E-Book DIE STRAUSS-DYNASTIE_BAND 1
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Claus Kegel<br />
Die<br />
Dynastie<br />
Eine historisch-biographische Kompilation<br />
Band 1<br />
Von 1801 bis zum Tod von Johann Strauss Vater 1849
Die Strauss-Dynastie<br />
Band 1
Claus Kegel<br />
<strong>DIE</strong> <strong>STRAUSS</strong>-<strong>DYNASTIE</strong><br />
EINE HISTORISCH-BIOGRAPHISCHE KOMPILATION<br />
Band 1: Von 1801 bis zum Tod von Johann Strauss Vater 1849<br />
Mit einem Vorwort von<br />
Helmut Reichenauer
Claus Kegel: Die Strauss-Dynastie: Eine historisch-biographische Kompilation.<br />
Band 1: Von 1801 bis zum Tod von Johann Strauss Vater 1849<br />
Hollitzer Verlag, Wien 2023<br />
Coverabbildung<br />
(Im Uhrzeigersinn, von oben) Johann Strauss Vater,<br />
Lithographie von Josef Kriehuber (Public domain);<br />
Eduard Strauss, Fotografie<br />
(© Familienarchiv Professor Dr. Eduard Strauss);<br />
Johann Strauss Sohn, Fotografie von Reichard & Lindner<br />
(© New York Public Library Archives);<br />
Josef Strauss, Fotografie von Fritz Luckhardt<br />
(© Wien Museum)<br />
Covergestaltung<br />
Nikola Stevanović<br />
satz<br />
Daoud Sarhandi-Williams<br />
Hergestellt in der EU<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
© Hollitzer Verlag<br />
www.hollitzer.at<br />
ISBN 978-3-99094-168-3
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort von Helmut Reichenauer<br />
Einleitung<br />
Kapitel 1 1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit,<br />
Jugend und frühe Jahre<br />
Kapitel 2 1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
Kapitel 3 1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
Kapitel 4 Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
Kapitel 5 1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
Kapitel 6 1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner<br />
Kapitel 7 1844 und 1845 Debut und Vorboten der Revolution<br />
Kapitel 8 1846 Der erste k. k. Hofball-Musikdirector<br />
Kapitel 9 1847 Die Balkanreise von Johann Strauss Sohn<br />
Kapitel 10 1848 Das Revolutionsjahr 1848<br />
Kapitel 11 1849 Der frühe Tod von Johann Strauss Vater<br />
Kapitel 12 Johann Strauss Vaters Märsche<br />
Anhang Werkliste von Johann Strauss Vater<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Literatur (Auswahl)<br />
7<br />
9<br />
16<br />
62<br />
110<br />
156<br />
188<br />
220<br />
256<br />
306<br />
342<br />
378<br />
412<br />
442<br />
449<br />
465<br />
475
Vorwort<br />
von Helmut Reichenauer<br />
Im Jahre 2025 ist es wieder einmal so weit: Die kultur- und musikinteressierte Welt<br />
richtet ihren Blick auf Johann Strauss anlässlich der Wiederkehr seines 200. Geburtstages.<br />
Gemeint ist damit Johann Strauss Sohn (1825–1899), dessen umfassendes Werkschaffen<br />
bis zum heutigen Tage die Musikgeschichte der Menschheit bereichert und veredelt<br />
hat. Als „Walzerkönig“ ist der Genannte bereits im 19. Jahrhundert in die Annalen der<br />
abendländischen Kulturgeschichte eingegangen.<br />
Was bis zum heutigen Tage nur marginal im Bewusstsein der Musikrezipienten Platz<br />
gefunden hat, ist die Tatsache, dass die „Strauss-Dynastie“ eine hochkarätige Musiker-Familie<br />
war, bestehend aus Johann Strauss I, den Söhnen Johann Strauss II, Josef Strauss und<br />
Eduard Strauss, sowie im 20. Jahrhundert Johann Strauss Enkel und Eduard Strauss II., die<br />
allesamt das musikalische Geschehen komponierend und dirigierend in unvergleichlicher<br />
Weise geprägt haben.<br />
Diesem Umstand trägt nun Claus Kegel, ein glühender Aficionado der Strauss-Musik,<br />
mit einer faszinierenden Dokumentenserie, deren erster Band nun vorliegt, Rechnung. In<br />
jahrzehntelanger akribischer Forschungsarbeit hat der Autor alle ihm verfügbaren Quellen<br />
aus dem Zeitraum von 1801 bis 1920 recherchiert, alles Interessante gespeichert und mit<br />
technischen, ökonomischen, politischen und anderen historischen Ereignissen verknüpft.<br />
Da gibt es nichts Erfundenes oder Erdachtes, vielmehr ist es eine Kompilation von Informationen<br />
aus historischen Zeitungen, die dem interessierten Leser das Fenster weit öffnen wird<br />
in eine faszinierende Vergangenheit.<br />
Wer die Lebensgeschichte der Strauss-Familie anhand historischer Dokumente neu erfassen<br />
und erforschen möchte, unbeeinflusst von klischeehaften Erzählungen früherer Autoren,<br />
hat nun die Möglichkeit, ein kritisches Bild über das Wirken dieser genialen Musikerfamilie<br />
zu erwerben.<br />
Helmut Reichenauer, Präsident des Kulturvereins Wiener Blut<br />
7
Einleitung<br />
Johann Strauss Vater und sein Freund Joseph Lanner haben als Komponisten von Tanzmusik<br />
und als Musikdirektoren mit ihren Orchestern die Entwicklung der Wiener<br />
Musik und insbesondere die Popularität des Wiener Walzers im 19. Jahrhundert am<br />
stärksten geprägt.<br />
Abb. 1<br />
Johann Strauss und seine drei Söhne Johann, Josef und Eduard lebten in der Zeit von 1804<br />
bis 1916 und bestimmten maßgeblich die österreichische Unterhaltungsmusikszene jener<br />
Periode.<br />
Der reiselustige Johann Strauss Vater trug seine Walzermelodien schon sehr früh vor<br />
allem in die europäischen Metropolen, seine Söhne bereisten als Dirigenten und als Leiter<br />
ihrer eigenen Orchester oder als Leiter fremder Orchester weite Teile von Europa, Russland<br />
und Amerika und sorgten für die weltweite Verbreitung der Wiener Musik.<br />
Eduards ältester Sohn, Johann, setzte als Komponist und Dirigent die Tradition der Familie<br />
weiter fort, ebenso Eduards Enkel Eduard als Dirigent, der in der Abbildung auf dieser<br />
Seite nicht enthalten ist.<br />
Das Leben der Sträusse, deren musikalisches Schaffen und Wirken, die wichtigsten Entwicklungen<br />
in ihrer Heimatstadt Wien, in ihrem Heimatland Österreich, im übrigen habsburgischen<br />
k. k. Reich, in den benachbarten, besonders den deutschen Ländern, aber auch in<br />
Europa und die wesentlichen weltweiten Ereignisse dieser Epoche, die Auswirkungen auf<br />
9
das Schaffen der Musiker-Dynastie hatten, sind in diesem Werk chronologisch zusammengefasst<br />
und werden mit zahlreichen Bildern und Dokumenten untermalt.<br />
Es gibt viele Bücher und noch mehr Veröffentlichungen über die Personen und Themen,<br />
daher findet sich in diesem Werk nach Interesse des Autors zusammengetragenes Material,<br />
chronologisch geordnet und um erklärende, inhaltliche Orientierung gebende Textpassagen<br />
ergänzt. Die jahrzehntelange intensive Auseinandersetzung mit der Strauss-Dynastie zeigt<br />
sich in dieser umfangreichen Sammlung.<br />
Der Name Strauss wird hier mit „ss“ und nicht mit scharfem ß geschrieben. Die Erforschung<br />
der Schreibweise erfolgte durch das Wiener Institut für Strauss-Forschung (WISF) durch<br />
Prof. Dr. Eduard Strauss, den Ur-Enkel von Eduard Strauss und Sohn des letzten ausübenden<br />
Musikers gleichen Namens.<br />
Auszug aus dem Forschungssplitter: 1<br />
„Auf den meisten historischen Plakaten und auf den meisten (Erst)-Druckausgaben der<br />
Kompositionen der Musiker der Familie findet man die Schreibweise Strauss. […]<br />
Johann Strauss Vater und Sohn unterschrieben sich mit zwei ,sʻ, die in der damals gebräuchlichen<br />
geschriebenen (Kurrent-)Schrift oft mit zwei verschiedenen Zeichen geschrieben<br />
wurden. […]<br />
Auf allen von der Familie beeinflussten Grabinschriften auf den Ehrengräbern des<br />
Wiener Zentralfriedhofs wird der Name mit ss geschrieben! Gleiches gilt von den Grabinschriften<br />
der Familiengräber auf dem Friedhof in Grinzing. Beim Grab in Hietzing ist die<br />
Schreibweise der Schreibschrift beibehalten.<br />
[…] Eduard Strauss (Anm.: I.) (unter)schrieb sich als einziger (!) mit ,ßʻ.“<br />
Unterschriften von Johann Strauss Vater<br />
(mit dem Zusatz „k. k. Hofballmusikdirector“) und von Johann Strauss Sohn.<br />
Von Josef und Eduard Strauss.<br />
Daraus ist zu erkennen, dass Johann Strauss Vater und Sohn ihre Namen mit zwei s geschrieben<br />
haben. Ebenso Josef Strauss.<br />
1 https://www.johann-strauss.at/forschung/forschungssplitter/strauss-strauss/<br />
10 Die Strauss-Dynastie
Abb. 2<br />
„Hier ein Beweis für die These aus der Druckschrift: Auf dem Titelblatt der Klavierausgabe<br />
des Walzers ,Das Leben ein Tanz oder Der Tanz ein Lebenʻ von Johann Strauss Vater aus<br />
dem Jahr 1831 findet sich in Druckschrift der Vermerk, dass Tobias Haslinger am Graben<br />
Sparkasse Nr 572 situiert ist. Im Wort Sparkasse wird das Verdopplungszeichen verwendet.<br />
Niemand hat je Sparkasse mit ß geschrieben!“<br />
Johann Strauss Vater lebte von 1804 bis 1849, er wurde also nur 45 Jahre alt. Sein Freund,<br />
Wegbegleiter und Konkurrent Joseph Lanner verstarb bereits zwei Tage nach seinem 42.<br />
Geburtstag. Aus der Ehe mit Anna Strauss, geborene Streim, gingen sechs Kinder hervor.<br />
Der älteste Sohn Johann wurde 1825 geboren und starb mit fast 74 Jahren im Jahr 1899.<br />
Josef Strauss, der 1827 als zweiter Sohn geboren wurde, war zeitlebens kränklich und starb<br />
1870, noch nicht 43-jährig.<br />
Nach den beiden Schwestern Anna (1829 bis 1903) und Therese (1831 bis 1915), die<br />
beide unverheiratet blieben, und dem 1834 geborenen und mit zehn Monaten verstorbenen<br />
Sohn Ferdinand wurde als letztes Kind aus der Ehe mit Anna Strauss 1835 Eduard geboren.<br />
Er starb 1916 mit fast 82 Jahren.<br />
Johann Strauss Vater trennte sich in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts von seiner<br />
rechtmäßigen Familie und lebte mit der Modistin Emilie Trampusch (oft auch Trambusch<br />
geschrieben) zusammen, mit der er acht uneheliche Kinder zeugte. Emilie war zum Todeszeitpunkt<br />
von Johann Strauss Vater ungefähr 35. Sie lebte bis nach 1857, möglicherweise<br />
starb sie 1865.<br />
Die Kinder aus dieser Beziehung blieben, soweit sie überhaupt das Erwachsenenalter<br />
erreichten, unbekannt. Diese waren, mit Geburts- und Sterbedaten, soweit bekannt. 2<br />
2 Norbert Linke: Maria Anna und Emilie: Zwei Frauen um „Vater“ Johann Strauss.<br />
Einleitung<br />
11
Emilie Theresia Johanna, 18. Mai 1835 bis nach 1870, Schauspielerin<br />
Johann Wilhelm, 28. Mai 1836 bis 30. August 1864, Bahnbeamter<br />
Clementina Emilia Elisabetha Theresia, 19. November 1837 bis nach 1878<br />
Carl Joseph, 20. Juli 1840 bis 11. August 1840<br />
Joseph Moritz, 8. Januar 1842 bis 18. Januar 1842<br />
Maria Wilhelmine, 25. April 1843 bis 4. November 1849<br />
Theresia Karolina, 22. September 1844 bis 2. August 1851<br />
Wilhelmine, 26. Mai 1846 bis 8. Juni 1846<br />
Eduards ältester Sohn, Johann Strauss Enkel, setzte als letzter direkter Nachfahre die Familientradition<br />
der Komponisten und Musikdirektoren fort. Er wurde 1866 geboren und starb<br />
1939. Dieser, auch als Johann Strauss junior oder Johann Strauss III. bezeichnet, trat zunächst<br />
als Operettenkomponist in Erscheinung. Später gründete er ein eigenes Orchester, mit dem<br />
er für einige Jahre sehr erfolgreich war und auch als Nachfolger seines Vaters die Musik<br />
bei Hof leitete, jedoch ohne Verleihung des Titels „k.k. Hofballmusikdirector“. Als er aber<br />
wegen selbstverschuldeter Krida (die betrügerische oder grob fahrlässige Herbeiführung der<br />
Zahlungsunfähigkeit) verurteilt wurde, war er in Wien nicht mehr haltbar. Er saß seine Strafe<br />
ab, löste seine Kapelle auf und übersiedelte mit seiner Familie und seiner Mutter nach Berlin.<br />
Der Sohn seines Bruders Josef, Eduard II., war bis dato der letzte ausübende Musiker der<br />
Strauss-Dynastie. Er war Dirigent und starb, nur 59-jährig, im Jahr 1969.<br />
Johann Strauss Vater und seine drei Söhne komponierten ungefähr 1.500 Musikstücke,<br />
welche zur Veröffentlichung gelangten, wobei Arrangements von Werken anderer Komponisten<br />
als Tanzmusik nicht mitgezählt sind. Rund 1.200 Stücke sind als Einspielungen von<br />
Orchestern und Ensembles auf Tonträgern verfügbar.<br />
Die Liste der Werke von Johann Strauss Vater endet mit dem Opus 252. Rund 35 Werke<br />
wurden ohne Opus-Zahl veröffentlicht. Die Opus-Liste von Johann Strauss Sohn endet mit<br />
der Nummer 479. Er komponierte fünf Werke zusammen mit Josef Strauss, zwei Werke komponierten<br />
die drei Brüder gemeinsam.<br />
Darüber hinaus komponierte Johann Strauss Sohn 14 Operetten und eine Oper. Die<br />
15 Ouvertüren, neben zahlreichen Tänzen aus den Bühnenwerken wurden ebenso veröffentlicht<br />
wie rund 60 sonstige Werke, die ohne Opus-Zahlen gedruckt wurden.<br />
Josef Strauss komponierte in seinem kurzen Leben und in den nur 17 Jahren, die er als<br />
Musiker, anfangs als „Genie wider Willen“, tätig war, immerhin 283 Werke mit Opus-Zahl,<br />
die im Druck erschienen. Josef Strauss war ein Ingenieur. Seinem Bruder Johann schrieb er<br />
einmal: „Meine Liebe zur Musik wird sich nicht in ¾ Takten ergehen – ich fühle auch nicht<br />
das rechte Berufensein darin in mir.“ Weitere 500 Werke oder Arrangements von Kompositionen<br />
anderer Meister, die Josef für das Strauss-Orchester umgearbeitet hatte, wurden nicht<br />
gedruckt. Knapp 100 dieser Werke sind nachzuweisen. Auch Eduard Strauss war ein fleißiger<br />
Komponist. Seine Opus-Liste endet mit dem 300. Werk, wobei einige Zahlen übersprungen<br />
wurden.<br />
In den späteren Jahren hatte Eduard zunehmend Schwierigkeiten, Musikverlage für den<br />
Druck und die Veröffentlichung seiner Werke zu finden. Selbst die Karnevals-Widmungen<br />
der späten Jahre wurden nicht verlegt. Auch er hat mehr als 300 Werke ohne Opus-Zahl und<br />
Arrangements für Orchester geschaffen.<br />
12 Die Strauss-Dynastie
DER STAMMBAUM DER FAMILIE <strong>STRAUSS</strong><br />
(Musiker sind in Grossbuchstaben geschrieben) Abb. 3<br />
Einleitung<br />
13
Wie viele Musikstücke fremder Komponisten die Sträusse für Unterhaltung und Tanzmusik<br />
arrangiert haben, ist nicht mehr genau festzustellen, auch deshalb, weil Eduard Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts das Notenarchiv des Strauss-Orchesters verbrannt hat. Es folgen<br />
später Einzelheiten über die Spekulationen um diesen Akt. Eduard schrieb 1906 in seinen<br />
„Erinnerungen“ 3 , dass Josef rund 500 und er selbst 309 solcher Arrangements geschaffen<br />
habe.<br />
Im Stammbaum der Familie Strauss folgen auf Johann Strauss Vater vier weitere Johann<br />
Strauss. Zunächst der berühmteste, Johann Strauss Sohn, der Schöpfer des „Donauwalzers“<br />
und der „Fledermaus“; danach Johann Strauss Enkel, der älteste Sohn von Eduard Strauss I.,<br />
der in Wien „der schöne Edi“ genannt wurde, also ein Neffe des berühmtesten Johann, der<br />
ebenfalls Komponist und Kapellmeister war, sowie dessen Sohn, den er ebenfalls Johann<br />
nannte, wie auch dieser wiederum seinen einzigen Sohn Johann nannte.<br />
Der zweite Sohn des schönen Edi erhielt den Namen Josef, den Namen des viel zu früh<br />
verstorbenen „Genies wider Willen“. Dieser Josef nannte seinen ältesten Sohn auch wieder<br />
Josef.<br />
Nach dem „schönen Edi“ nannte jeder seiner Söhne einen Nachkommen auf den Namen<br />
Eduard. Der Sohn von Johann Strauss Enkel verstarb jedoch gleich nach der Geburt. Josefs<br />
Sohn Eduard wurde der (bislang) letzte ausübende Musiker der Familie Strauss, er komponierte<br />
allerdings nicht und verstarb in der intensivsten Phase seines Musikerdaseins mit<br />
nur 59 Jahren. Sein einziger Sohn heißt ebenfalls Eduard, Prof. Dr. Eduard Strauss, Jurist,<br />
Richter, Senatspräsident am Oberlandesgericht in Wien i. R. und Vorsitzender des „Wiener<br />
Institutes für Strauss-Forschung“.<br />
Auch Karoline, die einzige Tochter des ersten Josef Strauss, nannte ihre Buben aus der<br />
Ehe mit Anton Aigner Johann und Josef, der dritte und letzte Sohn erhielt den Namen Emmerich.<br />
Johann Strauss Sohn, der „Walzerkönig“, war zwar dreimal verheiratet, alle drei Ehen<br />
blieben kinderlos.<br />
Der zuvor genannte Prof. Dr. Eduard Strauss, dem wir bereits die Aufklärung zur Schreibweise<br />
des Namens Strauss und die Übernahme derselben hier verdanken, bittet ausdrücklich<br />
darum, dass bei jeder Erwähnung des Namens Johann Strauss der Zusatz „Vater“, „Sohn“<br />
oder „Enkel“ benutzt wird, da zahlreiche Menschen angesichts der dominanten Bekanntheit<br />
von Johann Strauss Sohn die Existenz des biologischen Gründers der Strauss-Dynastie und<br />
den in seiner Zeit ebenso genialen und damals ebenso beliebten Johann Strauss Vater als<br />
Komponisten gar nicht kennen. Selbst das bekannteste und noch heute, 175 Jahre nach der<br />
Entstehung, jährlich weltweit sicherlich zigtausende Male gespielte Werk, der „Radetzky-<br />
Marsch“ von Strauss Vater, wird häufig dem Sohn zugeschrieben.<br />
Um Johann Strauss Vater die ihm gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen,<br />
bittet Prof. Dr. Strauss, diesem Wunsch zu folgen und die zuvor genannten Zusätze zu verwenden,<br />
auch wenn den Strauss-Kennerinnen und -Kennern aufgrund der chronologischen<br />
Schilderung der Ereignisse wohl bekannt ist, von welchem Johann Strauss jeweils die Rede<br />
ist. Denn zum Beispiel kann Johann Strauss Sohn während der Schaffensperiode von Joseph<br />
Lanner noch nicht gemeint sein, weil er bei Lanners Tod erst 17 Jahre alt war und es sich<br />
3 Eduard Strauss „Erinnerungen“ Fritz Deutike, Leipzig und Wien 1906.<br />
14 Die Strauss-Dynastie
ei Erwähnung von „Strauss und Lanner“ eindeutig um Johann Strauss Vater handeln muss;<br />
oder dass eindeutig Johann Strauss Sohn gemeint sein muss, wenn von Bühnenwerken die<br />
Rede ist.<br />
Bereits zu Beginn dieser Einleitung wurde die Collage mit den Abbildungen der fünf<br />
komponierenden Sträusse verwendet. Am Anfang eines jeden Kapitels werden Strauss Vater<br />
und seine drei Söhne zum deutlichen Hinweis darauf abgebildet, dass dieses Werk keinem<br />
einzelnen, sondern der Dynastie Strauss gewidmet ist. Außerdem befinden sich hier in der<br />
Einleitung ein Stammbaum und reichlich Statistik über den Gründer der Dynastie und seine<br />
drei genialen Söhne. Den Interessentinnen und Interessenten an der gesamten historischbiographischen<br />
Arbeit werden also die Familienmitglieder ausführlich vorgestellt.<br />
Eine Biographie muss unbedingt die Kindheits- und Jugendjahre der Schlüsselpersonen<br />
beinhalten. Johann Strauss dürfte erstmals im Jahr 1819 als Aushilfsgeiger vor Publikum<br />
gestanden sein und 1823 zum ersten Mal ein festes Mitglied eines Trios oder eines Quartetts<br />
geworden sein. Im Jahr darauf debütierte er als Dirigent der Lannerʼschen Kapelle,<br />
ohne dass die Wiener Bevölkerung und die Wiener Presse an seiner Person nennenswertes<br />
Interesse gezeigt haben dürften. Trotzdem gehören die Ereignisse in jenen Jahren in dieses<br />
Werk hinein und nehmen daher die ersten Seiten der Kompilation in Anspruch, ohne dass<br />
Johann Strauss den Mittelpunkt bildet. Sie handeln überwiegend von Kriegsgeschehen und<br />
politischen Angelegenheiten.<br />
Eine Anmerkung zu den verwendeten Zitaten und Textstellen:<br />
Die Herkunft der Zitate ist im Quellennachweis erklärt. In den Originalen wird zwischen<br />
historischem Präsens und Vergangenheit gewechselt. Die Originalquellen wurden hier zeitlich<br />
vereinheitlicht und dahingehend fallweise in die Vergangenheitsform abgeändert.<br />
An vielen Stellen dieser Kompilation schien es passend, einzelne Wörter oder Wortfolgen<br />
in der damals verwendeten Schreibweise und im damals üblichen Sprachgebrauch<br />
beizubehalten. Diese Wörter oder Wortfolgen sind in Anführungszeichen gesetzt, sie werden<br />
aber nicht wie Zitate behandelt und die einzelnen Quellen werden im Quellennachweis<br />
nicht aufgeführt. Überwiegend sind es Übernahmen aus Annoncen, Berichten und Besprechungen<br />
von Konzerten, Bällen und Festivitäten, die den damaligen Tageszeitungen aus<br />
„ANNO Historische Zeitungen und Zeitschriften“ der Österreichischen Nationalbibliothek<br />
entnommen wurden.<br />
In der Folge wird Wikipedia mit seinen Einträgen zu einzelnen Jahren als Quelle genutzt,<br />
um einen Überblick über die damaligen Ereignisse zu schaffen.<br />
Auf eine einheitliche Schreibweise, insbesondere von Werktiteln, Veranstaltungsstätten<br />
wie Sälen und Casinos, Ortschaften oder Ortsteilen, Personentiteln, aber auch von Namen<br />
wurde im 19. Jahrhundert wenig Wert gelegt. Nicht zuletzt aufgrund der vielen Zitate aus<br />
unterschiedlichsten Quellen findet sich auch im vorliegenden Werk keine vereinheitlichte<br />
Schreibung.<br />
Einleitung<br />
15
Kapitel 1<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre
1801<br />
JOSEPH LANNER<br />
Am 12. April 1801 wurde in Sankt Ulrich bei Wien Joseph Lanner, der spätere Freund,<br />
Wegbegleiter, Arbeitgeber und Kontrahent von Johann Strauss Vater, geboren.<br />
Das Lanner-Haus im 7. Bezirk von Wien in der Mechitaristengasse Nr. 5, Abb. 1<br />
rechts Joseph Lanner, Lithographie von Josef Kriehuber, um 1825. Abb. 2<br />
„Seine Eltern waren der Handschuhmachergeselle Martin Lanner und die Wirtschafterin<br />
Maria Anna Lanner geb. Scherhauff. Eine zunächst begonnene Graveurlehre an der Akademie<br />
der bildenden Künste schloss er nicht ab. Über seine Anfänge als Musiker ist sehr<br />
wenig bekannt. Bereits als Kind begann er Tanzstücke zu komponieren. Seine musikalische<br />
Laufbahn begann er im Alter von 12 Jahren, als er dem Orchester seines Lehrmeisters<br />
Michael Pamer als Violinist beitrat. Hier lernte er später auch Johann Strauss Vater kennen,<br />
dessen langjähriger Freund, aber auch musikalischer Konkurrent er werden sollte. Später<br />
leitete er ein Orchester, das aus einem von ihm gegründeten Terzett hervorgegangen war.“ 1<br />
Im Jahre 1829 wurde Lanner zum Musikdirektor der Redoute berufen, kurze Zeit später<br />
nahm er zusätzlich die Leitung der Wiener Bürgerregimentskapelle wahr. Es folgten mehrere<br />
Anstellungen als Musikdirektor in verschiedenen Hotels und Etablissements.<br />
„Am 28. November 1828 heiratete Joseph Lanner Franziska Jahns. Ihre Kinder waren<br />
die Tänzerin Katharina Lanner, der Komponist und Dirigent August Lanner und die ebenfalls<br />
hochbegabte, früh verstorbene Franziska Karoline Lanner (1836–1853). Lanner, dessen<br />
Ehe am 21. September 1842 gerichtlich ‚von Tisch und Bett getrennt‘ wurde, lebte ab<br />
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Lanner<br />
17
ca. 1838 mit der Wiener Fleischhauerstochter Marie Kraus zusammen. Am 6. Oktober 1843<br />
kam in Oberdöbling sein posthumer Sohn Joseph Carl Maria Kraus zur Welt.“ 2<br />
ANNA STREIM, <strong>DIE</strong> SPÄTERE FRAU ANNA <strong>STRAUSS</strong><br />
Am 30. August 1801 wurde Maria Anna Streim, die spätere Anna Strauss, geboren.<br />
Sie „war die Tochter des Liechtentaler Wirts Josef Streim und dessen Frau Maria Anna<br />
Streim geborene Rober. Als sie am 11. Juli 1825 Johann Strauss Vater (1804–1849) heiratete<br />
erwartete sie bereits ein Kind von ihm. […] Anna soll auch sehr musikalisch gewesen<br />
sein.“ 3<br />
1804<br />
JOHANN <strong>STRAUSS</strong> VATER<br />
Anna Strauss, geborene Streim Abb. 3<br />
Johann Baptist Strauss, der später als Johann Strauss Vater die Walzerdynastie Strauss begründen<br />
wird, kam am 14. März 1804 in der Leopoldstadt in Wien als drittes Kind von Franz<br />
Borgias Strauss (geboren 1764 in Wien) und Barbara Dollmann (geboren 1770 in Wien) zur<br />
Welt. Seine Schwester Ernestine war sechs Jahre älter und wird noch einige Male erwähnt<br />
werden. Eine weitere Schwester, Anna, verstarb bereits 1802 gleich nach der Geburt.<br />
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Lanner<br />
3 https://www.johann-strauss.at/forschung/biografien/anna-streim/<br />
18 Kapitel 1
Abb. 4 / 5<br />
Geburtshaus von Johann Strauss Vater (heute Floßgasse 7), um 1906 demoliert. Damals eine<br />
Bierwirtschaft, gepachtet von den Eltern Johanns von 1803 bis 1808. Der Text auf der Gedenktafel<br />
lautet: „In diesem Haus wurde Johann Strauss Vater, der Kunst- und Zeitgenosse<br />
Lannerʼs, am 14. März 1804 geboren.“<br />
Auszug aus dem Stadtplan von Carl Graf Vasquez ca. 1830,<br />
bearbeitet von Claus Kegel. Abb. 6<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
19
Während der Kindheitsjahre von Johann Strauss Vater, Anna Streim und Joseph Lanner<br />
bestimmten die Napoleonischen Kriege das Leben in ganz Europa mit all ihren Schrecken<br />
und Entbehrungen für die Bevölkerungen. Die nächsten Kapitel beschreiben daher in Stichworten<br />
die wichtigsten Ereignisse jener Jahre, in denen diese drei Personen aufwuchsen.<br />
Am 18. Mai 1804 wurde Napoleon Bonaparte zum Kaiser Napoleon I. Frankreichs proklamiert,<br />
am 2. Dezember 1804 krönte er sich im Beisein von Papst Pius VII. in der Kathedrale<br />
Notre-Dame de Paris selbst zum Kaiser der Franzosen.<br />
Napoleon Bonaparte Abb. 7 Kaiser Franz II Abb. 8<br />
Kaiser Franz II. des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation proklamierte am 11.<br />
August 1804 das Erbkaisertum Österreich, um seine kaiserliche Hausmacht zu erhalten und<br />
damit die Ranggleichheit mit Napoleon I. zu wahren. Franz nahm den Titel eines erblichen<br />
Kaisers von Österreich an und wurde als solcher als Franz I. bezeichnet. Das Heilige Römische<br />
Reich Deutscher Nation war damit aufgelöst. 4<br />
Weitere Ereignisse 5<br />
Technik<br />
Am 21. Februar bestand die erste Schienendampflokomotive der Welt, gebaut von Richard<br />
Trevithick, erfolgreich ihre Probefahrt.<br />
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_II._(HRR)<br />
5 https://de.wikipedia.org/wiki/1804<br />
20 Kapitel 1
Geboren<br />
Juni: Michail Iwanowitsch Glinka, russischer Komponist († 1857).<br />
September: Eduard Mörike, deutscher Lyriker und Erzähler († 1875).<br />
Gestorben<br />
