22.09.2023 Aufrufe

Leseprobe: Es kommt schon gut

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

-minu<br />

<br />

<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong><br />

<strong>schon</strong> <strong>gut</strong><br />

Kolumnen


-minu<br />

<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong><br />

Kolumnen<br />

Friedrich Reinhardt Verlag


Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2023 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel<br />

Projektleitung: Beatrice Rubin<br />

Korrektorat: Daniel Lüthi<br />

Layout: Siri Dettwiler<br />

Titelbild: Rebekka Heeb<br />

ISBN 978-3-7245-2661-2<br />

Der Friedrich Reinhardt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur<br />

mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.<br />

www.reinhardt.ch


Inhalt<br />

Intro7<br />

<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong> 9<br />

Der Schleierschwanzgoldfisch 13<br />

Königskuchen17<br />

Quartierfasnacht21<br />

Spargel-Gefühle25<br />

Alarm auf dem Tacho …29<br />

Das Edelweiss 33<br />

Der Glänzer …35<br />

Gin and Tonic 39<br />

Spaghetti – vegan 43<br />

Fünf vor zwölf 45<br />

Der Bestatter 49<br />

Wonnenippelchen …53<br />

Aneinander vorbei gesprochen …57<br />

Bergidylle59


Der siebzigste Geburtstag 63<br />

Krokusse im Schnee 67<br />

Reich und dick 71<br />

Der Therapeut und die Hoffnung 73<br />

Vermisstes Schnarchen … 77<br />

Eleonora del Sardo 81<br />

Im Café 85<br />

Streitkultur87<br />

Eile mit Weile 91<br />

Hey Siri! 95<br />

Die Baronin 99<br />

Das alte Jahr 101<br />

Autor104


Intro<br />

Schreiber und Autorinnen sind narrative Narzissten. Sie stehen in<br />

ihren Kolumnen gerne im Vordergrund. Klar – ich auch. Kolumnen<br />

im Ich-Modus sind die einfache Form der Schreibe.<br />

Kolumnen zu schreiben, die nur Geschichten sind und bei denen<br />

der Schreiber oder die Autorin in den Hintergrund rücken und Figuren<br />

spinnen, die zu den Protagonisten werden, ist wesentlich komplizierter.<br />

ABER BUNTER.<br />

Ich werde immer wieder gefragt: «Wo nimmst du nur deine Geschichten<br />

her?»<br />

Ganz easy: «Von euch allen …»<br />

Geschichten passieren jeden Tag an jedem Ort – ob am Nebentisch<br />

im Restaurant oder in der Warteschlange vor der Supercenter-Kasse<br />

– es «geschichtelt» ringsum.<br />

Mein Freund Innocent hat einmal gemüffelt: «Immer, wenn ich mit<br />

dir unterwegs bin, passieren tausend Sachen.»<br />

Das stimmt so nicht.<br />

Denn die Dinge geschehen auch ohne mich – e r hat ganz einfach<br />

nicht das Auge und Ohr dafür. Ok. Das haben die wenigsten. Besonders<br />

in einer Welt, die nur noch auf einem Telefon mit Kleinstbildschirm<br />

stattfindet. Und das Allerhöchste dann ein hochgezogener<br />

Daumen mit «I like» ist.<br />

Geschichtenerzähler müssen den sechsten Sinn für dramatische<br />

Kleinigkeiten im Alltag haben. Und natürlich noch drei gehäufte<br />

Suppenlöffel voll Fantasie.<br />

SO GIBT ES DANN EINE KURZE GESCHICHTE DARAUS.<br />

(Und hoffentlich ein «I like» mit Daumen nach oben von euch allen<br />

…)<br />

-minu, im März 2023<br />

7


<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong><br />

Wenn ich als Kind untröstlich war, weil niemand mit einem<br />

Buben spielen wollte, der seine Fingernägel rot strich,<br />

streichelte die Omi mein viel zu dünnes Haar:<br />

«ES KOMMT SCHON GUT!»<br />

Als meine Mutter im Koma lag und ich in dem langen,<br />

sterilen, nach Desinfektionsmitteln miefenden Spitalgängen<br />

still vor mich hinheulte, da nahm eine ältere Kranken-<br />

schwester (heute: Pflegefachfrau) meinen Arm:<br />

«<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong> …»<br />

Kam es nicht. Die vier Worte aber haben mir <strong>gut</strong> getan!<br />

Und wenn wir uns heute auf dieser Welt, die wir<br />

retten sollen, umschauen, so spüren wir: «Alles geht<br />

den Bach runter …»<br />

Doch irgendwo sind da immer noch diese vier Worte<br />

«<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong> …» in uns.<br />

Das tut <strong>gut</strong>.<br />

UND ES KOMMT GUT …<br />

Die alte Frau sass auf einer Bank. Sie guckte ins Leere. Tränen kullerten<br />

über ihre welken Backen.<br />

Alice setzte sich zu ihr.<br />

ALICE HATTE EIN GUTES HERZ.<br />

«Viel zu <strong>gut</strong> für diese Welt!» – hatte ihre verstorbene Mutter die Sache<br />

