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Beschaffung aktuell 09.2023

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Ausgabe 09 | 2023<br />

www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de<br />

Einkauf<br />

Materialwirtschaft<br />

Logistik<br />

Interview<br />

Fertigungsplattformen<br />

Einkaufsprozesse flexibel<br />

und zuverlässig gestalten<br />

» Seite 45<br />

Lieferstrategien<br />

Haben Just-in-Time und<br />

Just-in-Sequence ausgedient?<br />

» Seite 18<br />

Resilienz<br />

Vom Buzzword zum Geheimnis<br />

einer Superkraft<br />

» Seite 22<br />

Markus Löning, ehem. Beauftragter<br />

der Bundesregierung für<br />

Menschenrechtspolitik und<br />

Humanitäre Hilfe<br />

» Seite 14<br />

„Next Level“ im<br />

C-Teile- Einkauf<br />

» Seite 32<br />

Professionell. Innovativ. Einkauf.


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2 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


» EDITORIAL<br />

Chips made in Germany<br />

Während andere Länder wachsen, kommt die deutsche Wirtschaft nicht in die<br />

Pötte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für dieses Jahr einen<br />

Rückgang der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent und der Einkaufsmanagerindex<br />

EMI sackte im Juli mit 38,8 Punkten auf den tiefsten Stand<br />

seit Mai 2020 ab. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Klemme. Das bestätigt<br />

nach den enttäuschenden vorläufigen BIP-Zahlen für das zweite<br />

Quartal 2023 auch der <strong>aktuell</strong>e EMI“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr.<br />

Helena Melnikov. „Angesichts der <strong>aktuell</strong>en Situation scheint eine kurzfristige<br />

Wiederbelebung der Wirtschaft mehr Illusion als Realität zu sein.“ Wirtschaftsverbände<br />

warnen bereits vor einer schleichenden Deindustrialisierung,<br />

da Unternehmen wegen der derzeitigen Standortbedingungen ihre Produktion<br />

ins Ausland verlagern könnten.<br />

Sollte es wirklich zu einer Abwanderung kommen, stellt sich die Frage,<br />

welche Zukunftsbranche Deutschland halten kann. Neuste Meldungen legen<br />

nahe, dass die Regierung hierbei ein Auge auf die Halbleitertechnologie<br />

geworfen haben könnte. Nachdem zuletzt Intel (Magdeburg) und Infineon<br />

(Dresden) den Aufbau von Produktionsstätten angekündigt hatten, hat der<br />

taiwanesische Halbleiterhersteller TSMC Anfang August entschieden ebenfalls<br />

in Dresden eine Halbleiterproduktion aufzubauen. An dem Projekt sind<br />

außerdem Bosch, Infineon und die niederländische NXP beteiligt. Die Bundesregierung<br />

unterstützt das Investment laut dem Handelsblatt, das sich auf<br />

Regierungs kreise beruft, mit fünf Milliarden Euro. Die neue Intel-Fabrik plant<br />

die Regierung gar mit 9,9 Milliarden Euro zu fördern. Für Robert Habeck zeigt<br />

das Investment, dass „Deutschland ein attraktiver und wettbewerbsfähiger<br />

Standort ist, gerade auch bei Schlüsseltechnologien wie der Mikroelektronik“.<br />

Gleichzeitig betont er, dass man daran arbeite, die Rahmenbedingungen für<br />

solche Großinvestitionen weiter zu verbessern, Genehmigungsverfahren zu<br />

beschleunigen und Bürokratie abzubauen.<br />

Chips gelten als ein Schlüsselprodukt für die Industrie. Welche Relevanz<br />

Halbleiter haben, dürften die vergangenen Jahre gezeigt haben, als es bei<br />

Automobilen , Wind- und Solaranlagen oder Unterhaltungselektronik zu<br />

Liefereng pässen kam. Mit eigenen Halbleiter-Kapazitäten sollen Abhängigkeiten<br />

reduziert und die Versorgungssicherheit sowie Wettbewerbsfähigkeit<br />

gestärkt werden. Ob aber allein durch die subventionierte Halbleiterindustrie<br />

der mögliche Wegfall vieler produzierender<br />

Industrieunternehmen<br />

aufgefangen werden kann, darf zumindest<br />

bezweifelt werden.<br />

Yannick Schwab,<br />

Redakteur der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

yannick.schwab@konradin.de<br />

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bit.ly/3qWWwAb<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 3


» INHALT 09 | 2023 70. JAHRGANG<br />

TITEL<br />

„Next Level“ im<br />

C-Teile- Einkauf<br />

» Seite 32<br />

Titelbild: Keller & Kalmbach<br />

MAGAZIN<br />

Branchennews & Wirtschaftsindices 6<br />

Symposium Einkauf und Logistik<br />

#PRO: CONNECT 23 10<br />

Rohstoffpreise: Schwerpunkt Ferrolegierungen<br />

Kunden blieben bei aggressivem Ansatz –<br />

die Preise sanken 12<br />

Deutscher Logistik-Kongress<br />

„Think Networks.“ – Logistik der Zukunft 13<br />

MANAGEMENT<br />

Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsfragen<br />

Am Ende geht es um einen Interessen ausgleich 14<br />

Lieferkettenmanagement<br />

Haben JiT und JiS in einer VUCA- Welt ausgedient? 18<br />

Hinterfragt – Schlagwort im Supply Chain Management<br />

Resilienz? Buzzword?<br />

Solange man nicht weiß, wie es geht ... 22<br />

Zentrales <strong>Beschaffung</strong>ssystem<br />

Kundenorientierung auch für interne<br />

Bestellvorgänge zentral 24<br />

Wie KI die Resilienz erhöht<br />

Verbesserte Frühwarnsignale in der Lieferkette 26<br />

Rechte des Käufers beim Erwerb von KI<br />

Was Künstliche Intelligenz können muss 28<br />

Resilienz: Zwischen Hype und Horror<br />

Das Geheimnis hinter der Superkraft Resilienz 30<br />

C-TEILE-MANAGEMENT<br />

TITEL<br />

Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in der <strong>Beschaffung</strong><br />

Das „Next Level“ im C-Teile-Einkauf 32<br />

Aufbau eines indirekten Einkaufs<br />

„Digitale Transformation:<br />

Next Level im Indirect Procurement“ 38<br />

FERTIGUNGSTECHNIK<br />

Datenbasierte Investitions- und Finanzierungsmodelle<br />

Pay-per-X als Finanzierungsalternative 40<br />

Dr. Christian Hoffart, CEO, Sparepartsnow<br />

Disruption im Ersatzteilgeschäft 42<br />

Lohnfertigung im Wandel<br />

Wie Fertigungsplattformen den Einkauf verändern 46<br />

Digitale Plattform für Zeichnungsteile<br />

Die Zukunft der <strong>Beschaffung</strong> 49<br />

Neue Wege im Thermoforming<br />

Tiefziehteile digital beschaffen 50<br />

Additive Fertigung<br />

Mass-Customization mit 3D-Fließbanddruckern 52<br />

INTRALOGISTIK<br />

Stefan Lampa, CEO, Proglove<br />

„Die Mitarbeiter spüren wesentliche Verbesserungen<br />

in ihren Abläufen“ 54<br />

Innerbetrieblicher Materialfluss<br />

Vollautomatisierte Anlage ersetzt alte Förderstrecke 56<br />

4 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Bild: Bittner<br />

Co-Gründer und Geschwister: Moritz und Lisa-Marie<br />

Bittner von Formary.<br />

» Seite 50<br />

Keith Fisher, Präsident, Honeywell<br />

„Automatisierung wird eine Voraussetzung sein,<br />

um Schritt zu halten“ 58<br />

BME<br />

BME-Sustainability-Summit<br />

Nachhaltigkeit im Einkauf prägt die Lieferketten 60<br />

KARRIERE<br />

Rezension<br />

Einkauf 4.0: Stellhebel für den Wandel des Einkaufs 63<br />

Qualifizierung im Einkauf<br />

„Sie müssen einen Nutzen auch für andere<br />

Fachabteilungen schaffen“ 64<br />

RUBRIKEN<br />

Editorial 3<br />

Inserentenverzeichnis, Vorschau, Impressum 62<br />

Meinung<br />

Der „Brückenstrompreis“ – Rettung<br />

für den Industriestandort Deutschland? 66<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 5<br />

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» MAGAZIN<br />

Supplier Risk Management<br />

ESG-Ziele im Einkauf steuern<br />

Bild: Pcess609/stock.adobe.com<br />

Onventis, Anbieter für Source-to-Pay-<br />

Prozesse, und IntegrityNext, eine Cloud-<br />

Lösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement<br />

in der Lieferkette, werden<br />

Lösungs partner im Bereich Supplier Risk<br />

Assessment. Ab sofort unterstützt Onventis<br />

das Lieferketten-Monitoring durch die<br />

direkte Anbindung des Einkaufssystems<br />

Onventis erweitert sein Produktportfolio um die ESG-Risikoinformationen von IntegrityNext.<br />

an die Nachhaltigkeitsmanagement-<br />

Plattform.<br />

Durch die Anbindung über den „Integrity-<br />

Next API Connector“ sollen ESG-Risiken<br />

entlang der Lieferkette frühzeitig erkannt<br />

werden. Einkaufsteams führen auf Basis<br />

automatischer Lieferanten-Assessments<br />

regelmäßig Risikoanalysen durch und verankern<br />

gleichzeitig Präventionsmaßnahmen.<br />

Die ESG-Risiken werden in einem<br />

Dashboard als Bericht oder Bewertungskriterium<br />

angezeigt. Potenzielle Lieferanten<br />

können über konfigurierte, kostenlose<br />

Assessments schnell vorqualifiziert werden,<br />

so die Unternehmen. Über die<br />

Schnittstelle werden unmittelbare Zulieferer<br />

auf Basis von Nachhaltigkeitsprofilen<br />

kontinuierlich überwacht, sodass Einkaufsteams<br />

mit einem Klick lieferkettenbezogene<br />

CSR-Reports in Onventis erstellen<br />

können.<br />

Neben dieser Anbindung stehen zur fortlaufenden<br />

Überwachung von Supply-<br />

Chain-Risiken weitere Lösungen rund um<br />

das Lieferantenmanagement zur Verfügung,<br />

wie z. B. die individuelle Lieferantenqualifizierung<br />

und -klassifizierung.<br />

Über das offene Lieferantennetzwerk von<br />

Onventis können schnell nachhaltige und<br />

compliance-konforme Lieferanten gefunden<br />

werden. Erweiterte Erkenntnisse im<br />

Umgang mit Regularien und Vorgaben<br />

werden in IntegrityNext über Lieferantenfragebögen<br />

erzielt. Zentrale Anfragen und<br />

Stammdatenübernahmen sollen zuverlässige<br />

und verantwortungsvolle Qualifizierungen<br />

gewährleisten. (ys)<br />

Osapiens und die Prospitalia starten Zusammenarbeit<br />

Mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen<br />

Das Mannheimer Softwareunternehmen<br />

Osapiens und der im Gesundheitswesen<br />

beheimatete Einkaufsdienstleister Prospitalia<br />

haben eine Kooperation gestartet.<br />

Ziel der Kooperationspartner ist es, Lieferketten-<br />

und <strong>Beschaffung</strong>sprozesse im<br />

Krankenhaussektor transparenter und damit<br />

nachhaltiger und in erster Linie<br />

rechtskonform zu gestalten, also die Gesundheitsbranche<br />

in Deutschland bei der<br />

Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu<br />

unterstützen.<br />

Kernelement der Initiative ist eine von<br />

Osapiens entwickelte Softwareplattform,<br />

die es Krankenhäusern und medizinischen<br />

Einrichtungen ermöglicht, mithilfe von<br />

Automatisierung und Künstlicher Intelligenz<br />

ihre Lieferketten und Lieferanten<br />

effizient zu überwachen und potenzielle<br />

Risiken frühzeitig zu erkennen. Durch die<br />

Konsolidierung der Daten auf einer Plattform<br />

erhalten die Kliniken schnell einen<br />

Überblick und können mithilfe der Softwarelösung<br />

gezielt Maßnahmen ergreifen,<br />

um möglichen Verstößen entgegenzuwirken.<br />

Nils Koch, Leitung Zentraleinkauf, SRH<br />

Gesundheit GmbH: „Die Kooperation ermöglicht<br />

es uns, einen ganzheitlichen<br />

Ansatz für das Risikomanagement in der<br />

Lieferkette zu verfolgen. Durch die Nutzung<br />

einer einheitlichen Softwareplattform<br />

haben wir einen klaren Überblick<br />

über unsere Lieferanten und können<br />

gezielt Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen<br />

oder Verstöße<br />

gegen den Klimaschutz zu verhindern.“<br />

75 Prozent der deutschen Universitäts -<br />

kliniken haben sich der Kooperation<br />

bereits angeschlossen, so die beiden Unternehmen.<br />

Erklärtes Ziel ist es, gemeinsam<br />

eine Standardlösung zu entwickeln,<br />

die auch den wachsenden Anforderungen<br />

an die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

im Hinblick auf kommende EU-Richtlinien<br />

wie die ab 2024 geltende Corporate<br />

Sustainability Reporting Directive (CSRD)<br />

gerecht wird. (ys)<br />

6 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 7<br />

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» MAGAZIN<br />

Einkaufsmanagerindex EMI im Juli<br />

Abschwung der Industrie hat sich verschärft<br />

Die Geschäftstätigkeit in der deutschen<br />

Industrie ist weiter zurückgegangen. Produktion,<br />

Neuaufträge und Erzeugerpreise<br />

schrumpften im Juli 2023 allesamt mit<br />

beschleunigten Raten, teilt S&P Global<br />

mit. Mit 38,8 Punkten nach 40,6 im<br />

Vormonat erreichte der HCOB Einkaufsmanagerindex<br />

Deutschland (EMI) den<br />

tiefsten Wert seit Mai 2020. Ausschlaggebend<br />

für den Abschwung sind vor allem<br />

die weiter rückläufigen Neuaufträge. In<br />

Anbetracht des zunehmend erbitterten<br />

Wettbewerbs um neue Aufträge und des<br />

allmählich nachlassenden Kostendrucks<br />

gaben die durchschnittlichen Verkaufspreise<br />

den zweiten Monat in Folge nach.<br />

Zudem beschleunigten sich die Rückgangsraten<br />

der Verkaufspreise und der<br />

Einkaufspreise auf die schnellsten Werte<br />

seit September bzw. April 2009. Neben<br />

den sukzessive fallenden Energiekosten<br />

berichteten viele Befragte von teils kräftig<br />

rückläufigen Rohstoffpreisen, was oft<br />

der schwachen Nachfrage über alle<br />

Liefer ketten hinweg zugeschrieben wurde.<br />

„Die deutsche Wirtschaft steckt in der<br />

Klemme. Das bestätigt nach den enttäuschenden<br />

vorläufigen BIP-Zahlen für das<br />

zweite Quartal 2023 auch der <strong>aktuell</strong>e<br />

EMI. Unverändert hohe Energiepreise, der<br />

Quelle: S&P Global/BME<br />

anhaltende Mangel an Fachkräften und<br />

sich verschärfende geopolitische Spannungen<br />

sind nur einige der Hindernisse,<br />

die unsere Industrie ausbremsen“, betont<br />

BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena<br />

Melnikov . (ys)<br />

Geschäftsklima Zuliefererindustrie<br />

Bewölkte Sommertage<br />

Das Geschäftsklima der deutschen Zulieferer legte im Juli eine<br />

Seitwärtsbewegung hin, so die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie<br />

(ArGeZ). Durch einen Saldenrückgang um 0,2 Punkte<br />

liegt das Geschäftsklima bei saisonbereinigten –14,6 Punkten.<br />

Nach dem Einbruch im Vormonat erholen sich die Erwartungen<br />

für die kommenden sechs Monate leicht von –32,1 auf –29,6<br />

Saldenpunkte. Somit bleiben die Aussichten auf die zweite Jahreshälfte<br />

sehr pessimistisch. Gleichzeitig verschlechtert sich die<br />

Beurteilung der <strong>aktuell</strong>en Geschäftslage um weitere 3,6 Saldenpunkte.<br />

Dies markiert den sechsten Rückgang in Folge.<br />

Während die deutschen Zulieferer die Auftragsbestände sukzessive<br />

abbauen, sind Auftragseingänge weiterhin rückläufig. So<br />

hat zwar der VDA zuletzt seine Inlandsproduktionsprognose für<br />

Pkw von +9 auf +15 Prozent angehoben, was danach kommt, ist<br />

aufgrund der rückläufigen Bestellungen jedoch fraglich. Folglich<br />

sind in den vergangenen zwei Monaten neben den Erwartungen<br />

im Maschinenbau auch die Aussichten im Fahrzeugbau erheblich<br />

eingebrochen. Trifft das durch Löhne und Energiepreise gestiegene<br />

Kostenniveau nun auf eine weiter unter Druck geratene<br />

Nachfrage, werden die kommenden Monate für die deutschen<br />

Zulieferer laut der ArGeZ zum abermaligen Stresstest. (ys)<br />

Anstieg in der Industrie weitestgehend gestoppt<br />

Preisaussichten steigen geringfügig<br />

Die Preiserwartungen der deutschen Unternehmen für die kommenden<br />

Monate sind geringfügig gestiegen. Das geht aus der<br />

Umfrage des ifo Instituts hervor. Sie stiegen im Juli auf 16,4<br />

Punkte, von 16,3 im Juni (saisonbereinigt korrigert). „Erstmals<br />

seit Oktober 2022 hat der Anteil der Unternehmen, der per saldo<br />

seine Preise anheben will, nicht weiter abgenommen“, sagt ifo-<br />

Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Vor allem bei den Einzelhändlern<br />

(34,8 Punkte nach 32,9) und den konsumnahen Dienstleistern<br />

(32,9 Punkte nach 32,7) plant eine wachsende Mehrheit<br />

weitere Preiserhöhungen. „Im Gegensatz zu den konsumnahen<br />

Bereichen dürfte der Preisanstieg im Produzierenden Gewerbe<br />

mittlerweile gestoppt sein“, sagt Wollmershäuser. In der Industrie<br />

sanken die Preiserwartungen auf 4,1 Punkte, nach 6,0 im<br />

Juni . Auch hier verläuft die Entwicklung nicht einheitlich. Die<br />

Autoindustrie plant vermehrt Preisanhebungen (35,6 Punkte<br />

nach 24,9). Die Hersteller von EDV-Geräten wollen hingegen<br />

ihre Preise nur noch seltener erhöhen (13,3 Punkte nach 31,1).<br />

Sinkende Preise planen unter anderem das Papiergewerbe (-53,8<br />

Punkte nach –52,3) und die Chemische Industrie (-27,4 Punkte<br />

nach –33,3). Auch im Baugewerbe dürften die Preise weiter sinken<br />

(-8,1 Punkte nach –5,2). (ys)<br />

8 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Kiel Trade Indicator im Juli<br />

Der Welthandel trübt sich ein<br />

Die Werte des Kiel Trade Indicator für den<br />

Welthandel sind im Juli im Vergleich zum<br />

Juni durchweg negativ (preis- und saisonbereinigt).<br />

Das jüngste Datenupdate weist<br />

für den Welthandel im Vergleich zum Vormonat<br />

ein deutliches Minus von 1,6 Prozent<br />

aus (preis- und saisonbereinigt). Für<br />

Deutschland liegen die Werte sowohl für<br />

Exporte (–0,4 %) als auch Importe<br />

(–1,2 %) im roten Bereich. Gleiches gilt in<br />

noch etwas stärkerem Maße für die EU-<br />

Exporte (–1,6 %) und -Importe (–1,5 %).<br />

Den im Vergleich kräftigsten Rückgang<br />

verzeichnen die USA bei den Exporten<br />

(–3,7 %), auch die Importe (-0,8 %) sind<br />

negativ. Bei Chinas Handel ist nach dem<br />

Aufwärtstrend der vergangenen Monate<br />

ein Rücksetzer zu beobachten, Exporte<br />

(–1,6 %) und Importe (–0,7 %) liegen im<br />

roten Bereich. „China importiert inflationsbereinigt<br />

spürbar weniger Waren aus<br />

Global gehandelte Gütermenge in Containern (Stand 03.08.2023).<br />

der Welt als in der Boomphase 2021“,<br />

sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade<br />

Indicator . Chinas Anteil an deutschen<br />

Exporten ist im ersten Halbjahr von 7 Prozent<br />

im Vorjahr auf 6,2 Prozent gefallen.<br />

Die USA sind mit einem Anteil von fast 10<br />

Prozent das wichtigste Abnehmerland für<br />

deutsche Exporte.<br />

Ins Bild der schwachen Handelszahlen im<br />

Juli passt die leicht rückläufige Aktivität<br />

auf den Weltmeeren. Die Menge an verschifften<br />

Standardcontainern sank auf<br />

rund 13,7 Millionen und damit um 4 Prozent<br />

unter ihr Allzeithoch im Frühjahr<br />

2022. Die Menge an verschifften Waren<br />

im Roten Meer, der wichtigsten Seehandelsroute<br />

zwischen Europa und Asien,<br />

sinkt um ca. 50.000 Standardcontainer<br />

und liegt damit rund 13 Prozent unter<br />

dem eigentlich zu erwartenden Wert. (ys)<br />

Bild: IfW Kiel<br />

Effektive <strong>Beschaffung</strong> 2023<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstrateg:innen moderner Unternehmen bewegen sich<br />

heute auf einer schmalen Gratwanderung zwischen Kostensenkung<br />

und Investition für echte Wertschöpfung.<br />

Foto: © Amazon Business<br />

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Der Einkauf hat sich zu einem dynamischen Faktor entwickelt:<br />

Anstatt als reine Kontrollinstanz für Kosten zu fungieren,<br />

stellt man sich die Frage, wie die <strong>Beschaffung</strong> für Unternehmen<br />

echte Werte generieren kann. Denn auch wenn sich Kosten -<br />

effizienz in Krisenzeiten lohnen kann, darf sich eine effektive<br />

<strong>Beschaffung</strong>sstrategie nicht nur auf das Heute konzentrieren.<br />

Wie definieren <strong>Beschaffung</strong>sleiter:innen in Europa also ihre<br />

Rolle? Laut Amazon Business* betrachtet ein Drittel Kosten -<br />

senkung weiter als die Hauptaufgabe. Dagegen hat für mehr als<br />

die Hälfte (59 %) die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der<br />

<strong>Beschaffung</strong> sowie für fast jede:n Zweiten (48 %) eine Effizienzsteigerung<br />

innerhalb der <strong>Beschaffung</strong>sabteilung oberste Prio -<br />

rität. Diese Ziele schließen einander nicht aus. Laut McKinsey**<br />

verzeichnen ESG-konforme Unternehmen ein bis zu 20 %<br />

schnelleres Wachstum, eine höhere Bewertung und eine<br />

Kostensenkung um bis zu 10 %.<br />

<strong>Beschaffung</strong>s -<br />

leiter:innen definieren<br />

ihre Rolle im Unternehmen<br />

neu<br />

KONTAKT<br />

Amazon Pressestelle<br />

Pressestelle Deutschland<br />

Marcel-Breuer-Straße 12<br />

80807 München<br />

E-Mail: de-pr@amazon.de<br />

https://business.amazon.de/<br />

Quellen: *Amazon Business Procurement Survey 2023; **McKinsey Global Survey 2019<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 9


» MAGAZIN<br />

Symposium Einkauf und Logistik 2023<br />

#PRO: CONNECT 23<br />

Das BME-Symposium bietet vom 18. bis 20. Oktober 2023 in der Station Berlin<br />

eine Mischung aus praxisnahen Vorträgen, Diskussionsformaten und<br />

interaktiven Sessions zu den <strong>aktuell</strong>en Heraus forderungen von Einkauf und<br />

SCM sowie zahlreiche Gelegenheiten, das persönliche Netzwerk zu erweitern.<br />

Auf dem Podium in der Station Berlin beim letztjährigen BME-Symposium: Asmus Wolff,<br />

Vorstand Supply Chain bei Ritter Sport. Auch dieses Jahr wird es wieder viele interessante Vorträge<br />

und andere interaktive Kommunikationsformen geben.<br />

Volatile Märkte, globale fragile Lieferketten,<br />

sich permanent ändernde<br />

Regularien aber auch Digitalisierung oder<br />

Agilität verschärfen die Herausforderungen<br />

in Einkauf und SCM. Das BME-Symposium<br />

gibt Ideen und innovative Einkaufsstrategien<br />

an die Hand, um mit den<br />

anhaltenden Unsicherheiten und den anstehenden<br />

Veränderungen umzugehen.<br />

Der Kongress bietet Ihnen eine Mischung<br />

aus praxisnahen Vorträgen, Diskussionsformaten<br />

und interaktiven Sessions zu<br />

den <strong>aktuell</strong>en Themen sowie zahlreiche<br />

Gelegenheiten, um Ihr persönliches Netzwerk<br />

zu erweitern. Die Themen-Highlights<br />

des BME-Symposiums 2023:<br />

• Procurement & Supply Chain Management<br />

– mit Strategie in die Zukunft<br />

blicken!<br />

• Zukunft gestalten – Procurement als<br />

Business Partner auf Augenhöhe<br />

• Economies of skills and standards – fit<br />

for the future NOW<br />

Bild: BME<br />

• Digitalisierung der Supply Chain & des<br />

Einkaufs – endlich weg vom Status<br />

Quo<br />

• Business people in procurement – das<br />

Einkaufsteam der Zukunft<br />

• Mittelstand – der Motor unserer Wirtschaft<br />

• Nachhaltigkeit – Aufgabe und Chance<br />

für den Einkauf<br />

• Agilität & Resilienz in der Supply Chain<br />

– Wettbewerbsentscheider der Zukunft<br />

Hinzu kommen rund 90 Partner und ausstellende<br />

Unternehmen. Zum Ablauf:<br />

Am 18. Oktober eröffnet um 9.30 Uhr<br />

Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des<br />

BME e.V., Bereichsleitung Einkauf & Sustainability,<br />

Funke Mediengruppe die Veranstaltung<br />

in der Station Berlin. Im Anschluss<br />

begrüßt der diesjährige Moderator<br />

Erik Wirsing, Vice President Global Innovation,<br />

Schenker AG die anwesenden<br />

Gäste. Um 12 Uhr gibt die BME-Hauptgeschäftsführerin<br />

Dr. Helena Melnikov die<br />

Gewinner der diesjährigen BME-Business-Awards<br />

in den folgenden Kategorien<br />

bekannt:<br />

• Procurement Excellence Award – Auszeichnung<br />

für Großunternehmen<br />

• Procurement Excellence Award – Auszeichnung<br />

für KMU<br />

• Sustainable Supply Award – Auszeichnung<br />

für nachhaltige <strong>Beschaffung</strong>/<br />

SCM<br />

• CPO/CSCO of the Year<br />

Darüber hinaus haben u. a. folgende<br />

Personen ihre Mitwirkung zugesagt:<br />

• Wolfgang Bosbach, ehem. Mitglied des<br />

Deutschen Bundestages, ehem. Vorsitzender<br />

des Bundestagsinnenausschusses,<br />

• Anna Spinelli, CPO and Head of<br />

Mobility , Deutsche Post DHL Group<br />

• Dr.-Ing. Jürgen Reinert, Chief Executive<br />

Officer, SMA Solar Technology AG<br />

• Martin Stillger, Vorstandsvorsitzender/<br />

CEO, Thyssenkrupp Materials Services<br />

• Ulrich Bär, Vice President Group<br />

Purchasing , Varta AG Group<br />

• Judith Diem und Anita Tode, Director<br />

Supply Chain Sustainability in job -<br />

sharing, Robert Bosch GmbH<br />

• Dr. Thomas Germer, Leiter Zentral -<br />

einkauf, ADAC SE<br />

• Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement<br />

& Logistics (CPO), Wacker<br />

Chemie AG<br />

• Pia Hochgerner, Senior Director Procure -<br />

ment Excellence, Lufthansa Group<br />

• Jan-Kristof Hohenstein, Executive Vice<br />

President Purchasing, Webasto Group<br />

• Olaf Komitsch, Leiter Einkauf, EnBW AG<br />

• Gaby Symonds, Head of Procurement,<br />

Nestlé Deutschland AG<br />

• Kirsti Werntze, Global Head of Indirect<br />

Procurement & Processes, Kiekert AG<br />

Weitere Informationen und Anmeldung<br />

unter: www.bme-symposium.de<br />

10 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Einladung zur Websession am 07.<strong>09.2023</strong><br />

Plattformen für den Einkauf<br />

Die Angebotsvielfalt digitaler <strong>Beschaffung</strong>splattformen<br />

wächst rasant. Wer den<br />

Überblick nicht verlieren will, sollte also<br />

auf dem neuesten Stand bleiben. Erfahren<br />

Sie in unserer kostenfreien <strong>Beschaffung</strong><strong>aktuell</strong>-Websession<br />

„Plattformen für den<br />

Einkauf“ am 07.<strong>09.2023</strong>, wie Unternehmen<br />

durch zeitgemäße Einkaufslösungen<br />

ihre Arbeitsabläufe optimieren, Kosteneffizienz<br />

schaffen und eine zuverlässige<br />

Versorgungssicherheit gewährleisten. Den<br />

Start macht Dr.-Ing. Matthias Koch vom<br />

Fraunhofer IESE. In seiner Keynote spricht<br />

er über „Digitale Ökosysteme – Von<br />

Wollen , Mut und Können“ und beleuchtet<br />

die Vorteile von Plattformen und warum<br />

es lohnenswert ist, sich damit auseinanderzusetzen.<br />

Im Anschluss stellen wir Ihnen verschiedene<br />

Plattformen vor, die den Einkaufs-<br />

Digitale Plattformen<br />

bringen Anbieter und<br />

Kunden zusammen<br />

und sorgen für mehr<br />

Effizienz.<br />

prozess vereinfachen – von der Online-<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen über<br />

die Arbeitskleidungsverwaltung bis hin<br />

zum unkomplizierten Einkauf von Maschinenersatzteilen.<br />

Im Bereich der Fertigungsplattformen<br />

präsentieren CNC24,<br />

Facturee, Spanflug und Protolabs, wie<br />

Sie mehr Effizienz in die <strong>Beschaffung</strong><br />

von Fertigungsteilen bekommen, Kosten<br />

reduzieren und Lieferantenausfällen vorbeugen.<br />

Darüber hinaus zeigt Sparepartsnow,<br />

wie Ersatzteile für Industriemaschinen<br />

im digitalen Zeitalter beschafft werden.<br />

Dass es bei Plattformen für den Einkauf<br />

allerdings nicht nur um die Funktionalität<br />

geht, sondern auch die Mitarbeitenden<br />

mitgenommen werden sollten,<br />

darüber geht es im Vortrag von Coupa.<br />

Abschließend werfen wir gemeinsam mit<br />

Innovationsoft einen Blick auf die Verwaltung<br />

und <strong>Beschaffung</strong> von Arbeitskleidung.<br />

Entdecken Sie, wie diese Lösungen den<br />

Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter spürbar erleichtern und zu<br />

einer effizienteren <strong>Beschaffung</strong>sstrategie<br />

führen. Für weitere Einblicke, haben wir<br />

den „Online-Fertigern“ ab S. 45 ein eigenes<br />

Special gewidmet. (ys)<br />

Die kostenfreie Anmeldung und weitere Informationen<br />

finden Sie hier: https://lnkd.in/e2rV47-k<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 11


» MAGAZIN<br />

Rohstoffpreise: Schwerpunkt Ferrolegierungen<br />

Kunden blieben bei aggressivem<br />

Ansatz – die Preise sanken<br />

Der europäische Markt für Ferrolegierungen stand auch zuletzt unter dem Druck der<br />

saisonal niedrigen Nachfrage. Kunden in ganz Europa behielten ihren aggressiven Ansatz<br />

bei, indem sie unnachgiebig bei Verhandlungen um Rabatte bemüht waren.<br />

Zwar löste das sporadische Auftreten<br />

von Käufern im Markt bei den Anbietern<br />

Spekulationen aus. Ein Anstieg erfolgte<br />

allerdings nur bei den Angeboten.<br />

Bei den tatsächlichen Abschlüssen mussten<br />

die Verkäufer weiterhin nachgeben –<br />

die Preise sanken.<br />

Ferrosilizium<br />

Nach dem rapiden Preisverfall zu Beginn<br />

des Monats Juli nahmen die Marktteilnehmer<br />

für Ferrosilizium in Europa eine vorsichtige<br />

Haltung ein. Die Preise stabilisierten<br />

sich zwischen 1380 bis 1450 €/mt DDP<br />

(Delivery Duty Paid) – das entspricht einem<br />

Rückgang von durchschnittlich 8 % gegenüber<br />

dem Juni. Der Trend zu niedrigeren<br />

Preisen wurde von Handelsunternehmen<br />

vorgegeben, die ihre Lagerbestände<br />

abbauen wollten. Die Produzenten nahmen<br />

ihrerseits eine zurückhaltendere Position<br />

ein. Sie beriefen sich auf die hohen<br />

Produktionskosten. Der gewichtete Durchschnittspreisindex<br />

für FeSi (75 % Si min)<br />

auf Metalshub sank im Juli um 9 % und<br />

pendelte sich bei 1485 €/mt FCA (Free<br />

Carrier) ein.<br />

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Die digitale Handels- und<br />

Preisintelligenzplattform für<br />

die Metallindustrie<br />

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Gesamtmarktbetrachtung von Juni 2021 bis Juni 2023, Gewichtete Indizes:<br />

FeMo, FeSi, EMM, HC FeMn, LC FeCr, FeV, HC FeCr, Ni Briq, Mo OX, SiMn, FeW, FeTi<br />