12. Februar: Immanuel Kant, deutscher Philosoph (* 1724).<br />
1805 6<br />
Der Dritte Koalitionskrieg, auch Zweiter Napoleonischer Krieg, fiel in das Jahr 1805. Er<br />
wurde ausgetragen zwischen Frankreich und seinen deutschen Verbündeten, insbesondere<br />
Württemberg, Bayern und Baden, und den Alliierten um Großbritannien, Russland, Österreich,<br />
Schweden und Neapel. Den Truppen Napoleons I. gelang am 13. November die Einnahme<br />
Wiens.<br />
Die erste Besetzung verlief kampflos: Drei französische Marschälle kamen mit weißer<br />
Fahne über die Taborbrücke, die damals einzige und stark verteidigte Donaubrücke, und<br />
überzeugten den österreichischen Befehlshaber, dass der Krieg eigentlich schon vorbei sei.<br />
Im Anschluss lockte Napoleon die Russen und Österreicher durch geschickte Vortäuschung<br />
eigener Schwäche in die Schlacht bei Austerlitz, die er am 2. Dezember 1805 gewann.<br />
Zwar wurde die französische Flotte am 21. Oktober 1805 bei Trafalgar von Nelson<br />
vernichtend geschlagen, aber auf dem Kontinent bedeutete Austerlitz die Entscheidung. Am<br />
26. Dezember 1805 wurde mit Österreich der Friedensvertrag von Pressburg geschlossen.<br />
Die Bedingungen waren hart. Die Habsburgermonarchie verlor Tirol und Vorarlberg an<br />
Bayern und ihre letzten italienischen Besitzungen fielen an das napoleonische Königreich<br />
Italien.<br />
Geboren<br />
27. Januar: Sophie Friederike von Bayern (Sophie von Österreich), Tochter von König<br />
Maximilian I. von Bayern († 1872) Mutter des späteren Kaisers Franz Josephs I.<br />
22. April: Johann Philipp Holzmann, Bauunternehmer und Gründer der Baufirma Philipp<br />
Holzmann AG († 1870)<br />
Gestorben<br />
14. August: Friederike von Hessen-Darmstadt, Frau von König Friedrich Wilhelm II. (Preußen)<br />
(geboren 1751) und Mutter des regierenden preußischen Königs.<br />
1806<br />
Am 29. März starb Franz Strauss, ein Bruder von Johann Strauss Vater, im Alter von nur<br />
sieben Monaten. Sein genaues Geburtsdatum im Jahr 1805 ist nicht bekannt.<br />
6 https://de.wikipedia.org/wiki/1805<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
21
Ereignisse 7<br />
Politik<br />
Die Herrscher Bayerns (Maximilian Joseph) und Württembergs (Friedrich) wurden zu Königen.<br />
Am 6. August endete das Heilige Römische Reich, da Kaiser Franz II. aus dem Hause Habsburg-Lothringen<br />
die Kaiserkrone niederlegte.<br />
9. Oktober: Friedrich Wilhelm III. erklärte Frankreich den Krieg.<br />
Im Oktober schlug Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt die preußische Armee<br />
und zog mit seinen Truppen in Berlin ein.<br />
28. November: Der russische Zar Alexander I. trat in den Krieg gegen Napoleon mit ein.<br />
20. Dezember: Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. wurde zum König proklamiert<br />
und lenkte die Geschicke des Königreichs Sachsen als Friedrich August I.<br />
24. Dezember: Die vorausgegangene russische Besetzung der Donaufürstentümer Moldawien<br />
und Walachei löste die Kriegserklärung des Osmanischen Reiches an den Zaren aus.<br />
Wirtschaft<br />
1. Juni: In Preußen wurde Papiergeld, sogenannte „Tresorscheine“, ausgegeben.<br />
Kultur<br />
19. Oktober: Johann Wolfgang von Goethe und Christiane Vulpius wurden in der Sakristei<br />
der Weimarer Jakobskirche getraut. Er vollendete 1806 die Trilogie „Faust“ und veröffentlichte<br />
den ersten Teil.<br />
Ausserdem<br />
26. Februar: Kaiser Napoleon I. erteilte den Auftrag zum Bau eines Triumphbogens in Paris.<br />
1807<br />
8<br />
7. Januar: Russische Truppen marschierten in Bukarest ein.<br />
Im Juni und Juli wurden zunächst der russisch-französische Waffenstillstand und dann der<br />
preußisch-französische Waffenstillstand geschlossen.<br />
6. Juli: Napoleon traf den preußischen König Friedrich Wilhelm III. und seine Frau Luise<br />
in Tilsit.<br />
9. Juli: Der Frieden von Tilsit beendete den Vierten Koalitionskrieg.<br />
Im November wurde das Schottengymnasium in Wien eröffnet, welches später die Strauss-<br />
Söhne besuchten.<br />
Geboren<br />
Juli: Giuseppe Garibaldi, Guerillakämpfer († 1882).<br />
7 https://de.wikipedia.org/wiki/1806<br />
8 https://de.wikipedia.org/wiki/1807<br />
22 Kapitel 1
10. November: Robert Blum, deutscher Politiker der Märzrevolution und Abgeordneter<br />
(† 1848).<br />
1808<br />
Die Familie Strauss übersiedelte im Jahr 1808 von der Floßgasse in die nicht allzu weit entfernte<br />
Weintraubengasse, wo Vater Franz Borgias Strauss künftig die Bierwirtschaft „Zum guten<br />
Hirten“ führte. Johanns Mutter Barbara hatte im Jahr zuvor eine weitere Tochter, Josefa,<br />
geboren. Ernestine Strauss war damals zehn Jahre alt, Johann gerade vier.<br />
Auszug aus dem Stadtplan von Carl Graf Vasquez ca. 1830. Abb. 9<br />
Kaiser Franz I. heiratete am 6. Januar 1808 in Wien in dritter Ehe seine Cousine Prinzessin<br />
Maria Ludovika Beatrix von Modena (1787–1816).<br />
Kaiser Franz war zuvor schon zwei Mal verheiratet gewesen und war bereits 13-facher<br />
Vater. Die beiden letzten Ehen blieben beide kinderlos.<br />
Ebenfalls 1808 wurde der Apollosaal eröffnet, ein Vergnügungsetablissement im ehemaligen<br />
Wiener Vorort Schottenfeld, in der damaligen Zieglergasse 15 im heutigen 7. Wiener<br />
Gemeindebezirk. Der Arzt und Mechaniker Sigmund Wolffsohn (1767–1852), der 1795<br />
eine Maschinen- und Bandagenfabrik gegründet hatte, baute im Bereich der heutigen Apollogasse<br />
einen Vergnügungssaal, der am 10. Januar 1808 eröffnet wurde. Der Tanzsaal bot<br />
8.000 Besuchern Platz. Wolffsohn verdiente Unsummen mit der Produktion von gut beweglichen<br />
Ersatzgliedern und künstlichen Körperteilen aller Art für die unzähligen Versehrten<br />
aus den jahrzehntelangen Kriegen jener Zeit in Europa.<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
23
Abb. 11<br />
Der Apollosaal.<br />
Abb. 10<br />
Wiener Zeitung vom 6. Januar 1808.<br />
Am 28. Februar verstarb Josefa Strauss, eine weitere Schwester von Johann Strauss, mit<br />
zehn Monaten. Es war bereits das dritte Kind, das die Familie Strauss vor dem Erreichen<br />
des ersten Geburtstages verlor.<br />
Weitere Ereignisse 9<br />
Politik<br />
27. September: Der Erfurter Fürstenkongress begann, auf dem Napoleon Bonapartes Begegnung<br />
mit Zar Alexander I. im Mittelpunkt stand.<br />
Wirtschaft<br />
1. März: Das Königreich Bayern übernahm den Postdienst vom Haus Thurn und Taxis in<br />
eigener Verwaltung. Der Fürst erhielt eine Abfindung.<br />
6. April: Johann Jakob Astor gründete die „American Fur Company“ zum Zwecke des Pelzhandels.<br />
Kultur<br />
7. März: Uraufführung der 4. Sinfonie von Ludwig van Beethoven in Wien.<br />
22. Dezember: Uraufführung der 5. Sinfonie und 6. Sinfonie (Pastorale) sowie der Fantasie<br />
für Klavier, Chor und Orchester von Ludwig van Beethoven in Wien.<br />
Geboren<br />
20. April: Napoleon III., späterer französischer Kaiser († 1873).<br />
13. Juli: Patrice de Mac-Mahon, französischer Staatsmann und Politiker († 1893).<br />
9 https://de.wikipedia.org/wiki/1808<br />
24 Kapitel 1
22. November: Thomas Cook, britischer Tourismus-Pionier und Gründer des gleichnamigen<br />
Reiseunternehmens († 1892).<br />
4. Dezember: Herzog Max in Bayern, bayerischer Herzog († 1888), Vater der späteren österreichischen<br />
Kaiserin Elisabeth.<br />
1809<br />
Am 15. August 1809 verstarb eine weitere Schwester von Johann Strauss, Antonia Strauss,<br />
mit zehn Monaten. Sie war das vierte von sechs Kindern von Franz und Barbara Strauss, das<br />
im Säuglingsalter starben.<br />
Das Kaisertum Österreich erklärte Frankreich und dessen Verbündetem, dem Königreich<br />
Bayern, den Krieg. Bereits am nächsten Tag drang die von Erzherzog Karl von Österreich-<br />
Teschen befehligte Armee im Nachbarland ein.<br />
Die zweite Besetzung Wiens durch Napoleon Bonaparte im Mai 1809 gelang nur nach<br />
schwerem Beschuss der heutigen Altstadt. Napoleon bezog zur Demütigung des Kaisers<br />
Franz I. wiederum Schloss Schönbrunn. Kurz darauf hatte Napoleon in der Schlacht bei<br />
Aspern seine erste größere Niederlage zu verkraften, der jedoch bereits sechs Wochen später<br />
der Sieg bei Deutsch-Wagram folgte. Der Kaiser der Franzosen feierte am 15. August 1809<br />
seinen 40. Geburtstag in Wien, alle Kirchenglocken läuteten. Insgesamt blieb Napoleon bei<br />
seinem zweiten Aufenthalt rund fünf Monate in Wien und regierte von Schönbrunn aus.<br />
Nach der Besetzung Wiens am 14. Oktober diktierte Napoleon dem Kaisertum Österreich<br />
den Frieden von Schönbrunn zur Beendigung des Fünften Koalitionskrieges. Österreich<br />
verlor seinen Zugang zur Adria und musste Salzburg an das Königreich Bayern<br />
abtreten.<br />
Weitere Ereignisse 10<br />
Politik<br />
Der französische Kaiser Napoleon Bonaparte behauptete in Wien, Papst Pius VII. habe als<br />
weltlicher Herrscher aufgehört zu regieren, und annektierte damit faktisch den Kirchenstaat.<br />
Papst Pius VII. wurde mit Billigung Kaiser Napoleon Bonapartes verhaftet und nach Frankreich<br />
gebracht.<br />
8. Oktober: Dem vormaligen Gesandten in Paris, Graf Klemens Wenzel Lothar von<br />
Metternich, wurde vom Kaiser Franz I. in Wien die Führung des österreichischen Außenministeriums<br />
anvertraut.<br />
15. Dezember: Napoleon I. und Joséphine informierten die Familie über ihre Einigung zur<br />
Scheidung.<br />
Geboren<br />
3. Februar: Felix Mendelssohn Bartholdy, deutscher Komponist († 1847).<br />
12. Februar: Abraham Lincoln, US-amerikanischer Präsident († 1865).<br />
10 https://de.wikipedia.org/wiki/1809<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
25
Gestorben<br />
31. Mai: Joseph Haydn, österreichischer Komponist der klassischen Periode (* 1732).<br />
1810 11<br />
Politik<br />
10. Januar: Die Ehe zwischen Napoleon und Joséphine wurde vor Gericht annulliert.<br />
1. April: Napoleon heiratete in der Kapelle des Louvre Marie-Louise von Österreich.<br />
1. Juli: Louis Bonaparte entschloss sich, als König von Holland abzudanken.<br />
9. Juli: Napoleon erklärte das Königreich Holland für aufgelöst und annektierte die Niederlande<br />
als französisches Staatsgebiet.<br />
Wirtschaft und Wissenschaft<br />
2. März: In London begann das erste Gaswerk mit der Energieversorgung. Mittels einer Kokerei<br />
wurde Kohle vergast.<br />
25. August: Der Brite Peter Durand erhielt ein Patent auf die Konservendose.<br />
Die Humboldt-Universität zu Berlin wurde 1810 als Friedrich-Wilhelm-Universität gegründet.<br />
Geboren<br />
22. Februar oder 1. März: Frédéric Chopin, polnischer Komponist und Pianist († 1849).<br />
2. Mai: Hans Christian Lumbye, dänischer Komponist († 1874).<br />
8. Juni: Robert Schumann, deutscher Komponist der Romantik († 1856).<br />
9. Juni: Otto Nicolai, deutscher Komponist († 1849).<br />
28. Juni: Fanny Elssler, österreichische Tänzerin († 1884).<br />
1. Dezember: Joseph Gungl, ungarischer Komponist († 1889).<br />
Gestorben<br />
20. Februar: Andreas Hofer, Tiroler Freiheitskämpfer (* 1767).<br />
1811<br />
Als Folge der Zerrüttung der Staatsfinanzen im Verlauf der Napoleonischen Kriege kam es<br />
1811 zum österreichischen Staatsbankrott:<br />
„Im Frieden von Schönbrunn hatte sich Österreich verpflichtet, 85 Millionen Francs Kriegskontribution<br />
an Frankreich zu zahlen. Die Staatsschulden waren durch die vorangegangenen<br />
Kriegsjahre stark gestiegen, der Schulddienst verschlang 29 % der Staatseinnahmen.<br />
11 https://de.wikipedia.org/wiki/1810<br />
26 Kapitel 1
Am 20. Februar 1811 erklärte die Österreichische Regierung formell den Staatsbankrott<br />
und stellte die Zahlungen teilweise ein. Die Banknoten wurden zum 31. Januar 1812 für ungültig<br />
erklärt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten sie mit einem Abschlag von 80 % gegen neue<br />
Banknoten eingetauscht werden. Ebenfalls auf ein Fünftel herabgesetzt wurde der Wert der<br />
Kupfermünzen. Die direkte Staatsschuld blieb zwar nominell bestehen; jedoch wurden die<br />
vertraglichen Zinsen auf die Hälfte reduziert.“ 12<br />
Am 28. August starb die Mutter von Johann Strauss Vater, Barbara Strauss, geborene<br />
Dollmann, im Alter von 41 Jahren an Schleichfieber. Die Todesanzeige in der „Wiener Zeitung“<br />
nennt ein Alter von 39 Jahren.<br />
Abb. 12<br />
Weitere Ereignisse 13<br />
Politik<br />
5. Februar: Der Prince of Wales und spätere König George IV. übernahm gemäß dem Regency<br />
Act die königliche Gewalt in Großbritannien, nachdem sein Vater George III. wegen<br />
langer Geisteskrankheit die Amtsgeschäfte nicht mehr führen konnte.<br />
1. Juni: In Österreich wurde per kaiserlichem Patent das ab Jahresbeginn 1812 geltende Allgemeine<br />
Bürgerliche Gesetzbuch verkündet.<br />
Aus Wirtschaft<br />
Die Kruppwerke wurden 1811 von Friedrich Krupp mit der Errichtung eines Gussstahlwerks<br />
in Essen gegründet.<br />
12 https://de.wikipedia.org/wiki/Österreichischer_Staatsbankrott_von_1811<br />
13 https://de.wikipedia.org/wiki/1811<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
27
Geboren<br />
30. März: Robert Wilhelm Bunsen, deutscher Chemiker († 1899).<br />
7. September: Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, deutscher Adeliger († 1885), Vater<br />
König Carol I. von Rumänien.<br />
22. Oktober: Franz Liszt, ungarischer Pianist und Komponist († 1886).<br />
28. November: Maximilian II., bayerischer König († 1864).<br />
1812 und 1813<br />
Napoleons Russlandfeldzug von 1812 stellte die erste Phase des Sechsten Koalitionskriegs<br />
dar, in dem sich Frankreich und Russland mit ihren jeweiligen Verbündeten gegenüberstanden.<br />
Der Feldzug endete nach anfänglichen französischen Erfolgen in einer der größten militärischen<br />
Katastrophen der Geschichte. Nach der vollständigen Vertreibung der Grande Armée<br />
von russischem Territorium mündete der Feldzug Anfang 1813 in die zweite Kriegsphase:<br />
In den Befreiungskriegen wechselten zunächst Preußen und Österreich, später auch die von<br />
Frankreich dominierten deutschen Rheinbundstaaten auf die russische Seite und trugen zur<br />
Niederlage und Abdankung Napoleons im Jahr 1814 bei. In der Völkerschlacht bei Leipzig<br />
vom 16. bis zum 19. Oktober 1813, in der 210.000 Franzosen gegen bis zu 310.000 Alliierten<br />
kämpften und die über 110.000 Tote und Verwundete forderte, fügten die verbündeten österreichischen,<br />
preußischen, russischen und schwedischen Truppen Napoleon die entscheidende<br />
Niederlage der Koalitionskriege zu. Napoleon war gezwungen, sich nach Frankreich zurückzuziehen.<br />
1813 heiratete der Vater von Johann Strauss, Franz Borgias Strauss, Theresa Feldberger.<br />
Die Familie zog wieder zurück in die frühere Wohnung in der Floßgasse 7 und Vater Borgias<br />
Strauss führte dort wieder die frühere Bierwirtschaft.<br />
1812 14<br />
Politik<br />
28. Mai: Der Frieden von Bukarest beendete den sechsten russisch-türkischen Krieg mit Territorialzuwachs<br />
für Russland.<br />
1813 15<br />
Politik<br />
17. März: Mit dem Aufruf „An Mein Volk“ wandte sich der preußische König Friedrich Wilhelm<br />
III. in Breslau an seine Untertanen, „Preußen und Deutsche“, und bat um Unterstützung<br />
für den Kampf gegen Kaiser Napoleon.<br />
14 https://de.wikipedia.org/wiki/1812<br />
15 https://de.wikipedia.org/wiki//1813<br />
28 Kapitel 1
16.–19. Oktober: In der Völkerschlacht bei Leipzig wurden die Truppen Napoleons von den<br />
verbündeten Heeren der Österreicher, Preußen, Russen und Schweden besiegt.<br />
Wirtschaft<br />
17. Januar: Der Brite Humphry Davy entdeckte den Lichtbogen. Die Möglichkeit zur Erzeugung<br />
künstlichen Lichts war damit gegeben.<br />
29. Mai: Die Optische Telegrafenlinie Metz–Mainz wurde von den Franzosen nach dem System<br />
Claude Chappes eröffnet. Wichtige Nachrichten wurden in codierter Form über Signalstationen<br />
weitergemeldet, sofern eine vom Wetter unbeeinträchtigte Sichtverbindung herrschte.<br />
Kultur<br />
8. Dezember: Uraufführung der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven in Wien.<br />
Geboren<br />
29. Januar: Alexander II., russischer Zar († 1881).<br />
22. Mai: Richard Wagner, deutscher Komponist († 1883).<br />
13. Juli: Theophil Hansen, dänischer Architekt des Historismus († 1891).<br />
9. Oktober: Giuseppe Verdi, italienischer Komponist († 1901).<br />
6. Dezember: August Sicard von Sicardsburg, österreichischer Architekt († 1868).<br />
1814<br />
Am 31. März 1814 nahmen die alliierten Truppen Paris ein, Napoleon dankte am 6. April 1814<br />
ab und wurde nach Elba verbannt. Nach Beendigung der napoleonischen Herrschaft wurde<br />
von den Siegermächten der Wiener Kongress einberufen, um die Ordnung Europas nach alten,<br />
vorrevolutionären Maßstäben wiederherzustellen. Dies markiert den Beginn der sogenannten<br />
Restauration. Der Wiener Kongress dauerte vom 18. September 1814 bis zum 9. Juni<br />
1815 und legte in Europa zahlreiche Grenzen neu fest und definierte neue Staaten, nachdem<br />
Napoleon Bonaparte zuvor die politische Landkarte des Kontinentes erheblich verändert hatte.<br />
Unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich berieten politisch<br />
bevollmächtigte Vertreter, zusammengenommen aus rund 200 europäischen Staaten,<br />
Herrschaften, Körperschaften und Städten, darunter alle bedeutenden Mächte Europas mit<br />
Ausnahme des Osmanischen Reiches. Die führende Rolle spielten die fünf Großmächte Russland,<br />
Vereinigtes Königreich, Österreich, Preußen und die wiederhergestellte französische<br />
Monarchie sowie der Kirchenstaat. Wien als gastgebende Stadt hatte sich für den Kongress<br />
herausgeputzt und ein täglich wechselndes Angebot von Bällen und gesellschaftlichen Ereignissen<br />
organisiert. Die rasche Abfolge von abendlichen Tanzvergnügungen hat den belgischen<br />
Diplomaten Charles Joseph Fürst von Ligne (1735–1814) kurz vor seinem Tod dazu<br />
inspiriert, in einem Brief an den französischen Außenminister Charles Maurice de Talleyrand<br />
(1754–1838) den Begriff des „tanzenden Kongresses“ zu kreieren: „Der Kongress tanzt,<br />
aber er kommt nicht vorwärts. Es sickert auch nichts durch als der Schweiß dieser tanzenden<br />
Herren.“<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
29
Abb. 13<br />
Karte Europas nach dem Wiener Kongress.<br />
Weitere Ereignisse 16<br />
Politik<br />
Der französische Senat erklärte Napoleon Bonaparte für abgesetzt. Ludwig XVIII. wurde<br />
König von Frankreich.<br />
Napoleon Bonaparte dankte nach seiner Niederlage als Kaiser der Franzosen zu Gunsten<br />
seines Sohnes ab. Den Alliierten war dies nicht ausreichend, die Sieger unterbreiteten am<br />
11. April ihre Vorstellungen und legten Napoleon eine Vereinbarung zur Unterschrift vor,<br />
welche seine bedingungslose Abdankung als Herrscher in Frankreich und in Italien vorsah.<br />
Sie regelte seine Verbannung nach Elba. Napoleon unterschrieb den Vertrag zwei Tage später<br />
nach einem Suizidversuch in der Nacht davor.<br />
24. April: In Calais landeten aus dem Exil der Bruder des in der Französischen Revolution<br />
hingerichteten Königs Ludwig XVI., Louis Stanislas Xavier, Graf der Provence, mit einer<br />
Schar Adliger. Er übernahm nach der Verbannung Napoleon Bonapartes die Macht. Im Land<br />
begann die Phase der Restauration der Monarchie der Bourbonen.<br />
4. Mai: Napoleon Bonaparte traf im Exil auf Elba ein.<br />
30. Mai: Erster Pariser Frieden mit Preußen, Österreich, Russland und Großbritannien. Im<br />
Pariser Friedensvertrag wurde unter anderem in Artikel 5 die Freiheit der Schifffahrt auf<br />
dem Rhein für jedermann geregelt.<br />
4. Juni: Restauration in Frankreich: Der Bourbone Ludwig XVIII. verkündete anlässlich<br />
seiner Thronbesteigung die „Charte constitutionnelle“.<br />
18. September: Eröffnung des Wiener Kongresses (1814/1815): Der Deutsche Bund entstand.<br />
16 https://de.wikipedia.org/wiki/1814<br />
30 Kapitel 1
Kultur<br />
23. Mai: Uraufführung der Oper „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven am Theater am<br />
Kärntnertor in Wien.<br />
Geboren<br />
12. April: Franz von Wertheim, österreichischer Industrieller († 1883).<br />
30. Juni: Franz von Dingelstedt, deutscher Dichter und Theaterintendant († 1881).<br />
Gestorben<br />
29. Mai: Joséphine, französische Kaiserin (* 1763).<br />
8. September: Maria Karolina von Österreich, Königin von Neapel-Sizilien (* 1752).<br />
1815 17<br />
Politik<br />
Napoleon Bonaparte verließ Elba. Die Herrschaft der Hundert Tage begann. Er landete mit<br />
rund 1.000 Mann bei Cannes, um sich auf den Weg nach Paris zu machen.<br />
30. April: Friedrich Wilhelm III. verfügte auf dem Wiener Kongress die Einteilung Preußens<br />
in zehn Provinzen.<br />
8. Juni: Unterzeichnung der Deutschen Bundesakte: Gründung des Deutschen Bundes.<br />
9. Juni: Der Wiener Kongress, auf dem Europa politisch neu geordnet worden ist, endete mit<br />
der Unterzeichnung der Kongressakte.<br />
9. Juni: In Norditalien wurde durch die Wiener Kongressakte das Königreich Lombardo-Venetien<br />
geschaffen, dessen König in Personalunion der jeweilige Kaiser von Österreich war.<br />
Es folgte auf das napoleonische Königreich Italien, dessen Gesetze fortgalten. In Belgien<br />
gelang Napoleon in der Schlacht bei Ligny sein letzter Sieg, aber am 18. Juni wurde er in<br />
der Schlacht bei Waterloo endgültig geschlagen.<br />
19. Juni: Einen Tag nach der Schlacht bei Waterloo endete mit der Schlacht bei Wavre der<br />
letzte Kampf der Napoleonischen Kriege.<br />
22. Juni: Napoleon dankte endgültig ab und wurde auf die Insel St. Helena verbannt.<br />
26. September: Gründung der Heiligen Allianz, das Bündnis, das die drei Monarchen Russlands,<br />
Österreichs und Preußens nach dem endgültigen Sieg über Napoleon Bonaparte in<br />
Paris abschlossen. Frankreich trat der Allianz 1818 bei.<br />
20. November: Zweiter Pariser Frieden mit Preußen, Kaisertum Österreich, Russland und<br />
Großbritannien.<br />
Geboren<br />
1. April: Otto von Bismarck, deutscher Politiker und erster Reichskanzler des deutschen<br />
Reiches († 1898).<br />
1. Juni: Otto I., griechischer König († 1867).<br />
17 https://de.wikipedia.org/wiki/1815<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
31
1816<br />
Europa war endgültig von den Schrecken der Napoleonischen Kriege befreit und begann zur<br />
Normalität zurückzukehren.<br />
Doch genau in jener Zeit, am 5. April 1816 wurde der Vater des 12-jährigen Johann,<br />
Franz Borgias Strauss, ertrunken in einem Wasserlauf der Donau aufgefunden. Seine Leiche<br />
wurde im Allgemeinen Krankenhaus gerichtlich untersucht. Borgias Strauss wurde auf dem<br />
Währinger Allgemeinen Friedhof beigesetzt, wo auch bereits seine erste Frau, Barbara, begraben<br />
lag. Sein Nachlass, hauptsächlich Kleidung und Möbel aus der Taverne, wurde verkauft,<br />
um seine Schulden zu begleichen und seine Witwe zu versorgen.<br />
Abb. 14<br />
Johann und seine Schwester Ernestine Strauss waren somit Vollwaisen und wurden vom<br />
bürgerlichen Kleidermacher Anton Müller aus der Leopoldstadt in die Vormundschaft<br />
genommen. Dieses tragische Schicksal und vor allem die Vormundschaft durch Müller<br />
sollte den beiden Heranwachsenden aber letztlich zum Vorteil gereichen.<br />
„Am 29. Oktober 1816 heiratete Kaiser Franz seine vierte Frau, Karoline Charlotte<br />
Auguste von Bayern per procurationem in der Münchner Hofkapelle. Der Bräutigam<br />
wurde durch den Bruder der Braut, Ludwig vertreten.<br />
[…] Am 10. November 1816 heiratete sie in der Pfarrkirche des Kaiserhofes den bereits<br />
dreimal verwitweten Kaiser Franz I. von Österreich, und wurde somit Kaiserin. Dabei<br />
änderte sie die Reihenfolge ihrer Vornamen in Karoline Auguste, um sich bewußt von<br />
der württembergischen Zeit abzugrenzen. Es kam zu keinen großen Festveranstaltungen<br />
nach der Hochzeit, wie zuvor in München, da sich der Kaiser wie immer in Sparsamkeit<br />
übte. Kinderlos und in der Politik keine Rolle spielend, widmete sie sich karitativen<br />
Tätigkeiten.“ 18<br />
Weitere Ereignisse 19<br />
Politik<br />
14. April: Im Vertrag von München wurde der Spannungszustand zwischen dem Königreich<br />
Bayern und dem Kaisertum Österreich beigelegt. Österreich erhielt im Frieden von<br />
18 https://de.wikipedia.org/wiki/Karoline_Auguste_von_Bayern<br />
19 https://de.wikipedia.org/wiki/1816<br />
32 Kapitel 1
Schönbrunn verlorenes Gebiet gegen anderweitigen Ausgleich zurück, Berchtesgaden<br />
blieb bayerisch.<br />
6. November: Eröffnung der Bundesversammlung in Frankfurt am Main. Nach der Niederlage<br />
Napoleons wurden die Ergebnisse des Wiener Kongresses umgesetzt. Dies hatte<br />
die politische Neuordnung Europas zur Folge.<br />
Wirtschaft und Technik<br />
17. März: Das erste Dampfschiff überquerte den Ärmelkanal. Die Élise fuhr von Newhaven<br />
nach Le Havre, wo sie zum Passagierverkehr in Frankreich dienen sollte.<br />
1. Juni: Die Oesterreichische Nationalbank wurde gegründet.<br />
12. Juni: In der deutschen Geschichte der Binnenschifffahrt befuhr das erste Dampfschiff<br />
den Rhein. Von London kommend tuckerte der britische Schaufelraddampfer „The Defiance“<br />
flussaufwärts bis Köln.<br />
Kultur<br />
20. Februar: Uraufführung der Oper „Il Barbiere di Siviglia ossìa L’inutil precauzione“<br />
(Der Barbier von Sevilla oder Die unnütze Vorsicht) von Gioachino Rossini am Teatro<br />
Argentina in Rom.<br />
Geboren<br />
11. Februar: Ernst Litfaß, deutscher Drucker und Erfinder der Litfaßsäule († 1874).<br />
21. Juli: Paul Julius Reuter, Begründer der Nachrichtenagentur Reuters Telegraphic<br />
Comp. Incorporated († 1899).<br />
17. August: Benjamin Bilse, deutscher Kapellmeister und Komponist († 1902).<br />
11. September: Carl Zeiss, deutscher Mechaniker und Unternehmer († 1888).<br />
