Sachwert Magazin 04/23
Monaco | Immobilienmarkt der Superlative KI-Fonds besser als MSCI World | Stefan Riße Eine kleine Geschichte der Inflation Vermögen für die nächste Generation? | Thomas Hennings Silber boomt | Was Silber als Wertanlage interessant macht Mächtige Topformation des S&P 500 und des DAX | Marktkommentar Claus Vogt Die explosiven Blasen der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts
Monaco | Immobilienmarkt der Superlative
KI-Fonds besser als MSCI World | Stefan Riße
Eine kleine Geschichte der Inflation
Vermögen für die nächste Generation? | Thomas Hennings
Silber boomt | Was Silber als Wertanlage interessant macht
Mächtige Topformation des S&P 500 und des DAX | Marktkommentar Claus Vogt
Die explosiven Blasen der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts
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Nr. <strong>04</strong> l 20<strong>23</strong> • www.sachwert-magazin.de<br />
EDELMETALLE ROHSTOFFE IMMOBILIEN BETEILIGUNGEN RARITÄTEN WISSEN<br />
EUR 3,90<br />
KI-Fonds<br />
besser als<br />
MSCI World<br />
Stefan Riße<br />
Silber<br />
boomt<br />
Was Silber<br />
als Wertanlage<br />
interessant macht<br />
Investor<br />
Robert Geiss<br />
berichtet<br />
Unglaubliches<br />
Bilder: Depositphotos / monticello, IMAGO / Future Image (gbrci), ACATIS Investment KVG mbH<br />
MONACO<br />
Immobilienmarkt<br />
der Superlative
Die neuen Ausgaben jetzt lesen<br />
Ausgabe 126<br />
Ronny Wagner<br />
Keine Angst<br />
vor Schwarzen<br />
Schwänen!<br />
Ausgabe 128<br />
Frank Thelen<br />
»Bin voll<br />
investiert«<br />
Ausgabe 127<br />
Paul Misar<br />
Immobilien-<br />
Boom auf der<br />
Sonneninsel<br />
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<strong>Sachwert</strong> <strong>Magazin</strong> ePaper<br />
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Editorial<br />
Julien Backhaus<br />
Verleger<br />
Bild: Oliver Reetz, Cover: FinanzBuch Verlag<br />
<strong>Sachwert</strong>e – stabile Geldanlagen<br />
in stürmischen Zeiten?<br />
Das nächste Heft<br />
erscheint am<br />
30. November 20<strong>23</strong><br />
Die Zeiten haben sich geändert. Das gilt<br />
besonders für den Immobilienmarkt – und<br />
zwar eigentlich weltweit. Ob in den USA,<br />
Europa oder China – große Immobilienkonzerne<br />
sind ins Straucheln geraten, Entwickler<br />
kämpfen ums Überleben. Jahrzehntelang<br />
war eine Immobilienparty im Gange<br />
und kaum einer sah das Ende nahen. Nun<br />
lecken sich viele die Wunden, Projekte wurden<br />
eingestellt oder zusammengestrichen.<br />
Aus manchem geplanten Prachtbau wurde<br />
ein Nutzbau. Nur zählt all das nicht in Monaco.<br />
Das kleine Fürstentum ist weiterhin<br />
das Mekka der Millionäre und Milliardäre.<br />
Und die Quadratmeterpreise sind exorbitant,<br />
wie Immobilienunternehmer Robert<br />
Geiss zu berichten weiß. Unsere Recherche<br />
fördert Erstaunliches zu Tage.<br />
Das andere große Thema unserer Zeit ist<br />
die Künstliche Intelligenz. Sie hält Einzug<br />
in alle Lebensbereiche und ist daher auch<br />
in den Fokus der Investoren gerückt. Wie<br />
die Finanzmärkte von dem Thema profitieren,<br />
erklärt Experte Stefan Riße. Und was<br />
geschieht mit all dem Vermögen, wenn<br />
es einmal vererbt wird? Das weiß Experte<br />
Thomas Hennings, der in seinem Beitrag<br />
das Thema Erbschaft genau beleuchtet.<br />
Dabei gibt es schließlich viele Fallen, in die<br />
viele nur zu gerne tappen. Der Fiskus freut<br />
sich – der Erbe nicht.<br />
Viel Vergnügen bei der Lektüre<br />
Ihr Julien Backhaus<br />
Verleger<br />
Seit Juli 2021<br />
im Handel!<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
3
Best of web<br />
Best of Web<br />
Nucera-CEO: »Ziele voll umfänglich erreicht«<br />
Nucera, die Wasserstoff-Tochter des Traditionsunternehmens<br />
Thyssenkrupp hat den<br />
Börsengang gewagt. Am Freitag, den 7.<br />
Juli, läutete Nucera-CEO Werner Ponikwar<br />
die Börsenglocke für das im Jahr 2015 unter<br />
dem Namen Thyssenkrupp Uhde Chlorine<br />
Engineers gegründete Unternehmen,<br />
das seit 2022 als Thyssenkrupp Nucera<br />
bekannt ist.<br />
Für den Chef des Unternehmens war der<br />
Börsengang ein voller Erfolg: »Wir haben<br />
unsere Ziele voll umfänglich erreicht, wir<br />
wollten zwischen 500 und 600 Millionen<br />
Euro hier an der Börse einnehmen, das ist<br />
uns gelungen«, wird Ponikwar auf dem<br />
Online-Portal der »Tagesschau« zitiert.<br />
Nucera produziert sogenannten »grünen«<br />
Wasserstoff. Dieser wird gewonnen, indem<br />
Wasser per Elektrolyseanlagen ...<br />
Den ganzen Artikel können Sie unter<br />
www.sachwert-magazin.de lesen.<br />
China will für die Ausfuhr von Gallium und<br />
Germanium eine Lizenz einführen<br />
China erschwert den Export von wichtigen<br />
Rohstoffen, die für die Chipherstellung<br />
nötig sind. Laut eines Berichts<br />
des Onlinemagazins des »Spiegel« unter<br />
Berufung auf das Handelsministerium<br />
in Peking müssen Unternehmen ab 1.<br />
August für die Ausfuhr von Galliumund<br />
Germanium-Produkten eine Lizenz<br />
beantragen. Damit sollten die strategischen<br />
Interessen und die Sicherheit der<br />
Volksrepublik gewahrt werden, heiße es<br />
aus dem Ministerium.<br />
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte dem<br />
Bericht zufolge, die Bundesregierung beobachte<br />
»die Entwicklung sehr genau«.<br />
Es handele sich bei der Entscheidung der<br />
Regierung in Peking bislang allerdings<br />
um ein »rechtliches Regime« und nicht<br />
um eine Exportbeschränkung. Laut dem<br />
Bericht warnte John Strand, Gründer der<br />
Beratungsfirma Strand Consult, vor ...<br />
Den ganzen Artikel können Sie unter<br />
www.sachwert-magazin.de lesen.<br />
Deutsche Exporte verzeichnen Rückgang<br />
Im Mai 20<strong>23</strong> hatten Exporte aus Deutschland<br />
einen Rückgang zu verzeichnen. Das<br />
geht aus einer Mitteilung des Statistischen<br />
Bundesamtes hervor. Es handelt sich dabei<br />
um saisonbereinigte Daten. Demzufolge<br />
sanken die Exporte im Vergleich zum Vormonat<br />
um 0,1 Prozent – also auf 130,5<br />
Milliarden Euro. Im Vergleich zum Mai des<br />
Vorjahres ist sogar ein Rückgang von 0,7<br />
Prozent zu verzeichnen. Der Nachrichtenagentur<br />
»Reuters« zufolge hätten Ökonomen<br />
zuvor mit einem Plus von 0,3 Prozent<br />
gerechnet. Aus Expertenkreisen wird dies<br />
als ein Zeichen gewertet, dass die Rezession<br />
noch einige Zeit spürbar bleiben wird.<br />
»Damit erhärtet sich (…) der Verdacht, dass<br />
aus einer konjunkturellen Erholung vorerst<br />
nichts wird«, wird Thomas Gitzel, Chefvolkswirt<br />
der VP-Bank, auf dem Online-<br />
Portal der »Tagesschau« zitiert. ING-Chefvolkswirt<br />
Carsten Brzeski gibt als Gründe<br />
für die sinkenden Export-Einnahmen die<br />
schwächere Auftragslage, die Inflation und<br />
eine allgemeine hohe Unsicherheit an.<br />
Nach wie vor sind die USA der stärkste Abnehmer<br />
für Waren aus Deutschland: Produkte<br />
im Wert von 12,7 Milliarden Euro<br />
wurden im untersuchten Zeitraum dorthin<br />
transportiert. Dies waren allerdings 3,6 Prozent<br />
weniger als im April. Die Exporte nach<br />
China und in das Vereinigte Königreich<br />
stiegen hingegen an: Für China konnte ein<br />
Plus von 1,6 Prozent erzielt werden und im<br />
Vereinigten Königreich wurde ein ...<br />
Diesen und andere Artikel finden Sie<br />
unter www.sachwert-magazin.de.<br />
Bilder: IMAGO / snowfieldphotography, Depositphotos / HayDmitriy / kamonrat<br />
4 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Inhalt <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
Titelstory<br />
06 Immobilienmarkt der Rekorde<br />
Das Fürstentum Monaco sprengt<br />
alle Grenzen<br />
Immobilienmarkt<br />
der Rekorde<br />
Märkte<br />
10 KI-Fonds besser als MSCI World<br />
Stefan Riße<br />
Wissen<br />
12 Eine kleine Geschichte der Inflation<br />
Auszug aus dem Buch »Die Inflation von<br />
19<strong>23</strong>« von Frank Stocker<br />
18 Vermögen für die nächste Generation?<br />
Thomas Hennings<br />
06<br />
Bild: Depositphotos / vichie81<br />
Edelmetalle<br />
21 Silber boomt<br />
Was den kleinen Bruder des Goldes als<br />
Wertanlage interessant macht<br />
Marktkommentar<br />
22 Mächtige Topformation des S&P 500<br />
und des DAX<br />
Claus Vogt<br />
Börse<br />
24 Die explosiven Blasen der ersten<br />
Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts<br />
Auszug aus dem Buch »A Random Walk<br />
Down Wall Street« von Burton G. Malkiel<br />
Sonstiges<br />
<strong>04</strong> Best of Web<br />
Impressum<br />
<strong>Sachwert</strong> <strong>Magazin</strong> ISSN 2197-1587<br />
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Zum Flugplatz 44, 27356 Rotenburg<br />
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Chefredakteur (V.i.S.d.P.) Julien Backhaus<br />
Redaktion: Anna Seifert, Martina Karaczko<br />
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Geschäftsführer Julien Backhaus<br />
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Alle Rechte vorbehalten.<br />
Verbandsmitgliedshaften des Verlags:
Titelstory<br />
IMMOBILIENMARKT<br />
DER REKORDE:<br />
Das Fürstentum Monaco sprengt alle Grenzen<br />
Das erste Quartal des Jahres<br />
20<strong>23</strong> – in Deutschland war<br />
das der Zeitraum, in dem die<br />
Schwierigkeiten der Immobilienbranche<br />
erstmals sichtbar<br />
wurden: Um 6,8 Prozent im Vergleich<br />
zum Vorjahr fielen hierzulande die Preise<br />
für Wohneigentum; Zahlen also, welche<br />
die Auswirkungen der Inflation und Zinsanhebungen<br />
nur allzu deutlich werden<br />