Ferromolybdän<br />

Der Markt für Ferromolybdän blieb im Juli<br />

volatil. Trotz bestimmter Einflussfaktoren<br />

(etwa die beginnende Ferienzeit), die zu<br />

einer schleppenden Nachfrage in der Region<br />

führten, bestanden die Anbieter auf<br />

höhere Preise. Sie nutzten das geringere<br />

Angebot, da die südkoreanischen Produzenten<br />

aufgrund des großen Kaufinteresses<br />

in China weitgehend ausverkauft waren.<br />

Insgesamt stieg der gewichtete<br />

Durchschnittspreisindex für FeMo<br />

(65 % Mo min) auf Metalshub seit Ende<br />

Juni um 1,67 USD/kg Mo. Stand Ende Juli:<br />

53,51 USD/kg Mo FCA.<br />

Ferrovanadium<br />

Die Nachfrage nach Ferrovanadium in<br />

Europa war ebenfalls saisonbedingt<br />

schwach. Die Verkäufer erhöhten aber Mitte<br />

Juli die Preise in ihren Angeboten. Händler<br />

machten dafür die Verknappung von<br />

Vanadium Pentoxid (V2O5) und die daraus<br />

resultierenden höheren Kosten für den<br />

Kauf neuer Chargen verantwortlich. Allerdings<br />

wurden nur die Angebotspreisschil-<br />

der um 2 % angehoben, während für den<br />

gewichteten Durchschnittspreis index für<br />

FeV auf Metalshub, der auf den tatsächlichen<br />

Transaktionen basiert, im Vergleich zu<br />

Ende Juni sogar ein leichter Rückgang auf<br />

32,2 USD/kg V FCA zu verzeichnen war.<br />

Ferrochrom<br />

Infolge des Rückgangs des vierteljährlichen<br />

Benchmark-Preises und der saisonal niedrigen<br />

Nachfrage der Endverbraucher sind die<br />

Ferrochrompreise in Europa leicht rückläufig.<br />

Allerdings ist kein Preisverfall zu verzeichnen.<br />

Der Grund: Die Verkäufer verfügen<br />

über keine nennenswerten Lagerbestände.<br />

Einige Produzenten von Qualitätsware<br />

strebten einen höheren Preis an. Wie<br />

so oft zu dieser Jahreszeit achten die Käufer<br />

jedoch eher auf den günstigen Preis als auf<br />

die Qualität. Der gewichtete durchschnittliche<br />

Metalshub-Index für HC FeCr (65 % Cr)<br />

ging im Monatsdurchschnitt um 5 % auf<br />

1,42 USD/lb Geds Cr FCA zurück, während<br />

der Index für LC FeCr (0,15 % C max) im<br />

Monatsdurchschnitt um 1,16 % auf<br />

2,56 USD/lb Cr FCA sank. (su)<br />

Bild: Metalshub<br />

12 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Deutscher Logistik-Kongress, 18.-20. Oktober, Berlin<br />

„Think Networks.“ – Logistik der Zukunft<br />

Der Deutsche Logistik-Kongress findet<br />

dieses Jahr zum 40. Mal statt. Die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer früherer<br />

Kongresse wurden befragt, was sie sich<br />

Neues wünschen. Das Ergebnis: Der Ausstellungsbereich<br />

wird verändert. Ein integriertes<br />

Forum und interaktive Workshops<br />

schaffen Raum für Wissensaustausch.<br />

Unter anderem mit Masterclasses, Content-to-go-Formaten,<br />

Briefing-Sessions<br />

sowie zusätzlichen Netzwerkformaten<br />

wird der Wunsch nach kürzeren Einheiten<br />

aufgegriffen. Das Programm steht als PDF<br />

bereit unter www.bvl.de/dlk.<br />

Beim Kongress sprechen unter anderem:<br />

• Ilse Henne, CTO und Vorstandsmitglied<br />

bei Thyssenkrupp Materials Services,<br />

Essen und im Vorstand der BVL,<br />

• Anette Matre, Chief People and Information<br />

Officer bei der AutoStore AS,<br />

• Dr. Martina Fohr, Consultant bei der<br />

Spencer Stuart & Associates GmbH,<br />

• Nicolas F. Steinbacher, Head of Strategy<br />

and Program bei Northvolt AB,<br />

• Dr. Volker Wissing, Bundesminister für<br />

Digitales und Verkehr,<br />

• Stefan Paul, CEO bei der<br />

Kühne + Nagel International AG,<br />

• Hanno Brümmer, EVP, Head of Supply<br />

Chain & Logistics EMEA and Latin America<br />

bei der Covestro Deutschland AG,<br />

• Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek, Universität<br />

der Bundeswehr München,<br />

• Andrew Bell, VP Product Management<br />

bei Kinaxis,<br />

• Carina Lebsack, Head of Corporate<br />

Sustainability & Circularity bei der<br />

Würth Group.<br />

Noch mehr als heute sind künftig jene<br />

Unternehmen erfolgreich, die ihre Beschäftigten<br />

begeistern und als attraktive<br />

Arbeitgeber bestehen. Nach einer Plenumsdiskussion<br />

werden Fragen zu neuer<br />

Führung, den Besonderheiten von KMU<br />

oder der Wertschätzung gegenüber der<br />

Belegschaft am Mittwoch in einer Fachsequenz<br />

im Stil eines World Café aus vier<br />

Perspektiven beleuchtet. Unter anderem<br />

diskutieren Christine Mezger-Behan (Kion<br />

Group), Fabienne Wohlt (Festo), Julia Jocher<br />

(Group7) sowie Alexandra Barber<br />

(Frontline Sidekicks).<br />

Die Anforderungen in Sachen nachhaltige<br />

Logistik steigen. Es ist jetzt an der Zeit,<br />

sich den Aufgaben zu widmen und von<br />

anderen zu lernen Dazu bietet eine dreigeteilte<br />

Fachsequenz Gelegenheit, in der<br />

auch die Logistikpotenziale in der Circular<br />

Economy aufgezeigt und diskutiert werden.<br />

Unter den Expertinnen und Experten<br />

sind Dr. Nadine Kiratli-Schneider (Schaeffler),<br />

Andrea Goeman (JAS Forwarding),<br />

Carina Lebsack (Würth) sowie Prof. Dr. Ulrich<br />

Müller-Steinfahrt (TH Würzburg-<br />

Schweinfurt und Sprecher des BVL Themenkreises<br />

Nachhaltig gestalten).<br />

Zwei Fachsequenzen beschäftigen sich mit<br />

der Frage, wie die Energiewende bewältigt<br />

werden kann. Welche Ansätze gibt es, um<br />

dieser Herausforderung gerecht zu werden?<br />

Darüber diskutieren unter anderem<br />

Ralf Busche (BASF), Dr. Andreas Brockmeyer<br />

(Infraserv Logistics), Hanno Brümmer<br />

(Covestro Deutschland), Prof. Dr.-Ing. Przemyslaw<br />

Komarnicki (Fraunhofer IFF) sowie<br />

Thomas Panzer (Bayer AG). (sas)<br />

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Bild: BVL<br />

Der Deutsche Logistik-Kongress findet dieses Jahr wieder im Berliner Hotel Intercontinental statt. Termin: 18.-20. Oktober.<br />

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Presselstraße 12, 70191 Stuttgart<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 13


» MANAGEMENT<br />

Interview zu Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsfragen<br />

Am Ende geht es um einen<br />

Interessen ausgleich<br />

Markus Löning war Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und<br />

unterstützt Unternehmen beim Aufbau menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse. Das<br />

Lieferkettengesetz habe im Einkauf einen Schalter umgelegt, sagt er im Gespräch.<br />

Deutsche Firmen sieht er durch das frühe Gesetz im Vorteil.<br />

»Es geht ja nicht nur<br />

um Kontrolle, sondern<br />

auch darum, wie wir<br />

die Risiken verteilen.«<br />

Markus Löning<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Löning, seit neun<br />

Jahren beraten Sie Unternehmen beim Aufbau<br />

menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Inwiefern<br />

hat sich der Blick auf die Lieferketten in dieser Zeit<br />

verändert?<br />

Markus Löning: Die ersten, die sich der Einhaltung<br />

der Menschenrechte in den Lieferketten angenommen<br />

haben, waren jene Unternehmen, die aufgrund<br />

schlechter Arbeitsbedingungen<br />

bei Lieferanten<br />

oder Vorlieferanten in der<br />

Presse standen. Das waren<br />

Markenunternehmen, die daraus<br />

ihre Lehren gezogen haben.<br />

Sie waren die ersten Treiber.<br />

Mit dem Beginn der Diskussion<br />

um das Lieferkettengesetz<br />

haben weitere Firmen begonnen sich mit<br />

Menschrechtsthemen zu beschäftigen. Die, die vorher<br />

schon etwas gemacht hatten, systematisierten<br />

ihre Maßnahmen. Anderen wurde bewusst, dass sie<br />

eine Steuerung, einen Verantwortlichen und Ressourcen<br />

brauchen.<br />

Mittlerweile steigt auch der Druck aus dem<br />

Finanzbereich .<br />

Löning: Exakt, aber das wird in der öffentlichen<br />

Wahrnehmung gar nicht im gleichen Umfang diskutiert.<br />

Seit zwei, drei Jahren kommen Nachfragen von<br />

Banken, von Anteilseignern, von Familienstiftungen.<br />

Das gibt dem Ganzen nochmal eine andere Dynamik,<br />

weil die Geschäftsführung, CEO und CFO involviert<br />

sind. Es geht um Geld, um Kreditkonditionen im Zusammenhang<br />

mit ESG.<br />

Spielt dem Einkauf die Aufmerksamkeit in die<br />

Hände?<br />

Löning: Der Einkauf wusste zunächst nicht, wie er<br />

das Thema umsetzen sollte. Es gab viele Bedenken,<br />

dass das Lieferkettengesetz die Arbeit im Einkauf<br />

schwieriger macht. Das ist auch zunächst einmal<br />

richtig. Denn es kommt eine weitere Schicht an<br />

Bedingungen im Verhältnis zu den Lieferanten dazu.<br />

Inzwischen ist der Einkauf ein gutes Stück weiter. Es<br />

hat viele Schulungen gegeben. Allen ist klar: Nachhaltigkeit<br />

ist für das Kerngeschäft, für die Geschäftsstrategie<br />

mitentscheidend.<br />

Der Einkauf betrachtete die Lieferketten stets von<br />

innen nach außen. Gab es ein Perspektivwechsel?<br />

Löning: Es gab einen Perspektiv- und einen Strategiewechsel.<br />

Der Perspektivwechsel ist, dass man nicht<br />

mehr an das Risiko für das Unternehmen, sondern an<br />

das Risiko für den Menschen in der Lieferkette denkt.<br />

Das ist für manchen herausfordernd. Letzten Endes ist<br />

es aber so, dass wenn es ein Risiko für die Menschen<br />

auf dem Schiff, die Fahrer in den Lkws oder die Arbeiter<br />

in den Fabriken gibt, dies auch ein Risiko fürs Geschäft<br />

ist. Diese Verknüpfung findet inzwischen statt.<br />

Was sich außerdem verändert, ist die Perspektive der<br />

Zusammenarbeit. Es geht ja nicht nur um Kontrolle,<br />

sondern auch darum, wie wir die Risiken verteilen.<br />

Wer hat welche Verantwortung? Wie bekomme ich<br />

den Lieferanten dazu, dass es für ihn attraktiv ist<br />

Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten? Wie muss die<br />

Beziehung, müssen die Verträge aussehen?<br />

Wie wird das Einhalten sozialer Standards für die<br />

Vorstufen attraktiver?<br />

Löning: Durch verlässliche Beziehungen. Bei Einmalgeschäften<br />

ist der ökonomische Anreiz etwas zu verändern<br />

gering und der Anreiz sich irgendwo ein Zertifikat<br />

zu besorgen hoch. Habe ich eine feste, lukrative<br />

Beziehung, ist das anders. Genau an diesem Punkt<br />

werden gerade sehr viele Modelle ausprobiert. Es gibt<br />

noch keinen goldenen Weg. Aber das Denken verändert<br />

sich und die Frage, wie wir unsere Lieferbeziehungen<br />

künftig gestalten, damit sie erfolgreich sind.<br />

14 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


»Allen ist klar: Nachhaltigkeit<br />

ist für das<br />

Kerngeschäft, für<br />

die Geschäftsstrategie<br />

mitentscheidend .«<br />

Markus Löning<br />

Werden die Lieferketten kürzer?<br />

Löning: Es wird der ein oder andere Agent wegfallen,<br />

wenn Unternehmen eine direkte Beziehung zur<br />

letzten Fertigungsstufe wollen. Auf jeden Fall wird es<br />

aufgrund der vielen Daten, die jetzt aggregiert werden,<br />

deutlich mehr Transparenz geben. Und eine<br />

Tendenz sich auf weniger Lieferanten zu konzentrieren<br />

und die Beziehung für beide Seiten verlässlicher<br />

zu machen.<br />

Der Einkauf versucht Lieferbeziehungen durch<br />

Selbstauskünfte und Audits fairer und umweltfreundlicher<br />

zu gestalten. Funktioniert das?<br />

Löning: Es ist ein wichtiger erster Schritt. Der Einkauf<br />

weiß, wie diese Instrumentarien funktionieren,<br />

deshalb sollte man sie nutzen. Kontrolle alleine<br />

reicht aber nicht aus. Es muss immer auch ein Interessenausgleich<br />

stattfinden. Wenn das Grundgerüst<br />

der Sorgfaltsprozesse steht, kommt die Frage, was<br />

das für die Einkaufsstrategie bedeutet. Die Einkaufs -<br />

praktiken in verschiedenen Industrien sind sehr unterschiedlich.<br />

Am Ende des Tages muss der Lieferant<br />

einen Vorteil davon haben, dass er soziale Arbeitsstandards<br />

verlässlich einhält. Er braucht eine intrinsische<br />

Motivation, weil er mein Lieferant bleiben will<br />

und weiß, dass dies eine der Bedingungen ist.<br />

Dann geht es also doch um höhere Einkaufspreise?<br />

Löning: Man muss von der reinen Preisdiskussion<br />

weg. Es gibt viele andere ökonomische Faktoren wie<br />

die Garantie einer Grundauslastung. Oder Zahlungsziele.<br />

Oder eine Anzahlung. Wenn ich einer Kooperative<br />

oder einem Zwischenhändler einfach nur höhere<br />

Preise zahle, weiß ich ja nicht, wo das Geld ankommt.<br />

Man muss andere Hebel in Bewegung setzen. Natürlich<br />

kann auch der Rohstoffpreis eine Rolle spielen.<br />

Etwa in Westafrika, wo Ghana und die Elfenbeinküste<br />

für Kakao Mindestpreise festsetzen wollen, um eine<br />

faire Bezahlung für die Bauern zu gewährleisten. Am<br />

Ende kommt es auf das Zusammenspiel an, auch mit<br />

staatlichen Stellen, damit nicht alleine Sie höhere<br />

Preise zahlen, Ihre Wettbewerber die Preise aber wieder<br />

drücken und sich am Ende nichts verändert.<br />

Der Mittelstand empfindet seinen Einfluss auf die<br />

Lieferketten als gering. Welche Möglichkeiten sehen<br />

Sie?<br />

Löning: Im globalen Kontext kauft auch ein DAX-<br />

Unternehmen manchmal nur geringe Mengen. Da ist<br />

das Lieferkettengesetze ganz klar: Es ist eine Frage<br />

der Verhältnismäßigkeit. Man sollte sich also von der<br />

Diskussion nicht verrückt machen lassen. Schauen<br />

Sie, wo Sie einen Unterschied machen können. Der<br />

Markus Löning, früherer<br />

Menschenrechtsbeauftragter<br />

der Bundesregierung,<br />

zur Umsetzung<br />

der im LkSG<br />

geforderten Sorgfaltspflicht<br />

der Praxis.<br />

Bild: Caroline-Pitzke<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 15


» MANAGEMENT<br />

»Das Denken<br />

verändert sich und die<br />

Frage, wie wir unsere<br />

Lieferbeziehungen<br />

künftig gestalten,<br />

damit sie erfolgreich<br />

sind.«<br />

Markus Löning<br />

andere Punkt ist: Es ist erstaunlich, wie Firmen plötzlich<br />

merken, wie Zusammenarbeit hilft. Hier passiert<br />

ganz viel. Auch die überarbeiteten Leitlinien der EU<br />

für Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit,<br />

die die Europäische Kommission im Juni herausgegeben<br />

hat, beschreiben, wie Firmen ohne Verstoß<br />

gegen das Kartellrecht im Nachhaltigkeitsbereich zusammenarbeiten<br />

können.<br />

Das erste Berichtsjahr des LkSG endet im Dezember.<br />

Wie weit ist der Einkauf in der Umsetzung?<br />

Löning: Diejenigen, die zuvor schon was getan haben,<br />

sind unserer Beobachtung<br />

nach gut aufgestellt. Jene,<br />

die spät angefangen haben,<br />

tun sich viel schwerer.<br />

Viele haben sich lange mit<br />

teilweise überflüssigen Fragen<br />

aufgehalten: Wen müssen wir<br />

einbeziehen, wer hat den Hut<br />

auf? Der Vorstand hatte Fragen.<br />

Die Rechtsabteilung hatte<br />

ganz schwierige Fragen. Da<br />

hat sich viel verzögert, weil<br />

die interne Abstimmung nicht<br />

funktionierte. Mein Rat: Es ist noch ein halbes Jahr<br />

Zeit. Am Ende wird die BAFA bewerten, ob Ihr Unternehmen<br />

angemessen im Rahmen seiner Größe und<br />

Möglichkeiten etwas auf die Beine gestellt hat und<br />

ob Sie einen Plan für 2024 und 2025 haben. Aktionismus<br />

ist zu wenig. Die Umsetzung muss einer Strategie<br />

folgen. Es geht um eine angemessene Anstrengung.<br />

Firmen an eine Gesundheitsverwaltung herantreten,<br />

über Probleme bei einem Lieferanten mit dem Arbeitsschutz<br />

berichten und um Unterstützung bitten.<br />

Ich persönlich finde es schade, dass viele sich scheuen<br />

dies zu tun. Gerade innerhalb der Europäischen<br />

Union oder in Ländern in Asien mit funktionierenden<br />

Verwaltungen, auch in Afrika natürlich. Es ist ja nicht<br />

so, dass überall die Verwaltungen überhaupt nicht<br />

funktionieren. Man muss herausfinden, was funktioniert<br />

und was nicht.<br />

Unterstützen die deutschen Auslandsvertretungen<br />

ausreichend?<br />

Löning: Viele Außenhandelskammern sind sehr aktiv,<br />

schulen Zulieferer, erklären das deutsche Lieferkettengesetz<br />

und im europäischen Kontext. Die Kammern<br />

kennen die Märkte, haben viele Kontakte. Auch die<br />

Wirtschafts- und Politikreferenten in den Botschaften<br />

sind für diese Fragen da.<br />

Wie schauen die Firmen im Ausland auf das Lieferkettengesetz?<br />

Kommt etwas in Bewegung?<br />

Löning: Absolut. Das deutsche Lieferkettengesetz ist<br />

es nicht, aber 450 Millionen Europäer machen einen<br />

Unterschied. Das strahlt schon jetzt auf die Zuliefermärkte<br />

aus und viele Firmen richten sich danach aus.<br />

Was passiert, wenn Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen<br />

Kenntnis bekommen, ist der<br />

Einkauf darauf vorbereitet?<br />

Löning: Man braucht einen menschenrechtlichen<br />

Sorgfaltsprozess, der das regelt: Was passiert bei einer<br />

Beschwerde? Wer ist zuständig? Was muss getan<br />

werden? Was ist die Antwort? Was passiert bei einem<br />

schlechten Audit? Sich nur auf ein Tool zu verlassen<br />

reicht nicht. Ohne Gesamtprozess und Gesamtstrategie<br />

und die Schulung von Mitarbeitern<br />

funktioniert es nicht. Es muss nicht alles perfekt sein,<br />

aber in den groben Strukturen, um diese nach und<br />

nach zu verbessern und auszuarbeiten.<br />

Vor Ort empfehlen Sie die Zusammenarbeit mit<br />

lokalen Behörden. Warum?<br />

Löning: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />

Menschenrechte sagen sehr klar, dass der Staat die<br />

Hauptverantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte<br />

trägt. Es ist also mehr als legitim, wenn<br />

Bild: Mühlberger<br />

Markus Löning: „Das Denken verändert sich und die Frage, wie<br />

wir unsere Lieferbeziehungen künftig gestalten, damit sie<br />

erfolgreich sind.“<br />

16 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Markus Löning<br />

Markus Löning saß für die FDP von 2002 bis 2009 im<br />

Bundestag und war von 2010 bis 2013 Menschenrechtsbeauftragter<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Diese Mission verfolgt er seitdem in seiner eigenen<br />

Firma weiter. Löning ist Gründer und Geschäftsführer<br />

von Löning – Human Rights & Responsible Business.<br />

Das Unternehmen berät Firmen in Nachhaltigkeitsund<br />

Menschenrechtsfragen. Im Verlauf seiner politischen<br />

und unternehmerischen Karriere hat Löning<br />

mit Unternehmen, Regierungen und Organisationen<br />

in über 70 Ländern zusammenarbeitet.<br />

Sie begrüßen die kommende EU-Regulatorik?<br />

Löning: Das EU-Gesetz wird schwieriger zu erfüllen<br />

sein, aber der positive Effekt durch die standardisierte<br />

Berichterstattung und die Wirkung in die Liefermärkte<br />

ist deutlich hilfreicher. Durch einen standardisierten<br />

europäischen Bericht, der maschinell verarbeitet<br />

werden kann, wird die Bewertung von Lieferpartnern<br />

leichter fallen.<br />

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

(CSRD) ist ein aufwändiger Berichtsstandard.<br />

Ist es realistisch, dass auch kleinere Zulieferer nach<br />

CSRD berichten werden?<br />

Löning: Das ist eine strategische Entscheidung der<br />

Firmen: Was ist für mein Unternehmen wichtig? Was<br />

erwarten meine Kunden? Macht es geschäftlich Sinn,<br />

mir hier ein gutes System aufzubauen? Ja, das ist<br />

aufwändig. Man kann es aber auch umdrehen und<br />

die CSRD als Anleitung für das eigene Unternehmen<br />

sehen, was zu tun ist, um die vielen nachhaltigen<br />

Kritieren zu erfüllen, die künftig sehr viele Kunden<br />

von mir erwarten.<br />

Und wenn eine Trennung von Lieferpartnern notwendig<br />

erscheint?<br />

Löning: Auch für diesen Fall braucht man einen<br />

strukturierten Prozess. Welche Fragen muss ich stellen?<br />

Was gibt es für mögliche Stufen? Selbstauskunft,<br />

Vor-Ort-Audits, korrektive Aktionspläne. Wenn diese<br />

nicht umgesetzt werden, was passiert dann? Die Abläufe<br />

muss sich der Einkauf gut überlegen. Am Ende ist<br />

es eine politische und wirtschaftliche Entscheidung<br />

des Unternehmens, wann es aus einer Beziehung rausgeht.<br />

Ich plädiere immer dafür, zunächst dem Lieferanten<br />

die Chance zu geben, besser zu werden. Das ist<br />

auch der Sinn des Gesetzes, dass die Situation sich<br />

verbessert. Das hängt natürlich auch von der Art des<br />

Verstoßes ab. Zu viele Überstunden kann man kompensieren,<br />

das kann man besser machen. Bei Kinder- oder<br />

Zwangsarbeit muss man relativ schnell die Reißleine<br />

ziehen oder die Beziehung so lange suspendieren, bis<br />

die Frage geklärt ist. Je nach Schwere des Vorfalls und<br />

Bedeutung des Lieferanten muss der Einkauf schwierige<br />

Entscheidungen treffen. Generell gilt, immer zunächst<br />

die Chance auf Verbesserung geben.<br />

Es gibt Märkte, die grundsätzlich kritisch sind. Wie<br />

sollte der Einkauf damit umgehen?<br />

Löning: Es gibt Firmen, die bauen sich in diesen<br />

Märkten eigene Lieferketten auf oder eine eigene<br />

Produktion, etwa Ritter Sport beim Kakao. So etwas<br />

hat Modellcharakter, wird aber das grundsätzliche<br />

Problem nicht lösen. Eine andere Möglichkeit ist die<br />

Sektorkooperation, die Zusammenarbeit mit staatlichen<br />

Stellen und Wissenschaftlern, um in Projekten<br />

Fragen des Rechts zu klären, ob Kooperativen etwas<br />

verändern oder eine Landreform notwendig ist und<br />

wie der Sektor produktiver werden kann, sodass die<br />

einzelne Familie davon leben kann und nicht mehr<br />

auf Kinderarbeit angewiesen ist. Das sind sehr tiefe<br />

strukturelle Fragen, die Unternehmen kaum alleine<br />

lösen können. Zusammenarbeit ist das Stichwort.<br />

Sind Zertifikate ein Weg?<br />

Löning: Das kann eine gute Lösung sein. Man muss<br />

sich aber immer anschauen, was es für ein Zertifikat<br />

ist. Sind soziale Kriterien abgedeckt oder ist es ein<br />

reines Umweltzertifikat? Nicht immer bekomme ich<br />

ausreichend zertifizierte Ware. Zertifikate können<br />

Teil einer Lösung sein, nehmen dem Einkauf aber<br />

nicht die Verantwortung, sich die Dinge genau anzuschauen.<br />

Das Gespräch führte Annette Mühlberger,<br />

Journalistin, Stuttgart.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 17


» MANAGEMENT<br />

Lieferkettenmanagement<br />

Haben JiT und JiS in einer<br />

VUCA- Welt ausgedient?<br />

In zahlreichen Branchen ist die Erkenntnis angekommen, dass eine<br />

Lieferketten- Stabilität, die noch in den 2010er Jahren vorherrschte, nicht<br />

wiederkehren wird. Heißt es im Umkehrschluss, dass Anlieferstrategien<br />

wie Just-in-Time und Just-in-Sequence der Vergangenheit angehören, beibehalten<br />

oder lediglich überdacht werden? Angesichts der zunehmenden<br />

VUCA-Welt befasst sich eine <strong>aktuell</strong>e Studie der Professoren Hartel und<br />

Gerberich mit diesen und weiteren Fragen zur Lieferkettenstabilität.<br />

Bild: davidjancik/stock.adobe.com<br />

18 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


5 Tipps für eine erfolgreiche JiT-/JiS-Belieferung<br />

1. Selbst wenn JiT oft als Königsdisziplin<br />

in der Logistik bezeichnet<br />

wird: Nicht alle <strong>Beschaffung</strong>sgüter<br />

eignen sich für JiT oder JiS.<br />

Bei nicht geeigneten Gütern ist<br />

mit hohem Organisations- und<br />

Koordinationsaufwand zu rechnen,<br />

der die JiT-Einsparungen u. U. weit<br />

übersteigen kann.<br />

2. Wenn Sie mit Ihrem Kunden<br />

eine JiT-/JiS-Belieferung vereinbart<br />

haben, versuchen Sie diese<br />

auch auf Ihre AX-Lieferanten zu<br />

übertragen. Ansonsten zahlt Ihr<br />

Unternehmen für die logistischen<br />

Schwächen Ihrer Lieferantenbasis.<br />

3. JiT oder Lagerbeschaffung? Die<br />

Frage sollten Einkauf und Logistik<br />

nur gemeinsam beantworten.<br />

Mögliche Risiken von JiT und JiS<br />

sollten in einer realistischen Total-<br />

Costs-of-Ownership-Betrachtung<br />

Berücksichtigung finden.<br />

4. „Was wäre wenn“-Betrachtungen:<br />

Verfügt der JiT-Lieferant über<br />

n ausgearbeitetes Notfallkonzept,<br />

und zwar auf operativer<br />

(Autobahn- Stau) und strategischer<br />

Ebene (Brand im Werk)?<br />

5. JiT und JiS leben von der<br />

Kommunikation : Nach der<br />

Einführung ist vor der<br />

Optimierung . Mindestens monatlich<br />

stattfindende (Kurz-)JiT-Meetings<br />

empfehlen sich auch im<br />

eingeschwungenen Betrieb .<br />

Just-in-Time und Just-in-Sequence stellen höchste<br />

Anforderungen an die Stabilität der Lieferkette –<br />

ohne Stabilität stehen den Vorteilen zahlreiche Risiken<br />

wie Versorgungsengpässe, kurzfristige Umplanungen<br />

oder Lieferausfälle gegenüber. Lieferunterbrechungen<br />

bei JiT-/JiS-Lieferanten im Jahr 2022 sind kein seltenes<br />

Phänomen, so gaben 37 Prozent der befragten Unternehmen<br />

an, „häufig“ (ca. jede fünfte Lieferung) oder<br />

„sehr häufig“ (mind. jede dritte Lieferung) von Lieferstörungen<br />

betroffen gewesen zu sein. Demgegenüber<br />

stehen lediglich fünf Prozent, die sich bei ihren JiT-/<br />

JiS-Lieferungen nie Engpässen gegenübersahen.<br />

In zwei von drei Fällen Lieferausfälle<br />

von mindestens einer Woche<br />

Interessant ist in diesem Kontext auch, dass immerhin<br />

16 Prozent der Befragten keine Antwort auf die<br />

Frage nach der Häufigkeit von Lieferstörungen geben<br />

konnten. Ein weißer Fleck, der bei einem Experten<br />

oder einer Expertin nicht auftreten dürfte, schließlich<br />

arbeiten 96 Prozent der Befragten im Supply Chain<br />

Management oder Einkauf.<br />

JiT und JiS erfordern Pünktlichkeit, in der Automobilindustrie<br />

sogar häufig minutengenau. Umso überraschender<br />

ist, dass in zwei von drei Fällen die Supply-<br />

Chain-Störung mindestens eine Woche betrug, in<br />

15 Prozent der Fälle sogar länger als vier Wochen. Es<br />

ist also von einer massiven Störung der eigenen Supply<br />

Chain auszugehen.<br />

Breites Spektrum an<br />

Unterbrechungs ursachen<br />

Betrachtet man die Ursachen, die zu Lieferkettenunterbrechungen<br />

führten, zeigt sich die Vielschichtigkeit<br />

des Problems. Sie lassen sich grob in übergreifende,<br />

logistische und beschaffungspolitische<br />

Ursachen clustern. Am häufigsten wurden genannt<br />

(Mehrfachnennungen möglich):<br />

• 23 %: fehlende Rohstoffe und Vormaterialien<br />

• 21 %: Transportbedingte Verzögerungen auf dem<br />

See- oder Luftweg<br />

• 15 %: Falsche bzw. fehlerhafte Bedarfsplanung<br />

• 15 %: Pandemiebedingter Ausfall<br />

• 11 %: Fehlende Fertigungskapazitäten<br />

Dass die Lieferverzögerungen nur bei vier Prozent mit<br />

finanziellen Engpässen bei Lieferanten im Zusammen-<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 19


» MANAGEMENT<br />

Bild: Hartel/Gerberich<br />

Im Jahr 2023 sollen<br />

verstärkt strategische<br />

Maßnahmen gegen<br />

Lieferausfälle zum<br />

Einsatz kommen.<br />

(Mehrfachnennungen<br />

möglich)<br />

hang gesehen werden, überrascht einerseits, zeigt<br />

aber auch andererseits auf, dass entsprechende staatliche<br />

Fördermaßnahmen in zahlreichen Fällen Schlimmeres<br />

wie Lieferantenkonkurse verhindert haben.<br />

Ist Lagerhaltung ein Lösungsansatz<br />

für Lieferkettenunterbrechungen?<br />

Die Frage, ob die betroffenen Unternehmen bei kritischen<br />

JiT- und JiS-Teilen im vergangenen Jahr auf<br />

Lagerhaltung umgestiegen sind, wird von 92 Prozent<br />

eindeutig mit „ja“ beantwortet. Hier zeigt sich, dass<br />

im SCM vieler Industrieunternehmen – zumindest<br />

temporär – ein Paradigmenwechsel von „Kostensenkung“<br />

hin zu „Versorgungssicherheit“ stattgefunden<br />

hat. Von den 92 Prozent „Lagerhaltern“ gaben aber<br />

nur sehr wenige an, dauerhaft und bei mehreren<br />

Gütern die <strong>Beschaffung</strong>sstrategie auf „stock sourcing“<br />

umgestellt zu haben (8 %). Weit häufiger fand<br />

nur ein temporärer Wechsel statt, bis sich die<br />

Supply- Chain-Stabilität wiederhergestellt hatte.<br />

Dass es sich nicht um eine grundsätzliche Wandel<br />

von JiT/JiS zu Lagerhaltung handelt, zeigte sich auch<br />

beim Blick in die Zukunft (s. Abb.): Lediglich ein<br />

Drittel der Befragten plant im Jahr 2023 eine dauerhafte<br />

Abkehr von JiT und JiS, sei es für „mehrere“<br />

oder „wenige Teile“.<br />

Vielschichtige Gründe für einen<br />

Wechsel auf Lagerhaltung<br />

Für eine temporäre oder dauerhafte Lagerhaltung<br />

von JiT- und JiS-Artikeln kann es eine Vielzahl an<br />

Gründen geben, wobei die empirischen Ergebnisse<br />

hier eine eindeutige Sprache sprechen. Auf die Frage<br />

„Aus welchen Gründen findet bzw. wird ein Wechsel<br />

auf Lagerhaltung stattfinden?“ kommen die Expertinnen<br />

und Experten zu einer eindeutigen Aussage:<br />

Die „fehlende Materialverfügbarkeit“ wurde von<br />

sämtlichen Studienteilnehmern ausnahmslos als<br />

„sehr relevant“ oder zumindest „eher relevant“ eingeschätzt.<br />

Generell lässt sich folgendes Ranking festhalten<br />

(Prozentangaben in Klammern für „sehr<br />

relevant “ und „eher relevant“ summiert):<br />

1. Fehlende Materialverfügbarkeit (100 %)<br />

2. Fehlende Transparenz (Supply Chain Visilibity) (79 %)<br />

3. Unzureichende Agilität (67 %)<br />

4. Finanzielle Solidität (59 %)<br />

5. Kommunikationsdefizite (57 %)<br />

Das heißt, die sich aus der VUCA-Welt ergebenden<br />

geänderten Rahmenbedingungen (Volatilität, Un -<br />

sicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit)<br />

wurden bei der bestehenden JiT-/JiS-Lieferanten -<br />

basis offensichtlich nicht erfolgreich beachtet und<br />

führten daher zum Aufbau von Lagerbeständen.<br />

Diese Ergebnisse überraschen, denn Transparenz,<br />

Agilität und enge Kommunikation sind Basis-Voraussetzungen<br />

für jede Form einer JiS-/JiT-Belieferung,<br />

unabhängig von stabilen oder weniger stabilen<br />

Wirtschaftsbeziehungen.<br />

Der zumindest in Europa relativ nahtlose Krisenübergang<br />

von Covid-Pandemie zu Ukrainekrieg hat dazu<br />

geführt, dass im Jahr 2022 kurzfristige Maßnahmen<br />

überwogen, um Lieferkettenunterbrechungen zu<br />

beseitigen (siehe Abb.). So lautete bei 34 Prozent der<br />

Teilnehmer die Antwort „Aufbau von Sicherheitsbeständen“,<br />

um zukünftige Lieferkettenunterbrechungen<br />

zu vermeiden. Dies wird auch 2023 als wichtige<br />

Maßnahme betrachtet, allerdings nur noch bei<br />

23 Prozent. Stattdessen steht für das laufende Jahr<br />

die Suche und der Aufbau nach Sicherheitsbeständen<br />

an erster Stelle (31 %).<br />

Dass sich im Jahr 2023 intensiver, und zwar auch auf<br />

strategischer Ebene, mit dem Lieferkettenstörungen<br />

auseinandergesetzt wird, zeigt sich an zwei Punkten:<br />

Einerseits ist der Trend bei zahlreichen Maßnahmen<br />

hinsichtlich Nutzung positiv gegenüber dem Vorjahr,<br />

d.h., die Supply Chain Manager setzen auf verschiedene<br />

Maßnahmen statt alles „auf eine Karte“. Andererseits<br />

zeigt es sich auch darin, dass auf scheinbar<br />

einfache Lösungen (Aufbau von Sicherheitsbeständen,<br />

Wechsel von JiT/JiS auf Lagerhaltung) verstärkt<br />

verzichtet wird.<br />

Kommt man auf die Ausgangsfrage zurück, nämlich,<br />

ob Just-in-Time und Just-in-Sequence vor dem Hintergrund<br />

unsicherer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />

ausgedient haben könnten, lassen die Studienergebnisse<br />

folgende Erkenntnisse zu:<br />

1. Von einem generellen Trend weg von JiT und JiS<br />

20 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


VERBINDUNGSELEMENTE<br />

& BEFESTIGUNGSTECHNIK<br />

Für 27 Prozent der befragten Experten stellt der Wechsel auf Lagerhaltung im Jahr 2023<br />

keine Option dar.<br />

Bild: Hartel/Gerberich<br />

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Handelsunternehmen für<br />

