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FOCUS_38_2023_Biden

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AUSGABE <strong>38</strong> 16. September <strong>2023</strong> € 4,90 EUROPEAN MAGAZINE AWARD WINNER <strong>2023</strong> COVER /// INFOGRAPHIC<br />

40 SEITEN<br />

MODE & STIL<br />

Das Alphabet des<br />

Oscar-Preisträgers<br />

Jared Leto,<br />

sportliche Uhren<br />

und die Power-<br />

Looks der Saison<br />

DER<br />

CODE<br />

Zwischen Zauber<br />

und Alltag:<br />

Eine Anleitung für<br />

das schönste<br />

Gefühl der Welt<br />

DER<br />

LIEBE


POLITIK<br />

Die Jagd auf Hunter<br />

Die Drogen, der Laptop, die Anklage wegen illegalen Waffenbesitzes:<br />

Hunter <strong>Biden</strong> bleibt politischer Sprengstoff. Nun empfehlen die<br />

Republikaner sogar ein Impeachment-Verfahren gegen den Vater. Werden<br />

die Skandale und Verschwörungstheorien die Wahl 2024 beeinflussen?<br />

TEXT VON LARS JENSEN<br />

28 <strong>FOCUS</strong> <strong>38</strong>/<strong>2023</strong>


USA<br />

Enge Bindung<br />

Die Geschichte der<br />

<strong>Biden</strong>s ist durchzogen<br />

von Trauma<br />

und Verlust. Seinem<br />

einzig verbliebenen<br />

Kind Hunter kann Joe<br />

<strong>Biden</strong> nichts abschlagen.<br />

Egal, wie<br />

tief er fällt, wie viele<br />

Skandale er fabriziert<br />

29<br />

Foto: Pari Dukovic/Trunk Archive


POLITIK<br />

W<br />

Wie viele aufstrebende Künstler lebt auch<br />

Hunter <strong>Biden</strong>, 53, an der kalifornischen<br />

Küste und malt in seiner Garage Bilder.<br />

Landschaften, Blumen, „in der polierten<br />

Art und Weise, wie man sie in vornehmen<br />

Hotels vorfindet“, so der Kritiker von der<br />

„New York Times“. Der hatte sich über die<br />

Wachleute vor der Ausstellung gewundert.<br />

Nach Angaben des Galeristen Georges<br />

Bergès waren sie da, um Mordanschläge<br />

auf die Mitarbeiter zu verhindern.<br />

So feindselig ist das politische Klima<br />

in den Vereinigten Staaten dieser Tage,<br />

dass man um sein Leben fürchten muss,<br />

wenn man die Bilder des Präsidentensohnes<br />

ausstellt. Die jahrelange Verleumdungskampagne<br />

gegen die <strong>Biden</strong>s,<br />

die in rechtsnationalen Medien wie Fox<br />

oder Breitbart schon lange nur noch die<br />

„Verbrecherfamilie <strong>Biden</strong>“ genannt werden,<br />

hinterlässt Spuren. Laut einer neuen<br />

Umfrage von CNN glauben fast zwei Drittel<br />

der Wähler, dass Präsident <strong>Biden</strong> und<br />

sein Sohn gemeinsame Sache bei dunklen<br />

Geschäften gemacht haben.<br />

Um welche dunklen Geschäfte es sich<br />

genau handeln soll, konnte noch niemand<br />

ermitteln. Auch nicht die Republikaner<br />

im Kongress, die seit Jahren die Vergangenheit<br />

der <strong>Biden</strong>s durchleuchten und vor<br />

allem im Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses<br />

Ressourcen dafür aufwenden,<br />

jedes Detail von Hunters Puffbesuchen<br />

in der Ukraine vor zehn Jahren<br />

nachzuvollziehen. Die Architekten der<br />

Jagd auf die <strong>Biden</strong>s, die Abgeordneten<br />

Chuck Grassley, Jim Jordan und James<br />

Comer, wissen, dass ihre Behauptungen<br />

nicht wahr sein müssen. Es reicht, sie so<br />

lange zu wiederholen, bis sie im kollektiven<br />

Gedächtnis verfangen.<br />

Nicht mal Hunter selbst bezweifelt,<br />

dass es verantwortungslos von ihm war,<br />

2014 einen Direktionsposten an der Spitze<br />

des ukrainischen Energieunternehmens<br />

Burisma anzunehmen, während<br />

sein Vater als Vizepräsident die Ukraine-<br />

Vor Gericht Hunter <strong>Biden</strong> in Wilmington, Delaware, Juli <strong>2023</strong>. Hier wird er Ende September<br />

voraussichtlich wegen Steuerhinterziehung und illegalen Waffenbesitzes angeklagt<br />