ließen, markierten sie doch den stärksten<br />
Preisrückgang seit <strong>23</strong> Jahren. Das blieb für<br />
die Immobilienbranche nicht ohne Folgen:<br />
Große Wohnungskonzerne etwa ließen<br />
geplante Neubauprojekte ruhen und in<br />
den Medien wurde bereits öffentlich über<br />
ein Platzen der sogenannten Immobilienblase<br />
spekuliert.<br />
Im nur einige hundert Kilometer entfernten<br />
Fürstentum Monaco allerdings übertraf<br />
der Immobilienmarkt alle Erwartungen:<br />
Allein in den ersten drei Monaten des<br />
Jahres wechselte schließlich Wohneigentum<br />
in Höhe von über 400 Millionen Euro<br />
den Besitzer – eine Summe, die sogar »IM-<br />
SEE«, die Statistische Behörde des kleinen<br />
Staates, als einen »absolute(n) Rekord«<br />
bezeichnete. 57.000 bis 65.000 Euro: So<br />
viel müssen Investoren in dem Zwergstaat<br />
an der französischen Riviera aktuell für<br />
einen Quadratmeter bezahlen – im Durchschnitt,<br />
versteht sich. In Einzelfällen könne<br />
der Quadratmeter auch bis zu 120.000<br />
Euro kosten, das teilte der seit 30 Jahren<br />
in Monaco ansässige Immobilien Unternehmer<br />
und Multimillionär Robert Geiss<br />
erst kürzlich im Interview mit Michael<br />
Menter mit. Doch solche Höhen scheinen<br />
hier offenbar niemanden abzuschrecken.<br />
Was ist es also, was den Immobilienmarkt<br />
Monacos so attraktiv macht und die Kosten<br />
für Wohneigentum noch steigen lässt,<br />
während anderswo in Europa eine Immobilienkrise<br />
droht?<br />
6 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Titelstory<br />
Bilder: Depositphotos / vichie81, Marc Müller<br />
MONACO:<br />
HOTSPOT DER HIGH SOCIETY<br />
Der repräsentative Yachthafen am Port<br />
Hercule gibt den Blick auf die Skyline<br />
Monte Carlos frei: Imposante Villen stehen<br />
hier dicht an dicht inmitten einer malerischen<br />
Landschaft. Der erste Eindruck<br />
trügt nicht: Denn tatsächlich ist Platz im<br />
malerischen, etwa zwei Quadratkilometer<br />
großen Fürstentum Mangelware – der<br />
Wohnungsmarkt von Monaco ist also exemplarisch<br />
für ein knappes Angebot, das<br />
auf eine hohe Nachfrage trifft. Und die<br />
gibt es gerade deswegen, weil sich die<br />
Attraktivität des Stadtstaats nicht nur aus<br />
seiner mediterranen Landschaft in exponierter<br />
Lage ergibt, denn: Hier Eigentum<br />
zu erwerben, gilt bereits seit dem 20. Jahrhundert<br />
als ein Statussymbol. So reihen<br />
sich Luxusboutiquen an Spielcasinos und<br />
erlesene Restaurants; Sehenswürdigkeiten<br />
wie die berühmte Formel-1-Strecke, die<br />
sich durch das Fürstentum hindurch zieht,<br />
garantieren kulturelle Highlights – Monaco<br />
ist ein Land der Superlative, daran lässt<br />
die Infrastruktur keinen Zweifel.<br />
Hier ist der größte Weinkeller zu finden,<br />
das weltweit erste Drei-Sterne-Hotelrestaurant<br />
und die teuerste Wohnung der<br />
Welt ohnehin – nirgendwo sonst sind<br />
schließlich über 29 Prozent der Einwohner<br />
Dollar-Millionäre. Nico Rosberg, Shirley<br />
Bassey und Alexander Zverev – sie sind<br />
nur einige der prominenten Bewohner des<br />
37.000-Einwohner-Staates an der Côte<br />
d’Azur. Dabei geht es nicht nur darum,<br />
zu sehen und gesehen zu werden – Monaco<br />
ist vor allem ein Business-Standort.<br />
Hier werden geschäftliche Beziehungen<br />
geknüpft, Verträge geschlossen und bestehendes<br />
Vermögen gesichert. Denn<br />
Monacos hohe Anziehungskraft auf<br />
In Einzelfällen könne der<br />
Quadratmeter auch bis<br />
zu 120.000 Euro kosten,<br />
das teilte der seit 30 Jahren<br />
in Monaco ansässige<br />
Immobilien Unternehmer<br />
und Multimillionär<br />
Robert Geiss [...] mit.<br />
Wohlhabende ist in erster Linie seinem<br />
Ruf als Steuerparadies geschuldet.<br />
STANDORTFAKTOR STEUERVORTEILE<br />
Und tatsächlich werden Einkommen, Vermögen<br />
oder Zugewinn von Privatpersonen<br />
in dieser konstitutionellen Monarchie<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
7
Titelstory<br />
nicht besteuert; eine Ausnahme gilt lediglich<br />
für französische Staatsbürger, da<br />
hier ein bilaterales Abkommen besteht. In<br />
Monaco ansässige Unternehmen zahlen<br />
ebenfalls keine Steuern – jedenfalls, sofern<br />
sie 75 Prozent ihres Gewinns im Inland<br />
erwirtschaften. Die Attraktivität von<br />
Monaco nimmt umso mehr zu, je stärker<br />
andere Steueroasen schwinden; das bemerkte<br />
bereits das »manager magazin«<br />
im Jahr 2014. Weil das Schweizer Bankgeheimnis<br />
mehr und mehr aufgeweicht werde,<br />
zöge es die Reichen nun in das Fürstentum,<br />
erläuterte das <strong>Magazin</strong> damals<br />
mit Verweis auf die Nachrichtenagentur<br />
Bloomberg – und diese Aussage wird von<br />
aktuellen Zahlen bestätigt: Denn bei etwa<br />
80 Prozent der Einwohner Monacos handelt<br />
es sich um ausländische Investoren –<br />
eine Anzahl, die stetig steigt: Liegt die Bevölkerungsdichte<br />
derzeit bei etwa 24.360<br />
Personen pro Quadratkilometer, wird diese<br />
doch im Jahr 2050 auf 24.822 Einwohner<br />
angestiegen sein, so lautet jedenfalls<br />
die »Statista«-Prognose.<br />
Neben der minimalen Besteuerung setzt<br />
auch das wirtschaftliche Umfeld Monacos<br />
alles daran, das Vermögen seiner<br />
Einwohner zu schützen. Schließlich ist<br />
der Finanzdienstleistungssektor einer<br />
der wichtigsten monegassischen Wirtschaftszweige:<br />
Rund 30 Banken betreuen,<br />
Zahlen aus dem Jahr 2019 zufolge,<br />
ein Vermögen von etwa 133,8 Milliarden<br />
Euro. Das Image eines besonders sicheren<br />
Staates wird auch durch die hohe<br />
Polizeipräsenz im Land gestützt: Mit über<br />
500 Polizisten weist Monaco die höchste<br />
»Es ist ein verrückter Markt. Man kauft dort nicht nur wegen<br />
des Umfelds, sondern auch wegen des Steuerrechts.«<br />
– Pierre Vaquier<br />
Polizei-Pro-Kopf-Rate auf und mehr als<br />
400 Kameras lassen kaum einen Winkel<br />
des kleinen Landes unbeobachtet.<br />
IMMOBILIENERWERB:<br />
DIE EINTRITTSKARTE IN EINE WELT<br />
VOLLER VORZÜGE<br />
Doch wer von den internen Strukturen<br />
Monacos profitieren möchte, der muss<br />
zunächst investieren, so lautet die Devise,<br />
denn Voraussetzung für eine Aufenthaltsgenehmigung<br />
ist eine hohe Bonität.<br />
Um in Monaco leben zu können, müssen<br />
Antragssteller beispielsweise nachweisen<br />
können, dass sie über »ausreichende finanzielle<br />
Mittel« verfügen – also entweder<br />
einen Arbeitsvertrag bei einem monegassischen<br />
Arbeitgeber oder Ersparnisse<br />
im Wert von mindestens 400.000 Euro auf<br />
einem Privatkonto in Monaco vorlegen<br />
können. Vor allem aber braucht es eine<br />
Unterkunft im Fürstentum – eine Bedingung<br />
also, die wiederum den Immobilienmarkt<br />
des zweitkleinsten Landes der Welt<br />
boomen und die Wirtschaft florieren lässt.<br />
»Es ist ein verrückter Markt«, brachte es<br />
Pierre Vaquier, CEO von Axa Real Estate Investment<br />
Managers, bereits im Jahr 2014<br />
auf den Punkt. »Man kauft dort nicht nur<br />
wegen des Umfelds, sondern auch wegen<br />
des Steuerrechts.«<br />
Der Erhalt von staatlichen Begünstigungen<br />
– er ist ein Ziel, für dessen Erreichen<br />
Geld freilich keine Rolle zu spielen<br />
scheint: Denn wer finanziell so gut aufgestellt<br />
ist, dass er den Lebensmittelpunkt<br />
nach Monaco verlagern kann, dem ist es<br />
auch möglich, die stetig steigenden Immobilienpreise<br />
zu zahlen. Anders als in<br />
Deutschland, wo ein Quadratmeterpreis<br />
von zwanzig Euro nach Aussage des Vonovia-Vorstands<br />
bereits völlig unrealistisch<br />
erscheint, ist die Zahlungsfähigkeit von<br />
Monacos Bevölkerung noch lange nicht<br />
erschöpft; das macht die Entwicklung der<br />
Immobilienpreise deutlich: Um 180 Prozent<br />
seien diese in den vergangenen zehn<br />
Jahren gestiegen, hieß es in einer Untersuchung<br />
der Immobilienberatung »savills«<br />
aus dem Jahr 2017.<br />
IMMOBILIEN – EIN KOSTBARES GUT<br />
IM ZWERGSTAAT MONACO<br />
Dass die Immobilienbranche Monacos<br />
floriert, während sie in weiten Teilen<br />
»Mein Traum ist es,<br />
ein Haus in Monaco<br />
mein Eigen zu nennen.«<br />
– Eva Herzigova<br />
8 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Titelstory<br />
Für das 2,5-Milliarden-<br />
Dollar-Projekt »Mareterra«<br />
der monegassischen Regierung<br />
sind vor der Küste<br />
430.000 Tonnen Sand<br />
aufgeschüttet worden,<br />
um lukratives Land zu<br />
gewinnen.<br />
Eine weitere Expansion<br />
des Immobilienbestandes<br />
in dem Zwergstaat ist das<br />
staatliche und private<br />
Projekt »Testimonio II«,<br />
das derzeit auf dem<br />
letzten freien Grundstück<br />
entsteht.<br />
Bilder: IMAGO / Starface (Frank Castel/MPP STAR) / Peter Seyfferth<br />
Europas unter der Last von steigenden<br />
Produktionskosten ächzt, ist also in erster<br />
Linie ihren einzigartigen geografischen<br />
Voraussetzungen geschuldet, die<br />
anderswo in Europa nicht nachahmbar<br />
sind. Forciert wird dies durch die kluge<br />
Wirtschaftspolitik, welche durch steuerliche<br />
Begünstigungen eine zahlungskräftige<br />
Klientel anzieht, die Möglichkeit<br />
zur Zuwanderung an eine bestimmte<br />
Vermögenshöhe knüpft und damit den<br />
Wettbewerb um ihren Immobiliensektor<br />
noch künstlich verschärft.<br />
Das weckt auch Begehrlichkeiten. »Mein<br />
Traum ist es, ein Haus in Monaco mein Eigen<br />
zu nennen«, soll das ehemalige Topmodel<br />
Eva Herzigova zum Beispiel einst<br />
gesagt haben. Verständlich, geht es doch<br />
den meisten Menschen, die nach Monaco<br />
