Leseprobe_Weidinger_Don Giovanni und die habsburgische Heiratspolitik
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HANS ERNST WEIDINGER<br />
DON GIOVANNI<br />
UND DIE HABSBURGISCHE<br />
HEIR ATSPOLITIK
DON JUAN ARCHIV WIEN<br />
DON JUAN STUDIES<br />
1<br />
Reihe herausgegeben von<br />
Reinhard Eisendle<br />
Matthias J. Pernerstorfer<br />
Hans Ernst <strong>Weidinger</strong>
HANS ERNST WEIDINGER<br />
DON GIOVANNI<br />
UND DIE HABSBURGISCHE<br />
HEIR ATSPOLITIK<br />
Aus dem Nachlaß herausgegeben von<br />
Reinhard Eisendle<br />
Matthias J. Pernerstorfer
Publiziert mit fre<strong>und</strong>licher Unterstützung des<br />
<strong>Don</strong> Juan Archiv Wien – Forschungsverein für Theater- <strong>und</strong> Kulturgeschichte<br />
Hans Ernst <strong>Weidinger</strong>:<br />
<strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>habsburgische</strong> <strong>Heiratspolitik</strong><br />
Aus dem Nachlaß herausgegeben von<br />
Reinhard Eisendle <strong>und</strong> Matthias J. Pernerstorfer<br />
Wien: HOLLITZER Verlag, 2023<br />
(= <strong>Don</strong> Juan Stu<strong>die</strong>s 1)<br />
Umschlagbild<br />
Frontispiz des Librettos von Da Pontes <strong>und</strong> Mozarts <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong><br />
publiziert in Da Pontes Tre Drammi,<br />
New York: <strong>Giovanni</strong> Gray & Co, 1826<br />
Lektorat: Inge Praxl, Wien<br />
Layout: Gabriel Fischer, Wien<br />
© HOLLITZER Verlag, Wien 2023<br />
HOLLITZER Verlag<br />
der HOLLITZER Baustoffwerke Graz GmbH<br />
www.hollitzer.at<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
ISSN 2960-4761<br />
ISBN 978-3-99094-148-5
Was Da Ponte right,<br />
when in Tre Drammi he declared his <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> composed<br />
“da lui per le Nozze del Principe Antonio di | Sassonia —<br />
Colla Principessa M. Teresa Figlia | dell’Impr. Leopoldo”?<br />
And if so,<br />
what new light would it shed on the genesis of Da Ponte’s and Mozart’s opera?
INHALT<br />
DON JUAN STUDIES<br />
VORWORT DER HERAUSGEBER<br />
IX<br />
XI<br />
PROLOG 1<br />
1826 „per le nozze“ 3<br />
WEDER AUFTRAG AUS PRAG NOCH REISE NACH LONDON 13<br />
1786–1787 Die Legende vom Prager Auftrag 15<br />
1786 XII – 1787 II Prag: Ein Impresario in Nöten 16<br />
1764–1787 Auftrags-Opern im Prager Repertoire 18<br />
1786 XII – 1787 IV Wien: Mozart vor dem Aufbruch<br />
nach England 21<br />
1787 V–IX Arbeit in der Landstraße 26<br />
1787 V–IX Produktivität/Werke 28<br />
DIE FLORENTINER BRAUT 31<br />
S.A.R. l’Arciduchessa Maria Teresa,<br />
Sposa del Ser. Principe Antonio di Sassonia 33<br />
1780 Projekt eines Großvaters.<br />
Doppelhochzeit mit dem Haus Braganza 39<br />
1783 Turin, Lissabon <strong>und</strong> Dresden.<br />
Drei Prinzen für <strong>die</strong> Erzherzogin 44<br />
1785 Neubewertung der Dresdner Option 46<br />
1786 Warten auf den Bräutigam.<br />
Vertrauliche Verhandlungen in Dresden <strong>und</strong><br />
des Kaisers neue Pläne 48<br />
1787 I–III Hochzeitsantrag aus Dresden 58<br />
1787 III 26 Geburt des Prager Hochzeitsprojekts 64<br />
1787 V Prager Hochzeit aus Dresdner Sicht 72<br />
1787 VII 6 Das Ende des Prager Projekts 81<br />
1787 VII Parallelaktionen 86
Inhalt<br />
DA PONTE, MOZART UND DIE TEATRI IMPERIALI 93<br />
<strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>, L’ arbore di Diana <strong>und</strong> Axur re d’ Ormus.<br />
Die 63 Tage des Lorenzo da Ponte 95<br />
1787 VI–VII Hofoper für <strong>die</strong> Prager Hochzeit 114<br />
Phase I 115<br />
Phase II 115<br />
Phase III 116<br />
1787 VIII „doch in Wienn“ 134<br />
BRAUTREISE FLORENZ – WIEN – PRAG – DRESDEN 141<br />
Die geplante Hochzeit von Maria Teresa <strong>und</strong> Anton als Me<strong>die</strong>nereignis 143<br />
1787 VII–X Prag nach der Absage des Hochzeitsprojekts 145<br />
1787 X Die Braut kommt nach Prag 148<br />
Von Prag über Aussig nach Dresden 154<br />
MOZART IN PRAG 157<br />
Wiener <strong>und</strong> Prager Papier 160<br />
Sängerinnen <strong>und</strong> Sänger der Prager Uraufführung 167<br />
Caterina Micelli <strong>und</strong> Giuseppe Lolli 168<br />
Luigi Bassi 170<br />
Caterina Bondini <strong>und</strong> Felice Ponziani 170<br />
Bondinis Italienische Operngesellschaft 172<br />
Auf den Leib geschrieben? 173<br />
1787 X Figaro als Gala-Ersatz 174<br />
DA PONTES REISE NACH PRAG 183<br />
ANHANG 191<br />
Quellen- <strong>und</strong> Literaturverzeichnis 193<br />
Abbildungsverzeichnis 197<br />
Register 201
DON JUAN STUDIES<br />
Gemeinsam mit Faust, Hamlet <strong>und</strong> <strong>Don</strong> Quijote gehört <strong>Don</strong> Juan zu Europas neuzeitlichen<br />
„mythischen“ Figuren, doch hat keine der anderen eine vergleichbar intensive<br />
Verbreitung erfahren. Das <strong>Don</strong>-Juan-Verzeichnis des amerikanischen Literaturwissenschaftlers<br />
Armand E. Singer zählt in der dritten <strong>und</strong> letzten Auflage aus dem Jahre<br />
1993 immerhin 3.081 Versionen des Stoffes. Seit dem frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert in Spanien<br />
(El burlador de Sevilla y combidado de piedra) befaßt sich das Theater mit <strong>Don</strong> Juan, seinen<br />
Frauen <strong>und</strong> seinem Widerpart, dem Steinernen Gast. Soziale wie moralische Grenzen<br />
gelten ihm nichts, gesellschaftliche Regeln erkennt er nicht an, <strong>die</strong> Eroberung verbotener<br />
Terrains ist sein Metier, selbst dem Überirdischen, das ihm entgegentritt,<br />
wirft er, den eigenen Untergang riskierend, sein „No!“ entgegen.<br />
Ein spanisches Gastspiel macht Italien mit ihm bekannt (Neapel 1625); eine italienische<br />
Gesellschaft bringt ihn nach Frankreich (Paris 1658), eine andere ins Heilige<br />
Römische Reich (Wien 1660). Die Liste wächst, u. a. durch Molière (Paris 1665),<br />
Shadwell (London 1675), Goldoni (Venedig 1736) sowie <strong>die</strong> ballet-pantomime von<br />
Angiolini <strong>und</strong> Gluck (Wien 1761). Alle Autoren wissen sich einer Stofftradition zugehörig;<br />
<strong>die</strong>se erreicht ihren Höhepunkt in der „Oper aller Opern“, dem <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong><br />
von Lorenzo da Ponte <strong>und</strong> Wolfgang Amadé Mozart (Prag 1787; Wien 1788) – des<br />