13. Dezember: Werner von Siemens, deutscher Erfinder und Begründer der Elektrotechnik<br />
(† 1892).<br />
1817<br />
Am 5. Oktober 1817 begann Johann Strauss im Alter von 13 Jahren eine Buchbinderlehre<br />
bei Johann Lichtscheidl in der Leopoldstadt in Wien, heute Ferdinandstraße 7.<br />
Lichtscheidl ermöglichte dem jungen Strauss womöglich auch eine musikalische Ausbildung<br />
oder förderte diese zumindest.<br />
Weitere Ereignisse 20<br />
Wirtschaft<br />
9. August: Johann Friedrich Gottlob Koenig und Andreas Friedrich Bauer gründeten die<br />
älteste Druckmaschinenfabrik der Welt: Koenig & Bauer.<br />
20 https://de.wikipedia.org/wiki/1817<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
33
Technik<br />
12. Juni: Karl Drais unternahm in Mannheim die erste öffentliche Fahrt mit der von ihm<br />
erfundenen Draisine (Vorläufer des Fahrrads).<br />
Geboren<br />
3. August: Albrecht von Österreich-Teschen, österreichischer Erzherzog und Feldherr<br />
(† 1895).<br />
5. September: Alexei Tolstoi, russischer Schriftsteller, Dramatiker und Dichter († 1875).<br />
18. September: Mihail Kogălniceanu, rumänischer Staatsmann, Historiker und Publizist<br />
(† 1891).<br />
1818<br />
Politik<br />
29. September: Der Aachener Kongress der Großmächte Russland, Österreich, Preußen,<br />
Frankreich und Großbritannien begann.<br />
9. Oktober: Vertragsabschluss, der einen sofortigen Abzug der Besatzungstruppen aus<br />
Frankreich beinhaltete und die Zahlung von Reparationen von 700 auf 265 Millionen<br />
Francs herabsetzte.<br />
15. November: Durch die Aufnahme Frankreichs entstand aus der Heiligen Allianz die<br />
Pentarchie der europäischen Großmächte Russland, Großbritannien, Österreich, Preußen<br />
und Frankreich. Sie wurde auf dem Aachener Kongress deklariert und bestand bis 1854.<br />
Kultur<br />
12. Oktober: Das Nationaltheater München wurde eröffnet.<br />
Geboren<br />
30. März: Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Gründer der genossenschaftlichen Bewegung in<br />
Deutschland († 1888).<br />
29. April: Alexander II., russischer Zar († 1881).<br />
5. Mai: Karl Marx, deutscher Philosoph, Ökonom und Journalist († 1883).<br />
21. Juni: Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha († 1893). 21<br />
1819<br />
Im Jahr 1819, 15-jährig, war Johann Strauss vermutlich schon musikalisch als Aushilfsgeiger<br />
in der Kapelle von Michael Pamer tätig, wo er wahrscheinlich auch Joseph Lanner<br />
begegnete und mit diesem Freundschaft schloss.<br />
Pamer wurde am 3. September 1782 in Neulerchenfeld geboren. Am 4. September 1827<br />
starb der berühmte Tanzgeiger mit nur 45 Jahren.<br />
21 https://de.wikipedia.org/wiki/1818<br />
34 Kapitel 1
Weitere Ereignisse 22<br />
4. Oktober: Die Erste österreichische Spar-Casse nahm, abgesichert durch einen von Pfarrer<br />
Johann Baptist Weber ins Leben gerufenen Verein, in Wien erste Spareinlagen entgegen.<br />
Geboren<br />
18. April: Franz von Suppé, österreichischer Komponist und Autor († 1895).<br />
24. Mai: Victoria, Königin von Großbritannien († 1901).<br />
1. Juni: Franz V., Herzog von Modena († 1875).<br />
20. Juni: Jacques Offenbach, deutsch-französischer Komponist († 1880).<br />
26. August: Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Ehemann von Königin Victoria<br />
(† 1861).<br />
13. September: Clara Schumann, deutsche Pianistin und Komponistin († 1896).<br />
30. Dezember: Theodor Fontane, deutscher Schriftsteller († 1898).<br />
1820 23<br />
Politik<br />
1. Januar: Staatsstreich in Spanien: Spanien wurde konstitutionelle Monarchie.<br />
29. Januar: Thronwechsel in Großbritannien. Auf Georg III. folgte sein Sohn Georg IV., der<br />
bereits seit 1811 für seinen erkrankten Vater als Regent amtierte.<br />
15. Mai: In Wien endeten die Beratungen zu den Grundlagen des Deutschen Bundes, die in<br />
der Wiener Schlussakte zusammengefasst sind.<br />
8. Juni: Die Wiener Schlussakte als gleichwertiges zweites Bundesgrundgesetz neben der<br />
Bundesakte trat in Kraft.<br />
Kultur<br />
14. Juni: Uraufführung der Oper „Die Zwillingsbrüder“ von Franz Schubert am Theater am<br />
Kärntnertor in Wien.<br />
19. August: Uraufführung der Oper „Die Zauberharfe“ von Franz Schubert am Theater an<br />
der Wien in Wien.<br />
Geboren<br />
13. Februar: Béla Kéler, ungarischer Komponist († 1882).<br />
17. Februar: Henri Vieuxtemps, belgischer Komponist († 1881).<br />
20. März: Alexandru Ioan Cuza, Gründer und erster Fürst von Rumänien († 1873).<br />
12. Mai: Florence Nightingale, englische Krankenschwester, Wegbereiterin der modernen<br />
Krankenpflege († 1910).<br />
6. Oktober: Jenny Lind, schwedische Sängerin († 1887).<br />
28. November: Friedrich Engels, deutscher Philosoph, Politiker und Militärhistoriker<br />
(† 1895).<br />
22 https://de.wikipedia.org/wiki/1819<br />
23 https://de.wikipedia.org/wiki/1820<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
35
Gestorben<br />
29. Januar: Georg III., britischer König und König von Hannover (* 1738).<br />
7. August: Elisa Bonaparte, Schwester von Napoleon Bonaparte (* 1777).<br />
1821<br />
24<br />
Politik<br />
19. Juli: Georg IV. wurde in London zum britischen König gekrönt. Sein Krönungsbankett<br />
in Westminster Hall war das letzte in der Geschichte der britischen Monarchie.<br />
1. Mai: Die Bank von England tauschte ihre Banknoten wieder gegen Gold ein; Ende der<br />
bank-restriction (seit 1797).<br />
Technik<br />
Georg Simon Ohm entdeckte 1821 das Ohmʼsche Gesetz.<br />
Kultur<br />
18. Juni: Uraufführung der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber in Berlin.<br />
Geboren<br />
12. März: Luitpold von Bayern, bayrischer Prinzregent († 1912).<br />
11. November: Fjodor Dostojewski, russischer Schriftsteller († 1881).<br />
Gestorben<br />
5. Mai: Napoleon Bonaparte, französischer Kaiser (* 1769).<br />
1822<br />
Am 13. Januar 1822 wurde Johann Strauss aus der Buchbinderlehre bei Johann Lichtscheidl<br />
freigesprochen. Das vielfach verbreitete Gerücht, dass Johann Strauss seinem<br />
Lehrmeister davongelaufen sei, ist nachweisbar nicht richtig. Auch wenn der jüngste<br />
seiner Söhne, Eduard, 1906 in seinen „Erinnerungen“ schrieb: „aber des jungen Johann<br />
Sinn stand wenig nach Kleister und Pappdeckeln. Was er sich tagsüber versagen mußte,<br />
dem widmete er sich des Nachts mit verdoppeltem Eifer; auf einem kleinen Bodenkämmerchen<br />
übte und spielte er auf einer höchst primitiven Geige nach Herzenslust. Und<br />
als er sich mit fünfzehn Jahren selbst für reif genug erfand, auch wohl den Hang zur<br />
fröhlichen Tonkunst nicht länger mehr zu meistern vermochte, entwich er seinem Lehrherrn<br />
und trat einem von Josef Lanner und den Brüdern Drahanek gebildeten Quartett<br />
24 https://de.wikipedia.org/wiki/1821<br />
36 Kapitel 1
ei, welches in Jünglings Kaffeehausgarten an der Schlagbrücke, nachmals Stierböcks<br />
Kaffeehaus nächst der Ferdinandsbrücke, seine Productionen veranstaltete.“ 25<br />
Diese Schilderungen sind inhaltlich und zeitlich allerdings nicht haltbar. Eduards Vater<br />
schloss seine Lehre ab und wurde freigesprochen, ohne jedoch den Beruf jemals ausgeübt<br />
zu haben. Der Eintrag im Innungsbuch der Wiener Buchbinder lautet: „am 13. Jan.<br />
822 spricht Herr Lichtscheidl seinen Jung Johann Strauss frei“.<br />
1823<br />
Im Frühjahr 1823 wurde Johann Strauss als Bratschist und als viertes Mitglied in das<br />
davor als Trio bestehende Musikergespann der Gebrüder Drahanek (manchmal auch als<br />
Gebrüder Scholl wiedergegeben) aufgenommen, in dem auch Joseph Lanner musizierte.<br />
Am 1. März 1823 wurde der k. k. Volksgarten feierlich eröffnet. Ursprünglich war der<br />
Garten als Privatgarten für die Erzherzöge gedacht, doch durch den Vorschlag der Hofgartenverwaltung<br />
wurde aus dem Gelände der erste dem Volk zugängliche Park in Hofbesitz.<br />
Am 1. Mai 1823 erfolgte die Eröffnung des Etablissements „Cortiʼsches Kaffehaus“ im<br />
k. k. Volksgarten. 26<br />
Über Jahrzehnte spielte die Kapelle Strauss unter Johann Strauss Vater und unter<br />
allen drei Söhnen in dem Etablissement Konzerte und trat bei großangelegten, teils von<br />
den Sträussen selbst veranstalteten Festen auf. Meist fand zum Abschluss der Feste ein<br />
aufwendiges Feuerwerk der Familie Stuwer statt. Auch Johann Strauss Enkel trat Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts noch im k. k. Volksgartenlokal auf.<br />
Corti’sches Kaffeehaus und Theseustempel 1823,<br />
Abb. 15 / 16<br />
erbaut von Architekt Pietro Nobile.<br />
25 Eduard Strauss „Erinnerungen“ Fritz Deutike, Leipzig und Wien 1906, Seite 6.<br />
26 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Volksgarten<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
37
Weitere Ereignisse 27<br />
10. Februar: Erster Rosenmontagszug in Köln.<br />
Geboren<br />
7. Februar: Richard Genée, österreichischer Librettist, Bühnenautor und Komponist († 1895).<br />
3. März: Gyula Andrássy, österreich-ungarischer Politiker († 1890).<br />
4. April: Carl Wilhelm Siemens, deutscher Industrieller († 1883).<br />
23. Mai: Friedrich Strampfer, österreichischer Schauspieler und Theaterdirektor († 1890).<br />
Gestorben:<br />
20. August: Pius VII., Papst (* 1740).<br />
1824<br />
Am 5. April 1824 debütierte Johann Strauss, vermutlich als Dirigent der Lannerʼschen-<br />
Kapelle, mit 30 Musikern im Lokal „Zum schwarzen Bock“. Seit wann Johann Strauss<br />
zuvor in der Kapelle seines Freundes als Geiger oder Bratschist spielte und seit wann Joseph<br />
Lanner eine eigene Kapelle hatte, ist nicht eindeutig nachweisbar.<br />
Im September trat Johann Strauss den Wehrdienst beim „Hoch- und Deutschmeister<br />
Regiment“ als Landwehrmann an. Während der Napoleonischen Kriege wurde mit kaiserlichem<br />
Patent vom 9. Juni 1808 eine Landwehr als ständige und allgemeine Einrichtung<br />
zur Ergänzung der regulären österreichischen Armee geschaffen. Eingesetzt wurde diese<br />
Truppe 1809 und zwischen 1813 und 1814. Im Jahre 1859 wurde die Landwehr aufgehoben.<br />
Die Dauer der Dienstzeit in der Landwehr ist nicht bekannt, Johann Strauss musste aber<br />
jedenfalls nicht in den Einsatz ziehen.<br />
Johann Strauss Vater in jungen Jahren Abb. 17 Abb. 18<br />
und nach Josef Kriehuber<br />
27 https://de.wikipedia.org/wiki/1823<br />
38 Kapitel 1
Am 18. Oktober wurde das neue äußere Burgtor eröffnet, das hier kurz nach der Eröffnung<br />
abgebildet ist.<br />
Abb. 19<br />
Weitere Ereignisse 28<br />
Politik<br />
16. September: Karl X. wurde nach dem Tod seines älteren Bruders Ludwig XVIII. König<br />
von Frankreich.<br />
Wirtschaft, Gesellschaft und Kunst<br />
1. Januar: In Preußen wurden die ersten öffentlichen Briefkästen aufgestellt.<br />
7. Mai: Der völlig ertaubte Ludwig van Beethoven dirigierte gemeinsam mit Michael<br />
Umlauf im Theater am Kärntnertor in Wien die Uraufführung seiner 9. Sinfonie.<br />
4. August: Das Königsstädtische Theater wurde als erstes Volkstheater in Berlin eröffnet.<br />
Abb. 20<br />
Königsstädtisches Theater<br />
28 https://de.wikipedia.org/wiki/1824<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
39
Geboren<br />
27. Juli: Alexandre Dumas, französischer Schriftsteller († 1885).<br />
4. September: Anton Bruckner, österreichischer Komponist († 1896).<br />
1825<br />
Noch war Johann Strauss keine Person des öffentlichen Interesses, noch berichteten die damals<br />
wenigen Wiener Zeitungen nicht ausführlich über die Auftritte der privaten Musikkapellen<br />
und die Ausgaben der Drucke der Kompositionen von Musikdirektoren. Und wenn,<br />
dann auch manches Mal nur ungenau. Daher sind aus den ersten Jahren des Wirkens von<br />
Johann Strauss Vater (und auch von Joseph Lanner) die Konzerte und Veranstaltungen wie<br />
auch die Erstausgaben der Anfangswerke nicht immer exakt zu bestimmen.<br />
Bekannt ist, dass Johann Strauss am 14. März 1825, an seinem 21. Geburtstag, einen<br />
Reisepass für die Steiermark und andere kaiserliche Staaten beantragte. Auf dem Formularbogen<br />
steht: „Johann Strauss, ohne bestimmten Aufenthalt, elternlos, Geburtsort: Leopoldstadt,<br />
Alter: 21 Jahre, Musikus, ledig, reiset nach Gratz und kaiserliche Staaten Verdienst<br />
zu suchen. Dauer des Passes: 1 Jahr.“ 29<br />
Am 5. April stellte sein Vormund (und der seiner Schwester Ernestine), Anton Müller,<br />
bürgerlicher Kleidermacher, einen Antrag auf Ehebewilligung für Johann Strauss. Im Mai<br />
stellte Johann dann ein eigenes Ansinnen auf die Genehmigung, welches am 24. Juni bewilligt<br />
wurde. Darin bezeichnete er sich selbst als ausübenden „Musicklehrer“ und verweist<br />
auf ein Zeugnis des „Musick-Direktor[s]“ Joseph Lanner über den „beyläufig jährlichen<br />
Erwerb zu 400 Gulden. Nebstbey kann das Erträgniss an weiblicher Handarbeit seiner Erwählten<br />
mit ins Verdienst gerechnet werden, weil diese während seiner Abwesenheit (der<br />
Kunstreise nach Gratz und den kaiserlichen Staaten) bey ihren Eltern gehörigen Unterstand<br />
findet“. 30<br />
Das benötigte Leumundszeugnis seines Wohnungsgebers besagt, dass er sich seit dem<br />
1. Mai in dem Haus Lange Gaßen 67 in der Josefstadt als „After-Parthey“, also als Nachmieter,<br />
wohnhaft befindet. Die Adresse brauchte Johann Strauss für sein Ansinnen und er<br />
mietete sich vielleicht auf die Schnelle irgendwo als Untermieter ein. Die Lange Gaßen<br />
stößt auf die Lerchenfelder Straße, wo ein halbes Jahr später Johann Strauss Sohn zur Welt<br />
kommen sollte. Die Familie hat also dort, in der Langen Gaßen, wenn überhaupt nur für<br />
kurze Zeit gewohnt.<br />
Am 11. Juli heirateten Johann Baptist Strauss und Anna Streim, Tochter eines Wirtes aus<br />
Lichtental, in der dortigen Pfarrkirche. Lichtental war bis 1850 eine eigenständige Gemeinde<br />
(Vorstadt) und ist heute ein Stadtteil Wiens im 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund.<br />
Leider existieren von Anna Strauss nur wenige Zeichnungen und Fotos.<br />
Am 25. Oktober 1825 wurde Johann Strauss Sohn, der in der Familie als Kind Schani<br />
gerufen wurde, in der Lerchenfelder Straße 15 geboren.<br />
29 Zitat aus Frank Miller Johann Strauss Vater, Seite 62.<br />
30 Ebd., Seite 63.<br />
40 Kapitel 1
Geburtshaus Johann Strauss Sohn Abb. 21 Abb. 22<br />
Erinnerungstafel<br />
Abb. 23<br />
Im September soll es nach einem Konzert in dem Lokal „Zum schwarzen Bock“ zum Zerwürfnis<br />
mit Joseph Lanner gekommen sein. Die Geschichte um eine Trennung im Streit<br />
wird in zahlreichen Büchern hartnäckig beibehalten. Nach anderen Quellen sollen sich die<br />
beiden erst 1827 überworfen haben. Laut weiteren Überlieferungen soll im „Carneval“ 1826<br />
die Entscheidung gefallen sein, dass sich Johann Strauss und Joseph Lanner trennen und<br />
Joseph Lanner künftig die Lokalitäten von Michael Pamer im „Schwarzen Bock“ bespiele<br />
und Johann Strauss im Lokal „Zum weißen Schwan“ in der Rossau auftrete. Exakt nachweisen<br />
lässt sich keine der Behauptungen, gesichert ist allerdings, dass die beiden Musikdirektoren<br />
zeitlebens freundschaftlich verbunden blieben.<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
41
Am 13. Oktober 1825 wurden Lokal und Saal „Zur Kettenbrücke“ neben dem Dianabad<br />
eröffnet, kurz zuvor die erste Kettenbrücke über den Donaukanal, die erste Sophienbrücke.<br />
Die Brücke bestand von 1824 bis 1871, war aber nur für Fußgänger und Pferde benutzbar.<br />
Das neuartige Erscheinungsbild dieser Brücke mit 71 Metern Spannweite war namensgebend<br />
für das Vergnügungslokal, das den Namen „Kettenbrückensaal“ oder „Tanzsaal zur<br />
Kettenbrücke“, gelegen in der Donaustraße 4 in der Leopoldstadt, erhielt. Eine weitere Kettenbrücke<br />
sollte über den Donauarm in der Nähe des Lokals errichtet werden. Die Kettenbrücke<br />
ist auf dem Titelblatt von Johann Strauss Opus 19, dem „Kettenbrückenwalzer“, der<br />
im Fasching 1828 dort uraufgeführt wurde, abgebildet.<br />
Bereits am 21. November 1825 veröffentlichte der Verlag Anton Diabelli und Companie,<br />
Kunst- und Musikalienhändler in Wien, Am Graben 1133, sieben Walzer von Johann<br />
Strauss für das Pianoforte, noch ohne Opus-Zahlen, zusammen mit den Werken 1 bis 4 von<br />
Joseph Lanner im Druck. Es ist nicht nachzuweisen, ob dies schon die ersten sieben später<br />
mit Opus-Zahlen erneut erschienenen Werke waren, was unwahrscheinlich scheint, oder ob<br />
es eine Walzerkette aus sieben Walzern war. Und wenn ja, ob dies ein heute verschollenes<br />
Werk oder einer der ersten Walzer war, die erst später einen Namen und eine Opus-Zahl bekamen.<br />
Der Musikwissenschafter und Strauss-Vater Biograph Helmut Reichenauer schreibt<br />
dazu:<br />
„Die 1825 angekündigten „7 Walzer für das Pianoforte“ dürften Anfang 1826 tatsächlich<br />
bei Diabelli im Druck erschienen sein, aber sie sind nicht mehr erhalten. Am 10. Februar<br />
1829 kündigte der Verleger Diabelli erstmals die „Täuberln-Walzer“ op. 1 von Johann<br />
Strauss Vater an, um seine Position als erster Verleger der Strauss-Werke zu demonstrieren.<br />
Denn mittlerweile (ab 1826) hatte Strauss Vater auch Werke beim Konkurrenten Tobias<br />
Haslinger verlegt.<br />
Abb. 24<br />
42 Kapitel 1
Es kann angenommen werden, dass die „Täuberln-Walzer“ op. 1 weitgehend identisch sind<br />
mit den verlorengegangenen „7 Walzer für das Pianoforte“. Denn sie enthalten ebenfalls 7<br />
Walzer ohne Introduktion und Coda. Dies ist der letzte Stand der Dinge aus wissenschaftlicher<br />
Sicht.“<br />
Joseph Lanner Abb. 25 Abb. 26<br />
Anton Diabelli<br />
In England ereignete sich die eigentliche Sensation des Jahres 1825. Am 27. September<br />
fuhr nämlich die Dampflokomotive des Briten George Stephenson die 39 Kilometer lange<br />
Strecke von Stockton nach Darlington und zog dabei 38 beladene Waggons. In Österreich<br />
wurde im gleichen Jahr erst mit dem Bau der ersten österreichischen Pferdeeisenbahn von<br />
Linz nach Budweis begonnen. Als sie 1832 fertiggestellt war, war sie technologisch bereits<br />
rettungslos veraltet.<br />
Weitere Ereignisse 31<br />
Politik<br />
13. Oktober: Thronwechsel in Bayern. Auf Maximilian I. Joseph folgte sein Sohn Ludwig I.<br />
20. Oktober: König Ludwig I. verfügte, dass künftig Bayern und nicht mehr Baiern geschrieben<br />
werde.<br />
24. Dezember: In Russland übernimmt Nikolaus I. formell als Zar die Regentschaft nach<br />
seinem Bruder Alexander I.<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
In Aachen wurde das Unternehmen Aachener und Münchener (Aachener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft)<br />
von David Hansemann gegründet.<br />
31 https://de.wikipedia.org/wiki/1825<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
43
Kunst<br />
18. Januar: Das 1805 abgebrannte Moskauer Petrowski-Theater wurde nach der Wiedererrichtung<br />
unter dem Namen Bolschoi-Theater wieder eröffnet.<br />
Geboren<br />
18. Februar: Mór Jókai, ungarischer Schriftsteller und Journalist († 1904).<br />
10. Juni: Hildegard Luise von Bayern, Ehefrau von Erzherzog Albrecht von Österreich<br />
(† 1864).<br />
11. September: Eduard Hanslick, österreichischer Musikwissenschaftler und -kritiker<br />
(† 1904).<br />
15. Oktober: Marie Friederike von Preußen, bayrische Königin († 1889).<br />
Gestorben<br />
9. Juni: Pauline Bonaparte, Lieblingsschwester von Napoléon Bonaparte (* 1780).<br />
13. Oktober: Maximilian I., bayrischer König (* 1756).<br />
1. Dezember: Alexander I., russischer Zar (* 1777).<br />
1826<br />
Nach wie vor sind die Nachweise über die Unterhaltungsveranstaltungen nicht eindeutig<br />
und die recherchierten Daten widersprüchlich. Im Januar soll Johann Strauss zum ersten<br />
Mal als „Capellmeister mit eigenem Orchester von 14 Personen“ im Lokal „Zum weissen<br />
Schwan in der Rossau“ aufgetreten sein. Gleichzeitig fand auch ein Ball Lanners im Saal<br />
„Zum schwarzen Bock“ auf der Wieden statt, wo Lanner ab 1825 den kranken Musikdirektor<br />
Michael Pamer abgelöst haben soll.<br />
Nachgewiesen ist, dass Johann Strauss am 27. März 1826 den Stimmensatz seines Opus<br />
2, des „Döblinger Reunion-Walzers“, fertigstellte. Er vermerkte das Datum selbst auf dem<br />
Notenblatt. Am 3. April vollendete er die Partitur des Opus 2 und schrieb wieder eigenhändig<br />
das Datum dazu. Die Komposition war für ein Flöte, zwei Klarinetten, zwei Hörner, eine<br />
Trompete, Erste und Zweite Violine, Viola oder Dritte Violine, Bass und Schlagwerk. Auch<br />
dies ist ein Hinweis darauf, dass er damals eine Kapelle mit 14 Musikern leitete.<br />
Am 15. Mai übernahm Tobias Haslinger die k. k. Hofmusikalienhandlung im Paternostergäßchen<br />
in Wien von Sigmund Anton Steiner. Er wird eine wichtige Rolle in der Karriere<br />
von Johann Strauss Vater spielen: Sein Verlag, nach seinem frühen Tod unter der Leitung<br />
seiner Witwe und seines Sohnes Carl, war sowohl für die Erfolge von Johann Strauss Vater<br />
als auch jener aller drei Strauss-Söhne maßgebend.<br />
Im „Etablissement Finger“ in Döbling fanden vom 27. Juni bis zum 16. August 1826 insgesamt<br />
acht Reunionen, immer dienstags, statt, alle zu wohltätigem Zweck. Strauss spielte<br />
unter anderem auch seinen „Döblinger Reunion-Walzer“, das Opus 2.<br />
Ab 21. September wurden in der „Wiener Zeitung“ in großen Anzeigen vier Reunionen<br />
im Saale „Zum schwarzen Bock“ auf der Wieden angezeigt. Die Leitung des Orchesters<br />
hatte Joseph Lanner übernommen und ab dem 26. Oktober wurden die Reunionen in neuer<br />
Folge fortgesetzt.<br />
44 Kapitel 1
Im Lokal „Zum schwarzen Bock“ auf der Wieden wurde am 19. Oktober ein Gesellschaftsball<br />
zum Vorteile Michael Pamer, des gewesenen Musikdirektors des „Sperl“ veranstaltet.<br />
Es wurden neu komponierte Werke von Pamer, Lanner und Strauss angekündigt.<br />
Aufgrund einer Fingerverletzung konnte Pamer damals nur mit drei Fingern musizieren und<br />
verlor, vielleicht deswegen, seine Stelle als Musikdirektor im „Sperl“, er konnte also die<br />
Einnahmen aus dem Benefiz gut gebrauchen. Lanner spielte sein Opus 7, „Aufforderung<br />
zum Tanz“, nach dem gleichnamigen Rondo von Carl Maria von Weber. Johann Strauss<br />
führte sein Opus 3, den „Wiener Carneval-Walzer“, erstmals auf. Dabei verwendete er ein<br />
Thema aus Webers Oper „Oberon“, jener Oper, die am 25. Oktober im „Kärnthnerthor-<br />
Theater“ uraufgeführt wurde und durchfiel. Weber starb am 5. Juni, 40-jährig, zwei Monate<br />
nach der Uraufführung der Oper im Conventgarden in London.<br />
Mit dieser Anzeige lud Martin Hertl in der „Theater Zeitung“ zu dem „Gesellschafts-<br />
Balle“ für Pamer ein:<br />
Abb. 27<br />
Abb. 28<br />
Ein „Zephiren-Walzer“ von Johann Strauss Vater, der verschiedentlich mit einem Ball in<br />
Verbindung gebracht wird, der unter dem Titel „Die Frühlings-Augenweide oder die feurige<br />
Rosenflur“ am 16. Mai 1826 im Gasthaus „Zur goldenen Birn“ auf der Wieden stattgefunden<br />
haben soll, ist verschollen. Das Datum, aber vielmehr die Existenz des Balles selbst darf<br />
bezweifelt werden.<br />
Weitere Ereignisse 32<br />
Wirtschaft<br />
15. Januar: In Paris erschien die Erstausgabe des „Figaro“. Das Blatt wurde vierzig Jahre<br />
später zur Tageszeitung.<br />
32 https://de.wikipedia.org/wiki/1826<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
45
Kunst<br />
7. April: In München legte König Ludwig I. den Grundstein für die Alte Pinakothek, die<br />
seine Gemäldesammlung aufnehmen wird.<br />
Wirtschaft<br />
1. Juli: Georg Christian von Kessler (1787–1842) gründete in Esslingen am Neckar die erste<br />
deutsche Sektkellerei.<br />
27. November: Der Apotheker John Walker erfand das Streichholz, das jedoch unregelmäßig<br />
brannte und noch unangenehm roch.<br />
Geboren<br />
29. März: Wilhelm Liebknecht, Mitbegründer der SPD, MdR († 1900).<br />
8. Dezember: Friedrich Siemens, deutscher Industrieller († 1904).<br />
Gestorben<br />
5. Juni: Carl Maria von Weber, deutscher Komponist (* 1786).<br />
7. Juni: Joseph von Fraunhofer, deutscher Optiker und Physiker (* 1787).<br />
8. Oktober: Friedrich Krupp, deutscher Industrieller (* 1787).<br />
1827<br />
Eine Anzeige des „Unternehmer Johann Strauss“ am 1. Februar 1827 lautete: “Unterzeichneter<br />
waget es sowohl einen hohen Adel, als auch ein verehrtes Publikum“ zu einem<br />
„Großen Gesellschafts-Ball“ am „7. Februar 1827 im Saale zum schwarzen Bock auf der<br />
neuen Wieden“ einzuladen. „Die Musik ist unter der Direction des rühmlich bekannten Herrn<br />
Joseph Lanner, welcher eigens für dieses Ballfest neue Compositionen geliefert hat.“<br />
Johann Strauss zeichnete also als Unternehmer!<br />
Abb. 29<br />
46 Kapitel 1
Ab 12. Februar waren die Noten von Strauss „Döblinger Reunion-Walzers“ für 1 fl. (Abk.<br />
für Gulden) im Verlag Diabelli zu kaufen, es wurde allerdings noch keine Opus-Zahl angegeben.<br />
Mit dem „Eintreten der schöneren Jahreszeit“ begann ab dem 24. April wieder eine Serie<br />
von Reunionen „in den beyden Sälen zum schwarzen Bock“ unter Leitung des Direktors<br />
Joseph Lanner. In derselben Anzeige wird mitgeteilt, dass am 29. April eine „Öffentliche<br />
Tanzmusik statt finden und bey den Tänzen die im verflossenen Carneval beobachtete Ordnung<br />
beybehalten“ wird.<br />
Dass Johann Strauss bei diesen Reunionen im Lokal „Zum schwarzen Bock“ mitgewirkt<br />
hat, zeigt die Erstanzeige der Drucke der „Gesellschafts-Galoppe“ (die später die Opus-Zahl<br />
17 bekamen) im Verlag Cappi und Czerny mit dem Hinweis „mit vielem Beyfalle aufgeführt<br />
im Saale zum schwarzen Bock“. Oder hatte etwa Lanner die Werke von Johann Strauss<br />
gespielt?<br />
Abb. 30<br />
„Zum schwarzen Bock: Das Bild, nach der Natur gezeichnet<br />
und in Holz<br />
Abb. 31<br />
geschnitten“.<br />
Letztlich steht fest, dass Johann Strauss ab dem 7. Mai eine „mit 12 Personen besetzte aus<br />
