abstimmung nicht<br />
funktionierte. Mein Rat: Es ist noch ein halbes Jahr<br />
Zeit. Am Ende wird die BAFA bewerten, ob Ihr Unternehmen<br />
angemessen im Rahmen seiner Größe und<br />
Möglichkeiten etwas auf die Beine gestellt hat und<br />
ob Sie einen Plan für 2024 und 2025 haben. Aktionismus<br />
ist zu wenig. Die Umsetzung muss einer Strategie<br />
folgen. Es geht um eine angemessene Anstrengung.<br />
Firmen an eine Gesundheitsverwaltung herantreten,<br />
über Probleme bei einem Lieferanten mit dem Arbeitsschutz<br />
berichten und um Unterstützung bitten.<br />
Ich persönlich finde es schade, dass viele sich scheuen<br />
dies zu tun. Gerade innerhalb der Europäischen<br />
Union oder in Ländern in Asien mit funktionierenden<br />
Verwaltungen, auch in Afrika natürlich. Es ist ja nicht<br />
so, dass überall die Verwaltungen überhaupt nicht<br />
funktionieren. Man muss herausfinden, was funktioniert<br />
und was nicht.<br />
Unterstützen die deutschen Auslandsvertretungen<br />
ausreichend?<br />
Löning: Viele Außenhandelskammern sind sehr aktiv,<br />
schulen Zulieferer, erklären das deutsche Lieferkettengesetz<br />
und im europäischen Kontext. Die Kammern<br />
kennen die Märkte, haben viele Kontakte. Auch die<br />
Wirtschafts- und Politikreferenten in den Botschaften<br />
sind für diese Fragen da.<br />
Wie schauen die Firmen im Ausland auf das Lieferkettengesetz?<br />
Kommt etwas in Bewegung?<br />
Löning: Absolut. Das deutsche Lieferkettengesetz ist<br />
es nicht, aber 450 Millionen Europäer machen einen<br />
Unterschied. Das strahlt schon jetzt auf die Zuliefermärkte<br />
aus und viele Firmen richten sich danach aus.<br />
Was passiert, wenn Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen<br />
Kenntnis bekommen, ist der<br />
Einkauf darauf vorbereitet?<br />
Löning: Man braucht einen menschenrechtlichen<br />
Sorgfaltsprozess, der das regelt: Was passiert bei einer<br />
Beschwerde? Wer ist zuständig? Was muss getan<br />
werden? Was ist die Antwort? Was passiert bei einem<br />
schlechten Audit? Sich nur auf ein Tool zu verlassen<br />
reicht nicht. Ohne Gesamtprozess und Gesamtstrategie<br />
und die Schulung von Mitarbeitern<br />
funktioniert es nicht. Es muss nicht alles perfekt sein,<br />
aber in den groben Strukturen, um diese nach und<br />
nach zu verbessern und auszuarbeiten.<br />
Vor Ort empfehlen Sie die Zusammenarbeit mit<br />
lokalen Behörden. Warum?<br />
Löning: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />
Menschenrechte sagen sehr klar, dass der Staat die<br />
Hauptverantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte<br />
trägt. Es ist also mehr als legitim, wenn<br />
Bild: Mühlberger<br />
Markus Löning: „Das Denken verändert sich und die Frage, wie<br />
wir unsere Lieferbeziehungen künftig gestalten, damit sie<br />
erfolgreich sind.“<br />
16 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Markus Löning<br />
Markus Löning saß für die FDP von 2002 bis 2009 im<br />
Bundestag und war von 2010 bis 2013 Menschenrechtsbeauftragter<br />
der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Diese Mission verfolgt er seitdem in seiner eigenen<br />
Firma weiter. Löning ist Gründer und Geschäftsführer<br />
von Löning – Human Rights & Responsible Business.<br />
Das Unternehmen berät Firmen in Nachhaltigkeitsund<br />
Menschenrechtsfragen. Im Verlauf seiner politischen<br />
und unternehmerischen Karriere hat Löning<br />
mit Unternehmen, Regierungen und Organisationen<br />
in über 70 Ländern zusammenarbeitet.<br />
Sie begrüßen die kommende EU-Regulatorik?<br />
Löning: Das EU-Gesetz wird schwieriger zu erfüllen<br />
sein, aber der positive Effekt durch die standardisierte<br />
Berichterstattung und die Wirkung in die Liefermärkte<br />
ist deutlich hilfreicher. Durch einen standardisierten<br />
europäischen Bericht, der maschinell verarbeitet<br />
werden kann, wird die Bewertung von Lieferpartnern<br />
leichter fallen.<br />
Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
(CSRD) ist ein aufwändiger Berichtsstandard.<br />
Ist es realistisch, dass auch kleinere Zulieferer nach<br />
CSRD berichten werden?<br />
Löning: Das ist eine strategische Entscheidung der<br />
Firmen: Was ist für mein Unternehmen wichtig? Was<br />
erwarten meine Kunden? Macht es geschäftlich Sinn,<br />
mir hier ein gutes System aufzubauen? Ja, das ist<br />
aufwändig. Man kann es aber auch umdrehen und<br />
die CSRD als Anleitung für das eigene Unternehmen<br />
sehen, was zu tun ist, um die vielen nachhaltigen<br />
Kritieren zu erfüllen, die künftig sehr viele Kunden<br />
von mir erwarten.<br />
Und wenn eine Trennung von Lieferpartnern notwendig<br />
erscheint?<br />
Löning: Auch für diesen Fall braucht man einen<br />
strukturierten Prozess. Welche Fragen muss ich stellen?<br />
Was gibt es für mögliche Stufen? Selbstauskunft,<br />
Vor-Ort-Audits, korrektive Aktionspläne. Wenn diese<br />
nicht umgesetzt werden, was passiert dann? Die Abläufe<br />
muss sich der Einkauf gut überlegen. Am Ende ist<br />
es eine politische und wirtschaftliche Entscheidung<br />
des Unternehmens, wann es aus einer Beziehung rausgeht.<br />
Ich plädiere immer dafür, zunächst dem Lieferanten<br />
die Chance zu geben, besser zu werden. Das ist<br />
auch der Sinn des Gesetzes, dass die Situation sich<br />
verbessert. Das hängt natürlich auch von der Art des<br />
Verstoßes ab. Zu viele Überstunden kann man kompensieren,<br />
das kann man besser machen. Bei Kinder- oder<br />
Zwangsarbeit muss man relativ schnell die Reißleine<br />
ziehen oder die Beziehung so lange suspendieren, bis<br />
die Frage geklärt ist. Je nach Schwere des Vorfalls und<br />
Bedeutung des Lieferanten muss der Einkauf schwierige<br />
Entscheidungen treffen. Generell gilt, immer zunächst<br />
die Chance auf Verbesserung geben.<br />
Es gibt Märkte, die grundsätzlich kritisch sind. Wie<br />
sollte der Einkauf damit umgehen?<br />
Löning: Es gibt Firmen, die bauen sich in diesen<br />
Märkten eigene Lieferketten auf oder eine eigene<br />
Produktion, etwa Ritter Sport beim Kakao. So etwas<br />
hat Modellcharakter, wird aber das grundsätzliche<br />
Problem nicht lösen. Eine andere Möglichkeit ist die<br />
Sektorkooperation, die Zusammenarbeit mit staatlichen<br />
Stellen und Wissenschaftlern, um in Projekten<br />
Fragen des Rechts zu klären, ob Kooperativen etwas<br />
verändern oder eine Landreform notwendig ist und<br />
wie der Sektor produktiver werden kann, sodass die<br />
einzelne Familie davon leben kann und nicht mehr<br />
auf Kinderarbeit angewiesen ist. Das sind sehr tiefe<br />
strukturelle Fragen, die Unternehmen kaum alleine<br />
lösen können. Zusammenarbeit ist das Stichwort.<br />
Sind Zertifikate ein Weg?<br />
Löning: Das kann eine gute Lösung sein. Man muss<br />
sich aber immer anschauen, was es für ein Zertifikat<br />
ist. Sind soziale Kriterien abgedeckt oder ist es ein<br />
reines Umweltzertifikat? Nicht immer bekomme ich<br />
ausreichend zertifizierte Ware. Zertifikate können<br />
Teil einer Lösung sein, nehmen dem Einkauf aber<br />
nicht die Verantwortung, sich die Dinge genau anzuschauen.<br />
Das Gespräch führte Annette Mühlberger,<br />
Journalistin, Stuttgart.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 17
» MANAGEMENT<br />
Lieferkettenmanagement<br />
Haben JiT und JiS in einer<br />
VUCA- Welt ausgedient?<br />
In zahlreichen Branchen ist die Erkenntnis angekommen, dass eine<br />
Lieferketten- Stabilität, die noch in den 2010er Jahren vorherrschte, nicht<br />
wiederkehren wird. Heißt es im Umkehrschluss, dass Anlieferstrategien<br />
wie Just-in-Time und Just-in-Sequence der Vergangenheit angehören, beibehalten<br />
oder lediglich überdacht werden? Angesichts der zunehmenden<br />
VUCA-Welt befasst sich eine <strong>aktuell</strong>e Studie der Professoren Hartel und<br />
Gerberich mit diesen und weiteren Fragen zur Lieferkettenstabilität.<br />
Bild: davidjancik/stock.adobe.com<br />
18 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
5 Tipps für eine erfolgreiche JiT-/JiS-Belieferung<br />
1. Selbst wenn JiT oft als Königsdisziplin<br />
in der Logistik bezeichnet<br />
wird: Nicht alle <strong>Beschaffung</strong>sgüter<br />
eignen sich für JiT oder JiS.<br />
Bei nicht geeigneten Gütern ist<br />
mit hohem Organisations- und<br />
Koordinationsaufwand zu rechnen,<br />
der die JiT-Einsparungen u. U. weit<br />
übersteigen kann.<br />
2. Wenn Sie mit Ihrem Kunden<br />
eine JiT-/JiS-Belieferung vereinbart<br />
haben, versuchen Sie diese<br />
auch auf Ihre AX-Lieferanten zu<br />
übertragen. Ansonsten zahlt Ihr<br />
Unternehmen für die logistischen<br />
Schwächen Ihrer Lieferantenbasis.<br />
3. JiT oder Lagerbeschaffung? Die<br />
Frage sollten Einkauf und Logistik<br />
nur gemeinsam beantworten.<br />
Mögliche Risiken von JiT und JiS<br />
sollten in einer realistischen Total-<br />
Costs-of-Ownership-Betrachtung<br />
Berücksichtigung finden.<br />
4. „Was wäre wenn“-Betrachtungen:<br />
Verfügt der JiT-Lieferant über<br />
n ausgearbeitetes Notfallkonzept,<br />
und zwar auf operativer<br />
(Autobahn- Stau) und strategischer<br />
Ebene (Brand im Werk)?<br />
5. JiT und JiS leben von der<br />
Kommunikation : Nach der<br />
Einführung ist vor der<br />
Optimierung . Mindestens monatlich<br />
stattfindende (Kurz-)JiT-Meetings<br />
empfehlen sich auch im<br />
eingeschwungenen Betrieb .<br />
Just-in-Time und Just-in-Sequence stellen höchste<br />
Anforderungen an die Stabilität der Lieferkette –<br />
ohne Stabilität stehen den Vorteilen zahlreiche Risiken<br />
wie Versorgungsengpässe, kurzfristige Umplanungen<br />
oder Lieferausfälle gegenüber. Lieferunterbrechungen<br />
bei JiT-/JiS-Lieferanten im Jahr 2022 sind kein seltenes<br />
Phänomen, so gaben 37 Prozent der befragten Unternehmen<br />
an, „häufig“ (ca. jede fünfte Lieferung) oder<br />
„sehr häufig“ (mind. jede dritte Lieferung) von Lieferstörungen<br />
betroffen gewesen zu sein. Demgegenüber<br />
stehen lediglich fünf Prozent, die sich bei ihren JiT-/<br />
JiS-Lieferungen nie Engpässen gegenübersahen.<br />
In zwei von drei Fällen Lieferausfälle<br />
von mindestens einer Woche<br />
Interessant ist in diesem Kontext auch, dass immerhin<br />
16 Prozent der Befragten keine Antwort auf die<br />
Frage nach der Häufigkeit von Lieferstörungen geben<br />
konnten. Ein weißer Fleck, der bei einem Experten<br />
oder einer Expertin nicht auftreten dürfte, schließlich<br />
arbeiten 96 Prozent der Befragten im Supply Chain<br />
Management oder Einkauf.<br />
JiT und JiS erfordern Pünktlichkeit, in der Automobilindustrie<br />
sogar häufig minutengenau. Umso überraschender<br />
ist, dass in zwei von drei Fällen die Supply-<br />
Chain-Störung mindestens eine Woche betrug, in<br />
15 Prozent der Fälle sogar länger als vier Wochen. Es<br />
ist also von einer massiven Störung der eigenen Supply<br />
Chain auszugehen.<br />
Breites Spektrum an<br />
Unterbrechungs ursachen<br />
Betrachtet man die Ursachen, die zu Lieferkettenunterbrechungen<br />
führten, zeigt sich die Vielschichtigkeit<br />
des Problems. Sie lassen sich grob in übergreifende,<br />
logistische und beschaffungspolitische<br />
Ursachen clustern. Am häufigsten wurden genannt<br />
(Mehrfachnennungen möglich):<br />
• 23 %: fehlende Rohstoffe und Vormaterialien<br />
• 21 %: Transportbedingte Verzögerungen auf dem<br />
See- oder Luftweg<br />
• 15 %: Falsche bzw. fehlerhafte Bedarfsplanung<br />
• 15 %: Pandemiebedingter Ausfall<br />
• 11 %: Fehlende Fertigungskapazitäten<br />
Dass die Lieferverzögerungen nur bei vier Prozent mit<br />
finanziellen Engpässen bei Lieferanten im Zusammen-<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 19
» MANAGEMENT<br />
Bild: Hartel/Gerberich<br />
Im Jahr 2023 sollen<br />
verstärkt strategische<br />
Maßnahmen gegen<br />
Lieferausfälle zum<br />
Einsatz kommen.<br />
(Mehrfachnennungen<br />
möglich)<br />
hang gesehen werden, überrascht einerseits, zeigt<br />
aber auch andererseits auf, dass entsprechende staatliche<br />
Fördermaßnahmen in zahlreichen Fällen Schlimmeres<br />
wie Lieferantenkonkurse verhindert haben.<br />
Ist Lagerhaltung ein Lösungsansatz<br />
für Lieferkettenunterbrechungen?<br />
Die Frage, ob die betroffenen Unternehmen bei kritischen<br />
JiT- und JiS-Teilen im vergangenen Jahr auf<br />
Lagerhaltung umgestiegen sind, wird von 92 Prozent<br />
eindeutig mit „ja“ beantwortet. Hier zeigt sich, dass<br />
im SCM vieler Industrieunternehmen – zumindest<br />
temporär – ein Paradigmenwechsel von „Kostensenkung“<br />
hin zu „Versorgungssicherheit“ stattgefunden<br />
hat. Von den 92 Prozent „Lagerhaltern“ gaben aber<br />
nur sehr wenige an, dauerhaft und bei mehreren<br />
Gütern die <strong>Beschaffung</strong>sstrategie auf „stock sourcing“<br />
umgestellt zu haben (8 %). Weit häufiger fand<br />
nur ein temporärer Wechsel statt, bis sich die<br />
Supply- Chain-Stabilität wiederhergestellt hatte.<br />
Dass es sich nicht um eine grundsätzliche Wandel<br />
von JiT/JiS zu Lagerhaltung handelt, zeigte sich auch<br />
beim Blick in die Zukunft (s. Abb.): Lediglich ein<br />
Drittel der Befragten plant im Jahr 2023 eine dauerhafte<br />
Abkehr von JiT und JiS, sei es für „mehrere“<br />
oder „wenige Teile“.<br />
Vielschichtige Gründe für einen<br />
Wechsel auf Lagerhaltung<br />
Für eine temporäre oder dauerhafte Lagerhaltung<br />
von JiT- und JiS-Artikeln kann es eine Vielzahl an<br />
Gründen geben, wobei die empirischen Ergebnisse<br />
hier eine eindeutige Sprache sprechen. Auf die Frage<br />
„Aus welchen Gründen findet bzw. wird ein Wechsel<br />
auf Lagerhaltung stattfinden?“ kommen die Expertinnen<br />
und Experten zu einer eindeutigen Aussage:<br />
Die „fehlende Materialverfügbarkeit“ wurde von<br />
sämtlichen Studienteilnehmern ausnahmslos als<br />
„sehr relevant“ oder zumindest „eher relevant“ eingeschätzt.<br />
Generell lässt sich folgendes Ranking festhalten<br />
(Prozentangaben in Klammern für „sehr<br />
relevant “ und „eher relevant“ summiert):<br />
1. Fehlende Materialverfügbarkeit (100 %)<br />
2. Fehlende Transparenz (Supply Chain Visilibity) (79 %)<br />
3. Unzureichende Agilität (67 %)<br />
4. Finanzielle Solidität (59 %)<br />
5. Kommunikationsdefizite (57 %)<br />
Das heißt, die sich aus der VUCA-Welt ergebenden<br />
geänderten Rahmenbedingungen (Volatilität, Un -<br />
sicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit)<br />
wurden bei der bestehenden JiT-/JiS-Lieferanten -<br />
basis offensichtlich nicht erfolgreich beachtet und<br />
führten daher zum Aufbau von Lagerbeständen.<br />
Diese Ergebnisse überraschen, denn Transparenz,<br />
Agilität und enge Kommunikation sind Basis-Voraussetzungen<br />
für jede Form einer JiS-/JiT-Belieferung,<br />
unabhängig von stabilen oder weniger stabilen<br />
Wirtschaftsbeziehungen.<br />
Der zumindest in Europa relativ nahtlose Krisenübergang<br />
von Covid-Pandemie zu Ukrainekrieg hat dazu<br />
geführt, dass im Jahr 2022 kurzfristige Maßnahmen<br />
überwogen, um Lieferkettenunterbrechungen zu<br />
beseitigen (siehe Abb.). So lautete bei 34 Prozent der<br />
Teilnehmer die Antwort „Aufbau von Sicherheitsbeständen“,<br />
um zukünftige Lieferkettenunterbrechungen<br />
zu vermeiden. Dies wird auch 2023 als wichtige<br />
Maßnahme betrachtet, allerdings nur noch bei<br />
23 Prozent. Stattdessen steht für das laufende Jahr<br />
die Suche und der Aufbau nach Sicherheitsbeständen<br />
an erster Stelle (31 %).<br />
Dass sich im Jahr 2023 intensiver, und zwar auch auf<br />
strategischer Ebene, mit dem Lieferkettenstörungen<br />
auseinandergesetzt wird, zeigt sich an zwei Punkten:<br />
Einerseits ist der Trend bei zahlreichen Maßnahmen<br />
hinsichtlich Nutzung positiv gegenüber dem Vorjahr,<br />
d.h., die Supply Chain Manager setzen auf verschiedene<br />
Maßnahmen statt alles „auf eine Karte“. Andererseits<br />
zeigt es sich auch darin, dass auf scheinbar<br />
einfache Lösungen (Aufbau von Sicherheitsbeständen,<br />
Wechsel von JiT/JiS auf Lagerhaltung) verstärkt<br />
verzichtet wird.<br />
Kommt man auf die Ausgangsfrage zurück, nämlich,<br />
ob Just-in-Time und Just-in-Sequence vor dem Hintergrund<br />
unsicherer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />
ausgedient haben könnten, lassen die Studienergebnisse<br />
folgende Erkenntnisse zu:<br />
1. Von einem generellen Trend weg von JiT und JiS<br />
20 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
VERBINDUNGSELEMENTE<br />
& BEFESTIGUNGSTECHNIK<br />
Für 27 Prozent der befragten Experten stellt der Wechsel auf Lagerhaltung im Jahr 2023<br />
keine Option dar.<br />
Bild: Hartel/Gerberich<br />
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Kunden weltweit.<br />
hin zur Lagerhaltung („back to the roots?“) kann<br />
weder 2022 noch 2023 gesprochen werden.<br />
2. Sehr wohl sind zahlreiche befragte Unternehmen<br />
auch bei ihren JiT/JiS-<strong>Beschaffung</strong>sgütern zumindest<br />
temporär auf eine Lagerhaltung gewechselt, um<br />
Liefer kettenunterbrechungen so gering wie möglich<br />
zu halten.<br />
3. Auch wenn Unternehmen im Jahr 2023 unterschiedlichste<br />
proaktive Maßnahmen zur Vermeidung<br />
solcher Lieferstörungen planen bzw. umsetzen, sehen<br />
23 Prozent der Experten den bewussten Aufbau von<br />
Lagerbeständen als probates Mittel, obwohl dies der<br />
Grundphilosophie von JiT und JiS widerspricht.<br />
Bild: HS Stuttgart<br />
Prof. Dr. Dirk H. Hartel<br />
Professor für Logistik und<br />
SCM sowie Studiengangsleiter<br />
an der Dualen<br />
Hochschule Baden-<br />
Württemberg Stuttgart.<br />
Seit über 20 Jahren als<br />
Berater, Trainer und<br />
Gutachter in Einkauf,<br />
Logistik und SCM tätig.<br />
Bild: HS Luzern<br />
Prof. Dr. Claus Gerberich<br />
Professor an der Hochschule<br />
Luzern (HSLU).<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 21
» MANAGEMENT<br />
Hinterfragt – Schlagwort im Supply Chain Management<br />
Resilienz? Buzzword? Solange<br />
man nicht weiß, wie es geht ...<br />
Wenn neue Krisen kommen, obwohl die vorherige noch nicht überwunden ist, wird es<br />
richtig eng. Dann zählt Resilienz. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Begriff? Solange<br />
„Resilienz“ nicht in seiner ganzen Ausprägung mit allen Konsequenzen richtig<br />
verstanden wird, schmückt man sich allenfalls mit dem Buzzword. Welche sinnhaften<br />
Handlungen sind also notwendig? Wir haben uns umgehört.<br />
Der Begriff Resilienz wird heute als die<br />
Lösung für alles gepriesen, etwa für<br />
die Lieferkette und für die Organisation.<br />
Aber wissen wir auch immer, was da genau<br />
dahintersteht?“, fragt Thomas Zsulits, Director<br />
Global Supply bei der Doka GmbH in<br />
Amstetten (Österreich) und Vorstandsmitglied<br />
des Bundesverbands<br />
Materialwirtschaft,<br />
Einkauf<br />
und Logistik in Österreich<br />
(BMÖ). Er<br />
macht Resilienz an<br />
der Flexibilität der<br />
Marktreaktion fest.<br />
Dieser Zustand, etwa<br />
die neue Lieferkette eines Produktes,<br />
müsse einer unvorhergesehenen Belastung,<br />
wie sie heute vom Markt oft komme,<br />
standhalten. „Aufbau, Vernetzung und Optimierung<br />
vieler kleiner Netzwerke, die<br />
dann unabhängig und flexibel auf Marktgegebenheiten<br />
reagieren können, ist für<br />
mich Resilienz.“ Die Kunst sei, sich so flexibel<br />
wie möglich auf alle Unwägbarkeiten<br />
einzustellen. Zsulits geht es darum, „ein<br />
Miteinander aufzubauen und entsprechende<br />
Technologien und Prozesse zu etablieren,<br />
die es erlauben, sich in kürzester Zeit<br />
den jeweils neuen Marktgegebenheiten mit<br />
schnell implementierbaren Lösungen stellen<br />
zu können“.<br />
Als Beispiel nennt Thomas Zsulits das Produktdesign:<br />
Die Spezifikation müsse so gefasst<br />
sein, dass selbst ein einzigartiges Produkt<br />
überall auf der Welt gefertigt werden<br />
könne – etwa ein einfaches Metallprodukt<br />
in Europa mit europäischen Stahlgüten.<br />
»Aufbau, Vernetzung und<br />
Optimierung vieler kleiner<br />
Netzwerke [...] ist für<br />
mich Resilienz.«<br />
Thomas Zsulits<br />
„Hier muss sichergestellt werden, dass vergleichbare<br />
Stähle auch in anderen Kontinenten<br />
verfügbar sind. Auch die Art der<br />
Verarbeitung sollte transferierbar sein“, so<br />
der Supply-Experte. Die Fragen: Wer hilft<br />
den Designern, neuen Gedanken nachzugehen?<br />
Wer ermuntert sie explizit? Was würde<br />
das für die Anforderungen<br />
aus<br />
qualitätstechnischer<br />
Sicht bedeuten?<br />
Und welche<br />
Entscheidungsparameter<br />
brauchen die<br />
Einkäufer, um ein<br />
Netzwerk aufzubauen,<br />
bei dem sie noch gar nicht wissen,<br />
wie sie es bespielen sollen?<br />
„Wir haben festgestellt, dass semiprofessionell<br />
agierende Unternehmen die Frage<br />
eines modernen Risikomanagements als<br />
Teil des Resilienzgedankens noch gar nicht<br />
auf dem Radar haben“, sagt Thomas Mademann,<br />
Geschäftsführer der Essener GMVK<br />
Procurement Group. Er bezeichnet Resilienz<br />
als „eine neue und relativ eigenständige<br />
Teildisziplin eines umfassenden Risikomanagements,<br />
das auch die Sicherstellung der<br />
Stabilität und Elastizität<br />
von Business-Netzwerken<br />
umfasse“. Klar sei,<br />
dass die Steigerung<br />
der Resilienz keinen<br />
Endpunkt habe, weil<br />
sich das Handlungsumfeld<br />
von Unternehmen ständig ändere<br />
und Unternehmen ständig dazulernten.<br />
»Resilienz funktioniert<br />
nur mit einem Wertschöpfungskettendenken.«<br />
Marc Helmold<br />
Der erste Schritt ist laut Mademann „immer<br />
das Herstellen von Transparenz und<br />
das Zusammenführen zahlreicher Informationen<br />
in den einzelnen Fachbereichen“.<br />
Nur so ließen sich Abhängigkeiten und Risiken<br />
identifizieren und im Anschluss die<br />
richtigen Antwortstrategien zu definieren.<br />
Im letzten Schritt gelte es, Wissen und<br />
Strategien in einen kontinuierlichen Managementprozess<br />
zu überführen. Ziel müsse<br />
sein, Risikomanagement und Resilienz<br />
sowohl im Warengruppenmanagement als<br />
auch im Lieferantenmanagement immer<br />
mitzudenken. „Wenn der Einkauf die<br />
Chancen der <strong>Beschaffung</strong>smärkte mitdenkt,<br />
muss er parallel deren Risiken mitdenken.<br />
Nur so kann er sicherstellen, dass<br />
die durch ihn gesteuerte externe Wertschöpfung<br />
genauso stabil ist, wie die im<br />
eigenen Unternehmen erbrachte.“ Der Einkauf<br />
müsse in die erste Reihe rücken,<br />
Wegducken sei keine Option. „Und natürlich<br />
braucht es auch F&E, Qualität, SCM<br />
und Produktion an einem Tisch, um stabile<br />
Wertschöpfungsnetzwerke aufbauen und<br />
unterhalten zu können“, so Mademann.<br />
„Resilienz funktioniert nur mit einem<br />
Wertschöpfungskettendenken, in dem<br />
auch Stakeholder<br />
integriert sind, insbesondere<br />
Zulieferer.<br />
Klar ist, dass<br />
hierbei dem Einkauf<br />
zentrale Bedeutung<br />
zukommt“,<br />
sagt Prof.<br />
Dr. Marc Helmold von der IU Internationale<br />
Hochschule am Campus Berlin, Berater<br />
22 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Bild: pv<br />
Bild: GMVK<br />
Bild: Doka<br />
Prof. Dr. Marc Helmold, IU Internationale<br />
Hochschule am Campus Berlin<br />
Thomas Mademann, Geschäftsführer,<br />
GMVK Procurement GmbH<br />
Thomas Zsulits, Director Global<br />
Supply , Doka GmbH<br />
Stephan Gras, Supply Chain Training<br />
– Consulting – Coaching (Ostfildern)<br />
und Buchautor. Voraussetzung sei, dass<br />
die Geschäftsleitung die Schlüsselrolle des<br />
Einkaufs und des Lieferantenmanagements<br />
als Wertetreiber zwischen Unternehmen<br />
und Lieferanten begreife und anerkenne.<br />
Das sei längst noch nicht überall<br />
der Fall, weil dem (eigenen) Einkauf vielfach<br />
noch das Bild des reinen Kostenoptimierers<br />
anhafte.<br />
„Wer diesen signifikanten Einflussfaktor<br />
nicht auf dem Schirm hat, verzeichnet<br />
nicht nur Einbußen, sondern riskiert sogar<br />
eine Insolvenz“, mahnt Helmold. Er rät<br />