Helden 2.065 Eroberungen füllen mittlerweile ein „non picciol libro“. Von Lissabon<br />
aus erreicht <strong>Don</strong> Juan in einer radikalen Adaption von Molières Schauspiel Südamerika<br />
(Rio de Janeiro, um 1776), als Londoner Pantomime Nordamerika (Philadelphia<br />
1792; New York 1793); im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert landet er in Afrika (Kapstadt 1814; Pantomime),<br />
Asien (Kalkutta 1820; Lord Byron) <strong>und</strong> Australien (Sydney 1834; Moncrieff ).<br />
Im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert erscheint <strong>Don</strong> Juan in fast allen künstlerischen Gattungen<br />
– verb<strong>und</strong>en mit einem Katalog klingender Namen: Schiller, Hoffmann, Berlioz,<br />
Grabbe, Lortzing, Platen, Chopin, Pacini, Pushkin, Balzac, Musset, Mérimée, Dumas<br />
d. Ä., Liszt, Kierkegaard, Zorilla, Lenau, Baudelaire, Flaubert, Hebbel, Tschaikowski,<br />
R. Strauss, Mahler, Verlaine, Shaw, Altenberg, Sternheim, Trakl, Busoni, Rilke,<br />
Zweig, Kästner, Hesse, Horváth, Camus, Broch, Frisch, Brecht, Anouilh, Auden,<br />
Escobar, Ustinov, Vidal – um nur einige zu nennen. Unter <strong>die</strong> Autoren des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
reihen sich <strong>die</strong> Nobelpreisträger Handke (Paris 2004) <strong>und</strong> Saramago (Lanzarote<br />
2005); eine der jüngsten Fassungen stammt aus Brasilien: <strong>Don</strong> Juan-<strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong><br />
– „Peça em dez jornadas“ von Marcus Accioly.<br />
Die <strong>Don</strong> Juan Stu<strong>die</strong>s widmen sich der Analyse <strong>die</strong>ser Figur mit ihrer mehr als vierh<strong>und</strong>ertjährigen<br />
Geschichte – gemäß der Vielfalt ihrer Erscheinungen aus einer interdisziplinären<br />
Perspektive.<br />
IX
VORWORT DER HERAUSGEBER<br />
Hans Ernst <strong>Weidinger</strong> kam bereits in jungen Jahren mit der Welt des Theaters in Berührung<br />
– er besuchte Opern- <strong>und</strong> Schauspielaufführungen vor allem in Wien <strong>und</strong><br />
Salzburg. Seine erste Begegnung mit <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> machte er als Siebenjähriger – im<br />
Mozart-Jahr 1956 – im Rahmen einer Schulaufführung an der Piaristen-Volksschule<br />
Maria Treu in der Wiener Josefstadt, in welcher er gemeinsam mit Schulkollegen zu<br />
den Klängen des Menuetts tanzte. Als Anerkennung für <strong>die</strong>sen Bühnenauftritt erhielt<br />
er <strong>die</strong> Gesamtaufnahme der Oper (mit George London in der Titelrolle, Hilde Zadek<br />
als <strong>Don</strong>na Anna <strong>und</strong> Sena Jurinac als <strong>Don</strong>na Elvira), deren Musik eine bleibende Faszination<br />
bewirkte.<br />
Das Interesse an Theater <strong>und</strong> Oper führte zum Studium der Theaterwissenschaften<br />
wie zur theaterpraktischen Auseinandersetzung mit Gesang <strong>und</strong> Dramatik. Nach<br />
ersten Regiearbeiten während seiner Stu<strong>die</strong>nzeit <strong>und</strong> mehreren Rollen in der alternativen<br />
Wiener Theater- <strong>und</strong> Filmszene wurde H. E. <strong>Weidinger</strong> 1986 eingeladen, auf<br />
Schloss St. Emmeram in Regensburg <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> zur Aufführung zu bringen: als<br />
Finale eines dreitägigen Festes, das Gloria von Thurn <strong>und</strong> Taxis zum 60. Geburtstag<br />
ihres Mannes Johannes (1926–1990, als Oberhaupt der Familie Fürst von Thurn <strong>und</strong><br />
Taxis genannt) veranstaltete. Damit war <strong>die</strong> Herausforderung verb<strong>und</strong>en, eine anlaßgemäße<br />
Bearbeitung der Oper herzustellen. Diese Aufgabe lenkte H. E. <strong>Weidinger</strong>s<br />
Interesse auf jene Fassungen des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>, <strong>die</strong> mit dessen Schöpfern Lorenzo da<br />
Ponte <strong>und</strong> Wolfgang Amadé Mozart in direktem Zusammenhang stehen (Prag 1787,<br />
Wien 1788, New York 1826); er erkannte <strong>die</strong> weitreichenden Implikationen der „Fassungsfrage“<br />
für <strong>die</strong> Geschichte <strong>die</strong>ser „Oper aller Opern“ (E.T.A. Hoffmann).<br />
Unzufrieden mit dem Stand der Forschung, beschloß H. E. <strong>Weidinger</strong> 1987 – im<br />
Jahr der 200. Wiederkehr der Uraufführung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> – seine Beschäftigung<br />
mit der Geschichte des <strong>Don</strong>-Juan-Stoffes auch wissenschaftlich fortzuführen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> zum Thema einer Dissertation am Institut<br />
für Theaterwissenschaft der Universität Wien zu wählen. Zu <strong>die</strong>sem Zweck baute er<br />
ein Archiv auf, das nicht nur alles relevante Material zu Da Pontes <strong>und</strong> Mozarts <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> (Bücher, Noten, Langspielplatten <strong>und</strong> CDs, Videos <strong>und</strong> DVDs) enthalten<br />
sollte, sondern auch alle Quellen zu den zahlreichen <strong>Don</strong>-Juan-Fassungen des 17. <strong>und</strong><br />
18. Jahrh<strong>und</strong>erts – dabei auch etliche Werke findend, <strong>die</strong> zuvor in der Forschung nicht<br />
rezipiert worden waren. Angefertigt wurden beachtliche Volumina an Papierkopien<br />
der <strong>Don</strong>-Juan-Stücke, ergänzt durch Mikrofilm- <strong>und</strong> Mikroficheausgaben von Textbüchern,<br />
einschlägige Forschungsliteratur sowie <strong>die</strong> wichtigsten Lexika <strong>und</strong> Bibliographien.<br />
So entstand das „<strong>Don</strong> Juan Archiv“.<br />
XI
Vorwort der Herausgeber<br />
Im Jahre 2002 schloss H. E. <strong>Weidinger</strong> seine Dissertation über <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte<br />
des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> ab – insgesamt 16 Bände, approbiert an der Universität<br />
Wien.1 Die Dissertation ist <strong>die</strong> Summe seiner langjährigen Beschäftigung mit <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> – sie enthält einen zwölfbändigen Anhang, welcher alle <strong>Don</strong>-Juan-Versionen<br />
des 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts (Schauspiele, Opern, Ballette/Pantomimen) zu dokumentieren<br />