Blas- und Streichinstrumenten bestehende vollstimmige Musik“ besaß, mit der er im Sommer<br />
1827, „wenn es die Witterung zulässt“, im vergrößerten und verschönerten „Gasthausgarten<br />
zu den zwey Tauben am Heumarkt (…) alle Mittwoch und Samstag“ Musik machte.<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
47
Michael Deiss, bürgerlicher Gastwirt auf der Landstraße 445 „zu den zwey Tauben (…)<br />
hat die Ehre, einen hohen Adel und das verehrungswürdige Publicum gehorsamst hiervon zu<br />
benachrichtigen“, und er „wagt es, hierzu seine ergebenste Einladung zu machen“.<br />
Am 26. März starb Ludwig van Beethoven und am 29. März gab die „Wiener Zeitung“ in<br />
einer simplen Anzeige in der Anlage „den Freunden des Verewigten hiermit zur Nachricht“,<br />
dass das Leichenbegräbnis um 3 Uhr nachmittags stattfinde.<br />
Abb. 32<br />
Tags darauf wird der Tod des Tonsetzers Ludwig van Beethoven, „alt 57 J., (…) an der Wassersucht“<br />
nochmals in der Rubrik „Verstorbene zu Wien“ bekannt gemacht.<br />
K(C)arl Carl, der eigentlich Karl Ferdinand Bernbrunn hieß und bereits in München<br />
Theaterregisseur und Direktor des königlichen Isarthor-Theaters war und in Wien seit geraumer<br />
Zeit das Theater in der Josephstadt leitete, übernahm auch die „Direction“ des Theaters<br />
an der Wien, das er am 28. Juni wiedereröffnete. Sowohl vom Theater an der Wien als<br />
auch von Direktor Carl wird an entsprechender Stelle noch zu berichten sein.<br />
Am 20. August 1827 wurde Josef Strauss (nach Geburtseintragung eigentlich Joseph),<br />
der zweite Sohn aus der Ehe von Johann und Anna Strauss, knapp zwei Jahre nach dem<br />
Erstgeborenen Johann in Mariahilf 39 geboren. Das Geburtshaus steht heute nicht mehr,<br />
auf dem Baugrund steht bis heute das Gebäude, in dem das Hotel „Zum goldenen Kreuz“,<br />
Mariahilfer Str. 71a, bestand, welches später in „Hotel Krenn“ und in „Hotel Kummer“ und<br />
schließlich 2020 in „Hotel Motto“ umbenannt wurde.<br />
Abb. 33<br />
48 Kapitel 1
An diesem Gebäude wurde auf Bemühen des „Wiener Instituts für Strauss-Forschung“ im<br />
Jahr des 180. Geburtstages von Josef Strauss eine Gedenktafel angebracht.<br />
Abb. 34<br />
Der Text auf der Gedenktafel lautet: „An dieser Stelle stand das Haus, in dem am 20. August<br />
1827 Josef Strauss (1827–1870) geboren wurde. In 17 Jahren schuf er über 280 Tanzkompositionen<br />
und leitete mit seinen Brüdern Johann und Eduard die Strauss-Kapelle.“<br />
Die Geburtseintragung im Taufbuch des Pfarramts Mariahilf in Wien 6 lautete:<br />
Jahr 1827<br />
Name des Taufenden<br />
Dominikus Bok<br />
Monath und Tag<br />
August den 20ten<br />
Wohnung Mariahilf Nr. 39<br />
Name des Getauften<br />
Joseph<br />
Ehelich, männlich<br />
I<br />
Religion<br />
katholisch<br />
Vaters Nahme und Stand<br />
Johann Strauss, Musiklehrer<br />
Der Mutter Trau- und Zunahme Maria Anna, Tochter des Josef Streim,<br />
herrschaftlichen Kutschers, und der Anna Rober<br />
Pathen<br />
Josepha Lowitzberger, Fischermeisterstochter<br />
Hebamme Elisabeth Martini, Josephstadt Nr. 32<br />
Abschrift der Geburtseintragung. 33<br />
33 https://www.johann-strauss.at/forschung/forschungssplitter/geburtshaus-josef/<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
49
Abb. 35<br />
In der Wintersaison, zunächst am 30. September und dann am 1. Oktober, fanden Bälle „im<br />
ganz neu und elegant decorierten Saal zum weissen Schwan“ in der Rossau statt. Johann<br />
Strauss leitete die Ballmusik.<br />
Am 28. September beehrte sich Deiss, Wirt „Bey den zwey Tauben“, in der „Wiener<br />
Zeitung“ „ergebenst anzuzeigen, daß der heuer bey ihm im Garten sich produzierte Violinspieler<br />
Herr Johann Strauss auch den ganzen Winter in den an dem Garten befindlichen<br />
Extrazimmern und zwar alle Samstag Abends in den neuesten und beliebtesten Quintetten<br />
den ihm nachsichtsvoll geschenkten Beyfall zu erhalten sich thätigst bestreben wird“. 34<br />
Ab jener Zeit wurden die Annoncen genauer und vermutlich war das Vermarktungstalent<br />
von Johann Strauss maßgeblich mit dafür verantwortlich.<br />
Für den Ball am 6. November, den der Eigentümer des „weissen Schwan“, Hammerler,<br />
„aufgefordert von mehreren distinguierten Familien“ veranstaltete, wurden „die vorkommenden<br />
und die neuen Compositionen von Johann Strauss vermerkt“. Es wurde angekündigt,<br />
dass der Ball um 8 Uhr abends beginnt und das Ende um 4 Uhr früh sein wird. Die<br />
auf 200 Stück limitierten Billeten kosteten im Vorverkauf einen Gulden W. W. (Wiener<br />
Währung) für die Herren und sie waren meistens in den Kaffeehäusern in der Stadt, später<br />
auch in den Musikalienhandlungen zu bekommen. Die „Damen haben an deren Seite freien<br />
Eintritt“. An der „Casse“ war der Eintrittspreis 2 fl. W. W. für jede Person.<br />
34 ANNO/Österreichische Nationalbibliothek Wiener Zeitung, Allgemeines Intelligenzblatt vom<br />
28. September 1827, Seite 422.<br />
50 Kapitel 1
Der am 6. November erstmals aufgeführte „Carolinen-Galopp“ von Strauss (später<br />
Opus 21a) wurde bereits am 16. November von dem Kunst- und Musikalienhändler Tobias<br />
Haslinger, am Graben 572, im Haus der „ersten Österreichischen Spar-Casse“, in der „Wiener<br />
Zeitung“ erstmals angezeigt.<br />
Das große Katharinen-Ballfest am 26. November im Saal „Zum weissen Schwan“ in der<br />
Rossau fand zum „Vortheile des Musik-Directors Johann Strauss“ statt und der Unterzeichner<br />
Johann Strauss „wird keine Mühe sparen, durch besondere Decorierung des Saales ein<br />
glänzendes Ballfest zu bilden“, auch wird er die Tänze zu diesem Ballfest „größtenteils neu<br />
componieren“.<br />
Es waren der Walzer „Wiener Launen“, Opus 6, „Alte und Neue Tempete“, Opus 10, ein<br />
„Katharinenländler“ und für die Ruhestunde ein Marsch, beide offenbar verschollen oder<br />
unter anderen Titeln gedruckt. Getanzt wurde wieder von 8 Uhr abends bis 4 Uhr morgens.<br />
Am 24. November kündigte Dömling, bürgerlicher Gastgeber des Lokals „Zur Kettenbrücke“,<br />
an, dass er der Aufforderung vieler seiner geehrten Besucher nachkomme und seinen<br />
Garten-Salon in der nahenden Adventszeit an Sonn- und Feiertagen von 12 Uhr mittags bis<br />
4 Uhr nachmittags offenhalte und für eine angenehme Tafel-Musik unter der Leitung von<br />
Johann Strauss Sorge getragen habe. Nach 4 Uhr unterhalte ein Bauchredner.<br />
Die Verpflichtungen von Johann Strauss häuften sich damals zusehend. In dem nachfolgenden<br />
Stadtplanauszug von damals ist die Lage der bislang genannten wichtigen Adressen<br />
und Lokalitäten eingetragen.<br />
Abb. 36<br />
Stadtplan von Wien und den Vorstädten zwischen 1830 und 1858.<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
51
Alle Häuser und Lokalitäten lagen außerhalb der inneren Stadt und den damals noch bestehenden<br />
Basteien:<br />
1 = Geburtshaus Johann Strauss Vater<br />
2 = 2. Wohnsitz Weintraubengasse<br />
3 = Kettenbrückensaal<br />
4 = Richtung Lichtental und Rossau (Pfarrkirche Lichtental und „zum weissen<br />
Schwan“, Rossau)<br />
5 = Geburtshaus Johann Strauss Sohn<br />
6 = Geburtshaus Josef<br />
7 = zum schwarzen Bock, Wieden<br />
8 = zu den zwey Tauben<br />
Weitere Ereignisse 35<br />
Politik<br />
5. Mai: Thronwechsel in Sachsen. Auf König Friedrich August I. folgte sein Bruder Anton.<br />
Wirtschaft<br />
11. Februar: Josef Ressel wird in Österreich ein so genanntes Privilegium für seine Erfindung<br />
der Schiffsschraube gewährt, das ihn zur wirtschaftlichen Verwertung berechtigte.<br />
7. April: In seiner Apotheke beginnt der Engländer John Walker, die von ihm erfundenen<br />
Streichhölzer zu verkaufen.<br />
Geboren<br />
11. Januar: Rainer Ferdinand von Österreich, österreichischer Erzherzog, altösterreichischer<br />
General († 1913).<br />
6. März: Wilhelm Carl Heraeus, deutscher Apotheker und Chemiker, Gründer der Firma<br />
Heraeus († 1904).<br />
18. November: Mehmed Ali Pascha, türkischer Feldherr deutscher Abstammung († 1878).<br />
Gestorben<br />
26. März: Ludwig van Beethoven, deutscher Komponist (* 1770).<br />
18. November: Wilhelm Hauff, deutscher Schriftsteller und Märchenerzähler (* 1802).<br />
1828<br />
In dem sechs Wochen dauernden „Carneval“ 1828 spielte Johann Strauss in denselben drei<br />
Lokalen und Sälen wie im Vorjahr, nämlich „Zur Kettenbrücke“, „Zum weissen Schwan“<br />
und „Zu den zwey Tauben“. Seinen „Kettenbrücke-Walzer“, die I. Lieferung, sein Opus 4,<br />
führte er im Januar im gleichnamigen Saal erstmals auf.<br />
35 https://de.wikipedia.org/wiki/1827<br />
52 Kapitel 1
Die Vermarktung der Kompositionen funktionierte unter Tobias Haslinger bestens. Bis<br />
zum 1. Februar erschienen gleich drei Neuheiten in dessen Verlag, das Opus 3 am 19. Januar<br />
gleich in fünf Ausgaben, und zwar für das Pianoforte, für Pianoforte zu 4 Händen, für<br />
Violine und Pianoforte, für 2 Violinen und Bass und für das ganze Orchester. Am 30. Januar<br />
erschien das Opus 4 und gleich am Tag darauf das Opus 10, ebenfalls in fünf Ausgaben. Die<br />
Kompositionen erhielten ab dann auch Nummern und wurden als Lieferungen bezeichnet.<br />
Tobias Haslinger wiederholte seine Anzeigen in der „Wiener Zeitung“ fast täglich.<br />
Titelblatt der zweiten Lieferung des Kettenbrücke-Walzers,<br />
Abb. 37<br />
op. 19, mit der Abbildung der Kettenbrücke.<br />
Am 11. Februar „stattete Johann Strauss seinen innigsten Dank mit einem großen Gesellschafts-Balle<br />
im Saal zum weissen Schwan zu seinem Vortheil ab“. Mit dieser Wortwahl lud<br />
er zu seinem Ball ein, bei dem der Eintritt im Vorverkauf für die Herren 2 fl. W. W. (Gulden<br />
Wiener Währung), für die Damen 1 fl. W. W. betrug, an der „Cassa“ war der Eintrittspreis<br />
für jede Person 1 fl., allerdings C.M. (Conventionsmünze), was 2,5 fl. W. W. entsprach.<br />
Nach heutiger Kaufkraft kostete der Eintritt rund 22,50 Euro.<br />
Die Wiener Währung (das Papiergeld) wurde ab dem 20. März 1820 durch die Nationalbank<br />
in den von ihr errichteten Kassen gegen „Conventionsmünze“ (CM) im Verhältnis von<br />
250 Gulden W. W. gleich 100 Gulden CM „für Rechnung des Staates“, d.b. auf Kosten des<br />
Staates, übernommen. Die Bank übernahm die Scheine sodann „zum Zweck der öffentlichen<br />
Vertilgung“.<br />
Ab dem 24. Februar leitete Johann Strauss an allen „Sonn- und Feyertagen durch die<br />
ganze Fastenzeit im Salon zur Kettenbrücke in der Leopoldstadt abends die große Harmonie-Musik<br />
und zwar von 6 Uhr Abends bis 11 Uhr Nachts“.<br />
Danach erlebte Wien eine musikalische Sensation. Ab dem 28. März, so lautete die Ankündigung,<br />
„wird Herr N. Paganini, welcher aus Mailand hier angekommen, die Ehre haben,<br />
Concerte im großen k. k. Redoutensaale zu geben, und wird sich auf der Violine hören<br />
lassen“. Insgesamt gab Paganini fünf Konzerte plus eine Zugabe, die „zum Vortheil der<br />
Bürger Spitale“ gegeben wurde.<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
53
Schon am 19. April hatte Strauss einen „Walzer à la Paganini (mit dem Glöckchen)“<br />
komponiert und Haslinger diesen bereits gedruckt und in der „Wiener Zeitung“ angezeigt.<br />
Uraufgeführt wurde das Werk im April im Lokal „Zu den zwey Tauben“.<br />
Nachdem er zum „Kammer-Virtuosen seiner Majestät des Kaisers von Österreich“ ernannt<br />
worden war, folgten zwei weitere Konzerte Paganinis im k. k. Hofoperntheater. Am<br />
24. Juli spielte er dann wirklich das Abschiedskonzert mit Rahmenprogramm.<br />
Am 12. April spielte Joseph Lanner erstmals sein Opus 19, den „Trennungswalzer“, mit<br />
dem er die Trennung von Strauss und die Aufteilung in zwei getrennte Orchester musikalisch<br />
besiegelt haben soll. Dass die Freundschaft aber auch nach 1829 anhielt, ist erwiesen,<br />
und die Trennung bezog sich auf den Wechsel Lanners von dem Verleger Diabelli zu Tobias<br />
Haslinger. Der Walzer wurde nach dem Aufdruck auf der Erstausgabe „Componiert nach<br />
aufgegebenen vier Wörtern Trennung, Schnakerl, Bock und Klage“ und war einem Fräulein<br />
Maria Seitz gewidmet.<br />
Herr Dömling, Wirt der „Kettenbrücke“, informierte am 22. April, dass sowohl sein Garten<br />
als auch der Salon täglich geöffnet und für eine angenehme Tafel-Musik gesorgt sei,<br />
wobei insbesondere jeden Sonntag und Donnerstag mittags und abends Instrumental-Musik<br />
unter der Leitung des „Musik-Directors Johann Strauss“ abgehalten werde. Bei einer dieser<br />
Unterhaltungen muss Strauss im September seine beiden Opera 7a und b, die „Alpenkönig<br />
– Galoppe Nr. 1 und 2“, erstmals aufgeführt haben.<br />
Mittwochs und sonntags fanden Reunionen „Bey den zwey Tauben“ im abermals verschönerten<br />
Gasthausgarten unter der Leitung von Johann Strauss statt.<br />
Ein „Fest zu Gunsten der Wiener Militär-Hilfskasse“ wurde am 6. September auf dem<br />
K(C)obenzl veranstaltet. Zu dem Fest auf dem Anwesen von Johann Philipp Graf Cobenzl,<br />
der das Landhaus zu einem schlossartigen Gebäude umgestalten lies und mit einem Naturgarten<br />
mit einer modernen Landwirtschaft und Meierei verband, deren Produkte von stadtbekannter<br />
Qualität waren, kamen 6.000 Gäste. Johann Strauss führte dabei seinen „Lust-Lager-Walzer“,<br />
Opus 18, erstmals auf. Anlass für das Fest war ein Zeltlager mit Exerzier- und<br />
Feldübungen, welches vom 9. bis 23. September bei Traiskirchen stattfand. Wiener Geschäftsleute<br />
bauten auf dem Manöverfeld Verkaufsstände, Restaurants in Bretterbuden und<br />
Kaffee-Zelte auf und machten das Fest damit zum Lust-Lager. Auf dem Titelblatt des Werkes,<br />
das am 16. Januar 1829 bei Haslinger erschienen ist, wurde das Lager dargestellt.<br />
Abb. 38<br />
54 Kapitel 1
Ende September trennte sich Johann Strauss schriftlich von seinem bisherigen Verleger<br />
und Vertragspartner Anton Diabelli und ließ seine künftigen Werke, mit einigen Ausnahmen<br />
in der Übergangszeit, ab dann ausschließlich von Haslinger verlegen. In dem Kündigungsschreiben<br />
schreibt Johann Strauss, dass ihn „von nun an ein Kontrakt mit Herrn Haslinger<br />
bindet, insofern jede meiner Kompositionen ihm zu liefern“ sei. Bei den Veröffentlichungen<br />
erschien künftig der Zusatz „Eigentum des Verlegers“ regelmäßig. Da auch Joseph Lanner<br />
kurz zuvor zu Tobias Haslinger wechselte, könnte der Titel von Johann Strauss Opus 16, der<br />
Walzer „Fort nacheinander!“, der am 26. September bei Haslinger erschien, eine Anspielung<br />
auf diese beiden Verlegerwechsel gewesen sein.<br />
Aus späteren Verträgen der Strauss-Söhne mit deren Verlegern ist bekannt, welche Summen<br />
für die Lieferungen von Kompositionen einmalig an die Komponisten bezahlt wurden<br />
und wodurch die Kompositionen in das Eigentum der Verleger übergingen. Aus der frühen<br />
Schaffensperiode von Strauss Vater sind leider keine Verträge erhalten.<br />
Der Eigentümer des Gasthauses „Zum Sperl“, Johann Georg Scherzer zeigte am 18.<br />
Oktober einen Ball für den kommenden Tag an, bei welchem die „Musik unter der persönlichen<br />
Leitung des bekannten Herrn Joseph Lanner“ stand.<br />
Am 19. November starb Franz Schubert 31-jährig an den Folgen einer Thyphusinfektion.<br />
„Er komponierte in seinem kurzen Leben über 600 Lieder, weltliche und geistliche<br />
Chormusik, sieben vollständige und fünf unvollendete Sinfonien, Ouvertüren, Bühnenwerke,<br />
Klaviermusik und Kammermusik. Heute ist Schuberts Rang als herausragender Vertreter<br />
der frühen Romantik unbestritten.“ 36<br />
Joseph Lanner heiratete Ende November Franziska Jahn. Im Dezember wurde er zum<br />
„Musikdirector“ der k. k. Redoutensäle vorgeschlagen und im Januar 1829 erfolgte schließlich<br />
die Ernennung.<br />
Im Dezember veröffentlichte Anton Diabelli eine Sammlung von Galoppen, unter anderem<br />
von Franz Schubert und Meyerbeer. Die Sammlung enthielt auch die Opera 7, 8, 9, 17<br />
und 20 von Johann Strauss. Das Opus 7, der „Alpenkönig-Galopp“, Straussens erster Galopp,<br />
bestand aus Motiven aus dem romantisch-komischen Märchen „Der Alpenkönig und<br />
der Menschenfeind“ von Ferdinand Raimund, welches am 17. November zu dessen Benefiz<br />
im Leopoldstädter Theater uraufgeführt wurde.<br />
Weitere Ereignisse 37<br />
Politik<br />
Russland erklärte dem Osmanischen Reich den Krieg, um auch die Unabhängigkeitskämpfe<br />
der Griechen zu unterstützen.<br />
Wirtschaft<br />
25. Juli: Der Wiener Magistrat gestattete Ignaz Bösendorfer, das Klaviermachergewerbe<br />
auszuüben. Seine Klaviere erlangten Weltruf.<br />
4. Juli: Der Grundstein für die erste Eisenbahn in den USA, der „Baltimore & Ohio Railroad<br />
(B & O)“, wurde gelegt.<br />
36 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schubert<br />
37 https://de.wikipedia.org/wiki/1828<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
55
Kultur<br />
26. März: Franz Schubert gab sein erstes und einziges öffentliches Konzert im Lokal der<br />
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.<br />
Geboren<br />
8. Februar: Jules Verne, französischer Schriftsteller († 1905).<br />
7. Juli: Heinrich von Ferstel, österreichischer Architekt († 1883).<br />
9. September: Lew Nikolajewitsch Tolstoi, russischer Schriftsteller († 1910).<br />
Gestorben<br />
8. November: Salomon Oppenheim junior, deutscher Bankier (* 1772).<br />
1829<br />
Die noch kleine Familie Strauss wohnte Anfang 1829 immer noch in Mariahilf. Die Angabe<br />
von Johann Strauss in seiner Annonce am 29. Januar macht die Verwirrung um die richtige<br />
Adresse, die schon im Zusammenhang mit der Anbringung der Gedenktafel an Josef Strauss<br />
Geburtshaus nach wissenschaftlicher Aufarbeitung verlangte und unter Leitung von Prof.<br />
Dr. Eduard Strauss erfolgte, noch größer. Eine Adresse in der Mariahilfer Hauptstraße Nr.<br />
68 war nämlich bislang nicht bekannt.<br />
Abb. 39<br />
Die Musikdirektoren waren für die Ballveranstalter damals immer noch nicht der Hauptanziehungspunkt<br />
für ihre Bälle und sie nannten diese daher auch nicht in allen Annoncen. Wer<br />
auf den Bällen am 22. Januar „Zum Sperl“ und am 25. Januar im „Apollo-Saal“ spielte, ist<br />
nicht eindeutig nachweisbar, vermutlich war es aber Joseph Lanner.<br />
Der Verleger Th. Weigl zeigte am 18. Januar den „Beliebten Wiener-Fopp-Galopp“ in<br />
seinem Verlag „Am Graben“ an. Der Galopp war von Georg Geyschläger komponiert und<br />
dem „Herrn Johann Strauss, Musik-Director“ gewidmet. Strauss war also damals schon so<br />
bedeutend, dass ihm Kompositionen gewidmet wurden.<br />
Ab Februar lassen sich die Engagements von Johann Strauss größtenteils, wenn auch<br />
nicht vollständig nachvollziehen:<br />
Bekannt sind vier große Gesellschafts-Bälle im Februar, derjenige am 17. zum „Vortheile<br />
von Johann Strauss“, bei welchem das Opus 22, „Es ist nur ein Wien!“, uraufgeführt<br />
wurde. Weiterhin ab dem 5. Februar jeden Donnerstag Concordia-Bälle, allesamt zu wohltätigem<br />
Zweck, sowie zum Schluss des „Carnevals“, der damals bis zum 3. März dauerte,<br />
„Öffentliche Bälle und Bälle zur Erheiterung“, alle im Saal „Zur Kettenbrücke“.<br />
56 Kapitel 1
Die Gesellschafts-Bälle veranstaltete der ehemalige Gastgeber „Zum schwarzen Bock“<br />
auf der Wieden, Martin Hartl. Aber auch im Saal „Zum schwarzen Bock“ veranstaltete er<br />
weiterhin Gesellschafts-Bälle, er wurde also außer Wirt auch Veranstalter.<br />
Abb. 40<br />
Nach der Fastenzeit, ab dem 23. April, in der (noch) keine Vergnügungen erlaubt waren,<br />
spielte Johann Strauss zur Abend-Unterhaltung im Saal und Garten „Zur Kettenbrücke“ und<br />
von Ostersonntag an „alle Mittwoch und Sonntag im Garten und den Extrazimmern zu den<br />
zwey Tauben“.<br />
Bei einer dieser Abend-Unterhaltungen führte Johann Strauss eine Neuigkeit in Wien<br />
ein, es war das Entréegeld. Anstelle des „Absammelns in den Pausen“ zahlten die Gäste ein<br />
Eintrittsgeld von 4, 5 oder 6 Kreuzer Konventionsmünze (später 8 Kreuzer).<br />
Am Sonntag und Montag nach dem Peter- und Paulustage, am 5. und 6. Juli (damals Julius<br />
bezeichnet), fand in Weidling nächst Klosterneuburg das Kirchweihfest statt, zu welchem<br />
der „Herr Musik-Director Strauss im Gasthause zum goldenen Strauss die Harmonie- und<br />
Tanzmusik leitete“ und wozu der „Unternehmer seine gehorsamste Einladung“ machte.<br />
Abb. 41<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
57
Irgendwann im Sommer spielte Johann Strauss auch im Garten-Salon des Josephstädter-<br />
Theaters und führte dabei sein Opus 23, die „Josephstädter Tänze“, erstmals auf. Der Verleger<br />
Haslinger zeigte diese erstmals am 12. August in der „Wiener Zeitung“ an, erwähnte<br />
dabei die Uraufführung und den „Tonsetzer“ mit der Werbung „fort und fort bewahrt dieser<br />
glückliche Tonsetzer den schönen Beruf seines seltenen Talentes, davon sind die Walzer ein<br />
überzeugender Beweis. Jedem, dem die Kettenbrücke-Walzer bekannt sind (und wer sollte<br />
sie nicht kennen?) wird auch an diesen Tänzen reichlichen Genuss, volles Vergnügen, wahre<br />
Befriedigung finden.“<br />
Der Titel von Strauss Opus 24, der „Hitzinger-Reunion-Walzer oder Weißgärber-Kirchweih-Tänze“,<br />
lässt auf die Teilnahme von Strauss an den Feiern zu den Kirchweih-Festen in<br />
den Vorstädten schließen, sie ist allerdings nicht belegt. Später wurden die Feierlichkeiten,<br />
speziell diejenigen zum Brigittenauer Kirchtag, legendär.<br />
Am 6. September nahm Strauss mit seinem Orchester an einer „Franzensfeyer“ teil, die<br />
wiederum auf dem Kobenzelberg veranstaltet wurde.<br />
Im Oktober gelang Johann Strauss dann endgültig der Durchbruch als Tanzmusikdirektor,<br />
denn ab dem 4. Oktober wurde er Musikdirektor im Gasthaus „Zum Sperl“. Er unterschrieb<br />
mit dem Eigentümer Scherzer einen Sechsjahresvertrag, vereinbarte eine Gage von<br />
600 Gulden, rund 15.000 Euro in heutiger Kaufkraft, pro Jahr und zwei Benefizkonzerte zu<br />
seinem Vorteil, bei Spesen von je 80 Gulden. Bei seinem ersten Auftritt wurde das Opus 30,<br />
die „Sperlfest-Walzer“, uraufgeführt.<br />
Zunächst fanden jeweils sonntags öffentliche Bälle statt, das erste Strauss-Benefiz war<br />
„der Katharinenball zum Vortheile des Music-Directors Johann Strauss“ am 25. November.<br />
Abb. 42<br />
58 Kapitel 1
Dabei wurden die beiden Opera 31 und 32 uraufgeführt. Haslinger hatte die Charmant-<br />
Walzer „Des Verfassers beste Laune“, Opus 31, bereits gedruckt und hundert Exemplare davon<br />
wurden zur Ruhestunde an die anwesenden Damen verteilt. In der Ruhestunde wurde<br />
gegessen, aber nicht getanzt.<br />
Bei seinem Opus 32 war Johann Strauss Wegbereiter für Neues. Er präsentierte nämlich<br />
sein Werk „Schwarz’sche Ball-Tänze“, Cotillon nach beliebten Motiven aus der Oper „Die<br />
Stumme von Portici“ von Daniel Auber, schon Wochen vor der Uraufführung der Oper am 12.<br />
Februar 1830 im Kärntnertor-Theater Die Aufführung neuer Musik anderer Komponisten für<br />
die Besetzung der Unterhaltungskapellen und für den Tanz arrangiert, war ein Bestreben aller<br />
Musikdirektoren und von Johann Strauss Vater und seinen drei Söhnen besonders. Es gelang<br />
ihnen auch oft, diese Bearbeitungen noch vor der Erstaufführung der Bühnenwerke in den<br />
Wiener Theatern aufzuführen. Späterhin spielten die Strauss-Söhne die Musik von Richard<br />
Wagner mitunter schon Monate vor der Erstaufführung von dessen Opern, im Falle der Oper<br />
„Parsifal“ sogar Jahre vor der ersten Aufführung und sie machten diese Werke damit einem<br />
breiten Publikum bekannt, welches sich den Eintritt zu Opernvorstellung nicht leisten konnte.<br />
Die Titelvignette des neuesten Walzers den Haslinger am 25. November erstmals anzeigte<br />
kam „Mit dem wohlgetroffenen Bildnisse des Verfassers“.<br />
Abb. 43 Abb. 44<br />
Abb. 45 Abb. 46<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
59
Das Opus 26, „Frohsinn im Gebirge“, erschien zusammen mit den „Hitzinger Reunion -<br />
Walzer oder Weißgerber Kirchweihtänze“ am 11. September 1829 bei Haslinger.<br />
Schon im Februar 1829 erschienen „Die beliebten Trompeten-Walzer“, Opus 13, von<br />
Strauss bei Haslinger im Druck. Viel später gab der Verlag Diabelli, als letztes Werk von<br />
Strauss, kurz vor Weihnachten den „Sperlfest“-Walzer, das Opus 30 heraus.<br />
Am 24. Dezember kam in der zwischenzeitlich von der Familie Strauss bezogenen Wohnung<br />
in der Donaustraße 31 die Tochter Anna Strauss, die später wie ihre gleichnamige<br />
Mutter ebenfalls Netti gerufen wurde, zur Welt.<br />
Stadtplan von Wien-Leopoldstadt ca. 1830 mit der Lage der beiden<br />
Abb. 47<br />
Strauss-Wohnungen 1829 und ab 1831 sowie dem Gasthaus „zum Sperl“.<br />
Damit die Interessenten nicht den Überblick verloren, gab Haslinger am 28. Dezember noch<br />
ein Verzeichnis der neuesten Tänze des „mit allem Rechte so sehr beliebten Musicdirectors<br />
Johann Strauss“ unentgeltlich heraus.<br />
Weitere Ereignisse 38<br />
Wirtschaft<br />
Gründung der österreichischen Ersten Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft 1829 in Wien<br />
Kultur<br />
3. August: Uraufführung der Oper „Guillaume Tell (Wilhelm Tell)“ von Gioachino Rossini<br />
an der Grand Opéra Paris.<br />
38 https://de.wikipedia.org/wiki/1838<br />
60 Kapitel 1
Geboren<br />
3. Januar: Konrad Duden, Philologe; Herausgeber des ersten deutschen Rechtschreibwörterbuchs<br />
(† 1911).<br />
11. Februar: Camillo Walzel, Librettist († 1895).<br />
26. Februar: Levi Strauss, deutsch-amerikanischer Industrieller und Erfinder der Jeans<br />
(† 1902).<br />
3. März: Carl von Siemens, deutscher Industrieller († 1906).<br />
28. November: Anton Rubinstein, russischer Komponist, Pianist, Dirigent († 1894).<br />
Gestorben<br />
10. Februar: Leo XII., Papst von 1823 bis 1829 (* 1760).<br />
1801 bis 1829 Strauss Vaters Kindheit, Jugend und frühe Jahre<br />
61
Kapitel 2<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen
1830<br />