Politik der USA kontrollierte – zumal Burisma<br />

unter Korruptionsverdacht stand.<br />

Doch selbst nach fünf Jahren Ermittlungen<br />

konnte kein Ausschuss eine Einflussnahme<br />

auf <strong>Biden</strong>s Politik nachweisen.<br />

Alle Aktivitäten als Lobbyist in Washington<br />

hatte Hunter beendet, bevor sein Vater<br />

sein Amt antrat. Der sagt: „Ich hatte mit<br />

meinem Sohn vereinbart, nie über seine<br />

Geschäfte zu sprechen.“ Die Lage ist völlig<br />

anders als zum Beispiel bei der Familie<br />

Trump, die mit ihrem gemeinsamen<br />

Steuerbetrug über einen langen Zeitraum<br />

geprahlt hat. Für die Banken waren sie<br />

Milliardäre, fürs Finanzamt Bettler.<br />

Inzwischen haben die Republikaner der<br />

Parlamentskammer sogar ein Amtsenthebungsverfahren<br />

gegen Joe <strong>Biden</strong> vorgeschlagen.<br />

Wegen der dunklen Geschäfte.<br />

Auch wenn diese Anstrengung aussichtslos<br />

bleiben dürfte, sorgt sie immerhin –<br />

und das ist entscheidend – für negative<br />

Schlagzeilen. Das Weiße Haus hat mittlerweile<br />

schon einen „War Room“ eingerichtet,<br />

in dem Anwälte und Experten damit<br />

beschäftigt sind, die Flut an Mutmaßungen<br />

und Missinformationen zu widerlegen,<br />

die täglich auftauchen.<br />

Dass Hunter so langsam zu einem<br />

ernsthaften Problem für Joe <strong>Biden</strong> wird,<br />

liegt aber auch an der öffentlichen Wahrnehmung,<br />

dass der Sohn den Ruf seines<br />

Nachnamens jahrzehntelang genutzt hat,<br />

um seine Drogensucht zu finanzieren. Die<br />

beiden Vergehen, die ihm wirklich nachgewiesen<br />

werden könnten – Steuerhinterziehung<br />

und illegaler Waffenbesitz –<br />

dürften ausreichen, um ihn hinter Gitter<br />

zu bringen, seit im Juli ein gerichtlicher<br />

Vergleich scheiterte. Hunters Anwaltskosten<br />

sind derart explodiert, dass ihm<br />

sein Kumpel Matthew McConaughey mit<br />

einem Darlehen von mehreren Millionen<br />

Dollar aushelfen musste.<br />

Hunter könnte also ausgerechnet im<br />

Wahljahr 2024 verurteilt werden. Der unrühmliche<br />

Abschluss einer Aneinanderreihung<br />

schlechter Entscheidungen, die<br />

sich Hollywood nicht dramatischer und<br />

schäbiger hätte ausdenken können.<br />

„Er ist so wie ich, nur ohne Makel“<br />

Hunter <strong>Biden</strong> kam 1970 in Wilmington,<br />

Delaware zur Welt. Als sein Vater drei<br />

Jahre später als Senator des Staates eingeschworen<br />

wurde, erholten sich Hunter<br />

und sein älterer Bruder Beau noch von<br />

lebensgefährlichen Verletzungen, die sie<br />

sich bei einem Autounfall zugezogen hatten.<br />

Mutter Neilia und Schwester Naomi<br />

überlebten nicht. In seinen Memoiren<br />

„Beautiful Things“ beschreibt Hunter seine<br />

früheste Erinnerung: „Ich liege im<br />

Bett, und neben mir liegt Beau und sagt:<br />

‚Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe<br />

dich!‘“ Beau war immer der Sohn gewesen,<br />

dem die große politische Karriere vorausgesagt<br />

wurde: „Der ist so wie ich, nur<br />

ohne meine Makel“, pflegte Joe <strong>Biden</strong><br />

zu sagen. Hunter hingegen war der feingeistige<br />

Typ, interessierte sich für Musik<br />

und Kunst und Mädchen. „Ich kam mir<br />

immer vor wie der Verlierer, der von seinem<br />

großen Superstar-Bruder über Wasser<br />

gehalten wurde.“ Zunächst studierte<br />

Hunter Geschichte in Georgetown.<br />

Fotos: Ryan Collerd/AFP, Efrem Lukatsky/AP, twitter<br />

30 <strong>FOCUS</strong> <strong>38</strong>/<strong>2023</strong>


USA<br />

In den Medien Ein Bestechungsskandal um den Chef von Burisma Holdings warf Fragen auf. Doch<br />