versucht wie auch das Repertoire der Italienischen Oper in Prag von den<br />
Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Im Zuge seiner Recherchen kam<br />
H. E. <strong>Weidinger</strong> zum negativen Bef<strong>und</strong>, daß <strong>die</strong> vielfach wiederholte Erzählung, gemäß<br />
derer Mozart von seiner ersten Prag-Reise Anfang des Jahres 1787 mit einem<br />
Opernauftrag nach Wien zurückgekehrt sei, keineswegs stichhaltig belegt ist <strong>und</strong> im<br />
Widerspruch zu manchen Quellen steht. Ein Opernauftrag an Mozart könne nicht vor<br />
Anfang Mai 1787 ergangen sein. Für eine positive Rekonstruktion, wie sie in <strong>die</strong>ser<br />
Stu<strong>die</strong> vorgelegt wird, war <strong>die</strong> Zeit noch nicht reif.<br />
In der Folge stellte H. E. <strong>Weidinger</strong> <strong>die</strong> Sammlung der Forschung zur Verfügung.<br />
Er übertrug <strong>die</strong> Bestände zur weiteren wissenschaftlichen Nutzung dem Da Ponte<br />
Institut für Librettologie, <strong>Don</strong> Juan Forschung <strong>und</strong> Sammlungsgeschichte in Wien, dessen<br />
Mitbegründer <strong>und</strong> Förderer er war. Das Institut stand unter der Leitung von Herbert<br />
Lachmayer, <strong>und</strong> wurde wissenschaftlich von Reinhard Eisendle betreut. International<br />
renommiert wurde das Da Ponte Institut durch seine zahlreichen Ausstellungen, <strong>die</strong><br />
alle Da Ponte <strong>und</strong> Mozart zum Gegenstand hatten: beginnend mit drei Da Ponte Ausstellungen<br />
in der Wiener Staatsoper zu Figaro, <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> <strong>und</strong> Così fan tutte, 2003–<br />
2004,2 fortgeführt mit einer Ausstellung im Palazzo Reale in Mailand zur Wiedereröffnung<br />
des Teatro alla Scala im Jahre 2004 (Salieri sulle tracce di Mozart)3 bis hin zu den<br />
drei international vielbeachteten Wiener Ausstellungen des Mozartjahres: MOZART.<br />
1 Hans Ernst <strong>Weidinger</strong>: Il dissoluto punito. Untersuchungen zur äußeren <strong>und</strong> inneren Entstehungsgeschichte<br />
von Lorenzo da Pontes & Wolfgang Amadeus Mozarts <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>, 16 Bde. Phil. Diss., Universität<br />
Wien, 2002.<br />
2 Die drei Ausstellungen, kuratiert von Herbert Lachmayer <strong>und</strong> Reinhard Eisendle, bildeten <strong>die</strong><br />
Gr<strong>und</strong>lage für eine Publikation an der Columbia University in New York aus Anlass der 200-Jahr-<br />
Feierlichkeiten der Ankunft Lorenzo da Pontes in der Neuen Welt: Reinhard Eisendle <strong>und</strong> Herbert<br />
Lachmayer: Lorenzo Da Ponte. Opera and Enlightenment in Late 18th Century Vienna, published<br />
by the Da Ponte Institute/Vienna and the Italian Academy for Advanced Stu<strong>die</strong>s at the Columbia<br />
University. Vienna/Kassel/Basel/London/New York/Prag: Bärenreiter, 2005.<br />
3 Salieri sulle tracce di Mozart. Catalogo della mostra in occasione della riapertura del Teatro alla Scala il 7 dicembre<br />
2004 (3 dicembre–30 gennaio 2005), hg. von Herbert Lachmayer, Theresa Haigermoser <strong>und</strong><br />
Reinhard Eisendle. Kassel: Bärenreiter, 2004.<br />
XII
Reinhard Eisendle – Matthias J. Pernerstorfer<br />
Experiment Aufklärung in der Albertina,4 Lorenzo Da Ponte – Aufbruch in <strong>die</strong> Neue Welt<br />
im Jüdischen Museum,5 <strong>und</strong> eine Ausstellung über Mozart im ZOOM Kindermuseum.<br />
All <strong>die</strong>se Ausstellungen wie <strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Publikationen basierten auf<br />
dem vielfältigen F<strong>und</strong>us, den das <strong>Don</strong> Juan Archiv, vorübergehend dem Da Ponte<br />
Institut überantwortet, zur Verfügung stellte. Da der Leiter des Da Ponte Instituts<br />
plante, in weiterer Zukunft sich ausschließlich auf <strong>die</strong> Organisation von Ausstellungen<br />
zu konzentrieren, zumal auf Themen, welche wenig Berührungspunkte mit den<br />
ursprünglichen Plänen des <strong>Don</strong> Juan Archivs aufwiesen, beschloss man einvernehmlich,<br />
getrennte Wege zu gehen6 – <strong>die</strong> letzte gemeinsam geplante Veranstaltung war<br />
eine Tagung über Pietro Metastasio (abgehalten im Februar 2007), für welche H. E.<br />
<strong>Weidinger</strong> gemeinsam mit Reinhard Eisendle einen Beitrag über Metastasios Artaserse<br />
<strong>und</strong> Da Pontes <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> beisteuerte.7<br />
Mit dem Ende der Kooperation im Jahre 2006 übertrug H. E. <strong>Weidinger</strong> <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />
wie wirtschaftliche Nutzung der Hollitzer Baustoffwerke Graz GmbH,<br />
<strong>die</strong> eine entsprechende Forschungsabteilung einrichtete <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sammlung unter der<br />
Leitung von Michael Hüttler 2007 als „<strong>Don</strong> Juan Archiv Wien Forschungsverlag“ öffentlich<br />
zugänglich machte (www.donjuanarchiv.at). Es war geplant, dass das <strong>Don</strong><br />
Juan Archiv alle relevanten Veröffentlichungen selbst übernehmen sollte. Das verlegerische<br />
Engagement gewann jedoch neben den theater- <strong>und</strong> musikhistorischen Projekten<br />
immer mehr Eigenständigkeit, was im Jahre 2010 zur Trennung von Forschung<br />
<strong>und</strong> Publikation durch <strong>die</strong> Gründung des Hollitzer Wissenschaftsverlags (seit 2016<br />
Hollitzer Verlag) führte. Michael Hüttler wurde Verlagschef; in der Leitung des<br />
<strong>Don</strong> Juan Archivs Wien, das den Namenszusatz „Forschungsverlag“ ablegte, folgte<br />
Matthias J. Pernerstorfer.<br />
4 Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Katalogbuch zur Mozart-<br />
Ausstellung des Da Ponte Instituts in der Albertina in Wien (17. März bis 20. September 2006), hg. von<br />
Herbert Lachmayer (Ostfildern: Hatje Cantz Verlag, 2006), sowie Mozart. Experiment Aufklärung<br />
im Wien des ausgehenden 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Essayband zur Mozart-Ausstellung des Da Ponte Instituts in der<br />
Albertina in Wien (17. März bis 20. September 2006), hg. von Herbert Lachmayer (Ostfildern: Hatje<br />
Cantz Verlag, 2006).<br />