dem Top-Management dringend, interne<br />
Experten und alle Prozessbeteiligten an<br />
einen Tisch zu holen; Trainer, Berater oder<br />
spezielle „Game Changer“ gelte es ergänzend<br />
hinzuzuziehen. Etwa bei Nachhaltigkeitsthemen,<br />
wie dem LkSG mit Risikoanalyse,<br />
Zertifizierung und Sorgfaltsbericht,<br />
könnten zusätzliche Know-how-<br />
Träger wichtige Impulse geben.<br />
Machen statt lamentieren<br />
Resilienz, Transformation, Change: Für Stephan<br />
Gras, bis Ende 2022 Einkaufsberater<br />
bei ConMoto und jetzt als Supply-Chain-<br />
Trainer sowie im Vorstand des BMÖ aktiv,<br />
begegnen sich hier gleich drei interpretationsbedürftige<br />
Buzzwords. „Wir werden in<br />
unserer Sprache immer schwammiger und<br />
amerikanisierter. Und über dem Erklären<br />
vernachlässigen wir oftmals das Tun.“ Erfolgreich<br />
sei derjenige, der Resilienz als<br />
lange Kette verstehe: „Vorbeugen – erkennen<br />
– alte Zöpfe abschneiden – Erfahrung<br />
einbringen – praktikable Lösungen finden –<br />
Lösungen gezielt und rasch umsetzen –<br />
Funktion der neuen Lösung sicherstellen –<br />
nächstes Risiko erahnen – Risikoanalyse<br />
starten bzw. fortsetzen – Kette von vorne<br />
beginnen.“ Sein Rat: „Immer mal wieder<br />
‚back to the roots‘ denken und nicht dauernd<br />
wichtige Dinge mit neuen Begrifflichkeiten<br />
und Namen beschreiben. Auf das<br />
das Machen konzentrieren. Zum Lamentieren<br />
ist keine Zeit<br />
mehr.“<br />
Resilienz muss als<br />
standortumspannender<br />
Bogen alle<br />
und jeden einbeziehen.<br />
Das Verständnis<br />
muss „von<br />
oben“ eindeutig<br />
beschrieben, vorgelebt<br />
und, ja,<br />
auch verordnet<br />
werden, weil Veränderung<br />
zuweilen<br />
weh tut. Für den<br />
Einkauf bedeutet<br />
das: keinen Stillstand<br />
im Hinblick<br />
auf Digitalisierung,<br />
Diversifizierung,<br />
Risikoidentifizierung<br />
und das entsprechende<br />
Maßnahmenmanagement,<br />
Lieferketten-,<br />
Schnittstellen-<br />
und Lieferantenmanagement,<br />
regulatorische Anforderungen,<br />
Nachhaltigkeit und vieles mehr. Die Kostenfrage<br />
muss indes jedes Unternehmen<br />
für sich beantworten. Bedenkenwertes<br />
Statement dazu von Doka-Supply-Experte<br />
Thomas Zsulits: „Fehlende Transformation<br />
kostet am Ende weitaus mehr.“<br />
Sabine Ursel, Journalistin,Wiesbaden<br />
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<strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 23
» MANAGEMENT<br />
Hornbach: Markt- und Büroausstattung über zentrales System<br />
Kundenorientierung auch für<br />
interne Bestellvorgänge zentral<br />
Bei Hornbach müssen Bestellungen vor Ort schnell und einfach gehen. Hierfür<br />
nutzt das Handelsunternehmen das E-Procurement-System „Impact Ordering“<br />
von Veenion. Weitere Webshops sind per OCI-Schnittstelle angebunden. Das<br />
entlastet den Einkauf und reduziert den administrativen Aufwand. Das Besondere:<br />
Alle Bestellungen werden zum Bestellzeitpunkt steuerlich korrekt erfasst.<br />
Claudia Killet-Thumm,<br />
Hornbach: „Wir standen<br />
in diesem Projekt<br />
vor zahlreichen Herausforderungen.“<br />
Wenn Mitarbeitende von Hornbach Produkte<br />
und Dienstleistungen für die Marktausstattung,<br />
die Warenpräsentation oder ihren Arbeitsalltag<br />
bestellen, muss das schnell und einfach gehen. Genauso<br />
schnell und einfach wie die zentrale und sichere<br />
Systemanmeldung neuer Kollegen und Kolleginnen<br />
oder die ab dem Bestellzeitpunkt steuerlich<br />
korrekte Erfassung von Bestellungen. Dies alles sind<br />
Anforderungen an das neue E-Procurement-System,<br />
das Hornbach in 171 Bau- und Gartenmärkten, in<br />
neun europäischen Ländern eingeführt hat.<br />
Die Anwender haben das System „Easy Order“ getauft.<br />
Die Lösung basiert auf der E-Procurement-<br />
Software „Impact Ordering“ von Veenion. Das Sortiment<br />
umfasst alle Nichthandelswaren – in diesem<br />
Bild: privat<br />
Fall sind dies Produkte und Dienstleistungen aus<br />
1300 Katalogen von 330 Lieferanten und weiteren<br />
OCI-Shops. 2000 Anwender und Anwenderinnen sind<br />
freigeschaltet. Bestellen lassen sich vom individualisierbaren<br />
Namensschild bis zum Regalsystem, von<br />
der Kasse bis zur Zuschnittsäge, von Verpackungsmaterial<br />
über Arbeitskleidung, Büromaterial, Telekommunikation<br />
bis zur IT alle für den Geschäftsbetrieb<br />
notwendigen Waren und Dienstleistungen.<br />
Hornbach verwaltet Zugangsberechtigungen und<br />
Softwarelizenzen über ein zentrales Identitätsmanagement,<br />
an das auch Impact Ordering angedockt<br />
wurde. Single-Sign-On war aus diesem Grund eine<br />
wichtige Systemvoraussetzung. Als Backend läuft<br />
SAP im Hintergrund. Impact Ordering fungiert bei<br />
Hornbach als vollständig integriertes, komfortables<br />
Frontend.<br />
Easy Order: Der Name ist<br />
Programm<br />
Alle Wareneingangsbuchungen und Bestellungen<br />
sind weiterhin sowohl über das Backend, als auch<br />
das Frontend möglich. Dieses kundenorientierte Vorgehen<br />
ist ganz typisch für Hornbach: „Wir haben unseren<br />
Anwendern ganz bewusst die Freiheit der Entscheidung<br />
gelassen, mit welchem System sie arbeiten<br />
wollen, weil wir glauben, dass wir sie so am besten<br />
überzeugen“, erklärt Projektleiterin Claudia Killet-<br />
Thumm das Prinzip. Die internen Kunden honorieren<br />
das und haben über ihre Tastatur abgestimmt: Nach<br />
kurzer Zeit läuft bereits die Hälfte aller Wareneingangsbuchungen<br />
und Bestellungen über die neue<br />
Lösung , die hierfür sehr einfache Prozesse bietet.<br />
Dass die Anwender gerne auf „Easy Order“ umsteigen,<br />
führt Killet-Thumm auf die komfortable Suchfunktion<br />
des Tools und seine gute Bedienbarkeit zurück. „Die<br />
Artikelsuche und die Übersichtlichkeit der Software<br />
waren für uns zentrale Anforderungen“, erklärt sie.<br />
24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Dass Veenion hier ganz vorne liege, habe sich bereits<br />
in den ersten Systemprüfungen abgezeichnet und in<br />
der späteren Ausschreibungsphase bestätigt: „Impact<br />
Ordering ist ein übersichtliches, anwenderfreundliches<br />
Produkt“, betont sie.<br />
Integrierte Steuer- und<br />
Kontierungslogik<br />
Eine Besonderheit der Hornbach-Lösung ist die<br />
markt- und artikelgenaue Kontierung der bestellten<br />
Waren bereits zum Bestellzeitpunkt. „Für uns ist<br />
wichtig, dass die korrekte Steuerermittlung nicht erst<br />
nach Rechnungseingang erfolgt“, erklärt Claudia Killet-<br />
Thumm. Auf diesem Weg reduziert man auch die<br />
Rechnungsprüfung auf ein Minimum und hat deshalb<br />
– neben der Kontierungslogik – auch die gesamte<br />
Steuerlogik in das Bestellsystem integriert. Das<br />
System schlägt für jede Bestellung gleich die passende<br />
Kontierung vor. Als Warengruppenschlüssel läuft<br />
UNSPSC im Hintergrund. „Die Besteller müssen nur<br />
aktiv werden, wenn die Kontierung nicht passt“, erklärt<br />
die Projektleiterin. Da das System aus der<br />
Kosten stelle jedoch schon sehr viel ableiten könne,<br />
sei das aber nur selten der Fall.<br />
Guided-Buying für geführte<br />
Ausschreibungen<br />
Im nächsten Rollout kommen Guided-Buying-<br />
Anwendungen hinzu. Über vorstrukturierte Anfragen<br />
können die Fachabteilungen und Märkte ihre wiederkehrenden<br />
Bedarfe dann sogar selbst ausschreiben.<br />
Die Anfragen werden über vordefinierte Formularfelder<br />
(SmartForm) präzisiert, bei Druckdienstleistungen<br />
sind dies zum Beispiel Seitenzahl, Format und<br />
Papierqualität. Auch die Regalsysteme für die<br />
Produktpräsentation in den Märkten, für die es verschiedene<br />
Lieferanten gibt, können über geführte<br />
Prozesse dann so vorkonfiguriert werden, dass die<br />
anfragten Systeme auch zusammenpassen. „Hiervon<br />
versprechen wir uns für den Einkauf Entlastung und<br />
für die Fachbereiche schnellere Ausschreibungs -<br />
prozesse“, beschreibt Claudia Killet-Thumm das Ziel.<br />
„Wir standen in diesem Projekt vor zahlreichen Herausforderungen“,<br />
lautet ihr Fazit mit Blick auf die<br />
Anforderungen. „Veenion haben wir als sehr gewissenhaften,<br />
technisch wie fachlich versierten, stets in<br />
Lösungen denkendenden Partner erlebt“, lobt sie die<br />
Zusammenarbeit. Bei der ersten Leistungsstufe habe<br />
man sich darauf fokussiert, die Sortimente und Lösungen<br />
zu realisieren, die in Märkten häufig gebraucht<br />
würden. Nun kommen die Bestellprozesse<br />
dran, die weniger häufig genutzt werden, aber für die<br />
Anwender komplexer sind. „Dabei bleiben wir dem<br />
Anspruch treu, dies für unsere Kolleginnen und Kollegen<br />
einfach und sicher zu gestalten – easy order<br />
eben“, sagt Killet-Thumm.<br />
Annette Mühlberger, Journalistin, Stuttgart<br />
Hornbach-Markt in<br />
Chuchle/Prag. Die<br />
Bestellung der<br />
sogenannten<br />
Nichthandelswaren für<br />
die Markt- und Büroausstattung,<br />
für<br />
Logistik und IT läuft<br />
bei Hornbach europaweit<br />
über eine neue,<br />
zentrale E-Procurement-Lösung.<br />
Bild: Hornbach<br />
E-Procurement bei Hornbach<br />
• 2000 aktive Anwender<br />
• implementiert in 171 Bau- und Gartenmärkten und<br />
neun Ländern<br />
• 1300 statische Kataloge (inklusive regionaler<br />
Ausprägungen ), 330 Lieferanten<br />
• Punchouts zu Webshops weiterer Lieferanten<br />
• Single-Sign-On mit Schnittstelle zu Omada für die<br />
komfortable Verwaltung von Bestellern und<br />
Genehmigern (Rechte-Management)<br />
• Anbindung an SAP mit integrierter<br />
Rechnungsbearbeitung<br />
• Gesamtvolumen (monatlich): 13.000 Bestellungen,<br />
30.000 Positionen (noch in der Aufbauphase)<br />
• Warengruppen: Verpackung, Bekleidung, Personaldienstleistungen,<br />
Einrichtung und Ausstattung<br />
(Regale , Ladenbau, Regalzubehör), IT/Kommunikationstechnik,<br />
Telefon, Büromaterial /-möbel, Arbeitssicherheit,<br />
Hygiene/Reinigung, Preisauszeichnung,<br />
Maschinen/ Geräte (Sägeraum, Logistik)<br />
• integrierte Steuersystematik<br />
• integrierte Kontierungslogik, UNSPSC läuft im<br />
Hintergrund<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 25
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz,<br />
im Speziellen Natural Language Processing<br />
(NLP), ist eine Lösung zur Identifikation<br />
von Frühwarnsignalen in der Lieferkette.<br />
Bild: Rahul/stock.adobe.com<br />
Wie KI durch Natural Language Processing die Resilienz erhöht<br />
Verbesserte Frühwarnsignale<br />
in der Lieferkette<br />
Resilienz ist eine zentrale Zielgröße für Lieferketten. Das zeigen zahlreiche<br />
Beiträge aus Forschung und Praxis. Doch bloße Erkenntnisse reichen nicht aus;<br />
praktische Lösungen sind gefragt, aber bisher selten vorhanden. Eine solche<br />
Lösung besteht in der Verwendung von künstlicher Intelligenz, insbesondere<br />
Natural Language Processing (NLP), zur Identifikation von Frühwarnsignalen.<br />
Land Rover, Chrysler, Apple – alle drei<br />
haben die Insolvenz eines zentralen<br />
Zulieferers erlebt. Land Rover wurde vom<br />
Ausfall des Fahrgestellherstellers UPF-<br />
Thompson überrascht und sah sich Forde-<br />
Bild: ISCM-HSG<br />
Ingo Weth M.A. HSG<br />
Forschungspraktikant<br />
am Institut für Supply<br />
Chain Management an<br />
der Uni St. Gallen<br />
(ISCM-HSG).<br />
rungen von 120 Mio. USD ausgesetzt, um<br />
1500 Jobs und die langfristige Produktion<br />
zu retten. Chrysler schloss kurzfristig vier<br />
Werke, nachdem der Zulieferer Plastech<br />
Engineered Products wegen Insolvenz die<br />
Bild: ISCM-HSG<br />
Daniel Langner M.Sc.<br />
Projektmanager und<br />
Postdoktorand am<br />
Institut für Supply Chain<br />
Management an der Uni<br />
St. Gallen (ISCM-HSG).<br />
Auslieferung stoppte. Apple musste,<br />
nachdem der Partner GT Advanced Technologies<br />
Insolvenz anmeldete, den Erhalt<br />
einer Fabrik in Arizona organisieren, in<br />
welcher Saphirglas produziert wird. Kurzum:<br />
Immer wieder sehen sich Organisationen<br />
überraschend mit der Insolvenz<br />
von Zulieferern konfrontiert.<br />
Abhilfe schaffen Frühwarnsignale. Sofern<br />
sich die Praxis jedoch Signalen für die Insolvenz<br />
eines Zulieferers widmet, wird dafür<br />
nach wie vor überwiegend auf Kennzahlenmodelle<br />
aus dem Kreditgeschäft der<br />
60er und 70er Jahre vertraut (z. B. Altmans<br />
Z-Score). Diese sind nicht mehr zeitgemäß.<br />
Nicht-finanzielle Informationen aus der<br />
Medien- oder Unternehmensberichterstattung<br />
haben an Bedeutung gewonnen,<br />
nicht nur für Insolvenzprognosen. Mehrere<br />
Studien erzielen präzisere Insolvenzprognosen<br />
bei Berücksichtigung nicht finanzieller<br />
Informationen (z. B. Marktposition).<br />
26 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
MANAGEMENT «<br />
tiv insolvente Zulieferer generell durch<br />
deutlich mehr Ereignisse (5 x) kennzeichnen<br />
als solvent bleibende Unternehmen.<br />
Gemäß Intuition sind es zudem vor allem<br />
negative Ereignisse, die bei prospektiv insolventen<br />
Zulieferern vielfach häufiger<br />
(16 x) auftreten. Allein dies lässt auf grosses<br />
Potential zur Identifikation von Frühwarnsignalen<br />
basierend auf Medienberichterstattung<br />
und NLP schließen.<br />
Speziell ergeben sich Erweiterung der<br />
Schuldenlast, Umschuldung, Kündigung<br />
eines Senior Managers und Reorganisationen<br />
mit Entlassungen als hochsignifikante<br />
Signale. Diese treten teils weit vor<br />
der eigentlichen Insolvenz auf. Auch können<br />
konterintuitiv Ereignisse als Signale<br />
verworfen werden. Beispielsweise spielen<br />
der Rauswurf eines Managers im Gegensatz<br />
zu dessen selbstständiger Kündigung<br />
oder Kostensteigerungen keine Rolle.<br />
Frühzeitig reagieren<br />
Für Unternehmen ist es nicht nur möglich<br />
den verfolgten Ansatz weiterzuentwickeln,<br />
sondern wie die Ergebnisse zeigen, auch<br />
sinnvoll. Es liegt nahe, dass für weitere Risiken<br />
in der Lieferkette ähnliche Muster<br />
bestehen (z. B. Unfälle, Brände, Streiks). Es<br />
wird damit eine konkrete Lösung geliefert,<br />
wie durch Technologie Resilienz erhöht<br />
werden kann. Frühzeitige Reaktionen auf<br />
ein verändertes Risikoprofil eines Zulieferers<br />
können dann vor immensen Schäden<br />
schützen. Unternehmen sollten eigene<br />
Frühwarnsysteme oder die ihrer Dienstleister<br />
entsprechend auf ihre Reife überprüfen.<br />
Folgende sieben Fragen helfen dabei:<br />
1. Risikoauswahl: Wird das Insolvenzrisiko<br />
wichtiger Zulieferer (oder andere Top-<br />
Risiken) speziell überwacht?<br />
2. Make-or-buy: Übernimmt ein Dienst-<br />
Das ist nachvollziehbar, denn Finanzkennzahlen<br />
sind retrospektiv, mit Verzögerung<br />
verfügbar, inhaltlich durch Rechnungslegungsstandards<br />
limitiert, Impression Management<br />
und Manipulation ausgesetzt<br />
und liegen aufgrund von verschiedenen<br />
Jurisdiktionen und Publikationspflichten<br />
nicht für alle gleichermaßen vor. Seit NLP<br />
die Verarbeitung von nicht-finanzieller Information<br />
technologisch ermöglicht und<br />
stetig verbessert (z. B. ChatGPT), nimmt die<br />
Bedeutung und Eignung dieser Informationen<br />
kontinuierlich zu.<br />
Im Hinblick auf Lieferketten sticht hervor,<br />
dass der Einsatz solcher Technologien gegenüber<br />
anderen Feldern zurücksteht. Ein<br />
Blick auf Veröffentlichungen der letzten<br />
Jahre zeigt, dass für Lieferketten kaum<br />
Anwendungsfälle von NLP untersucht<br />
wurden. In Bereichen des Aktienhandels<br />
hingegen ist es bereits Usus, Medien-, Unternehmensberichterstattung<br />
und Social<br />
Media in Echtzeit auszuwerten und einzupreisen.<br />
Nicht zuletzt aufgrund der massiven<br />
Datenverfügbarkeit und eindeutigen<br />
Quantifizierbarkeit ist dies einfacher als<br />
im Anwendungsfall Lieferkette. Für die<br />
vorliegende empirische Analyse wurde mit<br />
Raven Pack Analytics, einem NLP-Service<br />
aus dem Hochfrequenzhandel, die Anwendung<br />
auf Lieferketten übertragen. Empirisch<br />
und praktisch replizierbar wurde untersucht,<br />
ob die Analyse von Nachrichtenartikeln<br />
mit NLP die Identifikation von<br />
Frühwarnsignalen zulässt.<br />
Für die Analyse wurden über 150.000 Artikel<br />
aus aller Welt zu mehr als 300 Unternehmen<br />
ausgewertet. Auf Basis von<br />
mithilfe von NLP erfassten Ereignissen<br />
(z. B. Freistellung eines Vorstands), die bis<br />
zu zwei Jahren vor der Insolvenz eines<br />
Zulieferers auftraten, wurde mit Regressionsmodellen<br />
die Prädiktionskraft für die<br />
Insolvenz berechnet.<br />
Es zeigt sich, dass solche Ereignisse sowohl<br />
in ihrer Gesamtheit, als auch allein -<br />
stehend und in Interaktion miteinander<br />
signifikante bis hochsignifikante Frühwarnsignale<br />
für eine Insolvenz sein können.<br />
Die Signale können dabei bis zu mehr<br />
als zwei Jahre ex ante des eigentlichen Risikoeintritts<br />
(Insolvenz) auftreten (z. B.<br />
Reorganisation mit Entlassungen). Zunächst<br />
ist festzustellen, dass sich prospekleister<br />
diese Aufgabe oder lohnt sich der<br />
interne Systemaufbau?<br />
3. Signalauswahl: Wird lediglich auf<br />
Kennzahlenmodelle zurückgegriffen oder<br />
werden nicht-finanzielle Informationen<br />
wie beispielsweise die Medien- und Unternehmensberichterstattung<br />
ebenfalls<br />
berücksichtigt?<br />
4. Signaljustierung: Wie fein justiert sind<br />
diese Signale? Sind für die ausgewählten<br />
Risiken spezifische Frühwarnsignale empirisch<br />
identifiziert worden? Sind diese Erkenntnisse<br />
in das System eingeflossen?<br />
5. Signalmessung: Werden die Signale in<br />
Echtzeit gemessen? Kommen die besten/<br />
neuesten Technologien zum Einsatz?<br />
6. Signalinterpretation: Wer entscheidet<br />
auf welcher Ebene wann und wie über die<br />
Weiterleitung und Reaktion auf identifizierte<br />
Signale?<br />
7. Risikomitigierung: Welche Maßnahmen<br />
können ergriffen werden? Wer ist für<br />
deren Umsetzung und Überwachung zuständig?<br />
Letztlich werden es wohl primär Dienstleister<br />
sein, die sich die beschriebenen Erkenntnisse<br />
zu Nutze machen können.<br />
Nicht nur aufgrund der gebündelten Kompetenz<br />
für den zielgerichteten Technologieeinsatz.<br />
Dieser ist nötig, da die Mehrdeutigkeit<br />
von Informationen und die starke<br />
Abhängigkeit vom Kontext eine Herausforderung<br />
bei der textuellen Analyse im Finanzbereich<br />
bleibt. Vor allem aufgrund des<br />
dahinterstehenden Gesamtsystems „Frühwarnung-as-a-Service“,<br />
das verschiedene<br />
Risiken abdeckt, unterschiedliche Technologien<br />
parallel einsetzt, ständig weiterentwickelt<br />
wird und Ergebnisse geeignet<br />
kommuniziert. Schließlich müssen am Ende<br />
tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden<br />
– zielgerichtet und zeitnah.<br />
NATURAL LANGUAGE PROCESSING (NLP)<br />
Zur Stärkung der Lieferketten-Resilienz ist der Einsatz von<br />
künstlicher Intelligenz, im Speziellen Natural Language<br />
Processing (NLP), eine effiziente Lösung. NLP analysiert<br />
mittels Linguistik und Statistik, Struktur, Bedeutung und<br />
Kontext von Texten.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 27
» MANAGEMENT<br />
Rechte des Käufers beim Erwerb von KI<br />
Was Künstliche Intelligenz<br />
können muss<br />
Die Frage, wann eine Künstliche Intelligenz (KI) mangelhaft ist, ist juristisch<br />
nicht einfach zu beantworten. Sowohl der deutsche als auch der europäische<br />
Gesetzgeber haben Lösungsansätze entwickelt. Den besten Schutz für Einkäufer<br />
von KI-Systemen bietet ein möglichst konkreter Vertragstext.<br />
In den Fach- und Einkaufsabteilungen<br />
im ganzen Land wird derzeit überlegt:<br />
Soll Künstliche Intelligenz (KI) angeschafft<br />
werden und wenn ja, was soll sie<br />
können? Wo soll man sie einkaufen und<br />
wie soll man sie gewinnbringend einsetzen?<br />
Eine Umfrage des Digitalverbands<br />
Bitkom vom Juni 2023 offenbart: 72 Prozent<br />
der befragten Unternehmen gehen<br />
davon aus, dass Künstliche Intelligenz eine<br />
große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der deutschen Wirtschaft<br />
haben wird – aber nur 15 Prozent setzen<br />
sie bereits ein. Als Faktor dafür, was die<br />
Nutzung digitaler Technologien momentan<br />
noch hemme, benennen 54 Prozent<br />
die Politik, die den Einsatz eher verhindere<br />
als fördere. 46 Prozent sagen, in ihren<br />
Unternehmen werde mehr über die Risiken<br />
geredet als über die Chancen.<br />
Europa als globales<br />
KI-Zentrum<br />
Die Europäische Union (EU) will dieser<br />
Stimmung entgegenwirken und hat sich<br />
zum Ziel gesetzt, den weltweit ersten<br />
Anja Falkenstein,<br />
Rechtsanwältin,<br />
Karlsruhe<br />
Dr. Kristina Schreiber vom Kölner<br />
Büro der Kanzlei Loschelder.<br />
Bild: Loschelder<br />
Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz<br />
zu schaffen. Der geplanten EU-KI-Verordnung<br />
soll der Spagat zwischen dem Fördern<br />
der Entwicklung und Nutzung von KI<br />
und dem Eindämmen möglicher Gefahren<br />
gelingen. Die Ziele sind hochgesteckt:<br />
Europa soll nicht weniger als das globale<br />
Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche<br />
Intelligenz werden. Zu diesem Zwecke<br />
hat sich das EU-Parlament<br />
nun auf den<br />
Text der Verordnung<br />
geeinigt. Damit geht<br />
es jetzt in die Feinabstimmung<br />
mit den<br />
einzelnen Mitgliedstaaten<br />
– was dauern<br />
kann. Selbst optimistische<br />
Prognosen gehen nicht von<br />
einem Inkrafttreten vor dem Jahr 2026<br />
aus.<br />
Wer sich <strong>aktuell</strong> also mit der Anschaffung<br />
und Funktionalität von KI-Systemen beschäftigen<br />
muss, muss auf das geltende<br />
nationale Recht zurückgreifen, wenn sich<br />
Dr. Arno Malcher von der Münchner<br />
Kanzlei Wallberg & Cie.<br />
»Der Anbieter muss<br />
sich daran messen<br />
lassen , was er<br />
versprochen hat.«<br />
RA Dr. Kristina Schreiber<br />
juristische Fragestellungen ergeben. Und<br />
diese beginnen nicht erst dann, wenn etwas<br />
nicht richtig funktioniert, sondern<br />
bereits beim Vertragsschluss.<br />
Verschiedene<br />
Vertragstypen denkbar<br />
„Wie die Anschaffung von KI-Lösungen<br />
vertragsrechtlich einzuordnen ist, hängt<br />
von der Form der<br />
Leistung ab, in der<br />
der Vertragspartner<br />
KI-bezogene Leistungen<br />
für ein Unternehmen<br />
erbringt“,<br />
erklärt Rechtsanwalt<br />
Dr. Arno Malcher von<br />
der Münchner Kanzlei<br />
Wallberg & Cie. Nur wenn eine bereits<br />
vorbestehende KI-Lösung angeschafft<br />
und in eigener Verantwortung auf den eigenen<br />
Systemen betrieben wird, könne<br />
man von einem reinen Kaufvertrag sprechen.<br />
„Ein wohl eher seltener Fall“, merkt<br />
der Fachanwalt für IT-Recht an.<br />
Bild: Wallberg<br />
28 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Das andere Extrem stellt es dar, wenn<br />
eine individuelle, auf die speziellen Bedürfnisse<br />
des Unternehmens abgestimmte<br />
KI-Lösung bei einem Softwarehaus oder<br />
Programmierer in Auftrag gegeben wird.<br />
Für das maßgeschneidertes Werk gilt<br />
dann Werkvertragsrecht.<br />
Die dritte Möglichkeit stellt eine Miete der<br />
KI dar. Experte Malcher erklärt: „Wenn ich<br />
eine KI-Lösung anschaffe, die der Anbieter<br />
auf seiner eigenen Infrastruktur betreibt<br />
und mir als Cloud-Lösung zum vorübergehenden<br />
Gebrauch<br />
zur Verfügung<br />
stellt, dann wird<br />
diese Art der Leistungserbringung<br />
einen mietvertraglichen<br />
Charakter<br />
haben und nach<br />
Mietrecht zu beurteilen<br />
sein.“ Dies<br />
stellt einen Unterfall<br />
von Softwareas-a-Service<br />
(SaaS) dar, nämlich KI-as-a-<br />
Service (KIaaS), also die nicht dauerhafte<br />
Gebrauchsüberlassung einer KI-Anwendung<br />
via Datenfernübertragung.<br />
Mangel und<br />
Gewährleistung<br />
Die geplante EU-Verordnung beschreibt<br />
präzise und ausführlich, was einzelne KI-<br />