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und Befestigungstechnik<br />

in Europa und beliefert<br />

Kunden weltweit.<br />

hin zur Lagerhaltung („back to the roots?“) kann<br />

weder 2022 noch 2023 gesprochen werden.<br />

2. Sehr wohl sind zahlreiche befragte Unternehmen<br />

auch bei ihren JiT/JiS-<strong>Beschaffung</strong>sgütern zumindest<br />

temporär auf eine Lagerhaltung gewechselt, um<br />

Liefer kettenunterbrechungen so gering wie möglich<br />

zu halten.<br />

3. Auch wenn Unternehmen im Jahr 2023 unterschiedlichste<br />

proaktive Maßnahmen zur Vermeidung<br />

solcher Lieferstörungen planen bzw. umsetzen, sehen<br />

23 Prozent der Experten den bewussten Aufbau von<br />

Lagerbeständen als probates Mittel, obwohl dies der<br />

Grundphilosophie von JiT und JiS widerspricht.<br />

Bild: HS Stuttgart<br />

Prof. Dr. Dirk H. Hartel<br />

Professor für Logistik und<br />

SCM sowie Studiengangsleiter<br />

an der Dualen<br />

Hochschule Baden-<br />

Württemberg Stuttgart.<br />

Seit über 20 Jahren als<br />

Berater, Trainer und<br />

Gutachter in Einkauf,<br />

Logistik und SCM tätig.<br />

Bild: HS Luzern<br />

Prof. Dr. Claus Gerberich<br />

Professor an der Hochschule<br />

Luzern (HSLU).<br />

Der Maschinenbau-<br />

Ingenieur und Betriebs -<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 21


» MANAGEMENT<br />

Hinterfragt – Schlagwort im Supply Chain Management<br />

Resilienz? Buzzword? Solange<br />

man nicht weiß, wie es geht ...<br />

Wenn neue Krisen kommen, obwohl die vorherige noch nicht überwunden ist, wird es<br />

richtig eng. Dann zählt Resilienz. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Begriff? Solange<br />

„Resilienz“ nicht in seiner ganzen Ausprägung mit allen Konsequenzen richtig<br />

verstanden wird, schmückt man sich allenfalls mit dem Buzzword. Welche sinnhaften<br />

Handlungen sind also notwendig? Wir haben uns umgehört.<br />

Der Begriff Resilienz wird heute als die<br />

Lösung für alles gepriesen, etwa für<br />

die Lieferkette und für die Organisation.<br />

Aber wissen wir auch immer, was da genau<br />

dahintersteht?“, fragt Thomas Zsulits, Director<br />

Global Supply bei der Doka GmbH in<br />

Amstetten (Österreich) und Vorstandsmitglied<br />

des Bundesverbands<br />

Materialwirtschaft,<br />

Einkauf<br />

und Logistik in Österreich<br />

(BMÖ). Er<br />

macht Resilienz an<br />

der Flexibilität der<br />

Marktreaktion fest.<br />

Dieser Zustand, etwa<br />

die neue Lieferkette eines Produktes,<br />

müsse einer unvorhergesehenen Belastung,<br />

wie sie heute vom Markt oft komme,<br />

standhalten. „Aufbau, Vernetzung und Optimierung<br />

vieler kleiner Netzwerke, die<br />

dann unabhängig und flexibel auf Marktgegebenheiten<br />

reagieren können, ist für<br />

mich Resilienz.“ Die Kunst sei, sich so flexibel<br />

wie möglich auf alle Unwägbarkeiten<br />

einzustellen. Zsulits geht es darum, „ein<br />

Miteinander aufzubauen und entsprechende<br />

Technologien und Prozesse zu etablieren,<br />

die es erlauben, sich in kürzester Zeit<br />

den jeweils neuen Marktgegebenheiten mit<br />

schnell implementierbaren Lösungen stellen<br />

zu können“.<br />

Als Beispiel nennt Thomas Zsulits das Produktdesign:<br />

Die Spezifikation müsse so gefasst<br />

sein, dass selbst ein einzigartiges Produkt<br />

überall auf der Welt gefertigt werden<br />

könne – etwa ein einfaches Metallprodukt<br />

in Europa mit europäischen Stahlgüten.<br />

»Aufbau, Vernetzung und<br />

Optimierung vieler kleiner<br />

Netzwerke [...] ist für<br />

mich Resilienz.«<br />

Thomas Zsulits<br />

„Hier muss sichergestellt werden, dass vergleichbare<br />

Stähle auch in anderen Kontinenten<br />

verfügbar sind. Auch die Art der<br />

Verarbeitung sollte transferierbar sein“, so<br />

der Supply-Experte. Die Fragen: Wer hilft<br />

den Designern, neuen Gedanken nachzugehen?<br />

Wer ermuntert sie explizit? Was würde<br />

das für die Anforderungen<br />

aus<br />

qualitätstechnischer<br />

Sicht bedeuten?<br />

Und welche<br />

Entscheidungsparameter<br />

brauchen die<br />

Einkäufer, um ein<br />

Netzwerk aufzubauen,<br />

bei dem sie noch gar nicht wissen,<br />

wie sie es bespielen sollen?<br />

„Wir haben festgestellt, dass semiprofessionell<br />

agierende Unternehmen die Frage<br />

eines modernen Risikomanagements als<br />

Teil des Resilienzgedankens noch gar nicht<br />

auf dem Radar haben“, sagt Thomas Mademann,<br />

Geschäftsführer der Essener GMVK<br />

Procurement Group. Er bezeichnet Resilienz<br />

als „eine neue und relativ eigenständige<br />

Teildisziplin eines umfassenden Risikomanagements,<br />

das auch die Sicherstellung der<br />

Stabilität und Elastizität<br />

von Business-Netzwerken<br />

umfasse“. Klar sei,<br />

dass die Steigerung<br />

der Resilienz keinen<br />

Endpunkt habe, weil<br />

sich das Handlungsumfeld<br />

von Unternehmen ständig ändere<br />

und Unternehmen ständig dazulernten.<br />

»Resilienz funktioniert<br />

nur mit einem Wertschöpfungskettendenken.«<br />

Marc Helmold<br />

Der erste Schritt ist laut Mademann „immer<br />

das Herstellen von Transparenz und<br />

das Zusammenführen zahlreicher Informationen<br />

in den einzelnen Fachbereichen“.<br />

Nur so ließen sich Abhängigkeiten und Risiken<br />

identifizieren und im Anschluss die<br />

richtigen Antwortstrategien zu definieren.<br />

Im letzten Schritt gelte es, Wissen und<br />

Strategien in einen kontinuierlichen Managementprozess<br />

zu überführen. Ziel müsse<br />

sein, Risikomanagement und Resilienz<br />

sowohl im Warengruppenmanagement als<br />

auch im Lieferantenmanagement immer<br />

mitzudenken. „Wenn der Einkauf die<br />

Chancen der <strong>Beschaffung</strong>smärkte mitdenkt,<br />

muss er parallel deren Risiken mitdenken.<br />

Nur so kann er sicherstellen, dass<br />

die durch ihn gesteuerte externe Wertschöpfung<br />

genauso stabil ist, wie die im<br />

eigenen Unternehmen erbrachte.“ Der Einkauf<br />

müsse in die erste Reihe rücken,<br />

Wegducken sei keine Option. „Und natürlich<br />

braucht es auch F&E, Qualität, SCM<br />

und Produktion an einem Tisch, um stabile<br />

Wertschöpfungsnetzwerke aufbauen und<br />

unterhalten zu können“, so Mademann.<br />

„Resilienz funktioniert nur mit einem<br />

Wertschöpfungskettendenken, in dem<br />

auch Stakeholder<br />

integriert sind, insbesondere<br />

Zulieferer.<br />

Klar ist, dass<br />

hierbei dem Einkauf<br />

zentrale Bedeutung<br />

zukommt“,<br />

sagt Prof.<br />

Dr. Marc Helmold von der IU Internationale<br />

Hochschule am Campus Berlin, Berater<br />

22 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Bild: pv<br />

Bild: GMVK<br />

Bild: Doka<br />

Prof. Dr. Marc Helmold, IU Internationale<br />

Hochschule am Campus Berlin<br />

Thomas Mademann, Geschäftsführer,<br />

GMVK Procurement GmbH<br />

Thomas Zsulits, Director Global<br />

Supply , Doka GmbH<br />

Stephan Gras, Supply Chain Training<br />

– Consulting – Coaching (Ostfildern)<br />

und Buchautor. Voraussetzung sei, dass<br />

die Geschäftsleitung die Schlüsselrolle des<br />

Einkaufs und des Lieferantenmanagements<br />

als Wertetreiber zwischen Unternehmen<br />

und Lieferanten begreife und anerkenne.<br />

Das sei längst noch nicht überall<br />

der Fall, weil dem (eigenen) Einkauf vielfach<br />

noch das Bild des reinen Kostenoptimierers<br />

anhafte.<br />

„Wer diesen signifikanten Einflussfaktor<br />

nicht auf dem Schirm hat, verzeichnet<br />

nicht nur Einbußen, sondern riskiert sogar<br />

eine Insolvenz“, mahnt Helmold. Er rät<br />

dem Top-Management dringend, interne<br />

Experten und alle Prozessbeteiligten an<br />

einen Tisch zu holen; Trainer, Berater oder<br />

spezielle „Game Changer“ gelte es ergänzend<br />

hinzuzuziehen. Etwa bei Nachhaltigkeitsthemen,<br />

wie dem LkSG mit Risikoanalyse,<br />

Zertifizierung und Sorgfaltsbericht,<br />

könnten zusätzliche Know-how-<br />

Träger wichtige Impulse geben.<br />

Machen statt lamentieren<br />

Resilienz, Transformation, Change: Für Stephan<br />

Gras, bis Ende 2022 Einkaufsberater<br />

bei ConMoto und jetzt als Supply-Chain-<br />

Trainer sowie im Vorstand des BMÖ aktiv,<br />

begegnen sich hier gleich drei interpretationsbedürftige<br />

Buzzwords. „Wir werden in<br />

unserer Sprache immer schwammiger und<br />

amerikanisierter. Und über dem Erklären<br />

vernachlässigen wir oftmals das Tun.“ Erfolgreich<br />

sei derjenige, der Resilienz als<br />

lange Kette verstehe: „Vorbeugen – erkennen<br />

– alte Zöpfe abschneiden – Erfahrung<br />

einbringen – praktikable Lösungen finden –<br />

Lösungen gezielt und rasch umsetzen –<br />

Funktion der neuen Lösung sicherstellen –<br />

nächstes Risiko erahnen – Risikoanalyse<br />

starten bzw. fortsetzen – Kette von vorne<br />

beginnen.“ Sein Rat: „Immer mal wieder<br />

‚back to the roots‘ denken und nicht dauernd<br />

wichtige Dinge mit neuen Begrifflichkeiten<br />

und Namen beschreiben. Auf das<br />

das Machen konzentrieren. Zum Lamentieren<br />

ist keine Zeit<br />

mehr.“<br />

Resilienz muss als<br />

standortumspannender<br />

Bogen alle<br />

und jeden einbeziehen.<br />

Das Verständnis<br />

muss „von<br />

oben“ eindeutig<br />

beschrieben, vorgelebt<br />

und, ja,<br />

auch verordnet<br />

werden, weil Veränderung<br />

zuweilen<br />

weh tut. Für den<br />

Einkauf bedeutet<br />

das: keinen Stillstand<br />

im Hinblick<br />

auf Digitalisierung,<br />

Diversifizierung,<br />

Risikoidentifizierung<br />

und das entsprechende<br />

Maßnahmenmanagement,<br />

Lieferketten-,<br />

Schnittstellen-<br />

und Lieferantenmanagement,<br />

regulatorische Anforderungen,<br />

Nachhaltigkeit und vieles mehr. Die Kostenfrage<br />

muss indes jedes Unternehmen<br />

für sich beantworten. Bedenkenwertes<br />

Statement dazu von Doka-Supply-Experte<br />

Thomas Zsulits: „Fehlende Transformation<br />

kostet am Ende weitaus mehr.“<br />

Sabine Ursel, Journalistin,Wiesbaden<br />

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<strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 23


» MANAGEMENT<br />

Hornbach: Markt- und Büroausstattung über zentrales System<br />

Kundenorientierung auch für<br />

interne Bestellvorgänge zentral<br />

Bei Hornbach müssen Bestellungen vor Ort schnell und einfach gehen. Hierfür<br />

nutzt das Handelsunternehmen das E-Procurement-System „Impact Ordering“<br />

von Veenion. Weitere Webshops sind per OCI-Schnittstelle angebunden. Das<br />

entlastet den Einkauf und reduziert den administrativen Aufwand. Das Besondere:<br />

Alle Bestellungen werden zum Bestellzeitpunkt steuerlich korrekt erfasst.<br />

Claudia Killet-Thumm,<br />

Hornbach: „Wir standen<br />

in diesem Projekt<br />

vor zahlreichen Herausforderungen.“<br />

Wenn Mitarbeitende von Hornbach Produkte<br />

und Dienstleistungen für die Marktausstattung,<br />

die Warenpräsentation oder ihren Arbeitsalltag<br />

bestellen, muss das schnell und einfach gehen. Genauso<br />

schnell und einfach wie die zentrale und sichere<br />

Systemanmeldung neuer Kollegen und Kolleginnen<br />

oder die ab dem Bestellzeitpunkt steuerlich<br />

korrekte Erfassung von Bestellungen. Dies alles sind<br />

Anforderungen an das neue E-Procurement-System,<br />

das Hornbach in 171 Bau- und Gartenmärkten, in<br />

neun europäischen Ländern eingeführt hat.<br />

Die Anwender haben das System „Easy Order“ getauft.<br />

Die Lösung basiert auf der E-Procurement-<br />

Software „Impact Ordering“ von Veenion. Das Sortiment<br />

umfasst alle Nichthandelswaren – in diesem<br />

Bild: privat<br />

Fall sind dies Produkte und Dienstleistungen aus<br />

1300 Katalogen von 330 Lieferanten und weiteren<br />

OCI-Shops. 2000 Anwender und Anwenderinnen sind<br />

freigeschaltet. Bestellen lassen sich vom individualisierbaren<br />

Namensschild bis zum Regalsystem, von<br />

der Kasse bis zur Zuschnittsäge, von Verpackungsmaterial<br />

über Arbeitskleidung, Büromaterial, Telekommunikation<br />

bis zur IT alle für den Geschäftsbetrieb<br />

notwendigen Waren und Dienstleistungen.<br />

Hornbach verwaltet Zugangsberechtigungen und<br />

Softwarelizenzen über ein zentrales Identitätsmanagement,<br />

an das auch Impact Ordering angedockt<br />

wurde. Single-Sign-On war aus diesem Grund eine<br />

wichtige Systemvoraussetzung. Als Backend läuft<br />

SAP im Hintergrund. Impact Ordering fungiert bei<br />

Hornbach als vollständig integriertes, komfortables<br />

Frontend.<br />

Easy Order: Der Name ist<br />

Programm<br />

Alle Wareneingangsbuchungen und Bestellungen<br />

sind weiterhin sowohl über das Backend, als auch<br />

das Frontend möglich. Dieses kundenorientierte Vorgehen<br />

ist ganz typisch für Hornbach: „Wir haben unseren<br />

Anwendern ganz bewusst die Freiheit der Entscheidung<br />

gelassen, mit welchem System sie arbeiten<br />

wollen, weil wir glauben, dass wir sie so am besten<br />

überzeugen“, erklärt Projektleiterin Claudia Killet-<br />

Thumm das Prinzip. Die internen Kunden honorieren<br />

das und haben über ihre Tastatur abgestimmt: Nach<br />

kurzer Zeit läuft bereits die Hälfte aller Wareneingangsbuchungen<br />

und Bestellungen über die neue<br />

Lösung , die hierfür sehr einfache Prozesse bietet.<br />

Dass die Anwender gerne auf „Easy Order“ umsteigen,<br />

führt Killet-Thumm auf die komfortable Suchfunktion<br />

des Tools und seine gute Bedienbarkeit zurück. „Die<br />

Artikelsuche und die Übersichtlichkeit der Software<br />

waren für uns zentrale Anforderungen“, erklärt sie.<br />

24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Dass Veenion hier ganz vorne liege, habe sich bereits<br />

in den ersten Systemprüfungen abgezeichnet und in<br />

der späteren Ausschreibungsphase bestätigt: „Impact<br />

Ordering ist ein übersichtliches, anwenderfreundliches<br />

Produkt“, betont sie.<br />

Integrierte Steuer- und<br />

Kontierungslogik<br />

Eine Besonderheit der Hornbach-Lösung ist die<br />

markt- und artikelgenaue Kontierung der bestellten<br />

Waren bereits zum Bestellzeitpunkt. „Für uns ist<br />

wichtig, dass die korrekte Steuerermittlung nicht erst<br />

nach Rechnungseingang erfolgt“, erklärt Claudia Killet-<br />

Thumm. Auf diesem Weg reduziert man auch die<br />

Rechnungsprüfung auf ein Minimum und hat deshalb<br />

– neben der Kontierungslogik – auch die gesamte<br />

Steuerlogik in das Bestellsystem integriert. Das<br />

System schlägt für jede Bestellung gleich die passende<br />

Kontierung vor. Als Warengruppenschlüssel läuft<br />

UNSPSC im Hintergrund. „Die Besteller müssen nur<br />

aktiv werden, wenn die Kontierung nicht passt“, erklärt<br />

die Projektleiterin. Da das System aus der<br />

Kosten stelle jedoch schon sehr viel ableiten könne,<br />

sei das aber nur selten der Fall.<br />

Guided-Buying für geführte<br />

Ausschreibungen<br />

Im nächsten Rollout kommen Guided-Buying-<br />

Anwendungen hinzu. Über vorstrukturierte Anfragen<br />

können die Fachabteilungen und Märkte ihre wiederkehrenden<br />

Bedarfe dann sogar selbst ausschreiben.<br />

Die Anfragen werden über vordefinierte Formularfelder<br />

(SmartForm) präzisiert, bei Druckdienstleistungen<br />

sind dies zum Beispiel Seitenzahl, Format und<br />

Papierqualität. Auch die Regalsysteme für die<br />

Produktpräsentation in den Märkten, für die es verschiedene<br />

Lieferanten gibt, können über geführte<br />

Prozesse dann so vorkonfiguriert werden, dass die<br />

anfragten Systeme auch zusammenpassen. „Hiervon<br />

versprechen wir uns für den Einkauf Entlastung und<br />

für die Fachbereiche schnellere Ausschreibungs -<br />

prozesse“, beschreibt Claudia Killet-Thumm das Ziel.<br />

„Wir standen in diesem Projekt vor zahlreichen Herausforderungen“,<br />

lautet ihr Fazit mit Blick auf die<br />

Anforderungen. „Veenion haben wir als sehr gewissenhaften,<br />

technisch wie fachlich versierten, stets in<br />

Lösungen denkendenden Partner erlebt“, lobt sie die<br />

Zusammenarbeit. Bei der ersten Leistungsstufe habe<br />

man sich darauf fokussiert, die Sortimente und Lösungen<br />

zu realisieren, die in Märkten häufig gebraucht<br />

würden. Nun kommen die Bestellprozesse<br />

dran, die weniger häufig genutzt werden, aber für die<br />

Anwender komplexer sind. „Dabei bleiben wir dem<br />

Anspruch treu, dies für unsere Kolleginnen und Kollegen<br />

einfach und sicher zu gestalten – easy order<br />

eben“, sagt Killet-Thumm.<br />

Annette Mühlberger, Journalistin, Stuttgart<br />

Hornbach-Markt in<br />

Chuchle/Prag. Die<br />

Bestellung der<br />

sogenannten<br />

Nichthandelswaren für<br />

die Markt- und Büroausstattung,<br />

für<br />

Logistik und IT läuft<br />

bei Hornbach europaweit<br />

über eine neue,<br />

zentrale E-Procurement-Lösung.<br />

Bild: Hornbach<br />

E-Procurement bei Hornbach<br />

• 2000 aktive Anwender<br />

• implementiert in 171 Bau- und Gartenmärkten und<br />

neun Ländern<br />

• 1300 statische Kataloge (inklusive regionaler<br />

Ausprägungen ), 330 Lieferanten<br />

• Punchouts zu Webshops weiterer Lieferanten<br />

• Single-Sign-On mit Schnittstelle zu Omada für die<br />

komfortable Verwaltung von Bestellern und<br />

Genehmigern (Rechte-Management)<br />

• Anbindung an SAP mit integrierter<br />

Rechnungsbearbeitung<br />

• Gesamtvolumen (monatlich): 13.000 Bestellungen,<br />

30.000 Positionen (noch in der Aufbauphase)<br />

• Warengruppen: Verpackung, Bekleidung, Personaldienstleistungen,<br />

Einrichtung und Ausstattung<br />

(Regale , Ladenbau, Regalzubehör), IT/Kommunikationstechnik,<br />

Telefon, Büromaterial /-möbel, Arbeitssicherheit,<br />

Hygiene/Reinigung, Preisauszeichnung,<br />

Maschinen/ Geräte (Sägeraum, Logistik)<br />

• integrierte Steuersystematik<br />

• integrierte Kontierungslogik, UNSPSC läuft im<br />

Hintergrund<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 25


Der Einsatz von künstlicher Intelligenz,<br />

im Speziellen Natural Language Processing<br />

(NLP), ist eine Lösung zur Identifikation<br />

von Frühwarnsignalen in der Lieferkette.<br />

Bild: Rahul/stock.adobe.com<br />

Wie KI durch Natural Language Processing die Resilienz erhöht<br />

Verbesserte Frühwarnsignale<br />

in der Lieferkette<br />

Resilienz ist eine zentrale Zielgröße für Lieferketten. Das zeigen zahlreiche<br />

Beiträge aus Forschung und Praxis. Doch bloße Erkenntnisse reichen nicht aus;<br />

praktische Lösungen sind gefragt, aber bisher selten vorhanden. Eine solche<br />

Lösung besteht in der Verwendung von künstlicher Intelligenz, insbesondere<br />

Natural Language Processing (NLP), zur Identifikation von Frühwarnsignalen.<br />

Land Rover, Chrysler, Apple – alle drei<br />

haben die Insolvenz eines zentralen<br />

Zulieferers erlebt. Land Rover wurde vom<br />

Ausfall des Fahrgestellherstellers UPF-<br />

Thompson überrascht und sah sich Forde-<br />

Bild: ISCM-HSG<br />

Ingo Weth M.A. HSG<br />

Forschungspraktikant<br />

am Institut für Supply<br />

Chain Management an<br />

der Uni St. Gallen<br />

(ISCM-HSG).<br />

rungen von 120 Mio. USD ausgesetzt, um<br />

1500 Jobs und die langfristige Produktion<br />

zu retten. Chrysler schloss kurzfristig vier<br />

Werke, nachdem der Zulieferer Plastech<br />

Engineered Products wegen Insolvenz die<br />

Bild: ISCM-HSG<br />

Daniel Langner M.Sc.<br />

Projektmanager und<br />

Postdoktorand am<br />

Institut für Supply Chain<br />

Management an der Uni<br />

St. Gallen (ISCM-HSG).<br />

Auslieferung stoppte. Apple musste,<br />

nachdem der Partner GT Advanced Technologies<br />

Insolvenz anmeldete, den Erhalt<br />

einer Fabrik in Arizona organisieren, in<br />

welcher Saphirglas produziert wird. Kurzum:<br />

Immer wieder sehen sich Organisationen<br />

überraschend mit der Insolvenz<br />

von Zulieferern konfrontiert.<br />

Abhilfe schaffen Frühwarnsignale. Sofern<br />

sich die Praxis jedoch Signalen für die Insolvenz<br />

eines Zulieferers widmet, wird dafür<br />

nach wie vor überwiegend auf Kennzahlenmodelle<br />

aus dem Kreditgeschäft der<br />

60er und 70er Jahre vertraut (z. B. Altmans<br />

Z-Score). Diese sind nicht mehr zeitgemäß.<br />

Nicht-finanzielle Informationen aus der<br />

Medien- oder Unternehmensberichterstattung<br />

haben an Bedeutung gewonnen,<br />

nicht nur für Insolvenzprognosen. Mehrere<br />

Studien erzielen präzisere Insolvenzprognosen<br />

bei Berücksichtigung nicht finanzieller<br />

Informationen (z. B. Marktposition).<br />

26 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


MANAGEMENT «<br />

tiv insolvente Zulieferer generell durch<br />

deutlich mehr Ereignisse (5 x) kennzeichnen<br />

als solvent bleibende Unternehmen.<br />

Gemäß Intuition sind es zudem vor allem<br />

negative Ereignisse, die bei prospektiv insolventen<br />

Zulieferern vielfach häufiger<br />

(16 x) auftreten. Allein dies lässt auf grosses<br />

Potential zur Identifikation von Frühwarnsignalen<br />

basierend auf Medienberichterstattung<br />

und NLP schließen.<br />

Speziell ergeben sich Erweiterung der<br />

Schuldenlast, Umschuldung, Kündigung<br />

eines Senior Managers und Reorganisationen<br />

mit Entlassungen als hochsignifikante<br />

Signale. Diese treten teils weit vor<br />

der eigentlichen Insolvenz auf. Auch können<br />

konterintuitiv Ereignisse als Signale<br />

verworfen werden. Beispielsweise spielen<br />

der Rauswurf eines Managers im Gegensatz<br />

zu dessen selbstständiger Kündigung<br />

oder Kostensteigerungen keine Rolle.<br />

Frühzeitig reagieren<br />

Für Unternehmen ist es nicht nur möglich<br />

den verfolgten Ansatz weiterzuentwickeln,<br />

sondern wie die Ergebnisse zeigen, auch<br />

sinnvoll. Es liegt nahe, dass für weitere Risiken<br />

in der Lieferkette ähnliche Muster<br />

bestehen (z. B. Unfälle, Brände, Streiks). Es<br />

wird damit eine konkrete Lösung geliefert,<br />

wie durch Technologie Resilienz erhöht<br />

werden kann. Frühzeitige Reaktionen auf<br />

ein verändertes Risikoprofil eines Zulieferers<br />

können dann vor immensen Schäden<br />

schützen. Unternehmen sollten eigene<br />

Frühwarnsysteme oder die ihrer Dienstleister<br />

entsprechend auf ihre Reife überprüfen.<br />

Folgende sieben Fragen helfen dabei:<br />

1. Risikoauswahl: Wird das Insolvenzrisiko<br />

wichtiger Zulieferer (oder andere Top-<br />

Risiken) speziell überwacht?<br />

2. Make-or-buy: Übernimmt ein Dienst-<br />

Das ist nachvollziehbar, denn Finanzkennzahlen<br />

sind retrospektiv, mit Verzögerung<br />

verfügbar, inhaltlich durch Rechnungslegungsstandards<br />

limitiert, Impression Management<br />

und Manipulation ausgesetzt<br />

und liegen aufgrund von verschiedenen<br />

Jurisdiktionen und Publikationspflichten<br />

nicht für alle gleichermaßen vor. Seit NLP<br />

die Verarbeitung von nicht-finanzieller Information<br />

technologisch ermöglicht und<br />

stetig verbessert (z. B. ChatGPT), nimmt die<br />

Bedeutung und Eignung dieser Informationen<br />

kontinuierlich zu.<br />

Im Hinblick auf Lieferketten sticht hervor,<br />

dass der Einsatz solcher Technologien gegenüber<br />

anderen Feldern zurücksteht. Ein<br />

Blick auf Veröffentlichungen der letzten<br />

Jahre zeigt, dass für Lieferketten kaum<br />

Anwendungsfälle von NLP untersucht<br />

wurden. In Bereichen des Aktienhandels<br />

hingegen ist es bereits Usus, Medien-, Unternehmensberichterstattung<br />

und Social<br />

Media in Echtzeit auszuwerten und einzupreisen.<br />

Nicht zuletzt aufgrund der massiven<br />

Datenverfügbarkeit und eindeutigen<br />

Quantifizierbarkeit ist dies einfacher als<br />

im Anwendungsfall Lieferkette. Für die<br />

vorliegende empirische Analyse wurde mit<br />

Raven Pack Analytics, einem NLP-Service<br />

aus dem Hochfrequenzhandel, die Anwendung<br />

auf Lieferketten übertragen. Empirisch<br />

und praktisch replizierbar wurde untersucht,<br />

ob die Analyse von Nachrichtenartikeln<br />

mit NLP die Identifikation von<br />

Frühwarnsignalen zulässt.<br />

Für die Analyse wurden über 150.000 Artikel<br />

aus aller Welt zu mehr als 300 Unternehmen<br />

ausgewertet. Auf Basis von<br />

mithilfe von NLP erfassten Ereignissen<br />

(z. B. Freistellung eines Vorstands), die bis<br />

zu zwei Jahren vor der Insolvenz eines<br />

Zulieferers auftraten, wurde mit Regressionsmodellen<br />

die Prädiktionskraft für die<br />

Insolvenz berechnet.<br />

Es zeigt sich, dass solche Ereignisse sowohl<br />

in ihrer Gesamtheit, als auch allein -<br />

stehend und in Interaktion miteinander<br />

signifikante bis hochsignifikante Frühwarnsignale<br />

für eine Insolvenz sein können.<br />

Die Signale können dabei bis zu mehr<br />

als zwei Jahre ex ante des eigentlichen Risikoeintritts<br />

(Insolvenz) auftreten (z. B.<br />

Reorganisation mit Entlassungen). Zunächst<br />

ist festzustellen, dass sich prospekleister<br />

diese Aufgabe oder lohnt sich der<br />

interne Systemaufbau?<br />

3. Signalauswahl: Wird lediglich auf<br />

Kennzahlenmodelle zurückgegriffen oder<br />

werden nicht-finanzielle Informationen<br />

wie beispielsweise die Medien- und Unternehmensberichterstattung<br />

ebenfalls<br />

berücksichtigt?<br />

4. Signaljustierung: Wie fein justiert sind<br />

diese Signale? Sind für die ausgewählten<br />

Risiken spezifische Frühwarnsignale empirisch<br />

identifiziert worden? Sind diese Erkenntnisse<br />

in das System eingeflossen?<br />

5. Signalmessung: Werden die Signale in<br />

Echtzeit gemessen? Kommen die besten/<br />

neuesten Technologien zum Einsatz?<br />

6. Signalinterpretation: Wer entscheidet<br />

auf welcher Ebene wann und wie über die<br />

Weiterleitung und Reaktion auf identifizierte<br />

Signale?<br />

7. Risikomitigierung: Welche Maßnahmen<br />

können ergriffen werden? Wer ist für<br />

deren Umsetzung und Überwachung zuständig?<br />

Letztlich werden es wohl primär Dienstleister<br />

sein, die sich die beschriebenen Erkenntnisse<br />

zu Nutze machen können.<br />

Nicht nur aufgrund der gebündelten Kompetenz<br />

für den zielgerichteten Technologieeinsatz.<br />

Dieser ist nötig, da die Mehrdeutigkeit<br />

von Informationen und die starke<br />

Abhängigkeit vom Kontext eine Herausforderung<br />

bei der textuellen Analyse im Finanzbereich<br />

bleibt. Vor allem aufgrund des<br />

dahinterstehenden Gesamtsystems „Frühwarnung-as-a-Service“,<br />

das verschiedene<br />

Risiken abdeckt, unterschiedliche Technologien<br />

parallel einsetzt, ständig weiterentwickelt<br />

wird und Ergebnisse geeignet<br />

kommuniziert. Schließlich müssen am Ende<br />

tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden<br />

– zielgerichtet und zeitnah.<br />

NATURAL LANGUAGE PROCESSING (NLP)<br />

Zur Stärkung der Lieferketten-Resilienz ist der Einsatz von<br />

künstlicher Intelligenz, im Speziellen Natural Language<br />

Processing (NLP), eine effiziente Lösung. NLP analysiert<br />

mittels Linguistik und Statistik, Struktur, Bedeutung und<br />

Kontext von Texten.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 27


» MANAGEMENT<br />

Rechte des Käufers beim Erwerb von KI<br />

Was Künstliche Intelligenz<br />

können muss<br />

Die Frage, wann eine Künstliche Intelligenz (KI) mangelhaft ist, ist juristisch<br />

nicht einfach zu beantworten. Sowohl der deutsche als auch der europäische<br />

Gesetzgeber haben Lösungsansätze entwickelt. Den besten Schutz für Einkäufer<br />

von KI-Systemen bietet ein möglichst konkreter Vertragstext.<br />

In den Fach- und Einkaufsabteilungen<br />

im ganzen Land wird derzeit überlegt:<br />

Soll Künstliche Intelligenz (KI) angeschafft<br />

werden und wenn ja, was soll sie<br />

können? Wo soll man sie einkaufen und<br />

wie soll man sie gewinnbringend einsetzen?<br />

Eine Umfrage des Digitalverbands<br />

Bitkom vom Juni 2023 offenbart: 72 Prozent<br />

der befragten Unternehmen gehen<br />

davon aus, dass Künstliche Intelligenz eine<br />

große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen Wirtschaft<br />

haben wird – aber nur 15 Prozent setzen<br />

sie bereits ein. Als Faktor dafür, was die<br />

Nutzung digitaler Technologien momentan<br />

noch hemme, benennen 54 Prozent<br />

die Politik, die den Einsatz eher verhindere<br />

als fördere. 46 Prozent sagen, in ihren<br />

Unternehmen werde mehr über die Risiken<br />

geredet als über die Chancen.<br />

Europa als globales<br />

KI-Zentrum<br />

Die Europäische Union (EU) will dieser<br />

Stimmung entgegenwirken und hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, den weltweit ersten<br />