immer auf den Punkt gebracht. Und: «Das dumme Mädchen<br />

wird nur ausgenutzt. Sie zieht Problemmänner an. Hat sie deren<br />

Sorgenkiste aufgeräumt, hauen die Kerle ab …»<br />

«Irgendwann lacht auch mir das Glück», grinste Alice dann. Den<br />

Spruch hatte sie aus einem Sonntagsfilm im ZDF.<br />

Sie ergriff jetzt zögernd die Hand der Frau. Die stierte noch immer<br />

ins Leere.<br />

«Kann ich Ihnen helfen?»<br />

9


Die alte Dame drehte sich. Und schaute an Alice vorbei: «Ich habe<br />

mein Kind verloren!»<br />

Erst jetzt sah Alice den weissen Stock.<br />

Alice fühlte sich bei blinden Leuten stets etwas gehemmt. Irgendwie<br />

versagte da ihr Helfersyndrom. Wenn Blinde vor dem Zebrastreifen<br />

beim Rotlicht standen, hatte sie nie den Mut, die Leute mit dem<br />

weissen Stock am Arm zu nehmen.<br />

AUCH JETZT FÜHLTE SICH ALICE UNWOHL.<br />

«Ihr Kind verloren … wie meinen Sie das …?»<br />

«ARTHUR», schluchzte die Frau, «ARTHUR IST NICHT MEHR DA.<br />

ICH TRAGE IHN STETS BEI MIR. ER IST DER WICHTIGSTE TEIL IN<br />

MEINEM LEBEN – UND JETZT IST ARTHUR WEG …»<br />

Wieder Schluchzen.<br />

«<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong> …», versuchte Alice zu trösten.<br />

Sie brauchte immer diesen Satz. Die vier Worte waren ihr Multivitamin<br />

für eine schwache Welt.<br />

Die alte Frau mit dem Blindenstock schniefte: «In der Metzgerei war<br />

Arthur noch da … dann gabs plötzlich ein Gerangel. Jemandem war<br />

eine Flasche Bier auf den Boden gefallen. Ein Durcheinander. Und<br />

zehn Minuten später habe ich gemerkt: Arthur ist weg …»<br />

Alice wollte Näheres über Arthur erfahren: «Wie sieht er denn aus?»<br />

«NA – ARTHUR HALT. EIN STOFF-ELEFANT!»<br />

Alice schwieg etwas ratlos.<br />

Die Frau schluchzte wieder: «<strong>Es</strong> war ein Geschenk zu meinem<br />

sechsten Geburtstag. Überall schleppte ich ihn mit. Als dann das<br />

Unglück mit dem Auto passierte und ein Glasregen über mich niederprasselte,<br />

da habe ich Arthur festgehalten. Ich habe mein Augenlicht<br />

verloren. Jedoch nicht Arthur …»<br />

Alice drückte den Arm der Frau: «ES KOMMT SCHON GUT. Wollen<br />

wir ihn zusammen suchen gehen …? So ein Stoffelefant verschwindet<br />

doch nicht einfach …»<br />

Die blinde Frau lächelte jetzt: «Sie sind ein liebes Kind … das spüre<br />

ich … aber Sie sollten an sich selber denken … EIN MENSCH KANN<br />

AUCH ZU GUT SEIN FÜR DIESE WELT!»<br />

10


IN DIESEM MOMENT KAM EIN JUNGER MANN IN WEISSER<br />

METZGERSCHÜRZE ANGERANNT: «Frau Gerber – wir haben<br />

Arthur hinter der Aufschnittmaschine gefunden!»<br />

Die alte Frau drückte das Stofftier an sich.<br />

Der Metzger schaute interessiert zu Alice: «Hallo …»<br />

«Ein Problemmann. Er hat Kummer mit seiner Freundin. Überdies<br />

Geldsorgen …», flüsterte Frau Gerber.<br />

«PROBLEME?», lächelte Alice jetzt den Metzger an.<br />

Und: «ES KOMMT SCHON GUT!»<br />

Seither sind zehn Jahre vergangen.<br />

Alice und der Metzger sind glücklich verheiratet.<br />

Frau Gerber war Trauzeugin.<br />

Der Bub des Paars spielt mit Arthur.<br />

MANCHMAL KOMMT ES WIRKLICH GUT.<br />

11


<strong>Es</strong> geht nicht um Krieg. Nicht um die Rettung der Welt.<br />

Und auch nicht um korrupte Politiker.<br />

<strong>Es</strong> geht um die Sorgen des Alltags. Und die wiegen mitunter<br />

schwerer als alle Nachrichten, welche uns die Medien<br />

zum Frühstückscappuccino servieren.<br />

-minu löst sie. Und verpackt alles mit dem Allerweltslosungswort:<br />

«<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong>.»<br />

Das <strong>kommt</strong> es auch. Besonders, wenn die Kolumnen so<br />

witzig geschrieben sind, dass wir die Kurz geschichten nicht<br />

mehr aus der Hand geben und sie von A bis Z verschlingen.<br />

Wie seine heiss geliebten Cremeschnitten.<br />

Der Autor zeichnet hier in gewohnt farbiger Sprache<br />

Alltagssituationen. Mal sind die Geschichten traurig.<br />

Dann heiter. Aber unberührt lassen sie niemanden.<br />

«<strong>Es</strong> <strong>kommt</strong> <strong>schon</strong> <strong>gut</strong> . . .» – das ist die Quintessenz.<br />

Hier <strong>kommt</strong> es sehr <strong>gut</strong>. Und wird zum Lesevergnügen<br />

der besonderen -minu-Art.<br />

ISBN 978-3-7245-2661-2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!