Produkte zu leisten haben und wofür die<br />
Anbieter haften sollen. Zwar gibt es ähnlich<br />
detaillierte, neue Regelungen auch<br />
im deutschen Recht, sie gelten im Sinne<br />
des Verbraucherschutzes jedoch nur,<br />
wenn ein Unternehmer KI für Verbraucher<br />
bereitstellt, also im B2C-Bereich. Für B2B<br />
sind sie nicht anwendbar.<br />
Hier muss man auf den allgemeinen kaufrechtlichen<br />
Mangelbegriff in § 434 des<br />
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zurückgreifen.<br />
Dieser stellt – nach einer Gesetzesänderung<br />
im vergangenen Jahr – erstmalig<br />
auch auf die Funktionalität, Kompatibilität<br />
und Interoperabilität der gekauften<br />
Sache ab, die Käufer und Verkäufer<br />
vereinbart haben. Doch die Regelung<br />
bleibt allgemein und sehr abstrakt, denn<br />
sie gilt für alle Kaufobjekte gleicher -<br />
maßen, ob digital oder analog.<br />
„Vereinfacht gesagt, ist ein KI-Produkt<br />
»Wie die Anschaffung<br />
von KI-Lösungen<br />
vertragsrechtlich einzuordnen<br />
ist, hängt von der<br />
Form der Leistung ab.«<br />
RA Dr. Arno Malcher<br />
dann mangelfrei, wenn es den subjektiven<br />
und objektiven Erwartungen an seine Beschaffenheit<br />
genügt“, erläutert Rechtsanwältin<br />
Dr. Kristina Schreiber vom Kölner<br />
Büro der Kanzlei Loschelder die Rechtslage.<br />
„Zur Frage, wann ein lernendes, intelligentes<br />
System mangelhaft ist, kommt es<br />
ganz maßgeblich auf den konkreten Zuschnitt<br />
an. Der Anbieter muss sich daran<br />
messen lassen, was er versprochen hat.“<br />
Maßgeblich sei dabei, für welche Verwendung<br />
die KI vertraglicherseits eingesetzt<br />
werden soll. „Ist<br />
sie dazu geeignet?<br />
Sind eventuell<br />
besondere<br />
Beschaffenheiten<br />
vereinbart<br />
und weicht die<br />
KI negativ davon<br />
ab? Welche<br />
Trainingsleistungen<br />
muss der<br />
Anbieter auch<br />
nach Überlassung noch bereitstellen, welche<br />
Ergebnisse werden erwartet?“, fasst<br />
die Expertin im Vertragsrecht für digitale<br />
Produkte zusammen.<br />
Wenn tatsächlich ein Mangel vorliegt,<br />
greift das Gewährleistungsrecht wie bei<br />
analogen Produkten. Die Details unterscheiden<br />
sind nach Kauf-, Miet- und<br />
Werkvertragsrecht, generell gilt aber: Der<br />
Anbieter muss/darf nacherfüllen, also seine<br />
Leistung<br />
nochmal erbringen.<br />
Gelingt das<br />
nicht, kann der<br />
Käufer den Preis<br />
mindern, vom<br />
Vertrag zurücktreten<br />
oder diesen<br />
kündigen.<br />
„Wurden Schäden<br />
schuldhaft verursacht, sind auch diese<br />
zu ersetzen“, ergänzt Anwältin Schreiber.<br />
Service-Level-Agreements<br />
beachten<br />
Um die Pflichten des Anbieters zu konkretisieren,<br />
ist der Abschluss von Service-<br />
Level-Agreements (SLA) bei der <strong>Beschaffung</strong><br />
von KI-Lösungen ganz besonders<br />
sinnvoll. Hier sollte das Maß der Verfügbarkeit<br />
der KI festgelegt werden sowie, in<br />
welchem Umfang und innerhalb welcher<br />
Fristen der Anbieter Mängel in der<br />
Anwendung beheben muss und welche<br />
Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn er<br />
die vereinbarte Verfügbarkeit nicht einhalten<br />
kann. Rechtsanwalt Malcher weist<br />
darauf hin, „dass der Anbieter einer KI-<br />
Lösung in der Regel weder in einem SLA<br />
noch im Vertrag eine Erfolgsverantwortung<br />
für richtige Vorhersagen seiner KI-<br />
Anwendung übernehmen wird.“ Dies hänge<br />
zum einen damit zusammen, dass nach<br />
dem heutigen Stand der Technik KI-Anwendungen<br />
lediglich Vorhersagen zur<br />
Wahrscheinlichkeit einer Fragestellung<br />
treffen, jedoch keine Aussagen im Sinne<br />
von richtig oder falsch. Zudem sei die<br />
Qualität von Vorhersagen einer KI ganz<br />
wesentlich von der Menge und Qualität<br />
der Daten des Kunden abhängig, die in die<br />
KI eingespeist werden.<br />
Trainingsdaten besonders<br />
absichern<br />
Bevor die KI fleißig gefüttert wird, sollte<br />
man den Schutz besonders relevanter Daten<br />
vertraglich absichern. Dies kann etwa<br />
geschehen durch vertragsstrafenbewehrte<br />
Vertraulichkeitsregelungen, eine Verpflichtung<br />
zur unwiederbringlichen Löschung<br />
der Daten nach Vertragsbeendigung und<br />
ein Audit-Recht des Kunden, um die Nutzung<br />
der Daten<br />
beim Anwender<br />
Bevor die KI fleißig<br />
gefüttert wird, sollte man<br />
den Schutz<br />
relevanter Daten<br />
vertraglich absichern.<br />
überprüfen zu<br />
können. Kommen<br />
dagegen<br />
nur ubiquitäre<br />
Rohdaten ohne<br />
besonderen<br />
wirtschaftlichen<br />
Wert zum Einsatz,<br />
könne man den Regelungen in den<br />
Standardverträgen zustimmen, nach denen<br />
der Anbieter auch nach Vertragsbeendigung<br />
die Daten des Kunden zu Trainingszwecken<br />
einsetzen darf, so Malcher.<br />
„Hier sollte man jedoch darauf achten,<br />
dass die Nutzung anonymisiert und aggregiert<br />
erfolgt und keine Rückschlüsse<br />
auf den Kunden zulässt“, lautet der dringende<br />
Rat des Anwalts.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 29
» MANAGEMENT<br />
Resilienz: Zwischen Hype und Horror<br />
Das Geheimnis hinter der<br />
Superkraft Resilienz<br />
Es besteht Einigkeit darüber, dass Resilienz eine entscheidende Fähigkeit im Einkauf<br />
ist. Allerdings konzentriert sich die Fachwelt hauptsächlich auf strukturelle<br />
Aspekte wie Organisation, Ziele, Anforderungen und Technologien. Christine Freye<br />
und Prof. Dr. Mahmut Arica haben in der Praxis untersucht, wie ein Einkauf, der<br />
über die Mitarbeitenden selbst resilienter ist, aufgebaut und etabliert werden kann.<br />
Deloitte und McKinsey sehen Resilienz als Top-Fähigkeit<br />
für Einkäuferinnen und Einkäufer. Die<br />
Hochschule München, unter Leitung von Prof. Dr. Kleemann,<br />
bestätigt die Bedeutung der Resilienz im Einkauf<br />
der Zukunft. Trotz des Konsenses über ihre Wichtigkeit<br />
werden die Gestaltungsansätze und -prinzipien<br />
der Resilienz kritisch diskutiert. Meistens konzentriert<br />
sich die Diskussion auf strukturelle Themen wie Organisation,<br />
Ziele, Anforderungen und Technologien. Eine<br />
Betrachtung der Mitarbeitenden im Einkauf fehlt jedoch.<br />
Dies wirft die Frage auf, wie die Resilienz erlernt<br />
werden kann, wenn die Diskussion ausschließlich auf<br />
die Struktur des Einkaufs fokussiert ist.<br />
Ausgehend von praktischen Untersuchungen, möchte<br />
dieser Beitrag einen alternativen Weg aufzeigen, wie<br />
ein resilienterer Einkauf auch über die Mitarbeitenden<br />
selbst aufgebaut und etabliert werden kann.<br />
Basics: Was meint Resilienz ?<br />
Jeder verbindet und versteht den Begriff der Resilienz<br />
anders: Während die einen die Resilienz mit<br />
Bild: Freye<br />
Christine Freye<br />
Senior Consultant<br />
Research & Analysis im<br />
Einkauf; Doktorandin im<br />
Bereich der industriellen<br />
<strong>Beschaffung</strong><br />
Bild: FOM<br />
Prof. Dr. Mahmut Arica<br />
Professor für allgemeine<br />
BWL an der FOM<br />
Hochschule für Ökonomie<br />
& Management ,<br />
Standort Münster.<br />
Widerstandsfähigkeit gleichsetzen, verstehen andere<br />
die Resilienz als eine Fähigkeit, um Krisen zu bewältigen,<br />
wieder andere verbinden mit der Resilienz eine<br />
nachhaltige Leistungssteigerung. Zusätzlich existieren<br />
verschiedene Metaphern, die genutzt werden, um<br />
den Begriff der Resilienz zu veranschaulichen. So<br />
wird die Resilienz als eine Art Teflon-Beschichtung<br />
gesehen, an der jede Krise abperlt. Auch wird die Resilienz<br />
mit einem Bambusrohr verglichen, dass flexibel<br />
die Form halten kann.<br />
Deswegen ist es erforderlich, im Voraus festzulegen,<br />
was im Rahmen dieses Beitrags unter Resilienz zu<br />
verstehen ist. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit,<br />
trotz widriger Umstände oder Krisen kontinuierlich<br />
an Zielen festzuhalten. Somit wird deutlich, dass<br />
Resilienz nicht ausschließlich in Krisensituationen<br />
entsteht und von Bedeutung ist. Die Steigerung der<br />
Leistungsfähigkeit kann zwar durch Resilienz erfolgen,<br />
jedoch wird diese von diversen Faktoren, wie<br />
Wissen, Erfahrung und Motivation, zusätzlich beeinflusst.<br />
Um dieses Verständnis zu verdeutlichen, bietet sich<br />
ein Vergleich zur japanischen Technik des „Kintsugi“<br />
an: Beim Kintsugi werden zuvor gebrochene Porzellanscherben<br />
mit Silber, Gold oder Platin verbunden,<br />
wodurch die Risse bewusst betont werden. Diese Risse<br />
stehen sinnbildlich für die Mühen, das Überwinden<br />
und das Heilen. Ähnlich lassen sich diese Eigenschaften<br />
auch auf das hier verwendete Verständnis<br />
von Resilienz übertragen. Statt die Leistung übermäßig<br />
zu betonen, konzentriert sich dieser Beitrag auf<br />
das Lernen und die gewonnenen Erkenntnisse, die<br />
sich in den einzelnen Rissen widerspiegeln.<br />
Obwohl das Verständnis der Resilienz als eine Fähigkeit<br />
vorliegt, ist wichtig sie nicht als eine Persönlichkeitseigenschaft<br />
anzusehen, die jemand besitzt oder<br />
nicht. Es ist bekannt, dass Menschen unterschiedlich<br />
gut mit herausfordernden Situationen umgehen kön-<br />
30 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
nen. Dennoch unterstellt dieses Verständnis, dass es<br />
in der Verantwortung des Einzelnen liegt. Dabei wird<br />
die Rolle der Organisation und der Führung vollständig<br />
ignoriert. Deshalb wird die Resilienz als eine erlernbare<br />
Fähigkeit betrachtet, die vom Einzelnen erworben<br />
und trainiert werden kann.<br />
Die absoluten „Dont’s“<br />
Trotz des bisherigen Eindrucks, dass Resilienz nur<br />
positive Auswirkungen hat, möchten wir betonen,<br />
dass dies nicht der Fall ist. Resilienz beinhaltet die<br />
Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewältigen, die<br />
von jedem Einzelnen unterschiedlich wahrgenommen<br />
und erlebt werden. Dabei können sowohl positive<br />
als auch negative Erfahrungen entstehen, wie<br />
zum Beispiel Überforderung oder Frustration. Anstatt<br />
solche Erfahrungen als Zeichen von mangelnder<br />
Resilienz zu verurteilen, betrachten wir sie als<br />
Anregung, um die Mitarbeiter dabei zu unterstützen,<br />
Resilienz zu erlernen, zu fördern und zu stärken. Wir<br />
vermeiden bewusst eine optimistische Sichtweise<br />
und streben stattdessen einen realistischen und angemessenen<br />
Umgang mit dem Thema Resilienz an,<br />
der auch das Erleben von negativen Emotionen einschließt.<br />
Tipps zur Stärkung der Resilienz.<br />
Vorweg: Resilienz ist ein komplexes und umfangreiches<br />
Konstrukt, dass vom Einzelnen erlebt und gelebt<br />
wird. Daher sind die folgenden vier „Geheimnisse“ als<br />
Impulse, die beim Entwickeln der Fähigkeit der Resilienz<br />
helfen können.<br />
1. Herausforderungen, Krisen & Co. akzeptieren:<br />
Resilienz ist eine Fähigkeit, die einerseits in, durch<br />
und mit herausfordernden Situationen gestärkt und<br />
andererseits zur Überwindung dieser benötigt wird.<br />
Daher ist es unerlässlich, die widrigen Umstände zu<br />
akzeptieren und als eine Chance anstatt als eine Last<br />
anzusehen.<br />
2. Lernen fördern: Um die widrigen Situationen<br />
meistern zu können, gilt es neue Fähigkeiten zu erlernen,<br />
neues Wissen aufzubauen und neue Erkenntnisse<br />
zu gewinnen. Dabei geht es ausdrücklich nicht<br />
nur um das einfache Lernen, sondern alle Facetten<br />
des Lernens: vom Erlernen, über das Verlernen bis<br />
zum Neuerlenen.<br />
3. Situation reflektieren: Jeder widrige Umstand<br />
und damit jede Situation, die es zu bewerkstelligen<br />
gilt, ist anders. Daher ist sich einzugestehen, dass bestehende<br />
Prinzipien, Mechanismen und Taktiken<br />
nicht 1:1 auf jede Situation übertragen werden können.<br />
Vielmehr sind die Besonderheiten der Situation<br />
zu erfassen und zu bewerten, sowohl davor, während<br />
als auch danach.<br />
Bild: lassedesignen/stock.adobe.com<br />
4. Beziehungen stärken: Vielleicht ist dieser Aspekt<br />
überraschend, aber um die Fähigkeit der Resilienz zu<br />
lernen, gilt es die eigene Wirksamkeit zu erfahren.<br />
Letztere schaffen wir einerseits durch die Situationen,<br />
denen wir uns stellen und andererseits durch unsere<br />
Interaktionen mit anderen. Daher können Beziehungen<br />
uns resilienter machen, und zwar durch Gespräche,<br />
die uns bestärken, ermutigen und aufbauen.<br />
Gerade wenn wir negative Gefühle verspüren, wie<br />
Frust oder Überforderung, helfen uns die Beziehungen<br />
unser Wohlbefinden wieder zu verbessern.<br />
Natürlich sind diese Impulse nicht isoliert zu betrachten,<br />
sondern als ein Tandem zwischen dem Einzelnen<br />
und der Einkaufsorganisation. So sind geeignete<br />
Maßnahmen zu formulieren, welche die Realisierung<br />
der drei Impulse fördern, unterstützen und<br />
ermutigen.<br />
Superkraft oder Kryptonit?<br />
Resilienz bildet einer der zentralen Fähigkeiten, die<br />
Organisationen, Lieferketten und Mitarbeitende im<br />
Einkauf der Zukunft aufweisen müssen. Auch wenn<br />
die Forderung so einfach, so klar und so eindeutig<br />
formuliert werden kann, ist die Umsetzung und Realisierung<br />
alles andere als einfach. So ist die Resilienz<br />
nämlich eine Fähigkeit, die von jedem Einzelnen unterschiedlich<br />
erlebt, gespürt und erlernt wird. Damit<br />
einhergehend verfügt die Resilienz über eine Vielzahl<br />
an unterschiedlichen Facetten, Ausprägungen und<br />
Formen, weswegen ein eindeutiges und uniformes<br />
Erlernen unmöglich ist. Daher ist die Resilienz als eine<br />
Superkraft mit „kryptonischen“ Elementen anzusehen,<br />
wobei das kryptonische bzw. schwächende<br />
Element im Begriff der Resilienz selbst liegt.<br />
Resilienz ist eine der<br />
Top-Fähigkeiten, die<br />
Einkäuferinnen und<br />
Einkäufer aufweisen<br />
müssen.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 31
TITEL » C-Teile-Management<br />
Bild: Keller & Kalmbach<br />
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der <strong>Beschaffung</strong> können<br />
einen entscheidenden Beitrag zur Effizienz, Nachhaltigkeit und<br />
Wettbewerbsfähigkeit des C-Teile Einkaufs leisten.<br />
Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in der <strong>Beschaffung</strong><br />
Das „Next Level“<br />
im C-Teile-Einkauf<br />
Die neueste Entwicklungsstufe im Einkauf von C-Teilen umfasst eine<br />
Transformation des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses und zielt darauf ab, die<br />
Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses<br />
zu steigern. Hierbei kommen digitale Technologien und automatisierte<br />
<strong>Beschaffung</strong>sabläufe zum Einsatz.<br />
32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
C-Teile umfassen eine Vielzahl kleiner, preisgünstiger<br />
Materialien, die aber in Summe einen<br />
bedeutenden Anteil der <strong>Beschaffung</strong>s- und Prozesskosten<br />
in Unternehmen ausmachen können. Darüber<br />
hinaus kann die traditionelle <strong>Beschaffung</strong> von C-Teilen<br />
zeitaufwendig, fehleranfällig und ineffizient sein.<br />
Hier kommen die Möglichkeiten des modernen<br />
C-Teile-Einkaufs ins Spiel – ein Konzept, das darauf<br />
abzielt, die Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit<br />
des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses zu steigern, Kosten zu reduzieren<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen<br />
zu stärken.<br />
Auch die Rolle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
verändert sich. In dieser neuen Ära des Einkaufs ist<br />
der Mitarbeitende nicht mehr nur ein traditioneller<br />
Einkäufer, der manuell Bestellungen aufgibt und Lieferanten<br />
kontaktiert. Er wird zum strategischen Partner<br />
im Einkaufsprozess und nutzt innovative Ansätze,<br />
wie beispielsweise sich selbst steuernde Logistiksysteme<br />
und die IoT-Plattform Logtopus, um den C-Teile<br />
Einkauf effizienter und nachhaltiger zu gestalten.<br />
Die Transformation des<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozesses<br />
Effiziente Lagerhaltung und Bestandsmanagement:<br />
Im modernen Einkauf von<br />
C-Teilen wird verstärkt auf die Nutzung<br />
von digitalen Technologien und automatisierten<br />
<strong>Beschaffung</strong>sabläufen gesetzt. Intelligente<br />
Systeme erkennen eigenständig, wann C-Teile nachbestellt<br />
werden müssen, um die Lagerbestände auf<br />
einem optimalen Niveau zu halten. Dadurch wird der<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozess reibungsloser und effizienter,<br />
was sowohl Zeit als auch Ressourcen spart. Besonderes<br />
Augenmerk liegt dabei auf sich selbst steuernden,<br />
flexiblen Kanban-Lösungen. Die benötigte Ware wird<br />
einfach nur entnommen und mithilfe von Sensorik<br />
wird bei Bedarf der Bestellvorgang ausgelöst. Auftragsdaten<br />
werden automatisch generiert, die Ware<br />
wird geliefert und gleichzeitig erfolgt eine bidirektionale<br />
Übertragung von Auftragsdaten. Somit ist das<br />
Kanban-System stets zuverlässig aufgefüllt. Dies<br />
führt zu einer Reduzierung von Lagerbeständen und<br />
Kapitalbindung, während gleichzeitig eine hohe Flexibilität<br />
und eine 100-prozentige Versorgungssicherheit<br />
gewährleistet werden.<br />
Der Einkauf kann sich künftig auf strategische Themen<br />
konzentrieren und sicherstellen, dass bei A- und<br />
B-Teilen Lieferengpässe oder Preissteigerungen möglichst<br />
vermieden werden. Die gleichzeitige Implementierung<br />
zeitgemäßer E-Procurement-Plattformen<br />
und digitaler Kataloge führt zu einer deutlichen<br />
Reduzierung manueller Tätigkeiten und einer effizienteren<br />
Gestaltung des C-Teile-Einkaufs.<br />
Datenbasierte Entscheidungen: Fortschrittlicher<br />
C-Teile-Einkauf setzt auf einen<br />
datenbasierten Ansatz unter Verwendung<br />
fortschrittlicher Technologien,<br />
Die traditionelle <strong>Beschaffung</strong><br />
von C-Teilen<br />
kann zeitaufwendig,<br />
fehleranfällig und<br />
ineffizient sein. Ansätze<br />
wie Logtopus können<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Bild: Keller & Kalmbach<br />
Die Herausforderungen des traditionellen C-Teile-Einkaufs<br />
Unübersichtliche Datenmengen: Die <strong>Beschaffung</strong> und verbrauchsoptimierte Bereitstellung von C-Teilen umfasst oft eine Vielzahl von Prozessschritten, die enorme Datenmengen<br />
erzeugen. Das kann die Transparenz über den <strong>aktuell</strong>en Bestand, den Verbrauch und die Ausgaben erschweren. Manuelle Datenauswertung führt oft zu ungenauen Ergebnissen,<br />
verlangsamt den <strong>Beschaffung</strong>sprozess und Fehlmengen werden oftmals zu spät erkannt.<br />
Unvorhersehbarer Bedarf: Der Bedarf an C-Teilen kann schwanken und unvorhersehbar sein. Dies kann zu Überbeständen oder Engpässen führen, welche unter anderem die<br />
Lagerkosten und die Betriebseffizienz beeinträchtigen.<br />
Zeitintensive manuelle Prozesse: In vielen Unternehmen erfolgt die C-Teile-<strong>Beschaffung</strong> immer noch manuell, was zu zeitraubenden Prozessen und möglichen Fehlern führt.<br />
Mitarbeitende verbringen unnötig viel Zeit mit wiederkehrenden Aufgaben wie der Erstellung von Bestellungen, der Rechnungsprüfung und der Bestandsüberwachung.<br />
Begrenzte Datenanalyse und -auswertung: Traditionelle <strong>Beschaffung</strong>smethoden bieten oft begrenzte Möglichkeiten zur Datenanalyse und -auswertung. Dies erschwert es,<br />
Einsparungspotenziale zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 33
TITEL » C-Teile-Management<br />
Intelligent vernetzte<br />
Logistiksysteme.<br />
Bild: Keller & Kalmbach<br />
wie IoT-Plattformen, Advanced Analytics, Big Data<br />
und künstliche Intelligenz (KI). Einkäufer erhalten<br />
damit umfassende Einblicke, beispielsweise in Verbrauch,<br />
Kosten und Bestellverhalten und können<br />
dank Prognosen bereits heute die optimale Entscheidung<br />
für zukünftige Gegebenheiten treffen.<br />
Intelligente, cloudbasierte IoT-Plattformen wie Logtopus<br />
automatisieren die Warenverwaltung und bieten<br />
ein benutzerfreundliches Dashboard zur Überwachung<br />
und Steuerung von Material- und Informationsflüssen.<br />
Diese digitale Lösung beinhaltet auch ein<br />
Frühwarnsystem und Self-Service-Funktionen. Von<br />
der <strong>Beschaffung</strong> bis zur Verbrauchsstelle liefert die<br />
ERP-unabhängige All-In-One-Plattform transparente<br />
Einblicke in Artikel, Warenbewegungen und Bestellstatus.<br />
Dies geschieht durch eine nahtlose Vernetzung<br />
und Interaktion mit internen Logistiksystemen<br />
und Lieferanten. Unternehmen jeder Größe und<br />
Branche können Lieferanten je nach Bedarf anbinden<br />
lassen und so ihre maßgeschneiderte Artikel-Palette<br />
erhalten.<br />
Nachhaltigkeit und Innovation: Der<br />
Einkauf ist verstärkt auf der Suche nach<br />
nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>slösungen, um<br />
der ökologischen Verantwortung gerecht<br />
zu werden. Die Einbindung von nachhaltigen Teilen,<br />
wie beispielsweise wiederverwendbaren oder recycelten<br />
Materialien, sowie die Wahl umweltfreundlicher<br />
Verpackungsoptionen, sind Maßnahmen, die zur<br />
Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen beitragen<br />
und den ökologischen Fußabdruck reduzieren kön-<br />
nen. Eine weitere unterstützende Initiative ist der LineWalk,<br />
welcher eine externe Produktionsbegehung<br />
durch einen C-Teile-Spezialisten beinhaltet. Die Entwicklung<br />
und Fertigung des Produkts wird von Anfang<br />
bis Ende dokumentiert und analysiert. Durch<br />
den frühzeitigen Blick auf die Supply Chain können<br />
beträchtliche Potenziale gehoben und Verbesserungen<br />
auf Produkt- und Montageprozessebene identifiziert<br />
werden. Diese Optimierungen können zu direkten<br />
oder indirekten Kosteneinsparungen, innovativen<br />
Ansätzen und der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen<br />
führen.<br />
Flexibilität und Reaktionsfähigkeit:<br />
Um eine ganzheitliche und erfolgreiche<br />
Lösung zu entwickeln, ist die Zusammenarbeit<br />
mit C-Teile-Logistikexperten von<br />
großer Bedeutung. Diese integrieren digitale Dienste,<br />
Sensorik, KI-Analysen und Engineering-Know-how in<br />
die Lieferkette. Einen Blick in die Zukunft mit gezielter<br />
Szenarioplanung ermöglicht Advanced Analytics.<br />
Die positiven Effekte der Anwendung dieser Analysetools<br />
durch die C-Teile Anbieter kommen dem Einkauf<br />
zugute, denn sie sorgen für erheblich verbesserte<br />
Leistungen und optimierte Abläufe in der gesamten<br />
Lieferkette.<br />
Hier geht es zum virtuellen<br />
Showroom „FAKKTORY“<br />
von Keller & Kalmbach.<br />
34 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Dr. Dariush Gigloo, Leiter für Advanced Analytics bei<br />
Keller & Kalmbach, entwickelte diese ausgeklügelten<br />
mathematischen Optimierungstools, die den Kunden<br />
eine maximierte Versorgungssicherheit und eine flexible<br />
Produktion ermöglichen. Advanced Analytics<br />
konzentriert sich auf reale Probleme und Eskalationsfälle.<br />
Mitarbeitende im Einkauf können dank der<br />
Tools und Auswertungen wertvolle Erkenntnisse ableiten<br />
und fundierte Entscheidungen treffen, um den<br />
Einkaufsprozess kontinuierlich zu verbessern.<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozesse auf ein<br />
neues Level heben<br />
Insgesamt beinhaltet zeitgemäßer C-Teile-Einkauf die<br />
umfassende Transformation des C-Teile Managements,<br />
die durch fortschrittliche Technologien, Zusammenarbeit<br />
mit erfahrenen Experten, datenbasierte Entscheidungen<br />
und eine verstärkte Fokussierung auf Nachhaltigkeit<br />
und Effizienz geprägt ist. Die Rolle der Einkäuferinnen<br />
und Einkäufer verändert sich insbesondere<br />
durch die zunehmende Bedeutung von digitaler Kompetenz,<br />
Datenanalyse und Konnektivität signifikant.<br />
Indem der Mitarbeitende diese neuen Fähigkeiten<br />
entwickelt und nutzt, kann er einen entscheidenden<br />