Anja Falkenstein,<br />

Rechtsanwältin,<br />

Karlsruhe<br />

Dr. Kristina Schreiber vom Kölner<br />

Büro der Kanzlei Loschelder.<br />

Bild: Loschelder<br />

Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz<br />

zu schaffen. Der geplanten EU-KI-Verordnung<br />

soll der Spagat zwischen dem Fördern<br />

der Entwicklung und Nutzung von KI<br />

und dem Eindämmen möglicher Gefahren<br />

gelingen. Die Ziele sind hochgesteckt:<br />

Europa soll nicht weniger als das globale<br />

Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche<br />

Intelligenz werden. Zu diesem Zwecke<br />

hat sich das EU-Parlament<br />

nun auf den<br />

Text der Verordnung<br />

geeinigt. Damit geht<br />

es jetzt in die Feinabstimmung<br />

mit den<br />

einzelnen Mitgliedstaaten<br />

– was dauern<br />

kann. Selbst optimistische<br />

Prognosen gehen nicht von<br />

einem Inkrafttreten vor dem Jahr 2026<br />

aus.<br />

Wer sich <strong>aktuell</strong> also mit der Anschaffung<br />

und Funktionalität von KI-Systemen beschäftigen<br />

muss, muss auf das geltende<br />

nationale Recht zurückgreifen, wenn sich<br />

Dr. Arno Malcher von der Münchner<br />

Kanzlei Wallberg & Cie.<br />

»Der Anbieter muss<br />

sich daran messen<br />

lassen , was er<br />

versprochen hat.«<br />

RA Dr. Kristina Schreiber<br />

juristische Fragestellungen ergeben. Und<br />

diese beginnen nicht erst dann, wenn etwas<br />

nicht richtig funktioniert, sondern<br />

bereits beim Vertragsschluss.<br />

Verschiedene<br />

Vertragstypen denkbar<br />

„Wie die Anschaffung von KI-Lösungen<br />

vertragsrechtlich einzuordnen ist, hängt<br />

von der Form der<br />

Leistung ab, in der<br />

der Vertragspartner<br />

KI-bezogene Leistungen<br />

für ein Unternehmen<br />

erbringt“,<br />

erklärt Rechtsanwalt<br />

Dr. Arno Malcher von<br />

der Münchner Kanzlei<br />

Wallberg & Cie. Nur wenn eine bereits<br />

vorbestehende KI-Lösung angeschafft<br />

und in eigener Verantwortung auf den eigenen<br />

Systemen betrieben wird, könne<br />

man von einem reinen Kaufvertrag sprechen.<br />

„Ein wohl eher seltener Fall“, merkt<br />

der Fachanwalt für IT-Recht an.<br />

Bild: Wallberg<br />

28 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Das andere Extrem stellt es dar, wenn<br />

eine individuelle, auf die speziellen Bedürfnisse<br />

des Unternehmens abgestimmte<br />

KI-Lösung bei einem Softwarehaus oder<br />

Programmierer in Auftrag gegeben wird.<br />

Für das maßgeschneidertes Werk gilt<br />

dann Werkvertragsrecht.<br />

Die dritte Möglichkeit stellt eine Miete der<br />

KI dar. Experte Malcher erklärt: „Wenn ich<br />

eine KI-Lösung anschaffe, die der Anbieter<br />

auf seiner eigenen Infrastruktur betreibt<br />

und mir als Cloud-Lösung zum vorübergehenden<br />

Gebrauch<br />

zur Verfügung<br />

stellt, dann wird<br />

diese Art der Leistungserbringung<br />

einen mietvertraglichen<br />

Charakter<br />

haben und nach<br />

Mietrecht zu beurteilen<br />

sein.“ Dies<br />

stellt einen Unterfall<br />

von Softwareas-a-Service<br />

(SaaS) dar, nämlich KI-as-a-<br />

Service (KIaaS), also die nicht dauerhafte<br />

Gebrauchsüberlassung einer KI-Anwendung<br />

via Datenfernübertragung.<br />

Mangel und<br />

Gewährleistung<br />

Die geplante EU-Verordnung beschreibt<br />

präzise und ausführlich, was einzelne KI-<br />

Produkte zu leisten haben und wofür die<br />

Anbieter haften sollen. Zwar gibt es ähnlich<br />

detaillierte, neue Regelungen auch<br />

im deutschen Recht, sie gelten im Sinne<br />

des Verbraucherschutzes jedoch nur,<br />

wenn ein Unternehmer KI für Verbraucher<br />

bereitstellt, also im B2C-Bereich. Für B2B<br />

sind sie nicht anwendbar.<br />

Hier muss man auf den allgemeinen kaufrechtlichen<br />

Mangelbegriff in § 434 des<br />

Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zurückgreifen.<br />

Dieser stellt – nach einer Gesetzesänderung<br />

im vergangenen Jahr – erstmalig<br />

auch auf die Funktionalität, Kompatibilität<br />

und Interoperabilität der gekauften<br />

Sache ab, die Käufer und Verkäufer<br />

vereinbart haben. Doch die Regelung<br />

bleibt allgemein und sehr abstrakt, denn<br />

sie gilt für alle Kaufobjekte gleicher -<br />

maßen, ob digital oder analog.<br />

„Vereinfacht gesagt, ist ein KI-Produkt<br />

»Wie die Anschaffung<br />

von KI-Lösungen<br />

vertragsrechtlich einzuordnen<br />

ist, hängt von der<br />

Form der Leistung ab.«<br />

RA Dr. Arno Malcher<br />

dann mangelfrei, wenn es den subjektiven<br />

und objektiven Erwartungen an seine Beschaffenheit<br />

genügt“, erläutert Rechtsanwältin<br />

Dr. Kristina Schreiber vom Kölner<br />

Büro der Kanzlei Loschelder die Rechtslage.<br />

„Zur Frage, wann ein lernendes, intelligentes<br />

System mangelhaft ist, kommt es<br />

ganz maßgeblich auf den konkreten Zuschnitt<br />

an. Der Anbieter muss sich daran<br />

messen lassen, was er versprochen hat.“<br />

Maßgeblich sei dabei, für welche Verwendung<br />

die KI vertraglicherseits eingesetzt<br />

werden soll. „Ist<br />

sie dazu geeignet?<br />

Sind eventuell<br />

besondere<br />

Beschaffenheiten<br />

vereinbart<br />

und weicht die<br />

KI negativ davon<br />

ab? Welche<br />

Trainingsleistungen<br />

muss der<br />

Anbieter auch<br />

nach Überlassung noch bereitstellen, welche<br />

Ergebnisse werden erwartet?“, fasst<br />

die Expertin im Vertragsrecht für digitale<br />

Produkte zusammen.<br />

Wenn tatsächlich ein Mangel vorliegt,<br />

greift das Gewährleistungsrecht wie bei<br />

analogen Produkten. Die Details unterscheiden<br />

sind nach Kauf-, Miet- und<br />

Werkvertragsrecht, generell gilt aber: Der<br />

Anbieter muss/darf nacherfüllen, also seine<br />

Leistung<br />

nochmal erbringen.<br />

Gelingt das<br />

nicht, kann der<br />

Käufer den Preis<br />

mindern, vom<br />

Vertrag zurücktreten<br />

oder diesen<br />

kündigen.<br />

„Wurden Schäden<br />

schuldhaft verursacht, sind auch diese<br />

zu ersetzen“, ergänzt Anwältin Schreiber.<br />

Service-Level-Agreements<br />

beachten<br />

Um die Pflichten des Anbieters zu konkretisieren,<br />

ist der Abschluss von Service-<br />

Level-Agreements (SLA) bei der <strong>Beschaffung</strong><br />

von KI-Lösungen ganz besonders<br />

sinnvoll. Hier sollte das Maß der Verfügbarkeit<br />

der KI festgelegt werden sowie, in<br />

welchem Umfang und innerhalb welcher<br />

Fristen der Anbieter Mängel in der<br />

Anwendung beheben muss und welche<br />

Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn er<br />

die vereinbarte Verfügbarkeit nicht einhalten<br />

kann. Rechtsanwalt Malcher weist<br />

darauf hin, „dass der Anbieter einer KI-<br />

Lösung in der Regel weder in einem SLA<br />

noch im Vertrag eine Erfolgsverantwortung<br />

für richtige Vorhersagen seiner KI-<br />

Anwendung übernehmen wird.“ Dies hänge<br />

zum einen damit zusammen, dass nach<br />

dem heutigen Stand der Technik KI-Anwendungen<br />

lediglich Vorhersagen zur<br />

Wahrscheinlichkeit einer Fragestellung<br />

treffen, jedoch keine Aussagen im Sinne<br />

von richtig oder falsch. Zudem sei die<br />

Qualität von Vorhersagen einer KI ganz<br />

wesentlich von der Menge und Qualität<br />

der Daten des Kunden abhängig, die in die<br />

KI eingespeist werden.<br />

Trainingsdaten besonders<br />

absichern<br />

Bevor die KI fleißig gefüttert wird, sollte<br />

man den Schutz besonders relevanter Daten<br />

vertraglich absichern. Dies kann etwa<br />

geschehen durch vertragsstrafenbewehrte<br />

Vertraulichkeitsregelungen, eine Verpflichtung<br />

zur unwiederbringlichen Löschung<br />

der Daten nach Vertragsbeendigung und<br />

ein Audit-Recht des Kunden, um die Nutzung<br />

der Daten<br />

beim Anwender<br />

Bevor die KI fleißig<br />

gefüttert wird, sollte man<br />

den Schutz<br />

relevanter Daten<br />

vertraglich absichern.<br />

überprüfen zu<br />

können. Kommen<br />

dagegen<br />

nur ubiquitäre<br />

Rohdaten ohne<br />

besonderen<br />

wirtschaftlichen<br />

Wert zum Einsatz,<br />

könne man den Regelungen in den<br />

Standardverträgen zustimmen, nach denen<br />

der Anbieter auch nach Vertragsbeendigung<br />

die Daten des Kunden zu Trainingszwecken<br />

einsetzen darf, so Malcher.<br />

„Hier sollte man jedoch darauf achten,<br />

dass die Nutzung anonymisiert und aggregiert<br />

erfolgt und keine Rückschlüsse<br />

auf den Kunden zulässt“, lautet der dringende<br />

Rat des Anwalts.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 29


» MANAGEMENT<br />

Resilienz: Zwischen Hype und Horror<br />

Das Geheimnis hinter der<br />

Superkraft Resilienz<br />

Es besteht Einigkeit darüber, dass Resilienz eine entscheidende Fähigkeit im Einkauf<br />

ist. Allerdings konzentriert sich die Fachwelt hauptsächlich auf strukturelle<br />

Aspekte wie Organisation, Ziele, Anforderungen und Technologien. Christine Freye<br />

und Prof. Dr. Mahmut Arica haben in der Praxis untersucht, wie ein Einkauf, der<br />

über die Mitarbeitenden selbst resilienter ist, aufgebaut und etabliert werden kann.<br />

Deloitte und McKinsey sehen Resilienz als Top-Fähigkeit<br />

für Einkäuferinnen und Einkäufer. Die<br />

Hochschule München, unter Leitung von Prof. Dr. Kleemann,<br />

bestätigt die Bedeutung der Resilienz im Einkauf<br />

der Zukunft. Trotz des Konsenses über ihre Wichtigkeit<br />

werden die Gestaltungsansätze und -prinzipien<br />

der Resilienz kritisch diskutiert. Meistens konzentriert<br />

sich die Diskussion auf strukturelle Themen wie Organisation,<br />

Ziele, Anforderungen und Technologien. Eine<br />

Betrachtung der Mitarbeitenden im Einkauf fehlt jedoch.<br />

Dies wirft die Frage auf, wie die Resilienz erlernt<br />

werden kann, wenn die Diskussion ausschließlich auf<br />

die Struktur des Einkaufs fokussiert ist.<br />

Ausgehend von praktischen Untersuchungen, möchte<br />

dieser Beitrag einen alternativen Weg aufzeigen, wie<br />

ein resilienterer Einkauf auch über die Mitarbeitenden<br />

selbst aufgebaut und etabliert werden kann.<br />

Basics: Was meint Resilienz ?<br />

Jeder verbindet und versteht den Begriff der Resilienz<br />

anders: Während die einen die Resilienz mit<br />

Bild: Freye<br />

Christine Freye<br />

Senior Consultant<br />

Research & Analysis im<br />

Einkauf; Doktorandin im<br />

Bereich der industriellen<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

Bild: FOM<br />

Prof. Dr. Mahmut Arica<br />

Professor für allgemeine<br />

BWL an der FOM<br />

Hochschule für Ökonomie<br />

& Management ,<br />

Standort Münster.<br />

Widerstandsfähigkeit gleichsetzen, verstehen andere<br />

die Resilienz als eine Fähigkeit, um Krisen zu bewältigen,<br />

wieder andere verbinden mit der Resilienz eine<br />

nachhaltige Leistungssteigerung. Zusätzlich existieren<br />

verschiedene Metaphern, die genutzt werden, um<br />

den Begriff der Resilienz zu veranschaulichen. So<br />

wird die Resilienz als eine Art Teflon-Beschichtung<br />

gesehen, an der jede Krise abperlt. Auch wird die Resilienz<br />

mit einem Bambusrohr verglichen, dass flexibel<br />

die Form halten kann.<br />

Deswegen ist es erforderlich, im Voraus festzulegen,<br />

was im Rahmen dieses Beitrags unter Resilienz zu<br />

verstehen ist. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit,<br />

trotz widriger Umstände oder Krisen kontinuierlich<br />

an Zielen festzuhalten. Somit wird deutlich, dass<br />

Resilienz nicht ausschließlich in Krisensituationen<br />

entsteht und von Bedeutung ist. Die Steigerung der<br />

Leistungsfähigkeit kann zwar durch Resilienz erfolgen,<br />

jedoch wird diese von diversen Faktoren, wie<br />

Wissen, Erfahrung und Motivation, zusätzlich beeinflusst.<br />

Um dieses Verständnis zu verdeutlichen, bietet sich<br />

ein Vergleich zur japanischen Technik des „Kintsugi“<br />

an: Beim Kintsugi werden zuvor gebrochene Porzellanscherben<br />

mit Silber, Gold oder Platin verbunden,<br />

wodurch die Risse bewusst betont werden. Diese Risse<br />

stehen sinnbildlich für die Mühen, das Überwinden<br />

und das Heilen. Ähnlich lassen sich diese Eigenschaften<br />

auch auf das hier verwendete Verständnis<br />

von Resilienz übertragen. Statt die Leistung übermäßig<br />

zu betonen, konzentriert sich dieser Beitrag auf<br />

das Lernen und die gewonnenen Erkenntnisse, die<br />

sich in den einzelnen Rissen widerspiegeln.<br />

Obwohl das Verständnis der Resilienz als eine Fähigkeit<br />

vorliegt, ist wichtig sie nicht als eine Persönlichkeitseigenschaft<br />

anzusehen, die jemand besitzt oder<br />

nicht. Es ist bekannt, dass Menschen unterschiedlich<br />

gut mit herausfordernden Situationen umgehen kön-<br />

30 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


nen. Dennoch unterstellt dieses Verständnis, dass es<br />

in der Verantwortung des Einzelnen liegt. Dabei wird<br />

die Rolle der Organisation und der Führung vollständig<br />

ignoriert. Deshalb wird die Resilienz als eine erlernbare<br />

Fähigkeit betrachtet, die vom Einzelnen erworben<br />

und trainiert werden kann.<br />

Die absoluten „Dont’s“<br />

Trotz des bisherigen Eindrucks, dass Resilienz nur<br />

positive Auswirkungen hat, möchten wir betonen,<br />

dass dies nicht der Fall ist. Resilienz beinhaltet die<br />

Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewältigen, die<br />

von jedem Einzelnen unterschiedlich wahrgenommen<br />

und erlebt werden. Dabei können sowohl positive<br />

als auch negative Erfahrungen entstehen, wie<br />

zum Beispiel Überforderung oder Frustration. Anstatt<br />

solche Erfahrungen als Zeichen von mangelnder<br />

Resilienz zu verurteilen, betrachten wir sie als<br />

Anregung, um die Mitarbeiter dabei zu unterstützen,<br />

Resilienz zu erlernen, zu fördern und zu stärken. Wir<br />

vermeiden bewusst eine optimistische Sichtweise<br />

und streben stattdessen einen realistischen und angemessenen<br />

Umgang mit dem Thema Resilienz an,<br />

der auch das Erleben von negativen Emotionen einschließt.<br />

Tipps zur Stärkung der Resilienz.<br />

Vorweg: Resilienz ist ein komplexes und umfangreiches<br />

Konstrukt, dass vom Einzelnen erlebt und gelebt<br />

wird. Daher sind die folgenden vier „Geheimnisse“ als<br />

Impulse, die beim Entwickeln der Fähigkeit der Resilienz<br />

helfen können.<br />

1. Herausforderungen, Krisen & Co. akzeptieren:<br />

Resilienz ist eine Fähigkeit, die einerseits in, durch<br />

und mit herausfordernden Situationen gestärkt und<br />

andererseits zur Überwindung dieser benötigt wird.<br />

Daher ist es unerlässlich, die widrigen Umstände zu<br />

akzeptieren und als eine Chance anstatt als eine Last<br />

anzusehen.<br />

2. Lernen fördern: Um die widrigen Situationen<br />

meistern zu können, gilt es neue Fähigkeiten zu erlernen,<br />

neues Wissen aufzubauen und neue Erkenntnisse<br />

zu gewinnen. Dabei geht es ausdrücklich nicht<br />

nur um das einfache Lernen, sondern alle Facetten<br />

des Lernens: vom Erlernen, über das Verlernen bis<br />

zum Neuerlenen.<br />

3. Situation reflektieren: Jeder widrige Umstand<br />

und damit jede Situation, die es zu bewerkstelligen<br />

gilt, ist anders. Daher ist sich einzugestehen, dass bestehende<br />

Prinzipien, Mechanismen und Taktiken<br />

nicht 1:1 auf jede Situation übertragen werden können.<br />

Vielmehr sind die Besonderheiten der Situation<br />

zu erfassen und zu bewerten, sowohl davor, während<br />

als auch danach.<br />

Bild: lassedesignen/stock.adobe.com<br />

4. Beziehungen stärken: Vielleicht ist dieser Aspekt<br />

überraschend, aber um die Fähigkeit der Resilienz zu<br />

lernen, gilt es die eigene Wirksamkeit zu erfahren.<br />

Letztere schaffen wir einerseits durch die Situationen,<br />

denen wir uns stellen und andererseits durch unsere<br />

Interaktionen mit anderen. Daher können Beziehungen<br />

uns resilienter machen, und zwar durch Gespräche,<br />

die uns bestärken, ermutigen und aufbauen.<br />

Gerade wenn wir negative Gefühle verspüren, wie<br />

Frust oder Überforderung, helfen uns die Beziehungen<br />

unser Wohlbefinden wieder zu verbessern.<br />

Natürlich sind diese Impulse nicht isoliert zu betrachten,<br />

sondern als ein Tandem zwischen dem Einzelnen<br />

und der Einkaufsorganisation. So sind geeignete<br />

Maßnahmen zu formulieren, welche die Realisierung<br />

der drei Impulse fördern, unterstützen und<br />

ermutigen.<br />

Superkraft oder Kryptonit?<br />

Resilienz bildet einer der zentralen Fähigkeiten, die<br />

Organisationen, Lieferketten und Mitarbeitende im<br />

Einkauf der Zukunft aufweisen müssen. Auch wenn<br />

die Forderung so einfach, so klar und so eindeutig<br />

formuliert werden kann, ist die Umsetzung und Realisierung<br />

alles andere als einfach. So ist die Resilienz<br />

nämlich eine Fähigkeit, die von jedem Einzelnen unterschiedlich<br />

erlebt, gespürt und erlernt wird. Damit<br />

einhergehend verfügt die Resilienz über eine Vielzahl<br />

an unterschiedlichen Facetten, Ausprägungen und<br />

Formen, weswegen ein eindeutiges und uniformes<br />

Erlernen unmöglich ist. Daher ist die Resilienz als eine<br />

Superkraft mit „kryptonischen“ Elementen anzusehen,<br />

wobei das kryptonische bzw. schwächende<br />

Element im Begriff der Resilienz selbst liegt.<br />

Resilienz ist eine der<br />

Top-Fähigkeiten, die<br />

Einkäuferinnen und<br />

Einkäufer aufweisen<br />

müssen.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 31


TITEL » C-Teile-Management<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der <strong>Beschaffung</strong> können<br />

einen entscheidenden Beitrag zur Effizienz, Nachhaltigkeit und<br />

Wettbewerbsfähigkeit des C-Teile Einkaufs leisten.<br />

Auswirkungen auf die Mitarbeitenden in der <strong>Beschaffung</strong><br />

Das „Next Level“<br />

im C-Teile-Einkauf<br />

Die neueste Entwicklungsstufe im Einkauf von C-Teilen umfasst eine<br />

Transformation des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses und zielt darauf ab, die<br />

Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses<br />

zu steigern. Hierbei kommen digitale Technologien und automatisierte<br />

<strong>Beschaffung</strong>sabläufe zum Einsatz.<br />

32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


C-Teile umfassen eine Vielzahl kleiner, preisgünstiger<br />

Materialien, die aber in Summe einen<br />

bedeutenden Anteil der <strong>Beschaffung</strong>s- und Prozesskosten<br />

in Unternehmen ausmachen können. Darüber<br />

hinaus kann die traditionelle <strong>Beschaffung</strong> von C-Teilen<br />

zeitaufwendig, fehleranfällig und ineffizient sein.<br />

Hier kommen die Möglichkeiten des modernen<br />

C-Teile-Einkaufs ins Spiel – ein Konzept, das darauf<br />

abzielt, die Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit<br />

des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses zu steigern, Kosten zu reduzieren<br />

und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen<br />

zu stärken.<br />

Auch die Rolle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

verändert sich. In dieser neuen Ära des Einkaufs ist<br />

der Mitarbeitende nicht mehr nur ein traditioneller<br />

Einkäufer, der manuell Bestellungen aufgibt und Lieferanten<br />

kontaktiert. Er wird zum strategischen Partner<br />

im Einkaufsprozess und nutzt innovative Ansätze,<br />

wie beispielsweise sich selbst steuernde Logistiksysteme<br />

und die IoT-Plattform Logtopus, um den C-Teile<br />

Einkauf effizienter und nachhaltiger zu gestalten.<br />

Die Transformation des<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesses<br />

Effiziente Lagerhaltung und Bestandsmanagement:<br />

Im modernen Einkauf von<br />

C-Teilen wird verstärkt auf die Nutzung<br />

von digitalen Technologien und automatisierten<br />

<strong>Beschaffung</strong>sabläufen gesetzt. Intelligente<br />

Systeme erkennen eigenständig, wann C-Teile nachbestellt<br />

werden müssen, um die Lagerbestände auf<br />

einem optimalen Niveau zu halten. Dadurch wird der<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess reibungsloser und effizienter,<br />

was sowohl Zeit als auch Ressourcen spart. Besonderes<br />

Augenmerk liegt dabei auf sich selbst steuernden,<br />

flexiblen Kanban-Lösungen. Die benötigte Ware wird<br />

einfach nur entnommen und mithilfe von Sensorik<br />

wird bei Bedarf der Bestellvorgang ausgelöst. Auftragsdaten<br />

werden automatisch generiert, die Ware<br />

wird geliefert und gleichzeitig erfolgt eine bidirektionale<br />

Übertragung von Auftragsdaten. Somit ist das<br />

Kanban-System stets zuverlässig aufgefüllt. Dies<br />

führt zu einer Reduzierung von Lagerbeständen und<br />

Kapitalbindung, während gleichzeitig eine hohe Flexibilität<br />

und eine 100-prozentige Versorgungssicherheit<br />

gewährleistet werden.<br />

Der Einkauf kann sich künftig auf strategische Themen<br />

konzentrieren und sicherstellen, dass bei A- und<br />

B-Teilen Lieferengpässe oder Preissteigerungen möglichst<br />

vermieden werden. Die gleichzeitige Implementierung<br />

zeitgemäßer E-Procurement-Plattformen<br />

und digitaler Kataloge führt zu einer deutlichen<br />

Reduzierung manueller Tätigkeiten und einer effizienteren<br />

Gestaltung des C-Teile-Einkaufs.<br />

Datenbasierte Entscheidungen: Fortschrittlicher<br />

C-Teile-Einkauf setzt auf einen<br />

datenbasierten Ansatz unter Verwendung<br />

fortschrittlicher Technologien,<br />

Die traditionelle <strong>Beschaffung</strong><br />

von C-Teilen<br />

kann zeitaufwendig,<br />

fehleranfällig und<br />

ineffizient sein. Ansätze<br />

wie Logtopus können<br />

Abhilfe schaffen.<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Die Herausforderungen des traditionellen C-Teile-Einkaufs<br />

Unübersichtliche Datenmengen: Die <strong>Beschaffung</strong> und verbrauchsoptimierte Bereitstellung von C-Teilen umfasst oft eine Vielzahl von Prozessschritten, die enorme Datenmengen<br />

erzeugen. Das kann die Transparenz über den <strong>aktuell</strong>en Bestand, den Verbrauch und die Ausgaben erschweren. Manuelle Datenauswertung führt oft zu ungenauen Ergebnissen,<br />

verlangsamt den <strong>Beschaffung</strong>sprozess und Fehlmengen werden oftmals zu spät erkannt.<br />

Unvorhersehbarer Bedarf: Der Bedarf an C-Teilen kann schwanken und unvorhersehbar sein. Dies kann zu Überbeständen oder Engpässen führen, welche unter anderem die<br />

Lagerkosten und die Betriebseffizienz beeinträchtigen.<br />

Zeitintensive manuelle Prozesse: In vielen Unternehmen erfolgt die C-Teile-<strong>Beschaffung</strong> immer noch manuell, was zu zeitraubenden Prozessen und möglichen Fehlern führt.<br />

Mitarbeitende verbringen unnötig viel Zeit mit wiederkehrenden Aufgaben wie der Erstellung von Bestellungen, der Rechnungsprüfung und der Bestandsüberwachung.<br />

Begrenzte Datenanalyse und -auswertung: Traditionelle <strong>Beschaffung</strong>smethoden bieten oft begrenzte Möglichkeiten zur Datenanalyse und -auswertung. Dies erschwert es,<br />

Einsparungspotenziale zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 33


TITEL » C-Teile-Management<br />

Intelligent vernetzte<br />

Logistiksysteme.<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

wie IoT-Plattformen, Advanced Analytics, Big Data<br />

und künstliche Intelligenz (KI). Einkäufer erhalten<br />

damit umfassende Einblicke, beispielsweise in Verbrauch,<br />

Kosten und Bestellverhalten und können<br />

dank Prognosen bereits heute die optimale Entscheidung<br />

für zukünftige Gegebenheiten treffen.<br />

Intelligente, cloudbasierte IoT-Plattformen wie Logtopus<br />

automatisieren die Warenverwaltung und bieten<br />

ein benutzerfreundliches Dashboard zur Überwachung<br />

und Steuerung von Material- und Informationsflüssen.<br />

Diese digitale Lösung beinhaltet auch ein<br />

Frühwarnsystem und Self-Service-Funktionen. Von<br />

der <strong>Beschaffung</strong> bis zur Verbrauchsstelle liefert die<br />

ERP-unabhängige All-In-One-Plattform transparente<br />

Einblicke in Artikel, Warenbewegungen und Bestellstatus.<br />

Dies geschieht durch eine nahtlose Vernetzung<br />

und Interaktion mit internen Logistiksystemen<br />

und Lieferanten. Unternehmen jeder Größe und<br />

Branche können Lieferanten je nach Bedarf anbinden<br />

lassen und so ihre maßgeschneiderte Artikel-Palette<br />

erhalten.<br />

Nachhaltigkeit und Innovation: Der<br />

Einkauf ist verstärkt auf der Suche nach<br />

nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>slösungen, um<br />

der ökologischen Verantwortung gerecht<br />

zu werden. Die Einbindung von nachhaltigen Teilen,<br />

wie beispielsweise wiederverwendbaren oder recycelten<br />

Materialien, sowie die Wahl umweltfreundlicher<br />

Verpackungsoptionen, sind Maßnahmen, die zur<br />

Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen beitragen<br />

und den ökologischen Fußabdruck reduzieren kön-<br />

nen. Eine weitere unterstützende Initiative ist der LineWalk,<br />

welcher eine externe Produktionsbegehung<br />

durch einen C-Teile-Spezialisten beinhaltet. Die Entwicklung<br />

und Fertigung des Produkts wird von Anfang<br />

bis Ende dokumentiert und analysiert. Durch<br />

den frühzeitigen Blick auf die Supply Chain können<br />

beträchtliche Potenziale gehoben und Verbesserungen<br />

auf Produkt- und Montageprozessebene identifiziert<br />

werden. Diese Optimierungen können zu direkten<br />

oder indirekten Kosteneinsparungen, innovativen<br />

Ansätzen und der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen<br />

führen.<br />

Flexibilität und Reaktionsfähigkeit:<br />

Um eine ganzheitliche und erfolgreiche<br />

Lösung zu entwickeln, ist die Zusammenarbeit<br />

mit C-Teile-Logistikexperten von<br />

großer Bedeutung. Diese integrieren digitale Dienste,<br />

Sensorik, KI-Analysen und Engineering-Know-how in<br />

die Lieferkette. Einen Blick in die Zukunft mit gezielter<br />

Szenarioplanung ermöglicht Advanced Analytics.<br />

Die positiven Effekte der Anwendung dieser Analysetools<br />

durch die C-Teile Anbieter kommen dem Einkauf<br />

zugute, denn sie sorgen für erheblich verbesserte<br />

Leistungen und optimierte Abläufe in der gesamten<br />

Lieferkette.<br />

Hier geht es zum virtuellen<br />

Showroom „FAKKTORY“<br />

von Keller & Kalmbach.<br />

34 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Dr. Dariush Gigloo, Leiter für Advanced Analytics bei<br />

Keller & Kalmbach, entwickelte diese ausgeklügelten<br />

mathematischen Optimierungstools, die den Kunden<br />

eine maximierte Versorgungssicherheit und eine flexible<br />

Produktion ermöglichen. Advanced Analytics<br />

konzentriert sich auf reale Probleme und Eskalationsfälle.<br />

Mitarbeitende im Einkauf können dank der<br />

Tools und Auswertungen wertvolle Erkenntnisse ableiten<br />

und fundierte Entscheidungen treffen, um den<br />

Einkaufsprozess kontinuierlich zu verbessern.<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesse auf ein<br />

neues Level heben<br />

Insgesamt beinhaltet zeitgemäßer C-Teile-Einkauf die<br />

umfassende Transformation des C-Teile Managements,<br />

die durch fortschrittliche Technologien, Zusammenarbeit<br />

mit erfahrenen Experten, datenbasierte Entscheidungen<br />

und eine verstärkte Fokussierung auf Nachhaltigkeit<br />

und Effizienz geprägt ist. Die Rolle der Einkäuferinnen<br />

und Einkäufer verändert sich insbesondere<br />

durch die zunehmende Bedeutung von digitaler Kompetenz,<br />

Datenanalyse und Konnektivität signifikant.<br />

Indem der Mitarbeitende diese neuen Fähigkeiten<br />

entwickelt und nutzt, kann er einen entscheidenden<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Logtopus ist eine All-In-One-Plattform zur transparenten Steuerung und Verbesserung<br />

der Materialversorgung. Der QR-Code führt direkt zur Plattform.<br />

Beitrag zur Effizienz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit<br />

des C-Teile-Einkaufs leisten. Die Integration<br />

von intelligenten Logistiksystemen und IoT-<br />

Plattformen wie Logtopus von Keller & Kalmbach, ermöglichen<br />

es dem Einkauf seine <strong>Beschaffung</strong>sprozesse<br />

auf ein neues Level zu heben.<br />

40. Deutscher<br />

Logistik-Kongress<br />

18. - 20. Oktober 2023<br />

InterContinental Berlin<br />

Pullman Berlin Schweizerhof<br />

Think Networks.<br />

Auf dem Kongress sprechen<br />

und diskutieren unter anderem:<br />

Ilse Henne<br />

CTO und Vorstandsmitglied,<br />

thyssenkrupp Materials Services,<br />

Essen,<br />

Vorstand, BVL<br />

Dr. Jan Schneider<br />

Head of Logistics Operations,<br />

Tchibo GmbH,<br />

Hamburg<br />

Oliver Wieck<br />

Generalsekretär,<br />

International Chamber of<br />

Commerce (ICC) Germany e.V.,<br />

Berlin<br />

Christian Krebs<br />

Head of Logistics & Repacking DACH,<br />

Unilever Supply Chain Services<br />

GmbH, Heilbronn<br />

Stefan Paul<br />

CEO,<br />

Kühne + Nagel International AG,<br />

Schindellegi, Schweiz<br />

Dr. Volker Wissing<br />

Bundesminister<br />

für Digitales und Verkehr,<br />

Berlin<br />

PROGRAMM UND ANMELDUNG UNTER WWW.BVL.DE/DLK<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 35


» POWERED BY<br />

Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />

Die neue FALCON-App bietet fast alle Funktionen der webbasierten Desktopversion und ermöglicht volle Kanban-Übersicht von überall<br />