ziehen, um weit mehr als nur den Hausbesitz.<br />
Damit diese auch zukünftig in das<br />
»Manhattan am Mittelmeer« strömen<br />
werden und mit ihrer Kaufkraft die Wirtschaft<br />
des Landes zu befeuern vermögen,<br />
stellt der Zwergstaat bereits jetzt die Weichen<br />
für eine lukrative Zukunft: Für das<br />
2,5-Milliarden-Dollar-Projekt »Mareterra«<br />
der monegassischen Regierung sind<br />
vor der Küste 430.000 Tonnen Sand aufgeschüttet<br />
worden, um lukratives Land<br />
zu gewinnen. Laut eines Berichtes der<br />
»Berliner Morgenpost« werde eine neue<br />
Fläche in einer Größe von sechs Hektar<br />
geschaffen, um Platz für Immobilien zu<br />
bieten. 15 Luxuswohnhäuser, 14 Villen,<br />
ein Shopping-Center und ein Yachthafen<br />
sollen darauf entstehen, so die Planung,<br />
die eine Fertigstellung bereits im<br />
kommenden Jahr vorsieht. Eine weitere<br />
Expansion des Immobilienbestandes in<br />
dem Zwergstaat ist das staatliche und<br />
private Projekt »Testimonio II«, das derzeit<br />
auf dem letzten freien Grundstück<br />
entsteht. Zwei Wohntürme mit 25 und<br />
30 Stockwerken bieten unter vertikaler<br />
Ausrichtung des beschränkten Platzes<br />
noch einmal 336 Wohnungen. Diese<br />
neuen Projekte sind erwartungsgemäß<br />
auf Luxus ausgerichtet und werden<br />
ihre Käufer finden. Senken wird dieser<br />
Zuwachs an Immobilien die Quadratmeterpreise<br />
im begehrten Fürstentum<br />
voraussichtlich nicht; sind doch durch<br />
die künstliche Beschaffung von Bauland<br />
Kosten entstanden, die es jetzt wieder<br />
zu decken gilt. Und Eva Herzigova bekommt<br />
vielleicht noch eine Chance, ihren<br />
Traum vom monegassischen Eigenheim<br />
zu erfüllen.<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
9
Märkte<br />
ACATIS Investment CEO<br />
Dr. Hendrik Leber.<br />
KI-Fonds<br />
besser als<br />
MSCI World<br />
10 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Märkte<br />
Bilder: IMAGO / Mattias Christ, Depositphotos / phonlamai, ACATIS Investment KVG mbH<br />
Künstliche Intelligenz wird unser<br />
Leben verändern, so viel ist<br />
schon lange klar. Mit der Open<br />
AI Software ChatGPT hat das<br />
Thema aber eine völlig neue Dynamik<br />
bekommen. Kann die KI aber auch<br />
die besseren Aktien finden als ein erfahrener<br />
Investor? Dr. Hendrik Leber, Gründer<br />
und Geschäftsführer der Fondsgesellschaft<br />
ACATIS Investment, war hiervon schon vor<br />
mehr als sieben Jahren überzeugt. Er holte<br />
in sein Portfoliomanagementteam den<br />
Mathematiker Kevin Endler und den Physiker<br />
Dr. Eric Endreß, um KI-Werkzeuge zu<br />
entwickeln, die bessere Value-Investoren<br />
sein würden, als er selbst es ist. Lebers<br />
intellektuelles Vorbild ist Warren Buffett.<br />
Endler und Endreß sollten insofern den<br />
künstlichen Warren Buffett entwickeln.<br />
BIS BELASTBARE GUTE ERGEBNISSE<br />
ENSTANDEN, DAUERTE ES EINE ZEIT<br />
Gute zwei Jahre haben Endler und Endreß<br />
gemeinsam mit dem auf die Entwicklung<br />
von KI-Modellen spezialisierten Institut<br />
NNAISENSE aus der Schweiz geforscht,<br />
ohne nachhaltig Outperformance zu erzielen.<br />
Die KI erkennt die Zusammenhänge<br />
eigenständig, hat aber auch nur die<br />
Zahlen zur Verfügung, die man ihr gibt.<br />
Herauszufinden, welche das sein mussten,<br />
dauerte eine Zeit. 57 unterschiedliche<br />
Kennzahlen pro Unternehmen blieben am<br />
Ende übrig. Seit der letzten großen Adjustierung<br />
im Sommer 2019 läuft der Fonds<br />
nun stabil über der Benchmark und das<br />
unter besonders schweren Bedingungen.<br />
DIE OUTPERFORMANCE IST<br />
KEIN ZUFALLSPRODUKT<br />
Um sich selbst nicht auf den Holzweg zu<br />
führen, haben sich Endler und Endreß<br />
sehr harte Maßstäbe angelegt. Aus einem<br />
Universum von 6.000 Aktien bauten Sie<br />
ein Portfolio von 50 Aktien zusammen,<br />
das die Sektoren exakt genauso stark gewichtet<br />
wie in der Benchmark. Es gibt<br />
nur eine Ausnahme: den Finanz- und Immobiliensektor.<br />
Dessen Bilanzen sind generell<br />
schwer zu analysieren und die auf<br />
normale Unternehmen trainierte KI lässt<br />
sich hierauf nicht anwenden. Die exakte<br />
Gleichgewichtung der Sektoren, beziehungsweise<br />
Branchen, ist extrem wichtig,<br />
um nicht zufällig eine Outperformance<br />
zu erzielen, die längerfristig keine sein<br />
wird. Laufen zum Beispiel gewisse Sektoren<br />
deutlich besser als andere oder der<br />
Gesamtmarkt – wie beispielsweise 2022<br />
Ölwerte und Banken –, dann erzielt man<br />
allein durch die höhere Sektorgewichtung<br />
eine Outperformance. Diese sagt<br />
dann aber nichts darüber aus, ob die KI<br />
tatsächlich innerhalb eines Sektors in der<br />
Lage ist, die besseren Aktien auszusuchen<br />
als die, die im Index enthalten sind. Da<br />
bei Endler und Endreß die Sektoren aber<br />
Kann die KI aber auch die besseren<br />
Aktien finden als ein erfahrener Investor?<br />
das gleiche Gewicht haben, bedeutet dies<br />
automatisch, dass sie im Durchschnitt in<br />
der Selektion besser sind als der Index.<br />
Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Seit<br />
Sommer 2019 bis jetzt – also bis zum<br />
11. Juli 20<strong>23</strong> – stehen satte 17,8 Prozent<br />
Outperformance gegenüber dem MSCI<br />
World Net Total Return zu Buche.<br />
Besonders in diesem Jahr zeigt die KI ihre<br />
Stärke. Bekanntermaßen haben seit Jahresbeginn<br />
nur wenige Schwergewichte die<br />
großen Indizes der Kurse nach oben gezogen.<br />
Das war in den USA extrem, doch<br />
auch in Europa und damit weltweit zu<br />
beobachten. Während die 3 Prozent größten<br />
Werte 68 Prozent der Performance im<br />
MSCI World erwirtschaftet haben, liegt<br />
der AI Global Equities, obwohl er die Werte<br />
nahezu gleich gewichtete (zwischen 1,5<br />
und 2,5 Prozent), keinen davon überhaupt<br />
hatte und alle Werte dem Mid/Small zuzurechnen<br />
sind, sogar fast gleichauf mit dem<br />
MSCI World Index.<br />
DIE KÜNSTLICHE INTELLIGENZ FINDET<br />
DIE UNENTDECKTEN PERLEN<br />
Da die KI nicht beeinflusst ist von strahlenden<br />
Namen wie den großen Technologieaktien<br />
oder weltberühmten Marken<br />
wie Louis Vuitton oder Coca-Cola, wundert<br />
es auch nicht, dass viele Titel im KI-<br />
Fonds im aktiven Portfoliomanagement<br />
von ACATIS niemand kennt bzw. kannte.<br />
Unter den aktuellen Top-Ten-Positionen<br />
befinden sich Unternehmen wie Mueller<br />
Water Products, Cotys, Elekta, Tri Pointe<br />
Group und Dentsply Sirona. Oft sind diese<br />
noch nicht so groß, dass es irgendwelches<br />
Broker Research gäbe. Daher sind sie oft<br />
unentdeckt. Die Stärke der KI ist es, diese<br />
gewissen Trends und Zusammenhänge im<br />
Zahlenwerk zu entdecken.<br />
Und was macht Leber? Setzt er sich zur<br />
Ruhe und überlässt zukünftig nur noch der<br />
KI die Aktienauswahl? Ein Problem damit,<br />
dass sie ihn die letzten drei Jahre geschlagen<br />
hat, hat er überhaupt nicht. Schließlich<br />
war er es, der der Überzeugung war,<br />
dass die KI in der Lage sein kann, einem<br />
menschlichen Investor überlegen zu sein<br />
– so, wie der Schachcomputer die besten<br />
Schachspieler schlagen kann.<br />
Der Autor<br />
Stefan Riße ist ein gefragter Börsenjournalist<br />
und Buchautor. Seit etwa fünf Jahren ist<br />
er darüber hinaus als Kapitalmarktstratege<br />
bei ACATIS Investment tätig.<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
11
Rubrik Wissen<br />
Eine kleine<br />
Geschichte<br />
der Inflation<br />
Auszug aus dem Buch »Die Inflation von 19<strong>23</strong>« von Frank Stocker<br />
12 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Wissen<br />
Bilder: Depositphotos-SergPoznanskiy, IMAGO / Lem<br />
Was ist Geld? Man kann<br />
sich der Antwort auf<br />
diese Frage auf verschiedenen<br />
Wegen nähern,<br />
philosophisch, kulturell<br />
oder politisch. Ökonomisch gesehen hat<br />
Geld grundsätzlich drei Funktionen. Zum<br />
einen dient es natürlich als Zahlungsmittel,<br />
das ist die ursprünglichste Funktion.<br />
Eine bestimmte Menge Geld wird im<br />
Tausch gegen ein Produkt abgegeben.<br />
Zum Zweiten wird Geld als Recheneinheit<br />
und Wertmaß genutzt. Der Betrag,<br />
den etwas kostet, drückt aus, für wie<br />
wertvoll eine Gesellschaft ein Gut hält,<br />
insbesondere auch im Vergleich zu anderen<br />
Gütern. Und schließlich dient Geld<br />
drittens als Wertaufbewahrungsmittel.<br />
Man kann mit Geld Ersparnisse anlegen<br />
und so für schlechtere Zeiten oder für<br />
größere Anschaffungen vorsorgen. Für<br />
diese drei Zwecke haben Menschen in<br />
früheren Kulturen unterschiedliche Dinge<br />
genutzt, beispielsweise Tierfelle – daher<br />
kommt der Name der kroatischen Währung<br />
Kuna, zu Deutsch »Marder«. In der<br />
Südsee wurden auch große, runde Steine<br />
genutzt, in anderen Gefilden Kauri-Muscheln.<br />
Aber die bekannteste Geldform<br />
waren über Jahrhunderte Münzen aus<br />
Gold oder Silber. Banknoten dagegen<br />
sind eine relativ junge Erfindung. In China<br />
gab es sie schon etwas früher, Marco<br />
Polo soll 1276 schon kaiserliche Geldscheine<br />
aus Papier in Händen gehalten<br />
haben. In Europa kamen sie erst im 16.<br />
und 17. Jahrhundert auf. Ursprünglich<br />
gaben Banken damals Quittungen für<br />
eingezahlte Münzen aus. Irgendwann begannen<br />
die Menschen, diese Quittungen<br />
untereinander zur Bezahlung auszutauschen,<br />
anstatt die schweren Münzen herumzuschleppen.<br />
Erst im 19. Jahrhundert<br />
jedoch, mit der Industrialisierung und<br />
dem rasanten Wachstum der Volkswirtschaften,<br />