5 Anlässlich <strong>die</strong>ser Ausstellung erschien Werner Hanak (Hg.): Lorenzo Da Ponte. Aufbruch in <strong>die</strong> Neue<br />
Welt. Ostfildern: Hatje Kanz, 2006.<br />
6 Das Da Ponte Institut wurde Ende des Jahres 2008 aufgelöst.<br />
7 Die Beiträge <strong>die</strong>ser Tagung erschienen in einer Reihe des <strong>Don</strong> Juan Archivs: Francesco Cotticelli<br />
<strong>und</strong> Reinhard Eisendle (Hg.): Il giovane Metastasio – Der Junge Metastasio. Wien: Hollitzer Verlag,<br />
2021 (= Specula Spectacula 9).<br />
XIII
Vorwort der Herausgeber<br />
H. E. <strong>Weidinger</strong> fungierte weiterhin als Spiritus Rector <strong>und</strong> war Co-Herausgeber<br />
mehrerer Reihen des <strong>Don</strong> Juan Archivs: Bibliographica, Summa Summarum, Theatralia,<br />
Ottomania <strong>und</strong> deren Subserie Ottoman Empire and European Theatre, Specula Spectacula<br />
sowie des Online-Journals TheMA. Die ersten fünf Bände Ottoman Empire & European<br />
Theatre gab er gemeinsam mit Michael Hüttler heraus, Europa Cristiana ed Impero Ottomano:<br />
Momenti e Problematiche – eine Kooperation mit dem Pontificio Comitato di<br />
Scienze Storiche – gemeinsam mit Agostino Borromeo <strong>und</strong> Pierantonio Piatti.8 Culture<br />
and Diplomacy: Ambassadors as Cultural Actors in Ottoman-European Relations from the<br />
16th to the 19th Century,9 der kurz vor der Drucklegung stehende Band 1 der Reihe<br />
Diplomatica, trägt deutlich seine Handschrift.10<br />
Als Entrepreneur in alter Familientradition – eingespannt zwischen wirtschaftlichen<br />
Verpflichtungen <strong>und</strong> künstlerisch-wissenschaftlichen Projekten – fand H. E.<br />
<strong>Weidinger</strong> nur selten <strong>die</strong> notwendige Muße, sich über einen längeren Zeitraum der<br />
<strong>Don</strong>-Juan-Forschung zu widmen. Möglich war das insbesondere im Zusammenhang<br />
mit den drei <strong>Don</strong> Juan Days am 5./6. November 201011 <strong>und</strong> am 18./19. Mai 201212 in<br />
Wien sowie am 10. Juni 2014 in New York. Der Titel <strong>die</strong>ser Veranstaltung lautete:<br />
„Power and Seduction. The Tre Drammi by Da Ponte printed in New York 1826:<br />
Figaro, <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> and Axur“. Die Vorbereitungen dazu lieferten den Schlüssel zu<br />
einem neuen Blick auf <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte: Anlässlich der New Yorker Aufführung<br />
des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> im Jahre 1826 durch <strong>die</strong> Operntruppe des Manuel Garcia<br />
kam Da Ponte wieder in Berührung mit der Opernwelt – unter seiner Ägide erschienen<br />
zwei Librettodrucke des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>: einer für das Theaterpublikum, mit einer<br />
begleitenden englischen Übersetzung des Textes durch Da Pontes Sohn Lorenzo<br />
Luigi, <strong>und</strong> einer, nur in der italienischen Originalsprache, im Rahmen einer Edition<br />
von drei Operntexten Da Pontes, in den Tre drammi gemeinsam mit Le nozze di Figaro<br />
<strong>und</strong> Axur, re d’ Ormus, geschrieben für Antonio Salieri in zeitlicher Nähe zum <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong>. Das Titelblatt <strong>die</strong>ser <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>-Edition enthält den entscheidenden Hinweis:<br />
„Composto da lui [Da Ponte] per la [sic] Nozze del Principe Antonio di Sassonia<br />
8 Agostino Borromeo, Pierantonio Piatti <strong>und</strong> Hans Ernst <strong>Weidinger</strong> (Hg.): Europa cristiana e Impero<br />
Ottomano. Momenti e Problematiche. Citta del Vaticano: Libreria Editrice Vaticana / Wien: Hollitzer<br />
Verlag, 2020 (= Atti e Documenti 56 / Ottomania 9).<br />
9 Reinhard Eisendle, Suna Suner <strong>und</strong> Hans Ernst <strong>Weidinger</strong> (Hg.): Culture and Diplomacy. Ambassadors<br />
as Cultural Actors in Ottoman-European Relations from the 16th to the 19th Century. Wien: Hollitzer<br />
Verlag, in Druck (= Diplomatica 1 / Ottomania 11).<br />
10 Zur gesamten Publikationstätigkeit des <strong>Don</strong> Juan Archivs siehe <strong>Don</strong> Juan Archiv Wien: Publikationen,<br />
hg. von Matthias J. Pernerstorfer. Wien: Hollitzer Verlag, 2023.<br />
11 Titel: „‚Viva la libertà‘. The Dissoluto punito’s Genesis and First Stagings (1787–1788)“.<br />
12 Titel: „<strong>Don</strong> Juan zwischen Verbot <strong>und</strong> Befehl. Rechtliche Rahmenbedingungen der erbländischen<br />
Theaterproduktion im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert“.<br />
XIV
Reinhard Eisendle – Matthias J. Pernerstorfer<br />
– Colla Principessa M. Teresa Figlia | dell’ Impr. Leopoldo.“ – eine Information, <strong>die</strong><br />
nur auf Da Ponte zurückgehen konnte.<br />
Der Konnex zwischen der geplanten Uraufführung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> mit der<br />
Hochzeitsreise der Erzherzogin Maria Teresa – älteste Tochter von Leopold, Großherzog<br />
von Toskana, Nichte Kaiser Josephs II. <strong>und</strong> Braut des Bruders des sächsischen<br />
Kurfürsten – ist zwar bekannt durch das erste in Wien gedruckte Libretto des <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> (nur in einem einzigen Exemplar überliefert) sowie durch Mozarts Brief an<br />
Gottfried von Jacquin aus Prag, in welchem er dem Wiener Fre<strong>und</strong> berichtet, daß wegen<br />
angeblicher Überforderung der Sänger <strong>die</strong> Uraufführung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> nicht<br />
wie geplant anlässlich des Aufenthalts der Prinzessin in Prag stattfinden konnte. Doch<br />
folgte <strong>die</strong> Forschung <strong>die</strong>ser Spur bislang nicht systematisch.<br />
Aufbauend auf umfangreichen Recherchen von Meike Wilfing-Albrecht in Wien<br />
<strong>und</strong> Dresden, <strong>die</strong> im Auftrag des <strong>Don</strong> Juan Archivs Transkriptionen der relevanten<br />
Briefe zwischen dem Wiener, Florentiner <strong>und</strong> Dresdner Hof erstellte, rekonstruierte<br />
H. E. <strong>Weidinger</strong> den langwierigen Prozess der dynastischen Planungen, ein Prozess,<br />
an dem Kaiser Joseph II. von Anbeginn federführend beteiligt war, mit Akribie <strong>und</strong><br />
Scharfsinn. Diese Analyse zeigte, daß Da Pontes Statement am Titelblatt des New<br />