Das neue FALCON: Noch mobiler!<br />

Bereits 2012 führte Ferdinand Gross die E-Kanban-Lösung FALCON ein: Eine absolute Weltneuheit,<br />

für die das Unternehmen mehrfach prämiert wurde und die aus dem modernen C-Teile-Management<br />

nicht mehr wegzudenken ist. Mit einer komplett überarbeiteten Version wird das Tool jetzt noch<br />

mobiler und so auch für neue Anwendergruppen attraktiv.<br />

Den exakten Lagerort jedes C-Teils sekundenschnell<br />

bestimmen, das jährliche Einkaufs -<br />

volumen jeder einzelnen Schraube mit wenigen<br />

Klicks nachverfolgen oder das gesamte Kanban-<br />

System selbst aus dem Home Office aktiv steuern zu<br />

können – mit Funktionen wie diesen hat sich die<br />

webbasierte FALCON-Software als unverzichtbares<br />

Werkzeug im Kanban-Management etabliert. Das<br />

Besondere dabei ist, dass FALCON zwar ursprünglich<br />

für Einkaufsabteilungen gedacht war, die sich mehr<br />

Transparenz und Kontrolle über ihr Kanban-System<br />

wünschten, sich aber inzwischen auch in anderen<br />

Abteilungen etabliert hat.<br />

Mehr als nur ein Einkäufer-Tool<br />

„Unsere Kunden haben schnell für sich erkannt, für<br />

wen die in FALCON bereitgestellten und visualisierten<br />

Informationen alles interessant sein können“, so<br />

Ralph Wittum, Vertriebsleiter bei Ferdinand Gross.<br />

„QS-Abteilungen zum Beispiel nutzen gerne das<br />

Dokumentenmanagement des Tools, weil dort die<br />

Prüfzeugnisse und Zertifikate aller C-Teile problemlos<br />

eingesehen und heruntergeladen werden können. In<br />

Entwicklungsabteilungen wiederum greift man verstärkt<br />

auf die verwalteten Fertigungszeichnungen<br />

zurück. Insbesondere bei Neukonstruktionen bietet<br />

Über 90 % der<br />

Kanban-Kunden von<br />

Ferdinand Gross<br />

arbeiten mit FALCON<br />

– im Einkauf aber<br />

auch in vielen<br />

anderen Abteilungen<br />

Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />

36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


ANZEIGE<br />

Zum Unternehmen<br />

Ferdinand Gross gehört zu den größten<br />

Lieferanten von Verbindungstechnik. Das<br />

1864 gegründete Familienunternehmen ist<br />

führend in C-Teile-Management, flexiblen<br />

Kanbansystemen, Standard- und Zeichnungsteilen<br />

sowie Anwendungstechnik.<br />

– Stammsitz: Leinfelden-Echterdingen<br />

(Stuttgart)<br />

– rund 250 Mitarbeiter<br />

– über 15.000 Kunden<br />

– europaweit über 1.500 mit Kanban<br />

bewirtschaftete Lager<br />

Foto: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />

es sich nämlich an zuerst in der detaillierten Volltextsuche<br />

nach Abmessungen, Güten, Artikeltexten usw.<br />

zu filtern, um zu prüfen, ob eine aufwändige Neuaufnahme<br />

von Sonderteilen überhaupt notwendig ist.<br />

Häufig stellt man dann fest, dass sich die Aufgabe<br />

auch mit Normteilen oder existierenden Zeichnungsteilen<br />

lösen lässt.“<br />

Insgesamt, so Wittum, sei FALCON bei über 90 %<br />

der Kanban-Kunden von Ferdinand Gross im Einsatz.<br />

Die komplett überarbeitete Version, die im Sommer<br />

2023 gelauncht wird, soll diese Erfolgsgeschichte<br />

fortsetzen und dabei noch weitere Anwendergruppen<br />

von der E-Kanban-Lösung überzeugen.<br />

Jetzt noch mobiler einsetzbar<br />

Neues Design, bessere Performance und Benutzerführung,<br />

erweiterte Suchfilter und Auswertungen sowie<br />

Exportmöglichkeiten in Excel – die Liste an neuen<br />

Funktionen und Vorteilen ist lang. Was allerdings<br />

besonders hervorsticht, ist die komplett neu aufgesetzte<br />

mobile App. Sie ist für iOS und Android verfügbar<br />

und bietet jetzt nahezu alle Features der Desktop-<br />

Version. Egal ob die Suche nach Artikeln und Behältern,<br />

Downloads von Werkszeugnissen und Zeichnungen<br />

oder Anzeigen von Produktbildern und Liefer -<br />

kalendern – mit der App wandern alle Funktionen<br />

in die Hosentasche und werden so noch leichter abrufbar.<br />

Das ist nicht nur für bestehende Nutzer interessant,<br />

sondern auch für Anwender, die bisher eher<br />

wenig auf FALCON zugreifen konnten, wie beispielsweise<br />

die Mitarbeiter in der Produktion. Mit der App<br />

können sie mit einem Handgriff einen schnellen<br />

Überblick über die installierten Kanbanregale gewinnen.<br />

Insbesondere Ortsfremde wie beispielsweise<br />

Zeitarbeiter oder neue Mitarbeiter können sich so<br />

schneller in den Regalen zurechtfinden und wertvolle<br />

Zeit einsparen. Ein weiterer Vorteil besteht darin,<br />

dass die üblichen kleinen Umstrukturierungen und<br />

Neusortierungen der Artikel durch die Monteure<br />

(wenn beispielsweise oft genutzte Artikel in anwenderfreundlicher<br />

Höhe im Regal platziert werden) sehr<br />

einfach im Programm hinterlegt werden können und<br />

die Veränderungen somit sofort für alle einsehbar<br />

und nachvollziehbar sind.<br />

Die neue Generation des FALCON-Tools steht also<br />

bereit, um das C-Teile-Management der Zukunft noch<br />

digitaler und effizienter zu gestalten. Kein Wunder,<br />

dass sich Kunden wie Norbert Rohr, Kanban-Verantwortlicher<br />

bei der Firma UNSINN, bereits auf das<br />

Update freuen: „FALCON ist bei uns täglich im<br />

Einsatz. Mit der neuen mobilen App wird das Tool<br />

noch umfassender von Mitarbeitern aus unterschiedlichsten<br />

Abteilungen und von überall aus eingesetzt<br />

werden.“<br />

KONTAKT<br />

Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />

Daimlerstraße 8<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen<br />

Telefon: +49 (0)711 1604–0<br />

E-Mail: info@schrauben-gross.de<br />

www.schrauben-gross.de<br />

Für innovative<br />

Produkte und Services<br />

wie FALCON ist<br />

Ferdinand Gross<br />

bereits 8x als Top 100<br />

Innovator ausgezeichnet<br />

worden<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 37


» C-TEILE-MANAGEMENT<br />

Aufbau eines indirekten Einkaufs<br />

„Digitale Transformation:<br />

Next Level im Indirect Procurement“<br />

Innerhalb nur eines Jahres schaffte es Christian Karnau, Head of Indirect<br />

Procurement bei der Sport-E-Commerce- und Technologie-Plattform Signa<br />

Sports United, einen indirekten Einkauf aufzubauen. Unterstützung kam<br />

von verschiedenen Seiten.<br />

Bild: SSU<br />

Vom Verwalter zum „entdeckenden<br />

Entwickler“: So wertet Christian<br />

Karnau, 40, den Wechsel zur Internetstores<br />

GmbH, bzw. Signa Sports United (SSU)<br />

im Oktober 2022: Nach insgesamt 15<br />

Jahren bei Hugo Boss, wo er zuletzt erfolgreich<br />

die Abteilung Buying & Planning<br />

verantwortete – im wesentlichen „also<br />

die Verwaltung der überwiegend zyklischen<br />

Bestelldisposition“ – ging es nun in<br />

seiner neuen Position als Head of Indirect<br />

Procurement darum, „für alle SSU-Tochtergesellschaften<br />

den indirekten Einkauf<br />

aufzubauen, zu digitalisieren, Synergieeffekte<br />

zu generieren und dadurch das Unternehmen<br />

agiler und profitabler zu machen.<br />

Das ist schon sehr anspruchsvoll<br />

und reizvoll.“<br />

Die an der New Yorker Börse NYSE notierte<br />

Signa Sports United wickelt ihr Business<br />

mit über 1000 Sportmarken über<br />

rund 100 eigene Online-Shops und etwa<br />

500 unabhängige Ladengeschäfte ab. Die<br />

Christian Karnau, ist bei<br />

Signa Sports United<br />

(SSU) als Head of<br />

Indirect Procurement<br />

für den Aufbau eines<br />

professionellen<br />

indirekten Einkaufs<br />

zuständig .<br />

Aufgabenstellung für „den next Level im<br />

Indirect Procurement“ (Karnau) war denn<br />

auch herausfordernd. Es galt, die bis dahin<br />

absolut diverse <strong>Beschaffung</strong>ssituation<br />

• für 3 unterschiedliche Gesellschaften<br />

an 3 verschiedenen Standorten,<br />

• mit 3 unterschiedlichen ERP Systemen,<br />

• mit 3 unterschiedlichen oder nicht<br />

existenten OCR-Systemen,<br />

• mit größtenteils unterschiedlichen Lieferanten,<br />

• unterschiedlichen Bedarfen, und<br />

• ohne Ausschreibungsmanagement<br />

zu harmonisieren und zu standardisieren.<br />

Dazu sollte noch ein Expenses Management<br />

aufgebaut werden.<br />

Zielsetzung dieser angestrebten digitalisierten<br />

homogenen <strong>Beschaffung</strong>slösung,<br />

die bis September 2023 komplett implementiert<br />

werden sollte: „Durch Steigerung<br />

der Transparenz im Spend Management<br />

zu wirksamen Einsparungen zu<br />

kommen und auf Veränderungen im Geschäftsumfeld<br />

reagieren zu können.“<br />

Herzstück der Lösung ist die Software von<br />

Coupa, die nach einer Ausschreibung unter<br />

allen maßgeblichen Software-Dienstleistern,<br />

die nach einer Bewertungsmatrix<br />

den besten Mix aus Kosten, Qualität der<br />

Lösung, sowie Service und Usability bot.<br />

Karnau: „Ein besonderer Vorteil war, dass<br />

kein zusätzlicher Programmieraufwand<br />

nötig war – die Module waren sofort<br />

nutzbar und individuell konfigurierbar.“<br />

Um den „Paradigmenwechsel in dem sehr<br />

sportlichen Zeitrahmen“ zu schaffen, wie<br />

der Head of Indirect Procurement die<br />

Transformation beschreibt, ging es nach<br />

der Entscheidung für die Coupa-Software<br />

darum, einen Transformations- und Implementierungspartner<br />

zu finden. Ergebnis<br />

der neuerlichen Ausschreibung unter<br />

den von Coupa zertifizierten Unternehmensberatungen:<br />

Die Entscheidung fiel<br />

für die Hackett Group mit Dr. Amaury-<br />

Alexandre Schaller als Projektverantwortlichem,<br />

wieder aufgrund einer Bewertungsmatrix,<br />

die Kosten (Tagessätze),<br />

Qualifikation sowie die Machbarkeit des<br />

Implementierungskonzepts korrelierte.<br />

Zuckerl sorgt für Akzeptanz<br />

Das schnell gebildete agile Core-Team<br />

umfasst auf Seiten der SSU neben Christian<br />

Karnau auch zwei Mitarbeiter aus dem<br />

Finance Bereich (Co-Lead), bei Hackett<br />

neben Amaury Schaller zwei Kollegen, bei<br />

Coupa einen Mitarbeiter. Dazu werden<br />

immer wieder Experten oder Projektteams<br />

aus den Fachbereichen geholt, bei den<br />

Expenses drei Personen, bis zu 10 beim<br />

Modul Accounting. Zur Schilderung dieses<br />

Kern-Teams und der jeweiligen Auf-<br />

38 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Signa Sports United: Digitale Einkaufsorganisation mit Zukunft. Herzstück der Einkaufslösung beim<br />

Sportartikelhändler SSU ist die Software von Coupa.<br />

gaben greift Christian Karnau zu einer<br />

Fußballmetapher: „Die Spielstrategie kam<br />

von uns als SSU inhouse, die Taktik lieferte<br />

Hackett, das Spielgerät, also der Ball,<br />

kam von Coupa.“<br />

Die Gesamtlösung wurde in vier Module<br />

zerlegt:<br />

• Sourcing (Ausschreibung, Auswahl der<br />

Lieferanten)<br />

• Procurement (operativer Einkauf)<br />

• Invoice-Modul (alle Rechnungsprozesse)<br />

• Expensemodul (Reise- und Gestehungskosten).<br />

Als erstes Modul wurde das Expense-<br />

Modul konfiguriert und implementiert.<br />

„Das war der Schlüssel zum Erfolg“, erinnert<br />

sich Karnau. Die simple, schnelle Lösung<br />

mit automatischer Kalkulation sorgt<br />

dafür, dass die Auszahlung der Spesen<br />

schnell auf die Mitarbeiterkonten erfolgt.<br />

Dieses „Zuckerl“ mit sehr hoher Akzeptanz<br />

unter den Mitarbeitenden trägt dazu bei,<br />

dass auch das Procurement-Modul bereitwillig<br />

genutzt wird, mit dem die Mitarbeitenden<br />

befähigt werden, selbst in einem<br />

Guided-Buying-Ansatz einzukaufen: Eine<br />

Assistenzfunktion ermöglicht den Anwendern<br />

einen effizienten und komfortablen<br />

Einkauf. Sie müssen dazu keine Anleitungen<br />

lesen und befolgen, sondern halten<br />

automatisch die im Unternehmen gültigen<br />

<strong>Beschaffung</strong>srichtlinien ein.<br />

Gemäß seinem Anspruch, alle Warengruppen<br />

im digitalen indirekten Procurement<br />

abzudecken, listet Christian Karnau<br />

auf, was die rund 1000 NutzerInnen in<br />

den drei SSU-Gesellschaften über das<br />

System einkaufen und beschaffen können.<br />

Bis Ende September 2023, also nach<br />

weniger als einem Jahr seit seinem Eintritt<br />

bei SSU, kann das System mit den relevanten<br />

Modulen Sourcing, Procurement,<br />

Invoice und Expenses implementiert<br />

sein: Der gesamte Bereich Facility-<br />

Management mit Gebäudemanagement<br />

und Reinigungsdiensten, die gesamte Logistik<br />

(Beispiel: Intralogistik, Verpackungen),<br />

den kompletten Print (Flyer, Preislabels,<br />

Visitenkarten), alle Elemente im IT-<br />

Bereich (Hard- Software, Peripherie), Professional<br />

Services (wie Beraterleistungen<br />

und Personaldienstleistungen), Marketingelemente,<br />

das gesamte Büromaterial,<br />

bis schließlich hin zu Food and Beverages.<br />

Dass der Zeitplan der anspruchsvollen digitalen<br />

Transformationsstufen eingehalten<br />

wurde, abgesehen von einigen üblichen<br />

Projektverzögerungen, etwa die unterschiedlichen<br />

ERP-Systeme der SSU-<br />

Gesellschaften, die dann durch neue<br />

Schnittstellen harmonisiert werden mussten,<br />

ist „vor allem der optimalen Kommunikation<br />

zwischen uns und Hackett zu<br />

verdanken“, lobt Christian Karnau die Zusammenarbeit.<br />

„Amaury Schaller hat unsere<br />

vorgegebene Strategie optimal taktisch<br />

und praxisbezogen umgesetzt. Gemeinsam<br />

ist es uns gelungen, einen guten<br />

Mix aus Theorie und Praxis zu schaffen.“<br />

Wie geht es weiter?<br />

„Die Einkaufsstrategie und auch das System<br />

sind leicht skalierbar – weitere Tochtergesellschaften<br />

lassen sich demnach<br />

ebenfalls anbinden“, so schildert Karnau<br />

weitere mögliche Entwicklungen, die er<br />

bereits heute in einer 5-Jahresstrategie<br />

gedanklich fortschreibt.<br />

Derzeit arbeiten die Kolleginnen und Kollegen<br />

im Bereich Finance von SSU bereits<br />

an der Budgetierung für das kommende<br />

Geschäftsjahr, da sind solche möglichen<br />

Skalierungen schon berücksichtigt und in<br />

den strategischen Überlegungen. (sas)<br />

Bild: Coupa/SSU<br />

PERFEKTION NACH WUNSCH UND MASS:<br />

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Flexible Technologie<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 39


» FERTIGUNG<br />

Datenbasierte Investitions- und Finanzierungsmodelle<br />

Pay-per-X als Finanzierungs -<br />

alternative<br />

„Pay-per-X“ minimiert <strong>Beschaffung</strong>srisiken, indem es fällige Zahlungen für<br />

Maschinen, Anlagen und Services an die tatsächliche Nutzung der Investitionsgüter<br />

knüpft. Ein Erfolgsmodell für unsichere Investitionszeiten und volatile Märkte.<br />

Zählen und zahlen: Pay-per-X rechnet sich in volatilen Märkten.<br />

Die Idee klingt bestechend: Eine<br />

Maschine oder Anlage der <strong>aktuell</strong>en<br />

Technologie-Generation nutzen, die abhängig<br />

von ihrer Auslastung bezahlt wird<br />

und gegebenenfalls bei leeren Auftragsbüchern<br />

auch zurückgegeben werden<br />

kann. Im Gegensatz zu klassischen zeitbasierenden<br />

Finanzierungs- und Leasing-<br />

Modellen löst bei Pay-per-X-Vereinbarungen<br />

allein die Nutzung des Investitionsgutes<br />

eine Zahlungsverpflichtung aus.<br />

Mit anderen Worten: Nur wenn das<br />

Unternehmen verdient, muss es auch<br />

zahlen. Prinzipiell sind bei diesem Investitionsmodell<br />

mehrere Partner beteiligt:<br />

Hersteller und Käufer, der Finanzierer und<br />

Bild: Drazen/Fotolia<br />

oft auch ein Systemintegrator – wobei<br />

manche Marktteilnehmer mehrere Funktionen<br />

aus einer Hand anbieten.<br />

Das „X“ in Pay-per-X<br />

Print macht Druck<br />

Abhängig von Anwendung und Branche<br />

können die Vertragspartner individuelle<br />

Rahmenbedingungen festlegen. Dabei<br />

kann das „X“ für Stückzahlen, produzierte<br />

Chargen oder beispielsweise auch für<br />

Zeitzyklen stehen – zusammengefasst<br />

unter dem Sammelbegriff „Pay-per-Use“.<br />

Voraussetzung für eine präzise Abrechnung<br />

ist die Realtime-Anbindung über ein<br />

Machine-to-Machine-Gateway (M2M),<br />

um alle erforderlichen Nutzungs-Parameter<br />

abrufen zu können.<br />

Erste nutzungsorientierte Finanzierungsmodelle<br />

kamen aus der Druckerbranche.<br />

Print-Kunden nutzen bereits seit langem<br />

Gesamtlösungen, die per gedruckter<br />

Kopie abgerechnet werden – Maschinen,<br />

IT, Toner und Papier inklusive. Inzwischen<br />

gibt es vergleichbare Geschäftsmodelle<br />

für eine Vielzahl von Branchen: beispielsweise<br />

für den Maschinenbau und die<br />

Medizin technik, für IT-Infrastrukturen<br />

und Energieversorgungs-Konzepte bis hin<br />

zu landwirtschaftlichen Großgeräten.<br />

Allen gemeinsam ist eine datenbasierte<br />

Abrechnung.<br />

Das Geschäftsmodell bewährt sich branchenübergreifend:<br />

Als erste Großbank präsentierte<br />

die Commerzbank bereits Ende<br />

2018 mit „CR Pay per Use“ ein komplett<br />

digitales Leasingprodukt. Das Angebot gilt<br />

seither herstellerübergreifend. Die einzige<br />

Voraussetzung: Der Maschinenwertverlauf<br />

und damit der <strong>aktuell</strong>e Zeitwert muss eine<br />

klare Korrelation zu den Betriebsstunden<br />

aufweisen.<br />

Für zyklische Branchen<br />

und volatile Märkte<br />

Die Aufteilung des Investitionsrisikos auf<br />

die Schultern von Herstellern, Kunden<br />

und Finanzierungspartnern erleichtert<br />

Anlage-Entscheidungen in unsicheren<br />

Märkten. Darüber hinaus bietet Pay-per-<br />

Use weitere Vorteile: Der Kunde vermeidet<br />

eine langfristige Kapitalbindung und<br />

arbeitet mit der neuesten Gerätegeneration.<br />

Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Unternehmen und erlaubt ihnen, mit<br />

den neuesten Innovationen Schritt zu<br />

40 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


halten. Sie können darüber hinaus je nach<br />

Auftragslage ihre Produktionskapazitäten<br />

anpassen und erhalten so einen schnelleren<br />

Marktzugang.<br />

Pay-per-Use-Modelle haben sich in der<br />

Industrie unter anderem im Bereich von<br />

Stanzmaschinen, CNC-Fräsmaschinen,<br />

Laserschneidmaschinen, Druckmaschinen<br />

und Pressen etabliert. In die Kalkulation<br />

dieser Geschäftsmodelle fließen nicht nur<br />

Stückzahlen, sondern darüber hinaus weitere<br />

Parameter ein. Dazu zählen üblicherweise<br />

eine vertraglich vereinbarte<br />

Mindest nutzungsdauer, die Prognose der<br />

Nutzungsintensität, die Bonität des Kunden<br />

sowie der Marktwert der Maschine.<br />

Oftmals sind auch Wartung und Reparaturen<br />

in den Pay-per-Use-Geschäfts -<br />

modellen enthalten. Damit trägt der Anbieter<br />

die Verantwortung für die Instandhaltung<br />

– der Käufer kann sich auf sein<br />

Kerngeschäft konzentrieren, ohne sich um<br />

den Maschinenpark kümmern zu müssen.<br />

Und nicht zuletzt: Auf Basis der X-<br />

genauen Abrechnung können zukünftige<br />

Kalkulationen und Angebote auf Basis<br />

tatsächlicher Aufwendungen erfolgen,<br />

welche unverfälscht in die Stückkostenrechnung<br />

einfließen. Aber auch die Anbieter<br />

profitieren: Sie können niedrigschwellig<br />

Hochtechnologie verkaufen,<br />

dadurch berechenbare Einkünfte erzielen<br />

und sich teilweise von Konjunkturzyklen<br />

abkoppeln.<br />

Von CNC bis Cloud-<br />

Computing<br />

Inzwischen bieten alle namhaften Maschinenbauer<br />

und Dienstleister Pay-per-<br />

Use an. „Equipment-as-a-Service“ nennt<br />

beispielsweise Trumpf das entsprechende<br />

Angebot und verweist auf Unterstützung<br />

beim Kalkulieren, Programmieren und Bedienen<br />

der Fertigungsanlage. Der Hersteller<br />

von spanenden Werkzeugmaschinen<br />

Voraussetzung für nutzungsbasierte Abrechnung ist ein M2M-Gateway.<br />

DMG Mori bietet im Rahmen von „PAY<br />

with Zero Risk“ sogenannte Abo-Modelle<br />

für Dreh- und Fräsmaschinen inklusive<br />

cloudbasierter Planungsunterstützung an.<br />

Laut Anbieter können im Rahmen einer<br />

monatlichen Grundgebühr Planungsaufwände<br />

um bis zu 80 % reduziert werden.<br />

Geringe Auslastung =<br />

niedrige Tilgung<br />

Technologisch sieht der Ablauf zum Beispiel<br />

beim CNC-Werkzeugmaschinen-<br />

Anbieter Heller folgendermaßen aus: Die<br />

Nutzlaufzeit wird in der Maschinensteuerung<br />

erfasst und über Sinumerik Edge zu<br />

Mindsphere übertragen, einem cloudbasierten,<br />

offenen IoT-Betriebssystem von<br />

Siemens. Hier werden die Daten ausgewertet<br />

und Heller-intern über SAP abgerechnet.<br />

Die Zahlung erfolgt digital via<br />

SEPA-Lastschrifteinzug. Sollte der Kunde<br />

die Maschine nicht wirtschaftlich auslasten<br />

können, nimmt Heller sie wieder zurück<br />

– ein kalkulierbares Risiko, da Heller-<br />

Maschinen dank ihrer Qualität und der<br />

Langlebigkeit auf dem Gebrauchtmarkt<br />

gefragt sind. Im Idealfall können PpX-Anbieter<br />

dieselbe Maschine für mehrere<br />

Kunden hintereinander einsetzen und so<br />

mehr verdienen als mit einem einmaligen<br />

Maschinenverkauf.<br />

Pay as you want<br />

Im Druckluftbereich bietet Mader eine<br />

herstellerunabhängige Lösung ohne mo-<br />

natlichen Mindestbetrag: Der Pneumatikspezialist<br />

erfasst den Druckluftverbrauch<br />

und berechnet daraus die verursachten<br />

Gesamtkosten. Auf Basis einer automatisierten<br />

Analyse leitet Mader daraus<br />

Handlungsempfehlungen für die energetische<br />

Optimierung des Druckluftsystems<br />

sowie für Predictive Maintenance ab.<br />

Konkrete Benchmark-Zahlen ermöglichen<br />

einen direkten Vergleich der Verbrauchswerte<br />

mit vergleichbaren Anwendern.<br />

Viel Licht, wenig Schatten<br />

Pay-per-X bietet zahlreiche Vorteile.<br />

Aller dings sollten sich potenzielle Nutzer<br />

ein ganzheitliches Bild machen und alle<br />

Vor- und Nachteile abwägen. So kosteneffizient<br />

die Geschäftsmodelle auch<br />

arbeiten – bei einer Vollauslastung von<br />

Maschinen und Anlagen können die abgerechneten<br />

Nutzungskosten klassische<br />

Investitionskosten übersteigen.<br />

Darüber hinaus ist die Bindung an einen<br />

Pay-per-X-Anbieter naturgemäß enger<br />

als an einen konventionellen Maschinenlieferanten.<br />

So müssen beispielsweise<br />

<strong>aktuell</strong>e Produktionsdaten ausgetauscht<br />

und Kalkulationszahlen abgeglichen werden<br />

– Lieferanten haben damit zumindest<br />

teilweisen Zugriff auf die Daten aus dem<br />

eigenen ERP. Was nicht jedem Marktteilnehmer<br />

gefällt.<br />

Michael Grupp, freier Journalist,<br />

Stuttgart<br />

Bild: Kzenon/Fotolia<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 41


» FERTIGUNG<br />

Dr. Christian Hoffart, Gründer und CEO von Sparepartsnow<br />

Disruption im Ersatzteilgeschäft<br />

Die Plattform Sparepartsnow bietet originale Ersatzteile für den Maschinenbau und<br />

möchte mit dem Ansatz Hersteller und Endkunde zusammenzubringen das Ersatz -<br />

teilgeschäft umkrempeln. Wie das gelingt, wie sich das Start-up aufstellt und warum<br />

Kunden wie auch Lieferanten von dem Konzept profitieren, erläutert CEO und<br />

Gründer, Dr. Christian Hoffart, im Interview.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Dr. Hoffart, was ist<br />

Sparepartsnow und wer steckt dahinter?<br />

Dr. Christian Hoffart: Sparepartsnow ist eine<br />

universelle Plattform für den Kauf industrieller Ersatzteile.<br />

Unsere Stärke liegt aber nicht nur im Angebot<br />

der Ersatzteile selbst, sondern auch in den begleitenden<br />

Services. Ein Beispiel hierfür ist die Möglichkeit,<br />

mit dem Smartphone ein Foto hochzuladen und so<br />

mithilfe künstlicher Intelligenz das gewünschte Ersatzteil<br />

auf unserer Plattform zu finden, sofern es<br />

verfügbar ist. Unser Ziel ist es aber, Ersatzteile nicht<br />

nur unkompliziert, sondern auch zu einem günstigeren<br />

Preis anzubieten als beim Händler oder Maschinen -<br />

hersteller. Als Gründer stehe ich zusammen mit einigen<br />

Mitgründern hinter dem Unternehmen. Darüber<br />

hinaus haben wir eine erfolgreiche Finanzierungsrunde<br />

durchgeführt und einige Investoren gewonnen,<br />

die uns mit ausreichend Kapital unterstützt haben.<br />

Wie ist die Idee zu Sparepartsnow entstanden?<br />

Nach meinem Studium habe ich promoviert und war<br />

in dieser Zeit als Berater hauptsächlich im Aftersales-Umfeld<br />

tätig. Meine Promotion befasste sich<br />

mit „Community Management“. Unter anderem mit<br />

der Fragestellung, wie man beispielsweise eine<br />

„Community of Interest“ im Maschinenbau steuert,<br />

damit sie erfolgreich ist. Anschließend habe ich bei<br />

DMG Mori gearbeitet – zunächst als Vorstandsassistent.<br />

Nach anderthalb Jahren wurde ich zum Geschäftsführer<br />

für das Aftersales Business, primär das<br />

Dr. Christian Hoffart<br />

ist Gründer und CEO<br />

der Ersatzteilplattform<br />

Sparepartsnow.<br />

Bild: Sparepartsnow<br />

42 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Ersatzteilgeschäft, bestellt. In meiner achtjährigen<br />

Tätigkeit in dieser Position war ich in engem Kontakt<br />

mit Kunden und Lieferanten. Dadurch habe ich die<br />

Probleme aus Kundensicht verstanden: hohe Preise,<br />

lange Warte- oder Lieferzeiten und Intransparenz.<br />

Besonders die langwierigen Bestellprozesse wurden<br />

häufig beklagt. Auf der anderen Seite kämpfen die<br />

Lieferanten oft mit geringen Margen. Denn wir sprechen<br />

nicht nur über große Konzerne wie Bosch oder<br />

Siemens, sondern primär über den kleinen Mittelstand<br />

mit 10 bis 120 Mitarbeitern, der einen Großteil<br />

des Geschäfts in Deutschland und Europa ausmacht.<br />

Diese Probleme auf beiden Seiten spricht Sparepartsnow<br />

an: Wir bringen Kunden und Lieferanten zusammen,<br />

indem wir als neutrale Plattform agieren. Die<br />

Disruption durch die Plattformökonomie im B2C-Bereich,<br />

sehen wir als Vorbild und haben dies in unserer<br />

Industrie entsprechend umgesetzt.<br />

Übernimmt Sparepartsnow die Vermittlerrolle oder<br />

treten Sie als Zwischenhändler auf?<br />

Wir agieren in zwei operativen Abwicklungsmodellen.<br />

Einerseits fungieren wir als reiner Vermittler und<br />

bringen Kunden und Lieferanten zusammen. Andererseits<br />

bieten wir auch ein Reseller-Modell an. Welches<br />

Modell zum Einsatz kommt, entscheidet der<br />

Lieferant. Größere Unternehmen bevorzugen oft das<br />

Reseller-Modell, das ihre interne Prozessabwicklung<br />

vereinfacht und sie nicht jeden Kunden separat anlegen<br />

müssen. Unabhängig von der gewählten Option<br />

bemerkt der Kunde keinen Unterschied im Ablauf.<br />

Wovon er dann hoffentlich etwas merkt, ist der<br />

Preisunterschied. Kann man diesen beziffern?<br />

Die Preisunterschiede können erheblich sein. Um das<br />

zu verdeutlichen, möchte ich ein Beispiel nennen: Ein<br />

Kunde rief heute Morgen bei unserer Hotline an und<br />

fragte nach einer speziellen Siemens-Steuerung, die<br />

abgekündigt und kaum noch verfügbar ist. Innerhalb<br />

von zehn Minuten konnten wir ihm eine Lösung zum<br />

Preis von 2900 Euro anbieten. Sein Referenzangebot<br />

lag bei rund 5000 Euro, was einem Preisvorteil von<br />

über 40 Prozent entspricht. Allgemein liegt das Einsparpotenzial,<br />

basierend auf unseren Recherchen,<br />

zwischen 20 und 50 Prozent, abhängig von den verschiedenen<br />

Produktsegmenten. Ich möchte aber<br />

auch nicht verschweigen, dass wir neulich eine Pumpe<br />

hatten, bei der kein großer Preisvorteil erzielt<br />

wurde. Dies liegt daran, dass die Hersteller bei uns<br />

ihre Preise selbst festlegen können. Wir greifen in<br />

diese Preisgestaltung nicht ein. Fakt ist: Für die Kunden<br />

ist es in den meisten Fällen erheblich günstiger.<br />

Wie viele verschiedene Produkte bieten Sie an?<br />

Wir sind im Oktober letzten Jahres mit 5000 Artikeln<br />

gestartet. Wenn Onboardings wie geplant laufen,<br />

werden wir zum Ende dieses Jahres bis zu einer halben<br />

Million Artikel auf unserer Plattform verfügbar<br />

haben. Das gibt uns Schwung und macht uns außerordentlich<br />

stolz. Im nächsten Jahr werden wir dann<br />

voraussichtlich die Millionenmarke anpeilen.<br />

Welche Produktgruppen bieten Sie an und wird<br />

sich das Angebot im Herbst verändern?<br />

Derzeit bieten wir eine Vielzahl von Produkten an.<br />

Beispiele hierfür sind Spindeln, Linearführungen,<br />

Kugel gewindetriebe und Betriebsmittel wie Schmierstoffe.<br />

Ebenso haben wir Sicherheitskomponenten<br />

für Maschinen, wie zum Beispiel Lampen. Diese<br />

mecha nischen Komponenten, allgemeinen Begleitkomponenten<br />

und Verbrauchsmaterialien stellen<br />

unsere derzeitigen Kernbereiche dar. Mit der Erweiterung<br />

im dritten und vierten Quartal werden wir<br />

unser Produktportfolio nicht nur bzgl. der Anzahl,<br />

sondern auch hinsichtlich der Tiefe deutlich vergrößern.<br />

Wir planen die Integration von Elektronik,<br />

Auto matisierung, Pumpen und Lagertechnik. Zusätzlich<br />

sind wir im Bereich Hydraulik aktiv und werden<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 43