wurden Banknoten ein allgemein<br />
akzeptiertes Zahlungsmittel – aber<br />
eben auch Wertaufbewahrungsmittel.<br />
Dies war deshalb möglich, weil die Banknoten<br />
weiterhin jederzeit in eine entsprechende<br />
Menge Gold oder gegebenenfalls<br />
in andere Wertträger eingetauscht<br />
werden konnten. Das Papier selbst, die<br />
Banknote, war ja praktisch nichts wert,<br />
es war einfach nur ein Stück Papier. Aber<br />
durch das Vertrauen, dass dieses Papier<br />
einem Wert entspricht, konnte die Banknote<br />
zum Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel<br />
werden. Umgekehrt gilt:<br />
Sobald das Vertrauen verschwindet, dass<br />
die Banknoten gegen einen realen Wert<br />
eingetauscht werden können, sind die<br />
Schein einfach nur noch das, was sie sind:<br />
ein Stück Papier. Der Wert einer Banknote<br />
steht und fällt also mit dem Vertrauen<br />
derer, die sie nutzen. Wenn dieses Vertrauen<br />
einmal angeknackst ist, dann ist<br />
es sehr schwer, es wiederherzustellen.<br />
Und genau in einer solchen Lage war<br />
die deutsche Währung nun im Sommer<br />
1922. Das Vertrauen in die Mark war ohnehin<br />
schon angeknackst, aufgrund des<br />
stetigen Wertverlusts in den Jahren zuvor.<br />
Doch immer noch gab es in weiten Teilen<br />
der Bevölkerung und unter Investoren am<br />
Devisenmarkt Hoffnung. Doch mit dem<br />
Mord an Walther Rathenau verschwand<br />
der Glaube an eine Genesung der Finanzen<br />
der Weimarer Republik. Das Vertrauen<br />
in die Währung brach völlig weg, und<br />
damit begann nun eine völlig neue Phase<br />
der Inflation. Genau in jener Zeit, im<br />
Herbst 1922, kam der katalanische Journalist<br />
Eugeni Xammar nach Deutschland,<br />
um von hier in die Heimat zu berichten.<br />
In einer seiner ersten Reportagen konnte<br />
er die Lage, in der er das Land vorfand,<br />
noch kaum verstehen:<br />
»Es ist unbegreiflich: Deutschland fehlt<br />
es an nichts, was den Reichtum eines<br />
Landes ausmacht, im Gegenteil: Es hat<br />
erfahrene Landwirte, die noch den magersten<br />
Böden etwas abzugewinnen verstehen,<br />
eine bewundernswert moderne<br />
Industrie, reichhaltige Kohleminen, eine<br />
unvergleichliche Technik und ein perfekt<br />
funktionierendes Verkehrsnetz. Und all<br />
dieser Reichtum wird von nichts weiter<br />
repräsentiert als von einem Berg Papier,<br />
der von Tag zu Tag wächst und umso weniger<br />
wert ist, je mehr er wächst.«<br />
Dieses Papier wurde zwar weiterhin als<br />
Zahlungsmittel eingesetzt, mangels Alternativen.<br />
Doch ihre Funktion als Wertaufbewahrungsmittel<br />
hatte die Mark<br />
inzwischen verloren. Niemand wollte<br />
sie daher mehr auf seinem Sparkonto<br />
haben, aber auch nicht einmal mehr in<br />
seinem Portemonnaie. Jeder wollte sich<br />
so schnell wie möglich von den Scheinen<br />
trennen, wann immer ihm welche in<br />
die Hände fielen, sei es als Händler oder<br />
als Lohnempfänger. Das hatte zur Folge,<br />
dass alle nur noch darüber redeten, wie<br />
und wo es etwas zu kaufen gab, wofür<br />
Die bekannteste Geldform waren über<br />
Jahrhunderte Münzen aus Gold oder<br />
Silber. Banknoten dagegen sind eine<br />
relativ junge Erfindung.<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
13
Wissen<br />
man das Geld ausgeben konnte, schrieb<br />
Xammar. Dadurch, dass jeder die Banknoten<br />
stets so schnell wie möglich wieder<br />
loswerden wollte, wechselten diese<br />
immer schneller ihren Besitzer, sprich, die<br />
Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöhte<br />
sich rasant. Vom Ende des Krieges<br />
bis 1922 hatte sich die Umlaufgeschwindigkeit<br />
bereits stetig erhöht, nun ging es<br />
noch schneller. Das jedoch, die Umlaufgeschwindigkeit<br />
von Geld, ist der entscheidende<br />
Faktor, der Inflation erzeugt,<br />
nicht die Geldmenge selbst. So entsteht<br />
beispielsweise in Europa und den USA<br />
Butter muss 1922 unter<br />
Polizeischutz verkauft werden.<br />
derzeit keine Hyperinflation, obwohl die<br />
Notenbanken ohne Ende Geld drucken.<br />
Denn die Umlaufgeschwindigkeit hat sich<br />
in den vergangenen Jahren nicht erhöht,<br />
im Gegenteil, sie ist sogar zurückgegangen.<br />
Die Menschen vertrauen weiterhin<br />
auf die Wertaufbewahrungsfunktion ihrer<br />
Währungen, sie horten das Geld daher.<br />
Das war 1922 ganz anders. Das Vertrauen<br />
in die Mark als Wertspeicher war mit<br />
Rathenaus Tod endgültig dahin. Niemand<br />
wollte die Banknoten mehr behalten, die<br />
Umlaufgeschwindigkeit stieg rapide, und<br />
das katapultierte die Inflation jetzt, im<br />
zweiten Halbjahr des Jahres 1922, in eine<br />
neue Dimension. So hatten sich die Preise<br />
im ersten Halbjahr 1922 insgesamt in etwa<br />
verdoppelt. Im zweiten Halbjahr stiegen<br />
sie nun jedoch um das Sechzehnfache. Im<br />
August 1922 überstieg die Inflationsrate<br />
die Marke von 50 Prozent – pro Monat!<br />
Nach einer gängigen Definition war damit<br />
der Bereich der Hyperinflation erreicht. In<br />
der Praxis hieß das: Ein Roggenbrot, das<br />
im Juni 1922 in Berlin für 8,15 Mark zu<br />
haben war, kostete Ende 1922 rund 163<br />
Mark. Der Kartoffelpreis vervierfachte sich<br />
dagegen »nur«, von 4,05 auf 16,65 Mark.<br />
Dafür stieg der Preis für ein Kilo Bauchfleisch<br />
vom Schwein von 1<strong>23</strong> auf 1.880<br />
Mark, Butter verteuerte sich sogar von<br />
144 auf 3.050 Mark je Kilo und für ein<br />
Ei mussten statt 5,40 Mark nun 82 Mark<br />
bezahlt werden. Die konkreten Preise machen<br />
es ein wenig anschaulicher, wie die<br />
Inflation um sich griff. Richtig plastisch<br />
wird es aber erst durch die Berichte von<br />
Zeitzeugen. Ein solcher war August Heinrich<br />
von der Ohe. Er war 1869 als Sohn<br />
eines Schäfers in einem kleinen Ort bei<br />
Uelzen geboren worden. Viele Jahre arbeitete<br />
er als Lehrer und Kantor, ab 1921 in<br />
Marmstorf bei Hamburg, und führte Tagebuch.<br />
Darin hielt er in den Inflationsjahren<br />
penibel seine Ausgaben fest und notierte<br />
im Juli 1922: »Um 10 Uhr kam ein Händler<br />
und bot drei Anzugstoffe für 4.200 Mark<br />
an. Ich habe 1.000 Mark abgehandelt, bot<br />
erst 3.000, nachher 3.200 Mark; dafür<br />
habe ich sie bekommen.« Er erhielt also<br />
Stoff für drei Anzüge für 3.200 Mark. Die<br />
Die letzten Tage der Inflation von 19<strong>23</strong>: In einer<br />
Bank kommen die Menschen mit Körben voller<br />
Banknoten an, die nichts mehr wert sind.<br />
» [...] und all dieser<br />
Reichtum wird<br />
von nichts weiter<br />
repräsentiert als<br />
von einem Berg<br />
Papier, der von<br />
Tag zu Tag wächst<br />
und umso weniger<br />
wert ist, je mehr er<br />
wächst.«<br />
– Eugeni Xammar<br />
14 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Wissen<br />
Bilder: IMAGO / KHARBINE-TAPABOR / United Archives International, Cover: FinanzBuch Verlag<br />
brauchte er für seinen Beruf dringend. Nur<br />
einen Monat später schrieb er, dass ein<br />
Anzug nun 6.000 Mark koste. »Die Preise<br />
stiegen in wenigen Tagen schwindelhaft.<br />
Und im Dezember war das Preisniveau<br />
schon wieder komplett anders: Ich kaufte<br />
in Celle ein Paar Stiefel für 7.980 Mark.«<br />
Von der Ohe berichtet auch von einem<br />
Gespräch mit einem Musiklehrer. »Er<br />
meinte, wenn wir doch nur erst bankrott<br />
machten. Dann könnten wir doch von<br />
vorne anfangen. Aber so wüsste man<br />
nicht, was man tun sollte. Wenn er etwas<br />
Geld habe, kaufe er sich Bilder oder sonst<br />
etwas. Ich riet ihm, Aktien zu kaufen. Er<br />
meinte, das sei auch unsicher.«<br />
Hier zeigt sich, wen eine Inflation stets<br />
am meisten trifft: jene Teile der Mittelschicht,<br />
die über kleine Ersparnisse verfügen,<br />
die obere Mittelschicht also, zu der<br />
von der Ohe als Beamter gehörte. Diese<br />
Menschen spekulieren selten mit Aktien,<br />
und schon gar nicht besitzen sie ganze Fabriken,<br />
deren Wert mit den Preisen steigt.<br />
Andererseits leben sie aber auch nicht von<br />
der Hand in den Mund, wie die untere<br />
Mittelschicht oder gar die Unterschicht,<br />
also zu jener Zeit vor allem die Arbeiter.<br />
Diesen machten die steigenden Preise<br />
weniger aus, da ihr Gehalt weitgehend<br />
parallel stieg und sie dieses Geld sowieso<br />
schnell und komplett ausgaben. Andererseits<br />
gab es aber auch jene, die von der<br />
sich immer schneller drehenden Preisspirale<br />
profitierten. Das waren einerseits oft<br />
Unternehmer und Spekulanten, die auf<br />
Kredit expandierten und die die Darlehen<br />
im Nullkommanichts mit entwertetem<br />
Papiergeld zurückzahlen konnten. Andererseits<br />
waren das aber auch Privatleute,<br />
die früh erkannten, wohin sich die Dinge<br />
entwickelten, und entsprechend handelten.<br />
Ein späterer Harvard-Professor war<br />
im Frühjahr 1922 aus Deutschland in die<br />
Niederlande gegangen. Er erinnert sich<br />
den Aufzeichnungen des amerikanischen<br />
Publizisten Otto Friedrich zufolge so:<br />
»In den Kohlegruben bei Limburg fand<br />
ich Arbeit. Wir arbeiteten ganz unten,<br />
»Die Inflation von 19<strong>23</strong>«<br />
von Frank Stocker<br />
368 Seiten<br />
Erschienen: August 2022<br />
FinanzBuch Verlag<br />
ISBN: 978-3-95972-564-4<br />
auf der Sohle der Mine, und hackten mit<br />
Spitzhacken, was wir konnten. Es war<br />
ungeheuer heiß, um die vierzig Grad,<br />
und staubig, aber am Ende der Frühlingsferien<br />
hatte ich fünfzig Gulden zusammengespart<br />
und dachte darüber nach,<br />
wie ich der Inflation ein Schnippchen<br />