Anfang 1830 wohnte die Familie Strauss im Haus „zum weissen Wolfen“ in der Donaustraße<br />
in der Leopoldstadt, wo am Christtag des Vorjahres Anna Strauss zur Welt<br />
kam. Strauss inserierte: „Adressen beliebe man in der Kunsthandlung des Herrn<br />
Tobias Haslinger, am Graben, Paternostergäßchen abzugeben“. Schon im Februar wurde<br />
diese Wohnung aber durch das katastrophale Hochwasser der Donau überflutet und ein erneuter<br />
Wohnungswechsel wurde notwendig.<br />
Abb. 1<br />
Der Karneval begann am 10. Januar im „Sperl“ zunächst mit „öffentlichen Bällen“, ab dem<br />
14. Januar kamen jeden Donnerstag die „Fortuna-Bälle“ hinzu, am 11. Januar begann im<br />
neu erbauten Salon des „Dommayer’schen Kaffey- und Traiteurhauses“ in Hietzing eine<br />
Serie von Gesellschafts-Bällen, bei allen Bällen leitete Johann Strauss die Musik. Ferdinand<br />
Dommayer organisierte zur größeren Bequemlichkeit „Gesellschaftswagen“, die zu jeder<br />
Stunde von der Stadt ins abgelegene Hietzing und zurückfuhren.<br />
Dommayerʼs Kaffey- und Traiteurhaus in Hietzing Abb. 2<br />
63
Ab dem 13. Januar leitete Johann Strauss auch die Musik bei einigen Gesellschafts-Bällen<br />
in dem „ganz neu erbauten und geschmackvoll decorierten Winter-Salon zum goldenen<br />
Strauss“ im Josephstädter-Theater-Gebäude.<br />
Der „Große Gesellschafts-Ball zum Vorteil von Johann Strauss“ fand am 16. Februar im<br />
Saale „Zum Sperl“ statt. Der Benefiziant komponierte dafür sein Opus 33, „Strauss’ Benefice-Walzer“,<br />
und führte ihn dort erstmals auf. Als Attraktion verschenkte er erneut hundert<br />
gedruckte Exemplare der Klavierausgabe an die anwesenden Damen.<br />
Für die beiden Gesellschafts-Bälle am 17. Februar kündigten sowohl Johann Georg<br />
Scherzer, „Inhaber des Gasthauses zum Sperl“, als auch unter dem Kürzel F. E. der Unternehmer<br />
für den Winter-Salon „zum goldenen Strauss“ im Josephstädter-Theater-Gebäude<br />
die Musik „unter der Direction des Herrn Johann Strauss bzw. unter persönlicher Leitung<br />
des Musik-Directors Herrn Johann Strauss“ an.<br />
Johann Strauss dürfte an jenem Abend zwischen den beiden Veranstaltungsorten gependelt<br />
sein, er musste aber über eine ausreichende Anzahl guter Musiker verfügt haben, um<br />
das Orchester teilen zu können. Zudem musste er einen Orchesterleiter oder Stellvertreter<br />
gehabt haben.<br />
Am 27. Februar brach über die am Donaukanal gelegenen Vorstädte Wiens eine Katastrophe<br />
herein. Am Abend türmten sich die von der Flut getriebenen Eisschollen zu einem<br />
riesigen Eisstoß, der eine Brücke zermalmte, sodass der Donauarm über die Ufer trat.<br />
50.000 Menschen waren eingeschlossen, 1.300 Häuser standen unter Wasser, 173 waren<br />
völlig zerstört, 5.000 Familien mussten evakuiert werden und 73 Menschen fanden den Tod.<br />
Besonders schlimm traf es die Leopoldstadt. Auch Familie Strauss musste durch die vom<br />
Hochwasser verursachten verheerenden Zerstörungen in ihrer Wohnung erneut umziehen.<br />
Im April zeigte Andreas Nemetz, „Capellmeister beym löbl. 19 ten Linien-Infanterie-Regiment<br />
Prinz Hessen-Homburg“, die Ausgabe von monatlichen Lieferungen von „türkischer<br />
und Harmoniemusik“ und von beliebten, von ihm arrangierten Märschen nach Motiven des<br />
Johann Strauss in reingeschriebener Partitur an. Weder der angezeigte „Frühlings-Marsch“<br />
noch ein „Charmant-Marsch“ von Strauss sind bekannt, weshalb die Märsche von Strauss<br />
in einem eigenen Kapital behandelt werden.<br />
Vom „Ostersonntag angefangen“ eröffnete „Michael Deiß, bürgerl. Gastgeber“, „den<br />
Gasthausgarten bey den 2 Tauben am Heumarkt […] nebst den anstoßenden Extrazimmern“<br />
wieder und es werden „daselbst über den ganzen Sommer hindurch alle Mittwoch<br />
und Samstag die bisher so beyfällig aufgenommenen Productionen der neuesten beliebtesten<br />
Musikstücke mit einem vollständigen Orchester unter der Leitung des Musikdirectors<br />
Herrn Johann Strauss [ …] statt haben“.<br />
Ab dem 4. Mai fand jeden Dienstag, auch bei ungünstiger Witterung, eine musikalische<br />
Abendunterhaltung im Salon und Garten „Beim Dommayer“ oder bei „Dommayer’s Casino“,<br />
wie das „Dommayer’sche Kaffey- und Traiteurhaus“ in Hietzing später einfacher und<br />
zeitgemäßer genannt wurde, statt. Strauss unterhielt mit seiner Musik.<br />
Über die Veranstaltungen im Sommer 1830 im Saale „Zum Sperl“ wurden keine Anzeigen<br />
in der „Wiener Zeitung“ aufgegeben. Es ist nicht bekannt, ob die Gebäude und Räumlichkeiten<br />
des „Sperl“ vielleicht auch hochwasserbeschädigt waren.<br />
Im Juni fand ein „Blumenfest zu einem wohltätigen Zweck“ statt und ab dem 7. Juli jeden<br />
Mittwoch wieder „Reunionen“ (Privat-Tanzunterhaltungen) im „Finger’schen Garten-<br />
64 Kapitel 2
Salon“ in Oberdöbling. Es ist nicht nachweisbar, wer die Musik geleitet hat. Ebenso sind keine<br />
Details über das Volksfest am 1. August am „Kobenzlberge nächst Grinzing“ überliefert.<br />
Anfang August wurde das „k. k. privil. Theater an der Wien“ als Hauptpreis einer Ausspielung<br />
einer Lotterie verlost, jenes Mal wechselte aber der Besitzer nicht. Zuletzt wechselte<br />
das Theater 1827, das nächste Mal erst wieder 1841 den Besitzer. Dazwischen waren<br />
Cajetan Hruschowsky Ritter von Hruschowa und dessen Erben Eigentümer. Dieses Theater<br />
sollte in der späteren Schaffensperiode von Johann Strauss Sohn eine bedeutende Rolle<br />
spielen.<br />
Ein besonderes Ereignis für das Haus Habsburg und die österreichische k. k. Monarchie<br />
ereignete sich am 18. August, es wurde nur mit einer nüchternen Nachricht am 19. August<br />
in der „Wiener Zeitung“ mitgeteilt. Erzherzogin Sophie wurde im Schloss Schönbrunn von<br />
einem Erzherzog entbunden. Es war der spätere Kaiser Franz Joseph, der am 19. mittags um<br />
12 Uhr getauft wurde und später über 68 Jahre Kaiser von Österreich und des Habsburger<br />
Reiches sein sollte.<br />
Am 25. August fand „zum Vortheile Johann Strauss“ im Saal „Zum Sperl“ ein großes<br />
Ballfest in Verbindung mit einer Abend-Unterhaltung im „Speise- und Lustgarten“ unter<br />
dem Titel „musikalische Garten- und Zimmerreise“ statt, bei dem das Opus 38, „Souvenir<br />
de Baden. Helenen-Walzer“, erstmals erklang. Ein Ausflug von Strauss nach Baden, den 30<br />
Kilometer südwestlich von Wien gelegenen Kurort, ist in jenem Jahr nicht nachzuweisen.<br />
Abb. 3 Abb. 4<br />
Der „Reizende Unterhaltungsort, das Tivoli“, ein später sehr berühmtes Vergnügungsetablissement<br />
im ehemaligen Wiener Vorort Obermeidling in der Nähe des Schlossparkes<br />
Schönbrunn, wurde am 5. September eröffnet. Über die Eröffnungsveranstaltungen sind<br />
keine Details bekannt, aber bereits am 18. September zeigte Tobias Haslinger die „Wiener-<br />
Tivoli-Musik“, zusammengesetzt aus Kompositionen von Johann Strauss und K apellmeister<br />
Resnitschek, an. Die beiden leisteten ab dem 18. September gemeinsam jeden Sonntag und<br />
Donnerstag ihren musikalischen Beitrag zu den Vergnügungen.<br />
Das Tivoli, von den Berliner Unternehmern Gerike und Wagner erbaut, war ein luxuriöses<br />
Vergnügungsetablissement für die oberen Schichten, in dem gespeist und getanzt werden<br />
konnte. Es bestand aus mehreren Gebäuden mit einer davorliegenden Plattform, von der<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
65
man die schöne Aussicht auf Wien genoss. Im darunterliegenden Garten befand sich eine<br />
Rutschbahn mit vier nebeneinanderliegenden Gleisen und ungefähr 15 zweisitzigen Wagen,<br />
mit denen man die wellenförmige Strecke befuhr. Es lag gegenüber der Schwimmschule, in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft des kaiserlichen Schlosses Schönbrunn.<br />
Abb. 5<br />
Am 4. Oktober fand „zur Feier des allerhöchsten Namensfestes seiner Majestät des Kaisers“<br />
ein großes Fest im Tivoli statt, welches auf allgemeines Verlangen am 10. Oktober<br />
wiederholt wurde. Johann Strauss führte dabei sein Opus 39, den „Tivoli Rutsch-Walzer“,<br />
erstmals auf.<br />
Der Walzer wurde von Haslinger zusammen mit Werken anderer Komponisten als „Wiener-Tivoli-Musik“<br />
gedruckt und verkauft. Das Titelblatt zeigt das Hauptgebäude des Tivoli<br />
mit der Rutschbahn um 1830.<br />
Am 28. September wurde Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand („der Gütige“),<br />
in Pressburg zum König von Ungarn gekrönt. Der Volksmund verballhornte seinen<br />
Titel auch in „Gütinand der Fertige“.<br />
Irgendwann im Laufe des Jahres produzierte Johann Strauss auch seine „beliebten Compositionen“<br />
bei einem „zum Besten des Armeninstituts gegebenen Theaterstück“ der Gemeinde<br />
Hietzing. Dies ist nur aus dem öffentlichen Dank der Vorsteher des Institutes herzuleiten.<br />
Vom 3. Oktober bis zum Advent fanden im „Sperl“ sonntags wieder öffentliche Bälle<br />
statt, Johann Strauss leitete die Ballmusik, Joseph Lanner war inzwischen im Hotel<br />
66 Kapitel 2
„Zum Römischen Kaiser“ auf der Freyung als „Orchester-Director“ engagiert worden.Am<br />
24. November lud Johann Strauss wieder zum „Katharinen-Ballfest zu seinem Vorteil im<br />
Saale zum Sperl“ ein und führte dabei sein Opus 40, die „Wiener Damen-Toilette-Walzer“,<br />
erstmals auf. Er verteilte 200 Exemplare der Klavierausgabe mit einer von Haslinger eigens<br />
entworfenen, verzierenden Ausstattung an die Damen. Mit weiteren Reunionen im Dezember<br />
im „Sperl“ endete das Jahr.<br />
Der Verleger Haslinger hatte zwar im Jahr 1830 nur neun Werke von Johann Strauss neu<br />
ausgegeben, trotzdem beschwerte sich Frédéric Chopin, der polnisch-französische Komponist,<br />
Pianist und Klavierpädagoge, der auf Besuch in Wien war, in einem Brief, dass die<br />
Verleger in Wien nur Strauss und Lanner drucken würden.<br />
Haslinger sparte seinerseits jedenfalls nicht mit Werbung. Hier ein Beispiel, mit<br />
welch ausschweifenden Lobworten er die Kompositionen seines Vertragspartners<br />
anpries:<br />
Abb. 6 Abb. 7<br />
Für mögliche Engagements für den kommenden Karneval veröffentlichte Johann Strauss<br />
zum Jahresende seine aktuelle Adresse, die nach dem Hochwasser im Februar nicht mehr<br />
Donaustraße lautete, sondern:<br />
Abb. 8<br />
Die Wohnung „Leopoldstadt, Carmeliten-Kirchenplatz Nr. 255“ lag gegenüber dem Hirschenhaus,<br />
welches wenig später bezogen wurde und über Jahrzehnte Strauss-Wohnung blieb.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
67
Abb. 9<br />
Weitere ereiGnisse 1<br />
Politik<br />
Frankreich und Russland erklärten im Londoner Protokoll die Gründung Griechenlands.<br />
26. Juni: Nach dem Tod seines Bruders Georg IV. wurde Wilhelm IV. britischer König und<br />
zugleich König von Hannover.<br />
27. Juli: In Paris begann die Julirevolution des Bürgertums gegen die reaktionäre Politik<br />
Karl X. Ihr folgten Aufstände und Flüchtlingsströme in ganz Europa.<br />
2. August: Sturz von König Karl X. von Frankreich.<br />
9. August: Der Herzog von Orléans nahm als Louis-Philippe I. die ihm angetragene Königskrone<br />
von Frankreich an und nannte sich König der Franzosen.<br />
In Europa gab es in der Folge zahlreiche Proteste und Aufstände, so der soziale Protest in<br />
Aachen, den die Bürgerwehr beendet, die Schneiderrevolution in Berlin, ein Aufstand in<br />
Braunschweig, bei dem Herzog Karl II. vertrieben und das erste Braunschweiger Schloss<br />
niedergebrannt wurde, und die Münchner Weihnachtstumulte.<br />
4. Oktober: Nach einem von Brüssel ausgehenden Aufstand erklärte sich Belgien für unabhängig<br />
von den Niederlanden.<br />
20. Dezember: Im Londoner Protokoll erkannten die europäischen Großmächte die Unabhängigkeit<br />
Belgiens an, verlangten aber strikte Neutralität des Landes.<br />
Novemberaufstand in Polen gegen die russische Herrschaft. Die russischen Truppen und<br />
Großfürst Konstantin Pawlowitsch Romanow zogen sich überraschend aus Polen zurück.<br />
12. Dezember: Das Osmanische Reich erkannte die faktische Selbstständigkeit Serbiens<br />
1 https://de.wikipedia.org/wiki/1830<br />
68 Kapitel 2
an, die Miloš Obrenović erkämpft hatte. Völkerrechtlich wurde das Land jedoch erst 1878<br />
unabhängig.<br />
Verkehr<br />
15. September: Die 64 Kilometer lange Liverpool- and Manchester-Railway wurde als<br />
zweite Bahnverbindung überhaupt eröffnet. Acht Züge mit Lokomotiven verkehrten auf<br />
der Strecke George Stephensons. In Newton-le-Willows wurde dabei der Politiker William<br />
Huskisson am Eröffnungstag von der Lokomotive „The Rocket“ überfahren. Er war das<br />
erste prominente Todesopfer eines Eisenbahnunfalls.<br />
Kunst<br />
18. Oktober: Der Grundstein für den Bau der Walhalla bei Regensburg wurde gelegt.<br />
Kultur<br />
28. Januar: Uraufführung der Oper „Fra Diavolo oder Das Gasthaus von Terracina“ von<br />
Daniel-François-Esprit Auber am Théâtre Feydeau in Paris.<br />
17. März: Frédéric Chopin gab sein erstes eigenes Konzert im Nationaltheater von Warschau,<br />
bei dem das von ihm komponierte Konzert für Klavier und Orchester F-Moll, Opus 21 uraufgeführt<br />
wurde.<br />
5. Dezember: Die „Symphonie Fantastique“ von Hector Berlioz wurde unter der Leitung<br />
von François-Antoine Habeneck im Conservatoire de Paris uraufgeführt.<br />
3. August: Das Königliche Museum auf der Berliner Museumsinsel, ein Bau von Karl<br />
Friedrich Schinkel, wurde seiner Bestimmung übergeben.<br />
Geboren<br />
8. Januar: Hans von Bülow, deutscher Komponist, Pianist, Dirigent und Kapellmeister<br />
(† 1894).<br />
18. Mai: Karl Goldmark, Komponist, Musiklehrer und Violinist († 1915).<br />
2. Juni: Olivier Métra, französischer Komponist und Dirigent († 1889).<br />
18. August: Franz Joseph I., Kaiser von Österreich-Ungarn († 1916).<br />
Gestorben<br />
26. Juni: Georg IV., König von Großbritannien, Irland und Hannover (* 1762).<br />
28. Oktober: August von Goethe, Sohn von Johann Wolfgang von Goethe (* 1789).<br />
8. November: Franz I., König von Sizilien und Neapel (* 1777).<br />
1. Dezember: Pius VIII., Papst von 1829 bis 1830 (* 1761).<br />
1831<br />
Im Karneval 1831, der am 9. Januar begann und knapp sechs Wochen dauerte, stand für<br />
Johann Strauss das Engagement im Saale des „Sperl“ im Mittelpunkt. Öffentliche Bälle,<br />
Gesellschafts-Bälle und Fortuna-Bälle belegten vier Tage in der Woche.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
69
In den nachweisbar prall gefüllten Kalendern der Strauss-Kapelle unter Johann Strauss<br />
Vater wie auch später unter der Leitung der drei Söhne, speziell im Karneval und in der<br />
Sommersaison, fehlen Angaben über die zahlreichen Auftritte in privaten „Circles“. Diese<br />
Bälle und Feste, meist in der aristokratischen Gesellschaft, später auch in den Palais des<br />
Geldadels, waren Einladungsfeste und wurden nicht öffentlich angezeigt. Nur vereinzelt<br />
berichtete die Presse, meist im nachhinein, von diesen.<br />
Es gibt auch nur wenige Anhaltspunkte, wie die Sträusse es schafften, die riesige Anzahl<br />
von Musikern für die vielfach zu teilende Kapelle – zeitweise bestand das Strauss-Orchester<br />
aus bis zu 200 Musikern – für jeweils eine kurze Saison zu verpflichten. Erst Eduard Strauss<br />
stellte nach 1870 sein Orchester von Teil-auf Vollzeitmusiker um.<br />
Am 26. Januar veranstaltete der „k. k. Hofschauspieler“ Nikolaus Heurteur einen<br />
Gesellschafts-Ball im „k. k. kleinen Redouten-Saal“ zu einem wohltätigen Zweck, und zwar<br />
„um Unglückliche aus der drückendsten Lage schnell zu befreien“. Es dürfte Johann Strauss<br />
erstes Auftreten in den zur Hofburg gehörenden Räumen gewesen sein.<br />
Joseph Lanner war ab 1829 „k. k. Musikdirector in den k. k. Redoutensälen der Hofburg“.<br />
Dieser Titel wurde vor dem später für Johann Strauss Vater erst eigens geschaffenen<br />
Titel „k. k. Hofballmusik-Director“ für den Leiter der Musik bei allerhöchsten Bällen<br />
und Festen verwendet. Den Titel „k. k. Hofballmusik-Director“ trugen nach Johann Strauss<br />
Vater noch seine Söhne Johann und Eduard. Johann Strauss Enkel fungierte einige Jahre<br />
als Direktor der Hofballmusik, ohne aber jemals den Titel zu tragen. Keiner der Titel verpflichtete<br />
oder berechtigte deren Träger ausschließlich die Musik für die Veranstaltungen<br />
des Hofes zu produzieren.<br />
Der Einsatz für die Gemeinnützigkeit war zu jener Zeit erwartet und hochgeschätzt,<br />
speziell während des Karnevals, meistens durch die Abhaltung von Ballveranstaltungen zu<br />
wohltätigen Zwecken.<br />
So auch bereits am 24. Januar, an welchem Tag „der Vorsteher der auf dem Schaumburgergrunde<br />
im Pfarrbezirk Wieden zu errichtenden Kleinkinderbewahrt-Anstalt“ zu einem<br />
Gesellschafts-Balle im „Sperl“ einlud auf welchem Johann Strauss die Musik leitete.<br />
„Kleinkinder-Bewahr(t)anstalten“ war die damals übliche Bezeichnung für Kindergärten.<br />
Am 8. Februar veranstaltete Johann Strauss dann im „Sperl“ ein großes Ballfest zu seinem<br />
Vorteil und präsentierte dabei um Mitternacht sein Opus 43, den Walzer „Der Raub der Sabinerinnen“,<br />
zum ersten Male. Diesen soll er nach Aussage von Philipp Fahrbach, der in der<br />
Kapelle von Johann Strauss neun Jahre lang als Flötist engagiert war und mitunter zumindest<br />
an der Ausarbeitung der Orchesterstimmen und der Kopiatur der Noten beteiligt war,<br />
am gleichen Abend bis halb 12 Uhr erst komponiert haben. Sofern dies stimmt, müsste das<br />
Strauss-Orchester den Walzer ohne vorherige Probe am gleichen Abend uraufgeführt haben.<br />
Da das Werk über zehn Minuten lang ist, darf dies durchaus bezweifelt werden. In Eile hätte<br />
Strauss wahrscheinlich ein kürzeres Werk kreiert.<br />
Tobias Haslinger hatte am 11. Februar angezeigt, dass in wenigen Tagen dieses „mit<br />
Beyfall aufgenommene Tongemählde, bestehend aus Einzugs-Marsch, Entführungs-Galopp<br />
und 6 Versöhnungs-Walzern“, in seinem Verlage erscheinen werde. Erschienen ist es dann<br />
am 15. Februar.<br />
70 Kapitel 2
Abb. 10 Abb. 11<br />
1830 bearbeitete Carl Czerny das Opus 31 von Johann Strauss, den „Charmant-Walzer“,<br />
und Tobias Haslinger veröffentlichte das Werk unter dem Titel „Charmant-Variationen“,<br />
natürlich mit dem Zusatz „Eigentum des Verlegers“.<br />
Indessen verkündete Joseph Drechsler, der angebliche Komponist von „Brüderlein fein“<br />
(die Melodie stammt von Ferdinand Raimund selbst, Drechsler soll das Stück nur instrumentiert<br />
haben), einem Lied, das Volksliedcharakter erwarb, seinen Rückzug vom Theater<br />
und empfahl sich als „Lehrer für Gesang, Pianoforte und Compositionslehre“. Er wird später<br />
Johann Strauss Sohn unterrichten. Mehr über ihn im Kapitel zum Debütjahr von Johann<br />
Strauss Sohn, dem Jahr 1844.<br />
Am 27. Februar wurde Kronprinz Ferdinand durch Prokuration mit Maria Anna, Tochter<br />
der Erzherzogin Maria Theresia von Österreich-Este und des Königs Viktor Emanuel I.<br />
von Sardinien-Piemont, seiner Cousine 3. Grades, verheiratet. Ferdinand war der Onkel<br />
von Kaiser Franz Joseph, der älteste Bruder seines Vaters. Er litt an Epilepsie, Rachitis und<br />
Hydrocephalus.<br />
Nach Ende des Karnevals begannen, jeweils sonntags ab 7 Uhr abends, „regelmäßige<br />
Reunionen“ in den Sälen im „Sperl“ und am 14. April wurde „dem verehrungswürdigen<br />
Publikum“ die Wiedereröffnung des Tivoli gemeldet und mitgeteilt, dass „zur Erhöhung des<br />
Vergnügens Herr Musik-Director Johann Strauss und Capellmeister Resnitschek mit ihren<br />
Musik-Chören beitragen werden“. Anton Stuwer, der später zum „k. k. Hof-Feuerwerker“<br />
ernannt wurde, sollte ab 8 Uhr abends ein Feuerwerk abbrennen.<br />
Straussens Opus 44, die „Contre-Tänze“, wurden von Tobias Haslinger am 23. April<br />
modern-französisch als „Contredanses, par Jean Strauss“ angekündigt.<br />
Danach begann für Johann Strauss und seine Kapelle die geschäftige Sommersaison mit<br />
Festen im Tivoli, ab 3. Mai dienstags Reunionen „Beim Dommayer“ in Hietzing und jeden<br />
Mittwoch und Samstag Reunionen im Speise- und Lustgarten des „Sperl“.<br />
Am 18. Mai erfolgte dann bestimmt und unabänderlich die Ziehung der Lotterie, in der<br />
das „k. k. private Theater an der Wien“ als Hauptpreis verlost wurde. Ein Eigentümerwechsel<br />
ist allerdings auch für das Jahr 1831 nicht bekannt.<br />
Zwei Tage zuvor war ein „Blumenfest zum Besten des Armenhauses in der Leopoldstadt<br />
und der Jägerzeile“ im „Sperl“ unter Beteiligung der Infanterie-Regiments-Kapelle unter<br />
Leitung von Resnitschek und eines „Vocal Chors“ sowie in der zweiten Abteilung „ein<br />
glänzendes Ballfest unter der Direction Johann Strauss“ geplant. Das Fest sollte von 7 Uhr<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
71
abends bis 4 Uhr morgens dauern, es wurde aber verschoben. In jene Periode fiel der Beginn<br />
einer langen Zeit und Reihe von großen bis hin zu monströsen Festen, die Johann Strauss<br />
in Wien veranstaltete. Das Blumenfest fiel wie zahlreiche künftige Feste, die im Freien veranstaltet<br />
werden sollten, wohl dem Wetter zum Opfer und wurde zunächst für den 30. Mai<br />
neu angesetzt, konnte aber schließlich erst am 20. Juni veranstaltet werden.<br />
Am 9. Juli veröffentlichte Tobias Haslinger das Opus 45, die „Tivoli-Freudenfest-Tänze“,<br />
das erste „Widmungswerk“ von Johann Strauss. Es war „Ihrer kaiserl. königl. Hoheit,<br />
der durchlauchtigsten Frau Sophie Friederike, Erzherzogin von Oesterreich, geborenen<br />
Prinzessin von Bayern in tiefster Ehrfurcht gewidmet von Johann Strauss“. Die hohe Frau<br />
war die Mutter des späteren Kaisers Franz Joseph.<br />
Abb. 12 Abb. 13<br />
Es ist durchaus möglich, dass Frédéric Chopin bei der Uraufführung dieses Walzers im<br />
Tivoli anwesend war. Er war jedenfalls zu jener Zeit in Wien und besuchte auch das Tivoli,<br />
äußerte sich aber sehr abfällig über die „Rutsch“ als ungeheuren Blödsinn. Frédéric François<br />
Chopin wurde 1810 im Herzogtum Warschau geboren und starb 1849 in Paris. Er war einer<br />
der einflussreichsten und populärsten Pianisten und Komponisten von Klavierkompositionen<br />
des 19. Jahrhunderts. Der Sohn eines Franzosen und einer Polin wuchs in Warschau auf,<br />
verbrachte sein Berufsleben größtenteils in Paris und gilt bis heute als bedeutendste Persönlichkeit<br />
in der Musikgeschichte Polens.<br />
Bereits am 19. Juli stand das nächste Fest, eine „musikalische Abendunterhaltung und<br />
ein glänzendes Ballfest zum Vortheile Johann Strauss“, in Hietzing „Beim Dommayer“,<br />
selbst „bei ungünstiger Witterung“, bevor.<br />
Im Zuge der immer größeren und aufwendigeren Ausstattungen der Feste zog auch Stuwer<br />
nach und bot aufwendigere Feuerwerke an, so gab es am 21. Juli zum ersten Mal ein<br />
Wasser-Feuerwerk im Tivoli.<br />
Am 25. Juli kam der Salon und Garten „Zum goldenen Strauss“ in der Josephstadt zusätzlich<br />
in den Strauss-Kalender. An jenem Tag fand eine „Reunion und Tanzunterhaltung“<br />
statt und auch dort war für den Fall schlechten Wetters vorgesorgt.<br />
Unterdessen rückte eine verheerende Seuche an. Ende Juli waren die ersten Cholera-<br />
Fälle in den Schwesterstädten Pest und Ofen registriert worden, Mitte August erreichte die<br />
72 Kapitel 2
Seuche die Steiermark und im September schließlich Wien, wo sie bis Mitte November<br />
bereits 1.784 Todesopfer gefordert hatte.<br />
Im „Sperl“ übernahm eine Regiments-Kapelle die musikalische Ausstattung der „Reunionen“,<br />
in Hietzing war die Strauss-Kapelle noch bis zum September jeweils dienstags tätig.<br />
Im August gab es wohl Gerüchte um die Bezahlung der im Tivoli tätigen Musikkapellen.<br />
Die Eigentümer des „Vergnügungslokales“, die Herren Gerike und Wagner, sahen sich veranlasst,<br />
in einer Erklärung kundzutun, dass es sich dabei auf keine üble Auslegung gegen<br />
„Herrn Musik Director Strauss bezieht“.<br />
Abb. 14 Abb. 15<br />
Ab jener Zeit ließ Johann Strauss Vater, wie später auch seine drei Söhne, so gut wie keine<br />
Gelegenheit aus, um auf aktuelle Ereignisse im k. k. Reich und auf der Welt musikalisch zu<br />
reagieren. Auf die nahende Katastrophe der Cholera reagierte Johann Strauss mit seinem<br />
Opus 48, „Heiter auch in ernster Zeit“, welches er bei einem Fest zu seinem Vorteil am<br />
24. August im „Sperl“, welches er „Wien, wie es ist, ein Zauberreich für Musik und Frohsinn“<br />
nannte, erstmals aufführte.<br />
Auch wohltätige Veranstaltungen wurden regelmäßig von allen Sträussen veranstaltet,<br />
so am 7. September die „zur Unterstützung für die durch die gegenwärtigen Zeitumstände<br />
Bedrängten und Hilfsbedürftigen“, vom „Unternehmer“ Johann Strauss veranstaltete musikalische<br />
Abendunterhaltung im „Sperl“. Das Fest erzielte einen Ertrag von 94 Gulden.<br />
Unterdessen nutzte auch Tobias Haslinger den Erfolg seines Vertragspartners Strauss und<br />
veröffentlichte reihenweise Werke und Variationen in Form von Potpourris beliebter Walzer<br />
und Ausgaben für alle möglichen Instrumente, so am 30. August gleich 17 Strauss-Walzer<br />
für Flöte, im September das Opus 47, die Walzer „Vive la Danse!“, und die Opera 36 a, b<br />
und c, „Ungarische Galoppe oder Frischka“, die bei einem Garten- und Ballfest im „Sperl“<br />
mit „außerordentlichem Beyfalle (auch von dem Militär-Musikchor) aufgeführt wurden“.<br />
Inmitten der Cholera-Panik kam am 29. September die zweite Tochter von Johann und<br />
Anna Strauss, Therese Strauss, im Haus 255 am Karmeliterplatz zur Welt. Beide Strauss-<br />
Schwestern blieben zeitlebens unverheiratet.<br />
Ab dem 9. Oktober fanden jeweils sonntags im Saale „Zum Sperl“ eine Reihe von öffentlichen<br />
Bällen unter der persönlichen Leitung des Johann Strauss statt. Für das Katharinen-Ballfest<br />
des Jahres 1831, welches „zum Vortheile des Musik-Directors Johann Strauss“<br />
am 23. November im Saale „Zum Sperl“ veranstaltet wurde, wurden Walzer mit dem Titel<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