» FERTIGUNG<br />

folgt voraussichtlich im Oktober, passend zum erwarteten<br />

Artikelwachstum.<br />

Welche Artikelinformationen werden auf der<br />

Plattform bereitgestellt?<br />

Wir bieten eine starke Transparenz hinsichtlich technischer<br />

Grundparameter. Zusätzlich zu einer Produktbeschreibung,<br />

dem Zustand und der Artikelnummer<br />

stellen viele Lieferanten auch technische Zeichnungen<br />

zur Verfügung. Dadurch erhalten Techniker oder<br />

technisch versierte Einkäufer eine sehr hohe Informationsgüte.<br />

Alle Produktinformationen auf unserer<br />

Website stehen frei zugänglich zur Verfügung.<br />

Bild: Sparepartsnow<br />

Das junge<br />

Unternehmen<br />

Sparepartsnow legt<br />

viel Wert auf eine<br />

hohe Informationsgüte<br />

über die Produkte.<br />

uns dort weiter verstärken. Außerdem haben wir das<br />

Ziel, in der Robotik einiges zu machen. Darüber<br />

hinaus planen wir die Aufnahme weiterer Lieferanten<br />

in den bestehenden Segmenten.<br />

Wie läuft der Bestellprozess aus Kundensicht ab?<br />

Der Bestellprozess ist sehr intuitiv. In etwa 70 Prozent<br />

der Fälle kennt er die Artikelnummer des benötigten<br />

Teils und gibt diese in das Suchfeld ein. Bei<br />

mittelständischen Unternehmen kann es auch der<br />

Maschinenbediener oder der Meister sein, der für die<br />

Bestellung verantwortlich ist. Sobald die Artikelnummer<br />

eingegeben wurde, wird der gesuchte Artikel angezeigt.<br />

Bei rund 25 Prozent der Bestellungen geben<br />

die Nutzer den Herstellernamen zusammen mit einem<br />

beschreibenden Begriff ein. In weniger Fällen,<br />

die jedoch zunehmen, machen die Nutzer ein Foto<br />

des Ersatzteils und laden dieses in der Bilderkennung<br />

hoch. Nachdem der Artikel gefunden wurde, kann er<br />

in den Warenkorb gelegt werden.<br />

Ist Sparepartsnow ausschließlich über den Browser<br />

zu erreichen oder lässt sich die Plattform über<br />

Schnittstellen an interne Systeme anbinden?<br />

Ja, das ist in Planung. Große Unternehmen haben<br />

den Wunsch geäußert, die Plattform an ihre ERP-<br />

Systeme anzubinden. Allerdings haben auch einige<br />

große Unternehmen ohne direkte Anbindung über<br />

die Plattform bestellt, entweder wegen Dringlichkeit<br />

oder attraktiven Preisen. Wir arbeiten derzeit an der<br />

Integration von EDIs sowohl auf Kunden- als auch<br />

auf Lieferantenseite. Die Fertigstellung dieser EDIs<br />

Wie läuft der Versand der Teile ab?<br />

Wir bieten einen umfassenden Logistikservice für unsere<br />

Lieferanten an. DHL Express kommt gemäß der<br />

vom Lieferanten festgelegten Abholzeit zum Hof, um<br />

die versandfertigen Waren abzuholen und zum Kunden<br />

zu bringen. Unsere Lieferanten müssen lediglich<br />

die Kommissionierung und Verpackung übernehmen.<br />

Dieser Prozess ist gut eingespielt und wird vor der<br />

Live-Schaltung getestet, um eine reibungslose Abwicklung<br />

zu gewährleisten. Einige Lieferanten haben<br />

jedoch solch komplexe logistische Prozesse, weshalb<br />

wir zeitnah ein Feature einführen werden. Das ermöglicht<br />

ihnen, den Versandpartner selbst zu bestimmen.<br />

Dennoch sind die meisten unserer Lieferanten<br />

mit unserem Service absolut zufrieden, da wir<br />

günstige Versandkosten anbieten. Meiner Erfahrung<br />

nach, sind unsere Versandkosten rund 50 Prozent<br />

günstiger bei OEMs. Das bringt den Kunden in den<br />

meisten Fällen einen zusätzlichen Preisvorteil.<br />

Wie sehen die nächsten Schritte aus?<br />

Unser voller Fokus liegt jetzt auf der wachsenden<br />

Produktvielfalt bis Ende Q3 oder Anfang Q4. Außerdem<br />

werden die Internationalisierung starten und<br />

wollen noch in diesem Jahr in den ersten europäischen<br />

Ländern Fuß fassen. Dieser Prozess setzt sich<br />

vor allem im nächsten Jahr fort. In 2024/2025<br />

werden wir uns voraussichtlich auf die Expansion in<br />

Großbritannien und den USA konzentrieren. Ein<br />

weiterer Schwerpunkt liegt auf der Implementierung<br />

intelligenter Funktionen, die unseren Kunden einen<br />

echten Mehrwert bieten. Unser Geschäftsmodell<br />

wird erweitert, um den Kunden und auch unseren<br />

Lieferanten weitere Vorteile zu bieten. Genauere<br />

Details dazu möchte ich noch nicht preisgeben, aber<br />

es wird auch um technologische Features gehen.<br />

Das Interview führte Yannick Schwab,<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />

44 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


SPECIAL<br />

» Online-Fertigung<br />

Die Anforderungen an den Einkauf in der Industrie sind<br />

komplex. Digitale Plattformen, wie z. B. Online-Fertiger,<br />

ermöglichen es, Einkaufsprozesse flexibel, zuverlässig und<br />

unabhängig von einzelnen Anbietern zu gestalten.<br />

Bild: Gorodenkoff/Shutterstock<br />

Wie Plattformen die<br />

Produktion verändern<br />

» Seite 46<br />

Online-Fertigung:<br />

Die Zukunft der<br />

<strong>Beschaffung</strong>?<br />

» Seite 49<br />

Neue Wege bei der<br />

<strong>Beschaffung</strong> von<br />

Tiefziehteilen<br />

» Seite 50<br />

Der Online-Fertiger Facturee bietet eine Plattform für die <strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen,<br />

die den Einkauf entlastet und dabei Qualität und Preisstabilität gewährleistet.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 45


SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />

Bild: j-mel/stock.adobe.com<br />

Fertigungsplattformen bieten ihren Kunden den Zugriff auf ein umfangreiches Lieferantennetzwerk.<br />

Lohnfertigung im Wandel<br />

Wie Plattformen den Einkauf<br />

von Bauteilen verändern<br />

Digitalisierung, Prozessoptimierung und Kosteneffizienz sind Vorteile, mit denen<br />

sich digitale Fertigungsplattformen von traditionellen <strong>Beschaffung</strong>smethoden<br />

abheben möchten. Wir wollen Ihnen einen Überblick verschaffen und betrachten<br />

dabei insbesondere die Qualitätssicherung und die Kosten.<br />

Steigende Kosten und ein anspruchsvolles Wettbewerbsumfeld<br />

verlangen Industrieunternehmen<br />

einiges ab und machen Einsparungen nötig. Dabei<br />

ist unter anderem zu entscheiden, ob man gewisse<br />

Komponenten selbst fertigt oder einkauft. Neben<br />

einer grundsätzlichen Make-or-Buy-Entscheidung<br />

stellt sich die Frage nach dem passenden Lieferanten.<br />

Allerdings kann es sich aufwendig gestalten, einen<br />

Preis für Fertigungsbauteile zu bekommen.<br />

In den letzten Jahren sind deshalb <strong>Beschaffung</strong>splattformen<br />

für individuelle Fertigungsteile verstärkt<br />

in den Fokus gerückt. Ausgerüstet mit Kalkulationsalgorithmen<br />

und einem Netz von Fertigungspartnern<br />

wollen Plattformbetreiber wie Facturee, CNC24, Protolabs<br />

und Spanflug Preisermittlung und Bestellprozesse<br />

erheblich beschleunigen. Dabei bieten sie Zugriff<br />

auf ein breites Lieferantenportfolio und je nach<br />

Anbieter verschiedene Fertigungstechnologien – von<br />

spanabhebenden Verfahren, der Blechbearbeitung,<br />

über die Kunststoffverarbeitung und den Druckguss<br />

bis hin zur additiven Fertigung. Für jedes Projekt<br />

wird, oftmals KI-gestützt, der geeignete Fertiger im<br />

Hinblick auf Qualität, Preis, Verfügbarkeit und Lieferzeit<br />

ausgewählt. Gleichzeitig fungieren die Betreiber<br />

als zentrale Ansprechpartner und wickeln Zahlung<br />

und Logistik ab. Ein weiterer Vorteil des Netzwerkansatzes<br />

liegt in der Skalierbarkeit: Wer mit der Fertigung<br />

von Prototypen beginnt und ein skalierbares<br />

Geschäft betreibt, möchte sich bei einer steigenden<br />

Nachfrage nicht um die Fertigungskapazitäten seines<br />

Lohnfertigers sorgen müssen.<br />

Qualität sicherstellen<br />

Qualitätsmängel und Reklamationen sollen bei digitalen<br />

Plattformen bereits durch das Onboarding und<br />

die Wahl des idealen Fertigungsbetriebs vermieden<br />

46 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


werden. „Alles startet mit einem strukturierten und<br />

persönlichen Onboarding von neuen Kunden. Schon<br />

hier erfassen wir erste Anforderungen und geforderte<br />

Qualitätsstandards“, erklärt Willi Ruopp, CEO und<br />

Co-Founder von CNC24. Somit können individuelle<br />

Verpackungsrichtlinien umgesetzt, Qualitätssicherungsvereinbarungen<br />

abgestimmt, Produktfreigabedokumente<br />

unterschiedlicher Standards realisiert<br />

oder Zertifizierungsanforderungen sichergestellt<br />

werden. Wie bei den Kunden, findet auch bei neuen<br />

Lieferanten ein ausführliches Onboarding statt. Diese<br />

auditiert CNC24 sowohl per Web-Audit als auch persönlich<br />

vor Ort. Darüber hinaus betreibt CNC24 eigenen<br />

Angaben zufolge als einzige Fertigungsplattform<br />

ein eigenes Messzentrum, in dem alle Bauteile zur<br />

Qualitätssicherung vermessen werden. So möchte<br />

das Unternehmen gewährleisten, dass die Kunden<br />

ihre Bauteile in bestellter Qualität erhalten.<br />

Der Online-Fertiger Facturee wählt für jede Anforderung<br />

KI-gestützt den am besten geeigneten Fertiger<br />

aus und empfiehlt seinen Kunden das passende Fertigungsverfahren.<br />

Durch das breite Leistungsspektrum<br />

(weitere Infos auf S. 49) können auch komplexe Anfragen<br />

mit unterschiedlichen Fertigungstechniken<br />

und Oberflächenbehandlungen bedient werden.<br />

„Durch die Auswahl von hochspezialisierten Betrieben<br />

werden Reklamationen auf ein Minimum reduziert,<br />

da sichergestellt ist, dass die Aufgabenstellung<br />

von dem am besten geeigneten Anbieter erfüllt wird.<br />

Auch die Logistikpartner wählen wir hinsichtlich ihrer<br />

Zuverlässigkeit aus“, betont Benjamin Schwab,<br />

Co-Gründer und CMO bei Facturee. „Für die Qualitätssicherung<br />

setzen wir auf ein ISO 9001-zertifiziertes<br />

datengetriebenes Qualitätsmanagement.“<br />

Es kommt auch auf die Kosten an<br />

Die möglichen Kosteneinsparungen der Kunden lassen<br />

sich bei digitalen Fertigungsplattformen grob in<br />

Bild: Kadmy/stock.adobe.com<br />

drei Bereiche aufgliedern: Reduktion der Transaktions-<br />

bzw. Prozesskosten im Einkauf, Senkung der<br />

Bauteilkosten und eine Reduzierung der Qualitätssicherungsaufwände.<br />

Diese ergeben sich beispielsweise<br />

durch die vereinfachte Interaktion über eine digitale<br />

Schnittstelle, die automatisierte Abwicklung von<br />

Vertrags- oder Zahlungsprozessen, die Standardisierung<br />

von Kommunikation und Vertragsbestandteilen<br />

und einen geringeren Abstimmungsaufwand. Viele<br />

Fertigungsplattformen bündeln darüber hinaus die<br />

Einkaufsvolumen der Aufträge und können so Netzwerkeffekte<br />

nutzen und im Ergebnis attraktivere<br />

Konditionen bieten, z. B. bei CNC24 durch ein Pooling<br />

im Material- und Werkzeugeinkauf oder bessere<br />

Logistikkonditionen. Ruopp: „Darüber hinaus gibt es<br />

eine deutliche Effizienzsteigerung in den Einkaufsabteilungen<br />

unserer Kunden. Diese können Anfragen<br />

unabhängig vom benötigten Fertigungsverfahren<br />

Durch ein breites<br />

Leistungsspektrum<br />

können digitale Plattformen<br />

meist auch<br />

komplexe Anfragen<br />

mit unterschiedlichen<br />

Fertigungstechniken<br />

bedienen.<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 47


SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />

Bild: Pixel_B/stock.adobe.com<br />

Bei sich verändernden<br />

Gegebenheiten im<br />

Markt können<br />

Plattformen flexibler<br />

reagieren als einzelne<br />

Fertigungsbetriebe.<br />

bündeln und so ein deutlich größeres Bauteilvolumen<br />

pro Mitarbeiter beschaffen und interne Transaktionskosten<br />

reduzieren.“<br />

Auch der Co-Gründer von Facturee Schwab sieht Kostenvorteile<br />

bei der Online-Fertigung – insbesondere<br />

bei der eigenen: „Uns ist seit jeher wichtig, den Kunden<br />

zu entlasten und den besten Preis zu bieten. Daher<br />

ist Instant-Pricing für uns keine Option – und das<br />

zahlt sich aus. Gemäß unserer Wettbewerbsanalyse<br />

schaffen wir es in mehr als 80 Prozent der Fälle, Instant-Pricing-Angebote<br />

von Mitbewerbern, die uns<br />

unsere Kunden vorlegen, zu unterbieten“, betont<br />

Schwab. „Aus diesem Grund diskutieren wir gerade die<br />

Einführung einer Art verbindlicher ‚Bestpreisgarantie‘.“<br />

Plattformen unterscheiden sich<br />

Wie vielfältig die Plattform-Landschaft im Bereich<br />

der Fertigung ist, zeigt ein kurzer Blick auf einige Anbieter.<br />

Der Online-Fertiger Facturee verfügt eigenen<br />

Angaben zufolge über ein Produktionsnetzwerk von<br />

rund 2000 Partnern aus den Bereichen CNC- und<br />

Blechbearbeitung, 3D-Druck, Gussverfahren, Oberflächentechnik<br />

sowie Baugruppenmontage. Mit der<br />

Plattform lassen sich Projekte im Prototyping ebenso<br />

wie Klein- und Großserienfertigungen realisieren.<br />

Rund 15.000 Maschinen sollen bereitstehen.<br />

Spanflug Technologies betreibt eine Plattform für<br />

CNC-Dreh- und Frästeile. Ziel ist es, die Fertigung<br />

von individuellen Zeichnungsteilen für Kunden und<br />

Lieferanten so schnell und einfach wie möglich zu<br />

gestalten. „Spanflug Buy“ soll dem Einkauf einen automatisierten<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess vom Sofortangebot<br />

bis zur Lieferung bieten. Das Start-up CNC24<br />

verzichtet hingegen auf die Erstellung von Sofortangeboten<br />

per Online-Kalkulator. „Bei uns kalkulieren<br />

ausgewählte Lohnfertiger ihre Preise und wir wählen<br />

die beste Kombination aus Preis und Lieferzeit für<br />

unseren Kunden aus. So sind wir in der Lage, auch die<br />

Fertigung von komplexen Bauteilen anzubieten und<br />

können gewährleisten, dass unsere Preise zuverlässig<br />

sind“, beschreibt es Ruopp.<br />

Die weltweit agierende Fertigungsplattform Protolabs<br />

fokussiert sich auf die Technologiefelder Spritzguss,<br />

CNC-Bearbeitung und 3D-Druck. Anwender<br />

sollen innerhalb von einem Tag ein Online-Angebot<br />

mit kostenloser Designanalyse erhalten. Das Netzwerk<br />

umfasst über 250 geprüfte Fertigungspartner<br />

auf der ganzen Welt.<br />

Im Bereich der Kunststoff-Tiefziehteile haben die Geschwister<br />

Lisa-Marie und Moritz Bittner im September<br />

2021 die digitale <strong>Beschaffung</strong>splattform Formary<br />

an den Start gebracht (weitere Infos ab S. 50).<br />

Orderspot verfolgt einen anderen Ansatz als die<br />

meisten Online-Fertiger und möchte dem Kunden<br />

nicht nur das eine passende Angebot anzeigen, sondern<br />

einen Vergleich für Laser- und Biegeteile bieten<br />

auf Basis dessen der Einkauf seine Wahl treffen kann.<br />

Co-Gründer sowie CSO Martin Lenter: „Wir bieten<br />

dem Anwender eine Plattform, wo er die Bauteilzeichnung<br />

hochladen kann und Anbieter mit Preis,<br />

Entfernung und Liefertermin aufgelistet sieht.“<br />

Effizienz und Sicherheit<br />

Auch in Zeiten von KI-Chatbots gilt meist noch der<br />

Grundsatz „Geschäfte werden zwischen Menschen<br />

gemacht“. Wer seit Jahren mit einzelnen Betrieben<br />

arbeitet und die Beziehung weiter pflegen will, weil<br />

etwa patentierte Spezialprozesse genutzt werden,<br />

der ist sicher in der direkten Geschäftsbeziehung<br />

besser aufgehoben. Wer allerdings die strategischen<br />

Vorteile der Plattformökonomie – günstigere Konditionen,<br />

effiziente Prozesse, Standardisierung und hohe<br />

Verfügbarkeit – für sein Geschäft nutzen will, der<br />

wird um eine moderne digitale Lösung kaum mehr<br />

herumkommen. Auch achten die Plattformanbieter<br />

auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen oder<br />

führen sogar selbst eine Qualitätssicherung durch.<br />

„Bei sich verändernden Gegebenheiten im Markt<br />

können wir flexibler und zuverlässiger reagieren als<br />

einzelne Fertigungsbetriebe. Unternehmen, die auf<br />

Online-Fertigung setzen, bleiben stets produktionsfähig,<br />

da die sichere und flexible <strong>Beschaffung</strong> gewährleistet<br />

ist. Damit bewahren Unternehmen ihre<br />

Handlungsfähigkeit. Die Risiken von Lieferausfällen<br />

und -verzögerungen werden durch den Netzwerkansatz<br />

minimiert“, betont Schwab abschließend.<br />

Yannick Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

48 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Digitale Plattform für Zeichnungsteile<br />

Die Zukunft der <strong>Beschaffung</strong>?<br />

Die Anforderungen an den Einkauf in der Industrie sind vielfältig und komplex .<br />

Lieferausfälle und -verzögerungen häufen sich vielerorts. Zudem wächst auf Grund<br />

von Inflation und steigenden Kosten die Preissensibilität. Es gilt, auch die <strong>Beschaffung</strong><br />

von Zeichnungsteilen gegenüber der klassischen Lohnfertigung zu modernisieren .<br />

Hier setzt der Online-Fertiger Facturee mit seinem <strong>Beschaffung</strong>smodell an.<br />

Laut Facturee ist die Online-Fertigung<br />

der klassischen Lohnfertigung in einigen<br />

Punkten weit überlegen. So werden<br />

beispielsweise Risiken von Lieferausfällen<br />

und -verzögerungen durch den Netzwerkansatz<br />

verringert. Der Online-Fertiger<br />

beispielsweise verfügt eigenen Angaben<br />

zufolge über ein Produktionsnetzwerk von<br />

rund 2000 Partnern – darunter Spezialisten<br />

für CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung,<br />

3D-Druck, Gussverfahren, Oberflächentechnik<br />

und Baugruppenmontage.<br />

Rund 15.000 Maschinen stehen somit für<br />

Projekte, egal ob Klein- und Großserienfertigungen<br />

oder Prototyping, bereit. So<br />

können sich Kunden dem Unternehmen<br />

zufolge sicher sein, dass Facturee konstant<br />

lieferfähig ist.<br />

Entlastung der Prozesskette<br />

Zudem möchte der Online-Fertiger Entlastung<br />

entlang der Prozesskette für<br />

Einkäuferinnen und Einkäufer schaffen.<br />

Das reicht von der Anfrage und Bestellung<br />

über die Auswahl des passenden Fertigers<br />

bis zur Auslieferung. Die Kunden<br />

sollen mit einem niedrigschwelligen Zugang<br />

alles aus einer Hand erhalten.<br />

Es sind keine Systemintegrationen oder<br />

Teilnahmekosten erforderlich – auch keine<br />

Registrierung. Dabei haben Kunden<br />

nur Facturee als Schnittstelle und alleinigen<br />

Vertragspartner. Es entfällt für sie die<br />

Zuliefersuche, -qualifizierung und das<br />

-onboarding. Der Einkauf soll dadurch<br />

entlastet werden und kann sich so auf<br />

andere Aufgaben fokussieren.<br />

Preisvorteil und Qualität<br />

Der Online-Fertiger Facturee bietet mit seinem digitalen Geschäftsmodell eine zeitgemäße Lösung für<br />

die <strong>Beschaffung</strong> von Fertigungsteilen.<br />

Ein weiterer entscheidender Faktor, der<br />

Facturee von herkömmlichen <strong>Beschaffung</strong>smethoden,<br />

aber auch von direkten<br />

Mitbewerbern abheben soll, sind die Kosten,<br />

so das Unternehmen. Für jeden Auftrag<br />

wird der geeignetste Anbieter in Bezug<br />

auf Preis, Lieferzeit und Qualität auf<br />

Basis von Algorithmen ausgewählt. Durch<br />

ihren umfassenden Pool kann die Fertigungsplattform<br />

das passende Verhältnis<br />

der drei Parameter für den Kunden finden.<br />

Außerdem besteht eine gute Verhandlungsposition<br />

bei den Partnern: Als Plattform<br />

bündelt der Online-Fertiger Kundenanfragen<br />

und erreicht somit ein höheres<br />

Bestellvolumen als bei einer einzelnen<br />

Bestellung. Hinzu kommt der Verzicht auf<br />

Instant Pricing. Dies soll es Facturee ermöglichen,<br />

die Preise niedrig zu halten<br />

und Kunden laut eigenen Angaben in<br />

mehr als 80 Prozent der Fälle günstigere<br />

Angebote als Instant-Pricing-Angebote<br />

von Mitbewerbern zu unterbreiten.<br />

Der teilautomatisierte Anfrageprozess führt<br />

zu einer schnelleren Angebotserstellung.<br />

Das neu entwickelte Request-Tool soll Kunden<br />

die Möglichkeit bieten, unkompliziert<br />

bis zu neunundneunzig Positionen in weniger<br />

als einer Minute anzufragen. Die Angebotserstellung<br />

erfolgt in der Regel noch am<br />

selben Tag und garantiert innerhalb von 48<br />

Stunden. Das beschleunigt den gesamten<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozess.<br />

Insgesamt bietet der Online-Fertiger eine<br />

zukunftsorientierte Lösung für die <strong>Beschaffung</strong><br />

von Fertigungsteilen, die eine<br />

Entlastung für den Einkauf darstellen und<br />

gleichzeitig eine gleichbleibend hohe<br />

Qualität, Preisstabilität und eine resiliente<br />

Lieferkette gewährleisten soll. (ys)<br />

Bild: Gorodenkoff/stock.adobe.com<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 49


SPECIAL » ONLINE-FERTIGUNG<br />

Neue Wege im Thermoforming<br />

Tiefziehteile digital beschaffen<br />

Formary ist eine Plattform für die digitale <strong>Beschaffung</strong> von Kunststoff-Tiefziehteilen,<br />

die Zeit, Aufwand und Kosten reduzieren soll. Ein Online-Konfigurator<br />

bietet dem Einkauf und produktionsnahen Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihr<br />

individuelles Tiefziehteil schnell zu konfigurieren und anzufragen.<br />

Der Online-<br />

Konfigurator richtet<br />

sich gleichzeitig an<br />

Tiefzieh- Laien und<br />

Experten .<br />

Der Einsatz von Tiefziehteilen reicht von filigranen<br />

ESD-Verpackungen bis zu großvolumigen<br />

Verkleidungsteilen von Fahrzeugen. Entsprechend<br />

vielseitig sind die Kombinationen an Materialien,<br />

Stückzahlen und Nachbearbeitungsverfahren. Diese<br />

Fragmentierung des Marktes macht die Lieferantensuche<br />

für viele Kunden sehr intransparent. Gleichzeitig<br />

sind die Prozesse häufig noch analog und kleine<br />

sowie mittelständische Tiefzieher haben oft keine<br />

personellen Kapazitäten für eine proaktive Beratung.<br />

Um diese Herausforderungen anzugehen, sind die<br />

Geschwister Lisa-Marie und Moritz Bittner 2021 mit<br />

der Plattform Formary an den Markt gegangen. Damals<br />

haben sie – neben ihrem Familienunternehmen,<br />

der Roland Bittner GmbH – zu zweit daran gearbeitet,<br />

heute beschäftigt das Start-up aus Backnang<br />

rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

„Als Millennials, die täglich Bestellungen auf User-<br />

Experience-optimierten E-Commerce-Seiten absetzten,<br />

hatten wir andere B2B-Einkaufsprozesse erwartet<br />

als jene, die wir vorfanden. Zudem hatten sich die<br />

Konzepte Asset-Sharing und Plattformökonomie in<br />

vielen Märkten und Verticals im B2C-Bereich etabliert.<br />

Wir dachten uns: Der Tiefziehmarkt ist wie geschaffen<br />

für eine Plattform”, erzählt Lisa-Marie Bittner.<br />

Die beiden sahen ein großes Potenzial darin, den<br />

gesamten <strong>Beschaffung</strong>sprozess zu digitalisieren.<br />

Aber welche Vorteile bietet die Plattform im Vergleich<br />

zu herkömmlichen <strong>Beschaffung</strong>smethoden?<br />

Zum einen sieht sich Formary als One-Stop-Shop für<br />

Tiefziehprojekte. Durch den Wegfall langer Lieferantensuchen,<br />

-vergleiche und -selektionen sollen sich<br />

Kunden Aufwand ersparen. Sie durchlaufen einen<br />

digitalen Konfigurationsprozess, der auf wichtige<br />

Angaben und relevante Produktdetails im Tiefziehen<br />

hinweist. Moritz Bittner: „Im Vergleich zu normalen<br />

Anfrage-zu-Angebot-Zyklen von mehreren Tagen bis<br />

Wochen, erhält der Kunde ein Angebot in 24 Stunden.<br />

Dieser Prozess ist nicht nur schnell, er führt<br />

auch dazu, dass keine Angabe vergessen werden<br />

kann.“ Gleichzeitig unterstützt das Start-up bei der<br />

Produktentwicklung und übernimmt die Konzeptund<br />

Datenerstellung.<br />

Vorteile des Plattformmodells<br />

Auf die Frage, ob der Kunde für diese Vorteile bereit<br />

sein muss, tiefer in die Tasche zu greifen, entgegnet<br />

die Co-Gründerin, dass das Gegenteil der Fall sei:<br />

„Willkürlich bei diversen Herstellern angefragte Tiefziehprodukten<br />

unterscheiden sich je nach Kalkulationsgrundlage<br />

um mehrere Hundert Prozent im Angebotspreis.<br />

Bei unserem Lieferanten-Matching werden<br />

viele verschiedene Parameter von einem proprietären<br />

Algorithmus ausgewertet. Im Anschluss wird der<br />

passende Lieferant zugeordnet, der das Produkt in<br />

der gewünschten Zeit und vor allem preislich kompetitiv<br />

fertigen kann.“<br />

Alles, was tiefgezogen werden kann, kann den Geschwistern<br />

zufolge über Formary beschafft werden.<br />

Ebenso Kunststoff-Tiefziehteile, die eine Nachbearbeitung<br />

oder Veredelung benötigen. Die Zielbranchen<br />

sind zum großen Teil Automotive, Elektronik, Maschinenbau,<br />

Pharma, Consumer Goods und Kosmetik.<br />

Bild: Bittner<br />

Online-Konfigurator im Fokus<br />

Der Konfigurator ist zwar übersichtlich, aber durchaus<br />

umfangreich. Wird die Plattform kundenseitig also<br />

vom Einkauf oder von Produktionsmitarbeitern<br />

bzw. Konstrukteuren bedient? „Meist handelt es sich<br />

50 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Bild: Bittner<br />

Moritz und Lisa-Marie<br />

Bittner sind Geschäftsführer<br />

der Roland<br />

Bittner GmbH und<br />

haben im September<br />

2021 die Plattform<br />

Formary ins Leben<br />

gerufen .<br />

um führende Mitarbeitende aus Kleinunternehmen,<br />

technische Einkäufer, Konstrukteure oder Projektleiter“,<br />

sagt Lisa-Marie Bittner. Daher wurde der Konfigurator<br />

so ausgelegt, dass sowohl Tiefzieh-Laien<br />

mithilfe von Erklärungen und Hinweisen durch die<br />

Anfrage geführt werden, aber auch Tiefzieh-Experten<br />

eine ausreichende Konfigurationstiefe vorfinden, um<br />

komplexe Produkte anzufragen.<br />

Ein Ziel von Formary ist es, den Kunden die aufwändige<br />

Lieferantenselektion abzunehmen. „Das erreichen<br />

wir, indem wir passende Lieferanten auffinden<br />

und analysieren, die alle Voraussetzungen für eine<br />

Zusammenarbeit erfüllen sowie unsere grauen Bereiche<br />

füllen, um alle Anfragen abdecken zu können“,<br />

so der Co-Gründer und führt weiter aus: „Der Kunde<br />

beeinflusst die Wahl indirekt, indem wir relevante<br />

Parameter, wie typische Branchenanforderungen, sowie<br />

die individuellen Projektanforderungen auswerten.<br />

Außerdem spielen wir Faktoren, wie Maschinenpark,<br />

Materialkenntnis, Auslastung und über 50 weichen<br />

Faktoren, in unseren Matching-Algorithmus.“<br />

Aktuell arbeitet das junge Unternehmen mit 25 Lieferanten<br />

und etwa doppelt so vielen Nachbearbeitern<br />

zusammen. „Das reicht aus, um alle Anfrage-<br />

Kombinationen abzudecken und jede Branche beliefern<br />

zu können“, sagt Lisa Bittner. Nun steht der Aufbau<br />

weiterer Kapazitäten an, um Auslastungsspitzen<br />

abfangen zu können. Die Kriterien für die Zusammenarbeit<br />

auf der Plattform sind die ISO-9001-Zertifizierung,<br />

einen Fertigungsstandort im DACH-Raum,<br />

um möglichst nahe am Absatzmarkt zu fertigen, sowie<br />

ein Audit durch die Qualitätssicherung (QS).<br />

Rezyklateinsatz als Standard<br />

Der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen spielt in der<br />

Kunststoffverarbeitung eine große Rolle. So achtet<br />

das Unternehmen bei der Auswahl des Materials auf<br />

den Einsatz von Rezyklaten, wann immer die Anwendung<br />

dies zulässt. „Der Einsatz von Rezyklat ist im<br />

Konfigurator die Standardeinstellung und muss ausdrücklich<br />

abgewählt werden“, betont die Co-Gründerin.<br />

„Letztlich muss in der Kunststoffverarbeitung vor<br />

allem das Thema Recycling gelöst werden. Das<br />

Schaffen von geschlossenen Kreisläufen mit dem<br />

Etablieren von Design-for-Recycling-Prinzipien hat<br />

Priorität.“ Das Start-up kooperiert deshalb mit Recycling-Betrieben<br />

und nimmt Artikel, die über die<br />

Plattform beschafft wurden, nach dem End-of-life-<br />

Stadium wieder zurück.<br />

Auch die Qualitätssicherung ist ein wichtiger Teil des<br />

Werteversprechens. Neben dem Lieferantenaudit<br />

wird jedes Muster und jeder Serienanlauf nach der<br />

Freigabe beim Lieferanten von Formary geprüft,<br />

dokumentiert und final freigegeben.<br />

Ambitionierte Pläne<br />

Noch steht die Plattform am Anfang. Das Angebot soll<br />

kontinuierlich weiter ausgebaut werden. Der nächste<br />

Schritt ist der Launch des Kundenportals. Hier sollen<br />

Artikel, Anfragen, Bestellungen und Lieferungen verwaltet,<br />

der Projektstatus eingesehen, Freigaben erstellt<br />

und Lieferungen getrackt werden können. Auch der<br />

Einsatz von KI, und im Besonderen von Machine Learning,<br />

wird mehr Relevanz gewinnen. Lisa Bittner: „Wir<br />

arbeiten momentan an einem Preisalgorithmus, der<br />

unsere Angebot-Zeiten kontinuierlich von momentan<br />

24 Stunden auf wesentlich kürzere Zeitspannen reduzieren<br />

soll.“ Das Start-up wird seinen Preisalgorithmus<br />

in mehreren Stufen ausrollen und strebt an, einen Sofortpreis<br />

bei Anfragen generieren zu können. „Unser<br />

Ziel ist es, dass wir als Plattform einer der umsatzstärksten<br />

Kunststoff-Thermoformer in Europa werden.<br />

Dazu gehört auch der Ausbau des Lieferantennetzwerks,<br />

um unseren Kunden den Zugriff auf den größten,<br />

verfügbaren Maschinenpark bereitstellen zu können“,<br />

erklären die beiden Geschwister abschließend.<br />

Yannick Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 51


» FERTIGUNG<br />

Additive Fertigung<br />

Mass-Customization mit<br />

3D-Fließbanddruckern<br />

Die Ereignisse der letzten Jahre haben die Lieferkettenproblematik und ihre<br />