schlagen könnte. Ich benutzte die Gulden<br />
als Sicherheit für einen kurzfristigen<br />
Bankkredit, den ich mit den abgewerteten<br />
Märkern zurückzahlte. Dann nahm<br />
Der deutsche Außenminister<br />
Dr. Walther Rathenau zwei Monate<br />
vor seiner Ermordung, im Jahr 1922.<br />
Mit dem Mord an Walther Rathenau<br />
verschwand der Glaube an eine Genesung<br />
der Finanzen der Weimarer Republik.<br />
Das Vertrauen in die Währung<br />
brach völlig weg, und damit begann nun<br />
eine völlig neue Phase der Inflation.<br />
ich einen neuen Kredit auf. Auf diese<br />
Weise finanzierte ich mir ein ganzes Semester<br />
in Heidelberg und hatte am Ende<br />
immer noch dieselben fünfzig Gulden.«<br />
Auch die Eltern des Journalisten Rudolf<br />
Pörtner hatten anfänglich zu den Profiteuren<br />
der Inflation gehört:<br />
»Das Ehepaar Pörtner hatte sich 1922<br />
kurzfristig entschlossen, ein im Entstehen<br />
begriffenes Haus in der Melberger Kronprinzenstraße,<br />
auf der Westseite von Bad<br />
Oeynhausen, zu kaufen, Kostenpunkt:<br />
800.000 Mark. Als wir am 1. April 19<strong>23</strong><br />
einzogen, war das ein Betrag, der selbst<br />
sensible Gemüter nicht mehr zu beunruhigen<br />
vermochte. Ein Griff in die Westentasche<br />
genügte, alle Verbindlichkeiten<br />
einschließlich der hypothekarischen Eintragungen<br />
aus der Welt zu schaffen.«<br />
Das Problem der Pörtners: Das Haus war<br />
noch nicht ganz fertig. Um es vollenden<br />
zu können, musste die Familie noch etwas<br />
sparen. Doch in Papiermark war das<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
15
Wissen<br />
unmöglich. Der einzige Ausweg bestand<br />
darin, Mark in Devisen zu tauschen, vor<br />
allem in Dollar und britische Pfund. Genau<br />
das taten immer mehr Menschen. Doch<br />
das führte nur zu einer Verschärfung der<br />
Lage. Denn dadurch verfiel die Mark am<br />
Devisenmarkt immer weiter. So hatte der<br />
Dollarkurs im Juni 1922 noch bei 317<br />
Mark gestanden, im August kletterte er<br />
schon auf über 1.000 Mark – ein Jahr zuvor,<br />
im August 1921, nach dem Mord an<br />
Erzberger, hatte er erst die Marke von 100<br />
Mark überschritten. Natürlich beschäftigte<br />
dies auch die Regierung. Schon im Juli<br />
1922 debattierte das Kabinett über den<br />
Markverfall, im August legte Wirtschaftsminister<br />
Robert Schmidt (SPD) einen Plan<br />
vor, wie seiner Ansicht nach der Marksturz<br />
aufgehalten werden könnte.<br />
So sollte zum einen die Einfuhr von<br />
Luxuswaren und Tabak eingeschränkt<br />
werden, um die Handelsbilanz aufzubessern.<br />
Denn Deutschland führte in<br />
den Jahren nach dem Krieg meist weit<br />
mehr ein als es ausführte. Dadurch floss<br />
Geld ab, was den Kurs der Mark an den<br />
Devisenbörsen belastete. Zum anderen<br />
sollte die Devisenspekulation selbst eingedämmt<br />
werden. Doch man wollte zunächst<br />
noch nichts entscheiden. Denn<br />
wieder mal hoffte die Regierung auf die<br />
Hilfe der Alliierten. London hatte im Juli,<br />
nach dem ersten dramatischen Fall der<br />
Mark, der deutschen Regierung gegenüber<br />
angedeutet, dass sie jetzt gute<br />
Chancen auf ein weiteres Moratorium<br />
habe, also eine vorübergehende komplette<br />
Einstellung aller Reparationszahlungen.<br />
Am 12. Juli schrieb Berlin daher<br />
an die Reparationskommission:<br />
Gustav Stresemann, 19<strong>23</strong><br />
Mitte Oktober lag der Kurs bei knapp<br />
3.000 Mark je Dollar. Nun raffte sich<br />
die Regierung endlich auf, zu handeln.<br />
Und sie bekam dafür sogar Unterstützung<br />
von unerwarteter Seite, von dem<br />
neuen starken Mann im Berliner Politikbetrieb:<br />
Gustav Stresemann.<br />
»Die Deutsche Regierung stellt daher im<br />
Hinblick auf Artikel <strong>23</strong>4 des Vertrages von<br />
Versailles den Antrag, ihr die nach der<br />
genannten Entscheidung während des<br />
Kalenderjahres 1922 noch fällige Barzahlungen<br />
zu stunden. (…) Die Deutsche Regierung<br />
ist sich nicht im Zweifel darüber,<br />
daß zur Wiederherstellung des Markkurses<br />
alsbaldige Maßnahmen erforderlich<br />
sind, die über das Jahr 1922 hinausreichen,<br />
und sie hält es daher für unerläßlich,<br />
daß Deutschland auch für die Jahre 19<strong>23</strong><br />
und 1924 von Barzahlungen aus dem Zahlungsplan<br />
vom 5.5.1921 befreit wird.«<br />
Doch Berlin hatte die Rechnung ohne<br />
den französischen Präsidenten Poincaré<br />
gemacht. Dieser dachte nicht im Traum<br />
daran, dem deutschen Ersuchen nachzukommen.<br />
Entsprechend wirsch schrieb er<br />
Anfang August nach Berlin:<br />
»Die Regierung der Republik hat ihnen<br />
bereits mitgeteilt, daß sie nicht die Absicht<br />
hat, Änderungen im Sinne der<br />
16 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Buchtipps Rubrik<br />
Bilder: IMAGO / United Archives International<br />
deutschen Note vom 14.7. vorzunehmen.<br />
Die Regierung der Republik hat also<br />
ein Recht zu verlangen, daß innerhalb<br />
der in meiner Note vom 26.7. angegebenen<br />
Frist, d. h. vor dem 5.8. 12 Uhr<br />
mittags, die Zusicherung gegeben wird,<br />
daß, bis die unerlässliche Einstimmigkeit<br />
über jede Abänderung erlangt sein kann,<br />
das Abkommen vom 10.6.1921 genau<br />
zur Ausführung gelangt, und daß Besonders<br />
die Pauschalsumme von 2 Mio.<br />
Pfund Sterling am 15.8. bezahlt wird. Erfolgt<br />
diese Zusicherung nicht, so hat die<br />
französische Regierung das Recht, zur<br />
Sicherung der Ausführung des bestehenden<br />
Abkommens die Zwangsmaßregeln<br />
zu ergreifen, die sie im Interesse ihrer<br />
eigenen Staatsangehörigen wie der Angehörigen<br />
der übrigen unterzeichneten<br />
alliierten Staaten für nötig erachtet. Diese<br />
Maßnahmen werden, wie ich bereits<br />
mitgeteilt habe, ab 5.8. zur Ausführung<br />
gebracht und die Regierung der Republik<br />
glaubt nicht, schon jetzt den Plan bekannt<br />
geben zu können, der hierfür vollständig<br />
ausgearbeitet ist.«<br />
Es war eine unverhohlene Drohung mit Gewalt.<br />
Und um dies zu unterstreichen, ließ<br />
Poincaré wenige Tage danach 500 deutsche<br />
Staatsangehörige aus Elsass-Lothringen<br />
ausweisen. Außerdem drohte er mit<br />
einer Besetzung des Ruhrgebiets durch<br />
französische Truppen. In Berlin griff nun<br />
Verzweiflung um sich. Noch vor wenigen<br />
Wochen, vor der Ermordung Rathenaus,<br />
war man dort guten Mutes gewesen, hatte<br />
Hoffnung geschöpft. Nun blickte das<br />
Land wieder in den Abgrund. Die Regierung<br />
diskutierte zwar diverse Ideen, wie<br />
das Geld für die fälligen Reparationszahlungen<br />
aufzutreiben wäre. Doch sie kam<br />
zu keinen Entscheidungen, zerstritt sich<br />
zunehmend. Wie gelähmt blickte sie auf<br />
die abstürzende Mark. Mitte September<br />
lag der Dollarkurs bei 1.500 Mark. Immerhin<br />
gelang es Ende September nach<br />
komplizierten Verhandlungen, einen Weg<br />
zu finden, wie eine fällige Rate an Belgien<br />
gezahlt werden konnte. De facto wurde<br />
dafür das Gold der Reichsbank verpfändet.<br />
Das bestritt diese zwar, ein Vertrag<br />
mit der Bank of England bewahre sie davor,<br />
hieß es. Der sei allerdings geheim, was<br />
das nicht gerade glaubwürdiger machte.<br />
Doch ohnehin brachte das keine Erleichterung.<br />
Denn schon wenige Wochen später<br />
drohten die nächsten Raten, und für ein<br />
dauerhaftes Moratorium gab es keinerlei<br />
Chancen. Daher stürzte die Mark unvermindert<br />
weiter ab. Mitte Oktober lag der<br />
Kurs bei knapp 3.000 Mark je Dollar. Nun<br />
raffte sich die Regierung endlich auf, zu<br />
handeln. Und sie bekam dafür sogar Unterstützung<br />
von unerwarteter Seite, von<br />
dem neuen starken Mann im Berliner Politikbetrieb:<br />
Gustav Stresemann.<br />
Das einzige Buch,<br />
das Du über Finanzen lesen solltest<br />
von Thomas Kehl und Mona Linke<br />
288 Seiten, erschienen: Januar 2022<br />
Ullstein Taschenbuch<br />
ISBN: 978-3-54806-584-7<br />
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ETFs passiv ein Vermögen aufbauen kannst und wie das genau<br />
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von Dr. Markus Elsässer<br />
224 Seiten, erschienen: September 2020<br />
FinanzBuch Verlag<br />
ISBN: 978-3-959-7<strong>23</strong>25-1<br />
von Mike Hager<br />
336 Seiten, erschienen: März 20<strong>23</strong><br />
FinanzBuch Verlag<br />
ISBN: 978-3-959-72667-2<br />
Die orange Pille<br />
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256 Seiten, erschienen: März 20<strong>23</strong><br />
dtv<br />
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Kenntnisreich und mit Leidenschaft schildert Mangold, wie<br />
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und weswegen es sich dabei nicht lediglich um eine<br />
digitale Währung handelt, sondern um ein Freiheits- und<br />
Gerechtigkeitssystem.<br />
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musste, die den Unterschied ausmachen.<br />
Erfolgreich wissenschaftlich investieren<br />
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haben sollten. Dafür zeigt Andreas Beck eindrucksvoll, wie<br />
Wirtschaft und Finanzmarkt auf globaler Ebene zusammenhängen<br />
und warum der weltweite Kapitalismus trotz aller<br />
Krisen ein ultrastabiles System darstellt.<br />
Inside NFT: Stars, Storys, Strategien<br />
Bestsellerautor Mike Hager legt nach. Im Anschluss an seinen<br />
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SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
17
Wissen<br />
Vermögen für die<br />
nächste Generation?<br />
Warum die Nachlassplanung so wichtig ist<br />