Bild: Keller & Kalmbach<br />
Logtopus ist eine All-In-One-Plattform zur transparenten Steuerung und Verbesserung<br />
der Materialversorgung. Der QR-Code führt direkt zur Plattform.<br />
Beitrag zur Effizienz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit<br />
des C-Teile-Einkaufs leisten. Die Integration<br />
von intelligenten Logistiksystemen und IoT-<br />
Plattformen wie Logtopus von Keller & Kalmbach, ermöglichen<br />
es dem Einkauf seine <strong>Beschaffung</strong>sprozesse<br />
auf ein neues Level zu heben.<br />
40. Deutscher<br />
Logistik-Kongress<br />
18. - 20. Oktober 2023<br />
InterContinental Berlin<br />
Pullman Berlin Schweizerhof<br />
Think Networks.<br />
Auf dem Kongress sprechen<br />
und diskutieren unter anderem:<br />
Ilse Henne<br />
CTO und Vorstandsmitglied,<br />
thyssenkrupp Materials Services,<br />
Essen,<br />
Vorstand, BVL<br />
Dr. Jan Schneider<br />
Head of Logistics Operations,<br />
Tchibo GmbH,<br />
Hamburg<br />
Oliver Wieck<br />
Generalsekretär,<br />
International Chamber of<br />
Commerce (ICC) Germany e.V.,<br />
Berlin<br />
Christian Krebs<br />
Head of Logistics & Repacking DACH,<br />
Unilever Supply Chain Services<br />
GmbH, Heilbronn<br />
Stefan Paul<br />
CEO,<br />
Kühne + Nagel International AG,<br />
Schindellegi, Schweiz<br />
Dr. Volker Wissing<br />
Bundesminister<br />
für Digitales und Verkehr,<br />
Berlin<br />
PROGRAMM UND ANMELDUNG UNTER WWW.BVL.DE/DLK<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 35
» POWERED BY<br />
Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />
Die neue FALCON-App bietet fast alle Funktionen der webbasierten Desktopversion und ermöglicht volle Kanban-Übersicht von überall<br />
Das neue FALCON: Noch mobiler!<br />
Bereits 2012 führte Ferdinand Gross die E-Kanban-Lösung FALCON ein: Eine absolute Weltneuheit,<br />
für die das Unternehmen mehrfach prämiert wurde und die aus dem modernen C-Teile-Management<br />
nicht mehr wegzudenken ist. Mit einer komplett überarbeiteten Version wird das Tool jetzt noch<br />
mobiler und so auch für neue Anwendergruppen attraktiv.<br />
Den exakten Lagerort jedes C-Teils sekundenschnell<br />
bestimmen, das jährliche Einkaufs -<br />
volumen jeder einzelnen Schraube mit wenigen<br />
Klicks nachverfolgen oder das gesamte Kanban-<br />
System selbst aus dem Home Office aktiv steuern zu<br />
können – mit Funktionen wie diesen hat sich die<br />
webbasierte FALCON-Software als unverzichtbares<br />
Werkzeug im Kanban-Management etabliert. Das<br />
Besondere dabei ist, dass FALCON zwar ursprünglich<br />
für Einkaufsabteilungen gedacht war, die sich mehr<br />
Transparenz und Kontrolle über ihr Kanban-System<br />
wünschten, sich aber inzwischen auch in anderen<br />
Abteilungen etabliert hat.<br />
Mehr als nur ein Einkäufer-Tool<br />
„Unsere Kunden haben schnell für sich erkannt, für<br />
wen die in FALCON bereitgestellten und visualisierten<br />
Informationen alles interessant sein können“, so<br />
Ralph Wittum, Vertriebsleiter bei Ferdinand Gross.<br />
„QS-Abteilungen zum Beispiel nutzen gerne das<br />
Dokumentenmanagement des Tools, weil dort die<br />
Prüfzeugnisse und Zertifikate aller C-Teile problemlos<br />
eingesehen und heruntergeladen werden können. In<br />
Entwicklungsabteilungen wiederum greift man verstärkt<br />
auf die verwalteten Fertigungszeichnungen<br />
zurück. Insbesondere bei Neukonstruktionen bietet<br />
Über 90 % der<br />
Kanban-Kunden von<br />
Ferdinand Gross<br />
arbeiten mit FALCON<br />
– im Einkauf aber<br />
auch in vielen<br />
anderen Abteilungen<br />
Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />
36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
ANZEIGE<br />
Zum Unternehmen<br />
Ferdinand Gross gehört zu den größten<br />
Lieferanten von Verbindungstechnik. Das<br />
1864 gegründete Familienunternehmen ist<br />
führend in C-Teile-Management, flexiblen<br />
Kanbansystemen, Standard- und Zeichnungsteilen<br />
sowie Anwendungstechnik.<br />
– Stammsitz: Leinfelden-Echterdingen<br />
(Stuttgart)<br />
– rund 250 Mitarbeiter<br />
– über 15.000 Kunden<br />
– europaweit über 1.500 mit Kanban<br />
bewirtschaftete Lager<br />
Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />
es sich nämlich an zuerst in der detaillierten Volltextsuche<br />
nach Abmessungen, Güten, Artikeltexten usw.<br />
zu filtern, um zu prüfen, ob eine aufwändige Neuaufnahme<br />
von Sonderteilen überhaupt notwendig ist.<br />
Häufig stellt man dann fest, dass sich die Aufgabe<br />
auch mit Normteilen oder existierenden Zeichnungsteilen<br />
lösen lässt.“<br />
Insgesamt, so Wittum, sei FALCON bei über 90 %<br />
der Kanban-Kunden von Ferdinand Gross im Einsatz.<br />
Die komplett überarbeitete Version, die im Sommer<br />
2023 gelauncht wird, soll diese Erfolgsgeschichte<br />
fortsetzen und dabei noch weitere Anwendergruppen<br />
von der E-Kanban-Lösung überzeugen.<br />
Jetzt noch mobiler einsetzbar<br />
Neues Design, bessere Performance und Benutzerführung,<br />
erweiterte Suchfilter und Auswertungen sowie<br />
Exportmöglichkeiten in Excel – die Liste an neuen<br />
Funktionen und Vorteilen ist lang. Was allerdings<br />
besonders hervorsticht, ist die komplett neu aufgesetzte<br />
mobile App. Sie ist für iOS und Android verfügbar<br />
und bietet jetzt nahezu alle Features der Desktop-<br />
Version. Egal ob die Suche nach Artikeln und Behältern,<br />
Downloads von Werkszeugnissen und Zeichnungen<br />
oder Anzeigen von Produktbildern und Liefer -<br />
kalendern – mit der App wandern alle Funktionen<br />
in die Hosentasche und werden so noch leichter abrufbar.<br />
Das ist nicht nur für bestehende Nutzer interessant,<br />
sondern auch für Anwender, die bisher eher<br />
wenig auf FALCON zugreifen konnten, wie beispielsweise<br />
die Mitarbeiter in der Produktion. Mit der App<br />
können sie mit einem Handgriff einen schnellen<br />
Überblick über die installierten Kanbanregale gewinnen.<br />
Insbesondere Ortsfremde wie beispielsweise<br />
Zeitarbeiter oder neue Mitarbeiter können sich so<br />
schneller in den Regalen zurechtfinden und wertvolle<br />
Zeit einsparen. Ein weiterer Vorteil besteht darin,<br />
dass die üblichen kleinen Umstrukturierungen und<br />
Neusortierungen der Artikel durch die Monteure<br />
(wenn beispielsweise oft genutzte Artikel in anwenderfreundlicher<br />
Höhe im Regal platziert werden) sehr<br />
einfach im Programm hinterlegt werden können und<br />
die Veränderungen somit sofort für alle einsehbar<br />
und nachvollziehbar sind.<br />
Die neue Generation des FALCON-Tools steht also<br />
bereit, um das C-Teile-Management der Zukunft noch<br />
digitaler und effizienter zu gestalten. Kein Wunder,<br />
dass sich Kunden wie Norbert Rohr, Kanban-Verantwortlicher<br />
bei der Firma UNSINN, bereits auf das<br />
Update freuen: „FALCON ist bei uns täglich im<br />
Einsatz. Mit der neuen mobilen App wird das Tool<br />
noch umfassender von Mitarbeitern aus unterschiedlichsten<br />
Abteilungen und von überall aus eingesetzt<br />
werden.“<br />
KONTAKT<br />
Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />
Daimlerstraße 8<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen<br />
Telefon: +49 (0)711 1604–0<br />
E-Mail: info@schrauben-gross.de<br />
www.schrauben-gross.de<br />
Für innovative<br />
Produkte und Services<br />
wie FALCON ist<br />
Ferdinand Gross<br />
bereits 8x als Top 100<br />
Innovator ausgezeichnet<br />
worden<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 37
» C-TEILE-MANAGEMENT<br />
Aufbau eines indirekten Einkaufs<br />
„Digitale Transformation:<br />
Next Level im Indirect Procurement“<br />
Innerhalb nur eines Jahres schaffte es Christian Karnau, Head of Indirect<br />
Procurement bei der Sport-E-Commerce- und Technologie-Plattform Signa<br />
Sports United, einen indirekten Einkauf aufzubauen. Unterstützung kam<br />
von verschiedenen Seiten.<br />
Bild: SSU<br />
Vom Verwalter zum „entdeckenden<br />
Entwickler“: So wertet Christian<br />
Karnau, 40, den Wechsel zur Internetstores<br />
GmbH, bzw. Signa Sports United (SSU)<br />
im Oktober 2022: Nach insgesamt 15<br />
Jahren bei Hugo Boss, wo er zuletzt erfolgreich<br />
die Abteilung Buying & Planning<br />
verantwortete – im wesentlichen „also<br />
die Verwaltung der überwiegend zyklischen<br />
Bestelldisposition“ – ging es nun in<br />
seiner neuen Position als Head of Indirect<br />
Procurement darum, „für alle SSU-Tochtergesellschaften<br />
den indirekten Einkauf<br />
aufzubauen, zu digitalisieren, Synergieeffekte<br />
zu generieren und dadurch das Unternehmen<br />
agiler und profitabler zu machen.<br />
Das ist schon sehr anspruchsvoll<br />
und reizvoll.“<br />
Die an der New Yorker Börse NYSE notierte<br />
Signa Sports United wickelt ihr Business<br />
mit über 1000 Sportmarken über<br />
rund 100 eigene Online-Shops und etwa<br />
500 unabhängige Ladengeschäfte ab. Die<br />
Christian Karnau, ist bei<br />
Signa Sports United<br />
(SSU) als Head of<br />
Indirect Procurement<br />
für den Aufbau eines<br />
professionellen<br />
indirekten Einkaufs<br />
zuständig .<br />
Aufgabenstellung für „den next Level im<br />
Indirect Procurement“ (Karnau) war denn<br />
auch herausfordernd. Es galt, die bis dahin<br />
absolut diverse <strong>Beschaffung</strong>ssituation<br />
• für 3 unterschiedliche Gesellschaften<br />
an 3 verschiedenen Standorten,<br />
• mit 3 unterschiedlichen ERP Systemen,<br />
• mit 3 unterschiedlichen oder nicht<br />
existenten OCR-Systemen,<br />
• mit größtenteils unterschiedlichen Lieferanten,<br />
• unterschiedlichen Bedarfen, und<br />
• ohne Ausschreibungsmanagement<br />
zu harmonisieren und zu standardisieren.<br />
Dazu sollte noch ein Expenses Management<br />
aufgebaut werden.<br />
Zielsetzung dieser angestrebten digitalisierten<br />
homogenen <strong>Beschaffung</strong>slösung,<br />
die bis September 2023 komplett implementiert<br />
werden sollte: „Durch Steigerung<br />
der Transparenz im Spend Management<br />
zu wirksamen Einsparungen zu<br />
kommen und auf Veränderungen im Geschäftsumfeld<br />
reagieren zu können.“<br />
Herzstück der Lösung ist die Software von<br />
Coupa, die nach einer Ausschreibung unter<br />
allen maßgeblichen Software-Dienstleistern,<br />
die nach einer Bewertungsmatrix<br />
den besten Mix aus Kosten, Qualität der<br />
Lösung, sowie Service und Usability bot.<br />
Karnau: „Ein besonderer Vorteil war, dass<br />
kein zusätzlicher Programmieraufwand<br />
nötig war – die Module waren sofort<br />
nutzbar und individuell konfigurierbar.“<br />
Um den „Paradigmenwechsel in dem sehr<br />
sportlichen Zeitrahmen“ zu schaffen, wie<br />
der Head of Indirect Procurement die<br />
Transformation beschreibt, ging es nach<br />
der Entscheidung für die Coupa-Software<br />
darum, einen Transformations- und Implementierungspartner<br />
zu finden. Ergebnis<br />
der neuerlichen Ausschreibung unter<br />
den von Coupa zertifizierten Unternehmensberatungen:<br />
Die Entscheidung fiel<br />
für die Hackett Group mit Dr. Amaury-<br />
Alexandre Schaller als Projektverantwortlichem,<br />
wieder aufgrund einer Bewertungsmatrix,<br />
die Kosten (Tagessätze),<br />
Qualifikation sowie die Machbarkeit des<br />
Implementierungskonzepts korrelierte.<br />
Zuckerl sorgt für Akzeptanz<br />
Das schnell gebildete agile Core-Team<br />
umfasst auf Seiten der SSU neben Christian<br />
Karnau auch zwei Mitarbeiter aus dem<br />
Finance Bereich (Co-Lead), bei Hackett<br />
neben Amaury Schaller zwei Kollegen, bei<br />
Coupa einen Mitarbeiter. Dazu werden<br />
immer wieder Experten oder Projektteams<br />
aus den Fachbereichen geholt, bei den<br />
Expenses drei Personen, bis zu 10 beim<br />
Modul Accounting. Zur Schilderung dieses<br />
Kern-Teams und der jeweiligen Auf-<br />
38 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Signa Sports United: Digitale Einkaufsorganisation mit Zukunft. Herzstück der Einkaufslösung beim<br />
Sportartikelhändler SSU ist die Software von Coupa.<br />
gaben greift Christian Karnau zu einer<br />
Fußballmetapher: „Die Spielstrategie kam<br />
von uns als SSU inhouse, die Taktik lieferte<br />
Hackett, das Spielgerät, also der Ball,<br />
kam von Coupa.“<br />
Die Gesamtlösung wurde in vier Module<br />
zerlegt:<br />
• Sourcing (Ausschreibung, Auswahl der<br />
Lieferanten)<br />
• Procurement (operativer Einkauf)<br />
• Invoice-Modul (alle Rechnungsprozesse)<br />
• Expensemodul (Reise- und Gestehungskosten).<br />
Als erstes Modul wurde das Expense-<br />
Modul konfiguriert und implementiert.<br />
„Das war der Schlüssel zum Erfolg“, erinnert<br />
sich Karnau. Die simple, schnelle Lösung<br />
mit automatischer Kalkulation sorgt<br />
dafür, dass die Auszahlung der Spesen<br />
schnell auf die Mitarbeiterkonten erfolgt.<br />
Dieses „Zuckerl“ mit sehr hoher Akzeptanz<br />
unter den Mitarbeitenden trägt dazu bei,<br />
dass auch das Procurement-Modul bereitwillig<br />
genutzt wird, mit dem die Mitarbeitenden<br />
befähigt werden, selbst in einem<br />
Guided-Buying-Ansatz einzukaufen: Eine<br />
Assistenzfunktion ermöglicht den Anwendern<br />
einen effizienten und komfortablen<br />
Einkauf. Sie müssen dazu keine Anleitungen<br />
lesen und befolgen, sondern halten<br />
automatisch die im Unternehmen gültigen<br />
<strong>Beschaffung</strong>srichtlinien ein.<br />
Gemäß seinem Anspruch, alle Warengruppen<br />
im digitalen indirekten Procurement<br />
abzudecken, listet Christian Karnau<br />
auf, was die rund 1000 NutzerInnen in<br />
den drei SSU-Gesellschaften über das<br />
System einkaufen und beschaffen können.<br />
Bis Ende September 2023, also nach<br />
weniger als einem Jahr seit seinem Eintritt<br />
bei SSU, kann das System mit den relevanten<br />
Modulen Sourcing, Procurement,<br />
Invoice und Expenses implementiert<br />
sein: Der gesamte Bereich Facility-<br />
Management mit Gebäudemanagement<br />
und Reinigungsdiensten, die gesamte Logistik<br />
(Beispiel: Intralogistik, Verpackungen),<br />
den kompletten Print (Flyer, Preislabels,<br />
Visitenkarten), alle Elemente im IT-<br />
Bereich (Hard- Software, Peripherie), Professional<br />
Services (wie Beraterleistungen<br />
und Personaldienstleistungen), Marketingelemente,<br />
das gesamte Büromaterial,<br />
bis schließlich hin zu Food and Beverages.<br />
Dass der Zeitplan der anspruchsvollen digitalen<br />
Transformationsstufen eingehalten<br />
wurde, abgesehen von einigen üblichen<br />
Projektverzögerungen, etwa die unterschiedlichen<br />
ERP-Systeme der SSU-<br />
Gesellschaften, die dann durch neue<br />
Schnittstellen harmonisiert werden mussten,<br />
ist „vor allem der optimalen Kommunikation<br />
zwischen uns und Hackett zu<br />
verdanken“, lobt Christian Karnau die Zusammenarbeit.<br />
„Amaury Schaller hat unsere<br />
vorgegebene Strategie optimal taktisch<br />
und praxisbezogen umgesetzt. Gemeinsam<br />
ist es uns gelungen, einen guten<br />
Mix aus Theorie und Praxis zu schaffen.“<br />
Wie geht es weiter?<br />
„Die Einkaufsstrategie und auch das System<br />
sind leicht skalierbar – weitere Tochtergesellschaften<br />
lassen sich demnach<br />
ebenfalls anbinden“, so schildert Karnau<br />
weitere mögliche Entwicklungen, die er<br />
bereits heute in einer 5-Jahresstrategie<br />
gedanklich fortschreibt.<br />
Derzeit arbeiten die Kolleginnen und Kollegen<br />
im Bereich Finance von SSU bereits<br />
an der Budgetierung für das kommende<br />
Geschäftsjahr, da sind solche möglichen<br />
Skalierungen schon berücksichtigt und in<br />
den strategischen Überlegungen. (sas)<br />
Bild: Coupa/SSU<br />
PERFEKTION NACH WUNSCH UND MASS:<br />
GUMMIFORMTEILE GUMMITEILEPROGRAMM<br />
GUMMI-METALLVERBINDUNGEN<br />
MEHR ERFAHREN<br />
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Flexible Technologie<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 39
» FERTIGUNG<br />
Datenbasierte Investitions- und Finanzierungsmodelle<br />
Pay-per-X als Finanzierungs -<br />
alternative<br />
„Pay-per-X“ minimiert <strong>Beschaffung</strong>srisiken, indem es fällige Zahlungen für<br />
Maschinen, Anlagen und Services an die tatsächliche Nutzung der Investitionsgüter<br />
knüpft. Ein Erfolgsmodell für unsichere Investitionszeiten und volatile Märkte.<br />
Zählen und zahlen: Pay-per-X rechnet sich in volatilen Märkten.<br />
Die Idee klingt bestechend: Eine<br />
Maschine oder Anlage der <strong>aktuell</strong>en<br />
Technologie-Generation nutzen, die abhängig<br />
von ihrer Auslastung bezahlt wird<br />
und gegebenenfalls bei leeren Auftragsbüchern<br />
auch zurückgegeben werden<br />
kann. Im Gegensatz zu klassischen zeitbasierenden<br />
Finanzierungs- und Leasing-<br />
Modellen löst bei Pay-per-X-Vereinbarungen<br />
allein die Nutzung des Investitionsgutes<br />
eine Zahlungsverpflichtung aus.<br />
Mit anderen Worten: Nur wenn das<br />
Unternehmen verdient, muss es auch<br />
zahlen. Prinzipiell sind bei diesem Investitionsmodell<br />
mehrere Partner beteiligt:<br />
Hersteller und Käufer, der Finanzierer und<br />
Bild: Drazen/Fotolia<br />
oft auch ein Systemintegrator – wobei<br />
manche Marktteilnehmer mehrere Funktionen<br />
aus einer Hand anbieten.<br />
Das „X“ in Pay-per-X<br />
Print macht Druck<br />
Abhängig von Anwendung und Branche<br />
können die Vertragspartner individuelle<br />
Rahmenbedingungen festlegen. Dabei<br />
kann das „X“ für Stückzahlen, produzierte<br />
Chargen oder beispielsweise auch für<br />
Zeitzyklen stehen – zusammengefasst<br />
unter dem Sammelbegriff „Pay-per-Use“.<br />
Voraussetzung für eine präzise Abrechnung<br />
ist die Realtime-Anbindung über ein<br />
Machine-to-Machine-Gateway (M2M),<br />
um alle erforderlichen Nutzungs-Parameter<br />
abrufen zu können.<br />
Erste nutzungsorientierte Finanzierungsmodelle<br />
kamen aus der Druckerbranche.<br />
Print-Kunden nutzen bereits seit langem<br />
Gesamtlösungen, die per gedruckter<br />
Kopie abgerechnet werden – Maschinen,<br />
IT, Toner und Papier inklusive. Inzwischen<br />
gibt es vergleichbare Geschäftsmodelle<br />
für eine Vielzahl von Branchen: beispielsweise<br />
für den Maschinenbau und die<br />
Medizin technik, für IT-Infrastrukturen<br />
und Energieversorgungs-Konzepte bis hin<br />
zu landwirtschaftlichen Großgeräten.<br />
Allen gemeinsam ist eine datenbasierte<br />
Abrechnung.<br />
Das Geschäftsmodell bewährt sich branchenübergreifend:<br />
Als erste Großbank präsentierte<br />
die Commerzbank bereits Ende<br />
2018 mit „CR Pay per Use“ ein komplett<br />
digitales Leasingprodukt. Das Angebot gilt<br />
seither herstellerübergreifend. Die einzige<br />
Voraussetzung: Der Maschinenwertverlauf<br />
und damit der <strong>aktuell</strong>e Zeitwert muss eine<br />
klare Korrelation zu den Betriebsstunden<br />
aufweisen.<br />
Für zyklische Branchen<br />
und volatile Märkte<br />
Die Aufteilung des Investitionsrisikos auf<br />
die Schultern von Herstellern, Kunden<br />
und Finanzierungspartnern erleichtert<br />
Anlage-Entscheidungen in unsicheren<br />
Märkten. Darüber hinaus bietet Pay-per-<br />
Use weitere Vorteile: Der Kunde vermeidet<br />
eine langfristige Kapitalbindung und<br />
arbeitet mit der neuesten Gerätegeneration.<br />
Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Unternehmen und erlaubt ihnen, mit<br />
den neuesten Innovationen Schritt zu<br />
40 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
halten. Sie können darüber hinaus je nach<br />
Auftragslage ihre Produktionskapazitäten<br />
anpassen und erhalten so einen schnelleren<br />
Marktzugang.<br />
Pay-per-Use-Modelle haben sich in der<br />
Industrie unter anderem im Bereich von<br />
Stanzmaschinen, CNC-Fräsmaschinen,<br />
Laserschneidmaschinen, Druckmaschinen<br />
und Pressen etabliert. In die Kalkulation<br />
dieser Geschäftsmodelle fließen nicht nur<br />
Stückzahlen, sondern darüber hinaus weitere<br />
Parameter ein. Dazu zählen üblicherweise<br />
eine vertraglich vereinbarte<br />
Mindest nutzungsdauer, die Prognose der<br />
Nutzungsintensität, die Bonität des Kunden<br />
sowie der Marktwert der Maschine.<br />
Oftmals sind auch Wartung und Reparaturen<br />
in den Pay-per-Use-Geschäfts -<br />
modellen enthalten. Damit trägt der Anbieter<br />
die Verantwortung für die Instandhaltung<br />
– der Käufer kann sich auf sein<br />
Kerngeschäft konzentrieren, ohne sich um<br />
den Maschinenpark kümmern zu müssen.<br />
Und nicht zuletzt: Auf Basis der X-<br />
genauen Abrechnung können zukünftige<br />
Kalkulationen und Angebote auf Basis<br />
tatsächlicher Aufwendungen erfolgen,<br />
welche unverfälscht in die Stückkostenrechnung<br />
einfließen. Aber auch die Anbieter<br />
profitieren: Sie können niedrigschwellig<br />
Hochtechnologie verkaufen,<br />
dadurch berechenbare Einkünfte erzielen<br />
und sich teilweise von Konjunkturzyklen<br />
abkoppeln.<br />
Von CNC bis Cloud-<br />
Computing<br />
Inzwischen bieten alle namhaften Maschinenbauer<br />
und Dienstleister Pay-per-<br />
Use an. „Equipment-as-a-Service“ nennt<br />
beispielsweise Trumpf das entsprechende<br />
Angebot und verweist auf Unterstützung<br />
beim Kalkulieren, Programmieren und Bedienen<br />
der Fertigungsanlage. Der Hersteller<br />
von spanenden Werkzeugmaschinen<br />
Voraussetzung für nutzungsbasierte Abrechnung ist ein M2M-Gateway.<br />
DMG Mori bietet im Rahmen von „PAY<br />
with Zero Risk“ sogenannte Abo-Modelle<br />
für Dreh- und Fräsmaschinen inklusive<br />
cloudbasierter Planungsunterstützung an.<br />
Laut Anbieter können im Rahmen einer<br />
monatlichen Grundgebühr Planungsaufwände<br />
um bis zu 80 % reduziert werden.<br />
Geringe Auslastung =<br />
niedrige Tilgung<br />
Technologisch sieht der Ablauf zum Beispiel<br />
beim CNC-Werkzeugmaschinen-<br />
Anbieter Heller folgendermaßen aus: Die<br />
Nutzlaufzeit wird in der Maschinensteuerung<br />
erfasst und über Sinumerik Edge zu<br />
Mindsphere übertragen, einem cloudbasierten,<br />
offenen IoT-Betriebssystem von<br />
Siemens. Hier werden die Daten ausgewertet<br />
und Heller-intern über SAP abgerechnet.<br />
Die Zahlung erfolgt digital via<br />
SEPA-Lastschrifteinzug. Sollte der Kunde<br />
die Maschine nicht wirtschaftlich auslasten<br />
können, nimmt Heller sie wieder zurück<br />
– ein kalkulierbares Risiko, da Heller-<br />
Maschinen dank ihrer Qualität und der<br />
Langlebigkeit auf dem Gebrauchtmarkt<br />
gefragt sind. Im Idealfall können PpX-Anbieter<br />
dieselbe Maschine für mehrere<br />
Kunden hintereinander einsetzen und so<br />
mehr verdienen als mit einem einmaligen<br />
Maschinenverkauf.<br />
Pay as you want<br />
Im Druckluftbereich bietet Mader eine<br />
herstellerunabhängige Lösung ohne mo-<br />
natlichen Mindestbetrag: Der Pneumatikspezialist<br />
erfasst den Druckluftverbrauch<br />
und berechnet daraus die verursachten<br />
Gesamtkosten. Auf Basis einer automatisierten<br />
Analyse leitet Mader daraus<br />
Handlungsempfehlungen für die energetische<br />
Optimierung des Druckluftsystems<br />
sowie für Predictive Maintenance ab.<br />
Konkrete Benchmark-Zahlen ermöglichen<br />
einen direkten Vergleich der Verbrauchswerte<br />
mit vergleichbaren Anwendern.<br />
Viel Licht, wenig Schatten<br />
Pay-per-X bietet zahlreiche Vorteile.<br />
Aller dings sollten sich potenzielle Nutzer<br />
ein ganzheitliches Bild machen und alle<br />
Vor- und Nachteile abwägen. So kosteneffizient<br />
die Geschäftsmodelle auch<br />
arbeiten – bei einer Vollauslastung von<br />
Maschinen und Anlagen können die abgerechneten<br />
Nutzungskosten klassische<br />
Investitionskosten übersteigen.<br />
Darüber hinaus ist die Bindung an einen<br />
Pay-per-X-Anbieter naturgemäß enger<br />
als an einen konventionellen Maschinenlieferanten.<br />
So müssen beispielsweise<br />
<strong>aktuell</strong>e Produktionsdaten ausgetauscht<br />
und Kalkulationszahlen abgeglichen werden<br />
– Lieferanten haben damit zumindest<br />
teilweisen Zugriff auf die Daten aus dem<br />
eigenen ERP. Was nicht jedem Marktteilnehmer<br />
gefällt.<br />