Auswirkungen auf die Produktionslandschaft verdeutlicht. Wie können Unternehmen<br />

sich vor derartigen Unterbrechungen ihrer Lieferketten schützen?<br />

Bild: iFactory3D<br />

Die Mass-Customization mit 3D-Fließbanddruckern ermöglicht es, individuelle Kundenwünsche zu<br />

erfüllen und zugleich Skalierungseffekte beizubehalten.<br />

Viele Unternehmen sehen die Lösung<br />

im Reshoring, also der Rückverlagerung<br />

von Produktionsstätten aus Schwellenländern<br />

in die Industriestaaten, zurück<br />

zur lokalen Produktion mit möglichst wenigen<br />

Zulieferern. Laut einer Umfrage des<br />

Händlers Reichelt Elektronik planen<br />

50 Prozent der europäischen Unternehmen,<br />

ihre Komponentenbestände deutlich<br />

zu erhöhen. Um die Abhängigkeit von Zulieferern<br />

zu verringern, produzieren<br />

47 Prozent der Befragten bislang eingekaufte<br />

Produkte jetzt selbst, während 38<br />

Prozent planen, wieder mit der Eigenproduktion<br />

bestimmter Produkte zu beginnen.<br />

Für diesen Schritt ist eine effiziente und<br />

kostengünstige Produktion nötig. Hier<br />

kommt die additive Fertigung ins Spiel.<br />

Der 3D-Druck kann hinsichtlich Flexibilität<br />

punkten und ermöglicht die Just-intime-Produktion<br />

verschiedener Objekte.<br />

So können Teile der Logistik- und Lagerkosten<br />

mithilfe eines Druckers vor Ort<br />

vermieden werden. Mit den Weiterentwicklungen<br />

in der additiven Fertigung<br />

wird diese Technologie immer zuverlässiger<br />

für die Produktion größerer Mengen<br />

innerhalb kürzerer Zeit. Dazu zählen beispielsweise<br />

eingebaute Fließbänder.<br />

Individualisierung jenseits<br />

konventioneller Grenzen<br />

Die Mass-Customization, also die kunden -<br />

individuelle Massenproduktion, ermöglicht<br />

es, spezifische Kundenwünsche zu<br />

erfüllen und zugleich Skalierungseffekte<br />

beizubehalten. Die Anpassung erfolgt an<br />

ausgewählten Details, die z. B. Design -<br />

merkmale oder die Passform betreffen<br />

und beruht oft auf einer Kombination aus<br />

manueller Arbeit und komplexen Werkzeugen.<br />

Häufig wird das Konzept der<br />

Modularisierung angewendet, bei dem<br />

Produkte aus verschiedenen Einzelteilen<br />

individuell zusammengestellt werden.<br />

Automatisierte additive Fertigungsverfahren<br />

bedienen den Trend zur Mass-Customization<br />

noch präziser als dies bislang der<br />

Fall war. Ein Durchbruch ist die Kombination<br />

von 3D-Drucker und Fließband, die<br />

neue Möglichkeiten der Massenanpassung<br />

und Kosteneinsparungen bietet. Mit der<br />

3D-Fließbandtechnologie können passgenaue<br />

Komponenten materialschonend<br />

hergestellt werden, was sich vor allem bei<br />

Ersatzteilen und Werkzeugen zeigt. Das<br />

kommt durch den an das bewegliche<br />

Fließband angepassten Druckwinkel. Der<br />

offensichtlichere Vorteil des 3D-Fließbanddrucks<br />

ist die außergewöhnliche<br />

Druckbettlänge, mit der die Herstellung<br />

besonders langer Teile oder die automatisierte<br />

Produktion mehrerer kleiner Teile in<br />

einem kontinuierlichen Fluss möglich<br />

wird, von großformatigen Prototypen bis<br />

hin zu komplexen Bauteilen.<br />

Die Einbindung von 3D-Druckern mit integriertem<br />

Förderband als Druckfläche und<br />

die damit einhergehende Automatisierung<br />

bieten wichtige Vorteile in der additiven<br />

Fertigung. Maßgeschneiderte Produkte<br />

können ohne umfangreiche Umrüstungen<br />

oder manuelle Eingriffe in großem Umfang<br />

produziert werden. Mit dieser Technologie<br />

können Unternehmen ein hohes<br />

Maß an Personalisierung erreichen und<br />

erhebliche Kosteneinsparungen erzielen.<br />

3D-Fließbanddrucker trägt<br />

zur Gewinnoptimierung bei<br />

Ein Beispiel für die Rentabilität eines<br />

3D-Fließbanddruckers liefert die Lever -<br />

kusener Firma Via Traffic Controlling<br />

52 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Bild: iFactory3D<br />

Der 3D-Drucker „One Pro“ von iFactory3D hat<br />

einen an das Fließband angepassten Druckwinkel.<br />

GmbH, ein mittelständischer Anbieter von<br />

Geschwindigkeitsanzeigetafeln, Verkehrszählgeräten<br />

und Radardetektoren. Die<br />

Firma suchte nach einer Möglichkeit, die<br />

Prototypenentwicklung und Bauteilbeschaffung<br />

zeitnah und flexibel selbst umsetzen<br />

zu können. Mithilfe des 3D-Fließbanddruckers<br />

stellt Via Traffic Controlling<br />

jetzt viele Teile selbst her und ist damit<br />

unabhängiger von Zulieferern. Dabei trägt<br />

der 3D-Fließbanddrucker deutlich zur Gewinnoptimierung<br />

bei. Kostete ein Bauteil<br />

vorher ca. 15-17 Euro pro Stück, konnten<br />

mit dem 3D-Fließbanddrucker die Kosten<br />

pro Teil mit Zubehör auf ca. drei Euro reduziert<br />

werden. Die Anschaffungskosten<br />

für den 3D-Fließbanddrucker hatten sich<br />

bereits nach knapp 8 Wochen amortisiert.<br />

Auch das deutsche Werk eines international<br />

erfolgreichen Automobilherstellers<br />

führt diese Technologie derzeit in seine<br />

Produktionsabläufe ein. Durch die Integration<br />

eines 3D-Fließbanddruckers rechnet<br />

man mit einer Einsparung von insgesamt<br />

rund 50.000 Euro pro Jahr an Arbeits-<br />

und Materialkosten. Ursprünglich<br />

setzte das Unternehmen spezifisches<br />

Metall werkzeug für einen Produktionsschritt<br />

ein. Dieses wurde teuer von externen<br />

Zulieferern eingekauft, hatte eine<br />

Lebens dauer von etwa drei Monaten und<br />

musste nach jedem Einsatz aufwändig<br />

gereinigt werden. Allein der Wasserverbrauch<br />

für diesen Arbeitsschritt machte<br />

einen riesigen Kosten- und Umweltfaktor<br />

aus. Mit dem 3D-Fließbanddrucker wird<br />

für jeden Produktionstag jeweils eine<br />

Plastikdüse hergestellt, deren Kosten im<br />

Centbereich liegen. Das Unternehmen<br />

hatte schon länger nach einer 3D-Drucklösung<br />

gesucht, aber nur der 3D-Fließ-<br />

banddruck mit dem 45°-abgewinkelten<br />

Druckkopf konnte die nötige Festigkeit für<br />

das zu produzierende Teil liefern.<br />

Mit dem Zugriff auf die Werkzeugproduktion,<br />

ohne lange Kommunikations- und<br />

Lieferwege, bietet der 3D-Druck also<br />

optimale Lösungen für jeden Betrieb.<br />

Modulare Werkzeugkonstruktionen oder<br />

die Anpassung von nur sehr kleinen Komponenten<br />

decken ein breites Anwendungsspektrum<br />

ab. Und für hochkomplexe<br />

Anwendungen kann zeitnah ein individuelles<br />

Werkzeugmodell erstellt werden.<br />

Durch die Eigenfertigung mittels<br />

3D-Druck können hohe Anfangsinvestitionen,<br />

regelmäßige Wartung durch<br />

Externe und aufwändige Rüstvorgänge<br />

teilweise vermieden werden. Der Einsatz<br />

von 3D-Fließbanddruckern kann die<br />

Werkzeugkosten verringern und ermöglicht<br />

die schnelle Anpassung an Markttrends,<br />

durch direkten Zugang zur Kleinserienfertigung.<br />

Produktivität und Gesamtrentabilität<br />

werden erhöht, was wiederum<br />

die Wettbewerbs fähigkeit eines<br />

Unternehmens verbessert.<br />

Artur Steffen, CEO bei iFactory3D<br />

Absauganlage für die Metallbearbeitung<br />

Stäube und Schweißrauche effektiv absaugen<br />

Der Spezialist für industrielle Absauganlagen<br />

Esta präsentiert zur „Schweissen &<br />

Schneiden“-Messe vom 11. bis 15. September<br />

in Essen die modulare Dustomat-<br />

Dry-Serie. Die neuen Schweißrauchfilter<br />

und Entstauber sind in puncto Saugleistung,<br />

Filterpaket und Anlagenaufbau<br />

nach Kundenwunsch konfigurierbar.<br />

Sie saugen effektiv die Stäube und<br />

Schweißrauche ab, die bei der Bearbeitung<br />

von Metall anfallen, und eignen sich<br />

zur Einzel- und Mehrplatzabsaugung in<br />

Fertigungsbereichen. Das modulare und<br />

schallgedämmte Gehäusekonzept ermöglicht<br />

die passgenaue Einstellung der Absauganlage:<br />

Das Filterpaket kann je nach<br />

Anwendung mit Abscheidegraden von bis<br />

zu 99,995 Prozent ausgestattet werden,<br />

so das Unternehmen. Auch die Absaugleistung<br />

orientiert sich am Einsatzzweck:<br />

Bild: Esta<br />

Über das Touchdisplay an der Geräteoberfläche<br />

können Anwender die Entstauber und Schweißrauchfilter<br />

bedienen und den Gerätestatus prüfen.<br />

Die Serie ist in vier Leistungsstufen mit<br />

Luftvolumenströmen von 2000 bis 3500<br />

Kubikmetern pro Stunde erhältlich. Zudem<br />

soll sich der Anlagenaufbau auf die<br />

räumlichen Gegebenheiten abstimmen<br />

lassen.<br />

„Mit der modularen Produktarchitektur<br />

bietet die Basis für unsere Innovationsfähigkeit.<br />

So können wir Produktfamilien<br />

nachhaltig und ressourcenschonend an<br />

<strong>aktuell</strong>en Kundenbedürfnissen, Marktanforderungen<br />

und Technologien ausrichten.<br />

Die Dustomat-Dry-Geräte decken<br />

ein breites Anwendungsspektrum ab und<br />

sorgen für reine Luft und Sauberkeit am<br />

Arbeitsplatz“, erklärt Esta-Geschäftsführer<br />

Philipp Raunitschke. In puncto Energieeffizienz<br />

zeichnen sich die Geräte dem<br />

Hersteller zufolge besonders durch das<br />

Filterabreinigungssystem aus, das gegenüber<br />

konventionellen Systemen 50 Prozent<br />

weniger Druckluft verbrauchen soll.<br />

Zudem verlängere das verbesserte Abreinigungsverfahren<br />

die Filterstandzeit. (ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 53


» INTRALOGISTIK<br />

Stefan Lampa, CEO, Proglove<br />

„Die Mitarbeiter spüren wesentliche<br />

Verbesserungen in ihren Abläufen“<br />

In der Industrie steht die Datenerfassung über Barcodes an der Tagesordnung. Allerdings<br />

bringen Pistolenscanner neben unnötigen Greifzeiten oft auch ergonomische<br />

Probleme mit sich. Proglove integriert den Barcodescanner deshalb direkt in den<br />

Arbeits handschuh. Stefan Lampa leitet das Unternehmen und spricht im Interview<br />

über das Produkt, die entstehenden Daten und die Vorteile für die Mitarbeitenden.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Lampa,<br />

Sie sind seit März als CEO bei Proglove.<br />

Wie liefen die ersten Monate und wo<br />

setzen Sie Ihren Schwerpunkt?<br />

Stefan Lampa: Die ersten Monate waren<br />

großartig, ich habe viel von unserem<br />

Team und vor allem von unseren Kunden<br />

gelernt. Wir haben eine ganze Reihe von<br />

Neukunden, die gerade beginnen, die Proglove-Technologie<br />

zu nutzen. Was mich<br />

besonders begeistert ist, dass sie dabei<br />

nicht nur von Produktivitätssteigerungen<br />

profitieren. Unser Angebot hilft ihnen<br />

auch dabei, eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung<br />

zu schaffen. Der Einsatz<br />

von Wearable Scannern reduziert nachweislich<br />

das Verletzungsrisiko durch sich<br />

wiederholende Bewegungen. Mein persönlicher<br />

Schwerpunkt liegt darauf, unsere<br />

neu formulierte Strategie umzusetzen.<br />

Diese ist auf weitere Innovationen, eine<br />

engere Zusammenarbeit mit unseren<br />

Kunden sowie den Aufbau eines Ökosystems<br />

von Technologiepartnern, u. a. Robotikunternehmen,<br />

ausgerichtet, um einen<br />

noch stärkeren Wachstumsmotor<br />

aufzubauen.<br />

Können Sie Ihr Kernprodukt einmal beschreiben?<br />

Wir stehen für Wearable-Scanner-Lösungen,<br />

die das Zusammenspiel von Mensch<br />

und Technologie perfektionieren. Während<br />

man herkömmliche Pistolen scanner<br />

für jeden Scanvorgang in die Hand nehmen<br />

und wieder ablegen muss, werden<br />

unsere Scanlösungen mit einer Man-<br />

schette direkt am Handgelenk getragen.<br />

Das spart bei jedem Scanvorgang Sekunden,<br />

die sich über den Tag und alle Scanvorgänge<br />

hinweg zu einer Zeitersparnis<br />

von mehreren Stunden aufsummieren<br />

können. Die Handschuhe sind leicht und<br />

passen sich den Händen und dem Arbeitsablauf<br />

der Anwender an. Diese werden<br />

weniger belastet und können ihre Arbeit<br />

schneller und genauer erledigen.<br />

Stefan Lampa ist seit<br />

März 2023 als CEO bei<br />

Proglove tätig.<br />

Welche Features bieten ihre Handschuhscanner?<br />

Zum einen haben wir es geschafft, Ergonomie<br />

und Effizienz zu verbinden und so<br />

eine attraktive Lösung für den Lagermitarbeiter<br />

und den Prozessverantwortlichen<br />

gleichermaßen zu schaffen. Die Manschetten<br />

mit den Scannern werden gerne<br />

getragen, weil sie leicht und klein sind.<br />

Zum anderen sind die Handschuhscanner<br />

Bild: Proglove<br />

54 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


weit mehr als klassische Scanner. Mithilfe<br />

von Sensorik generieren sie Prozessdaten,<br />

die wir für unsere Kunden in umsetzbare<br />

Prozesserkenntnisse aufbereiten. Das<br />

kann zum Beispiel helfen, unnötige Wege<br />

zu erkennen und die Lagerstruktur anzupassen.<br />

Zudem können unsere Scanner<br />

dem Lagermitarbeiter den optimalen Weg<br />

zum gesuchten Produkt oder Regal zeigen.<br />

Insgesamt helfen unsere Produkte<br />

durch Mikroeffizienzen, Zeit und Mühe zu<br />

sparen.<br />

Welche Produkte und Services bieten<br />

Sie über die Hardware hinaus an?<br />

Ein zentrales Feld ist unsere korrespondierende<br />

Software, die in mehrerlei Hinsicht<br />

einen Mehrwert bietet. Erstens ermöglicht<br />

sie es, Geräte zu integrieren und<br />

so ein vernetztes Lager aufzubauen.<br />

Zweitens ist sie essenziell für das Gerätemanagement:<br />

Unternehmen können ihre<br />

Geräte standortübergreifend verwalten<br />

und aus der Ferne überwachen. Und drittens<br />

helfen sie dabei, Prozess wissen aufzubauen<br />

und daraus wichtige Erkenntnisse<br />

zu ziehen.<br />

Welche Daten werden beim Einsatz der<br />

Lösungen gesammelt und wofür lassen<br />

sich diese nutzen?<br />

Mit unseren Geräten können Kunden eine<br />

Reihe relevanter Daten für Gerätemanagement<br />

und Prozessoptimierung sammeln.<br />

So erschaffen wir zum Beispiel ein digitales<br />

Abbild der Lager- oder Produktionsprozesse.<br />

Dadurch muss der Nutzer sich nicht<br />

durch Excel-Reports quälen, sondern hat<br />

die Information in Echtzeit aufbereitet<br />

vorliegen.<br />

Daneben gibt es Daten, die den Arbeitsalltag<br />

erleichtern: Ist das Gerät am<br />

Schichtende wieder in der Ladestation<br />

oder muss ich es suchen gehen? Wie ist<br />

der Akkustand? Welche Geräte werden<br />

wie intensiv genutzt? Wie groß ist der<br />

Bewegungsaufwand? In welcher Abfolge<br />

und Zeit werden Arbeitsschritte fertig gestellt?<br />

Dabei können Arbeitsstationen<br />

standortübergreifend miteinander verglichen<br />

werden, um Best-Practices zu erkennen<br />

und diese firmenweit auszurollen.<br />

Ein dritter zentraler Anwendungsbereich<br />

ist die Fehlervermeidung. Das System<br />

Die Scanlösung kann mit einer Manschette direkt am Handgelenk getragen werden.<br />

weiß, welche Barcodes zu welchem Prozessschritt<br />

gehören, und kann optimierte<br />

Gerätekonfigurationen vorschlagen. Dadurch<br />

können die Mitarbeiter besser<br />

durch den Prozess geleitet werden und<br />

machen weniger Fehler. Auch systematische<br />

Fehler, die das Warenwirtschaftssystem<br />

übersieht, können kontinuierlich<br />

identifiziert und behoben werden, weil<br />

die Software wie eine durchgängige Zeitstudie<br />

ist, die alle Arbeitsschritte erfasst<br />

und analysiert.<br />

Welche Vorteile entstehen für die Mitarbeitenden<br />

und wie ist die Akzeptanz<br />

solcher Wearables?<br />

Wir konnten bei zahlreichen Kundenbefragungen<br />

feststellen, dass die Mitarbeiterzufriedenheit<br />

nach Einführung unserer<br />

Scanner deutlich steigt. Dies lässt sich vor<br />

allem auf die bessere Ergonomie unserer<br />

Produkte zurückführen. So berichten uns<br />

unsere Kunden, dass die Mitarbeiter wesentliche<br />

Verbesserungen in ihren Arbeitsabläufen<br />

spüren und es auch zu weniger<br />

Verletzungen und krankheitsbedingten<br />

Ausfällen kommt. Dazu haben wir<br />

auch eine Studie mit dem Fraunhofer-Institut<br />

durchgeführt, die im September<br />

veröffentlicht wird.<br />

Die Manschetten sind klein, leicht und ergonomisch<br />

geformt, was das Verletzungsrisiko<br />

reduziert. Anwender können die<br />

Scanner eher nicht versehentlich verlegen<br />

oder vergessen, und die Handhabung ist<br />

sehr einfach: Es muss lediglich ein Auslöseknopf<br />

am Zeigefinger betätigt werden,<br />

der wie ein Kugelschreiber funktioniert.<br />

Zudem helfen ihnen die Scanner dabei,<br />

selbstständig und mobil zu arbeiten. Dazu<br />

trägt beispielsweise eine Funktion bei, die<br />

dem Anwender in Echtzeit Rückmeldung<br />

gibt: Wo muss ich als nächstes hin? War<br />

mein letzter Scan fehlerhaft? Welche Wege<br />

habe ich zurückgelegt? Das alles erlaubt<br />

es den Mitarbeitern, im Zweifel eigene<br />

Fehler selbst zu erkennen und zu beheben.<br />

Wie funktioniert die Integration der<br />

Scanner?<br />

Wir sind systemagnostisch und bieten<br />

verschiedene Schnittstellen für Android,<br />

Windows beziehungsweise Linux und iOS<br />

an, damit der Kunde unsere Lösungen<br />

möglichst schnell und unkompliziert nutzen<br />

kann. Im einfachsten Fall funktioniert<br />

die Integration über Plug-and-play: Unsere<br />

App wird installiert beziehungsweise<br />

unser Gateway per USB an das Terminal<br />

angeschlossen, der Scanner wird durchs<br />

Abscannen eines QR-Codes mit dem<br />

Computer oder Smart Device verbunden,<br />

und schon kann es losgehen.<br />

Sie möchten das europäische Wachstum<br />

verdoppeln, haben Sie dem Handelsblatt<br />

gesagt. Wie nahe sind Sie diesem Ziel<br />

und wie steht Proglove <strong>aktuell</strong> da?<br />

Wir sind im letzten Jahr global um ca. 40<br />

Prozent gewachsen und wollen in diesem<br />

Jahr um weitere 45 Prozent wachsen. Wir<br />

gehen daher davon aus, dass wir bis Ende<br />

des Jahres unser Wachstum im Vergleich<br />

zu den letzten zwei Jahren in der Tat verdoppelt<br />

haben werden. Das haben wir vor<br />

allem auch dem Wachstum im Enterprise-<br />

Bereich zu verdanken. Neben zahlreichen<br />

neuen Kunden konnten wir unser Bestandskundengeschäft<br />

deutlich ausbauen,<br />

was auch die Zufriedenheit unserer Kunden<br />

widerspiegelt.<br />

Das Interview führte Yannick<br />

Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />

Bild: Proglove<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 55


» INTRALOGISTIK<br />

Innerbetrieblicher Materialfluss<br />

Vollautomatisierte Anlage<br />

ersetzt alte Förderstrecke<br />

Rund 57.000 Tonnen Kartoffeln werden bei der Hans Henglein & Sohn GmbH jährlich<br />

zu Backteigen, Klößen, Nudeln oder Kartoffelpufferteig verarbeitet. Um derartigen<br />

Mengen auch künftig gewachsen zu sein, ersetzte das Unternehmen seine alte Transportlinie<br />

durch eine neue Förderanlage der Firma Haro, die seither einen<br />

automatisierten Materialfluss zwischen Produktions- und Kühlhalle sicherstellt.<br />

Nachdem 1985 der erste vorgefertigte Kloßteig<br />

entwickelt und die erste Produktionsanlage in<br />

Betrieb genommen wurde, erfuhr das Familienunternehmen<br />

Hans Henglein & Sohn ein stetiges Wachstum:<br />

Das Produktionsprogramm wurde demnach beinahe<br />

jährlich erweitert. Das heutige Firmengelände<br />

am Ortsrand von Wassermungenau wurde gemeinsam<br />

mit zwei weiteren Standorten in Sachsen-Anhalt<br />

und Nordrhein-Westfalen eröffnet und neue Produktionslinien<br />

zur Verarbeitung von diversen Kartoffelprodukten<br />

und gekühlten Backteigen, trieben das<br />

Unter nehmenswachstum kontinuierlich voran. Heute<br />

blickt das familiengeführte Unternehmen auf 1200<br />

Mitarbeiter, einen Umsatz von 210 Millionen Euro<br />

und einen Exportanteil von 40 Prozent in 27 Länder.<br />

Eine Größenordnung, die einen zuverlässigen Materialfluss,<br />

insbesondere am Hauptstandort, schon beinahe<br />

voraussetzt. Schließlich werden hier mehrere<br />

Tausend Tonnen an Kartoffelprodukten, Teigwaren<br />

und Blätterteig auf einer Produktionsfläche von fast<br />

180.000 Quadratmetern jährlich produziert.<br />

Aus diesem Grund wandte sich das Unternehmen im<br />

Jahr 2021 an den sauerländischen Fördertechnikhersteller<br />

Haro Anlagen- und Fördertechnik GmbH. Die<br />

Anforderungen an die neue Förderstrecke konnte<br />

Henglein bereits konkret definieren: So galt es die alte<br />

und in die Jahre gekommene Förderanlage durch<br />

eine automatisierte Linie, die als Schnittstelle zwischen<br />

Produktions- und Kühlhalle fungieren sollte,<br />

zu ersetzen.<br />

Der Palettentransport über die Rollenbahn bietet Pufferplätze und entlastet die<br />

Mitarbeiter.<br />

Bild: Haro<br />

Mittels Vertikalförderer werden die Paletten eine Ebene tiefer<br />

in die Kühlhalle transportiert.<br />

Bild: Haro<br />

56 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Die Haro-Gruppe konnte schließlich mit einem<br />

Konzept überzeugen, das den Spezifikationen von<br />

Henglein gerecht wurde: In der Produktionshalle erfolgt<br />

die Aufgabe der mit den Kartoffel- und Teigprodukten<br />

beladenen Paletten zunächst manuell und<br />

bodennah mithilfe einer Hubameise auf die Palettenhubstation.<br />

Diese übergibt die Fördergüter anschließend<br />

für den Transport auf die angrenzenden angetriebenen<br />

Rollenbahnen.<br />

Vertikalförderer, Sicherheit & Co. –<br />

Konzept im Detail<br />

Haro-Konstruktionsleiter Markus Löseke erklärt die<br />

Besonderheiten: „Da die Ware auf den Paletten nach<br />

der Übergabe zunächst noch ungesichert ist, erfolgt<br />

die Beförderung frequenzgeregelt.“ Diese Technik soll<br />

ein sanftes und ruckfreies Befördern der Ware über<br />

die rund 20 Meter lange Förderstrecke bis zum Wickler,<br />

der die Ware foliert und sichert, ermöglichen. Die<br />

umwickelten Paletten werden dann ohne Frequenzregelung<br />

über die angetriebenen Rollenbahnen weiter<br />

zum Etikettiersystem transportiert. Nachdem die<br />

Etiketten angebracht wurden, erfolgt der Weitertransport<br />

in die angrenzende Kühlhalle.<br />

„Zwischen der Produktions- und der Kühlhalle gilt es<br />

eine Höhendifferenz zu überwinden, sodass wir<br />

unserem Kunden zu einem Vertikalförderer geraten<br />

haben“, erklärt Löseke. Dieser Vertikalförderer ist<br />

vom Fördertechnikspezialisten für eine schnelle Verteilung<br />

von Paletten auf unterschiedlichen Ebenen<br />

konzipiert und soll Höhendifferenzen zwischen verschiedenen<br />

Etagen zuverlässig überwinden. Bevor die<br />

Paletten automatisiert in den Vertikalförderer übergeben<br />

werden, ermöglicht eine Drehbühne den Richtungswechsel<br />

der Fördergüter. Im Vertikalförderer<br />

angekommen, werden die Fördergüter in die darunter<br />

liegende Ebene der Kühlhalle transportiert.<br />

Mehr Flexibilität dank<br />

Baukastensystem<br />

„Wenn es darum geht, Fördergüter zwischen zwei<br />

Hallen zu transportieren, besitzen die Sicherheitsvorkehrungen<br />

oberste Priorität“, betont Konstruktionsleiter<br />

Löseke. Aus diesem Grund sind ein Brandschutztor<br />

und zwei Schnelllauftore installiert. Auch<br />

der Schutz der an der Anlage tätigen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern wurde bei der Konzeption bedacht:<br />

So sind sämtliche Förderkomponenten, wie<br />

beispielsweise die Drehbühne, voll verkleidet und<br />

verhindern das Eintreten von Personen.<br />

Nachdem der Vertikalförderer die folierten und etikettierten<br />

Paletten auf die untere Etage transportiert<br />

hat, werden diese über die Rollenbahnen bis zur Abnahmestation<br />

weitertransportiert. Gleichzeitig können<br />

die Rollenbahnen auch als<br />

Pufferstrecke dienen: Sollte<br />

sich die Abnahme verzögern,<br />

können die Paletten auf den<br />

Rollenbahnen in der unteren<br />

Etage der Kühlhalle gepuffert<br />

werden.<br />

80 Paletten pro Stunde werden<br />

auf diese Weise im Dreischichtbetrieb<br />

an sechs Tagen<br />

die Woche transportiert. Während<br />

die beschriebene Anlage<br />

bereits seit über einem Jahr störungsfrei im Einsatz<br />

ist, plant Henglein bereits eine Erweiterung der Förderlinie:<br />

Um den wachsenden Kapazitäten weiterhin<br />

gerecht zu werden, ist der Bau einer weiteren Halle<br />

in Planung, die es dann an die bereits bestehende<br />

Förderlinie anzuknüpfen gilt.<br />

Damit bedient sich Henglein dem modularen Konzept<br />

der Haro-Gruppe: Dank des modularen Baukastensystems<br />

der einzelnen Förderelemente können die<br />

Anlagen des Fördertechnikherstellers laut Unternehmensangaben<br />

ohne längere Produktionsausfälle<br />

flexibel angepasst und erweitert werden. (ys)<br />

Wählen Sie aus den besten Marken.<br />

Überzeugende Qualität und Sicherheit.<br />

Mit uns gestalten Sie Ihre<br />

Produktionsprozesse effizienter.<br />

Angetriebene<br />

Rollenbahnen sorgen<br />

für den automatisieren<br />

Palettentransport.<br />

Bild: Haro<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 57


» INTRALOGISTIK<br />

Keith Fisher, Präsident, Honeywell Warehouse Automation<br />

„Automatisierung wird eine Voraussetzung<br />

sein, um Schritt zu halten“<br />

Der Aufbau widerstandsfähiger Lieferketten endet nicht am Werkstor. Auch der innerbetriebliche<br />

Materialfluss muss zuverlässig sein und flexibel auf Änderungen reagieren<br />

können. Der Fachkräftemangel verstärkt die Notwendigkeit der Digitalisierung und<br />

Automatisierung zusätzlich. Wie sein Unternehmen hierbei unterstützen kann, erzählt<br />

Keith Fisher, Präsident bei Honeywell Warehouse Automation, im Interview.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Fisher, welche Trends<br />

und Herausforderungen sehen Sie auf dem europäischen<br />

und deutschen Lager- und Logistikmarkt?<br />

Keith Fisher: Lagerhäuser und Distributionszentren<br />

(DCs) haben mit einem gravierenden Mangel an<br />

Arbeitskräften zu kämpfen. Fachkräfte sind in ganz<br />

Europa Mangelware, was eine Herausforderung für<br />

die Deckung des derzeitigen und künftigen Bedarfs<br />

darstellt. In der deutschen Transport- und Lagerbranche<br />

haben laut einer DIHK-Umfrage 65 Prozent der<br />

Unternehmen Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter<br />

zu finden. Das Aufkommen des E-Commerce in<br />

Europa hat das Problem weiter verschärft, da die<br />

Nachfrage nach Lagerflächen und einer effizienten<br />

Auftragsabwicklung gestiegen ist. Im Gegensatz zu<br />

anderen Regionen stehen die europäischen Märkte<br />

vor der zusätzlichen Hürde begrenzter Lager- und<br />

Logistikzentrumsflächen, was den Betrieb erschwert.<br />

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, benötigen<br />

Unternehmen Automatisierungslösungen, die<br />

einen effektiven, hohen Durchsatz bieten, ohne viel<br />

Platz zu beanspruchen. Die Automatisierung entwickelt<br />

sich zu einem der wichtigsten Faktoren für<br />

mehr Sicherheit, Produktivität und Mitarbeiterbindung<br />

in der Lagerbranche.<br />

Wie können Unternehmen dabei die Arbeitssicherheit<br />

in ihren Logistikzentren gewährleisten?<br />

Fisher: Logistikzentren sind mit Sicherheitsrisiken<br />

konfrontiert, zum Beispiel durch das Bewegen schwerer<br />

Gegenstände, unsachgemäßes Stapeln und den<br />

unsicheren Einsatz von Gabelstaplern. Es ist wichtig,<br />

die Mitarbeiter entsprechend zu schulen, eine sicherheitsorientierte<br />

Kultur zu fördern und die Verwendung<br />

geeigneter persönlicher Schutzausrüstung zu<br />

gewährleisten. Darüber hinaus können autonome<br />

mobile Roboter (AMR) Paletten, Wagen und Behälter<br />

von A nach B bewegen und menschliche Mitarbeiter<br />

bei Kommissionier- und Einlagerungsvorgängen unterstützen,<br />

wodurch das Verletzungsrisiko bei diesen<br />

arbeitsintensiven Aufgaben verringert wird.<br />

Keith Fisher ist Präsident der Warehouse Automation Sparte bei Honeywell.<br />

Bild: Honeywell<br />

Wie wichtig ist es, die Belegschaft mit den richtigen<br />

Tools und Technologien auszustatten?<br />

Fisher: Die Digitalisierung durch fortschrittliche<br />

Automatisierung, Software, Mobilität und Sprach-<br />

58 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


technologie kann die betriebliche Effizienz und<br />

Sicherheit erhöhen. Eine <strong>aktuell</strong>e Bitkom-Umfrage<br />

ergab, dass 84 Prozent der Befragten bestätigen, dass<br />

digitale Lösungen Zeit sparen, während 60 Prozent<br />

von Kosteneinsparungen berichten. Außerdem gaben<br />

fast 30 Prozent der Befragten an, dass die Digitalisierung<br />

dem anhaltenden Arbeitskräftemangel entgegenwirken<br />

kann. Letztlich ermöglichen diese Tools<br />

den Unternehmen, die Herausforderungen im Bereich<br />

der Arbeitskräfte zu bewältigen, künftige Investitionsausgaben<br />

zu reduzieren und flexibel auf Marktschwankungen<br />

zu reagieren.<br />

Welche Lösungen bietet Honeywell im Bereich der<br />

Lager- und Logistiklösungen?<br />

Fisher: Honeywells End-to-End-Lösungen, sprachgesteuerte<br />

Software, mobile Computer und Analysetools<br />

sorgen für die Sicherheit der Mitarbeiter und ermöglichen<br />

einen effizienten Anlagenbetrieb, selbst bei<br />

begrenztem Personalbestand. Wir konzentrieren uns<br />

auf fortschrittliche Software die moderne Datenanalyse,<br />

künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Robotik,<br />

5G-Konnektivität und Sensortechnologie nutzt.<br />

Mit mehr als 2,5 Millionen Mobilitätsgeräten, die<br />

weltweit eingesetzt werden, ist Honeywell einer der<br />

größten Anbieter von industriellen Handheldgeräten<br />

und Kassenscannern weltweit. Darüber hinaus ermöglicht<br />

Honeywells neues Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />

im tschechischen Brno (Brünn) unserem<br />

regionalen Kundenstamm zum ersten Mal in Europa,<br />

unsere Technologien, einschließlich Sortiersystemen<br />

und Förderbändern, zu erleben und zu trainieren.<br />

Welche Rolle spielen neue Technologien wie künstliche<br />

Intelligenz bei der Automatisierung?<br />

Fisher: Unternehmen setzen Automatisierungstechnologien<br />

ein, um die Produktivität, Sicherheit und<br />

Kosteneffizienz von Lagern zu verbessern und gleichzeitig<br />

die Flexibilität unter dynamischen Marktbedingungen<br />

aufrechtzuerhalten. Der Aufstieg von Technologien<br />

wie AMRs zeigt diesen Trend. Diese Roboter<br />

nutzen die neuesten Methoden des maschinellen Lernens,<br />

der Computer Vision und der künstlichen Intelligenz<br />

(KI), um sich schnell an veränderte Arbeitsabläufe<br />

und andere Anforderungen anzupassen, neue Fähigkeiten<br />

zu erwerben und den Betrieb entsprechend<br />

zu skalieren. Letztendlich werden diese Automatisierungslösungen<br />

eher eine Voraussetzung sein, um<br />

Schritt zu halten, als ein Wettbewerbsvorteil.<br />

Wie kann Honeywell dabei helfen, transparente<br />

und effiziente Lieferkette aufzubauen?<br />

Fisher: Honeywell unterstützt Unternehmen bei der<br />

Bewältigung ihrer Herausforderungen innerhalb der<br />

Lieferkette – von der Bestandsoptimierung bis zur<br />

Automatisierung ihrer Lagerabläufe. Unser umfassendes<br />

Angebot an Automatisierungstechnologien, Software<br />

und Mobilitätslösungen wird durch unser<br />

grundlegendes Know-how in den Bereichen Sensoren,<br />

KI, maschinelles Sehen und andere Lerntechnologien<br />

ermöglicht. Diese Verschmelzung von Technologien<br />

verbessert nicht nur das Verständnis des fortschrittlichen<br />

Lagerautomatisierungsportfolios, sondern nutzt<br />

auch die heute verfügbare Rechenleistung, um die<br />

schnelle Verarbeitung großer Datenmengen für eine<br />

effiziente Entscheidungsfindung zu ermöglichen.<br />

Das Interview führte Yannick Schwab,<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