Yorker <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>-Librettos der Tre drammi durchaus korrekt war: der Kaiser hatte<br />
Prag als Hochzeitsort auserkoren, ein Plan, der drei Monate lang verfolgt wurde <strong>und</strong><br />
der in einen Zeitraum fällt, in dem laut H. E. <strong>Weidinger</strong>s Bef<strong>und</strong> <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte<br />
des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> ihren Anfang nehmen mußte. Dies machte den Weg frei für<br />
eine völlig neue Betrachtungsweise <strong>und</strong> öffnete den Raum für eine neue Interpretation<br />
auch der bekannten Dokumente.<br />
In der letzten intensiven Arbeitsphase bis Sommer 2018 brachte H. E. <strong>Weidinger</strong><br />
seine Stu<strong>die</strong> zu einem vorläufigen Abschluss. Da er bereits große weiterführende Pläne<br />
im Hinterkopf hatte, kam es zu keiner definitiven Fassung für <strong>die</strong> Drucklegung, doch<br />
war <strong>die</strong> Arbeit sehr weit ge<strong>die</strong>hen. Da wir uns nach dem unerwarteten Tod von Hans<br />
Ernst <strong>Weidinger</strong> am 24. Februar 2023 bewusst waren, dass es eine Unmöglichkeit wäre,<br />
eine ideale Fassung <strong>die</strong>ses Buches zu erarbeiten, entschieden wir uns dafür, keine Ergänzungen<br />
<strong>und</strong> Weiterführungen vorzunehmen <strong>und</strong> auch vom Einarbeiten neuerer<br />
Forschungsliteratur Abstand zu nehmen.13 Wir unterzogen <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> einem sensiblen<br />
13 Einen intensiven Austausch in Fragen der Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> gab es zwischen<br />
H. E. <strong>Weidinger</strong> <strong>und</strong> Ian Woodfield, der in drei seiner Werke auf H. E. <strong>Weidinger</strong>s Ansätze<br />
Bezug nimmt: zunächst in der Stu<strong>die</strong> über <strong>die</strong> Wiener Erstaufführung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> (Woodbridge:<br />
Boydell Press, 2010) dann in Performing Operas for Mozart – Impresarios, Singers and Troupes<br />
(Cambridge University Press, 2012 – der Band ist H. E. <strong>Weidinger</strong> gewidmet) <strong>und</strong> schließlich<br />
Cabals & Satires. Mozart’s Comic Operas in Vienna (Oxford University Press, 2019). Der letztgenannte<br />
Band erschien, nachdem H. E. <strong>Weidinger</strong> <strong>die</strong> Arbeit am <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> vorläufig ad acta<br />
gelegt hatte. Das Kapitel „Dynastic Alliances. The Genesis of <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>“ hätte ihn bei der<br />
XV
Vorwort der Herausgeber<br />
Endlektorat <strong>und</strong> bebilderten sie. Da <strong>die</strong>se, wie es sich über <strong>die</strong> Jahre bestens eingespielt<br />
hatte, in regem Austausch zwischen Autor <strong>und</strong> uns Herausgebern entstanden war,<br />
konnten wir den redaktionellen Prozess zügig zum Abschluss bringen. Ob <strong>und</strong> in welcher<br />
Form <strong>die</strong> langfristigen Pläne zu einer detaillierten Darstellung <strong>und</strong> Analyse der<br />
Brautreise von Florenz bis Dresden samt Dokumentenbänden realisiert werden können,<br />
wird <strong>die</strong> Zukunft weisen. Wichtiger aber ist, dass <strong>die</strong>se quellen- wie geistreiche<br />
Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> von H. E. <strong>Weidinger</strong><br />
hiermit der Forschung zur Verfügung steht. Glück auf!<br />
Reinhard Eisendle & Matthias J. Pernerstorfer<br />
Wien, 29. Juli 2023<br />
Wiederaufnahme seiner Arbeit sicherlich zu umfassenden Kommentaren angeregt. Gefreut hätte<br />
ihn, dass <strong>die</strong> von Joseph II. geplante „Prager Hochzeit“ nunmehr eine zentrale Bezugsgröße für<br />
<strong>die</strong> Analyse der Entstehung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> darstellt.<br />
XVI
1826: „per le nozze“<br />
PROLOG<br />
1
2<br />
Prolog
PROLOG<br />
1826: „PER LE NOZZE“<br />
Mehr als zwanzig Jahre nach seiner Emigration in <strong>die</strong> Vereinigten Staaten im Jahre<br />
1805 kam Lorenzo da Ponte, der zuvor als Dichter des Londoner King’s Theatre am<br />
Haymarket tätig gewesen war, erneut mit der Welt des Theaters in Berührung. Im<br />
Jahre 1826 wurde in New York von der Truppe des Manuel Garcia (1775–1832) im Park<br />
Lane Theatre Da Pontes <strong>und</strong> Mozarts <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> aufgeführt (15. Mai) – <strong>die</strong> erste<br />
Aufführung in den Vereinigten Staaten in italienischer Sprache. Im selben Jahr erschienen<br />
in New York zwei Textdrucke des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>, beide vom Dichter selbst betreut<br />
<strong>und</strong> autorisiert: der eine mit einer englischen Übersetzung von Da Pontes zweitältestem<br />
<strong>und</strong> damals noch lebenden ältestem Sohn Lorenzo Luigi (1804–1840) <strong>die</strong>nte als<br />
Begleitprogramm für <strong>die</strong> New Yorker Aufführung,1 der andere, ein rein italienischsprachiger<br />
Druck, erschien im Rahmen der von Da Ponte so genannten Tre Drammi,2<br />
gemeinsam mit Le nozze di Figaro, uraufgeführt am Wiener Burgtheater am 1. Mai<br />
1786, <strong>und</strong> Assur, re d’ Ormus mit Musik von Antonio Salieri (1750–1825), uraufgeführt<br />
am selben Theater am 8. Jänner 1788.<br />
Die beiden New Yorker Textdrucke des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> wenden sich an eine unterschiedliche<br />
Leserschaft: der erstgenannte New Yorker Druck an das zum größten Teil<br />
der italienischen Sprache nicht mächtige Theaterpublikum als hilfreiche Begleitung<br />
der Aufführung, <strong>die</strong> Tre Drammi an eine <strong>die</strong> italienische Sprache beherrschende <strong>und</strong> an<br />
italienischer Literatur interessierte Leserschaft. Während <strong>die</strong> Dramentexte in beiden<br />
Ausgaben identisch sind,3 unterscheiden sich <strong>die</strong> beiden Drucke in der Gattungsbe-<br />
1 IL | DON GIOVANNI, | DRAMMA BUFFO, | IN DUE ATTI. | DI LORENZO DA PONTE.<br />
| DA PARTE POETICA DELLA TRADUZIONE DA | L. DA PONTE, JUN. | NOVA-JORCA:<br />
| STAMPATO DA GIOVANNI GRAY & CO. | 1826. Über Leben <strong>und</strong> Familie von Lorenzo<br />