73
„Das Leben ein Tanz oder der Tanz ein Leben!“, Opus 49, „extra komponiert und erstmals<br />
aufgeführt“. Wie bereits in den Jahren davor wurden hundert Exemplare davon für das Pianoforte<br />
an anwesende Damen verteilt. Tobias Haslinger gab die Walzer wenige Tage später<br />
zusammen mit den anderen, neueren Walzern angepriesen als „neueste Tanzmusik für den<br />
Carneval 1832“ heraus.<br />
Mit einer Reihe von sonntäglichen „Conversationen“ in den Sälen „Zum Sperl“ klang<br />
das Jahr aus.<br />
Am 7. Dezember stellte Johann Strauss bei Hof das Gesuch, zum „Musikdirektor in den<br />
k. k. Redoutensälen der Hofburg“ ernannt zu werden. Das Ansuchen formulierte er so:<br />
„EUER MAJESTÄT!<br />
Der allerunterthänigste Gefertigte wagt es, sich Euer Majestät mit einer allerunterthänigsten<br />
Bitte zu nähern. Nachdem nämlich der Musikdirektor Joseph Wilde, welcher das<br />
unschätzbare Glück genossen, bey den allerhöchsten Hofbällen die Tanzmusik zu leiten<br />
jüngst mit Tode abgegangen, so unterfängt sich der allerunterthänigste Gefertigte, der<br />
bereits zum wiederholten Mahlen das ausgezeichnete Glück genossen, bey seiner kaiserlichen<br />
Hoheit, dem durchlauchtigsten Erzherzog Franz seine geringen Fähigkeiten zu<br />
produzieren, allerunterthänigst zu bitten, dass Euer Majestät ihm diesen beneidenswerthen<br />
Wirkungskreis huldreichst gewähren möchten. Eine allergnädigste Gewährung würde<br />
einen seiner heissesten Wünsche erfüllen und einen wesentlichen Theil seines Glückes<br />
ausmachen, wobei er alle seine Kräfte aufbiethen würde, sich dieser allerhöchsten Gunst<br />
nicht unwürdig zu machen. Euer Majestät allerunterthänigster Johann Strauss, Musik-<br />
Direktor“ 2<br />
Abb. 16<br />
Abb. 17<br />
Den Titel „k. k. Hofballmusikdirek(c)tor“ – die Schreibweise war damals uneinig – gab es damals<br />
noch nicht. Dieser wurde erst später geschaffen.<br />
Mit Erzherzog Franz muss Johann Strauss Franz IV. Joseph Karl Ambrosius Stanislaus<br />
(6. Oktober 1779 bis 21. Januar 1846), Erzherzog von Österreich aus der Linie Österreich-Este,<br />
gemeint haben. Er war von 1814 bis 1846 regierender Herzog des Herzogtums Modena und<br />
Reggio und ein Cousin von Kaiser Franz. Ein anderer Erzherzog Franz kommt nicht infrage.<br />
2 Österreichisches Staatsarchiv, Haus- Hof- und Staatsarchiv, Obersthofmeisteramt 1831-46/12.<br />
74 Kapitel 2
Der erwähnte Musikdirektor Joseph Wilde lebte von 1778 bis 1831. Viel mehr ist über ihn<br />
nicht bekannt. Von seinen Werken ist allgemein höchstens ein „Redoute-Walzer“ bekannt.<br />
Die Familie von Johann Strauss, die damals hochschwangere Ehefrau Anna und die Kinder<br />
Johann, Josef und Anna haben sich im Sommer 1831, vor der Geburt von Therese, zeitweise in<br />
Salmannsdorf, einem typischen Weinhauergassendorf circa neun Kilometer vom Wohnort in der<br />
Leopoldstadt entfernt, aufgehalten. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte dort, ähnlich wie im benachbarten<br />
Neustift am Walde, durch den Drang der Wiener nach der ländlichen Sommerfrische<br />
Wachstum ein. Salmannsdorf besuchten die weniger Wohlhabenden, darunter auch die Familie<br />
von Johann Strauss, diese zumindest in den Jahren 1829 bis 1832. Eine Gedenktafel am Haus<br />
in der Dreimarksteingasse 13 erinnert noch heute daran, dass Johann Strauss Sohn dort seinen<br />
ersten Walzer schrieb. 1881 ließ Angelika Strauss, die zweite Ehefrau von Johann Strauss Sohn,<br />
diese erste Walzerkomposition im Druck erscheinen. Der Titel lautete „Erster Gedanke“ – ein<br />
Klavierwalzer aus dem Jahre 1831. Das Eingangsthema dieses Walzers ist in veränderter Form in<br />
die „Hofball-Tänze“, Opus 298, aufgenommen worden. Die Druckvorlage ist leider verschollen.<br />
Eine Gedenktafel am Strauss-Sommerhaus in Wien XIX. mit einem Vierzeiler erinnert daran.<br />
„Hier hat ein großer Musikant<br />
Der Meister Strauss war er benannt<br />
Den ersten Walzer komponiert<br />
Und dadurch dieses Haus geziert“<br />
Das Haus in der Dreimarksteingasse in Salmannsdorf<br />
Abb. 18<br />
in früheren Jahren mit der Gedenktafel.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
75
Der damals erst 21-jährige Franz Morelly, geboren in Wien um das Jahr 1810, der 1859 in<br />
Bombay starb, leitete ab Spätjahr 1831 die Tanzmusik in den Sälen „Zum König von Ungarn“<br />
auf der Wieden, dem früheren „Schwarzen Bock“. Gemäß Wikisource „beherrschte<br />
Morelly zu seiner Zeit mit Strauss und Lanner das tanzende Wiener Publicum. Unter diesen<br />
dreien hatte der Wiener Walzer, der seither die Runde durch die ganze Welt gemacht und<br />
noch immer der König der Tänze ist, die Blüthe erreicht“.<br />
Weitere Ereignisse 3<br />
Politik<br />
Ab 25. Februar: Schlacht bei Grochów [ …], russische Truppen schlugen im Mai die polnische<br />
Armee in der Schlacht von Ostroleka und schleppten die Cholera ein. Am 8. September<br />
Niederschlagung des Novemberaufstands in Polen, die Stadt Warschau kapitulierte. Polen<br />
wurde russische Provinz und verlor die Autonomie.<br />
10. März: Frankreichs König Louis-Philippe rief die Fremdenlegion ins Leben.<br />
4. Juni: Der Nationalkongress von Belgien wählte den in England lebenden deutschen Prinzen<br />
Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha zum ersten König der Belgier.<br />
21. Juli: Leopold I. wurde König der Belgier.<br />
8. September: Wilhelm IV. wurde offiziell zum König von Großbritannien und Hannover<br />
gekrönt.<br />
Wirtschaft, Technik und Verkehr<br />
1. Juni: James Clark Ross entdeckte den magnetischen Nordpol.<br />
29. August: Michael Faraday entdeckte die elektromagnetische Induktion.<br />
Im Jahr 1831 erklärte William Henry die Desinfektion durch Hitze und Justus von Liebig<br />
und Eugène Soubeiran entdeckten gleichzeitig das Chloroform.<br />
20. September: Eröffnung der Prinz-Wilhelm-Eisenbahn durch Prinz Wilhelm, Bruder des<br />
preußischen Königs, als Pferde-Eisenbahn.<br />
Mit einem von Goldsworthy Gurney entwickelten Dampfwagen wurde 1831 zwischen<br />
Gloucester und Cheltenham der erste regelmäßige Automobildienst aufgenommen. Die<br />
Strecke beträgt etwa 60 Kilometer.<br />
James Bowman Lindsay telegraphierte etwa 1.600 Meter weit über den Tay-Fluss. Dabei<br />
diente das Wasser als elektrischer Leiter.<br />
In Nordamerika wurde die Dreschmaschine erfunden.<br />
Ein Uhrmacher namens Winerl konstruierte das erste Chronoskop.<br />
Musik<br />
21. November: Uraufführung der Oper „Robert le diable“ (Robert der Teufel) von Giacomo<br />
Meyerbeer an der Pariser Oper.<br />
Geboren<br />
21. Februar: Henri Meilhac, französischer Bühnenautor († 1897).<br />
18. Oktober: Friedrich III., preußischer König und Deutscher Kaiser († 1888).<br />
3 https://de.wikipedia.org/wiki/1831<br />
76 Kapitel 2
25. Dezember: Johann von Herbeck, österreichischer Dirigent und Komponist († 1877).<br />
1831: Amelia Patti, italienische Opernsängerin († 1915).<br />
Gestorben<br />
27. Juni: Konstantin Romanow, russischer Großfürst (* 1779).<br />
1832<br />
Für Johann Strauss begann das Jahr ähnlich wie das vorhergegangene. Im dem am 8. Januar<br />
begonnenen Karneval leitete er die Ballmusik im „Sperl“, dienstags und mittwochs<br />
fanden die „geschlossenen Gesellschaftsbälle“ statt, donnerstags die „Fortuna-Bälle“.<br />
Scherzer kündigte in seinen Inseraten in der „Wiener Zeitung“ außerdem an, dass „zur Bequemlichkeit<br />
seiner entfernteren Herren Gäste für die Unterkunft ihrer Pferde und Wagen<br />
in seinem Haus bestens gesorgt seyn wird“.<br />
Tobias Haslinger, der inzwischen umgezogen war und seine „k. k. Hof- und priv. Kunstund<br />
Musikalienhandlung an den Graben Nr. 572, in das Haus der österreichischen Sparcasse“<br />
verlegt hatte, war nach wie vor sehr tüchtig. Er veröffentlichte am 14. Januar gleich<br />
neun Walzer von Johann Strauss für das ganze Orchester und am 21. Januar sämtliche bisher<br />
herausgegebenen 28 Walzer für das Pianoforte. Am 23. Februar folgten drei Potpourris<br />
aus allen Strauss-Walzern.<br />
Auch die Werke von Philipp Fahrbach wurden im Verlag Haslinger verlegt. Am 5. Januar<br />
erschienen dort die Werke Opus 1 bis 3 mit dem Zusatz „werden fortgesetzt“. Der Name<br />
des Komponisten wurde mit dem Zusatz „Mitglied des Strauss’schen Orchesters“ genannt.<br />
Sicher hat Johann Strauss für seinen Freund und Wegbegleiter bei Haslinger nachgeholfen.<br />
Fahrbach bestätigt in einem Bericht in der Wiener allgemeinen Musikzeitung 1847,<br />
dass Strauss seine Kompositionen spielte, ihn bekannt machte und bei Haslinger wegen<br />
der Verlegung der Fahrbach-Werke vermittelte. Manche Quellen schließen nicht aus, dass<br />
einige der Strauss-Werke möglichweise aus Federn anderer Komponisten, vielleicht auch<br />
aus jener Fahrbachs, stammen könnten. In seinen Memoiren schildert Fahrbach auch, dass<br />
er dem Meister beim Ausschreiben der Stimmen und bei der Kopiatur der Noten behilflich<br />
war.<br />
Philipp Fahrbach (später zur Unterscheidung von seinem gleichnamigen Sohn „der Ältere“<br />
genannt) wurde je nach Quelle am 25. oder am 26. Oktober 1815 in Wien geboren und<br />
starb am 31. März 1885 ebenda. Seine Brüder Anton, Friedrich und Joseph Fahrbach waren<br />
auch Musiker, ebenso sein Sohn Philipp Fahrbach der Jüngere. Er schrieb 150 Kompositionen,<br />
darunter zwei Opern, komponierte Walzer, Potpourris, Märsche und Kirchenmusik<br />
und erwarb sich große Verdienste um die Militärmusik.<br />
Den nachfolgenden Artikel schrieb Fahrbach 1847. Er behandelt darin den Walzer vor<br />
25 Jahren, also in der Zeit um 1822. Er musizierte zwar schon als Kind im Straussʼschen<br />
Orchester, aber seine ersten Walzer sind erst 1832 bei Haslinger erschienen und nicht,<br />
als er elf Jahre alt war, also 1826, wie er selbst schrieb. Denn dies wäre noch vor dem<br />
Erscheinungsdatum der ersten Straussʼschen Opus-Werke im Verlag Haslinger gewesen,<br />
und Strauss soll ja bei dem Verleger für Fahrbach vermittelt haben. 1835, mit 20 Jahren,<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
77
gründete Fahrbach sein eigenes Orchester, nachdem er zuvor neun Jahre als Flötist bei<br />
Strauss beschäftigt gewesen war.<br />
Abb. 19<br />
Fahrbach wird im Jahr 1870 noch eine wichtige Rolle für die Familie Strauss und die „Firma<br />
Strauss“ spielen.<br />
Karl Friedrich Hirsch, der „Lamperl Hirsch“, der später die Illuminationen für die<br />
aufwendigen Feste von Johann Strauss, vornehmlich im „k. k. Augarten“, schuf, komponierte<br />
ebenfalls und wählte dafür „den beliebtesten Tanzdichter, Hrn. Strauss zum Vorbild“. Seine<br />
recht fröhlichen, belebenden, erheiternden deutschen Tänze à la Strauss erschienen bei Anton<br />
Diabelli. Seit wann Strauss und Hirsch sich kannten und befreundet waren, ist nicht bekannt.<br />
Bei den beiden Anfang Februar stattgefunden „Conversations-Bällen“ im „k. k. Redoutensaal“<br />
wurde der Saal nicht wie bisher mit Kerzen, sondern mittels Ölgases beleuchtet.<br />
Der Veranstalter Carl Hoer zeigte dies am 16. Januar bereits an. Da die Besucher offenbar<br />
neugierig und skeptisch waren, wies er am 30. Januar extra noch einmal darauf hin, dass<br />
die Beleuchtung hauptsächlich aus „zwey großen ganz neuen Vasen-Lüstern bestehe, deren<br />
Vasen-Lampen, mit Ventilen versehen, so wie mehrere Neben-Candelabres von solcher Beschaffenheit<br />
sind, daß jede doppelt so viel Licht als eine gewöhnliche offene Lampe verbreitet.<br />
Vermög ihrer Construction entwickeln sie daher ungewöhnlich viel Gas, und vereinen<br />
Effect an Form und Licht“.<br />
Ob der Versuch gelang, wird hier nicht weiterverfolgt. Jedenfalls wurde auch noch 13 Jahre<br />
später der dann größte Tanzsaal Wiens, das „Odeon“, bei großen Festen mit bis zu 10.000<br />
Kerzen beleuchtet.<br />
78 Kapitel 2
Die „Conversations-Bälle“ müssen erfolgreich gewesen sein, denn am 21. Februar<br />
wurde ein dritter Ball veranstaltet, mit drei Orchestern, zum Teil unter Leitung von<br />
Joseph Lanner. Die beiden anderen Orchester wurden von Franz Morelly und<br />
Kapellmeister Resnitschek geleitet. Johann Strauss leitete an den ersten beiden Abenden<br />
Bälle im „Sperl“, er erlebte also die neuartige Beleuchtung nicht persönlich.<br />
Außer dem Gesellschafts-Ball am 14. Februar sind in jenem Fasching keine weiteren<br />
Bälle „Beim Dommayer“ in Hietzing bekannt.<br />
Neben Johann Strauss und Joseph Lanner waren unter anderen auch Franz Morelly im<br />
„König von Ungarn“ und Johann Faistenberger in den Sälen „Zum Schaf“ am Schottenfelde<br />
im „Carneval“ als Kapellmeister tätig.<br />
Nach einigen Berichten soll Johann Strauss 1832 die Musik bei Bällen bei Hof geleitet<br />
haben, so berichtete der „Allgemeine Musikalische Anzeiger“ vom 2. Februar, dass<br />
Strauss die Leitung der Hofmusik übertragen worden sei. Außerdem vermerkte der Verleger<br />
Haslinger bei der Erstanzeige des Opus 54, der „Contratänze“, am 10. Juli: „Aufgeführt<br />
bey den allerhöchsten Hof-Bällen in Wien“. Zwischenzeitlich zeigte Haslinger<br />
auch an, dass in seinem Verlag unentgeltlich ein geschmackvoll gedrucktes Verzeichnis<br />
der sämtlichen Tänze von Johann Strauss ausgegeben worden sei.<br />
Weitere Nachweise über „Hofbälle“ existieren zwar nicht, Johann Strauss leitete aber<br />
jedenfalls am 15. Februar in den „k. k. Redoutensälen“ die Musik bei einem Ball der<br />
Gesellschaft der Musikfreunde und irgendwann im Karneval auch auf einem oder auf<br />
mehreren Medizinerbällen, von denen wir nur das Datum und den Saal eines „Picknick“<br />
kennen. S. Reiß komponierte dafür „Hygiea-Walzer“, in deren Erstanzeige der Verleger<br />
Trentsensky, Kunst- und Musikalienhändler am Graben, vermerkte: „Aufgeführt auf den<br />
Mediciner-Bällen unter der Leitung von Herrn Johann Strauss“. Dies war am 9. Januar<br />
bei einem „Picknick der Hörer der Medizin im Saale zum Schwan in der Rossau“.<br />
Am 29. Februar, bei dem großen Ballfest zu seinem Vorteil im „Sperl“, kündigte<br />
Strauss den ersten Vortrag seines Opus 51, der „Hof-Ball-Tänze“, an. Die Namenswahl<br />
könnte auf Engagements bei Hof oder bei Hofbällen zurückzuführen sein. Das<br />
Werk wurde Ihrer Majestät Anna Maria Carolina, der jüngeren Königin von Ungarn,<br />
also der Frau des Königs von Ungarn, des Erzherzogs Ferdinand, „in tiefster Ehrfurcht“<br />
gewidmet.<br />
Die „Hof-Ball-Tänze“ wurden von Haslinger zum ersten Mal am 5. September 1832<br />
angezeigt.<br />
Die Cholera-Seuche war in Wien zwischenzeitlich abgeklungen. Sie hatte knapp<br />
2.000 Tote gefordert.<br />
Am 3. März veröffentlichte Tobias Haslinger zusammen mit dem Opus 52 von<br />
Johann Strauss auch das Werk „Die fröhlichen Wiener und Wienerinnen“, das Opus 4 von<br />
Philipp Fahrbach, wieder mit dem Zusatz „Mitglied des Strauss’schen Orchesters“.<br />
Der Karneval endete am 6. März nach mehr als sieben Wochen. In Wien gab es 1832<br />
einer Statistik zufolge 772 Ballveranstaltungen, an denen etwa 200.000 Personen teilnahmen,<br />
und dies bei einer Einwohnerzahl Wiens von 300.000.<br />
Nach dem Karneval wirkte das Strauss-Orchester am 7. April im Theater in der Josefstadt<br />
für die Benefizianten in einem Lustspiel nach Shakespeare mit und führte die<br />
Ouvertüre aus der Oper „Zampa“ von Ferdinand Hérold auf.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
79
Für die Sommersaison hatte Johann Strauss einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem<br />
er mit 21 Musikern im „Tivoli“ aufzutreten hatte. Das Lokal wurde am 10. April eröffnet<br />
und Strauss führte dort bei einem Maifest erstmals sein Opus 55, ein Potpourri mit dem<br />
Titel „Ein Strauss von Strauss“, auf. Darin verarbeitete er auch einen Marsch von Philipp<br />
Fahrbach und einen Ländler von Joseph Lanner. Lanner trat montags und donnerstags in<br />
„Corti’s Kaffeehaus im k. k. Volksgarten“ auf, später auch im „König von Ungarn“ und im<br />
Gasthaus „Zum weißen Engel“ in Hietzing.<br />
Ab dem 2. Mai begann im „Speise- und Lustgarten zum Sperl“ eine Serie von „Sommer-Assemblées“,<br />
jeweils mittwochs und samstags abends, die Johann Strauss mit seinem<br />
abermals verstärkten Orchester musikalisch begleitete. In „Dommayer’s Kaffee- und Traiteurhaus“<br />
in Hietzing spielte er ab dem 8. Mai zusätzlich dienstags bei Reunionen. An den<br />
gleichen Abenden führte Franz Morelly ebenfalls mit einem verstärkten Orchester Instrumental-Musik<br />
auf dem „Wasserglacis außerhalb des Carolinen-Thores“ auf.<br />
Das „Wasserglacis vor dem Carolinen-Thor“ der Wiener Stadtbefestigung war im<br />
19. Jahrhundert ein beliebter Erholungs- und Unterhaltungsort. Heute befindet sich auf dem<br />
Areal der Wiener Stadtpark.<br />
„Das Glacis, ursprünglich als freies Schußfeld vor der Wiener Stadtmauer angelegt, war<br />
eine Art Staubwüste und wurde zu Ende des 18. Jahrhunderts durch Rasen- und Baumpflanzungen<br />
zunehmend zu einem Naherholungsgebiet der Stadtbewohner. 1818 erhielt ein<br />
Wiener Bürger namens Pelikan die Genehmigung, im Glacisbereich vor dem Carolinentor<br />
ein Kaffeehaus samt Trinkkuranstalt zu errichten. Der Name Wasserglacis ist auf diesen<br />
Kurpavillon zurückzuführen, in dem Mineralwasser ausgeschenkt wurde. Nach dem Abriß<br />
der Basteien und der Schaffung der Wiener Ringstraße wurde 1862 an der Stelle des Wasserglacis<br />
der Wiener Stadtpark angelegt.“ 4<br />
Auf dem „Wasserglacis“ wurden in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Feste mit Beteiligung<br />
der Strauss-Kapelle unter Johann Strauss Vater und Sohn veranstaltet.<br />
Am 19. Mai erschien bei Tobias Haslinger das Opus 53, der Walzer „Bayaderen“, der Carl<br />
Ludwig, Herzog von Lucca, Infant von Spanien gewidmet war. Die Wahl der Widmungsträger<br />
der Werke der vier Sträusse, wie auch jene anderer Komponisten, ist nicht immer nachvollziehbar<br />
und hatte oft nichts mit aktuellen Anlässen zu tun. Jedenfalls ist nicht bekannt, warum<br />
Herzog Carl und seine Frau Maria Theresia (der das folgende Opus 54 gewidmet ist) Johann<br />
Strauss, oder vielleicht auch seinem Verleger, im Jahr 1832 als Widmungsträger in Frage kamen.<br />
Das Blumenfest zum Besten des Armenversorgungshauses in der Leopoldstadt wurde „am<br />
21. May und, im Falle die Witterung ungünstig, am 23. May unabänderlich (da die Lokalität<br />
zu Ihrer Ausdehnung eine bedeutende Menschenmenge faßt)“ in den Gärten und Sälen<br />
„Zum Sperl“ veranstaltet.<br />
Im Salon des „Goldenen Strauss“ in der Josefstadt war am 22. Mai der „brillante Strauss<br />
engagiert, um die Honeurs zu machen und er brachte seinen Mosaik-Strauss ,Ein Strauss<br />
von Straussʻ zum Vortrag“. Ab Mitte Mai fanden in dem etwas beschränkten Tanzsaal<br />
„Freitags-Reunionen“ statt.<br />
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserglacis<br />
80 Kapitel 2
Unter dem Titel „des Oesterreichers schöner Festtag“ wurde am 31. Mai mit einem<br />
großen Freudenfest im Tivoli der Namenstag von Erzherzog Ferdinand, dem jüngeren König<br />
von Ungarn, der auf den 3. Juni fiel, gefeiert. Nach einer „aerostatischen Luft-Jagd und<br />
einem Wasser-Feuerwerk“ begann zu den Klängen des Strauss’schen Orchesters der Tanz.<br />
Kaiser Franz befand sich zu jener Zeit auf einer mehrwöchigen Reise in Triest.<br />
1832 wurde Johann Strauss zum Kapellmeister des „Ersten Wiener Bürgerregiments“<br />
ernannt. Mit ihm an der Spitze führte die Kapelle des Regiments zu Fronleichnam die von<br />
Johann Strauss komponierten „Wiener-Bürger-Märsche“, und zwar Nr. 1, den „Original-<br />
Parade-Marsch“, und Nr. 2, den „Marsch nach den Motiven aus der Oper Zampa“, auf, die<br />
Tobias Haslinger ebenfalls verlegte.<br />
Lanner und Morelly wurden zur gleichen Zeit zu Kapellmeistern von anderen „Bürgerregimentern“<br />
angestellt, wie der „Telegraph von Wien“ in Bäuerles Theaterzeitung berichtete.<br />
In der Saison 1831/1832 bestimmte die Oper „Zampa oder La Fiancée de marbre“<br />
(Die Marmorbraut) das Theaterleben. Die Oper ist von Louis Hérold aus dem Jahr 1831.<br />
Johann Strauss komponierte außer dem oben genannten Marsch noch einen „Zampa-Walzer“<br />
(ebenso wie Franz Morelly) und einen „Zampa-Galopp“. Auch andere Komponisten<br />
nutzten Motive aus der Oper, Tobias Haslinger veröffentlichte in seinem Verlag Noten der<br />
Gesangsstücke mit dem Text des „k. k. Hofoperntheaters“ und der Ouvertüre, Diabelli veröffentlichte<br />
die ganze Oper als vollständigen Auszug für das Pianoforte. Die Oper wurde in<br />
Wien erstmals am 3. Mai im „Kärntnerthor-Theater“ aufgeführt. Das Kärntnertor-Theater<br />
lag direkt an der Stadtmauer.<br />
Straussʼ Opus 57, der „Zampa-Walzer“, wurde bei einem „brillanten Ballfest“ am 2. August<br />
im Tivoli uraufgeführt.<br />
Am 10. Juli nutzte Johann Strauss eine Reunion in Verbindung mit einem glänzenden<br />
Ballfest zu seinem Vorteil „Beim Dommayer“, um sein Opus 56, den „Alexandra-Walzer“,<br />
uraufzuführen, den er „Alexandra Feodorowna, Kaiserin aller Reussen“, gewidmet hatte.<br />
Die Erstanzeige folgte am 29. August unter der Devise: „Es werden im Tanze die Menschen<br />
zum Kranze“.<br />
Im Dezember des Jahres erhielt er dafür im Auftrag der Widmungsträgerin ein gnädiges<br />
Schreiben und einen Brillantring zum Geschenk, was „Bäuerles Theaterzeitung“ seinen Lesern<br />
ausführlich mitteilte.<br />
Das Kärtnerthor-Theater Abb. 20 Abb. 21<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
81
Als am 6. Juli in Wien der jüngere Bruder des späteren Kaisers Franz Joseph, Erzherzog<br />
Ferdinand Maximilian, zur Welt kam, war nicht abzusehen, dass beide Brüder später einmal<br />
zu Kaisern gekrönt werden würden. Ferdinand Maximilian, Max genannt, wurde Kaiser von<br />
Mexiko und sollte ein tragisches Schicksal erleiden.<br />
Am 12. Juli fand dann „endlich“ das „große chinesische Laternen-Fest im Tivoli“ statt.<br />
Der Ursprung dieser Feste in China wird in den Anzeigen ausführlich erklärt und die Aufstellung<br />
einer bedeutenden Zahl von Figuren in Lebensgröße angekündigt. Das Fest wurde<br />
offenbar wegen widriger Witterungsverhältnisse mehrmals angesetzt und verschoben.<br />
Die verwendeten Figuren kamen auch bei dem Mega-Event zum Namenstag der jüngeren<br />
Königin von Ungarn, Maria Anna Caroline, welches am „Annentag“, dem 26. Juli,<br />
veranstaltet wurde, wieder zum Einsatz. Weiterhin boten die Herren Gerike und Wagner<br />
unter dem Titel „Es leben die Annen! oder Das Fest der Grazien im Tivoli am Tage Annens“<br />
ein glänzendes Ballfest, zu dem die große Säulenhalle zu einem Blumengarten verwandelt<br />
wurde, eine große Beleuchtung, eine malerische Reise im Zimmer nach Motiven des Harem<br />
Serail zu Konstantinopel und eine Ansicht von Zürich und Schnellfahrten auf der Rutschbahn.<br />
Um halb 9 Uhr abends begann der glänzende Ball mit „Blumen-Polonaise“. Teile der<br />
Ausstattung wurden bei mehreren weiteren Festen, so auch am 2. und 5. August und nochmals,<br />
„auf Begehren“, am 9. August verwendet. Johann Strauss spielte dabei das Potpourri<br />
aus seinen beliebten Walzern unter dem Titel „Ein Strauss von Strauss“, welches Tobias<br />
Haslinger am 10. August erstmals ankündigte.<br />
Am 9. August verübte der pensionierte Hauptmann Franz Reindl ein Pistolenattentat auf<br />
den Kronprinzen und König von Ungarn, Ferdinand. Er überstand die Attacke leichtverletzt.<br />
Angeblich soll er dem Attentäter eine verlangte Summe Geld verweigert haben. Zur Feier<br />
der Rettung des Erzherzogs fand am 12. August ein Konzert in Baden statt. Johann Strauss<br />
spielte bei einem „Jubelfest“ am Nachmittag, danach abends im Theater in den Zwischenakten<br />
und anschließend im Park von Baden, abwechselnd mit einer Militärkapelle. Zum<br />
Abschluss fand ein Feuerwerk statt.<br />
Johann Strauss komponierte umgehend einen Walzer mit dem Titel „Mein schönster Tag<br />
in Baden“, sein Opus 58, den er bei einer großen Abendunterhaltung mit Ball, betitelt „Das<br />
Zauberreich der Musik“, zu seinem Vorteil am 22. August im „Sperl“ uraufführte und Maria<br />
Clementina, Prinzessin von Salerno, Erzherzogin von Österreich und durch Heirat Prinzessin<br />
von Bourbon-Sizilien und Fürstin von Salerno, widmete.<br />
Abb. 22<br />
82 Kapitel 2
In den Gärten oder bei ungünstiger Witterung in den Winter-Sälen im „Sperl“ veranstaltete<br />
Johann Strauss am 5. September eine große Abendunterhaltung „zum Besten des<br />
k. k. Blinden-Institutes und der Versorgungs-Anstalt für erwachsene Blinde“. Bei einer<br />
musikalischen Abendunterhaltung „zum Besten der Hitzinger Armen“ am 15. September<br />
„Beim Dommayer“ leitete Johann Strauss ebenfalls die Musik.<br />
An das „Blinden-Institut“ konnte er die Hälfte des Ertrages von 161 fl. 18 kr., also<br />
80 fl. 59 kr. übergeben, was am 4. März 1833 in der „Wiener Zeitung“ mitgeteilt wurde.<br />
Am 22. September wirkte Johann Strauss bei einem Benefizabend für ein Mitglied<br />
des Theater an der Wien mit. Möglicherweise war es das erste Mal, dass Strauss Vater in<br />
diesem Theater wirkte, in dem ein knappes halbes Jahrhundert später die Meisterwerke<br />
seines Sohnes, die zu unsterblichem Ruhm gelangen sollten, aufgeführt wurden. Jedenfalls<br />
sind keine früheren Auftritte des Strauss-Orchesters im „Wiedner Theater“, wie<br />
das traditionelle Haus im Volksmund genannt wurde und noch heute wird, bekannt. Der<br />
Benefiziant stand mit dem berühmten Komiker Scholz damals in dem Stück „Das Fest<br />
der Handwerker“ auf der Bühne dieses Hauses und vermutlich komponierte Strauss sein<br />
Werk mit dem gleichen Titel, welches nicht im Druck erschien, für diesen Anlass.<br />
Im Tivoli fand noch eine Reihe von Festen mit Beleuchtung und Wasser-Feuerwerk<br />
sowie „aerostatischen Luftfahrten“ statt, bevor am 3. Oktober mit einem „großen, in<br />