Michael Grupp, freier Journalist,<br />
Stuttgart<br />
Bild: Kzenon/Fotolia<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 41
» FERTIGUNG<br />
Dr. Christian Hoffart, Gründer und CEO von Sparepartsnow<br />
Disruption im Ersatzteilgeschäft<br />
Die Plattform Sparepartsnow bietet originale Ersatzteile für den Maschinenbau und<br />
möchte mit dem Ansatz Hersteller und Endkunde zusammenzubringen das Ersatz -<br />
teilgeschäft umkrempeln. Wie das gelingt, wie sich das Start-up aufstellt und warum<br />
Kunden wie auch Lieferanten von dem Konzept profitieren, erläutert CEO und<br />
Gründer, Dr. Christian Hoffart, im Interview.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Dr. Hoffart, was ist<br />
Sparepartsnow und wer steckt dahinter?<br />
Dr. Christian Hoffart: Sparepartsnow ist eine<br />
universelle Plattform für den Kauf industrieller Ersatzteile.<br />
Unsere Stärke liegt aber nicht nur im Angebot<br />
der Ersatzteile selbst, sondern auch in den begleitenden<br />
Services. Ein Beispiel hierfür ist die Möglichkeit,<br />
mit dem Smartphone ein Foto hochzuladen und so<br />
mithilfe künstlicher Intelligenz das gewünschte Ersatzteil<br />
auf unserer Plattform zu finden, sofern es<br />
verfügbar ist. Unser Ziel ist es aber, Ersatzteile nicht<br />
nur unkompliziert, sondern auch zu einem günstigeren<br />
Preis anzubieten als beim Händler oder Maschinen -<br />
hersteller. Als Gründer stehe ich zusammen mit einigen<br />
Mitgründern hinter dem Unternehmen. Darüber<br />
hinaus haben wir eine erfolgreiche Finanzierungsrunde<br />
durchgeführt und einige Investoren gewonnen,<br />
die uns mit ausreichend Kapital unterstützt haben.<br />
Wie ist die Idee zu Sparepartsnow entstanden?<br />
Nach meinem Studium habe ich promoviert und war<br />
in dieser Zeit als Berater hauptsächlich im Aftersales-Umfeld<br />
tätig. Meine Promotion befasste sich<br />
mit „Community Management“. Unter anderem mit<br />
der Fragestellung, wie man beispielsweise eine<br />
„Community of Interest“ im Maschinenbau steuert,<br />
damit sie erfolgreich ist. Anschließend habe ich bei<br />
DMG Mori gearbeitet – zunächst als Vorstandsassistent.<br />
Nach anderthalb Jahren wurde ich zum Geschäftsführer<br />
für das Aftersales Business, primär das<br />
Dr. Christian Hoffart<br />
ist Gründer und CEO<br />
der Ersatzteilplattform<br />
Sparepartsnow.<br />
Bild: Sparepartsnow<br />
42 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Ersatzteilgeschäft, bestellt. In meiner achtjährigen<br />
Tätigkeit in dieser Position war ich in engem Kontakt<br />
mit Kunden und Lieferanten. Dadurch habe ich die<br />
Probleme aus Kundensicht verstanden: hohe Preise,<br />
lange Warte- oder Lieferzeiten und Intransparenz.<br />
Besonders die langwierigen Bestellprozesse wurden<br />
häufig beklagt. Auf der anderen Seite kämpfen die<br />
Lieferanten oft mit geringen Margen. Denn wir sprechen<br />
nicht nur über große Konzerne wie Bosch oder<br />
Siemens, sondern primär über den kleinen Mittelstand<br />
mit 10 bis 120 Mitarbeitern, der einen Großteil<br />
des Geschäfts in Deutschland und Europa ausmacht.<br />
Diese Probleme auf beiden Seiten spricht Sparepartsnow<br />
an: Wir bringen Kunden und Lieferanten zusammen,<br />
indem wir als neutrale Plattform agieren. Die<br />
Disruption durch die Plattformökonomie im B2C-Bereich,<br />
sehen wir als Vorbild und haben dies in unserer<br />
Industrie entsprechend umgesetzt.<br />
Übernimmt Sparepartsnow die Vermittlerrolle oder<br />
treten Sie als Zwischenhändler auf?<br />
Wir agieren in zwei operativen Abwicklungsmodellen.<br />
Einerseits fungieren wir als reiner Vermittler und<br />
bringen Kunden und Lieferanten zusammen. Andererseits<br />
bieten wir auch ein Reseller-Modell an. Welches<br />
Modell zum Einsatz kommt, entscheidet der<br />
Lieferant. Größere Unternehmen bevorzugen oft das<br />
Reseller-Modell, das ihre interne Prozessabwicklung<br />
vereinfacht und sie nicht jeden Kunden separat anlegen<br />
müssen. Unabhängig von der gewählten Option<br />
bemerkt der Kunde keinen Unterschied im Ablauf.<br />
Wovon er dann hoffentlich etwas merkt, ist der<br />
Preisunterschied. Kann man diesen beziffern?<br />
Die Preisunterschiede können erheblich sein. Um das<br />
zu verdeutlichen, möchte ich ein Beispiel nennen: Ein<br />
Kunde rief heute Morgen bei unserer Hotline an und<br />
fragte nach einer speziellen Siemens-Steuerung, die<br />
abgekündigt und kaum noch verfügbar ist. Innerhalb<br />
von zehn Minuten konnten wir ihm eine Lösung zum<br />
Preis von 2900 Euro anbieten. Sein Referenzangebot<br />
lag bei rund 5000 Euro, was einem Preisvorteil von<br />
über 40 Prozent entspricht. Allgemein liegt das Einsparpotenzial,<br />
basierend auf unseren Recherchen,<br />
zwischen 20 und 50 Prozent, abhängig von den verschiedenen<br />
Produktsegmenten. Ich möchte aber<br />
auch nicht verschweigen, dass wir neulich eine Pumpe<br />
hatten, bei der kein großer Preisvorteil erzielt<br />
wurde. Dies liegt daran, dass die Hersteller bei uns<br />
ihre Preise selbst festlegen können. Wir greifen in<br />
diese Preisgestaltung nicht ein. Fakt ist: Für die Kunden<br />
ist es in den meisten Fällen erheblich günstiger.<br />
Wie viele verschiedene Produkte bieten Sie an?<br />
Wir sind im Oktober letzten Jahres mit 5000 Artikeln<br />
gestartet. Wenn Onboardings wie geplant laufen,<br />
werden wir zum Ende dieses Jahres bis zu einer halben<br />
Million Artikel auf unserer Plattform verfügbar<br />
haben. Das gibt uns Schwung und macht uns außerordentlich<br />
stolz. Im nächsten Jahr werden wir dann<br />
voraussichtlich die Millionenmarke anpeilen.<br />
Welche Produktgruppen bieten Sie an und wird<br />
sich das Angebot im Herbst verändern?<br />
Derzeit bieten wir eine Vielzahl von Produkten an.<br />
Beispiele hierfür sind Spindeln, Linearführungen,<br />
Kugel gewindetriebe und Betriebsmittel wie Schmierstoffe.<br />
Ebenso haben wir Sicherheitskomponenten<br />
für Maschinen, wie zum Beispiel Lampen. Diese<br />
mecha nischen Komponenten, allgemeinen Begleitkomponenten<br />
und Verbrauchsmaterialien stellen<br />
unsere derzeitigen Kernbereiche dar. Mit der Erweiterung<br />
im dritten und vierten Quartal werden wir<br />
unser Produktportfolio nicht nur bzgl. der Anzahl,<br />
sondern auch hinsichtlich der Tiefe deutlich vergrößern.<br />
Wir planen die Integration von Elektronik,<br />
Auto matisierung, Pumpen und Lagertechnik. Zusätzlich<br />
sind wir im Bereich Hydraulik aktiv und werden<br />
Smarter Teamkollege<br />
Bremsen für FTS / AGV<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 43
» FERTIGUNG<br />
folgt voraussichtlich im Oktober, passend zum erwarteten<br />
Artikelwachstum.<br />
Welche Artikelinformationen werden auf der<br />
Plattform bereitgestellt?<br />
Wir bieten eine starke Transparenz hinsichtlich technischer<br />
Grundparameter. Zusätzlich zu einer Produktbeschreibung,<br />
dem Zustand und der Artikelnummer<br />
stellen viele Lieferanten auch technische Zeichnungen<br />
zur Verfügung. Dadurch erhalten Techniker oder<br />
technisch versierte Einkäufer eine sehr hohe Informationsgüte.<br />
Alle Produktinformationen auf unserer<br />
Website stehen frei zugänglich zur Verfügung.<br />
Bild: Sparepartsnow<br />
Das junge<br />
Unternehmen<br />
Sparepartsnow legt<br />
viel Wert auf eine<br />
hohe Informationsgüte<br />
über die Produkte.<br />
uns dort weiter verstärken. Außerdem haben wir das<br />
Ziel, in der Robotik einiges zu machen. Darüber<br />
hinaus planen wir die Aufnahme weiterer Lieferanten<br />
in den bestehenden Segmenten.<br />
Wie läuft der Bestellprozess aus Kundensicht ab?<br />
Der Bestellprozess ist sehr intuitiv. In etwa 70 Prozent<br />
der Fälle kennt er die Artikelnummer des benötigten<br />
Teils und gibt diese in das Suchfeld ein. Bei<br />
mittelständischen Unternehmen kann es auch der<br />
Maschinenbediener oder der Meister sein, der für die<br />
Bestellung verantwortlich ist. Sobald die Artikelnummer<br />
eingegeben wurde, wird der gesuchte Artikel angezeigt.<br />
Bei rund 25 Prozent der Bestellungen geben<br />
die Nutzer den Herstellernamen zusammen mit einem<br />
beschreibenden Begriff ein. In weniger Fällen,<br />
die jedoch zunehmen, machen die Nutzer ein Foto<br />
des Ersatzteils und laden dieses in der Bilderkennung<br />
hoch. Nachdem der Artikel gefunden wurde, kann er<br />
in den Warenkorb gelegt werden.<br />
Ist Sparepartsnow ausschließlich über den Browser<br />
zu erreichen oder lässt sich die Plattform über<br />
Schnittstellen an interne Systeme anbinden?<br />
Ja, das ist in Planung. Große Unternehmen haben<br />
den Wunsch geäußert, die Plattform an ihre ERP-<br />
Systeme anzubinden. Allerdings haben auch einige<br />
große Unternehmen ohne direkte Anbindung über<br />
die Plattform bestellt, entweder wegen Dringlichkeit<br />
oder attraktiven Preisen. Wir arbeiten derzeit an der<br />
Integration von EDIs sowohl auf Kunden- als auch<br />
auf Lieferantenseite. Die Fertigstellung dieser EDIs<br />
Wie läuft der Versand der Teile ab?<br />
Wir bieten einen umfassenden Logistikservice für unsere<br />
Lieferanten an. DHL Express kommt gemäß der<br />
vom Lieferanten festgelegten Abholzeit zum Hof, um<br />
die versandfertigen Waren abzuholen und zum Kunden<br />
zu bringen. Unsere Lieferanten müssen lediglich<br />
die Kommissionierung und Verpackung übernehmen.<br />
Dieser Prozess ist gut eingespielt und wird vor der<br />
Live-Schaltung getestet, um eine reibungslose Abwicklung<br />
zu gewährleisten. Einige Lieferanten haben<br />
jedoch solch komplexe logistische Prozesse, weshalb<br />
wir zeitnah ein Feature einführen werden. Das ermöglicht<br />
ihnen, den Versandpartner selbst zu bestimmen.<br />
Dennoch sind die meisten unserer Lieferanten<br />
mit unserem Service absolut zufrieden, da wir<br />
günstige Versandkosten anbieten. Meiner Erfahrung<br />
nach, sind unsere Versandkosten rund 50 Prozent<br />
günstiger bei OEMs. Das bringt den Kunden in den<br />
meisten Fällen einen zusätzlichen Preisvorteil.<br />
Wie sehen die nächsten Schritte aus?<br />
Unser voller Fokus liegt jetzt auf der wachsenden<br />
Produktvielfalt bis Ende Q3 oder Anfang Q4. Außerdem<br />
werden die Internationalisierung starten und<br />
wollen noch in diesem Jahr in den ersten europäischen<br />
Ländern Fuß fassen. Dieser Prozess setzt sich<br />
vor allem im nächsten Jahr fort. In 2024/2025<br />
werden wir uns voraussichtlich auf die Expansion in<br />
Großbritannien und den USA konzentrieren. Ein<br />
weiterer Schwerpunkt liegt auf der Implementierung<br />
intelligenter Funktionen, die unseren Kunden einen<br />
echten Mehrwert bieten. Unser Geschäftsmodell<br />
wird erweitert, um den Kunden und auch unseren<br />
Lieferanten weitere Vorteile zu bieten. Genauere<br />
Details dazu möchte ich noch nicht preisgeben, aber<br />
es wird auch um technologische Features gehen.<br />
Das Interview führte Yannick Schwab,<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />
44 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
SPECIAL<br />
» Online-Fertigung<br />
Die Anforderungen an den Einkauf in der Industrie sind<br />
komplex. Digitale Plattformen, wie z. B. Online-Fertiger,<br />
ermöglichen es, Einkaufsprozesse flexibel, zuverlässig und<br />
unabhängig von einzelnen Anbietern zu gestalten.<br />
Bild: Gorodenkoff/Shutterstock<br />
Wie Plattformen die<br />
Produktion verändern<br />
» Seite 46<br />
Online-Fertigung:<br />
Die Zukunft der<br />
<strong>Beschaffung</strong>?<br />
» Seite 49<br />
Neue Wege bei der<br />
<strong>Beschaffung</strong> von<br />
Tiefziehteilen<br />
» Seite 50<br />
Der Online-Fertiger Facturee bietet eine Plattform für die <strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen,<br />
die den Einkauf entlastet und dabei Qualität und Preisstabilität gewährleistet.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 45
SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />
Bild: j-mel/stock.adobe.com<br />
Fertigungsplattformen bieten ihren Kunden den Zugriff auf ein umfangreiches Lieferantennetzwerk.<br />
Lohnfertigung im Wandel<br />
Wie Plattformen den Einkauf<br />
von Bauteilen verändern<br />
Digitalisierung, Prozessoptimierung und Kosteneffizienz sind Vorteile, mit denen<br />
sich digitale Fertigungsplattformen von traditionellen <strong>Beschaffung</strong>smethoden<br />
abheben möchten. Wir wollen Ihnen einen Überblick verschaffen und betrachten<br />
dabei insbesondere die Qualitätssicherung und die Kosten.<br />
Steigende Kosten und ein anspruchsvolles Wettbewerbsumfeld<br />
verlangen Industrieunternehmen<br />
einiges ab und machen Einsparungen nötig. Dabei<br />
ist unter anderem zu entscheiden, ob man gewisse<br />
Komponenten selbst fertigt oder einkauft. Neben<br />
einer grundsätzlichen Make-or-Buy-Entscheidung<br />
stellt sich die Frage nach dem passenden Lieferanten.<br />
Allerdings kann es sich aufwendig gestalten, einen<br />
Preis für Fertigungsbauteile zu bekommen.<br />
In den letzten Jahren sind deshalb <strong>Beschaffung</strong>splattformen<br />
für individuelle Fertigungsteile verstärkt<br />
in den Fokus gerückt. Ausgerüstet mit Kalkulationsalgorithmen<br />
und einem Netz von Fertigungspartnern<br />
wollen Plattformbetreiber wie Facturee, CNC24, Protolabs<br />
und Spanflug Preisermittlung und Bestellprozesse<br />
erheblich beschleunigen. Dabei bieten sie Zugriff<br />
auf ein breites Lieferantenportfolio und je nach<br />
Anbieter verschiedene Fertigungstechnologien – von<br />
spanabhebenden Verfahren, der Blechbearbeitung,<br />
über die Kunststoffverarbeitung und den Druckguss<br />
bis hin zur additiven Fertigung. Für jedes Projekt<br />
wird, oftmals KI-gestützt, der geeignete Fertiger im<br />
Hinblick auf Qualität, Preis, Verfügbarkeit und Lieferzeit<br />
ausgewählt. Gleichzeitig fungieren die Betreiber<br />
als zentrale Ansprechpartner und wickeln Zahlung<br />
und Logistik ab. Ein weiterer Vorteil des Netzwerkansatzes<br />
liegt in der Skalierbarkeit: Wer mit der Fertigung<br />
von Prototypen beginnt und ein skalierbares<br />
Geschäft betreibt, möchte sich bei einer steigenden<br />
Nachfrage nicht um die Fertigungskapazitäten seines<br />
Lohnfertigers sorgen müssen.<br />
Qualität sicherstellen<br />
Qualitätsmängel und Reklamationen sollen bei digitalen<br />
Plattformen bereits durch das Onboarding und<br />
die Wahl des idealen Fertigungsbetriebs vermieden<br />
46 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
werden. „Alles startet mit einem strukturierten und<br />
persönlichen Onboarding von neuen Kunden. Schon<br />
hier erfassen wir erste Anforderungen und geforderte<br />
Qualitätsstandards“, erklärt Willi Ruopp, CEO und<br />
Co-Founder von CNC24. Somit können individuelle<br />
Verpackungsrichtlinien umgesetzt, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />
abgestimmt, Produktfreigabedokumente<br />
unterschiedlicher Standards realisiert<br />
oder Zertifizierungsanforderungen sichergestellt<br />
werden. Wie bei den Kunden, findet auch bei neuen<br />
Lieferanten ein ausführliches Onboarding statt. Diese<br />
auditiert CNC24 sowohl per Web-Audit als auch persönlich<br />
vor Ort. Darüber hinaus betreibt CNC24 eigenen<br />
Angaben zufolge als einzige Fertigungsplattform<br />
ein eigenes Messzentrum, in dem alle Bauteile zur<br />
Qualitätssicherung vermessen werden. So möchte<br />
das Unternehmen gewährleisten, dass die Kunden<br />
ihre Bauteile in bestellter Qualität erhalten.<br />
Der Online-Fertiger Facturee wählt für jede Anforderung<br />
KI-gestützt den am besten geeigneten Fertiger<br />
aus und empfiehlt seinen Kunden das passende Fertigungsverfahren.<br />
Durch das breite Leistungsspektrum<br />
(weitere Infos auf S. 49) können auch komplexe Anfragen<br />
mit unterschiedlichen Fertigungstechniken<br />
und Oberflächenbehandlungen bedient werden.<br />
„Durch die Auswahl von hochspezialisierten Betrieben<br />
werden Reklamationen auf ein Minimum reduziert,<br />
da sichergestellt ist, dass die Aufgabenstellung<br />
von dem am besten geeigneten Anbieter erfüllt wird.<br />
Auch die Logistikpartner wählen wir hinsichtlich ihrer<br />
Zuverlässigkeit aus“, betont Benjamin Schwab,<br />
Co-Gründer und CMO bei Facturee. „Für die Qualitätssicherung<br />
setzen wir auf ein ISO 9001-zertifiziertes<br />
datengetriebenes Qualitätsmanagement.“<br />
Es kommt auch auf die Kosten an<br />
Die möglichen Kosteneinsparungen der Kunden lassen<br />
sich bei digitalen Fertigungsplattformen grob in<br />
Bild: Kadmy/stock.adobe.com<br />
drei Bereiche aufgliedern: Reduktion der Transaktions-<br />
bzw. Prozesskosten im Einkauf, Senkung der<br />
Bauteilkosten und eine Reduzierung der Qualitätssicherungsaufwände.<br />
Diese ergeben sich beispielsweise<br />
durch die vereinfachte Interaktion über eine digitale<br />
Schnittstelle, die automatisierte Abwicklung von<br />
Vertrags- oder Zahlungsprozessen, die Standardisierung<br />
von Kommunikation und Vertragsbestandteilen<br />
und einen geringeren Abstimmungsaufwand. Viele<br />
Fertigungsplattformen bündeln darüber hinaus die<br />
Einkaufsvolumen der Aufträge und können so Netzwerkeffekte<br />
nutzen und im Ergebnis attraktivere<br />
Konditionen bieten, z. B. bei CNC24 durch ein Pooling<br />
im Material- und Werkzeugeinkauf oder bessere<br />
Logistikkonditionen. Ruopp: „Darüber hinaus gibt es<br />
eine deutliche Effizienzsteigerung in den Einkaufsabteilungen<br />
unserer Kunden. Diese können Anfragen<br />
unabhängig vom benötigten Fertigungsverfahren<br />
Durch ein breites<br />
Leistungsspektrum<br />
können digitale Plattformen<br />
meist auch<br />
komplexe Anfragen<br />
mit unterschiedlichen<br />
Fertigungstechniken<br />
bedienen.<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 47
SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />
Bild: Pixel_B/stock.adobe.com<br />
Bei sich verändernden<br />
Gegebenheiten im<br />
Markt können<br />
Plattformen flexibler<br />
reagieren als einzelne<br />
Fertigungsbetriebe.<br />
bündeln und so ein deutlich größeres Bauteilvolumen<br />
pro Mitarbeiter beschaffen und interne Transaktionskosten<br />
reduzieren.“<br />
Auch der Co-Gründer von Facturee Schwab sieht Kostenvorteile<br />
bei der Online-Fertigung – insbesondere<br />
bei der eigenen: „Uns ist seit jeher wichtig, den Kunden<br />
zu entlasten und den besten Preis zu bieten. Daher<br />
ist Instant-Pricing für uns keine Option – und das<br />
zahlt sich aus. Gemäß unserer Wettbewerbsanalyse<br />
schaffen wir es in mehr als 80 Prozent der Fälle, Instant-Pricing-Angebote<br />
von Mitbewerbern, die uns<br />
unsere Kunden vorlegen, zu unterbieten“, betont<br />
Schwab. „Aus diesem Grund diskutieren wir gerade die<br />
Einführung einer Art verbindlicher ‚Bestpreisgarantie‘.“<br />
Plattformen unterscheiden sich<br />
Wie vielfältig die Plattform-Landschaft im Bereich<br />
der Fertigung ist, zeigt ein kurzer Blick auf einige Anbieter.<br />
Der Online-Fertiger Facturee verfügt eigenen<br />
Angaben zufolge über ein Produktionsnetzwerk von<br />
rund 2000 Partnern aus den Bereichen CNC- und<br />
Blechbearbeitung, 3D-Druck, Gussverfahren, Oberflächentechnik<br />
sowie Baugruppenmontage. Mit der<br />
Plattform lassen sich Projekte im Prototyping ebenso<br />
wie Klein- und Großserienfertigungen realisieren.<br />
Rund 15.000 Maschinen sollen bereitstehen.<br />
Spanflug Technologies betreibt eine Plattform für<br />
CNC-Dreh- und Frästeile. Ziel ist es, die Fertigung<br />
von individuellen Zeichnungsteilen für Kunden und<br />
Lieferanten so schnell und einfach wie möglich zu<br />
gestalten. „Spanflug Buy“ soll dem Einkauf einen automatisierten<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozess vom Sofortangebot<br />
bis zur Lieferung bieten. Das Start-up CNC24<br />
verzichtet hingegen auf die Erstellung von Sofortangeboten<br />
per Online-Kalkulator. „Bei uns kalkulieren<br />
ausgewählte Lohnfertiger ihre Preise und wir wählen<br />
die beste Kombination aus Preis und Lieferzeit für<br />
unseren Kunden aus. So sind wir in der Lage, auch die<br />
Fertigung von komplexen Bauteilen anzubieten und<br />
können gewährleisten, dass unsere Preise zuverlässig<br />
sind“, beschreibt es Ruopp.<br />
Die weltweit agierende Fertigungsplattform Protolabs<br />
fokussiert sich auf die Technologiefelder Spritzguss,<br />
CNC-Bearbeitung und 3D-Druck. Anwender<br />
sollen innerhalb von einem Tag ein Online-Angebot<br />
mit kostenloser Designanalyse erhalten. Das Netzwerk<br />
umfasst über 250 geprüfte Fertigungspartner<br />
auf der ganzen Welt.<br />
Im Bereich der Kunststoff-Tiefziehteile haben die Geschwister<br />
Lisa-Marie und Moritz Bittner im September<br />
2021 die digitale <strong>Beschaffung</strong>splattform Formary<br />
an den Start gebracht (weitere Infos ab S. 50).<br />
Orderspot verfolgt einen anderen Ansatz als die<br />
meisten Online-Fertiger und möchte dem Kunden<br />
nicht nur das eine passende Angebot anzeigen, sondern<br />
einen Vergleich für Laser- und Biegeteile bieten<br />
auf Basis dessen der Einkauf seine Wahl treffen kann.<br />
Co-Gründer sowie CSO Martin Lenter: „Wir bieten<br />
dem Anwender eine Plattform, wo er die Bauteilzeichnung<br />
hochladen kann und Anbieter mit Preis,<br />
Entfernung und Liefertermin aufgelistet sieht.“<br />
Effizienz und Sicherheit<br />
Auch in Zeiten von KI-Chatbots gilt meist noch der<br />
Grundsatz „Geschäfte werden zwischen Menschen<br />
gemacht“. Wer seit Jahren mit einzelnen Betrieben<br />
arbeitet und die Beziehung weiter pflegen will, weil<br />
etwa patentierte Spezialprozesse genutzt werden,<br />
der ist sicher in der direkten Geschäftsbeziehung<br />
besser aufgehoben. Wer allerdings die strategischen<br />
Vorteile der Plattformökonomie – günstigere Konditionen,<br />
effiziente Prozesse, Standardisierung und hohe<br />
Verfügbarkeit – für sein Geschäft nutzen will, der<br />
wird um eine moderne digitale Lösung kaum mehr<br />
herumkommen. Auch achten die Plattformanbieter<br />
auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen oder<br />
führen sogar selbst eine Qualitätssicherung durch.<br />
„Bei sich verändernden Gegebenheiten im Markt<br />
können wir flexibler und zuverlässiger reagieren als<br />
einzelne Fertigungsbetriebe. Unternehmen, die auf<br />
Online-Fertigung setzen, bleiben stets produktionsfähig,<br />
da die sichere und flexible <strong>Beschaffung</strong> gewährleistet<br />
ist. Damit bewahren Unternehmen ihre<br />
Handlungsfähigkeit. Die Risiken von Lieferausfällen<br />
und -verzögerungen werden durch den Netzwerkansatz<br />
minimiert“, betont Schwab abschließend.<br />
Yannick Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
48 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Digitale Plattform für Zeichnungsteile<br />
Die Zukunft der <strong>Beschaffung</strong>?<br />
Die Anforderungen an den Einkauf in der Industrie sind vielfältig und komplex .<br />
Lieferausfälle und -verzögerungen häufen sich vielerorts. Zudem wächst auf Grund<br />
von Inflation und steigenden Kosten die Preissensibilität. Es gilt, auch die <strong>Beschaffung</strong><br />
von Zeichnungsteilen gegenüber der klassischen Lohnfertigung zu modernisieren .<br />
Hier setzt der Online-Fertiger Facturee mit seinem <strong>Beschaffung</strong>smodell an.<br />
Laut Facturee ist die Online-Fertigung<br />
der klassischen Lohnfertigung in einigen<br />
Punkten weit überlegen. So werden<br />
beispielsweise Risiken von Lieferausfällen<br />
und -verzögerungen durch den Netzwerkansatz<br />
verringert. Der Online-Fertiger<br />
beispielsweise verfügt eigenen Angaben<br />
zufolge über ein Produktionsnetzwerk von<br />
rund 2000 Partnern – darunter Spezialisten<br />
für CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung,<br />
3D-Druck, Gussverfahren, Oberflächentechnik<br />
und Baugruppenmontage.<br />
Rund 15.000 Maschinen stehen somit für<br />
Projekte, egal ob Klein- und Großserienfertigungen<br />
oder Prototyping, bereit. So<br />
können sich Kunden dem Unternehmen<br />