Luigi da Ponte, der mit Cornelia Durant, einer Nichte von President James Monroe, verheiratet<br />
war, siehe Patricia G. McNeely, Debra Reddin van Tyull <strong>und</strong> Henry H. Schulte: Knights of the<br />
Quill: Confederate Correspondents and Their Civil War Reporting. West Lafayette (Indiana): Purdue<br />
University Press, 2010, S. 381.<br />
2 LE NOZZE DI FIGARO, | IL DON GIOVANNI, | E | L’ASSUR RE’ D’ORMUS; | TRE<br />
DRAMMI | DI | LORENZO DA PONTE. | – | Ripubblicati a New-York, l’anno 1826, | E DEDICA-<br />
TI AL | GELSOMINO, | ALLA | ROSA, | ED ALLO | AMARANTO. | – | TRE LEGGIADRIS-<br />
SIMI FIORI | DEL SUO | TOSCANO GIARDINO. | – | STAMPATORE GIOVANNI GRAY<br />
E CO. | 1826.<br />
3 Mit einer offensichtlich fehlerbasierten Ausnahme: bei der das Libretto beschließenden Szenenanweisung:<br />
„(Lep. Fugge.)“ fehlt in der Textausgabe der Tre Drammi das Verb. Gemäß der rein<br />
literarischen Ausgabe der Librettotexte der Tre Drammi enthält das Personenverzeichnis – im<br />
3
Prolog<br />
Abb. 1: Titelblatt von Lorenzo da Pontes Tre Drammi. Nova-Jorca:<br />
Stampatori <strong>Giovanni</strong> Gray e Co., 1826. Brown University Library,<br />
Harris Collection of American Poetry and Plays (76 D212w).<br />
4
1826: „per le nozze“<br />
zeichnung der Oper, dabei Begriffe verwendend, <strong>die</strong> in den Librettodrucken der Prager<br />
Uraufführung 1787 <strong>und</strong> der Wiener Erstaufführung 1788 (stets „Dramma giocoso“)<br />
nicht Verwendung finden: in der Ausgabe für das New Yorker Theaterpublikum<br />
wird der <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> als „Dramma buffo“, in der Ausgabe der Tre drammi als „Dramma<br />
eroicomico“ bezeichnet. Darüber hinaus unterscheidet sich das Frontispiz der beiden<br />
New Yorker Textdrucke noch in anderer, höchst bemerkenswerter Form: <strong>die</strong><br />
Ausgabe der Tre Drammi enthält jene Angabe, <strong>die</strong> das Thema der vorliegenden Stu<strong>die</strong><br />
bildet:<br />
IL | DON GIOVANNI, | DRAMMA EROICOMICO, |<br />
DI | LORENZO DA PONTE, |<br />
Composto da lui per la [sic] Nozze del Principe Antonio di | Sassonia—<br />
Colla Principessa M. Teresa Figlia | dell’ Impr. Leopoldo.<br />
| – |<br />
E MESSO IN MUSICA DALL’ IMMORTALE | V. MOZZART.<br />
| – |<br />
NOVA-JORCA: | STAMPATORI GIOVANNI GRAY & CO. | – | 1826.<br />
Eine höchst erstaunliche Angabe an markanter Stelle des Librettodruckes, vom Dichter<br />
des Dramas autorisiert. Dies ist bemerkenswert, weil Da Ponte weder in seinen<br />
vorangegangenen noch in seinen nachfolgenden Schriften Erwähnung macht, daß <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> von ihm als ‚Hochzeitsoper‘ geschrieben worden wäre.<br />
Die auf dem Frontispiz genannte „Principessa M[aria]. Teresa“ (1767–1827) war<br />
eine Nichte Kaiser Josephs II. (1741–1790, r.1765–1790) <strong>und</strong> Tochter des Großherzogs<br />
Leopold von Toskana (1747–1792, r.1765–1790), der nach dem Tode Josephs II. im Jahre<br />
1790 seinem Bruder als Kaiser Leopold II. (r.1790–1792) nachfolgen sollte. Der genannte<br />
„Principe Antonio di Sassonia“ (1755–1836) war Bruder des sächsischen Kurfürsten<br />
Friedrich August III. (1750–1827) <strong>und</strong>, da <strong>die</strong>ser kinderlos war, Erbe des sächsischen<br />
Throns. Durch Mozarts Brief vom 15. Oktober 1787 aus Prag an Gottfried von<br />
Jacquin in Wien4 wie durch das Auffinden des ersten Wiener Librettodruckes des <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong>5 sind <strong>die</strong> Namen der beiden Brautleute mittlerweile in <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte<br />
der Oper eingegangen.<br />
Unterschied zum vorangehenden New Yorker Aufführungsdruck – keine Angaben zu den Sängern.<br />
4 Brief von Mozart aus Prag an Gottfried von Jacquin in Wien, 15. Oktober 1787, in: Mozart. Briefe<br />
<strong>und</strong> Aufzeichnungen, Gesamtausgabe, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg,<br />
gesammelt <strong>und</strong> erläutert von Wilhelm A. Bauer <strong>und</strong> Otto Erich Deutsch, Bd. IV: 1787–1857.<br />
Kassel/Basel/Paris/London/New York: Bärenreiter, 1963, Nr. 1069, S. 54.<br />
5 IL | DISSOLUTO | PUNITO. | O SIA | IL D. GIOVANNI. | DRAMMA GIOCOSO | IN DUE<br />
5
Prolog<br />
Abb. 2: Porträt Maria Theresia, Erzherzogin von Toscana. Kupferstich. Österreichische<br />
Nationalbibliothek, Bildarchiv <strong>und</strong> Grafiksammlung (PORT_00050061_01).<br />
6
1826: „per le nozze“<br />
Beiden Quellen zufolge war geplant, <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> in Prag anläßlich der Ankunft der<br />
auf dem Weg von Florenz nach Dresden befindlichen Erzherzogin Maria Teresa zur<br />
Uraufführung zu bringen. Eine theatrale Gala zu Ehren einer hohen reisenden Braut<br />
des Kaiserhauses, wie es eine solche auch am 1. Oktober in der Residenzstadt Wien<br />
gegeben hatte: L’ arbore di Diana, ebenfalls von Da Ponte verfaßt <strong>und</strong> in Musik gesetzt<br />
von Vincenzo Martini (Vicente Martín y Soler, 1754–1806),6 geschrieben, wie Da Ponte<br />
in den Memorie erzählt, parallel zu <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> <strong>und</strong> Axur.7<br />
Doch zu der für den 14. Oktober 1787 projektierten Aufführung des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong><br />
zu Ehren des Aufenthalts der Erzherzogin in Prag kam es nicht – stattdessen wurde<br />
bekanntlich Da Pontes <strong>und</strong> Mozarts Figaro gegeben. Von einer „für eine Hochzeit“<br />
konzipierten Oper, wie Da Ponte explizit am Frontispiz des New Yorker Librettos<br />
behauptet, ist dabei allerdings nirgends <strong>die</strong> Rede. So scheint Da Pontes Angabe prima<br />
vista befremdlich, denn <strong>die</strong> Hochzeit selbst wurde am 11. September in Florenz per<br />
procuram <strong>und</strong> am 18. Oktober in Dresden gefeiert, an beiden Orten unter Einsatz von<br />
musikdramatischen Werken, geschrieben für den speziellen Anlaß – ‚composte per le<br />
nozze‘.<br />
Da Pontes Angabe auf dem New Yorker Frontispiz, <strong>die</strong> – wie <strong>die</strong> Tre Drammi<br />
selbst – bislang im akademischen Diskurs kaum wahrgenommen wurde, mag vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> der traditionellen Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> somit in doppelter<br />