AUTOMATE PROCESSES.<br />

EXTEND PERFORMANCE.<br />

Honeywells Lösungen,<br />

wie sprachgesteuerte<br />

Software, mobile<br />

Computer und<br />

Analyse tools, sollen für<br />

die Sicherheit der<br />

Mitarbeitenden sorgen<br />

und einen effizienten<br />

Anlagenbetrieb<br />

ermöglichen .<br />

„Als Logistikdienstleister müssen wir dem kontinuierlich steigenden<br />

Anspruch an Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit in unseren Lagern<br />

gerecht werden. Die richtigen Produkte zur richtigen Zeit an den richtigen<br />

Ort zu liefern, das ist wahrhaft eine Herausforderung. Dabei muss die<br />

Durchsatzkapazität stetig gesteigert werden – bei gleichbleibender<br />

Qualität. Automatisierte Lösungen und Prozesse sind daher bei LOXXESS<br />

nicht mehr wegzudenken. Denn nur eine dezidierte Planung sowie<br />

durchdachte Strukturen sorgen letztlich für die nötige innerbetriebliche<br />

Effizienz. Prozesse können so besser kontrolliert, die Flexibilität innerhalb<br />

unseres Leistungsspektrums erhöht werden. Das macht auch unsere<br />

Mitarbeiter zufriedener. Denn neben der Schaffung ergonomischer<br />

Arbeitsbedingungen werden die Fehlerquellen deutlich minimiert. So<br />

können wir alle gemeinsam motiviert auf der Innovationswelle reiten.“<br />

Markus Nun, Leiter Projekt- und Prozessmanagement<br />

Bild: Honeywell<br />

loxxess.com<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 59


» BME AKTUELL<br />

BME-Sustainability-Summit: Flaggschiff-Veranstaltung in Darmstadt<br />

Nachhaltigkeit im Einkauf prägt die Lieferketten<br />

Mehr als 200 Teilnehmende netzwerkten auf dem diesjährigen BME-Sustainability Summit<br />

vom 13. bis 14.06.23 in Darmstadt und tauschten sich intensiv über die erforderlichen<br />

Schritte zur Umsetzung einer nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>sstrategie in den Unternehmen aus.<br />

Der Einkauf steht vor enormen, teils komplexen<br />

Herausforderungen. Er muss ökologische,<br />

soziale und wirtschaftliche Belange<br />

in seinen <strong>Beschaffung</strong>sprozessen<br />

berücksichtigen. Dabei wird Nachhaltigkeit<br />

für den Einkauf immer mehr zum relevanten<br />

Entscheidungskriterium. Die dazu<br />

erforderlichen Werkzeuge und Strategien<br />

standen im Fokus des BME-Sustainability-Summit<br />

2023, der am Dienstag<br />

(13.06.2023) in Darmstadt eröffnet wurde<br />

und am Mittwochnachmittag (14.06.23)<br />

endete.<br />

Einhelliger Tenor der 38 Referent:innen<br />

und mehr als 200 Teilnehmenden des ersten<br />

Veranstaltungstages war, dass die Unternehmen<br />

zur langfristigen Sicherung<br />

ihrer Wettbewerbsfähigkeit in digitale<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesse, moderne Infrastruktur,<br />

zukunftsweisende Innovationen<br />

und Nachhaltigkeit investieren müssen.<br />

Vor allem Sustainability sollte vom Einkauf<br />

als wichtiger Bestandteil seines Risikomanagements<br />

verstanden werden. Dazu<br />

gehöre auch, nachhaltige Arbeitsprozesse<br />

abteilungsübergreifend zu implementieren.<br />

Im Fokus des zweiten Tages der<br />

Flaggschiff-Veranstaltung für nachhaltige<br />

<strong>Beschaffung</strong> standen Keynote-Vorträge<br />

aus dem Industrie- und Dienstleis-<br />

Bild: Ulrich Häfner/BME e.V.<br />

tungssektor. Anschließend erhielten die<br />

Teilnehmenden in den parallelen Streams<br />

„Ökonomie“, „Ökologie“ und „Sozial“ weitere<br />

Einblicke in nachhaltige <strong>Beschaffung</strong>sorganisationen<br />

sowie Tipps der Experten<br />

zur erfolgreichen Umsetzung einer<br />

nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>sstrategie. Dazu<br />

zählt u. a. die Einbindung der Lieferanten<br />

in das Thema Nachhaltigkeit bereits<br />

bei der Angebotseinholung. Die Referenten<br />

bemerkten übereinstimmend,<br />

Big Buyers Working Together<br />

BME richtet EU-Projekt aus<br />

dass die <strong>Beschaffung</strong> beim Thema Nachhaltigkeit<br />

über die Nachfrage und den<br />

Schulterschluss mit den Fachabteilungen<br />

einen großen Hebel hat. So können zum<br />

Beispiel nachhaltige Kriterien definiert<br />

werden, die den Lieferanten mitgeteilt<br />

werden und die in die Angebotsbewertung<br />

einfließen. Bei Nichterfüllung einzelner<br />

Kriterien wird ein Malus auf den<br />

Angebotspreis aufgeschlagen. Dadurch<br />

können zunächst vermeintlich teurere<br />

aber nachhaltigere Angebote letztlich<br />

günstiger und in der Anschaffung attraktiver<br />

werden.<br />

In den Keynotes, Kurzpräsentationen und<br />

Best-Practice-Vorträgen wurde deutlich,<br />

dass das Thema Nachhaltigkeit im Einkauf<br />

eine immer größere Bedeutung erlangt.<br />

Unternehmen erkennen zunehmend,<br />

dass sie eine Verantwortung für<br />

Umwelt- und Sozialbelange tragen und<br />

dass nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> nicht nur<br />

ökologische, sondern auch wirtschaftliche<br />

Vorteile bieten kann.<br />

Weitere Infos: sarah.baer@bme.de<br />

Das EU-Projekt „Big Buyers Working Together“ (BBWG) zur Förderung der<br />

nachhaltigen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> hat seine dritte Phase eingeleitet.<br />

„Der BME wird das Projekt an der Seite der Netzwerk-Partner EUROCITIES<br />

und ICLEI in den nächsten zwei Jahren im Auftrag der EU-Kommission ausrichten.<br />

„Als Konsortiumspartner freuen wir uns darauf, einen konkreten<br />

Beitrag zur Förderung der nachhaltigen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> in Europa<br />

zu leisten“, betont Olaf Holzgrefe, Leiter International des BME. Ziel von<br />

BBWG ist es, die Zusammenarbeit der Städte, zentralen <strong>Beschaffung</strong>sstellen<br />

und anderen großen öffentlichen Einkäufern zu fördern. In den zwei vorangegangenen<br />

Projektphasen zwischen 2019 und 2022 hat BBWG erfolgreich<br />

vier Arbeitsgruppen pilotiert, die sich auf die <strong>Beschaffung</strong> von Elektro-Schwerlastfahrzeugen<br />

für die Müllabfuhr und Straßenreinigung, Kreislaufasphalt,<br />

emissionsfreie Baustellen und digitale Lösungen im Gesundheitswesen<br />

konzentrierten (weitere Infos: olaf.holzgrefe@bme.de).<br />

Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />

Frankfurter Straße 27, 65760 Eschborn, Tel. 06196 5828-0, Fax –399,<br />

E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />

60 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


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Schutzausrüstung sinnvoll oder gar<br />

notwendig? Welche Sicherheits- oder<br />

Auffanggurte und welche Verbindungselemente<br />

sind für unterschiedliche<br />

Einsatzzwecke die passende Wahl? Gemeinsam<br />

mit dem Unternehmen Zarges<br />

werfen wir einen Blick auf das Thema<br />

Arbeitssicherheit.<br />

Loxxess AG, Unterföhring 59<br />

Makine Ihracatcilan Birligi, TR-Balgat<br />

Cankaya Ankara 3<br />

Mitari Hebetechnik GmbH, Kleve 57<br />

NB Ventures, US-Clark 68<br />

RCT Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.,<br />

Heidelberg 47<br />

reichelt elektronik GmbH & Co. KG, Sande 7<br />

TFC Niederlassung Bochum, Bochum 19<br />

Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt<br />

folgender Firma bei:<br />

Brewes GmbH, Markersdorf<br />

Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />

Gerne können Sie die Beilage auch digital lesen<br />

unter beschaffung-<strong>aktuell</strong>.industrie.de/<br />

beilagenservice/<br />

MANAGEMENT<br />

Gesamtsieger des ISM Award 2023 für<br />

die innovativste digitale Lösung im<br />

Bereich Procurement ist der Automobilzulieferer<br />

Brose mit seinem unternehmensweiten<br />

Digitalisierungsprojekt<br />

„Integrated End to End Spend & Revenue<br />

Management“. Sven-Uwe Erber, Leiter<br />

Einkauf Brose Group, erläutert die<br />

Hintergründe des Projekts.<br />

TRANSFORMATION<br />

Die Einkaufsabteilung des Chemiekonzerns<br />

Altana mit Sitz in Wesel wollte die<br />

<strong>Beschaffung</strong>saktivitäten der einzelnen<br />

Rechtseinheiten konsolidieren und analysieren.<br />

Die Daten stammen aus 37 verschiedenen<br />

ERP-Systemen. Anstelle einer<br />

langwierigen Transformation der Systeme<br />

entwickelte Altana eine schnelle (Meta) -<br />

Plattform für Knowledge Engineering<br />

Das Magazin für Einkauf, Material wirtschaft und Logistik<br />

ISSN 0341–4507<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />

Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Verlagsleiter: Peter Dilger<br />

Chefredakteur:<br />

B. A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />

Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Redaktion:<br />

Dipl.-Ing. (FH) Sabine Schulz-Rohde (sas),<br />

Phone +49 711 7594–252;<br />

Yannick Schwab (ys), Phone +49 711 7594–537<br />

Korrespondent:<br />

M.A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 6401879<br />

Freie Mitarbeit:<br />

Ass. Jur. Ulrike Dautzenberg, RA Anja Falkenstein,<br />

Dipl. Ing. (FH) Michael Grupp, M.A. Annette Mühlberger,<br />

M.A. Sabine Ursel<br />

Fachliche Beratung: Prof. Dr. Robert Fieten<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Daniela Engel, Phone +49 711 7594–452,<br />

Fax –1452, E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Layout: Jennifer Martins, Phone +49 711 7594–262<br />

Gesamtanzeigenleitung:<br />

(Verantwortlich für den Anzeigenteil)<br />

Joachim Linckh, Phone +49 711 7594–565<br />

Auftragsmanagement:<br />

Katja Mayr, Phone +49 711 7594–5843<br />

Leserservice: <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Phone +49 711 7252–209,<br />

E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />

Erscheinungsweise: 9 x jährlich<br />

Bezugspreis jährlich: Inland 166,50 € inkl. MwSt. und<br />

Versandkosten; Ausland 171,90 € inkl. Versandkosten;<br />

Einzelheft Inland: 18,60 € inkl. MwSt. und Versandkosten.<br />

Einzelheft Ausland: 19,20 € inkl. Versandkosten.<br />

Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />

Inland 83,25 € inkl. MwSt. und Versandkosten,<br />

Ausland 88,65 € inkl. Versandkosten.<br />

Bestellungen beim Verlag oder beim Buchhandel. Sofern das<br />

Abon nement nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier Wochen<br />

zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach<br />

Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils<br />

vier Wochen zum Quartalsende. Bei Nichterscheinen<br />

aus technischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht kein<br />

Anspruch auf Ersatz.<br />

Die Mitglieder des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf<br />

und Logistik e.V. ( BME ) und des ÖPWZ erhalten die Zeitschrift<br />

„<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>“ im Rahmen einer Kooperation.<br />

Auslandsvertretungen: Großbritannien: Jens Smith Partner -<br />

ship, The Court, Long Sutton, Hook, Hamp shire, RG29 1TA,<br />

GB, Phone 01256 862589, Fax 01256 862182, E-Mail:<br />

jsp@trademedia.info; USA, Kanada: D.A. Fox Advertising<br />

Sales, Inc., Detlef Fox, 5 Penn Plaza, 19th Floor, New York, NY<br />

10001, Phone +1 212 89 63 881, Fax +1 212 62 93 988,<br />

E-Mail: detleffox@comcast.net<br />

Druck:<br />

Konradin Druck, Kohlhammerstraße 1–15,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Printed in Germany<br />

© 2023 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 10/2023 erscheint am 28.<strong>09.2023</strong><br />

Anzeigenschluss ist der 04.<strong>09.2023</strong><br />

62 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


BÜCHER «<br />

Rezension<br />

Kurs Einkauf 4.0: Stellhebel für den<br />

Wandel des Einkaufs<br />

„Nichts ist beständiger als der Wandel.“ Dieser oft zitierte Satz von Charles Darwin gilt<br />

heute mehr denn je für den Einkauf. Dies haben gut geführte Unternehmen schon seit<br />

langem erkannt. Sie haben gehandelt. In ihrem Buch legt Einkaufsexpertin Tanja Dammann-Götsch<br />

eine Roadmap für die Neu-Aufstellung des industriellen Einkaufs vor.<br />

Keine Frage: Der industrielle Einkauf geriet in der<br />

Pandemie unter gewaltigen Druck. Dieser hat in<br />

Anbetracht der zunehmenden geopolitischen Spannungen<br />

nicht nachgelassen. Die lange Schönwetter -<br />

ära und die Zeiten der goldenen Globalisierung sind<br />

vorbei. Darauf müssen sich unsere Unternehmen im<br />

Einkauf einstellen. Die Autorin, die offenbar viele<br />

fußkranke Unternehmen beraten hat, zeichnet vor<br />

diesem Hintergrund ein zu negatives Bild des Status<br />

Quo des industriellen Einkaufs. Der Einkauf ist spätestens<br />

in der Pandemie in das Blickfeld der CEOs<br />

und der CFOs getreten. Nicht wenige Unternehmen<br />

haben das, was die Autorin an tiefgreifenden Veränderungen<br />

fordert, schon umgesetzt. Gleichwohl ist<br />

die von ihr skizzierte Roadmap bedenkenswert und<br />

ein Stück weit inspirierend.<br />

Das in Anbetracht der Redundanzen und stellenweise<br />

zu weit ausholender Ausführungen recht dickleibige<br />

Buch ist konsequent aufgebaut. In den ersten drei Kapiteln<br />

geht es um die Beschreibung des Status Quo des<br />

industriellen Einkaufs und auch darum zu begründen,<br />

dass die Unternehmen mit den vermeintlichen Best<br />

Practices der Vergangenheit die Zukunft nicht gewinnen<br />

können. Aufschlussreich sind die vermittelten Einblicke<br />

in die interkulturelle Kommunikation mit Geschäftspartnern<br />

aus<br />

China, Mexiko, Polen<br />

und Rumänien und<br />

auch die Überlegungen<br />

zu den Konsequenzen<br />

des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.<br />

Allerdings ist es eine<br />

Binsenweisheit, dass<br />

Prof. Dr. Robert Fieten<br />

wissenschaftlicher<br />

Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />

Köln<br />

der zum Preisdrücker<br />

degradierte Einkäufer<br />

ein Auslaufmodell ist.<br />

Die Autorin weist zu<br />

Recht darauf hin, dass<br />

die wichtigen Komponenten<br />

der Roadmap hin zum „neuen“<br />

Einkauf in interdisziplinären Teams,<br />

(richtiger) Digitalisierung, agilem Arbeiten<br />

sowie in der Verbesserung von Fehlerkultur<br />

und Kommunikation zu sehen<br />

sind.<br />

Hiervon ausgehend werden im Mittelteil<br />

des Buches etwas weitschweifig<br />

die von der Autorin ausgemachten<br />

neuen Erfolgsfaktoren erläutert. Dabei<br />

handelt es sich um Digitalisierung,<br />

Purpose (Vermittlung der Sinnhaftigkeit),<br />

Agilität, Human Touch (respektvoller<br />

und auch empathischer Umgang Der Einkauf im Wandel. Jetzt souverän,<br />

innovativ und krisenfest die Zu-<br />

mit Mitarbeitenden und Lieferanten)<br />

sowie Homeoffice oder besser gesagt kunft gestalten. Tanja Dammann-<br />

Götsch. Wiley-VCH, Weinheim 2023,<br />

New Work. Die Autorin macht deutlich, 324 Seiten, 26,99 Euro,<br />

dass es ein ganzes Bündel von Stell - ISBN 978–3–527–51125–9<br />

hebeln für die Neuausrichtung des Einkaufs<br />

gibt. Diese müssen intelligent kombiniert<br />

werden , damit ein Erfolg versprechender Einkauf 4.0<br />

daraus wird.<br />

Fünf Erfolgsfaktoren<br />

In den beiden abschließenden Kapiteln geht die<br />

Autorin durchaus konsequent noch einmal tiefgehender<br />

auf die zentrale Bedeutung der Mitarbeitenden,<br />

die den Wandel tragen, ein. Sie skizziert die heute gefragten<br />

fachlichen und sozialen Kompetenzen der<br />

neuen EinkäuferInnen, die – so ihr Petitum – sich zu<br />

Unternehmensgestaltern gerieren sollten. Interessant<br />

sind ihre Ausführungen im abschließenden Kapitel<br />

über den „Einkauf New Generation“. Hier entwirft sie<br />

eine Vision des Einkaufs im Jahre 2050 und zeigt auf,<br />

wie die New Generation eingebunden werden sollte.<br />

Fazit: Die Lektüre dieses Buches bietet Praktikern<br />

Denkanstöße für einen Fitnesstest der gewachsenen<br />

Strukturen und Prozesse im Einkauf. Es zeigt die Stellhebel<br />

für ein erfolgversprechendes Change Management<br />

auf und macht Mut, den Wandel anzugehen.<br />

Bild: Wiley<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 63


» KARRIERE<br />

Qualifizierung im Einkauf: Beispiel Verhandlungskompetenz bei Dräxlmaier<br />

„Sie müssen einen Nutzen auch für<br />

andere Fachabteilungen schaffen“<br />

Unter erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Qualifizierung des<br />

Einkaufs vorantreiben? Für viele Unternehmen keine Option. Automobilzulieferer<br />

Dräxlmaier hingegen handelt antizyklisch und hat das Verhandlungsmanagement -<br />

system „House of Negotiation Excellence“ (HoNE) weltweit implementiert. Einkaufs -<br />

leiter Robert Suvak und Verhandlungsexperte Frieder Gamm beschreiben die<br />

Vorgehensweise und die Rolle des Einkaufs beim Global Player.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: „Innovationen<br />

sind kein Zufall“ heißt es bei der<br />

Dräxlmaier Group. Wird der Einkauf gehört?<br />

Robert Suvak: Unsere Stellung als Preferred<br />

Supplier der Premium-Automobilhersteller<br />

beruht insbesondere auf unserer<br />

Innovationskraft. Dahinter stehen Ideen<br />

unserer Mitarbeitenden, aber natürlich<br />

auch die unserer Lieferanten. Vorentwicklungsprojekte<br />

werden über unser Innovationsmanagement<br />

koordiniert, das Schnittstellen<br />

zu zahlreichen Resorts hat, auch<br />

zum Einkauf. Innovationskoordinatoren in<br />

unseren Einkaufshäusern kanalisieren die<br />

Informationen unserer Lieferanten und geben<br />

sie zur Bewertung in den Innovationspool.<br />

Meine Aufgabe ist, den Einkauf neu<br />

zu positionieren. Dazu gehört auch, bessere<br />

Verhandlungsergebnisse zu erzielen.<br />

Mit dem weltweit implementierten Verhandlungsmanagementsystem<br />

„House of<br />

Negotiation Excellence“ sind wir in der<br />

Lage, weitere Synergien, Standards und<br />

Optimierungen voranzutreiben. Und weil<br />

wir anderen Unternehmensbereichen<br />

nicht nur per Zufall belastbaren Nutzwert<br />

bieten, werden wir auch gehört.<br />

Frieder Gamm: Das hat sich seit der<br />

Einführung des HoNE-Konzepts bestätigt.<br />

Die Wahrnehmung ist jetzt eine ganz andere.<br />

Wichtig dabei: Es reicht nicht, wenn<br />

Maßnahmen von oben verordnet werden.<br />

Jeder Einzelne muss über ausreichend Information<br />

verfügen und den Nutzen erkennen,<br />

und zwar für sich, aber auch für<br />

Robert Suvak, Einkaufsleiter, Dräxlmaier<br />

andere. Power-Point-Folien allein schaffen<br />

keine Begeisterung. Bei einem solch umfassenden<br />

Verhandlungsmanagementprojekt<br />

brauchen Sie überzeugte Impulsgeber,<br />

Treiber und Beziehungsmanager, die gut<br />

kommunizieren können. Bei Dräxlmaier ist<br />

es gelungen, alle Schnittstellen eng zu bespielen.<br />

Das kommt dann auch dem Innovationsmanagement<br />

zugute.<br />

Herr Suvak, war das auch der Grund, warum<br />

Sie sich um den BME Procurement<br />

Excellence Award 2022 beworben haben?<br />

Dass Sie mit dem Schwerpunkt Verhandlungsmanagement<br />

punkten konnten,<br />

hat viele Beobachter überrascht.<br />

Suvak: War das so (lacht)? In einer Phase,<br />

wo Preise gestiegen sind, Dienstreisen<br />

gekappt und externe Kosten runtergefahren<br />

wurden, haben wir uns entschlossen,<br />

das HoNE-Programm aufzusetzen. Wir<br />

streben maximale Professionalität an und<br />

Bild: Dräxlmaier<br />

Verhandlungsexperte Frieder Gamm<br />

wollen als Erster reagieren können, wenn<br />

sich Rahmenbedingungen ändern, etwa<br />

bei signifikanten Materialpreisveränderungen.<br />

Das geht nun einmal nur mit geschulten<br />

Mitarbeitenden. Die Ergebnisse<br />

geben uns recht. Das war sicher ein Wachmacher<br />

für die BME-Jury. Die Juroren haben<br />

erkannt, dass hier ein Unternehmen<br />

antizyklisch zu handeln versteht. Ein Gewinnerunternehmen<br />

soll ja mindestens für<br />

seine Branche die Benchmark setzen.<br />

Bild: Gamm<br />

Das HoNE-Konzept hat bei Ihnen zu zukunftsgerichteten<br />

neuen Standards geführt.<br />

Was sind die bedeutendsten?<br />

Suvak: Herausheben will ich zum Beispiel<br />

unsere standardisierte längere Vorbereitungszeit<br />

für A-Verhandlungen. Die<br />

nimmt jetzt schon mal zwei Drittel des<br />

ganzen Prozesses ein. Es geht nicht nur<br />

um Zahlen und Preise. Wir analysieren<br />

unser Gegenüber nun sehr viel genauer –<br />

64 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


die Firma, den Verhandlungspartner selbst<br />

und, sofern Erfahrungen vorliegen, auch<br />

seine Charakteristik. All das fließt in unsere<br />

neuen Verhandlungsstrategien ein.<br />

Gamm: HoNE sorgt für den Rahmen,<br />

der den Mitarbeitenden in bisherigen<br />

Verhandlungen im Hinblick auf Zeit, Ressourcen<br />

oder auch Räumlichkeiten nicht<br />

zur Verfügung stand. Kern des Konzepts<br />

ist, dass ein A-Team alle vordefinierten<br />

Schritte bei jeder A-Verhandlung begleitet.<br />

Jeder Akteur weiß, wer wann und wie<br />

vorgeht. Alle greifen auf ein Playbook<br />

zurück, das mit dem ersten Tag der Vorbereitung<br />

beginnt. Die Verhandler wissen,<br />

wie sie in bestimmten kritischen Situationen<br />

reagieren sollten und wie weit sie<br />

gehen können.<br />

Welche messbaren Erfolge haben Sie<br />

besonders überrascht?<br />

Suvak: Weil man ja eine Verhandlung<br />

nicht gleichzeitig auf altem und neuem<br />

Weg führt, ist ein Vergleich schwer. Fakt ist<br />

aber: Wir haben Sicherheit<br />

und viel<br />

mehr Professionalität<br />

in der Verhandlung<br />

gewonnen, und<br />

das abgesichert von<br />

den Vorgesetzten.<br />

Wichtig ist, dass alle<br />

das gleiche Ziel unterstützen<br />

– auch<br />

die mittlere Führungsebene,<br />

die in einem solch ehrgeizigen<br />

Projekt ein wichtiger Hebel ist. Aber das positive<br />

Feedback, das aus der Geschäftsführung,<br />

aus dem Einkauf und aus unseren anderen<br />

Abteilungen kommt, ist sehr gut.<br />

Gamm: Oft machen sich Organisationen<br />

intern das Leben selbst schwer, weil sie<br />

nicht in der Lage sind, eine einheitliche<br />

Strategie zu verabreden. Dräxlmaier hat<br />

Mut zur Veränderung bewiesen. Im Laufe<br />

des Programms haben wir alle Beteiligten<br />

eingebunden, die Einfluss auf das Ergebnis<br />

haben, etwa Sales, Qualität, Produktion,<br />

Logistik. Das funktioniert super.<br />

Welche Rolle kommt den A-Team-Mitgliedern<br />

zu?<br />

Suvak: Wir führen im Jahr zahlreiche Verhandlungen<br />

weltweit durch und definieren<br />

»Wir haben Sicherheit<br />

und viel mehr<br />

Professionalität<br />

in der Verhandlung<br />

gewonnen.«<br />

Rober Suvak<br />

„House of Negotiation“<br />

Um die Verhandlungsleistung weiter zu verbessern, hat<br />

Dräxlmaier das weltweite Verhandlungsmanagementsystem<br />

„House of Negotiation Excellence“ der Frieder Gamm Group<br />

eingeführt. Einkaufsmitarbeitende werden als Verhandlungs -<br />

coaches ausgebildet. Sie bündeln das gesamte Know-how<br />

rund um alle A-Verhandlungen. Ein regelmäßiger Austausch der<br />

A-Team-Mitglieder sorgt für eine selbstlernende Organisation.<br />

für uns die größten hinsichtlich Volumen,<br />

Komplexität, Schwierigkeitsgrad. In diese<br />

A-Verhandlungen sind die A-Team-Member<br />

eingebunden. Sie machen das in Vollzeit,<br />

was ein ganz wichtiger Punkt für den Erfolg<br />

ist. Sie wurden während des HoNE-Programms<br />

geschult und sind nun in der Lage,<br />

weltweit unsere A-Verhandlungen zu begleiten<br />

und die jeweiligen Beteiligten zu<br />

coachen. Und mittlerweile sind sie auch<br />

Multiplikatoren von<br />

Lessons learned .<br />

Das Ganze ist kein<br />

starrer Prozess, soll<br />

also im Team auch<br />

fortentwickelt werden.<br />

Koordiniert<br />

wird das Projekt von<br />

A-Team-Leiter Robert<br />

Mutschler in<br />

Vilsbiburg.<br />

Wie managen Sie die Kapazitäten und<br />

wie rechnet sich das Projekt?<br />

Suvak: Die Gehälter der acht A-Team-<br />

Member sollten sich durch bessere Verhandlungsergebnisse<br />

um ein Vielfaches<br />

wieder einspielen lassen. Und natürlich<br />

haben wir auch Stellen nachbesetzt, damit<br />

alle Kolleginnen und Kollegen für ihre<br />

Aufgaben ausreichend Kapazitäten haben.<br />

Gamm: Unsere Wirtschaftlichkeitsanalyse<br />

hat eine enorme Einsparung ergeben.<br />

Es geht aber nicht nur um den ROI allein,<br />

sondern auch um nachhaltige Effizienzsteigerung<br />

durch ein globales ganzheitliches<br />

Vorgehen des Einkaufs bei Verhandlungen,<br />

also auch in den USA, in Mexiko,<br />

Rumänien und China. Weiterer Punkt: Die<br />

guten Ergebnisse motivieren den Einkauf<br />

auch für eine bessere Umsetzung von B-<br />

und C-Verhandlungen.<br />

Was zeichnet Ihrer Erfahrung nach einen<br />

guten Qualifizierungspartner im<br />

Einkauf aus?<br />

Suvak: Dräxlmaier bietet über eine unternehmenseigene<br />

Business Akademie<br />

Schulungen in verschiedenen Bereichen<br />

an. Für unsere weltweit umspannenden<br />

Maßnahmen in Sachen Verhandlung nutzen<br />

wir den Baukasten der Frieder Gamm<br />

Group. Grundsätzlich gilt: Ein Dienstleister<br />

muss Erkenntnisse aus einer Reihe von<br />

Projekten einbringen können. Ganz elementar<br />

ist ein belastbarer Erfahrungshorizont<br />

im gleichen Marktumfeld. Das ist bei<br />

uns beispielsweise das OEM- und Tier<br />

1-Geschäft im Automotive-Sektor.<br />

Gamm: In manchen Unternehmen setzen<br />

Einkauf oder HR eine Qualifizierungsmaßnahme<br />

halbherzig an, um intern einen<br />

Haken daran machen zu können. Und<br />

wir wissen alle, dass ein Lerneffekt von<br />

Verhandlungsseminaren oftmals verpufft,<br />

sobald die gelernten Methoden und<br />

Werkzeuge auf bestehende Prozesse und<br />

Vorgehensweisen im Unternehmen treffen.<br />

Ich schaue darum auch sehr genau<br />

darauf, ob und wie umsetzungsorientiert<br />

eine Organisation überhaupt ist. Welche<br />

Motivation steht dahinter? Ich habe kein<br />

Interesse, lediglich Laufschuhe zu verkaufen,<br />

die später im Regal stehen bleiben.<br />

Die Schuhe müssen passen und fortan regelmäßig<br />

zum Einsatz kommen.<br />

Das Gespräch führte Sabine Ursel,<br />

Journalistin , Wiesbaden.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 65


» MEINUNG<br />

Der „Brückenstrompreis“ –<br />

Rettung für den Industriestandort<br />

Deutschland?<br />

Der Industriestandort Deutschland steht unter Druck. Ein Belastungsfaktor sind die im<br />

internationalen Vergleich anhaltend zu hohen Energiekosten. Im zweiten Halbjahr 2022<br />

mussten die Unternehmen in Deutschland laut Verband der Chemischen Industrie im<br />

Schnitt rund 20 Cent für eine Kilowattstunde Strom zahlen und damit 40 Prozent mehr als<br />

in Frankreich und etwa dreimal soviel wie in den USA. Diese Preise sind für die energieintensiven<br />

Unternehmen ein strategischer Nachteil des Standortes<br />

Deutschland. Dieser ist nicht betriebswirtschaftlich bedingt sondern<br />

eine Folge politischer Entscheidungen.<br />

Die Konsequenz: Bei Neuinvestitionen gehen die Unternehmen<br />

lieber in die USA und nach China. Zur Sicherung der heimischen<br />

industriellen Basis, zu der unverzichtbar auch energieintensive<br />

Industrien gehören, muss daher von der Politik mehr getan werden,<br />

bevor es zu spät ist. Gleichwohl argumentieren Ökonomen,<br />

dass es gar nicht so dramatisch wäre, wenn beispielsweise die<br />

Basischemie oder auch die Stahlindustrie aus Deutschland abwandert.<br />

Dies ist blauäugig: 95 Prozent der Industrieprodukte<br />

basieren auf Basischemikalien. Für die Energie- und Mobilitätswende<br />

sind diese unverzichtbar. Ähnliches gilt für Stahl. Die<br />

Aufgabe der energieintensiven Industrien würde in eine riskante<br />

Abhängigkeit führen. Es gehört nicht viel Fantasie zu der Annahme,<br />

dass China die Welt so lange mit billigem Stahl überfluten<br />

Prof. Dr. Robert Fieten,<br />

wissenschaftlicher Berater der<br />

wird, bis die Unternehmen in anderen Ländern aufgegeben haben.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Köln<br />

Eine zurzeit kontrovers diskutierte Maßnahme zur Standortsicherung<br />

ist die Einführung eines staatlich subventionierten Industriestrompreises.<br />

In Rede steht ein zeitlich befristeter „Brückenstrompreis“ von 6 Cent pro<br />

Kilowattstunde. Dieser soll gelten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem unsere Industrie vom günstigen<br />

Strom aus erneuerbaren Energien profitieren kann.<br />

Hierfür kann man durchaus Sympathie entwickeln, denn ein<br />

»Für unsere energie -<br />

intensiven Unternehmen<br />

sind die hohen Strompreise<br />

eine schwere<br />

Hypothek. «<br />

Industriestrompreis würde von der Politik induzierte Preisverzerrungen<br />

korrigieren. Die Politik hat Entscheidungen getroffen,<br />

die das Stromangebot verknappt und verteuert haben.<br />

Dazu zählen der Kohle- und Atomausstieg. Und auch nach<br />

dem Wegfall der Umlage nach dem Erneuerbare-<br />

Energien-Gesetz (EEG) im vergangenen Jahr belasten weiterhin<br />

diverse Aufschläge den Strompreis. Allein die Netzentgelte<br />

sind oft höher als die reinen Stromgestehungskosten. Die<br />

hohen Kosten des Netzausbaus sind direkte Folge der politischen Entscheidungen zur<br />

Energiewende (s. hierzu Handelsblatt vom 27. Juli 2023).<br />

Sicherlich: Für viele der genannten Kostenfaktoren gibt es gerade für große Verbraucher<br />

(leider zu wenig für den Mittelstand!) Entlastungen und Sonderregeln. Allerdings müssen<br />

viele Erleichterungen Jahr für Jahr neu erkämpft und beantragt werden. Dies ist eine<br />

schlechte Voraussetzung für Investitionen in Anlagen, die Jahrzehnte laufen sollen.<br />

Für unsere energieintensiven Unternehmen sind die hohen Strompreise eine schwere<br />

Hypothek . Sinken sie nicht bald, drohen Abwanderung, Pleiten, Betriebsaufgaben. Die<br />

Politik muss mit einem „Brückenstrompreis“ ihren Beitrag dazu leisten, dass der Exodus<br />

gestoppt wird.<br />

66 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023


Wir setzen auf Qualität: Bei der Arbeit –<br />

und bei DIN- und Normteilen.<br />

Egal in welcher Branche Sie tätig sind, von Medizintechnik bis Maschinenbau:<br />

Böllhoff ist Ihr Partner für 360° Verbindungstechnik. Auch, wenn es um DIN- und Normteile<br />

geht. Wir kennen die Anforderungen aller Industrien – aus über 145 Jahren Erfahrung im<br />

Handel mit Verbindungselementen.<br />

In unserem Produktportfolio finden Sie daher für jede Anwendung die passende Lösung.<br />

Und dank weltweitem Lieferanten-Netzwerk und unseren europaweiten Logistikzentren<br />

kommt jedes Element genau dann bei Ihnen an, wenn Sie es brauchen.<br />

www.boellhoff.com/de<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023 67


68 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2023

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