Wir leben in der Zeit von<br />
Erben und Erblassern.<br />
Noch nie war die Erbengeneration<br />
in Deutschland<br />
vermögender als<br />
heute. Auch die Zahl der Millionäre<br />
durch Unternehmensverkäufe wächst<br />
ständig an. Diese Familien, gerne auch<br />
»Best Ager« bzw. die »Generation 50«<br />
genannt, sind vermögende Menschen<br />
im gesetzteren Alter, die unter Umständen<br />
selbst geerbt haben, aber zumindest<br />
zukünftig vererben werden.<br />
Den allermeisten Verbrauchern ist der<br />
Begriff »Best Ager« eher unbekannt.<br />
Aber welche Herausforderungen stellt<br />
sich diese Klientel Tag für Tag? Vermögen<br />
aufbauen, ja gewiss! Vielmehr aber<br />
gilt es, Vermögen zu sichern und Werte<br />
auf die nächste Generation zu übertragen,<br />
beziehungsweise bei kinderlosen<br />
Paaren auch zu stiften – und zwar sinnvoll,<br />
nachhaltig und steueroptimiert. Die<br />
allermeisten Berater knicken bereits auf<br />
dem Weg der Vermögenssicherung ein<br />
und empfehlen standardisierte Produkte<br />
aus dem Banken-, Investment- oder Beteiligungsbereich.<br />
Ist damit wirklich vermögenden<br />
Menschen und Familien geholfen?<br />
Die Antwort lautet klar »Nein!«.<br />
ESTATE PLANNING: DAS RICHTIGE<br />
VORGEHEN IST ENTSCHEIDEND<br />
Das sogenannte »Estate Planning«, die<br />
Nachlassplanung also, ist als qualifizierter<br />
Einstieg unabdingbar. Dabei handelt<br />
es sich um die hochqualifizierte, vollumfängliche<br />
und in unterschiedlichen Facetten<br />
integrierte Mandantenberatung<br />
auf höchstem Niveau. Sie beinhaltet<br />
neben der wichtigen und professionellen<br />
Vermögensanalyse auch die gesamte<br />
Strukturierung der Vermögenswerte.<br />
Neben bisherigen Erfahrungen, Wünschen<br />
und Zielen der Mandanten hat die<br />
professionelle Vermögensstrukturierung<br />
18 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Rubrik<br />
oberste Priorität. Die fachlichen Voraussetzungen<br />
und die erforderliche Kompetenz<br />
von Nachlassplanern sind ohne ein<br />
internationales Netzwerk nicht zu stemmen,<br />
da es gilt, die unterschiedlichsten<br />
Fachbereiche mit den anspruchsvollsten<br />
Berufsträgern in unserem Land zu besetzen.<br />
Um ein entsprechendes Team<br />
zusammenzustellen, bedarf es allerdings<br />
oftmals jahrelanger Erfahrung. Das Aufgabenfeld<br />
umfasst neben der gesamten<br />
intensiven Vermögensanalyse, zu der<br />
etwa die Auflistung aller Geldwerten,<br />
Lebensversicherungen, Immobilienwerte<br />
im In- und Ausland oder auch Oldtimer,<br />
Wertpapierdepots, Aktien, Unternehmensbeteiligungen,<br />
Yachten, Edelmetalle,<br />
Kunst und mehr gehört – auch die<br />
parallele Begleitung der unternehmerischen<br />
Konstruktionen von Firmen und<br />
Unterlagen wie Gesellschaftergeschäftsführerverträge,<br />
Tochterunternehmen,<br />
mögliche Holdingstrukturen und so weiter,<br />
ist unabdingbar. Es müssen Fragen<br />
gestellt werden, auf die es im ersten<br />
Moment nicht immer leicht erscheint,<br />
die »richtige« Antwort zu finden: Was<br />
passiert, wenn Familienmitgliedern etwas<br />
Unerwartetes zustößt? Ob selbstverschuldet<br />
oder fremd, spielt überhaupt<br />
keine Rolle.<br />
Was passiert, wenn der »Ernährer«<br />
der Familie länger ausfällt? Was bedeutet<br />
es, in diesem Zusammenhang<br />
einmal modellhaft ein »Probesterben«<br />
durchzuführen? Was und welcher Film<br />
läuft dann vor dem eigenen Auge der<br />
Klientel eigentlich ab? Die Antworten<br />
hierauf ähneln sich grundsätzlich sehr:<br />
Bei einem längeren Ausfall, zum Beispiel<br />
nach einem Unfall oder einer schweren<br />
Erkrankung dreht sich die Welt und –<br />
gerade für erfolgreiche Menschen – die<br />
individuelle Lebensuhr vollständig anders.<br />
Gerade hier gilt es, professionelle,<br />
verwaltungsarme und treffende Lösungen<br />
zu finden.<br />
WEALTHMANAGER<br />
UNTERSTÜTZEN BEI DER<br />
VERMÖGENSSTRUKTURIERUNG<br />
Warum Estate Planning und Vermögensstrukturierung,<br />
allen voran mit<br />
<strong>Sachwert</strong>lösungen zusammengehören?<br />
Immer mehr vermögende Familien wünschen<br />
sich folgende Fragen von Profis<br />
beantwortet: Wie kann ich die Familienharmonie<br />
aufrecht erhalten nach dem<br />
Ableben zum Beispiel vom »Head of Family«?<br />
Wie kann ich Vermögenswerte zu<br />
Lebzeiten optimal an die nächste Generation<br />
übertragen und trotzdem im »Fall<br />
der Fälle« die Hand darauf halten, wenn<br />
diese noch nicht »reif« genug für sehr<br />
hohe Erbschaften sind? Ist eine überdurchschnittliche<br />
Performance ohne<br />
erhöhtes Risiko für meine Investments<br />
möglich? Wie kann ich die Erbschaftsoder<br />
Schenkungssteuerlast massiv<br />
und effektiv am besten herabsenken?<br />
Wie übertrage ich langgeschaffene<br />
Bilder: Depositphotos / ilixe48 / thodonal<br />
Vielmehr aber gilt es, Vermögen zu sichern<br />
und Werte auf die nächste Generation zu<br />
übertragen, beziehungsweise bei kinderlosen<br />
Paaren auch zu stiften – und zwar sinnvoll,<br />
nachhaltig und steueroptimiert.<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Wissen<br />
Vermögenswerte mit größtmöglichen<br />
Vorteilen auf die nächste Generation(en)?<br />
Wie schaffe ich es, ohne großen Zeit- und<br />
Verwaltungsaufwand und Hinzuziehung<br />
von diversen Beratern solche allumfassenden<br />
Aufgabenstellungen zu lösen?<br />
Die Antworten sind, man kümmere sich<br />
zunächst um seine Themen, Lebensaufgaben<br />
und Vermögenswerte. Nur professionell<br />
aufgestellte »Wealthmanager«<br />
sind in der Lage diese komplexen Sachverhalte<br />
zu analysieren, auftauchende<br />
Schwachstellen konkret zu benennen und<br />
adäquate Lösungen zu finden. Die Kombination<br />
aus Nachlassplanung und Vermögensstrukturierung<br />
führt hierbei oftmals<br />
zu verblüffenden, oftmals ungeahnten<br />
Mehrwerten. Durch die professionelle<br />
Vermögensanalyse sind zum Beispiel bei<br />
kinderlosen Paaren Lösungen bei einem<br />
Gesamtvermögen inklusive Immobilien<br />
von insgesamt circa sechs Millionen Euro<br />
ist als professionelle Herabsenkung einer<br />
definitiv eintretenden Erbschaftssteuerlast<br />
von circa 500.000 Euro auf nur 20.000<br />
Euro im ersten Schritt umsetzbar. Darüber<br />
hinaus ist ein Vermögenszuwachs von circa<br />
1,2 Millionen gegenüber völlig ineffizienten<br />
Bankenlösungen relativ normal.<br />
Ein sogenannter »Performancevorteil«<br />
von 25 Prozent, begründet im international<br />
ausgerichteten Rechtsmantel sind<br />
Die Vermögensstrukturierung, also die<br />
Optimierung oder komplette Neuordnung<br />
bestehender Investments, ist ein wesentlicher<br />
Vorteil von sehr gutem Wealthmanagement.<br />
hier ein Vehikel, vielmehr der Einsatz vom<br />
überregional eher unbekannten Nießbrauchrecht<br />
auf die Vermögensstruktur.<br />
In anderen Fällen wird, auch begründet<br />
durch die intelligente Rechtsstruktur des<br />
Lösungskonzepts, der Übertragungswert<br />
von mehreren Millionen Euro auf mehrere<br />
Kinder steuer- und renditeeffizient<br />
gelöst, so dass während der Lebzeit des<br />
Schenkenden mit Hinzunahme von Nießbrauchrechten<br />
und gängigen Steuerfreibeträgen<br />
enorm hohe und messbare<br />
Mehrwerte entstehen.<br />
Die Vermögensstrukturierung, also die<br />
Optimierung oder komplette Neuordnung<br />
bestehender Investments, ist ein wesentlicher<br />
Vorteil von sehr gutem Wealthmanagement.<br />
Die Abwägung von aktiv und<br />
eher passiv gemanagten Investments<br />
unter der Berücksichtigung der Kostenstrukturen<br />
tragen erheblich zu einer nachweisbaren<br />
Perfomancestärkung bei. Die<br />
Kombination aus Nachlassplanung und<br />
der exklusiven Vermögensstrukturierung<br />
ist das neue Maß aller Dinge, an dem<br />
sich vermögende Menschen und Familien<br />
messen lassen sollten.<br />
Der Autor<br />
Thomas Hennings ist Experte für <strong>Sachwert</strong>lösungen<br />
und Makroökonomie.<br />
Er ist Inhaber von »Hennings Finanz-<br />
Management«.<br />
Bilder: Depositphotos / freedomtumz / NewAfrica, wirtschaft tv<br />
20 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Edelmetalle<br />
Silber boomt<br />
WAS DEN KLEINEN BRUDER DES GOLDES<br />
ALS WERTANLAGE INTERESSANT MACHT<br />
Bild: Depositphotos / rashevskiy.yandex.ru<br />
Ist Silber das weiße Gold? In Zeiten<br />
von Inflation wird immer wieder Gold<br />
als Portfolio- und Vermögensschutz<br />
genannt, doch Silber bietet Anlegern<br />
Vorteile, die Gold nicht hat. Das Edelmetall<br />
hat sich mittlerweile zu einem<br />
wertvollen Rohstoff für die Industrie entwickelt<br />
und die Nachfrage dürfte künftig<br />
entsprechend steigen. Silber ist bei Chipherstellern,<br />
Elektronikfirmen und in der<br />
Medizintechnik als Rohstoff sehr gefragt,<br />
ebenso bei der Herstellung von Mikrochips<br />
und Solaranlagen. Das Edelmetall<br />
besitzt von allen Metallen die höchste<br />
Leitfähigkeit für Wärme und Energie<br />
sowie das höchste Reflexionsvermögen.<br />
Langfristig wird Silber für die Industrie<br />
also wichtig bleiben, was sich auf die<br />
Wertsteigerung auswirken dürfte. Zudem<br />
dürfte die Verfügbarkeit schrumpfen.<br />
SILBERVORKOMMEN<br />
IST BALD ERSCHÖPFT<br />
Nach Expertenmeinung können noch<br />
etwa 500.000 Tonnen Silber abgebaut<br />
werden. Damit sind die bislang bekannten<br />
Silbervorkommen spätestens in 20<br />
Jahren erschöpft. Deswegen kann es für<br />
Anleger interessant sein, sich jetzt mit<br />
dem Edelmetall zu beschäftigen. Gerade<br />
für Privatleute mit kleinerem Budget<br />