zufolge sicher sein, dass Facturee konstant<br />
lieferfähig ist.<br />
Entlastung der Prozesskette<br />
Zudem möchte der Online-Fertiger Entlastung<br />
entlang der Prozesskette für<br />
Einkäuferinnen und Einkäufer schaffen.<br />
Das reicht von der Anfrage und Bestellung<br />
über die Auswahl des passenden Fertigers<br />
bis zur Auslieferung. Die Kunden<br />
sollen mit einem niedrigschwelligen Zugang<br />
alles aus einer Hand erhalten.<br />
Es sind keine Systemintegrationen oder<br />
Teilnahmekosten erforderlich – auch keine<br />
Registrierung. Dabei haben Kunden<br />
nur Facturee als Schnittstelle und alleinigen<br />
Vertragspartner. Es entfällt für sie die<br />
Zuliefersuche, -qualifizierung und das<br />
-onboarding. Der Einkauf soll dadurch<br />
entlastet werden und kann sich so auf<br />
andere Aufgaben fokussieren.<br />
Preisvorteil und Qualität<br />
Der Online-Fertiger Facturee bietet mit seinem digitalen Geschäftsmodell eine zeitgemäße Lösung für<br />
die <strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen.<br />
Ein weiterer entscheidender Faktor, der<br />
Facturee von herkömmlichen <strong>Beschaffung</strong>smethoden,<br />
aber auch von direkten<br />
Mitbewerbern abheben soll, sind die Kosten,<br />
so das Unternehmen. Für jeden Auftrag<br />
wird der geeignetste Anbieter in Bezug<br />
auf Preis, Lieferzeit und Qualität auf<br />
Basis von Algorithmen ausgewählt. Durch<br />
ihren umfassenden Pool kann die Fertigungsplattform<br />
das passende Verhältnis<br />
der drei Parameter für den Kunden finden.<br />
Außerdem besteht eine gute Verhandlungsposition<br />
bei den Partnern: Als Plattform<br />
bündelt der Online-Fertiger Kundenanfragen<br />
und erreicht somit ein höheres<br />
Bestellvolumen als bei einer einzelnen<br />
Bestellung. Hinzu kommt der Verzicht auf<br />
Instant Pricing. Dies soll es Facturee ermöglichen,<br />
die Preise niedrig zu halten<br />
und Kunden laut eigenen Angaben in<br />
mehr als 80 Prozent der Fälle günstigere<br />
Angebote als Instant-Pricing-Angebote<br />
von Mitbewerbern zu unterbreiten.<br />
Der teilautomatisierte Anfrageprozess führt<br />
zu einer schnelleren Angebotserstellung.<br />
Das neu entwickelte Request-Tool soll Kunden<br />
die Möglichkeit bieten, unkompliziert<br />
bis zu neunundneunzig Positionen in weniger<br />
als einer Minute anzufragen. Die Angebotserstellung<br />
erfolgt in der Regel noch am<br />
selben Tag und garantiert innerhalb von 48<br />
Stunden. Das beschleunigt den gesamten<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozess.<br />
Insgesamt bietet der Online-Fertiger eine<br />
zukunftsorientierte Lösung für die <strong>Beschaffung</strong><br />
von Fertigungsteilen, die eine<br />
Entlastung für den Einkauf darstellen und<br />
gleichzeitig eine gleichbleibend hohe<br />
Qualität, Preisstabilität und eine resiliente<br />
Lieferkette gewährleisten soll. (ys)<br />
Bild: Gorodenkoff/stock.adobe.com<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 49
SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />
Neue Wege im Thermoforming<br />
Tiefziehteile digital beschaffen<br />
Formary ist eine Plattform für die digitale <strong>Beschaffung</strong> von Kunststoff-Tiefziehteilen,<br />
die Zeit, Aufwand und Kosten reduzieren soll. Ein Online-Konfigurator<br />
bietet dem Einkauf und produktionsnahen Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihr<br />
individuelles Tiefziehteil schnell zu konfigurieren und anzufragen.<br />
Der Online-<br />
Konfigurator richtet<br />
sich gleichzeitig an<br />
Tiefzieh- Laien und<br />
Experten .<br />
Der Einsatz von Tiefziehteilen reicht von filigranen<br />
ESD-Verpackungen bis zu großvolumigen<br />
Verkleidungsteilen von Fahrzeugen. Entsprechend<br />
vielseitig sind die Kombinationen an Materialien,<br />
Stückzahlen und Nachbearbeitungsverfahren. Diese<br />
Fragmentierung des Marktes macht die Lieferantensuche<br />
für viele Kunden sehr intransparent. Gleichzeitig<br />
sind die Prozesse häufig noch analog und kleine<br />
sowie mittelständische Tiefzieher haben oft keine<br />
personellen Kapazitäten für eine proaktive Beratung.<br />
Um diese Herausforderungen anzugehen, sind die<br />
Geschwister Lisa-Marie und Moritz Bittner 2021 mit<br />
der Plattform Formary an den Markt gegangen. Damals<br />
haben sie – neben ihrem Familienunternehmen,<br />
der Roland Bittner GmbH – zu zweit daran gearbeitet,<br />
heute beschäftigt das Start-up aus Backnang<br />
rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
„Als Millennials, die täglich Bestellungen auf User-<br />
Experience-optimierten E-Commerce-Seiten absetzten,<br />
hatten wir andere B2B-Einkaufsprozesse erwartet<br />
als jene, die wir vorfanden. Zudem hatten sich die<br />
Konzepte Asset-Sharing und Plattformökonomie in<br />
vielen Märkten und Verticals im B2C-Bereich etabliert.<br />
Wir dachten uns: Der Tiefziehmarkt ist wie geschaffen<br />
für eine Plattform”, erzählt Lisa-Marie Bittner.<br />
Die beiden sahen ein großes Potenzial darin, den<br />
gesamten <strong>Beschaffung</strong>sprozess zu digitalisieren.<br />
Aber welche Vorteile bietet die Plattform im Vergleich<br />
zu herkömmlichen <strong>Beschaffung</strong>smethoden?<br />
Zum einen sieht sich Formary als One-Stop-Shop für<br />
Tiefziehprojekte. Durch den Wegfall langer Lieferantensuchen,<br />
-vergleiche und -selektionen sollen sich<br />
Kunden Aufwand ersparen. Sie durchlaufen einen<br />
digitalen Konfigurationsprozess, der auf wichtige<br />
Angaben und relevante Produktdetails im Tiefziehen<br />
hinweist. Moritz Bittner: „Im Vergleich zu normalen<br />
Anfrage-zu-Angebot-Zyklen von mehreren Tagen bis<br />
Wochen, erhält der Kunde ein Angebot in 24 Stunden.<br />
Dieser Prozess ist nicht nur schnell, er führt<br />
auch dazu, dass keine Angabe vergessen werden<br />
kann.“ Gleichzeitig unterstützt das Start-up bei der<br />
Produktentwicklung und übernimmt die Konzeptund<br />
Datenerstellung.<br />
Vorteile des Plattformmodells<br />
Auf die Frage, ob der Kunde für diese Vorteile bereit<br />
sein muss, tiefer in die Tasche zu greifen, entgegnet<br />
die Co-Gründerin, dass das Gegenteil der Fall sei:<br />
„Willkürlich bei diversen Herstellern angefragte Tiefziehprodukten<br />
unterscheiden sich je nach Kalkulationsgrundlage<br />
um mehrere Hundert Prozent im Angebotspreis.<br />
Bei unserem Lieferanten-Matching werden<br />
viele verschiedene Parameter von einem proprietären<br />
Algorithmus ausgewertet. Im Anschluss wird der<br />
passende Lieferant zugeordnet, der das Produkt in<br />
der gewünschten Zeit und vor allem preislich kompetitiv<br />
fertigen kann.“<br />
Alles, was tiefgezogen werden kann, kann den Geschwistern<br />
zufolge über Formary beschafft werden.<br />
Ebenso Kunststoff-Tiefziehteile, die eine Nachbearbeitung<br />
oder Veredelung benötigen. Die Zielbranchen<br />
sind zum großen Teil Automotive, Elektronik, Maschinenbau,<br />
Pharma, Consumer Goods und Kosmetik.<br />
Bild: Bittner<br />
Online-Konfigurator im Fokus<br />
Der Konfigurator ist zwar übersichtlich, aber durchaus<br />
umfangreich. Wird die Plattform kundenseitig also<br />
vom Einkauf oder von Produktionsmitarbeitern<br />
bzw. Konstrukteuren bedient? „Meist handelt es sich<br />
50 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Bild: Bittner<br />
Moritz und Lisa-Marie<br />
Bittner sind Geschäftsführer<br />
der Roland<br />
Bittner GmbH und<br />
haben im September<br />
2021 die Plattform<br />
Formary ins Leben<br />
gerufen .<br />
um führende Mitarbeitende aus Kleinunternehmen,<br />
technische Einkäufer, Konstrukteure oder Projektleiter“,<br />
sagt Lisa-Marie Bittner. Daher wurde der Konfigurator<br />
so ausgelegt, dass sowohl Tiefzieh-Laien<br />
mithilfe von Erklärungen und Hinweisen durch die<br />
Anfrage geführt werden, aber auch Tiefzieh-Experten<br />
eine ausreichende Konfigurationstiefe vorfinden, um<br />
komplexe Produkte anzufragen.<br />
Ein Ziel von Formary ist es, den Kunden die aufwändige<br />
Lieferantenselektion abzunehmen. „Das erreichen<br />
wir, indem wir passende Lieferanten auffinden<br />
und analysieren, die alle Voraussetzungen für eine<br />
Zusammenarbeit erfüllen sowie unsere grauen Bereiche<br />
füllen, um alle Anfragen abdecken zu können“,<br />
so der Co-Gründer und führt weiter aus: „Der Kunde<br />
beeinflusst die Wahl indirekt, indem wir relevante<br />
Parameter, wie typische Branchenanforderungen, sowie<br />
die individuellen Projektanforderungen auswerten.<br />
Außerdem spielen wir Faktoren, wie Maschinenpark,<br />
Materialkenntnis, Auslastung und über 50 weichen<br />
Faktoren, in unseren Matching-Algorithmus.“<br />
Aktuell arbeitet das junge Unternehmen mit 25 Lieferanten<br />
und etwa doppelt so vielen Nachbearbeitern<br />
zusammen. „Das reicht aus, um alle Anfrage-<br />
Kombinationen abzudecken und jede Branche beliefern<br />
zu können“, sagt Lisa Bittner. Nun steht der Aufbau<br />
weiterer Kapazitäten an, um Auslastungsspitzen<br />
abfangen zu können. Die Kriterien für die Zusammenarbeit<br />
auf der Plattform sind die ISO-9001-Zertifizierung,<br />
einen Fertigungsstandort im DACH-Raum,<br />
um möglichst nahe am Absatzmarkt zu fertigen, sowie<br />
ein Audit durch die Qualitätssicherung (QS).<br />
Rezyklateinsatz als Standard<br />
Der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen spielt in der<br />
Kunststoffverarbeitung eine große Rolle. So achtet<br />
das Unternehmen bei der Auswahl des Materials auf<br />
den Einsatz von Rezyklaten, wann immer die Anwendung<br />
dies zulässt. „Der Einsatz von Rezyklat ist im<br />
Konfigurator die Standardeinstellung und muss ausdrücklich<br />
abgewählt werden“, betont die Co-Gründerin.<br />
„Letztlich muss in der Kunststoffverarbeitung vor<br />
allem das Thema Recycling gelöst werden. Das<br />
Schaffen von geschlossenen Kreisläufen mit dem<br />
Etablieren von Design-for-Recycling-Prinzipien hat<br />
Priorität.“ Das Start-up kooperiert deshalb mit Recycling-Betrieben<br />
und nimmt Artikel, die über die<br />
Plattform beschafft wurden, nach dem End-of-life-<br />
Stadium wieder zurück.<br />
Auch die Qualitätssicherung ist ein wichtiger Teil des<br />
Werteversprechens. Neben dem Lieferantenaudit<br />
wird jedes Muster und jeder Serienanlauf nach der<br />
Freigabe beim Lieferanten von Formary geprüft,<br />
dokumentiert und final freigegeben.<br />
Ambitionierte Pläne<br />
Noch steht die Plattform am Anfang. Das Angebot soll<br />
kontinuierlich weiter ausgebaut werden. Der nächste<br />
Schritt ist der Launch des Kundenportals. Hier sollen<br />
Artikel, Anfragen, Bestellungen und Lieferungen verwaltet,<br />
der Projektstatus eingesehen, Freigaben erstellt<br />
und Lieferungen getrackt werden können. Auch der<br />
Einsatz von KI, und im Besonderen von Machine Learning,<br />
wird mehr Relevanz gewinnen. Lisa Bittner: „Wir<br />
arbeiten momentan an einem Preisalgorithmus, der<br />
unsere Angebot-Zeiten kontinuierlich von momentan<br />
24 Stunden auf wesentlich kürzere Zeitspannen reduzieren<br />
soll.“ Das Start-up wird seinen Preisalgorithmus<br />
in mehreren Stufen ausrollen und strebt an, einen Sofortpreis<br />
bei Anfragen generieren zu können. „Unser<br />
Ziel ist es, dass wir als Plattform einer der umsatzstärksten<br />
Kunststoff-Thermoformer in Europa werden.<br />
Dazu gehört auch der Ausbau des Lieferantennetzwerks,<br />
um unseren Kunden den Zugriff auf den größten,<br />
verfügbaren Maschinenpark bereitstellen zu können“,<br />
erklären die beiden Geschwister abschließend.<br />
Yannick Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 51
» FERTIGUNG<br />
Additive Fertigung<br />
Mass-Customization mit<br />
3D-Fließbanddruckern<br />
Die Ereignisse der letzten Jahre haben die Lieferkettenproblematik und ihre<br />
Auswirkungen auf die Produktionslandschaft verdeutlicht. Wie können Unternehmen<br />
sich vor derartigen Unterbrechungen ihrer Lieferketten schützen?<br />
Bild: iFactory3D<br />
Die Mass-Customization mit 3D-Fließbanddruckern ermöglicht es, individuelle Kundenwünsche zu<br />
erfüllen und zugleich Skalierungseffekte beizubehalten.<br />
Viele Unternehmen sehen die Lösung<br />
im Reshoring, also der Rückverlagerung<br />
von Produktionsstätten aus Schwellenländern<br />
in die Industriestaaten, zurück<br />
zur lokalen Produktion mit möglichst wenigen<br />
Zulieferern. Laut einer Umfrage des<br />
Händlers Reichelt Elektronik planen<br />
50 Prozent der europäischen Unternehmen,<br />
ihre Komponentenbestände deutlich<br />
zu erhöhen. Um die Abhängigkeit von Zulieferern<br />
zu verringern, produzieren<br />
47 Prozent der Befragten bislang eingekaufte<br />
Produkte jetzt selbst, während 38<br />
Prozent planen, wieder mit der Eigenproduktion<br />
bestimmter Produkte zu beginnen.<br />
Für diesen Schritt ist eine effiziente und<br />
kostengünstige Produktion nötig. Hier<br />
kommt die additive Fertigung ins Spiel.<br />
Der 3D-Druck kann hinsichtlich Flexibilität<br />
punkten und ermöglicht die Just-intime-Produktion<br />
verschiedener Objekte.<br />
So können Teile der Logistik- und Lagerkosten<br />
mithilfe eines Druckers vor Ort<br />
vermieden werden. Mit den Weiterentwicklungen<br />
in der additiven Fertigung<br />
wird diese Technologie immer zuverlässiger<br />
für die Produktion größerer Mengen<br />
innerhalb kürzerer Zeit. Dazu zählen beispielsweise<br />
eingebaute Fließbänder.<br />
Individualisierung jenseits<br />
konventioneller Grenzen<br />
Die Mass-Customization, also die kunden -<br />
individuelle Massenproduktion, ermöglicht<br />
es, spezifische Kundenwünsche zu<br />
erfüllen und zugleich Skalierungseffekte<br />
beizubehalten. Die Anpassung erfolgt an<br />
ausgewählten Details, die z. B. Design -<br />
merkmale oder die Passform betreffen<br />
und beruht oft auf einer Kombination aus<br />
manueller Arbeit und komplexen Werkzeugen.<br />
Häufig wird das Konzept der<br />
Modularisierung angewendet, bei dem<br />
Produkte aus verschiedenen Einzelteilen<br />
individuell zusammengestellt werden.<br />
Automatisierte additive Fertigungsverfahren<br />
bedienen den Trend zur Mass-Customization<br />
noch präziser als dies bislang der<br />
Fall war. Ein Durchbruch ist die Kombination<br />
von 3D-Drucker und Fließband, die<br />
neue Möglichkeiten der Massenanpassung<br />
und Kosteneinsparungen bietet. Mit der<br />
3D-Fließbandtechnologie können passgenaue<br />
Komponenten materialschonend<br />
hergestellt werden, was sich vor allem bei<br />
Ersatzteilen und Werkzeugen zeigt. Das<br />
kommt durch den an das bewegliche<br />
Fließband angepassten Druckwinkel. Der<br />
offensichtlichere Vorteil des 3D-Fließbanddrucks<br />
ist die außergewöhnliche<br />
Druckbettlänge, mit der die Herstellung<br />
besonders langer Teile oder die automatisierte<br />
Produktion mehrerer kleiner Teile in<br />
einem kontinuierlichen Fluss möglich<br />
wird, von großformatigen Prototypen bis<br />
hin zu komplexen Bauteilen.<br />
Die Einbindung von 3D-Druckern mit integriertem<br />
Förderband als Druckfläche und<br />
die damit einhergehende Automatisierung<br />
bieten wichtige Vorteile in der additiven<br />
Fertigung. Maßgeschneiderte Produkte<br />
können ohne umfangreiche Umrüstungen<br />
oder manuelle Eingriffe in großem Umfang<br />
produziert werden. Mit dieser Technologie<br />
können Unternehmen ein hohes<br />
Maß an Personalisierung erreichen und<br />
erhebliche Kosteneinsparungen erzielen.<br />
3D-Fließbanddrucker trägt<br />
zur Gewinnoptimierung bei<br />
Ein Beispiel für die Rentabilität eines<br />
3D-Fließbanddruckers liefert die Lever -<br />
kusener Firma Via Traffic Controlling<br />
52 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Bild: iFactory3D<br />
Der 3D-Drucker „One Pro“ von iFactory3D hat<br />
einen an das Fließband angepassten Druckwinkel.<br />
GmbH, ein mittelständischer Anbieter von<br />
Geschwindigkeitsanzeigetafeln, Verkehrszählgeräten<br />
und Radardetektoren. Die<br />
Firma suchte nach einer Möglichkeit, die<br />
Prototypenentwicklung und Bauteilbeschaffung<br />
zeitnah und flexibel selbst umsetzen<br />
zu können. Mithilfe des 3D-Fließbanddruckers<br />
stellt Via Traffic Controlling<br />
jetzt viele Teile selbst her und ist damit<br />
unabhängiger von Zulieferern. Dabei trägt<br />
der 3D-Fließbanddrucker deutlich zur Gewinnoptimierung<br />
bei. Kostete ein Bauteil<br />
vorher ca. 15-17 Euro pro Stück, konnten<br />
mit dem 3D-Fließbanddrucker die Kosten<br />
pro Teil mit Zubehör auf ca. drei Euro reduziert<br />
werden. Die Anschaffungskosten<br />
für den 3D-Fließbanddrucker hatten sich<br />
bereits nach knapp 8 Wochen amortisiert.<br />
Auch das deutsche Werk eines international<br />
erfolgreichen Automobilherstellers<br />
führt diese Technologie derzeit in seine<br />
Produktionsabläufe ein. Durch die Integration<br />
eines 3D-Fließbanddruckers rechnet<br />
man mit einer Einsparung von insgesamt<br />
rund 50.000 Euro pro Jahr an Arbeits-<br />
und Materialkosten. Ursprünglich<br />
setzte das Unternehmen spezifisches<br />
Metall werkzeug für einen Produktionsschritt<br />
ein. Dieses wurde teuer von externen<br />
Zulieferern eingekauft, hatte eine<br />
Lebens dauer von etwa drei Monaten und<br />
musste nach jedem Einsatz aufwändig<br />
gereinigt werden. Allein der Wasserverbrauch<br />
für diesen Arbeitsschritt machte<br />
einen riesigen Kosten- und Umweltfaktor<br />
aus. Mit dem 3D-Fließbanddrucker wird<br />
für jeden Produktionstag jeweils eine<br />
Plastikdüse hergestellt, deren Kosten im<br />
Centbereich liegen. Das Unternehmen<br />
hatte schon länger nach einer 3D-Drucklösung<br />
gesucht, aber nur der 3D-Fließ-<br />
banddruck mit dem 45°-abgewinkelten<br />
Druckkopf konnte die nötige Festigkeit für<br />
das zu produzierende Teil liefern.<br />
Mit dem Zugriff auf die Werkzeugproduktion,<br />
ohne lange Kommunikations- und<br />
Lieferwege, bietet der 3D-Druck also<br />
optimale Lösungen für jeden Betrieb.<br />
Modulare Werkzeugkonstruktionen oder<br />
die Anpassung von nur sehr kleinen Komponenten<br />
decken ein breites Anwendungsspektrum<br />
ab. Und für hochkomplexe<br />
Anwendungen kann zeitnah ein individuelles<br />
Werkzeugmodell erstellt werden.<br />
Durch die Eigenfertigung mittels<br />
3D-Druck können hohe Anfangsinvestitionen,<br />
regelmäßige Wartung durch<br />
Externe und aufwändige Rüstvorgänge<br />
teilweise vermieden werden. Der Einsatz<br />
von 3D-Fließbanddruckern kann die<br />
Werkzeugkosten verringern und ermöglicht<br />
die schnelle Anpassung an Markttrends,<br />
durch direkten Zugang zur Kleinserienfertigung.<br />
Produktivität und Gesamtrentabilität<br />
werden erhöht, was wiederum<br />
die Wettbewerbs fähigkeit eines<br />
Unternehmens verbessert.<br />
Artur Steffen, CEO bei iFactory3D<br />
Absauganlage für die Metallbearbeitung<br />
Stäube und Schweißrauche effektiv absaugen<br />
Der Spezialist für industrielle Absauganlagen<br />
Esta präsentiert zur „Schweissen &<br />
Schneiden“-Messe vom 11. bis 15. September<br />
in Essen die modulare Dustomat-<br />
Dry-Serie. Die neuen Schweißrauchfilter<br />
und Entstauber sind in puncto Saugleistung,<br />
Filterpaket und Anlagenaufbau<br />
nach Kundenwunsch konfigurierbar.<br />
Sie saugen effektiv die Stäube und<br />
Schweißrauche ab, die bei der Bearbeitung<br />
von Metall anfallen, und eignen sich<br />
zur Einzel- und Mehrplatzabsaugung in<br />
Fertigungsbereichen. Das modulare und<br />
schallgedämmte Gehäusekonzept ermöglicht<br />
die passgenaue Einstellung der Absauganlage:<br />
Das Filterpaket kann je nach<br />
Anwendung mit Abscheidegraden von bis<br />
zu 99,995 Prozent ausgestattet werden,<br />
so das Unternehmen. Auch die Absaugleistung<br />
orientiert sich am Einsatzzweck:<br />
Bild: Esta<br />
Über das Touchdisplay an der Geräteoberfläche<br />
können Anwender die Entstauber und Schweißrauchfilter<br />
bedienen und den Gerätestatus prüfen.<br />
Die Serie ist in vier Leistungsstufen mit<br />
Luftvolumenströmen von 2000 bis 3500<br />
Kubikmetern pro Stunde erhältlich. Zudem<br />
soll sich der Anlagenaufbau auf die<br />
räumlichen Gegebenheiten abstimmen<br />
lassen.<br />
„Mit der modularen Produktarchitektur<br />
bietet die Basis für unsere Innovationsfähigkeit.<br />
So können wir Produktfamilien<br />
nachhaltig und ressourcenschonend an<br />
<strong>aktuell</strong>en Kundenbedürfnissen, Marktanforderungen<br />
und Technologien ausrichten.<br />
Die Dustomat-Dry-Geräte decken<br />
ein breites Anwendungsspektrum ab und<br />
sorgen für reine Luft und Sauberkeit am<br />
Arbeitsplatz“, erklärt Esta-Geschäftsführer<br />
Philipp Raunitschke. In puncto Energieeffizienz<br />
zeichnen sich die Geräte dem<br />
Hersteller zufolge besonders durch das<br />
Filterabreinigungssystem aus, das gegenüber<br />
konventionellen Systemen 50 Prozent<br />
weniger Druckluft verbrauchen soll.<br />
Zudem verlängere das verbesserte Abreinigungsverfahren<br />
die Filterstandzeit. (ys)<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 53
» INTRALOGISTIK<br />
Stefan Lampa, CEO, Proglove<br />
„Die Mitarbeiter spüren wesentliche<br />
Verbesserungen in ihren Abläufen“<br />
In der Industrie steht die Datenerfassung über Barcodes an der Tagesordnung. Allerdings<br />
bringen Pistolenscanner neben unnötigen Greifzeiten oft auch ergonomische<br />
Probleme mit sich. Proglove integriert den Barcodescanner deshalb direkt in den<br />
Arbeits handschuh. Stefan Lampa leitet das Unternehmen und spricht im Interview<br />
über das Produkt, die entstehenden Daten und die Vorteile für die Mitarbeitenden.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Lampa,<br />
Sie sind seit März als CEO bei Proglove.<br />
Wie liefen die ersten Monate und wo<br />
setzen Sie Ihren Schwerpunkt?<br />
Stefan Lampa: Die ersten Monate waren<br />
großartig, ich habe viel von unserem<br />
Team und vor allem von unseren Kunden<br />
gelernt. Wir haben eine ganze Reihe von<br />
Neukunden, die gerade beginnen, die Proglove-Technologie<br />
zu nutzen. Was mich<br />
besonders begeistert ist, dass sie dabei<br />
nicht nur von Produktivitätssteigerungen<br />
profitieren. Unser Angebot hilft ihnen<br />
auch dabei, eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung<br />
zu schaffen. Der Einsatz<br />
von Wearable Scannern reduziert nachweislich<br />
das Verletzungsrisiko durch sich<br />
wiederholende Bewegungen. Mein persönlicher<br />
Schwerpunkt liegt darauf, unsere<br />
neu formulierte Strategie umzusetzen.<br />
Diese ist auf weitere Innovationen, eine<br />
engere Zusammenarbeit mit unseren<br />
Kunden sowie den Aufbau eines Ökosystems<br />
von Technologiepartnern, u. a. Robotikunternehmen,<br />
ausgerichtet, um einen<br />
noch stärkeren Wachstumsmotor<br />
aufzubauen.<br />
Können Sie Ihr Kernprodukt einmal beschreiben?<br />
Wir stehen für Wearable-Scanner-Lösungen,<br />
die das Zusammenspiel von Mensch<br />
und Technologie perfektionieren. Während<br />
man herkömmliche Pistolen scanner<br />
für jeden Scanvorgang in die Hand nehmen<br />
und wieder ablegen muss, werden<br />
unsere Scanlösungen mit einer Man-<br />
schette direkt am Handgelenk getragen.<br />
Das spart bei jedem Scanvorgang Sekunden,<br />
die sich über den Tag und alle Scanvorgänge<br />
hinweg zu einer Zeitersparnis<br />
von mehreren Stunden aufsummieren<br />
können. Die Handschuhe sind leicht und<br />
passen sich den Händen und dem Arbeitsablauf<br />
der Anwender an. Diese werden<br />
weniger belastet und können ihre Arbeit<br />
schneller und genauer erledigen.<br />
Stefan Lampa ist seit<br />
März 2023 als CEO bei<br />
Proglove tätig.<br />
Welche Features bieten ihre Handschuhscanner?<br />
Zum einen haben wir es geschafft, Ergonomie<br />
und Effizienz zu verbinden und so<br />
eine attraktive Lösung für den Lagermitarbeiter<br />
und den Prozessverantwortlichen<br />
gleichermaßen zu schaffen. Die Manschetten<br />
mit den Scannern werden gerne<br />
getragen, weil sie leicht und klein sind.<br />
Zum anderen sind die Handschuhscanner<br />