solchem Glanze noch nie geschehenen Fest zur glorreichen Feyer des allerhöchsten Namensfestes<br />
Sr. Majestät des Kaisers Franz I.“ als „des Oesterreichers schönstem Festtag“<br />
die Sommersaison zu Ende ging. Johann Strauss arrangierte dazu eigens eine große<br />
musikalische Akademie mit mehreren ausgezeichneten Künstlern und „Dilettanten“ für<br />
Solopartien und führte mit dem verstärkten Orchester auch die beliebte Hymne „Gott erhalte<br />
Franz den Kaiser“ mit Begleitung des „Trompeter-Corps“ auf. Der Namenstag von<br />
Franz ist am 4. Oktober.<br />
Zwischendurch spielte Johann Strauss im Schlosspark von Laxenburg zu Ehren der<br />
Naturforscher und Ärzte aus Deutschland, die in Wien einen wissenschaftlichen Kongress<br />
abhielten. Staatskanzler Metternich bat dort in Vertretung des Kaisers die Gäste zu<br />
einer festlichen Tafel.<br />
Die Saalsaison begann ohne Pause bereits am 7. Oktober mit dem ersten öffentlichen<br />
Ball im „Sperl“ und mit Reunionen und Festen im Tivoli, das jedoch schon Ende Oktober<br />
für 1832 schloss.<br />
Wegen zu großer Entfernung zu ihrem Wohnort Berlin boten die Eigentümer Gerike<br />
und Wagner das Tivoli am 10. Oktober zum freihändigen Verkauf an.<br />
Bisher galt eine 18-tägige Reise im Spätjahr 1833 nach Budapest als erste Auslandsreise<br />
von Johann Strauss, aber belegt ist, dass Strauss bereits auf einem Ball am 9. Oktober<br />
1832 im „Casino von Herrn Kugler in Oedenburg“, dem heutigen Sopron, im<br />
Nordosten Ungarns die Ballmusik exekutierte. In Abbldung 23 ist die Besprechnung des<br />
Balles abgebildet.<br />
Bäuerles Theaterzeitung berichtete „über den schönen Genuß den berühmten Herr<br />
Musikdirector Johann Strauss mit seinem Orchester Personale auf einem im Casino Lokale<br />
abgehaltenen Balle zu hören“.<br />
Bereits am 15. Oktober veranstaltete Johann Strauss im „Sperl“ wieder ein „großes<br />
Theresien-Ballfest zum Besten der Armen-Bürger-Lade“, jenes Mal aber in seiner<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
83
Funktion als „Capellmeister des löblichen ersten Bürger-Regiments“. Der Ertrag aus<br />
dem Verlag der Märsche des „Capellmeisters des ersten Bürger-Regiments“ wurde vom<br />
Autor und vom Verleger „zum Besten des Bürgerspital-Fonds“ bestimmt.<br />
Ab dem 15. November war Johann Strauss in einem weiteren Veranstaltungsort beschäftigt.<br />
An Sonn- und Feiertagen spielte die Strauss-Kapelle in „Ignaz Wagner’s Kaffeehaus<br />
im Prater“. Der Inhaber erhielt „von hohen Orten die gnädige Erlaubnis“, sein<br />
Kaffeehaus auch während des ganzen Winters offen halten zu dürfen.<br />
Abb. 24<br />
Abb. 23<br />
Das schon traditionelle „Katharinen-Ballfest zum Vortheil von Johann Strauss“ im Saale<br />
„Zum Sperl“ fand am 28. November statt. Zu diesem Anlass komponierte er die Walzer<br />
„Die vier Temperamente“, nämlich „Der Singuiniker, Melancholiker, Choleriker und<br />
Phlegmatiker“, Opus 59. Entsprechend dem Titel fiel auch die Erstanzeige Haslingers am<br />
24. Dezember aus, „inklusive 4 Kupferstichen, begleitet von treffl ichen Versen und sonstiger<br />
Decorierung von Titel und Umschlag“. Der Verlag Haslinger pries das gedruckte<br />
Opus als musikalisches Neujahrsgeschenk an.<br />
Kurz vor Jahresende, am 18. Dezember, reiste der Kaiser und König Franz mit der<br />
Kaiserin-Königin trotz der durch Tauwetter eingetretenen ungünstigen Witterung in das<br />
gerade einmal 65 Kilometer entfernte Pressburg, die heutige slowakische Hauptstadt<br />
Bratislava, damalige Hauptstadt des Königreiches Ungarn, wo er am 20. Dezember den<br />
Reichstag eröffnete. Am 22. Dezember kehrte er nach Wien zurück. Bei der Ankunft<br />
fanden die beiden ihren ältesten Sohn, den jüngeren König von Ungarn und Kronprinzen,<br />
ernsthaft erkrankt vor. Die Zeitungen erwähnten nur eine „in früheren Epochen schon<br />
öfters wiederholte Krankheit“, von welcher Ferdinand befallen wurde, aber sein Zustand<br />
verschlechterte sich vom 19. Dezember an so rasch, dass er am 24. Dezember morgens<br />
mit den heiligen Sterbesakramenten versehen wurde, in sämtlichen Kirchen der Stadt<br />
84 Kapitel 2
und der Vorstädte Betstunden angeordnet wurden und die Hoftheater am 26. und 27. geschlossen<br />
blieben. Die Krankheit nahm dann aber schnell einen positiven Verlauf und<br />
bereits am 29. Dezember wurde die Ausgabe von Berichten eingestellt.<br />
Weitere Ereignisse 5<br />
Politik<br />
6. Februar: Otto von Wittelsbach sollte als König Otto I. den griechischen Thron besteigen.<br />
7. Mai: Auf der Londoner Konferenz einigten sich Großbritannien, Frankreich und Russland,<br />
Griechenland als unabhängiges Königreich zu gestalten, und waren mit Otto von<br />
Wittelsbach als dessen künftigem Herrscher einverstanden. Für seinen Gebietsverlust<br />
wurde das Osmanische Reich finanziell entschädigt.<br />
27. Mai: Dem Aufruf von Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth<br />
zum Marsch auf die Maxburg, das Hambacher Schloss, folgten circa 30.000 Menschen<br />
aus allen Bevölkerungsschichten und vielen Nationen. Bis zum 30. Mai feierten Demokraten<br />
und Nationale das Hambacher Fest für Einheit und Freiheit in Deutschland unter<br />
der schwarz-rot-goldenen Fahne.<br />
5. Juli: Im Deutschen Bund wurde der Gebrauch politischer Abzeichen gesetzlich verboten.<br />
Dies zielte besonders auf Schwarz-Rot-Gold als Zeichen nationaler Gesinnung. Als<br />
Reaktion auf das Hambacher Fest wurden ferner Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit<br />
stark eingeschränkt.<br />
Einführung der neuen Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ anstatt des bis dahin gebräuchlichen<br />
„Schultheiß“.<br />
8. August: Die Nationalversammlung in Nafplio wählte den Wittelsbacher Otto I. zum<br />
König von Griechenland.<br />
30. August: Ein Londoner Protokoll der Schutzmächte grenzte das Staatsgebiet des Königreichs<br />
Griechenland vom Osmanischen Reich ab.<br />
Verkehr<br />
26. November: In New York ging die erste Straßenbahn der Welt, eine Pferdebahn, in<br />
Betrieb.<br />
Geboren<br />
14. April: Wilhelm Busch, deutscher Dichter und Zeichner († 1908).<br />
10. Juni: Nikolaus Otto, dem zu Ehren seit 1940 der Ottomotor seinen Namen trägt<br />
(† 1891).<br />
6. Juli: Ferdinand Maximilian von Österreich, mexikanischer Kaiser († 1867).<br />
15. Dezember: Gustave Eiffel, französischer Ingenieur († 1923).<br />
Gestorben<br />
22. März: Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter (* 1749).<br />
5 https://de.wikipedia.org/wiki/1832<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
85
1833<br />
Zu Beginn des Jahres 1833 wohnte Familie Strauss noch am „Carmeliterplatz Nr. 255“, was<br />
Johann Strauss wieder in der „Wiener Zeitung“ anzeigte.<br />
Er war im Fasching, der am 10. Januar mit einem „Fortuna-Ball“ begann, wieder für die<br />
Tanzmusik in den „Sperl“-Sälen zuständig. Joseph Lanner spielte im „König von Ungarn“,<br />
„Zum römischen Kaiser“ auf der Freyung und in den „k. k. Redoutensälen“.<br />
Am 13. Januar wurde in Pest der dortige neue große Redoutensaal im Theatergebäude<br />
unter dem Pächter Peter Fischer eröffnet. Johann Strauss konzertierte dort aber vorerst noch<br />
nicht, er reiste erst am Jahresende in die Schwesterstadt.<br />
Bereits am 22. Januar, bei einem „wohltätigen Gesellschaftsball zum Besten des Armenversorgungshauses<br />
in der Leopoldstadt und der Jägerzeile“ in den „Sperl“-Sälen, hatte<br />
Johann Strauss das Opus 60, den Walzer „Carnevals-Spende“, uraufgeführt, den Tobias<br />
Haslinger am 5. Februar erstmals anzeigte.<br />
Auch auf dem Ball der „Gesellschaft der Musikfreunde“, der in jenem Jahr am 23. Januar<br />
in den beiden „k. k. Redoutensälen“ stattfand und für den, wie immer, nur Mitglieder der<br />
Gesellschaft oder von solchen Vorgeschlagene Zutritt hatten, leitete das Gesellschaftsmitglied,<br />
der „bekannte Musikdirector Johann Strauss“, die Musik.<br />
Groß angekündigt wurde erst das große Ballfest „zum Vortheil des Music Directors“<br />
unter der Bezeichnung „Die Titel-Union“ am 13. Februar im Saale „Zum Sperl“. Für dieses<br />
Fest hatte Johann Strauss einen Walzer komponiert, für den er möglicherweise keinen Titel<br />
finden konnte. Oder aber es war eine weitere Marketing-Idee des pfiffigen Kapellmeisters.<br />
Jedenfalls waren die Gäste aufgefordert, „gleich beim Entrée einen Zettel mit einem für<br />
Walzer passenden Titel (jedenfalls censurgemäß) auf ein Blatt geschrieben, abzugeben“.<br />
Der Chef der Titel-Union, welcher unter den Vorschlägen den Namen entscheiden sollte,<br />
wurde durch das Los bestimmt. Die Damen erhielten 200 Exemplare dieses noch titellosen<br />
Opus 61, das an dem Abend den Namen „Tausendsapperment-Walzer“ erhielt.<br />
Joseph Lanner veranstaltete ebenfalls eine Titel-Union, aber erst am 18. Februar in den<br />
Sälen „Zum römischen Kaiser“ auf der Freyung, und kündigte diese „nach dem Vorbild der<br />
Straussʼschen Union“ an.<br />
Nach Ende des Karnevals am 19. Februar beeilte sich Tobias Haslinger, die neuesten<br />
Werke zu veröffentlichen. Am 22. Februar war dies das Opus 61, der „Tausendsapperment-<br />
Walzer“, und am 23. Februar das Opus 62b, der „Montecchi-Galopp“. Die bereits veröffentlichten<br />
Werke zeigte Haslinger immer und immer wieder an, mitunter wurden auf einer<br />
Seite des „Anhangs der Wiener Zeitung“ drei Werke von Johann Strauss in drei getrennten<br />
Anzeigen beworben.<br />
Außer dem Chef selbst waren auch die Orchestermitglieder als Komponisten gefordert.<br />
Für den „Carneval“ hatte der Stellvertreter Georg Jegg mehrere Galoppe komponiert, welche<br />
ebenfalls bei Tobias Haslinger in Druck erschienen und am 20. Februar in der „Wiener<br />
Zeitung“ angezeigt wurden. Auch Philipp Fahrbach fand neben seiner Tätigkeit als Flötist<br />
sowie Helfer beim Schreiben der Stimmen und bei der Vervielfältigung von Notenmaterial<br />
in der Kapelle Strauss noch Zeit zum Komponieren. Am 6. März zeigte Tobias Haslinger in<br />
der „Wiener Zeitung“ das Opus 5, den Walzer „Vergiß mein nicht!“, an.<br />
86 Kapitel 2
Ab dem 28. Februar begannen, über die Fastenzeit hinweg, jeweils donnerstags die<br />
„Nachmittags-Unterhaltungen in Wagnerʼs Kaffeehaus im Prater“, diejenige am 7. März<br />
zum „Besten der Armen der Vorstadt Leopoldstadt und Jägerzeile“.<br />
Die Leopoldstadt ist seit 1850 der zweite Wiener Gemeindebezirk und bestand damals<br />
aus der Vorstadt Leopoldstadt, der Jägerzeile (der heutigen Praterstraße), dem Prater, der<br />
Brigittenau, Kaisermühlen und einigen anderen Ortschaften, somit aus dem gesamten Gebiet<br />
zwischen dem damaligen Hauptstrom der Donau und dem Donaukanal.<br />
Abb. 25<br />
Die Straussʼschen Conversationen in den Sälen „Zum Sperl“ begannen ab dem 10. März,<br />
während Franz Morelly die Nachmittags-Unterhaltungen in „Dommayerʼs Kaffee- und<br />
Traiteurhaus“ in Hietzing begleitete und Franz Schanner im „k. k. Augarten“, wo er „neben<br />
eigenen Werken auch die neuesten Compositionen von den Herren Strauss und Lanner mit<br />
einem wohlbesetzten Orchester executiert“.<br />
Die Brüder Johann und Josef besuchten ab dem Schuljahr 1833 die „Pfarrschule St.<br />
Johann in der Jägerzeile“. Warum Johann erst mit knapp acht Jahren und Josef schon mit<br />
knapp sechs Jahren eingeschult wurde, ist nicht bekannt.<br />
Schon am 4. Februar eröffnete der Hofzuckerbäcker Josef Georg Daum das „Alte Elysium“,<br />
eine biedermeierliche Erlebniswelt in den Kellerräumen. Es bestand bis 1838 im<br />
Seitzerhof, bot in vier Sälen, die unterschiedlich nach Kontinenten geschmückt waren, für<br />
2.000 Gäste Platz. Es musste wegen des Abrisses des Seitzerhofs geschlossen werden und<br />
wurde durch das spektakuläre „Neue Elysium“ ersetzt. Johann Strauss Vater übernahm am<br />
4. Februar 1833 die Zusammenstellung der Orchester in den dortigen beiden Sälen. Sonst<br />
ist nicht bekannt, dass einer der Sträusse je wieder in einem der beiden „Elysien“ musiziert<br />
hätte.<br />
Ein weiterer kurzer Auslandsaufenthalt war der Reise nach Pest Ende 1833, welche<br />
als erste Tournée von Strauss behauptet wird, vorausgegangen. Am 12. März spielte das<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
87
Strauss-Orchester in der Redoute in Pressburg, Strauss spielte zwei Potpourris. Näheres ist<br />
leider nicht überliefert.<br />
Abb. 26<br />
Die Eigentümer des Tivoli hatten offensichtlich im Vorjahr keinen Käufer für ihr Etablissement<br />
finden können und kündigten die Wiedereröffnung für den 7. April an. Ob das Wetter<br />
die Einhaltung des Datums zuließ, ist nicht bekannt.<br />
Um den 1. Mai eröffneten unter anderem auch der „Speise- und Lustgarten zum Sperl“,<br />
der „k. k. Volksgarten“ und der Garten „Zu den zwey Tauben“. In den beiden Letzteren<br />
führte Joseph Lanner die Musik auf. Dieser war ebenso fleißig als Komponist wie sein ehemaliger<br />
Partner Strauss. Bei dem in Wien ansässigen italienischen Verleger „Pietro Mechetti<br />
qm. Carlo“ erschienen um jene Zeit seine Werke 71 bis 73 im Druck.<br />
Am 1. Mai spielte Johann Strauss auf einer Morgen-Unterhaltung in den „k. k. Augarten-<br />
Sälen“, welche der „k. k. Hof-Traiteur Anton Hess“ von 10 Uhr morgens bis 1 Uhr Nachmittag<br />
veranstaltete. Ob diese ungewöhnlich frühe Uhrzeit für eine Unterhaltung ein Versuch<br />
war, auch schon am Vormittag mit Musikunterhaltungen das Geschäft zu beleben, ist<br />
unbekannt. Es wurde jedenfalls keine dauerhafte Einrichtung. Ab dem 7. Mai spielte Johann<br />
Strauss auf „Nachmittags-Unterhaltungen im k. k. Augarten“ und am 2. Mai im Tivoli, wo<br />
am 5. Mai das erste große Fest der Saison unter Straussʼ Mitwirkung stattfand.<br />
Abb. 27<br />
88 Kapitel 2
Die Sommer-Engagements der drei damaligen Walzer-Heroen Wiens, Strauss, Lanner und<br />
Morelly, waren:<br />
„Strauss: Sonntag im Tivoli; nächsten Montag im Tivoli; Dienstag im k. k. Augarten;<br />
Mittwoch im Sperl; Donnerstag im Tivoli; Freitag im Salon des Theatergebäudes in der<br />
Josefstadt; Sonnabend im Sperl, Morelly aber Sonntag Nachmittags-Unterhaltung in<br />
Dommayerʼs Caffehhaus in Hitzing, und Abends Tanz-Unterhaltung zum guten Hirten unter<br />
den Weißgärbern; Montag am Wasserglacis; Dienstag Reunion in Dommayerʼs Caffehhaus<br />
in Hitzing, mit Einschluß mehrerer Bälle; Mittwoch im Garten zum großen Zeisig am Spittelberg;<br />
Donnerstag Reunion zum guten Hirten unter den Weißgärbern; Freitag am Wasserglacis;<br />
Sonnabend im Fürstenhof, auf der Landstraße in der Rabengasse.“<br />
Lanner spielte: „Alle Sonntage (Nachmittags-Unterhaltung) in Ungerʼs Caffehhaus, nächst<br />
der Hernalser Linie; alle Montage (Nachmittags-Unterhaltung) im Volksgarten; alle Dienstage<br />
(Sommer-Assemblée) in Hietzing zum weißen Engel; alle Mittwoche (Nachmittags-<br />
Unterhaltung) in Wagners Caffeehhause im Prater; alle Donnerstag (Nachmittags-Unterhaltung)<br />
im Paradiesgarten; alle Freitage (Reunion) im Gasthofgarten zu den zwey Tauben<br />
nächst der Wasserpromenade; alle Samstage (Sommer-Assemblée) in Baden im Gasthofe<br />
zum schwarzen Adler“<br />
Diese detaillierte Information verdanken wir der Theaterzeitung des Herrn Bäuerle vom 22.<br />
März 1833. Seine eigenen „Productionen“ inserierte Joseph Lanner selbst.<br />
Die Wiener Theaterzeitung war ein zeitungsähnliches Periodikum und eines der europäisch<br />
führenden Blätter des Vormärz für die Gebiete Theater, Musik, Literatur, Mode und<br />
Geselligkeit. Sie beinhaltete [ …] auch Aktualitäten in jeder, meist kurzer Form, etwa die<br />
Rubrik »Geschwind, was gibt‘s Neues?«. Sie erschien über ein halbes Jahrhundert, mehrmals<br />
wöchentlich, von 1806 bis 1860 und bot einen kulturgeschichtlichen Überblick mit<br />
Theaterkritiken, Aufsätzen und Studien.<br />
Die Zeitung war das Lebenswerk ihres einzigen Redakteurs, Adolf Bäuerle, der sie 1804<br />
mit 18 Jahren gründete; sie wurde daher von den Zeitgenossen auch als Bäuerles Theaterzeitung<br />
bezeichnet…“ 6<br />
Die Veranstaltung in den Gärten „Zum Sperl“ jeden Mittwoch und Samstag wurden<br />
„Sommer-Assemblées“ bezeichnet.<br />
Am 16. Mai wurde der hohe Namenstag „Ihrer kaiserlichen Hoheit, der Frau Erzherzogin<br />
Sophie“ mit einem großen Fest im Tivoli gefeiert. Johann Strauss führte dabei sein<br />
Opus 63, „Der Frohsinn mein Ziel“, zum ersten Mal auf. Der russische Feuerkönig Paul<br />
Schwarzenberg gab eine Vorstellung chemischer Experimente und seiner ungewöhnlichen<br />
Muskelstärke, außerdem stiegen „bei eintretender Dunkelheit mehrere Luft-Ballons von<br />
ganz neuer Art als etwas nie Gesehenes. Die große Beleuchtung wird sich durch Reichtum<br />
besonders auszeichnen“. Am 29. Mai wurde ebenfalls im Tivoli das Namensfest Ferdinands,<br />
des jüngeren Königs von Ungarn, gefeiert.<br />
6 https://www.wikiwand.com/de/Wiener_Theaterzeitung<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
89
Bei der Wiederholung des „Blumenfestes zum Besten des Armenhauses der Leopoldstadt<br />
und der Jägerzeile“ am 20. Mai im „Sperl“ stand das Opus 63 ebenfalls auf dem Programm.<br />
Als Ausweichtermin im Falle schlechten Wetters war der 22. Mai reserviert.<br />
Unterdessen versuchten die beiden Berliner Eigentümer erneut, das Tivoli zu verkaufen.<br />
Anscheinend war das Wetter im Sommer 1833 für die Unterhaltungsunternehmer nicht vorteilhaft.<br />
Das erste Sommer-Ballfest im Tivoli wurde mehrmals angekündigt, bis es endlich<br />
am 20. Juni stattfand.<br />
Auch die geplante Eröffnung des neuen großen Saales „Beim Dommayer“ in Hietzing,<br />
zu welcher Johann Strauss bei einer Abend-Unterhaltung mit einem glänzenden Ballfeste<br />
am 24. Juni die Musik leiten sollte, musste verschoben werden. Es fand stattdessen am<br />
27. Juni statt. Das Wetter kann bei der Saaleröffnung dort allerdings nicht der Grund für die<br />
Verschiebung gewesen sein.<br />
Der Grund für die von den Eigentümern des Tivoli am 25. Juni bekannt gegebene Trennung<br />
von Johann Strauss, der mittwochs von „Herrn Capellmeister Lanner“ und sonntags<br />
von „Herrn Musik-Director Franz Morelly“ ersetzt wurde, ist nicht bekannt. Johann Strauss<br />
trat danach erst 1835 wieder im Tivoli auf.<br />
Bei einer nicht näher bekannten Veranstaltung präsentierte Strauss am 17. Juli im „Sperl“<br />
ein Werk mit dem Titel „Das Quodlibet im Quodlibet oder Der musikalische Wortwechsel“,<br />
welches verschollen ist.<br />
Am 22. Juli veranstaltete Ferdinand Dommayer in seinem neuen Saal ein Ballfest. Er<br />
nannte sein Etablissement in Hietzing nun auch zeitgemäß „Dommayerʼs Casino“ anstelle<br />
von „Kaffee- und Traiteurhaus“. Die Schreibweise des Namens Dommayer war dabei nicht<br />
so wichtig. Der Name wurde ständig anders geschrieben, Domayer, Domeyer, Dommeyer,<br />
Dommeyr oder Dommayr, eher selten auch richtig Dommayer.<br />
Indes wurden die von Johann Strauss veranstalteten Feste stets größer und aufwendiger.<br />
Am 29. Juli veranstaltete er im „k. k. Augarten“ eine „Sommer-Assemblée verbunden mit<br />
einem glänzenden Ballfest“ und wies in der Vorankündigung darauf hin, dass ein solches<br />
„gewiß nur selten in solcher Ausdehnung und auf so imposante Art, wie es diese k. k. Localitäten<br />
gestatten, irgendwo zur Ausführung kommen dürfte“. Außer den beiden Sälen wurden<br />
auch das große Rondeau und die große Hauptallee für dieses Fest benützt. Am 25. Juli hatte<br />
das Fest noch keinen Titel, am 27. wurde es dann als „Eine Nacht in Venedig“ angekündigt.<br />
Es wurde in den Folgejahren mehrfach wiederholt. Johann Strauss führte dabei seinen<br />
Opus 64, die „Robert-Tänze“ (aus „Robert le Diable“), erstmals auf. Die Zeitungen berichteten<br />
von der außergewöhnlichen Beleuchtung mit 22.000 Lampen, „welche ohne Übertreibung<br />
als ein Flammenmeer annoncirt wurde“, und lobten „die Anordnung und Verteilung<br />
der zahllosen Lämpchen, womit er ganz reizvolle Effecte zu erzielen verstand“. Dafür<br />
zeichnete sicherlich der „k. k. Staatsbeamte der Cameral-Hofbuchhaltung“, Carl Friedrich<br />
Hirsch, vom Volksmund wegen dieser seiner Fähigkeit aber bald nur „der Lamperlhirsch“<br />
genannt, verantwortlich.<br />
Carl Friedrich Hirsch komponierte auch und Johann Strauss führte dessen Werke in seinen<br />
Soiréen auf und Haslinger verlegte die Werke.<br />
Ungefähr zur gleichen Zeit produzierte Johann Strauss auch die Musik in den Zwischenakten<br />
im Sommertheater Hietzing, wo zum Vorteil der dortigen Armen zwei kleinere Theaterstücke<br />
gegeben wurden.<br />
90 Kapitel 2
Die Dekoration für das Fest „Eine Nacht in Venedig“,<br />
Abb. 28<br />
in einer Lithographie von Franz Wolf.<br />
Während Kaiser Franz mit der Kaiserin nach Prag reiste, kam in Wien am 30. Juli Erzherzog<br />
Carl Ludwig, der zweitjüngste Bruder des späteren Kaisers Franz Joseph und der<br />
spätere Vater des letzten österreichischen Kaisers Karl, zur Welt. In Prag traf Kaiser Franz<br />
mit den Königen von Sachsen und Württemberg zusammen und schließlich in Münchengrätz<br />
mit dem russischen Zaren und dem preußischen Kronprinzen.<br />
Während der Abwesenheit des Kaisers veranstaltete Johann Strauss am 12. August eine<br />
„große Reunion in den Gärten zum Sperl“, deren Ertrag „zum Besten des k. k. Blinden-Institutes<br />
und der Versorgungs-Anstalt für erwachsene Blinde“ bestimmt war. An das „Blinden-Institut“<br />
konnte er in jenem Jahr nur die Hälfte des Ertrages von knapp 45 fl., also 22<br />
fl. 30 kr., übergeben, was am 16. Januar 1834 in der „Wiener Zeitung“ verkündet wurde.<br />
Die Anzeige für die Reunion unterzeichnete Strauss als „Der Unternehmer“ und nicht wie<br />
üblich als „Musik-Director“.<br />
Am 26. August war eine „große Sommer-Assemblée mit Ball zum Vortheil von Johann<br />
Strauss“ geplant. Dafür waren sämtliche Sommer- und Winter-Lokalitäten des „Sperl“ vorgesehen<br />
und das Fest wurde „Sperl im Floibus“ betitelt. Wegen eingetretener Hindernisse<br />
wurde das Fest schließlich um zwei Tage verschoben und Johann Strauss führte am 28. August<br />
sein Opus 65, den Walzer „Mittel gegen den Schlaf“, erstmals auf.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
91
Abb. 29<br />
Dazwischen fuhr Strauss kurz nach Baden. Das dort am 19. August geplante „Fest auf der<br />
Hauswiese in Helenthal“ fiel zwar der Witterung zum Opfer, Strauss spielt aber in den Pausen<br />
im Theater und abends bei einer „Reunion im Redoutensaal“ in Baden.<br />
Im September oder im Oktober des Jahres 1833 ist dann wohl der Umzug in das Haus<br />
„zum goldenen Hirschen“, „Hirschenhaus“ genannt, erfolgt. Je nach Quelle variieren die<br />
Angaben über den Zeitraum des Umzuges von Anfang 1833 bis 1834. Im Hirschenhaus<br />
wohnten die Mitglieder der Familie Strauss, zuletzt Eduard, der dort bereits zur Welt kam,<br />
mit seiner Familie bis 1886. Vermutlich lebten auch die Strauss-Schwestern Anna und<br />
Therese so lange in diesem imposanten Gebäude, das heute nicht mehr besteht. An der Stelle<br />
wurde ein neues Zinshaus errichtet.<br />
Abb. 30<br />
Familie Strauss bewohnte eine Wohnung im 1. Stock auf der rechten Hausseite.<br />
92 Kapitel 2
Die Reunionen, Nachmittags-Unterhaltungen und Conversationen in den drei Strauss-Lokalen,<br />
nämlich „Zum Sperl“, „Beim Dommayer“ und dem „Salons des k. k. Augarten“, fanden<br />
auch im September und Oktober regelmäßig statt.<br />
Zu den Lokalitäten, in denen Joseph Lanner die Musik exekutierte, gehörten „Zum König<br />
von Ungarn“ auf der Wieden, „Zum Schaf“ am Schottenfelde, das Tivoli, der „Apollo-<br />
Sommer-Saal“ und das „Hotel zum römischen Kaiser“.<br />
Am 6. Oktober veranstaltete der „k. k. Hof-Traiteur Anton Hess“ im „k. k. Augarten“ ein<br />
„glänzendes Ballfest aus Anlaß des allerhöchsten Namensfestes des allergnädigsten Kaisers“,<br />
bei dem Johann Strauss im Tanzsaal abwechselnd mit der „Capelle des löblichen<br />
k. k. Linien-Infanterie-Regimentes Prinz Hessen-Homburg“ unter der persönlichen Leitung<br />
von Nemetz im Speisesaal „die Musik executierte“. Der Namenstag Franz wird jährlich am<br />
4. Oktober gefeiert. Am Vorabend veranstaltete Ferdinand Dommayer aus gleichem Anlass<br />
„eine glänzende Reunion in beiden Sälen und bei ganz besonderer Beleuchtung“. Die Musik<br />
war unter der Leitung des Herrn Johann Strauss.<br />
Am 15. Oktober veranstaltete Johann Strauss schließlich noch „ein Theresien-Ballfest<br />
zum Besten der Armen-Bürgerlade im Saale zum Sperl“, und zwar erneut in seiner Funktion<br />
als „Capellmeister des löbl. ersten Bürgerregimentes“. Danach begann die Wintersaison<br />
mit dem ersten öffentlichen Ball am 20. Oktober im Saale „Zum Sperl“. Die Nachmittags-<br />
Unterhaltungen im „k. k. Augarten“ wurden dort in den beiden Sälen fortgesetzt.<br />
Anschließend begab sich Johann Strauss erstmals auf eine längere Reise. Um den 6. November<br />
fuhr er mit seinem Orchester mit Postkutschen auf eine 18-tägige Reise in das rund<br />
250 Kilometer entfernte Budapest. „Die Einheitsgemeinde entstand erst 1873 durch die<br />
Zusammenlegung der zuvor selbständigen Städte Buda (deutsch Ofen), Óbuda (Alt-Ofen)<br />
und Pest. Der Name Budapest selbst tauchte zuvor nicht auf, üblich im Sprachgebrauch war<br />
Pest-Buda“ oder Ofen. 7<br />
In den Pester Redoutensälen fand am 7. November ein Fest mit Ball statt, bei dem<br />
Johann Strauss auch den „Rákóczi-Marsch“, ein ungarisches Nationallied und eine inoffizielle<br />
Hymne von Ungarn, aufführte. Dieser war in Österreich bis zum Ausgleich 1867<br />
verboten, daher erwähnten die Wiener Zeitungen in ihren Berichten nur „einen Ungarischen“.<br />
Zur besseren Vernehmung der Musik wurde eigens für jenen Ball „im großen Saal<br />
ein eigenes Orchesterlocale, drey Fuß vom Boden erhöht, errichtet“.<br />
Abb. 31<br />