bietet der aktuell günstige Einstiegspreis<br />
gute Chancen, langfristig profitabel zu<br />
sein. Derzeit liegt der Preis für eine Feinunze<br />
Gold bei rund 1.760 US-Dollar,<br />
eine Unze Silber bei rund 21 Euro. Die<br />
Entwicklung der Nachfrage in den kommenden<br />
Jahren wird zeigen, wie stark<br />
Silber proportional im Wert gegenüber<br />
Gold steigt. Seit 1999 ist Silber um rund<br />
580 Prozent gestiegen. Physisches Gold<br />
und Silber bieten Schutz in Krisenzeiten,<br />
was Silber von Gold unterscheidet<br />
ist die Abhängigkeit von der Konjunktur,<br />
die dadurch eine höhere Volatilität<br />
mit sich bringt. Doch wer langfristig<br />
anlegen möchte, wird dennoch<br />
von der steigenden Silber-<br />
Nachfrage profitieren.<br />
Physisches Gold und Silber bieten<br />
Schutz in Krisenzeiten, was Silber von<br />
Gold unterscheidet ist die Abhängigkeit<br />
von der Konjunktur, die dadurch<br />
eine höhere Volatilität mit sich bringt.<br />
ANLAGEFORMEN FÜR SILBER<br />
Experten raten, in Barren zu investieren,<br />
denn je größer die Einheit, desto günstiger<br />
ist der Einkaufspreis. Bei der Investitionsplanung<br />
sollte aber ein möglicher Wiederverkauf<br />
bedacht werden, etwa, wenn der<br />
Anleger Teile des Silbers wieder verkaufen<br />
möchte. Die Größe der Einheiten sollte<br />
entsprechend kombiniert werden. Anleger<br />
haben die Wahl zwischen Einheiten<br />
von einem Gramm bis zu 15 Kilogramm.<br />
Es gibt auch die Möglichkeit, Papier-Silber<br />
wie ETFs und Derivate zu kaufen, jedoch<br />
ist ein solcher Kauf mit Gegenparteirisiken<br />
verbunden, während physisches Silber<br />
genau wie Gold vor allem langfristig<br />
als echter Vermögenswert gilt. Wer in<br />
Schmuck investieren möchte, sollte bedenken,<br />
dass man deutlich mehr als den<br />
Silberpreis bezahlt, weil auch ideelle Werte<br />
und Sammlerpreise Faktoren sind, die<br />
den Preis beeinflussen. Außerdem ist die<br />
Herstellung von Münzen und Schmuck<br />
aufwendiger. Silber als Wertanlage sollte<br />
einen möglichst hohen Feingehalt besitzen;<br />
weniger als 925/1.000 Silberanteil<br />
sollte es nicht sein. MK<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
21
Rubrik Marktkommentar<br />
Mächtige Topformationen<br />
des S&P 500 und<br />
des DAX<br />
Was das für Sie bedeutet<br />
ARK Innovation Fund CEO<br />
Cathie Wood.<br />
22 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Marktkommentar<br />
Die Euphorie an der Wall Street<br />
ist außerordentlich groß. Teilweise<br />
ist sie sogar größer als am<br />
Top des S&P 500, das im Januar<br />
2022 erreicht wurde. Und das,<br />
obwohl der Index wie fast alle US-Indizes<br />
tiefer steht als damals.<br />
Viele der besonders populären Highflyer<br />
des Jahres 2021 befinden sich sogar ganz<br />
erheblich unter ihren Höchstkursen. Beispielsweise<br />
notiert der ARK Innovation<br />
Fund von Cathy Woods, die damals als Star-<br />
Fondsmanagerin gefeiert wurde und auf<br />
allen Finanzkanälen war, 70 Prozent unter<br />
seinem im Februar 2021 erreichten Hoch.<br />
Bei der Biontech-Aktie, um nur ein weiteres<br />
bekanntes Beispiel zu nennen, sind es sogar<br />
77 Prozent.<br />
Dass die Börsenstimmung trotzdem euphorisch<br />
ist, lässt eigentlich nur eine Deutung<br />
zu: Der gesamte Kursverlauf seit<br />
2021 ist eine mächtige Topformation. Der<br />
Kursanstieg seit Oktober vorigen Jahres ist<br />
also nicht der Beginn einer neuen Hausse,<br />
wie viele inzwischen zu glauben scheinen,<br />
sondern Teil dieser großen Topformation.<br />
POTENZIELLES DOPPELTOP DES DAX<br />
Diese Interpretation des Börsengeschehens<br />
passt auch für den DAX. Da es sich<br />
beim DAX um einen Performance-Index<br />
handelt, bei dessen Berechnung die Dividendenausschüttungen<br />
als reinvestiert<br />
unterstellt werden, überzeichnet er die<br />
tatsächliche Kursentwicklung systematisch.<br />
Mit dem S&P 500 und nahezu allen<br />
anderen internationalen Indizes ist er deshalb<br />
nicht vergleichbar.<br />
S&P 500, 2020 bis 20<strong>23</strong><br />
Dass die Börsenstimmung<br />
trotzdem<br />
euphorisch ist, lässt<br />
eigentlich nur eine<br />
Deutung zu [...]<br />
Dennoch lässt auch der hier nicht gezeigte<br />
Chart des DAX eine große potenzielle<br />
Topformation erkennen: ein Doppeltop,<br />
dessen Untergrenze bei knapp<br />
12.000 Punkten verläuft.<br />
Deutschland befindet sich bereits in einer<br />
Rezession. Im zweiten Quartal dieses Jahres<br />
stagnierte das Bruttoinlandsprodukt,<br />
nachdem es in den beiden vorangegangenen<br />
Quartalen rückläufig war. Steigende<br />
Aktienkurse passen nicht zu dieser realwirtschaftlichen<br />
Entwicklung.<br />
EXTREM INVERSE US-ZINSSTRUKTUR<br />
Das gilt umso mehr, da die treffsicheren<br />
Rezessionsindikatoren auch für die USA<br />
einen Abschwung vorhersagen, der sich<br />
auch auf die deutsche Wirtschaft auswirken<br />
wird. Einer dieser Kennzahlen ist der<br />
Frühindikator des US-Forschungsinstituts<br />
Conference Board. Er ist jetzt seit 15 Monaten<br />
in Folge gefallen. Damit gibt er ein<br />
glasklares Rezessionssignal.<br />
Das gilt auch für die US-Zinsstruktur, die<br />
wir in der gerade erschienenen August<br />
20<strong>23</strong>-Ausgabe meines Börsenbriefes<br />
Krisensicher Investieren ausführlich besprechen.<br />
Hier soll folgende Feststellung<br />
genügen:<br />
Wann immer die kurzfristigen Zinsen<br />
höher waren als die langfristigen, folgte<br />
eine Rezession, ausnahmslos. Den besonders<br />
langen und schweren Rezessionen<br />
von 1929 bis 1933, von 1973 bis 1975<br />
sowie der Doppelrezession von 1980 bis<br />
1982 ging jeweils eine besonders ausgeprägte<br />
negative Zinsdifferenz voraus.<br />
Auch jetzt ist die Zinsdifferenz ähnlich<br />
ausgeprägt wie in diesen Fällen. Das lässt<br />
darauf schließen, dass der bevorstehende<br />
und wahrscheinlich bereits begonnene<br />
Abschwung entsprechend ausgeprägt<br />
ausfallen wird.<br />
Der Autor<br />
Claus Vogt ist Finanzanalyst und Autor des<br />
Börsenbriefs »Krisensicher investieren«. Seinen<br />
Gold-Preisbänder-Indikator nutzt er vor<br />
allem für Prognosen im Edelmetallsektor.<br />
Der gesamte Kursverlauf seit Ende 2020 wird sich wahrscheinlich als eine mächtige Topformation herausstellen.<br />
Bilder: IMAGO / ZUMA Wire (Hugo Amaral), wirtschaft tv, Grafik: StockCharts.com<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
<strong>23</strong>
Rubrik Börse<br />
Die explosiven Blasen<br />
der ersten Jahrzehnte<br />
des 21. Jahrhunderts<br />
Auszug aus dem Buch »A Random Walk Down Wall Street« von Burton G. Malkiel (Aktualisierte und überarbeitete Jubiläumsausgabe)<br />
24 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Börse<br />
So verheerend die Blasen der letzten<br />
Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts<br />
finanziell auch waren, sind<br />
sie nicht mit denen der ersten<br />
Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts<br />
zu vergleichen. Als in den frühen 2000er-<br />
Jahren die Internetblase platzte, verpuffte<br />
ein Marktwert in Höhe von 8 Billionen US-<br />
Dollar. Das war, als hätte sich die jährliche<br />
Wirtschaftsleistung der Länder Deutschland,<br />
Frankreich, England, Italien, Spanien,<br />
der Niederlande und Russland in Luft<br />
aufgelöst. Als die Immobilienblase in den<br />
USA platzte, wäre beinahe die gesamte<br />
Weltwirtschaft zusammengebrochen, und<br />
es kam weltweit zu einer längeren Rezession.<br />
Anfang der 2020er-Jahre erlebten<br />
wir gewaltige Kursblasen bei Meme-Aktien<br />
und Kryptowährungen. Ein Vergleich<br />
dieser Blasen mit der Tulpenmanie würde<br />
den Blumen fraglos Unrecht tun.<br />
Dot-com-Unternehmen verbrannte Geld<br />
sei in erster Linie ein Problem der »Anlegerstimmung«,<br />
kein »langfristiges Risiko«<br />
für den Sektor oder »Bereich«, wie er oft<br />
bezeichnet wurde. Wenige Monate später<br />
waren Hunderte Internetunternehmen<br />
pleite, was zeigte, dass der Goldman-Bericht<br />
unbeabsichtigt ins Schwarze getroffen<br />
hatte. Der Liquiditätsverbrauch war<br />
nämlich kein langfristiges Risiko, sondern<br />
ein kurzfristiges.<br />
Bis dahin hatte jeder, der am Potenzial der<br />
»New Economy« zweifelte, als hoffnungsloser<br />
Technikfeind gegolten. Umfragen<br />
zufolge, die Anfang 2000 durchgeführt<br />
wurden, rechneten Anleger mit künftigen<br />
Aktienrenditen zwischen 15 und 25<br />
Prozent pro Jahr – oder sogar mit noch<br />
höheren Erträgen. Für Unternehmen wie<br />
Cisco, das weithin als die Firma galt, die<br />
»das Rückgrat des Internets« bereitstellte,<br />
galten 15 Prozent Jahresrendite als sichere<br />
Sache. Doch Cisco wurde mit einem dreistelligen<br />
Kurs-Gewinn-Verhältnis gehandelt<br />
– bei einer Marktkapitalisierung von<br />
fast 600 Milliarden Dollar. Würde Cisco<br />
seinen Ertrag um 15 Prozent pro Jahr steigern,<br />
hätte sein Kurs-Gewinn-Verhältnis<br />
auch in zehn Jahren noch deutlich über<br />
dem Durchschnitt gelegen. Hätte Cisco<br />
die nächsten 25 Jahre 15 Prozent pro Jahr<br />
abgeworfen und die US-Wirtschaft wäre<br />
im selben Zeitraum mit einer Rate von 5<br />
Prozent weitergewachsen, wäre Cisco<br />
am Ende größer gewesen als die gesamte<br />
Volkswirtschaft des Landes. Die Bewertungen<br />
auf dem Aktienmarkt hatten<br />
sich vollkommen von jeder vernünftigen<br />
Erwartung zum künftigen Wachstum entkoppelt.<br />
Selbst das Blue-Chip-Unternehmen<br />
Cisco büßte über 90 Prozent seines<br />
DIE INTERNETBLASE<br />
Die allermeisten Blasen stehen (wie der<br />