Bild: Proglove<br />
54 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
weit mehr als klassische Scanner. Mithilfe<br />
von Sensorik generieren sie Prozessdaten,<br />
die wir für unsere Kunden in umsetzbare<br />
Prozesserkenntnisse aufbereiten. Das<br />
kann zum Beispiel helfen, unnötige Wege<br />
zu erkennen und die Lagerstruktur anzupassen.<br />
Zudem können unsere Scanner<br />
dem Lagermitarbeiter den optimalen Weg<br />
zum gesuchten Produkt oder Regal zeigen.<br />
Insgesamt helfen unsere Produkte<br />
durch Mikroeffizienzen, Zeit und Mühe zu<br />
sparen.<br />
Welche Produkte und Services bieten<br />
Sie über die Hardware hinaus an?<br />
Ein zentrales Feld ist unsere korrespondierende<br />
Software, die in mehrerlei Hinsicht<br />
einen Mehrwert bietet. Erstens ermöglicht<br />
sie es, Geräte zu integrieren und<br />
so ein vernetztes Lager aufzubauen.<br />
Zweitens ist sie essenziell für das Gerätemanagement:<br />
Unternehmen können ihre<br />
Geräte standortübergreifend verwalten<br />
und aus der Ferne überwachen. Und drittens<br />
helfen sie dabei, Prozess wissen aufzubauen<br />
und daraus wichtige Erkenntnisse<br />
zu ziehen.<br />
Welche Daten werden beim Einsatz der<br />
Lösungen gesammelt und wofür lassen<br />
sich diese nutzen?<br />
Mit unseren Geräten können Kunden eine<br />
Reihe relevanter Daten für Gerätemanagement<br />
und Prozessoptimierung sammeln.<br />
So erschaffen wir zum Beispiel ein digitales<br />
Abbild der Lager- oder Produktionsprozesse.<br />
Dadurch muss der Nutzer sich nicht<br />
durch Excel-Reports quälen, sondern hat<br />
die Information in Echtzeit aufbereitet<br />
vorliegen.<br />
Daneben gibt es Daten, die den Arbeitsalltag<br />
erleichtern: Ist das Gerät am<br />
Schichtende wieder in der Ladestation<br />
oder muss ich es suchen gehen? Wie ist<br />
der Akkustand? Welche Geräte werden<br />
wie intensiv genutzt? Wie groß ist der<br />
Bewegungsaufwand? In welcher Abfolge<br />
und Zeit werden Arbeitsschritte fertig gestellt?<br />
Dabei können Arbeitsstationen<br />
standortübergreifend miteinander verglichen<br />
werden, um Best-Practices zu erkennen<br />
und diese firmenweit auszurollen.<br />
Ein dritter zentraler Anwendungsbereich<br />
ist die Fehlervermeidung. Das System<br />
Die Scanlösung kann mit einer Manschette direkt am Handgelenk getragen werden.<br />
weiß, welche Barcodes zu welchem Prozessschritt<br />
gehören, und kann optimierte<br />
Gerätekonfigurationen vorschlagen. Dadurch<br />
können die Mitarbeiter besser<br />
durch den Prozess geleitet werden und<br />
machen weniger Fehler. Auch systematische<br />
Fehler, die das Warenwirtschaftssystem<br />
übersieht, können kontinuierlich<br />
identifiziert und behoben werden, weil<br />
die Software wie eine durchgängige Zeitstudie<br />
ist, die alle Arbeitsschritte erfasst<br />
und analysiert.<br />
Welche Vorteile entstehen für die Mitarbeitenden<br />
und wie ist die Akzeptanz<br />
solcher Wearables?<br />
Wir konnten bei zahlreichen Kundenbefragungen<br />
feststellen, dass die Mitarbeiterzufriedenheit<br />
nach Einführung unserer<br />
Scanner deutlich steigt. Dies lässt sich vor<br />
allem auf die bessere Ergonomie unserer<br />
Produkte zurückführen. So berichten uns<br />
unsere Kunden, dass die Mitarbeiter wesentliche<br />
Verbesserungen in ihren Arbeitsabläufen<br />
spüren und es auch zu weniger<br />
Verletzungen und krankheitsbedingten<br />
Ausfällen kommt. Dazu haben wir<br />
auch eine Studie mit dem Fraunhofer-Institut<br />
durchgeführt, die im September<br />
veröffentlicht wird.<br />
Die Manschetten sind klein, leicht und ergonomisch<br />
geformt, was das Verletzungsrisiko<br />
reduziert. Anwender können die<br />
Scanner eher nicht versehentlich verlegen<br />
oder vergessen, und die Handhabung ist<br />
sehr einfach: Es muss lediglich ein Auslöseknopf<br />
am Zeigefinger betätigt werden,<br />
der wie ein Kugelschreiber funktioniert.<br />
Zudem helfen ihnen die Scanner dabei,<br />
selbstständig und mobil zu arbeiten. Dazu<br />
trägt beispielsweise eine Funktion bei, die<br />
dem Anwender in Echtzeit Rückmeldung<br />
gibt: Wo muss ich als nächstes hin? War<br />
mein letzter Scan fehlerhaft? Welche Wege<br />
habe ich zurückgelegt? Das alles erlaubt<br />
es den Mitarbeitern, im Zweifel eigene<br />
Fehler selbst zu erkennen und zu beheben.<br />
Wie funktioniert die Integration der<br />
Scanner?<br />
Wir sind systemagnostisch und bieten<br />
verschiedene Schnittstellen für Android,<br />
Windows beziehungsweise Linux und iOS<br />
an, damit der Kunde unsere Lösungen<br />
möglichst schnell und unkompliziert nutzen<br />
kann. Im einfachsten Fall funktioniert<br />
die Integration über Plug-and-play: Unsere<br />
App wird installiert beziehungsweise<br />
unser Gateway per USB an das Terminal<br />
angeschlossen, der Scanner wird durchs<br />
Abscannen eines QR-Codes mit dem<br />
Computer oder Smart Device verbunden,<br />
und schon kann es losgehen.<br />
Sie möchten das europäische Wachstum<br />
verdoppeln, haben Sie dem Handelsblatt<br />
gesagt. Wie nahe sind Sie diesem Ziel<br />
und wie steht Proglove <strong>aktuell</strong> da?<br />
Wir sind im letzten Jahr global um ca. 40<br />
Prozent gewachsen und wollen in diesem<br />
Jahr um weitere 45 Prozent wachsen. Wir<br />
gehen daher davon aus, dass wir bis Ende<br />
des Jahres unser Wachstum im Vergleich<br />
zu den letzten zwei Jahren in der Tat verdoppelt<br />
haben werden. Das haben wir vor<br />
allem auch dem Wachstum im Enterprise-<br />
Bereich zu verdanken. Neben zahlreichen<br />
neuen Kunden konnten wir unser Bestandskundengeschäft<br />
deutlich ausbauen,<br />
was auch die Zufriedenheit unserer Kunden<br />
widerspiegelt.<br />
Das Interview führte Yannick<br />
Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />
Bild: Proglove<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 55
» INTRALOGISTIK<br />
Innerbetrieblicher Materialfluss<br />
Vollautomatisierte Anlage<br />
ersetzt alte Förderstrecke<br />
Rund 57.000 Tonnen Kartoffeln werden bei der Hans Henglein & Sohn GmbH jährlich<br />
zu Backteigen, Klößen, Nudeln oder Kartoffelpufferteig verarbeitet. Um derartigen<br />
Mengen auch künftig gewachsen zu sein, ersetzte das Unternehmen seine alte Transportlinie<br />
durch eine neue Förderanlage der Firma Haro, die seither einen<br />
automatisierten Materialfluss zwischen Produktions- und Kühlhalle sicherstellt.<br />
Nachdem 1985 der erste vorgefertigte Kloßteig<br />
entwickelt und die erste Produktionsanlage in<br />
Betrieb genommen wurde, erfuhr das Familienunternehmen<br />
Hans Henglein & Sohn ein stetiges Wachstum:<br />
Das Produktionsprogramm wurde demnach beinahe<br />
jährlich erweitert. Das heutige Firmengelände<br />
am Ortsrand von Wassermungenau wurde gemeinsam<br />
mit zwei weiteren Standorten in Sachsen-Anhalt<br />
und Nordrhein-Westfalen eröffnet und neue Produktionslinien<br />
zur Verarbeitung von diversen Kartoffelprodukten<br />
und gekühlten Backteigen, trieben das<br />
Unter nehmenswachstum kontinuierlich voran. Heute<br />
blickt das familiengeführte Unternehmen auf 1200<br />
Mitarbeiter, einen Umsatz von 210 Millionen Euro<br />
und einen Exportanteil von 40 Prozent in 27 Länder.<br />
Eine Größenordnung, die einen zuverlässigen Materialfluss,<br />
insbesondere am Hauptstandort, schon beinahe<br />
voraussetzt. Schließlich werden hier mehrere<br />
Tausend Tonnen an Kartoffelprodukten, Teigwaren<br />
und Blätterteig auf einer Produktionsfläche von fast<br />
180.000 Quadratmetern jährlich produziert.<br />
Aus diesem Grund wandte sich das Unternehmen im<br />
Jahr 2021 an den sauerländischen Fördertechnikhersteller<br />
Haro Anlagen- und Fördertechnik GmbH. Die<br />
Anforderungen an die neue Förderstrecke konnte<br />
Henglein bereits konkret definieren: So galt es die alte<br />
und in die Jahre gekommene Förderanlage durch<br />
eine automatisierte Linie, die als Schnittstelle zwischen<br />
Produktions- und Kühlhalle fungieren sollte,<br />
zu ersetzen.<br />
Der Palettentransport über die Rollenbahn bietet Pufferplätze und entlastet die<br />
Mitarbeiter.<br />
Bild: Haro<br />
Mittels Vertikalförderer werden die Paletten eine Ebene tiefer<br />
in die Kühlhalle transportiert.<br />
Bild: Haro<br />
56 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Die Haro-Gruppe konnte schließlich mit einem<br />
Konzept überzeugen, das den Spezifikationen von<br />
Henglein gerecht wurde: In der Produktionshalle erfolgt<br />
die Aufgabe der mit den Kartoffel- und Teigprodukten<br />
beladenen Paletten zunächst manuell und<br />
bodennah mithilfe einer Hubameise auf die Palettenhubstation.<br />
Diese übergibt die Fördergüter anschließend<br />
für den Transport auf die angrenzenden angetriebenen<br />
Rollenbahnen.<br />
Vertikalförderer, Sicherheit & Co. –<br />
Konzept im Detail<br />
Haro-Konstruktionsleiter Markus Löseke erklärt die<br />
Besonderheiten: „Da die Ware auf den Paletten nach<br />
der Übergabe zunächst noch ungesichert ist, erfolgt<br />
die Beförderung frequenzgeregelt.“ Diese Technik soll<br />
ein sanftes und ruckfreies Befördern der Ware über<br />
die rund 20 Meter lange Förderstrecke bis zum Wickler,<br />
der die Ware foliert und sichert, ermöglichen. Die<br />
umwickelten Paletten werden dann ohne Frequenzregelung<br />
über die angetriebenen Rollenbahnen weiter<br />
zum Etikettiersystem transportiert. Nachdem die<br />
Etiketten angebracht wurden, erfolgt der Weitertransport<br />
in die angrenzende Kühlhalle.<br />
„Zwischen der Produktions- und der Kühlhalle gilt es<br />
eine Höhendifferenz zu überwinden, sodass wir<br />
unserem Kunden zu einem Vertikalförderer geraten<br />
haben“, erklärt Löseke. Dieser Vertikalförderer ist<br />
vom Fördertechnikspezialisten für eine schnelle Verteilung<br />
von Paletten auf unterschiedlichen Ebenen<br />
konzipiert und soll Höhendifferenzen zwischen verschiedenen<br />
Etagen zuverlässig überwinden. Bevor die<br />
Paletten automatisiert in den Vertikalförderer übergeben<br />
werden, ermöglicht eine Drehbühne den Richtungswechsel<br />
der Fördergüter. Im Vertikalförderer<br />
angekommen, werden die Fördergüter in die darunter<br />
liegende Ebene der Kühlhalle transportiert.<br />
Mehr Flexibilität dank<br />
Baukastensystem<br />
„Wenn es darum geht, Fördergüter zwischen zwei<br />
Hallen zu transportieren, besitzen die Sicherheitsvorkehrungen<br />
oberste Priorität“, betont Konstruktionsleiter<br />
Löseke. Aus diesem Grund sind ein Brandschutztor<br />
und zwei Schnelllauftore installiert. Auch<br />
der Schutz der an der Anlage tätigen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern wurde bei der Konzeption bedacht:<br />
So sind sämtliche Förderkomponenten, wie<br />
beispielsweise die Drehbühne, voll verkleidet und<br />
verhindern das Eintreten von Personen.<br />
Nachdem der Vertikalförderer die folierten und etikettierten<br />
Paletten auf die untere Etage transportiert<br />
hat, werden diese über die Rollenbahnen bis zur Abnahmestation<br />
weitertransportiert. Gleichzeitig können<br />
die Rollenbahnen auch als<br />
Pufferstrecke dienen: Sollte<br />
sich die Abnahme verzögern,<br />
können die Paletten auf den<br />
Rollenbahnen in der unteren<br />
Etage der Kühlhalle gepuffert<br />
werden.<br />
80 Paletten pro Stunde werden<br />
auf diese Weise im Dreischichtbetrieb<br />
an sechs Tagen<br />
die Woche transportiert. Während<br />
die beschriebene Anlage<br />
bereits seit über einem Jahr störungsfrei im Einsatz<br />
ist, plant Henglein bereits eine Erweiterung der Förderlinie:<br />
Um den wachsenden Kapazitäten weiterhin<br />
gerecht zu werden, ist der Bau einer weiteren Halle<br />
in Planung, die es dann an die bereits bestehende<br />
Förderlinie anzuknüpfen gilt.<br />
Damit bedient sich Henglein dem modularen Konzept<br />
der Haro-Gruppe: Dank des modularen Baukastensystems<br />
der einzelnen Förderelemente können die<br />
Anlagen des Fördertechnikherstellers laut Unternehmensangaben<br />
ohne längere Produktionsausfälle<br />
flexibel angepasst und erweitert werden. (ys)<br />
Wählen Sie aus den besten Marken.<br />
Überzeugende Qualität und Sicherheit.<br />
Mit uns gestalten Sie Ihre<br />
Produktionsprozesse effizienter.<br />
Angetriebene<br />
Rollenbahnen sorgen<br />
für den automatisieren<br />
Palettentransport.<br />
Bild: Haro<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 57
» INTRALOGISTIK<br />
Keith Fisher, Präsident, Honeywell Warehouse Automation<br />
„Automatisierung wird eine Voraussetzung<br />
sein, um Schritt zu halten“<br />
Der Aufbau widerstandsfähiger Lieferketten endet nicht am Werkstor. Auch der innerbetriebliche<br />
Materialfluss muss zuverlässig sein und flexibel auf Änderungen reagieren<br />
können. Der Fachkräftemangel verstärkt die Notwendigkeit der Digitalisierung und<br />
Automatisierung zusätzlich. Wie sein Unternehmen hierbei unterstützen kann, erzählt<br />
Keith Fisher, Präsident bei Honeywell Warehouse Automation, im Interview.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Fisher, welche Trends<br />
und Herausforderungen sehen Sie auf dem europäischen<br />
und deutschen Lager- und Logistikmarkt?<br />
Keith Fisher: Lagerhäuser und Distributionszentren<br />
(DCs) haben mit einem gravierenden Mangel an<br />
Arbeitskräften zu kämpfen. Fachkräfte sind in ganz<br />
Europa Mangelware, was eine Herausforderung für<br />
die Deckung des derzeitigen und künftigen Bedarfs<br />
darstellt. In der deutschen Transport- und Lagerbranche<br />
haben laut einer DIHK-Umfrage 65 Prozent der<br />
Unternehmen Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter<br />
zu finden. Das Aufkommen des E-Commerce in<br />
Europa hat das Problem weiter verschärft, da die<br />
Nachfrage nach Lagerflächen und einer effizienten<br />
Auftragsabwicklung gestiegen ist. Im Gegensatz zu<br />
anderen Regionen stehen die europäischen Märkte<br />
vor der zusätzlichen Hürde begrenzter Lager- und<br />
Logistikzentrumsflächen, was den Betrieb erschwert.<br />
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, benötigen<br />
Unternehmen Automatisierungslösungen, die<br />
einen effektiven, hohen Durchsatz bieten, ohne viel<br />
Platz zu beanspruchen. Die Automatisierung entwickelt<br />
sich zu einem der wichtigsten Faktoren für<br />
mehr Sicherheit, Produktivität und Mitarbeiterbindung<br />
in der Lagerbranche.<br />
Wie können Unternehmen dabei die Arbeitssicherheit<br />
in ihren Logistikzentren gewährleisten?<br />
Fisher: Logistikzentren sind mit Sicherheitsrisiken<br />
konfrontiert, zum Beispiel durch das Bewegen schwerer<br />
Gegenstände, unsachgemäßes Stapeln und den<br />
unsicheren Einsatz von Gabelstaplern. Es ist wichtig,<br />
die Mitarbeiter entsprechend zu schulen, eine sicherheitsorientierte<br />
Kultur zu fördern und die Verwendung<br />
geeigneter persönlicher Schutzausrüstung zu<br />
gewährleisten. Darüber hinaus können autonome<br />
mobile Roboter (AMR) Paletten, Wagen und Behälter<br />
von A nach B bewegen und menschliche Mitarbeiter<br />
bei Kommissionier- und Einlagerungsvorgängen unterstützen,<br />
wodurch das Verletzungsrisiko bei diesen<br />
arbeitsintensiven Aufgaben verringert wird.<br />
Keith Fisher ist Präsident der Warehouse Automation Sparte bei Honeywell.<br />
Bild: Honeywell<br />
Wie wichtig ist es, die Belegschaft mit den richtigen<br />
Tools und Technologien auszustatten?<br />
Fisher: Die Digitalisierung durch fortschrittliche<br />
Automatisierung, Software, Mobilität und Sprach-<br />
58 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
technologie kann die betriebliche Effizienz und<br />
Sicherheit erhöhen. Eine <strong>aktuell</strong>e Bitkom-Umfrage<br />
ergab, dass 84 Prozent der Befragten bestätigen, dass<br />
digitale Lösungen Zeit sparen, während 60 Prozent<br />
von Kosteneinsparungen berichten. Außerdem gaben<br />
fast 30 Prozent der Befragten an, dass die Digitalisierung<br />
dem anhaltenden Arbeitskräftemangel entgegenwirken<br />
kann. Letztlich ermöglichen diese Tools<br />
den Unternehmen, die Herausforderungen im Bereich<br />
der Arbeitskräfte zu bewältigen, künftige Investitionsausgaben<br />
zu reduzieren und flexibel auf Marktschwankungen<br />
zu reagieren.<br />
Welche Lösungen bietet Honeywell im Bereich der<br />
Lager- und Logistiklösungen?<br />
Fisher: Honeywells End-to-End-Lösungen, sprachgesteuerte<br />
Software, mobile Computer und Analysetools<br />
sorgen für die Sicherheit der Mitarbeiter und ermöglichen<br />
einen effizienten Anlagenbetrieb, selbst bei<br />
begrenztem Personalbestand. Wir konzentrieren uns<br />
auf fortschrittliche Software die moderne Datenanalyse,<br />
künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Robotik,<br />
5G-Konnektivität und Sensortechnologie nutzt.<br />
Mit mehr als 2,5 Millionen Mobilitätsgeräten, die<br />
weltweit eingesetzt werden, ist Honeywell einer der<br />
größten Anbieter von industriellen Handheldgeräten<br />
und Kassenscannern weltweit. Darüber hinaus ermöglicht<br />
Honeywells neues Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />
im tschechischen Brno (Brünn) unserem<br />
regionalen Kundenstamm zum ersten Mal in Europa,<br />
unsere Technologien, einschließlich Sortiersystemen<br />
und Förderbändern, zu erleben und zu trainieren.<br />
Welche Rolle spielen neue Technologien wie künstliche<br />
Intelligenz bei der Automatisierung?<br />
Fisher: Unternehmen setzen Automatisierungstechnologien<br />
ein, um die Produktivität, Sicherheit und<br />
Kosteneffizienz von Lagern zu verbessern und gleichzeitig<br />
die Flexibilität unter dynamischen Marktbedingungen<br />
aufrechtzuerhalten. Der Aufstieg von Technologien<br />
wie AMRs zeigt diesen Trend. Diese Roboter<br />
nutzen die neuesten Methoden des maschinellen Lernens,<br />
der Computer Vision und der künstlichen Intelligenz<br />
(KI), um sich schnell an veränderte Arbeitsabläufe<br />
und andere Anforderungen anzupassen, neue Fähigkeiten<br />
zu erwerben und den Betrieb entsprechend<br />
zu skalieren. Letztendlich werden diese Automatisierungslösungen<br />
eher eine Voraussetzung sein, um<br />
Schritt zu halten, als ein Wettbewerbsvorteil.<br />
Wie kann Honeywell dabei helfen, transparente<br />
und effiziente Lieferkette aufzubauen?<br />
Fisher: Honeywell unterstützt Unternehmen bei der<br />
Bewältigung ihrer Herausforderungen innerhalb der<br />
Lieferkette – von der Bestandsoptimierung bis zur<br />
Automatisierung ihrer Lagerabläufe. Unser umfassendes<br />
Angebot an Automatisierungstechnologien, Software<br />
und Mobilitätslösungen wird durch unser<br />
grundlegendes Know-how in den Bereichen Sensoren,<br />
KI, maschinelles Sehen und andere Lerntechnologien<br />
ermöglicht. Diese Verschmelzung von Technologien<br />
verbessert nicht nur das Verständnis des fortschrittlichen<br />
Lagerautomatisierungsportfolios, sondern nutzt<br />
auch die heute verfügbare Rechenleistung, um die<br />
schnelle Verarbeitung großer Datenmengen für eine<br />
effiziente Entscheidungsfindung zu ermöglichen.<br />
Das Interview führte Yannick Schwab,<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
AUTOMATE PROCESSES.<br />
EXTEND PERFORMANCE.<br />
Honeywells Lösungen,<br />
wie sprachgesteuerte<br />
Software, mobile<br />
Computer und<br />
Analyse tools, sollen für<br />
die Sicherheit der<br />
Mitarbeitenden sorgen<br />
und einen effizienten<br />
Anlagenbetrieb<br />
ermöglichen .<br />
„Als Logistikdienstleister müssen wir dem kontinuierlich steigenden<br />
Anspruch an Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit in unseren Lagern<br />
gerecht werden. Die richtigen Produkte zur richtigen Zeit an den richtigen<br />
Ort zu liefern, das ist wahrhaft eine Herausforderung. Dabei muss die<br />
Durchsatzkapazität stetig gesteigert werden – bei gleichbleibender<br />
Qualität. Automatisierte Lösungen und Prozesse sind daher bei LOXXESS<br />
nicht mehr wegzudenken. Denn nur eine dezidierte Planung sowie<br />
durchdachte Strukturen sorgen letztlich für die nötige innerbetriebliche<br />
Effizienz. Prozesse können so besser kontrolliert, die Flexibilität innerhalb<br />
unseres Leistungsspektrums erhöht werden. Das macht auch unsere<br />
Mitarbeiter zufriedener. Denn neben der Schaffung ergonomischer<br />
Arbeitsbedingungen werden die Fehlerquellen deutlich minimiert. So<br />
können wir alle gemeinsam motiviert auf der Innovationswelle reiten.“<br />
Markus Nun, Leiter Projekt- und Prozessmanagement<br />
Bild: Honeywell<br />
loxxess.com<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 59
» BME AKTUELL<br />
BME-Sustainability-Summit: Flaggschiff-Veranstaltung in Darmstadt<br />
Nachhaltigkeit im Einkauf prägt die Lieferketten<br />
Mehr als 200 Teilnehmende netzwerkten auf dem diesjährigen BME-Sustainability Summit<br />
vom 13. bis 14.06.23 in Darmstadt und tauschten sich intensiv über die erforderlichen<br />
Schritte zur Umsetzung einer nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>sstrategie in den Unternehmen aus.<br />
Der Einkauf steht vor enormen, teils komplexen<br />
Herausforderungen. Er muss ökologische,<br />
soziale und wirtschaftliche Belange<br />
in seinen <strong>Beschaffung</strong>sprozessen<br />
berücksichtigen. Dabei wird Nachhaltigkeit<br />
für den Einkauf immer mehr zum relevanten<br />
Entscheidungskriterium. Die dazu<br />
erforderlichen Werkzeuge und Strategien<br />
standen im Fokus des BME-Sustainability-Summit<br />
2023, der am Dienstag<br />
(13.06.2023) in Darmstadt eröffnet wurde<br />
und am Mittwochnachmittag (14.06.23)<br />
endete.<br />
Einhelliger Tenor der 38 Referent:innen<br />
und mehr als 200 Teilnehmenden des ersten<br />
Veranstaltungstages war, dass die Unternehmen<br />
zur langfristigen Sicherung<br />
ihrer Wettbewerbsfähigkeit in digitale<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozesse, moderne Infrastruktur,<br />
zukunftsweisende Innovationen<br />
und Nachhaltigkeit investieren müssen.<br />
Vor allem Sustainability sollte vom Einkauf<br />
als wichtiger Bestandteil seines Risikomanagements<br />
verstanden werden. Dazu<br />
gehöre auch, nachhaltige Arbeitsprozesse<br />
abteilungsübergreifend zu implementieren.<br />
Im Fokus des zweiten Tages der<br />
Flaggschiff-Veranstaltung für nachhaltige<br />
<strong>Beschaffung</strong> standen Keynote-Vorträge<br />
aus dem Industrie- und Dienstleis-<br />
Bild: Ulrich Häfner/BME e.V.<br />
tungssektor. Anschließend erhielten die<br />
Teilnehmenden in den parallelen Streams<br />
„Ökonomie“, „Ökologie“ und „Sozial“ weitere<br />
Einblicke in nachhaltige <strong>Beschaffung</strong>sorganisationen<br />
sowie Tipps der Experten<br />
zur erfolgreichen Umsetzung einer<br />
nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>sstrategie. Dazu<br />
zählt u. a. die Einbindung der Lieferanten<br />
in das Thema Nachhaltigkeit bereits<br />
bei der Angebotseinholung. Die Referenten<br />
bemerkten übereinstimmend,<br />
Big Buyers Working Together<br />
BME richtet EU-Projekt aus<br />
dass die <strong>Beschaffung</strong> beim Thema Nachhaltigkeit<br />
über die Nachfrage und den<br />
Schulterschluss mit den Fachabteilungen<br />
einen großen Hebel hat. So können zum<br />
Beispiel nachhaltige Kriterien definiert<br />
werden, die den Lieferanten mitgeteilt<br />
werden und die in die Angebotsbewertung<br />
einfließen. Bei Nichterfüllung einzelner<br />
Kriterien wird ein Malus auf den<br />
Angebotspreis aufgeschlagen. Dadurch<br />
können zunächst vermeintlich teurere<br />
aber nachhaltigere Angebote letztlich<br />
günstiger und in der Anschaffung attraktiver<br />
werden.<br />
In den Keynotes, Kurzpräsentationen und<br />
Best-Practice-Vorträgen wurde deutlich,<br />
dass das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf<br />
eine immer größere Bedeutung erlangt.<br />
Unternehmen erkennen zunehmend,<br />
dass sie eine Verantwortung für<br />
Umwelt- und Sozialbelange tragen und<br />
dass nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> nicht nur<br />