Weise dubios, ja irrig erscheinen:<br />
— aufgr<strong>und</strong> der anscheinend fehlenden Möglichkeit, eine ‚Hochzeitsoper‘ in Prag<br />
oder Wien überhaupt aufzuführen;<br />
ATTI. | DA RAPPRESENTARSI | NEL TEATRO DI PRAGA | PER L’ ARRIVO DI SUA<br />
ALTEZZA REALE | MARIA TERESA | ARCIDUCHESSA D’ AUSTRIA: SPOSA | DEL<br />
SER. PRINCIPE ANTONIO DI SASSONIA | L’ ANNO 1787. | IN VIENNA. Einziges bekanntes<br />
Exemplar im Archiv der Gesellschaft der Musikfre<strong>und</strong>e in Wien, Sign. 6240/Tb/2.<br />
6 L’ ARBORE | DI DIANA. | DRAMMA GIOCOSO | IN DUE ATTI. | DA RAPPRESENTAR-<br />
SI | PER L’ ARRIVO | DI | SUA ALTEZZA REALE | MARIA TERESA | ARCIDUCHESSA<br />
D’ AUSTRIA: SPOSA DEL | PRINCIPE ANTONIO DI SASSONIA. | IN VIENNA. | PRES-<br />
SO GIUSEPPE NOB. DE KURZBEK | STAMPATORE DI S.M.I.R. Der Druck der Uraufführung<br />
fehlt im Catalogo Sartori; das herangezogene Exemplar befindet sich in der Musiksammlung<br />
der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, Sign. 641.432 A.<br />
7 Lorenzo da Ponte: Memorie di Lorenzo da Ponte, da Ceneda in tre Volumi. Scritte da Esso. Seconda Edizione<br />
Corretta, Ampliata e Accresciuta d’ un intero Volume. E di Alcune Note. Pubblicate<br />
dall’ Autore.<br />
I. Volume, Parte 1ma; I. Volume, Parte II.; II. Volume, Parte Ima. Nuova Jorca: Gray & Bunce<br />
1829;<br />
II. Volume, Parte II. Nuova Jorca: Gray & Bunce 1830;<br />
III. Volume, Parte Ima; II. Parte del III Volume, Saggi Poetici di Lorenzo da Ponte. Libera Traduzione<br />
della Profezia di Dante. Di Lord Byron. Terza Editione, con Note Pe’ Miei Allievi. Nuova Jorca: John<br />
H. Turney 1830.<br />
7
Prolog<br />
— weil <strong>die</strong> Angabe „composto da lui per le nozze“ der traditionellen Geschichtsschreibung<br />
widerspricht, wonach <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> aufgr<strong>und</strong> eines schon im Jänner<br />
oder Februar 1787 erteilten Auftrags des Prager Theaterunternehmers Pasquale<br />
Bondini geschrieben worden wäre (als <strong>die</strong> Hochzeit noch gar nicht definitiv vereinbart<br />
war).<br />
Traditionell wird in der Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> der projektierten<br />
Prager ‚Galaveranstaltung‘ für <strong>die</strong> durchreisende Braut niemals konstitutive Bedeutung<br />
zugemessen, sondern sie wird – wenn auch selten explizit thematisiert – als Ergebnis<br />
eines Zufalls gesehen, der <strong>die</strong> hohe Braut just zu jenem Zeitpunkt durch Prag<br />
führte, der mit dem Theaterunternehmer Bondini für <strong>die</strong> Uraufführung einer neuen<br />
Oper akkor<strong>die</strong>rt gewesen war.<br />
Warum aber hätte dann Da Ponte eine solche Angabe an so exponierter Stelle wie<br />
das Frontispiz gesetzt? Bezog sich ihr faktischer Hintergr<strong>und</strong> lediglich auf<br />
„per l’ arrivo di<br />
Sua Altezza Reale Arciduchessa d’ Austria Maria Teresa,<br />
sposa del<br />
Ser. Principe Antonio di Sassonia“,<br />
was vom alten Da Ponte zu „per le nozze“ ‚umgedichtet‘ worden wäre, etwa weil er<br />
<strong>die</strong>s für das amerikanische Publikum als eingänglicher ansah, oder weil er meinte, damit<br />
seine ehemalige Bedeutung im gesellschaftlichen wie kulturellen Kontext der<br />
Alten Welt noch deutlicher hervorstreichen zu können? Wäre <strong>die</strong>s der Fall gewesen,<br />
stellt sich allerdings <strong>die</strong> Frage, warum der Dichter dazu ausgerechnet <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong><br />
gewählt haben sollte, der letztlich weder zu einer Hochzeit noch zu Ehren einer<br />
durchreisenden Braut des Erzhauses uraufgeführt worden war? Besser hätte sich zu<br />
<strong>die</strong>sem Zweck Axur geeignet, der am 8. Jänner 1788 de facto zu einer Hochzeit in kaiserlichem<br />
Gepränge gegeben wurde: zur Vermählung der Prinzessin Elisabeth von<br />
Württemberg (1767–1790) mit dem Bruder der Prinzessin von Toskana, Erzherzog<br />
Franz (1768–1835), Josephs II. präsumtiven Thronfolger, <strong>und</strong> später Kaiser des Heiligen<br />
Römischen Reiches als Franz II. (1792–1806) <strong>und</strong> von Österreich als Franz I.<br />
(1804–1835). Auf dem Frontispiz des Axur in den Tre Drammi jedenfalls findet sich<br />
keine solche Angabe.<br />
Während meiner langjährigen Beschäftigung mit der inneren <strong>und</strong> äußeren Entstehungsgeschichte<br />
des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>8 war mir das in den Tre Drammi enthaltene New<br />
Yorker Libretto noch nicht bekannt. Deshalb unternehme ich nun den Versuch, Da<br />
8 Hans Ernst <strong>Weidinger</strong>: Il dissoluto punito. Untersuchungen zur äußeren <strong>und</strong> inneren Entstehungsgeschich-<br />
8
1826: „per le nozze“<br />
Pontes höchst bemerkenswerte Angabe im Rahmen meiner damaligen Bef<strong>und</strong>e zur<br />
Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> auf Stichhaltigkeit zu überprüfen respektive<br />
unter Einbeziehung meiner anschließenden Forschungen zu interpretieren. Die folgende<br />
Stu<strong>die</strong> schließt an meine Dissertation unmittelbar an – jedoch mit neuer Fokussierung:<br />
Die Hypothese einer Hochzeitsoper für Prag – wie sie Da Ponte am Frontispiz<br />
des New Yorker Librettos postuliert – habe ich in meiner Dissertation nicht verfolgt,<br />
sie wäre mir damals trotz einiger Hinweise im Briefverkehr zwischen Joseph II. <strong>und</strong><br />
seinem Bruder Leopold als zu kühn erschienen. Meine damalige Arbeit war – sofern<br />
sie <strong>die</strong> äußere Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> betrifft – eine radikale Kritik<br />
der seit Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>ert verbreiteten Darstellung, wonach Mozart nach seiner<br />
ersten Prag-Reise im Jänner 1787 mit einem Opernauftrag nach Wien zurückgekehrt<br />
wäre. Wie eine alternative Entstehungsgeschichte zu konzipieren wäre, war auf<br />
Basis meiner damaligen Analyse nicht deduzierbar: mit einer relevanten Ausnahme –<br />
gemäß meiner Dissertation war es sehr unwahrscheinlich, daß ein wie immer gearteter<br />
Auftrag für den <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> vor Mai 1787 erfolgt sein konnte. Darüber hinausgehend<br />