Hunter <strong>Biden</strong>, der als Spitzenmanager des Kiewer Konzerns agierte, war wohl nicht involviert<br />

Bereits damals traf er Kathleen Buhle,<br />

die er nach wenigen Monaten heiratete<br />

und mit der er eine Familie gründete.<br />

Dann schloss er sein Jurastudium in Yale<br />

ab. 1996 bekam er seinen ersten Job als<br />

Berater bei der Bank MBNA, die der<br />

wichtigste Spender im Wahlkampf seines<br />

Vaters gewesen war. Zu dem Zeitpunkt<br />

war er nach eigener Aussage bereits ein<br />

Weltklasse-Säufer, die erste Crackpfeife<br />

hatte er etwa vier Jahre zuvor geraucht.<br />

In der Erzählung des rechten Flügels<br />

der Republikaner folgten zwanzig Jahre<br />

voller korrupter Deals, abgewickelt im<br />

Drogenrausch, an denen sich die <strong>Biden</strong>s<br />

bereicherten. In Russland, in China, in<br />

der Ukraine, in Rumänien, in Washington.<br />

Eine vierteilige Serie auf Fox Nation<br />

„Der Laptop ist<br />

eine Obsession der<br />

Republikaner – wie<br />

Obamas Geburtsort<br />

oder Hillary<br />

Clintons E-Mails“<br />

Im Glück <strong>Biden</strong> hat<br />

eine fünfjährige<br />

Tochter mit der Ex-<br />

Stripperin Lunden<br />

Roberts. Sie erstritt<br />

einen DNA-Test<br />

Auf Drogen Vor einigen<br />

Wochen tauchte dieses<br />

Foto aus dem Jahr 2018<br />

auf: <strong>Biden</strong>, der am Steuer<br />

seines Autos Crack raucht<br />

machte sich die Mühe, alle passenden<br />

Indizien aufzuzählen und Theorien zu<br />

konstruieren, die auf den ersten Blick<br />

plausibel erscheinen. Das Einzige, was<br />

fehlt, sind Beweise.<br />

Die Geschichten um Hunter <strong>Biden</strong> funktionieren<br />

deshalb so gut, erreichen so viele<br />

Menschen, weil er sich rasant zu einem<br />

spektakulären Wrack entwickeln sollte.<br />

Hunter feierte jahrelang Drogenpartys<br />

mit Prostituierten, filmte sich bei den<br />

Orgien. Je mehr Geld er verdiente, desto<br />

mehr Crack und Sex brauchte er. Er verließ<br />

Aufsichtsratssitzungen, um schnell<br />

mal auf dem Klo eine Nase Koks zu ziehen,<br />

er steigerte seinen Crackkonsum<br />

so heftig, dass seine Zähne zerbröselten<br />

und er sich für 70 000 Dollar ein neues<br />

Gebiss einsetzen lassen musste. Mindestens<br />

fünf Entziehungskuren scheiterten<br />

im Laufe der Jahre. Meist fing er nach<br />

wenigen Wochen wieder an, zu trinken<br />

und zu rauchen. Hunter ruinierte Anfang<br />

des vergangenen Jahrzehnts seine Finanzen<br />

und die seiner Frau, um immer mehr<br />

Drogen zu kaufen. Aus dieser Zeit stammen<br />

die Probleme mit dem Finanzamt,<br />

die ihn jetzt einholen.<br />

Der endgültige Absturz folgte nach<br />

dem Krebstod seines geliebten Bruders<br />

Beau 2015. Hunter begann eine Affäre<br />

mit seiner frisch verwitweten Schwägerin<br />

Hallie, denn „ich hatte das Gefühl, dass<br />

wir die Einzigen waren, die die Schmerzen<br />

des anderen nachvollziehen konnten“. Er<br />

gab ihr Crack, die beiden nahmen sich<br />

beim Sex auf, und Hunter stellte die Filme<br />

online auf seinen persönlichen Pornhub-<br />

Account. Weder seine Frau Kathleen und<br />

die drei Kinder noch Joe <strong>Biden</strong> waren<br />

begeistert.<br />

Die Familie versuchte es mit einer<br />

Intervention in der Küche von Kathleens<br />

Haus. Sie redeten auf ihn ein. Doch Hunter<br />

stand auf, fuhr zu einem Motel, kaufte<br />

ein paar Flaschen Wodka und ließ sich<br />

volllaufen. Als er sich dann doch zu einer<br />

sechsten Entziehungskur in Arizona<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>38</strong>/<strong>2023</strong> 31

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