ökologische, sondern auch wirtschaftliche<br />
Vorteile bieten kann.<br />
Weitere Infos: sarah.baer@bme.de<br />
Das EU-Projekt „Big Buyers Working Together“ (BBWG) zur Förderung der<br />
nachhaltigen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> hat seine dritte Phase eingeleitet.<br />
„Der BME wird das Projekt an der Seite der Netzwerk-Partner EUROCITIES<br />
und ICLEI in den nächsten zwei Jahren im Auftrag der EU-Kommission ausrichten.<br />
„Als Konsortiumspartner freuen wir uns darauf, einen konkreten<br />
Beitrag zur Förderung der nachhaltigen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> in Europa<br />
zu leisten“, betont Olaf Holzgrefe, Leiter International des BME. Ziel von<br />
BBWG ist es, die Zusammenarbeit der Städte, zentralen <strong>Beschaffung</strong>sstellen<br />
und anderen großen öffentlichen Einkäufern zu fördern. In den zwei vorangegangenen<br />
Projektphasen zwischen 2019 und 2022 hat BBWG erfolgreich<br />
vier Arbeitsgruppen pilotiert, die sich auf die <strong>Beschaffung</strong> von Elektro-Schwerlastfahrzeugen<br />
für die Müllabfuhr und Straßenreinigung, Kreislaufasphalt,<br />
emissionsfreie Baustellen und digitale Lösungen im Gesundheitswesen<br />
konzentrierten (weitere Infos: olaf.holzgrefe@bme.de).<br />
Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />
Frankfurter Straße 27, 65760 Eschborn, Tel. 06196 5828-0, Fax –399,<br />
E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />
60 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
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notwendig? Welche Sicherheits- oder<br />
Auffanggurte und welche Verbindungselemente<br />
sind für unterschiedliche<br />
Einsatzzwecke die passende Wahl? Gemeinsam<br />
mit dem Unternehmen Zarges<br />
werfen wir einen Blick auf das Thema<br />
Arbeitssicherheit.<br />
Loxxess AG, Unterföhring 59<br />
Makine Ihracatcilan Birligi, TR-Balgat<br />
Cankaya Ankara 3<br />
Mitari Hebetechnik GmbH, Kleve 57<br />
NB Ventures, US-Clark 68<br />
RCT Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.,<br />
Heidelberg 47<br />
reichelt elektronik GmbH & Co. KG, Sande 7<br />
TFC Niederlassung Bochum, Bochum 19<br />
Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt<br />
folgender Firma bei:<br />
Brewes GmbH, Markersdorf<br />
Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />
Gerne können Sie die Beilage auch digital lesen<br />
unter beschaffung-<strong>aktuell</strong>.industrie.de/<br />
beilagenservice/<br />
MANAGEMENT<br />
Gesamtsieger des ISM Award 2023 für<br />
die innovativste digitale Lösung im<br />
Bereich Procurement ist der Automobilzulieferer<br />
Brose mit seinem unternehmensweiten<br />
Digitalisierungsprojekt<br />
„Integrated End to End Spend & Revenue<br />
Management“. Sven-Uwe Erber, Leiter<br />
Einkauf Brose Group, erläutert die<br />
Hintergründe des Projekts.<br />
TRANSFORMATION<br />
Die Einkaufsabteilung des Chemiekonzerns<br />
Altana mit Sitz in Wesel wollte die<br />
<strong>Beschaffung</strong>saktivitäten der einzelnen<br />
Rechtseinheiten konsolidieren und analysieren.<br />
Die Daten stammen aus 37 verschiedenen<br />
ERP-Systemen. Anstelle einer<br />
langwierigen Transformation der Systeme<br />
entwickelte Altana eine schnelle (Meta) -<br />
Plattform für Knowledge Engineering<br />
Das Magazin für Einkauf, Material wirtschaft und Logistik<br />
ISSN 0341–4507<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />
Ernst-Mey-Straße 8,<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
Verlagsleiter: Peter Dilger<br />
Chefredakteur:<br />
B. A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />
Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />
Redaktion:<br />
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Yannick Schwab (ys), Phone +49 711 7594–537<br />
Korrespondent:<br />
M.A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 6401879<br />
Freie Mitarbeit:<br />
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Leserservice: <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Phone +49 711 7252–209,<br />
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Erscheinungsweise: 9 x jährlich<br />
Bezugspreis jährlich: Inland 166,50 € inkl. MwSt. und<br />
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zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach<br />
Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils<br />
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aus technischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht kein<br />
Anspruch auf Ersatz.<br />
Die Mitglieder des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf<br />
und Logistik e.V. ( BME ) und des ÖPWZ erhalten die Zeitschrift<br />
„<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>“ im Rahmen einer Kooperation.<br />
Auslandsvertretungen: Großbritannien: Jens Smith Partner -<br />
ship, The Court, Long Sutton, Hook, Hamp shire, RG29 1TA,<br />
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Druck:<br />
Konradin Druck, Kohlhammerstraße 1–15,<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen, Printed in Germany<br />
© 2023 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />
Leinfelden-Echterdingen<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 10/2023 erscheint am 28.<strong>09.2023</strong><br />
Anzeigenschluss ist der 04.<strong>09.2023</strong><br />
62 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
BÜCHER «<br />
Rezension<br />
Kurs Einkauf 4.0: Stellhebel für den<br />
Wandel des Einkaufs<br />
„Nichts ist beständiger als der Wandel.“ Dieser oft zitierte Satz von Charles Darwin gilt<br />
heute mehr denn je für den Einkauf. Dies haben gut geführte Unternehmen schon seit<br />
langem erkannt. Sie haben gehandelt. In ihrem Buch legt Einkaufsexpertin Tanja Dammann-Götsch<br />
eine Roadmap für die Neu-Aufstellung des industriellen Einkaufs vor.<br />
Keine Frage: Der industrielle Einkauf geriet in der<br />
Pandemie unter gewaltigen Druck. Dieser hat in<br />
Anbetracht der zunehmenden geopolitischen Spannungen<br />
nicht nachgelassen. Die lange Schönwetter -<br />
ära und die Zeiten der goldenen Globalisierung sind<br />
vorbei. Darauf müssen sich unsere Unternehmen im<br />
Einkauf einstellen. Die Autorin, die offenbar viele<br />
fußkranke Unternehmen beraten hat, zeichnet vor<br />
diesem Hintergrund ein zu negatives Bild des Status<br />
Quo des industriellen Einkaufs. Der Einkauf ist spätestens<br />
in der Pandemie in das Blickfeld der CEOs<br />
und der CFOs getreten. Nicht wenige Unternehmen<br />
haben das, was die Autorin an tiefgreifenden Veränderungen<br />
fordert, schon umgesetzt. Gleichwohl ist<br />
die von ihr skizzierte Roadmap bedenkenswert und<br />
ein Stück weit inspirierend.<br />
Das in Anbetracht der Redundanzen und stellenweise<br />
zu weit ausholender Ausführungen recht dickleibige<br />
Buch ist konsequent aufgebaut. In den ersten drei Kapiteln<br />
geht es um die Beschreibung des Status Quo des<br />
industriellen Einkaufs und auch darum zu begründen,<br />
dass die Unternehmen mit den vermeintlichen Best<br />
Practices der Vergangenheit die Zukunft nicht gewinnen<br />
können. Aufschlussreich sind die vermittelten Einblicke<br />
in die interkulturelle Kommunikation mit Geschäftspartnern<br />
aus<br />
China, Mexiko, Polen<br />
und Rumänien und<br />
auch die Überlegungen<br />
zu den Konsequenzen<br />
des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.<br />
Allerdings ist es eine<br />
Binsenweisheit, dass<br />
Prof. Dr. Robert Fieten<br />
wissenschaftlicher<br />
Berater der<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />
Köln<br />
der zum Preisdrücker<br />
degradierte Einkäufer<br />
ein Auslaufmodell ist.<br />
Die Autorin weist zu<br />
Recht darauf hin, dass<br />
die wichtigen Komponenten<br />
der Roadmap hin zum „neuen“<br />
Einkauf in interdisziplinären Teams,<br />
(richtiger) Digitalisierung, agilem Arbeiten<br />
sowie in der Verbesserung von Fehlerkultur<br />
und Kommunikation zu sehen<br />
sind.<br />
Hiervon ausgehend werden im Mittelteil<br />
des Buches etwas weitschweifig<br />
die von der Autorin ausgemachten<br />
neuen Erfolgsfaktoren erläutert. Dabei<br />
handelt es sich um Digitalisierung,<br />
Purpose (Vermittlung der Sinnhaftigkeit),<br />
Agilität, Human Touch (respektvoller<br />
und auch empathischer Umgang Der Einkauf im Wandel. Jetzt souverän,<br />
innovativ und krisenfest die Zu-<br />
mit Mitarbeitenden und Lieferanten)<br />
sowie Homeoffice oder besser gesagt kunft gestalten. Tanja Dammann-<br />
Götsch. Wiley-VCH, Weinheim 2023,<br />
New Work. Die Autorin macht deutlich, 324 Seiten, 26,99 Euro,<br />
dass es ein ganzes Bündel von Stell - ISBN 978–3–527–51125–9<br />
hebeln für die Neuausrichtung des Einkaufs<br />
gibt. Diese müssen intelligent kombiniert<br />
werden , damit ein Erfolg versprechender Einkauf 4.0<br />
daraus wird.<br />
Fünf Erfolgsfaktoren<br />
In den beiden abschließenden Kapiteln geht die<br />
Autorin durchaus konsequent noch einmal tiefgehender<br />
auf die zentrale Bedeutung der Mitarbeitenden,<br />
die den Wandel tragen, ein. Sie skizziert die heute gefragten<br />
fachlichen und sozialen Kompetenzen der<br />
neuen EinkäuferInnen, die – so ihr Petitum – sich zu<br />
Unternehmensgestaltern gerieren sollten. Interessant<br />
sind ihre Ausführungen im abschließenden Kapitel<br />
über den „Einkauf New Generation“. Hier entwirft sie<br />
eine Vision des Einkaufs im Jahre 2050 und zeigt auf,<br />
wie die New Generation eingebunden werden sollte.<br />
Fazit: Die Lektüre dieses Buches bietet Praktikern<br />
Denkanstöße für einen Fitnesstest der gewachsenen<br />
Strukturen und Prozesse im Einkauf. Es zeigt die Stellhebel<br />
für ein erfolgversprechendes Change Management<br />
auf und macht Mut, den Wandel anzugehen.<br />
Bild: Wiley<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 63
» KARRIERE<br />
Qualifizierung im Einkauf: Beispiel Verhandlungskompetenz bei Dräxlmaier<br />
„Sie müssen einen Nutzen auch für<br />
andere Fachabteilungen schaffen“<br />
Unter erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Qualifizierung des<br />
Einkaufs vorantreiben? Für viele Unternehmen keine Option. Automobilzulieferer<br />
Dräxlmaier hingegen handelt antizyklisch und hat das Verhandlungsmanagement -<br />
system „House of Negotiation Excellence“ (HoNE) weltweit implementiert. Einkaufs -<br />
leiter Robert Suvak und Verhandlungsexperte Frieder Gamm beschreiben die<br />
Vorgehensweise und die Rolle des Einkaufs beim Global Player.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: „Innovationen<br />
sind kein Zufall“ heißt es bei der<br />
Dräxlmaier Group. Wird der Einkauf gehört?<br />
Robert Suvak: Unsere Stellung als Preferred<br />
Supplier der Premium-Automobilhersteller<br />
beruht insbesondere auf unserer<br />
Innovationskraft. Dahinter stehen Ideen<br />
unserer Mitarbeitenden, aber natürlich<br />
auch die unserer Lieferanten. Vorentwicklungsprojekte<br />
werden über unser Innovationsmanagement<br />
koordiniert, das Schnittstellen<br />
zu zahlreichen Resorts hat, auch<br />
zum Einkauf. Innovationskoordinatoren in<br />
unseren Einkaufshäusern kanalisieren die<br />
Informationen unserer Lieferanten und geben<br />
sie zur Bewertung in den Innovationspool.<br />
Meine Aufgabe ist, den Einkauf neu<br />
zu positionieren. Dazu gehört auch, bessere<br />
Verhandlungsergebnisse zu erzielen.<br />
Mit dem weltweit implementierten Verhandlungsmanagementsystem<br />
„House of<br />
Negotiation Excellence“ sind wir in der<br />
Lage, weitere Synergien, Standards und<br />
Optimierungen voranzutreiben. Und weil<br />
wir anderen Unternehmensbereichen<br />
nicht nur per Zufall belastbaren Nutzwert<br />
bieten, werden wir auch gehört.<br />
Frieder Gamm: Das hat sich seit der<br />
Einführung des HoNE-Konzepts bestätigt.<br />
Die Wahrnehmung ist jetzt eine ganz andere.<br />
Wichtig dabei: Es reicht nicht, wenn<br />
Maßnahmen von oben verordnet werden.<br />
Jeder Einzelne muss über ausreichend Information<br />
verfügen und den Nutzen erkennen,<br />
und zwar für sich, aber auch für<br />
Robert Suvak, Einkaufsleiter, Dräxlmaier<br />
andere. Power-Point-Folien allein schaffen<br />
keine Begeisterung. Bei einem solch umfassenden<br />
Verhandlungsmanagementprojekt<br />
brauchen Sie überzeugte Impulsgeber,<br />
Treiber und Beziehungsmanager, die gut<br />
kommunizieren können. Bei Dräxlmaier ist<br />
es gelungen, alle Schnittstellen eng zu bespielen.<br />
Das kommt dann auch dem Innovationsmanagement<br />
zugute.<br />
Herr Suvak, war das auch der Grund, warum<br />
Sie sich um den BME Procurement<br />
Excellence Award 2022 beworben haben?<br />
Dass Sie mit dem Schwerpunkt Verhandlungsmanagement<br />
punkten konnten,<br />
hat viele Beobachter überrascht.<br />
Suvak: War das so (lacht)? In einer Phase,<br />
wo Preise gestiegen sind, Dienstreisen<br />
gekappt und externe Kosten runtergefahren<br />
wurden, haben wir uns entschlossen,<br />
das HoNE-Programm aufzusetzen. Wir<br />
streben maximale Professionalität an und<br />
Bild: Dräxlmaier<br />
Verhandlungsexperte Frieder Gamm<br />
wollen als Erster reagieren können, wenn<br />
sich Rahmenbedingungen ändern, etwa<br />
bei signifikanten Materialpreisveränderungen.<br />
Das geht nun einmal nur mit geschulten<br />
Mitarbeitenden. Die Ergebnisse<br />
geben uns recht. Das war sicher ein Wachmacher<br />
für die BME-Jury. Die Juroren haben<br />
erkannt, dass hier ein Unternehmen<br />
antizyklisch zu handeln versteht. Ein Gewinnerunternehmen<br />
soll ja mindestens für<br />
seine Branche die Benchmark setzen.<br />
Bild: Gamm<br />
Das HoNE-Konzept hat bei Ihnen zu zukunftsgerichteten<br />
neuen Standards geführt.<br />
Was sind die bedeutendsten?<br />
Suvak: Herausheben will ich zum Beispiel<br />
unsere standardisierte längere Vorbereitungszeit<br />
für A-Verhandlungen. Die<br />
nimmt jetzt schon mal zwei Drittel des<br />
ganzen Prozesses ein. Es geht nicht nur<br />
um Zahlen und Preise. Wir analysieren<br />
unser Gegenüber nun sehr viel genauer –<br />
64 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
die Firma, den Verhandlungspartner selbst<br />
und, sofern Erfahrungen vorliegen, auch<br />
seine Charakteristik. All das fließt in unsere<br />
neuen Verhandlungsstrategien ein.<br />
Gamm: HoNE sorgt für den Rahmen,<br />
der den Mitarbeitenden in bisherigen<br />
Verhandlungen im Hinblick auf Zeit, Ressourcen<br />
oder auch Räumlichkeiten nicht<br />
zur Verfügung stand. Kern des Konzepts<br />
ist, dass ein A-Team alle vordefinierten<br />
Schritte bei jeder A-Verhandlung begleitet.<br />
Jeder Akteur weiß, wer wann und wie<br />
vorgeht. Alle greifen auf ein Playbook<br />
zurück, das mit dem ersten Tag der Vorbereitung<br />
beginnt. Die Verhandler wissen,<br />
wie sie in bestimmten kritischen Situationen<br />
reagieren sollten und wie weit sie<br />
gehen können.<br />
Welche messbaren Erfolge haben Sie<br />
besonders überrascht?<br />
Suvak: Weil man ja eine Verhandlung<br />
nicht gleichzeitig auf altem und neuem<br />
Weg führt, ist ein Vergleich schwer. Fakt ist<br />
aber: Wir haben Sicherheit<br />
und viel<br />
mehr Professionalität<br />
in der Verhandlung<br />
gewonnen, und<br />
das abgesichert von<br />
den Vorgesetzten.<br />
Wichtig ist, dass alle<br />
das gleiche Ziel unterstützen<br />
– auch<br />
die mittlere Führungsebene,<br />
die in einem solch ehrgeizigen<br />
Projekt ein wichtiger Hebel ist. Aber das positive<br />
Feedback, das aus der Geschäftsführung,<br />
aus dem Einkauf und aus unseren anderen<br />
Abteilungen kommt, ist sehr gut.<br />
Gamm: Oft machen sich Organisationen<br />
intern das Leben selbst schwer, weil sie<br />
nicht in der Lage sind, eine einheitliche<br />
Strategie zu verabreden. Dräxlmaier hat<br />
Mut zur Veränderung bewiesen. Im Laufe<br />
des Programms haben wir alle Beteiligten<br />
eingebunden, die Einfluss auf das Ergebnis<br />
haben, etwa Sales, Qualität, Produktion,<br />
Logistik. Das funktioniert super.<br />
Welche Rolle kommt den A-Team-Mitgliedern<br />
zu?<br />
Suvak: Wir führen im Jahr zahlreiche Verhandlungen<br />
weltweit durch und definieren<br />
»Wir haben Sicherheit<br />
und viel mehr<br />
Professionalität<br />
in der Verhandlung<br />
gewonnen.«<br />
Rober Suvak<br />
„House of Negotiation“<br />
Um die Verhandlungsleistung weiter zu verbessern, hat<br />
Dräxlmaier das weltweite Verhandlungsmanagementsystem<br />
„House of Negotiation Excellence“ der Frieder Gamm Group<br />
eingeführt. Einkaufsmitarbeitende werden als Verhandlungs -<br />
coaches ausgebildet. Sie bündeln das gesamte Know-how<br />
rund um alle A-Verhandlungen. Ein regelmäßiger Austausch der<br />
A-Team-Mitglieder sorgt für eine selbstlernende Organisation.<br />
für uns die größten hinsichtlich Volumen,<br />
Komplexität, Schwierigkeitsgrad. In diese<br />
A-Verhandlungen sind die A-Team-Member<br />
eingebunden. Sie machen das in Vollzeit,<br />
was ein ganz wichtiger Punkt für den Erfolg<br />
ist. Sie wurden während des HoNE-Programms<br />
geschult und sind nun in der Lage,<br />
weltweit unsere A-Verhandlungen zu begleiten<br />
und die jeweiligen Beteiligten zu<br />
coachen. Und mittlerweile sind sie auch<br />
Multiplikatoren von<br />
Lessons learned .<br />
Das Ganze ist kein<br />
starrer Prozess, soll<br />
also im Team auch<br />
fortentwickelt werden.<br />
Koordiniert<br />
wird das Projekt von<br />
A-Team-Leiter Robert<br />
Mutschler in<br />
Vilsbiburg.<br />
Wie managen Sie die Kapazitäten und<br />
wie rechnet sich das Projekt?<br />
Suvak: Die Gehälter der acht A-Team-<br />
Member sollten sich durch bessere Verhandlungsergebnisse<br />
um ein Vielfaches<br />
wieder einspielen lassen. Und natürlich<br />
haben wir auch Stellen nachbesetzt, damit<br />
alle Kolleginnen und Kollegen für ihre<br />
Aufgaben ausreichend Kapazitäten haben.<br />
Gamm: Unsere Wirtschaftlichkeitsanalyse<br />
hat eine enorme Einsparung ergeben.<br />
Es geht aber nicht nur um den ROI allein,<br />
sondern auch um nachhaltige Effizienzsteigerung<br />
durch ein globales ganzheitliches<br />
Vorgehen des Einkaufs bei Verhandlungen,<br />
also auch in den USA, in Mexiko,<br />
Rumänien und China. Weiterer Punkt: Die<br />
guten Ergebnisse motivieren den Einkauf<br />
auch für eine bessere Umsetzung von B-<br />
und C-Verhandlungen.<br />
Was zeichnet Ihrer Erfahrung nach einen<br />
guten Qualifizierungspartner im<br />
Einkauf aus?<br />
Suvak: Dräxlmaier bietet über eine unternehmenseigene<br />
Business Akademie<br />
Schulungen in verschiedenen Bereichen<br />
an. Für unsere weltweit umspannenden<br />
Maßnahmen in Sachen Verhandlung nutzen<br />
wir den Baukasten der Frieder Gamm<br />
Group. Grundsätzlich gilt: Ein Dienstleister<br />
muss Erkenntnisse aus einer Reihe von<br />
Projekten einbringen können. Ganz elementar<br />
ist ein belastbarer Erfahrungshorizont<br />
im gleichen Marktumfeld. Das ist bei<br />
uns beispielsweise das OEM- und Tier<br />
1-Geschäft im Automotive-Sektor.<br />
Gamm: In manchen Unternehmen setzen<br />
Einkauf oder HR eine Qualifizierungsmaßnahme<br />
halbherzig an, um intern einen<br />
Haken daran machen zu können. Und<br />
wir wissen alle, dass ein Lerneffekt von<br />
Verhandlungsseminaren oftmals verpufft,<br />
sobald die gelernten Methoden und<br />
Werkzeuge auf bestehende Prozesse und<br />
Vorgehensweisen im Unternehmen treffen.<br />
Ich schaue darum auch sehr genau<br />
darauf, ob und wie umsetzungsorientiert<br />
eine Organisation überhaupt ist. Welche<br />
Motivation steht dahinter? Ich habe kein<br />
Interesse, lediglich Laufschuhe zu verkaufen,<br />
die später im Regal stehen bleiben.<br />
Die Schuhe müssen passen und fortan regelmäßig<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Das Gespräch führte Sabine Ursel,<br />
Journalistin , Wiesbaden.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 65
» MEINUNG<br />
Der „Brückenstrompreis“ –<br />
Rettung für den Industriestandort<br />
Deutschland?<br />
Der Industriestandort Deutschland steht unter Druck. Ein Belastungsfaktor sind die im<br />
internationalen Vergleich anhaltend zu hohen Energiekosten. Im zweiten Halbjahr 2022<br />
mussten die Unternehmen in Deutschland laut Verband der Chemischen Industrie im<br />
Schnitt rund 20 Cent für eine Kilowattstunde Strom zahlen und damit 40 Prozent mehr als<br />
in Frankreich und etwa dreimal soviel wie in den USA. Diese Preise sind für die energieintensiven<br />
Unternehmen ein strategischer Nachteil des Standortes<br />
Deutschland. Dieser ist nicht betriebswirtschaftlich bedingt sondern<br />
eine Folge politischer Entscheidungen.<br />
Die Konsequenz: Bei Neuinvestitionen gehen die Unternehmen<br />
lieber in die USA und nach China. Zur Sicherung der heimischen<br />
industriellen Basis, zu der unverzichtbar auch energieintensive<br />
Industrien gehören, muss daher von der Politik mehr getan werden,<br />
bevor es zu spät ist. Gleichwohl argumentieren Ökonomen,<br />
dass es gar nicht so dramatisch wäre, wenn beispielsweise die<br />
Basischemie oder auch die Stahlindustrie aus Deutschland abwandert.<br />
Dies ist blauäugig: 95 Prozent der Industrieprodukte<br />
basieren auf Basischemikalien. Für die Energie- und Mobilitätswende<br />
sind diese unverzichtbar. Ähnliches gilt für Stahl. Die<br />
Aufgabe der energieintensiven Industrien würde in eine riskante<br />
Abhängigkeit führen. Es gehört nicht viel Fantasie zu der Annahme,<br />
dass China die Welt so lange mit billigem Stahl überfluten<br />
Prof. Dr. Robert Fieten,<br />
wissenschaftlicher Berater der<br />
wird, bis die Unternehmen in anderen Ländern aufgegeben haben.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Köln<br />
Eine zurzeit kontrovers diskutierte Maßnahme zur Standortsicherung<br />
ist die Einführung eines staatlich subventionierten Industriestrompreises.<br />
In Rede steht ein zeitlich befristeter „Brückenstrompreis“ von 6 Cent pro<br />
Kilowattstunde. Dieser soll gelten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem unsere Industrie vom günstigen<br />
Strom aus erneuerbaren Energien profitieren kann.<br />
Hierfür kann man durchaus Sympathie entwickeln, denn ein<br />
»Für unsere energie -<br />
intensiven Unternehmen<br />
sind die hohen Strompreise<br />
eine schwere<br />
Hypothek. «<br />
Industriestrompreis würde von der Politik induzierte Preisverzerrungen<br />
korrigieren. Die Politik hat Entscheidungen getroffen,<br />
die das Stromangebot verknappt und verteuert haben.<br />
Dazu zählen der Kohle- und Atomausstieg. Und auch nach<br />
dem Wegfall der Umlage nach dem Erneuerbare-<br />
Energien-Gesetz (EEG) im vergangenen Jahr belasten weiterhin<br />
diverse Aufschläge den Strompreis. Allein die Netzentgelte<br />
sind oft höher als die reinen Stromgestehungskosten. Die<br />
hohen Kosten des Netzausbaus sind direkte Folge der politischen Entscheidungen zur<br />
Energiewende (s. hierzu Handelsblatt vom 27. Juli 2023).<br />
Sicherlich: Für viele der genannten Kostenfaktoren gibt es gerade für große Verbraucher<br />
(leider zu wenig für den Mittelstand!) Entlastungen und Sonderregeln. Allerdings müssen<br />
viele Erleichterungen Jahr für Jahr neu erkämpft und beantragt werden. Dies ist eine<br />
schlechte Voraussetzung für Investitionen in Anlagen, die Jahrzehnte laufen sollen.<br />
Für unsere energieintensiven Unternehmen sind die hohen Strompreise eine schwere<br />
Hypothek . Sinken sie nicht bald, drohen Abwanderung, Pleiten, Betriebsaufgaben. Die<br />
Politik muss mit einem „Brückenstrompreis“ ihren Beitrag dazu leisten, dass der Exodus<br />
gestoppt wird.<br />
66 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023
Wir setzen auf Qualität: Bei der Arbeit –<br />
und bei DIN- und Normteilen.<br />
Egal in welcher Branche Sie tätig sind, von Medizintechnik bis Maschinenbau:<br />
Böllhoff ist Ihr Partner für 360° Verbindungstechnik. Auch, wenn es um DIN- und Normteile<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 67
68 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023