unternehme ich nunmehr in der vorliegenden Stu<strong>die</strong> den Versuch, aufgr<strong>und</strong> einer<br />
maßgeblich erweiterten Analyse der Hochzeitsplanungen zwischen Wien, Florenz<br />
<strong>und</strong> Dresden eine alternative Entstehungsgeschichte zu entwerfen; <strong>die</strong>s auf Basis von<br />
nunmehr neuen Rahmenbedingungen, womit auch bislang bekannte Phänomene<br />
einer neuen Interpretation unterzogen werden können.<br />
Im ersten Teil der Stu<strong>die</strong> („Weder Auftrag aus Prag noch Reise nach London“)<br />
wird <strong>die</strong> Argumentation meiner Dissertation nachgezeichnet <strong>und</strong> erweitert, wonach<br />
aus vielfältigen Gründen <strong>die</strong> kolportierte These vom Prager Opernauftrag des Jänner<br />
1787 in Konflikt gerät zu bekannten <strong>und</strong> weniger bekannten zeitgenössischen Zeugnissen<br />
– <strong>die</strong>s sowohl im Hinblick auf <strong>die</strong> damaligen Dispositionen der Prager Operntruppe<br />
als auch in Bezug auf Mozarts damalige Lebensperspektiven. Dies schafft <strong>die</strong><br />
Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Neukonstituierung der Entstehungsgeschichte <strong>und</strong> definiert neue<br />
zeitliche Rahmenbedingungen.<br />
Im zweiten Teil („Die Florentiner Braut“) schaffe ich eine weitere Gr<strong>und</strong>lage für<br />
<strong>die</strong> Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> durch <strong>die</strong> bislang<br />
ausstehende umfassende Analyse der Planungen für <strong>die</strong> Hochzeit der Nichte<br />
Josephs II., in welche der Kaiser von Anbeginn involviert war – beginnend mit den<br />
Optionen des Jahres 1780 bis hin zur definitiven Orientierung auf den sächsischen<br />
Hof. Die Analyse konzentriert sich auf das dynastisch strategische Wechselspiel zwischen<br />
Wien, Florenz <strong>und</strong> Dresden – wie schon allein <strong>die</strong> Kenntnis des ersten Wiener<br />
Textbuches nahelegt, ist <strong>die</strong>se Geschichte konstitutiver Bestandteil der Entstehungste<br />
von Lorenzo da Pontes & Wolfgang Amadeus Mozarts <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>, 16 Bde. Phil. Diss., Universität<br />
Wien, 2002.<br />
9
Prolog<br />
Abb. 3: Joseph II. als Heiratsvermittler: Das Glück der Zukunft. Ra<strong>die</strong>rung von Quirin Mark nach<br />
einer Zeichnung von Johann Hieronymus Löschenkohl anlässlich der Vermählung des späteren<br />
Kaisers Franz II. mit Elisabeth Wilhelmine, Prinzessin von Württemberg, um 1788. Österreichische<br />
Nationalbibliothek, Bildarchiv <strong>und</strong> Grafiksammlung (Pk 5074 POR MAG).<br />
10
1826: „per le nozze“<br />
geschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>. Durch <strong>die</strong> vielfältige Korrespondenz zwischen den<br />
Höfen in Wien, Florenz <strong>und</strong> Dresden lassen sich einzelne Phasen der Hochzeitsplanung<br />
exakt rekonstruieren. Für <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> substantiell<br />
ist das höchstpersönliche Projekt des Kaisers, Prag als Ort der Hochzeit (per<br />
procuram) auszuersehen, ein Projekt, das über drei Monate als Planungsgr<strong>und</strong>lage fungierte,<br />
um im Laufe des Juli 1787 aufgr<strong>und</strong> neuer Konstellationen wieder aufgegeben<br />
zu werden. Dieser zweite Teil dokumentiert den Planungsprozess bis zu <strong>die</strong>sem Zeitraum,<br />
nach welchem Prag zur bloßen „Durchgangsstation“ wurde.<br />
Im dritten Teil („Da Ponte, Mozart <strong>und</strong> <strong>die</strong> Teatri Imperiali“) werden Da Pontes<br />
Darstellungen der Geschichte des <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong> in seinen autobiographischen Schriften<br />
analysiert – <strong>die</strong>s führt zu dem wesentlichen Ergebnis, daß <strong>die</strong> Planung des <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> in einen Zeitraum fallen musste, in welchem am Wiener Hof das Projekt einer<br />
Prager Hochzeit verfolgt wurde. Darauf aufbauend werden im zweiten Abschnitt<br />
des dritten Teils jene Konstellationen analysiert, welche als wesentliche, derzeit beschreibbare<br />
Parameter für ein solches Projekt anzusehen sind. Der dritte Abschnitt<br />
<strong>die</strong>ses Teils geht der Frage nach, welche Konsequenzen sich durch <strong>die</strong> Absage des Prager<br />
Hochzeits-Projekts ergeben haben – unter Einbeziehung der Analysen von Ian<br />
Woodfields The Vienna <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>,9 wonach der Autor unter anderem in Erwägung<br />
zieht, daß kurzfristig <strong>die</strong> Wiener Hofoper als Ort der Uraufführung anvisiert wurde.<br />
Der vierte Teil <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> („Brautreise: Florenz – Wien – Prag – Dresden“) befasst<br />
sich mit der definitiven Brautreise von Florenz in <strong>die</strong> sächsische Residenzstadt,<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> gegenüber der ursprünglichen Planung wesentlich veränderten Rahmenbedingungen,<br />
<strong>die</strong> dazu führten, daß der Aufenthalt in Prag auf einen Tagesaufenthalt<br />
verkürzt wurde, daß geplante „Festins“ gestrichen wurden, <strong>und</strong> daß letztlich <strong>Don</strong><br />
<strong>Giovanni</strong> nicht einmal als Galaveranstaltung für <strong>die</strong> durchreisende fürstliche Braut gegeben<br />
werden konnte.<br />
Der fünfte Teil („Mozart in Prag“) befaßt sich mit einer im Zuge der vorgängig<br />
gewonnenen Erkenntnisse neuen Bewertung der Prager Ereignisse des Oktober 1787 –<br />
vor allem auch mit einer Neuinterpretation der Hintergründe der Gala-Ersatzvorstellung<br />
des Figaro.<br />
Der „Epilog“ („Da Pontes Reise nach Prag“) versucht eine Lösung für <strong>die</strong> Paradoxien<br />
in Da Pontes autobiographischen Schriften zu finden – es wird der eingangs<br />
erwähnten Frage nachgegangen, warum Da Ponte <strong>die</strong> fürstliche Braut, mit welcher er<br />
durch zwei Librettodrucke nachweislich verb<strong>und</strong>en, so ausführlich ausgespart hatte.<br />
9 Ian Woodfield: The Vienna <strong>Don</strong> <strong>Giovanni</strong>. Woodbridge: Boydell Press, 2010.<br />
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