Tronik-Boom) mit neuen Technologien<br />
oder aber mit neuen Geschäftschancen in<br />
Zusammenhang (wie die Eröffnung lukrativer<br />
neuer Handelsmöglichkeiten, wie sie<br />
die Südseeblase versprach). Für das Internet<br />
galt beides: Es stellte eine neue Technologie<br />
dar und bot neue geschäftliche<br />
Möglichkeiten, die zu revolutionieren versprachen,<br />
wie wir Informationen, Waren<br />
und Dienstleistungen konsumieren. Die<br />
Versprechungen des Internets lösten auf<br />
dem Aktienmarkt die größte Wertschöpfung<br />
und Wertvernichtung aller Zeiten aus.<br />
Die erfolgreichen Anleger erzählen<br />
herum, wie leicht man reich werden<br />
kann, was die Kurse weiter in die Höhe<br />
treibt und noch mehr Anleger anzieht.<br />
Bilder: Depositphotos / lemonpink, MAGO / Xinhua<br />
In seinem Buch Irrationaler Überschwang<br />
beschreibt Robert Shiller Blasen als positive<br />
Rückkopplungsschleifen. Eine Blase<br />
entwickelt sich, wenn eine Aktiengruppe<br />
– in diesem Fall alle Aktien, die mit dem Internet-Hype<br />
in Verbindung standen – zum<br />
Höhenflug ansetzt. Das regt mehr Menschen<br />
dazu an, solche Aktien zu kaufen,<br />
weshalb die Medien häufiger darüber berichten,<br />
was wiederum noch mehr Kaufinteressenten<br />
auf den Plan lockt, wovon all<br />
jene kräftig profitieren, die sich sehr früh<br />
in Internetaktien engagiert haben. Die erfolgreichen<br />
Anleger erzählen herum, wie<br />
leicht man reich werden kann, was die<br />
Kurse weiter in die Höhe treibt und noch<br />
mehr Anleger anzieht. Das Ganze funktioniert<br />
wie eine Art Schneeballsystem,<br />
bei dem immer mehr leichtgläubige Anleger<br />
gefunden werden müssen, die den<br />
bisherigen Investoren ihre Aktien abnehmen.<br />
Früher oder später findet sich aber<br />
niemand mehr, der dieses Risiko noch eingehen<br />
möchte.<br />
Auch hoch angesehene Wall-Street-Firmen<br />
fielen auf die heiße Luft herein. Das<br />
ehrwürdige Unternehmen Goldman Sachs<br />
behauptete Mitte 2000, das von den<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
25
Börse<br />
Marktwerts ein, als die Blase platzte. Wie<br />
sich herausstellen sollte, konnte das Unternehmen<br />
seinen Ertrag aber noch weitere<br />
20 Jahre lang mit hohen Raten steigern.<br />
Die Cisco-Aktie notierte dennoch Anfang<br />
2022 unter den Werten, die sie auf dem<br />
Höhepunkt der Blase im Jahr 2000 erreicht<br />
hatte.<br />
Im sogenannten Tronik-Boom hatten Unternehmen<br />
jeder Couleur ihrem Namen<br />
die Nachsilbe »tronics« hinzugefügt, um<br />
attraktiver zu wirken. Das wiederholte<br />
sich im Zuge der Internetmanie. Dutzende<br />
von Unternehmen, auch solche, die<br />
wenig oder gar nichts mit dem Internet<br />
zu tun hatten, gaben sich web-affine Bezeichnungen<br />
wie dot.com, dotnet oder<br />
Internet. Unternehmen, die ihre Namen<br />
änderten, verzeichneten in den darauf<br />
folgenden zehn Tagen einen Kursanstieg,<br />
der um 125 größer ausfiel als bei Mitbewerbern,<br />
obwohl das Kerngeschäft der<br />
betreffenden Firmen überhaupt keinen<br />
Bezug zum Internet hatte. Im anschließenden<br />
Markteinbruch wurden die Aktien<br />
dieser Unternehmen wertlos.<br />
PalmPilot, Hersteller von Personal Digital<br />
Assistants (PDAs), ist ein Beispiel für<br />
den Wahnsinn, der weit über irrationalen<br />
Überschwang hinausging. Palm gehörte<br />
zu einem Unternehmen namens 3Com,<br />
das beschloss, diesen Bereich auszugliedern<br />
und an die Börse zu bringen. Da<br />
PDAs als unverzichtbar für die digitale<br />
Revolution galten, wurde PalmPilot als<br />
besonders interessante Aktie erachtet.<br />
Anfang 2000 veräußerte 3Com beim Börsengang<br />
5 Prozent seiner Anteile an Palm<br />
und gab die Absicht bekannt, sämtliche<br />
verbleibenden Aktien an die 3Com-Aktionäre<br />
abzugeben. Palm hob so rasant ab,<br />
dass seine Marktkapitalisierung bald doppelt<br />
so hoch war wie die von 3Com. Der<br />
Marktwert der 95 Prozent von Palm, die<br />
3Com noch hielt, überstieg die gesamte<br />
Marktkapitalisierung von 3Com selbst um<br />
fast 25 Milliarden Dollar – quasi, als wären<br />
sämtliche sonstigen Vermögenswerte von<br />
3Com minus 25 Milliarden Dollar wert.<br />
Wer PalmPilot kaufen wollte, hätte 3Com<br />
kaufen können und damit alle übrigen<br />
Geschäftsbereiche des Unternehmens für<br />
minus 61 Dollar pro Aktie miterstanden.<br />
In der kopflosen Jagd auf Reichtümer trieb<br />
der Markt bizarre Blüten.<br />
Die Bewertungen auf dem Aktienmarkt<br />
hatten sich vollkommen von jeder vernünftigen<br />
Erwartung zum künftigen<br />
Wachstum entkoppelt.<br />
UND WIEDER EIN<br />
NEUEMISSIONSWAHN<br />
Im ersten Quartal 2000 investierten 916<br />
Risikokapitalfirmen 15,7 Milliarden Dollar<br />
in 1009 Internet-Start-ups. Es war, als hätte<br />
der Aktienmarkt Anabolika geschluckt.<br />
Wie schon während der Südseeblase waren<br />
viele Unternehmen, die Finanzmittel<br />
bekamen, regelrecht absurd. Sie erwiesen<br />
sich beinahe ausnahmslos als Dot-com-<br />
Reinfälle. Hier ein paar Beispiele für solche<br />
Internet-Neugründungen. Digiscents<br />
26 SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong>
Börse<br />
Bilder: IMAGO / Alexander Pohl / UPI Photo, Cover: FinanzBuch Verlag<br />
arbeitete an Computerzubehör, das Websites<br />
und Computer zum Duften bringen<br />
sollte. Mit dem Versuch, ein solches Produkt<br />
zu entwickeln, brachte das Unternehmen<br />
mehrere Millionen durch.<br />
Flooz bot eine alternative Währung – den<br />
Flooz – an, den man Freunden und Verwandten<br />
mailen konnte. Um das Unternehmen<br />
schnell in Schwung zu bringen,<br />
hielt sich Flooz.com an eine alte Business-<br />
School Maxime: »Jeder Depp kann einen<br />
Eindollarschein für 80 Cent verkaufen.«<br />
Flooz.com trat mit einem Sonderangebot<br />
an alle Inhaber von American-Express-Platinkarten<br />
an: Sie sollten für 800 Dollar<br />
Flooz im Wert von 1000 Dollar erwerben<br />
können. Kurz bevor Flooz Konkurs anmelden<br />
musste, wurde das Unternehmen<br />
selbst »gefloozt«, als philippinische und<br />
russische Banken mit gestohlenen Kreditkartennummern<br />
300.000 Flooz erwarben.<br />
Allein schon die Namen vieler solcher<br />
Internetunternehmen strapazieren das<br />
Vorstellungsvermögen: Bunions.com,<br />
Crayfish, Zap.com, Gadzooks, Fogdog,<br />
FatBrain, Jungle-com, Scoot.com und mylackey.com.<br />
Und dann war da noch ezboard.com,<br />
das Internetseiten produzierte,<br />
die als Klopapier bezeichnet wurden,<br />
weil sie Unternehmen dabei halfen, noch<br />
»jeden Scheiß« bei der interessierten Online-Community<br />
anzubringen. Das waren<br />
keine Geschäftsmodelle, sondern das war<br />
der sichere Weg in den Misserfolg.<br />
THEGLOBE.COM<br />
Meine lebhafteste Erinnerung an den Neuemissionsboom<br />
reicht zurück bis zu einem<br />
frühen Novembermorgen 1998, als ich in<br />
einer Fernsehsendung interviewt wurde.<br />
Während ich in Anzug und Krawatte im<br />
Green Room wartete, kam ich mir neben<br />
zwei jungen Männern in Jeans, die wie<br />
Teenager wirkten, total deplatziert vor. Ich<br />
ahnte ja nicht, dass die beiden die ersten<br />
Superstars des Internetbooms waren – und<br />
die erklärten Stars der Sendung. Stephan<br />
Paternot und Todd Krizelman hatten in<br />
Todds Zimmer im Wohnheim der Cornell-<br />
Universität TheGlobe.com gegründet. Das<br />
Unternehmen war ein Online-Message-<br />
Board-System, das mit dem Verkauf von<br />
Bannerwerbung hohe Umsätze erzielen<br />
wollte. Früher hatte man echte Umsätze<br />
und Gewinne vorweisen müssen, um an<br />
die Börse zu gehen. TheGlobe.com hatte<br />
weder das eine noch das andere. Dennoch<br />
brachten es seine Banker von der Credit<br />
Suisse First Boston zu einem Kurs von 9<br />
Dollar je Aktie auf den Markt. Der Kurs<br />
schoss unmittelbar auf 97 Dollar in die<br />
Höhe, damals der höchste an einem ersten<br />
Börsentag erzielte Gewinn in der Geschichte.<br />
Das Unternehmen hatte damit einen<br />
Marktwert von fast 1 Milliarde Dollar.<br />
Die beiden Gründer waren Multimillionäre.<br />
»A Random Walk Down Wall Street«<br />
von Burton G. Malkiel<br />
400 Seiten<br />
Erschienen: Juni 20<strong>23</strong><br />
FinanzBuch Verlag<br />
ISBN: 978-3-959-72681-8<br />
An jenem Tag lernten wir, dass Anleger<br />
Unternehmen Geld hinterherwarfen, die<br />
noch fünf Jahre zuvor keiner routinemäßigen<br />
Due-Diligence-Prüfung standgehalten<br />
hätten. Anfang 2000 – die Party war<br />
damals noch in vollem Gang – bezeichnete<br />
der führende Risikokapitalgeber John<br />
Früher hatte man echte Umsätze und<br />
Gewinne vorweisen müssen, um an die<br />
Börse zu gehen.<br />
Doerr von der führenden Firma Kleiner<br />
Perkins den Kursanstieg der Internetaktien<br />
als »größten legalen Vermögensaufbau<br />
in der Weltgeschichte«. 2002 versäumte<br />
er allerdings anzumerken, dass er<br />
auch die größte legale Vernichtung von<br />
Vermögen weltweit war.<br />
Kleiner Perkins-<br />
Partner John Doerr<br />
SACHWERT MAGAZIN <strong>04</strong>/20<strong>23</strong><br />
27
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prime video<br />
DIE NEUE<br />
REALITY<br />
SERIE<br />
BERATER<br />
LEBEN AUF DER ÜBERHOLSPUR<br />
STAFFEL 1+2<br />
EINE PRODUKTION VON WIRTSCHAFT TV<br />
PRODUZENT JULIEN BACKHAUS, REGIE ALESSANDROESPOSITO, FELIX LENG<br />
KAMERA JANNIK GRAMM, PATRICK REYMANN, SEBASTIAN POCIECHA, DANIEL KRIEBEL, EDITOR KEVIN GLÄßER, FELIX LENG, TON MARIUS TAG<br />
LICHT SASCHA HEß, SOUND LEOWANG, BEN SCHOMACKER, BEN AMES, SPRECHERIN MAJA BYHAHN