7 https://de.wikipedia.org/wiki/Buda<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
93
Bei einem zweiten Fest mit Ball am 10. November waren 3.000 Gäste anwesend und am<br />
11. November fand am gleichen Ort eine Reunion statt. Am 16. November gab Strauss noch<br />
ein Konzert in den „Amazonensälen der Redoute“, über den weiteren Verlauf der Reise gibt<br />
es jedoch wenig Informationen. Sicher ist, dass er auf dem Rückweg einen Umweg von 50<br />
Kilometern nahm und am 19. November in Wiener Neustadt ein Konzert spielte.<br />
Dies könnten die Reiserouten damals gewesen sein. Auf dem Hinweg über Pressburg, auf<br />
Abb. 32<br />
dem Rückweg südlich des Neusiedler Sees über Sopron.<br />
In Wien soll das Orchester ungefähr am 24. November angekommen sein. Am 27. November<br />
veranstaltete Johann Strauss im Saale „Zum Sperl“ das alljährliche „Katharinen-Ballfest<br />
zu seinem Vorteil“, welches er groß ankündigte und bei dem er in Erinnerung an Pest sein<br />
Opus 66, den Walzer „Emlék Pestre, Erinnerung an Pest – Der edlen ungarischen Nation<br />
geweiht von Johann Strauss“, zusammen mit dem Walzer „Erinnerung an Marienbad“, von<br />
Louis Spohr komponiert, uraufführte.<br />
„Spohr war ein deutscher Komponist, Dirigent, Pädagoge, Organisator von Musikfesten<br />
und ein Geiger von internationalem Ruf. […]“ 8 . 1833 fungierte Spohr als Düsseldorfer<br />
Chefdirigent. Er trug als Dirigent zur Entwicklung moderner Orchesterkultur bei und war<br />
einer der ersten Orchesterleiter, die den Taktstock benutzten.<br />
Das Fest im „Sperl“ wurde durch drei Rätsel mit musikalischer Auflösung, zu welchem<br />
der Veranstalter Strauss klare Spielregeln festlegte und veröffentlichte, aufgelockert. Als<br />
Preise gab es die Clavier-Auszüge der Opern „Robert der Teufel“ und „Norma“ ohne Text,<br />
„eine vollständige Phisharmonika (welche sowohl selbst spielt als auch mittels angebrachter<br />
Claviatur gespielt werden kann)“, und als dritten Preis sämtliche Werke von Johann<br />
Strauss im „Clavier-Auszug und Pracht-Einbande“ zu gewinnen.<br />
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Spohr<br />
94 Kapitel 2
Abb. 33<br />
„Der Wanderer“ widmete der Besprechung des Festes eine ganze Seite und druckte darin<br />
die drei Rätsel und deren Auflösungen ab. Der Umfang dieser Festbesprechung kann daher<br />
hier nicht abgebildet werden.<br />
Die drei Rätsel waren in Reimform geschrieben und die Auflösungen lauteten:<br />
„Ochsenmenuett von Haydn, Schubert’s Trauerwalzer und Oesterreichs Volkshymne“.<br />
„Die Lösungen sämmtlicher Räthsel, und besonders jene des letzten, wurde vom Publikum<br />
beifälligst aufgenommen“, der neue Walzer wurde zwar nicht in die besten dieses Verfassers<br />
eingeordnet, weil sie noch ganz frei von bekannten Anklängen waren, sie gefielen aber<br />
außerordentlich und mussten wiederholt werden.<br />
Gegen Ende des Jahres brauchte Johann Strauss wohl eine Pause. Am 26. Dezember leitete<br />
Georg Jegg die Musik des Orchester-Personals des Johann Strauss im „k. k. Augarten“.<br />
In einem Brief an einen Dr. Cargus schreibt er, dass sein linker Arm vom Geigen lahm gewesen<br />
sei. Zum Kartenspielen taugte der Arm offenbar aber noch, denn Strauss soll jeweils am<br />
Weihnachtsabend und zu Silvester im „Sperl“ Macao gespielt haben, was ein polizeiliches<br />
Nachspiel haben sollte. Macao ist ein Karten-Glücksspiel ähnlich den Spielen Siebzehn und<br />
Vier.<br />
Aus Paris kam zum Jahresende eine Aufforderung, für die dortigen „königlichen Bälle<br />
im Carneval“ neue Tänze zu komponieren. Ob die Meldung stimmt, ob und wie Strauss<br />
darauf reagierte oder ob er sogar für Paris komponierte, ist nicht überliefert. Selbst reiste<br />
Strauss erst 1838 nach Paris.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
95
Abb. 34<br />
Weitere Ereignisse 9<br />
Politik<br />
3. April: 50 Aufständische versuchten in Frankfurt am Main, die Hauptwache und die Konstablerwache<br />
zu erstürmen, um dort inhaftierte Journalisten zu befreien. Mit der Niederschlagung<br />
des Frankfurter Wachensturmes scheiterte vorerst der Versuch einer gesamtdeutschen<br />
revolutionären Erhebung.<br />
12. August: Offizielle Gründung von Chicago.<br />
28. August: Das britische Empire schaffte die Sklaverei ab.<br />
29. August: Der vom englischen Parlament erlassene Factory Act schränkte erstmals die Arbeitszeit<br />
von Kindern und Jugendlichen in der Textilindustrie ein. Kinderarbeit unter neun<br />
Jahren wurde verboten.<br />
29. September: Thronwechsel in Spanien. Auf Ferdinand VII. folgte seine minderjährige<br />
Tochter Isabella II. unter Regentschaft seiner Witwe Maria Christina von Sizilien. Der<br />
Thronwechsel löste einen langen Konflikt mit dem Carlismus aus.<br />
Wirtschaft, Wissenschaft und Technik<br />
4. Mai: In Leipzig erschien die Erstausgabe des Pfennig-Magazins, der ersten deutschen<br />
Illustrierten.<br />
Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber erfanden den elektrischen Telegraphen in Göttingen.<br />
Samuel Morse baute den ersten brauchbaren elektromagnetischen Schreibtelegrafen.<br />
Kultur<br />
22. Juli: Die Oper „Ali Baba ou Les Quarante Voleurs“ (Ali Baba oder Die vierzig Räuber)<br />
von Luigi Cherubini wurde an der Grand Opéra Paris uraufgeführt.<br />
Geboren<br />
7. Mai: Johannes Brahms, deutscher Pianist und Komponist der Romantik († 1897).<br />
26. Juli: Marie Geistinger, österreichische Schauspielerin und Sängerin († 1903).<br />
30. Juli: K(C)arl Ludwig, österreichischer Adliger, Bruder des Kaisers Franz Joseph I.<br />
(† 1896).<br />
21. Oktober: Alfred Nobel, schwedischer Chemiker und Erfinder († 1896).<br />
Gestorben<br />
29. September: Ferdinand VII., spanischer König (* 1784).<br />
9 https://de.wikipedia.org/wiki/1833<br />
96 Kapitel 2
1834<br />
Das Jahr begann mit einem vermeintlich freudigen Ereignis im Hause Strauss in der „Leopoldstadt,<br />
Hauptstraße 314, zum Hirschen genannt, dritte Stiege, erster Stock“, wie die<br />
Adresse lautete die Johann Strauss in der schon üblichen Annonce am 2. Januar mitteilte.<br />
Am 4. Januar wurde nämlich das fünfte Kind, der dritte Sohn, Ferdinand, dort geboren.<br />
Ferdinand sollte aber nur zehn Monate alt werden.<br />
Herr Fischer, Pächter der „Pesther Redoutensäle“, hatte auch die „Landhaus-Säle in<br />
Pest“ gemietet und kündigte für seine Ballfeste „Strauss, Lanner und Morelly zur Erhöhung<br />
der Ballfreuden“ an, was allerdings nicht realisiert wurde.<br />
Musikalisch begann das Jahr bis zum Beginn des Karnevals mit Nachmittagsunterhaltungen,<br />
in jenem Jahr spielte das Strauss-Orchester im „k. k. Augarten“ und in „Dommayer’s<br />
Casino“. Der Karneval selbst begann am 9. Januar im „Sperl“ mit der Eröffnung des neu<br />
erbauten „Fortuna Saales“. Zu diesem Anlass schrieb Johann Strauss sein Opus 69, den<br />
„Fortuna-Galopp“.<br />
Abb. 35<br />
Joseph Lanner wurde unter anderem in den „Redoutensälen“, im „Elysium“, „Zum König<br />
von Ungarn“ und im „Apollosaal“ angekündigt. Auf den Veranstaltungsseiten des „Intelligenzblattes<br />
der Wiener Zeitung“ waren fast ausschließlich die Namen Johann Strauss und<br />
Joseph Lanner zu lesen. Ferdinand Sartori, ein anderer Musikdirektor, musste sich dagegen<br />
selbst im Karneval mittels Zeitungsannoncen um Beschäftigung bemühen.<br />
Die „zwei ersten geschlossenen Gesellschaftsbälle des Herrn Schwarz“ fanden 1834<br />
mittwochs, den 15. Januar, und mittwochs, den 29. Januar wiederum im „Sperl“ in der Leopoldstadt<br />
statt. Durch den zweiten neu erbauten, eleganten Tanzsaal waren die Lokalitäten<br />
daselbst „zweckmäßig und angenehm vergrößert worden“. In beiden Sälen wurde zugleich<br />
getanzt, in beiden Sälen spielte das Orchester des „Herrn Capellmeisters Strauss“, er selbst<br />
dirigierte abwechselnd.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
97
Den Walzer „Emlék Pestre, á nemes magyar Nemzetnek ajánlva Strauss Jánostól –<br />
Erinnerungen an Pest“, das Opus 66, der „edlen Ungarischen Nation geweiht von Johann<br />
Strauss“ zeigte Tobias Haslinger am 18. Januar.<br />
Abb. 37<br />
Abb. 36<br />
Gleich zwei „Gesellschaftsbälle“ fanden am 21. Januar statt, und zwar in „Dommayer’s<br />
Casino“ und „zum Besten des Armenversorgungshauses der Leopoldstadt und der Jägerzeile<br />
in den Sälen zum Sperl“. Johann Strauss war auch im Jahr 1834 „Musik-Director“ im<br />
„Sperl“, und die Leopoldstadt war die Heimatgemeinde der Familie Strauss. Auch noch<br />
später, als die Strauss-Söhne schon nicht mehr im „Sperl“ tätig waren, leiteten sie diese<br />
Bälle trotzdem noch. Natürlich leitete Johann Strauss auch jenen Ball „für die Armen der<br />
Leopoldstadt 1834“ und hatte für beide Bälle das Orchester geteilt. Im „Sperl“ leitete er abwechseld<br />
in den oberen und unteren Sälen die Musik. Später war er (und auch seine Söhne)<br />
oft an einem Abend in bis zu sechs Lokalen tätig.<br />
Bei einem Ball zum Vorteile des „Vereines zur Unterstützung der armen erwachsenen<br />
Blinden“ am 20. Januar im „Sperl“ hatte Strauss seinen „Gabrielen-Walzer“, Opus 68, Anton<br />
Victor, Erzherzog von Österreich, gewidmet, uraufgeführt. „Benefice-Bälle“ gehörten<br />
damals unbedingt zum Karneval. Der Fröhlichkeits- und Wohltätigkeistsinn der edlen Wiener<br />
soll damals weltbekannt gewesen sein.<br />
Wie die „Wiener Zeitung“ am 16. Januar berichtete, spendete der Musikdirektor Johann<br />
Strauss „dem Blinden-Institute“ die Hälfte des Ertrages einer Abendunterhaltung, in Summe<br />
22 fl. 30 kr.<br />
Tags darauf leitete Strauss die Musik beim „Gesellschaftsball der Gesellschaft der Musikfreunde<br />
in den k. k. Redoutensälen“.<br />
Am 14. Januar hatte der „k. k. Hof-Traiteur Anton Hess“, der in jenem Jahr auch die<br />
„Traiteurie in den k. k. Redoutensälen“ übernommen hatte, in den beiden Sälen im „k. k.<br />
Augarten“ eine „Soirée mit Tanz“ veranstaltet, welche bereits um 5 Uhr nachmittags begann<br />
und erst gegen Morgen geendet haben soll. Johann Strauss leitete „im Speisesaal eine<br />
Harmoniemusik zum höheren Vergnügen der P.T. Anwesenden“.<br />
Am 27. Januar lud der Tanzlehrer Adam Rabel zu einem Gesellschaftsball im „Sperl“<br />
ein. Strauss leitete wieder abwechselnd in beiden Sälen die Musik. Rabel kündigte unter<br />
98 Kapitel 2
den „Conversationstänzen eine französische Quadrille“ an, „wobei am Ende derselben eine<br />
neue Figur ,Croquadeurʻ betitelt zu bemerken ist, dann eine Masurka und besonders ein<br />
neuer Cotillon unter dem Titel: ,Wechsel-Cotillonʻ“.<br />
Für den Ball am 28. Januar im „k. k. Augarten“ leistete sich der Veranstalter Anton Hess<br />
zwei Kapellen. Neben Johann Strauss, der die Ballmusik leitete, spielte dessen langjähriger<br />
Wegbegleiter, der Leiter der „Regiments-Kapelle des löbl. k. k. Linien-Infanterie-Regiments<br />
Prinz Gustav Wasa“, Joseph Resnitschek, die „Harmonie-Musik im Speisesaal“. Trotz erhöhter<br />
Ausgaben wurde für den Ball nur eine begrenzte Anzahl von Eintrittskarten, „Abonnementkarten“<br />
genannt, ausgegeben.<br />
Tobias Haslinger nutzte die Beliebtheit seines Zugpferdes Johann Strauss aus und förderte<br />
sie zusätzlich. Am 22. Januar zeigte er gleich 42 Walzer an und vermerkte, die Ausgaben<br />
„werden fortgesetzt“.<br />
Am Sonntag, dem 26. Januar, fanden Nachmittags-Unterhaltungen im „k. k. Augarten“<br />
und in „Dommayer’s Casino“, sowie ein öffentlicher Ball abends in den Sälen „Zum Sperl“<br />
statt. Ferdinand Dommayer kündigte Johann Strauss an, in den beiden anderen Annoncen<br />
wurden die „Musik-Directoren“ nicht genannt.<br />
Sicher ist, dass Johann Strauss für den Ball mit dem Titel „Pfennig-Magazin-Ball“ am<br />
3. Februar zu seinem Vorteil im „Sperl“ wieder kreativ war. Namensgeber für den Ball war<br />
das „Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse“, die<br />
erste deutsche Illustrierte. Sie erschien vom 4. Mai 1833 bis 1855 wöchentlich in Leipzig<br />
mit einer Auflage von bis zu 100.000 Exemplaren. Die Hefte umfassten jeweils acht Seiten<br />
im Quartformat, die mit bis zu sechs Holzstichen illustriert waren. In Wien gab Tobias<br />
Haslinger ein „musikalisches Pfennig-Magazin“ heraus. Für den Ball wurde ein eigenes<br />
Musikalien-Magazin, bestehend aus einhundert Artikeln verschiedener Gattung (gewählt<br />
vom Unterzeichneten), zur Verteilung an Damen bestimmt. Darunter waren „Musikalien<br />
berühmter Tonsetzer“, „Pränumerations-Scheine auf das Leipziger literarische“ und auf<br />
das „Wiener musikalische Pfennig-Magazin“ usw. Johann Strauss komponierte für den<br />
Ball sein Opus 70, den „Pfennig-Walzer“. Ballbeginn war 8 Uhr abends, Ende 5 Uhr früh.<br />
Der Ball musste schließlich „eingetretener Hindernisse wegen“ auf den 5. Februar verschoben<br />
werden.<br />
Abb. 38 Abb. 39<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
99
Tobias Haslinger zeigte die Ausgabe des Walzers am 14. Mai 1834 an.<br />
Schon am 4. Februar fand „der letzte Gesellschafts-Ball beim Dommayer“ statt, und<br />
zwar zugleich mit einem glänzenden geschlossenen Ballfest „zur Allerhöchsten Geburtsfeyer<br />
I.I. Majestäten des Kaisers und der Kaiserinn“ im „k. k. Augarten“. Strauss spielte wieder<br />
gemeinsam mit der Regiments-Kapelle Prinz Gustav Wasa. Der Geburtstag von Kaiser<br />
Franz war am 12. Februar, der von Kaiserin Karoline Auguste (auch Carolina Augusta) am<br />
8. Februar.<br />
Tobias Haslinger zeigte am 3. Februar das Opus 68, den „Gabrielen-Walzer“, dessen<br />
Erstaufführungsdatum mit dem 20. Januar angegeben wird, erstmals an. Das Werk ist Anton<br />
Viktor, Erzherzog von Österreich, dem Schutzherrn über die „Gesellschaft der Musikfreunde“,<br />
gewidmet. Er betreute auch das Blindenwesen. Anton Viktor starb bereits im folgenden<br />
Jahr. Am 6. Februar folgte durch Carl Stöber die Erstanzeige eines Fantasie-Potpourris, betitelt<br />
„Carnevals-Erinnerungen“, einer Fantasie über Walzer von Strauss, und am 8. Februar<br />
eine Walzer-Guirlande aus 14 Johann-Strauss-Walzern bei Haslinger.<br />
Am 12. Februar war der Fasching bereits zu Ende und neue Vereinbarungen über musikalische<br />
Unterhaltungen in der Fastenzeit wurden angekündigt. In „Wagner’s Kaffeehaus<br />
im Prater“ begleitete Joseph Lanner und „Beim Dommayer“ die „Kapelle des Linien-Infanterie-Regiments<br />
Nr. 19, Prinz Hessen-Homburg“ unter der Leitung von A. Nemetz die<br />
Nachmittags-Unterhaltungen musikalisch. Ab dem 20. Februar „executierte“ Johann Strauss<br />
vermutlich jeden Sonntag und Donnerstag ab 3 Uhr nachmittags die Musik „zur Nachmittags-Unterhaltung<br />
in den Lokalitäten des k. k. Augartens“, aber erst ab dem 13. März<br />
wurde sein Name in den Annoncen erwähnt. Am 6. und 13. April spielte die Strauss-Kapelle<br />
unter Georg Jeggs Leitung im „k. k. Augarten“. An den gleichen Nachmittagen war in<br />
„Dommayer’s Casino“ die Musik unter der „persönlichen Direction von Johann Strauss“<br />
angekündigt. Am 20. April, zum Schluss der Sonntags-Unterhaltungen und „dem vielseitigen<br />
Wunsch des verehrten Publikums entsprechend“, fand im „k. k. Augarten“ eine „gesellschaftliche<br />
Tanzunterhaltung“ statt, zu der die „Direction Johann Strauss“ angekündigt<br />
war. Auch Ferdinand Dommayer kündigte die „persönliche Direction Johann Strauss“ an.<br />
Am 27. April wurde die Tanzunterhaltung im „k. k. Augarten“ wiederholt. Dabei fand eine<br />
„Harmonie-Musik in zweiten Saal“ statt.<br />
Dazwischen ließ sich eine musikalische Bauernfamilie, „einem allgemeinen Verlangen<br />
zu Folge, noch einmal im k. k. Hoftheater nächst dem Kärtnerthore mit einer Auswahl neuer<br />
anziehender Compositionen vernehmen und der Musik-Director Hr. Strauss komponierte aus<br />
besonderer Rücksicht einen eigenen Walzer für die Familie“. Der Bauer selbst beherrschte<br />
neun Instrumente, jedes seiner Kinder vier bis sieben Instrumente mit Fertigkeit. Ein Walzer<br />
von Johann Strauss, den wir diesem Ereignis zuordnen können, lässt sich nicht identifizieren.<br />
Die Anzeige über die Veranstaltung erschien am 1. April in der Theaterzeitung.<br />
Die erste Eröffnung des Tivoli, immer noch im Eigentum der beiden Berliner Gerike und<br />
Wagner, war am 13. April jenen Jahres. Die Musik leitete dort Ludwig Morelly.<br />
Am 1. Mai begann die Sommersaison mit einer „Morgen- und Nachmittags-Unterhaltung<br />
im k. k. Augarten“. Johann Strauss dirigierte von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr mittags und<br />
von 3 Uhr nachmittags bis abends. Von 6 Uhr morgens (!) bis 9 Uhr und zwischen der Morgen-<br />
und Nachmittags-Unterhaltung spielte die „Regimentskapelle Prinz Hessen-Homburg<br />
Harmonie-Musik“.<br />
100 Kapitel 2
Die Theaterzeitung berichtete: „der erste Mai wurde auch im Augarten auf eine höchst<br />
brillante Art gefeiert. Um sechs Uhr Morgens fanden sich die sentimentalen Seelen ein, besuchten<br />
die grünen Laubgänge, hörten mit schwärmerischer Seele der frühen Nachtigall zu,<br />
und erquickten sich an dem Duft der jungen Bäume. Um acht Uhr rückte die frohe Wiener<br />
Welt heran, welchen Strauss mehr ist als jeder Blüthenstrauß, und sein Orchester mehr, als<br />
das ganze Nachtigallen-Heer der weiten Erde. Um elf Uhr wogte die höhere Welt herbei in<br />
zahllosen Equipagen, in wunderlieblicher Mai-Toilette, in Gala, der Gala der Natur den Hof<br />
zu machen.“ 10<br />
Am 5. Mai wurde der „neue, mit Eleganz angelegte Speise- und Promenade-Garten im<br />
Gasthause ,zur goldenen Birnʻ auf der Landstrasse“ eröffnet. Johann Strauss und die „Regimentskapelle<br />
Prinz Hessen-Homburg unter Capellmeister Nemetz“ führten die Musik aus,<br />
der Ertrag wurde „zum Besten der Armen der Vorstadt Landstraße“ bestimmt. Jeweils montags<br />
fanden dort „Reunionen“ statt. Das Gasthaus lag auf der Landstraße, unmittelbar vor<br />
dem Kirchenplatz, und ist nicht mehr erhalten.<br />
Die Regiments-Kapellen spielten damals sogenannte türkische Musik, reine Blasmusik,<br />
meist Militärmusik, also Märsche. Erst später erweiterten diese ihr Personal um Streicher<br />
und das Repertoire um Streichmusik. Dies geschah zu der Zeit, in welcher Eduard Strauss<br />
die Kapelle bereits alleine leitete, also nach dem Tode Josefs 1870. Dies führte dazu, dass die<br />
Militärkapellen eine ernste Konkurrenz zu den teureren Privatkapellen wurden, was Eduard<br />
zu seinen ausgiebigen Auslandstournéen veranlasste.<br />
Johann Strauss Vater spielte im Frühsommer 1834 im „k. k. Augarten“, in der „Goldenen<br />
Birn“, in „Dommayer’s Casino in Hitzing“ und im „Sperl“. Stets war die „persönliche Direction“<br />
des Meisters angekündigt, wobei davon auszugehen ist, dass er das Orchester oft nicht<br />
den ganzen Nachmittag oder den ganzen Abend dirigierte oder dass das Orchester geteilt<br />
war und in mehreren Lokalen gleichzeitig spielte. Georg Jegg und Philipp Fahrbach waren<br />
dabei wahrscheinlich die wichtigsten Vertreter von Johann Strauss. Beide komponierten auch<br />
selbst. Es wird mitunter auch behauptet, dass Strauss manches Mal komponieren lies. Tobias<br />
Haslinger veröffentlichte am 7. Mai einen Walzer (das achte Werk) und einen Galopp von<br />
Jegg.<br />
Die Strauss-Kapelle hatte im Sommer 1834 an jedem Wochentag eine musikalische Veranstaltung,<br />
nämlich an Montagen Reunionen bei der „Goldenen Birn“, an Dienstagen Nachmittags-Unterhaltung<br />
im „k. k. Augarten“, an Mittwochen und Samstagen Sommer-Assembléen<br />
im „Sperl“, an Donnerstagen und Sonntagen Reunionien in „Dommayer’s Casino“,<br />
und an Freitagen „Zum Strauß“ im Josefstädter Theater.<br />
Auch in Lanners und Morellys Kalender waren alle Tage der Woche belegt, sodass „das<br />
ganze Wien einem immerspielenden Orchester glich“, wie die Zeitungen es schrieben.<br />
Die findigen Unternehmer Wiens erdachten noch weitere Attraktionen, um ihre Gäste zu<br />
unterhalten. Am Dienstag, dem 27. Mai, spielte Johann Strauss um 4 Uhr eine „Nachmittags-<br />
Unterhaltung im k. k. Augarten“. Ab halb 6 Uhr sollte, je nach Witterung, der Schnell-Läufer<br />
Mensen Ernst aus Norwegen, welcher in 14 Tagen von Paris nach Moskau und in 24 Tagen<br />
von München nach Griechenland gelaufen war, Beweise seiner Kraft und Ausdauer ablegen.<br />
10 ANNO/Österreichische Nationalbibliothek Wiener Zeitung, Anhang vom 28. April 1834, Seite 390.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
101
Dabei sollte er zunächst eine Strecke von 2 x 224 Klaftern (circa ein Kilometer) auf Stelzen<br />
und danach eine Strecke von circa 16 Kilometern in 76 Minuten zu Fuß zurücklegen.<br />
Am 1. Juni eröffnete „der durch seinen rühmlich bekannten Unternehmungsgeist bekannte<br />
Eigenthümer des ,Josefstädtertheater-Privilegiums und Gebäudesʻ, Herr Wolfgang<br />
Reischl einen großartigen Saal in seinem Gasthaus ,zum goldenen Straußʻ“. Er kaufte dafür<br />
das daran anstoßende Lokal, wodurch der Raum dieses Establissements um das Doppelte<br />
erweitert worden ist. Der ehemalige Tanzsaal wurde zum Speisesaal und ein neuer Tanzsaal<br />
nebst einem zweiten Speisesaal wurde erbaut. „Der einfach und doch höchst geschmackvoll<br />
ausgeführte Saal ward mit Oelgas beleuchtet“. Dieses wurde als „zur Ehre des Jahrhunderts<br />
erfundene Beleuchtungsart“ bezeichnet.<br />
Das bekannte und beliebte „Blumen-Fest zum Besten der Armen in den Gärten und Sälen<br />
zum Sperl“ am Mittwoch, dem 11. Juni (damals Junius), war nur eine kleine Zeitungsanzeige<br />
wert. Näheres wurde auf den Anschlagzetteln in der Stadt mitgeteilt.<br />
Am 13. Juni wurde „zu Gunsten der Armen im Garten zur goldenen Birn“ gefeiert, dabei<br />
wurde der großartige Park mittels 1.500 Lampen, der sogenannten chinesischen Beleuchtung,<br />
erleuchtet. Ein Wasser- und ein Landfeuerwerk ergötzten die Besucher zusätzlich.<br />
Fast erleichtert liest sich die Ankündigung des nächsten von Johann Strauss veranstalteten<br />
Festes, einer „großen Sommer-Assemblée“ unter dem Titel „das nächtliche Sonnenfest“, am<br />
24. Juni in „Dommayer’s Casino“ bei „brillanter“ Beleuchtung des Gartens und der Säle, zu<br />
seinem Vorteil. Sie lautete: „Der Gefertigte, welcher seit der Eröffnung dieses neu erbauten<br />
Saales und Erweiterung der sämtlichen Localitäten noch keine Gelegenheit hatte, ein Fest<br />
größerer Art hierin zu veranstalten, ist nun in der angenehmen Lage durch Arrangierung<br />
eines solchen Festes in diesem beliebten Belustigungsorte [ …] seine ergebendste Einladung<br />
zu machen“. Dann erklärt er die Herleitung des Titels, die „Sonnenwendfeier oder das<br />
Johannis-Fest“. Schließlich musste das Fest eingetretener Hindernisse wegen um zwei Tage<br />
verschoben werden, es fand aber am Donnerstag, dem „26. Junius, unabänderlich, auch bey<br />
ungünstiger Witterung“ statt.<br />
Bei diesem Fest führte Strauss sein Opus 71, den „Elisabethen-Walzer“, „Ihrer Königlichen<br />
Hoheit, der durchlauchtigsten Frau Elisabeth Luise, Kronprinzessin von Preußen, geb.<br />
Prinzessin von Baiern in tiefster Ehrfurcht gewidmet“, auf.<br />
Elisabeth Ludovika, Prinzessin von Bayern wurde 1801 in München geboren und starb<br />
1873 in Dresden. Sie war ab 1823 Gemahlin Friedrich Wilhelms IV. von Preußen und ab<br />
1840 Königin. Die spätere Königin bedankte sich für die Widmung mit einer Auszeichnung<br />
und einem kostbaren Brillantring bei dem Komponisten. Die Theaterzeitung berichtete am<br />
18. November.<br />
Die Reunionen in der „Goldenen Birn“ wurden zwar in der „Wiener Zeitung“ nicht angekündigt,<br />
sie fanden aber jeweils montags statt. Der „Elisabethen-Walzer“ wurde auch am<br />
7. Juni, neben der Ouvertüre aus „La gazza ladra“, einer Oper von G. Rossini, dort wiederholt<br />
und dieser als würdiger Vertreter „aller ihrer lieben Mitschwestern“ gelobt.<br />
Danach feierte Johann Strauss wieder ein gigantisches Fest zu seinem Vorteil. Der Erfolg<br />
des Augartenfestes „Eine Nacht in Venedig“ im Vorjahr bewog ihn zur Wiederholung<br />
dieses Spektakels. Am 21. Juli führte er bei „viel brillanterem Arrangement als im Vorjahr“<br />
sein Opus 74, den „Venetianer-Galopp“, erstmals im „k. k. Augarten“ auf. Der Titel „Eine<br />
Nacht in Venedig“ wurde für das Fest beibehalten, es sollen mehr als 10.000 Gäste anwesend<br />
102 Kapitel 2
gewesen sein. Johann Strauss musizierte im Saal, im Speisesaal war ein zweites Orchester<br />
aufgestellt und im Freien „producierten sich die Musikcorps der löblichen k. k. Infanterie-<br />
Regimenter“. Die Kosten für die Dekorierung, Illuminierung und Ausstattung sollen 7.000<br />
bis 8.000 fl. (8.000 Gulden entsprächen mehr als 170.000 Euro in heutiger Kaufkraft) betragen<br />
haben. Die Beleuchtung hatte wahrscheinlich wieder der Strauss-Freund Carl Friedrich<br />
Hirsch besorgt.<br />
Gleichzeitig begannen die Besitzer des Tivoli, ihre Gäste mit einer in Wien neuen Unterhaltung<br />
zu locken, nämlich „mit dem äußerst beliebten Volksspectakel eines englischen<br />
Hahnenkampfes“.<br />
Auch die anderen Wiener Musik-Direktoren kündigten große Feste an, Franz Morelly<br />
ein großes Fest am Vorabend zu Jacob und Anna in „Kremser’s Gasthaus-Localitäten am<br />
Währingerspitz“, Siegmund Silberbauer zum Kirchtage „ein nächtliches Fackelfest zu Penzing<br />
bey der blauen Weintraube“, Joseph Lanner ein brillantes Ballfest „Annen Abend- und<br />
Nachtfeyer“ in den „Sommer-Apollo-Salons“ und am 31. August im „Palais und Garten<br />
des Grafen Palffy“ ein Fest, das er mit dem Zusatz ankündigte: „Es wird sich an das Fest<br />
Strauss’ anschließen und in dieser Beziehung als Parallele bedeutend sein“. Er wiederholte<br />
das Fest unter dem Titel „Der Sommernachts-Traum“ am 14. September zum Geburtstag der<br />
jüngeren Königin von Ungarn. Auch im „Sperl“ fand am „Annen-Tag“, dem 26. Juli, eine<br />
Sommer-Assemblée statt, bei der Johann Strauss die Musik leitete.<br />
Am 5. August wurde die „Sommer-Assemblée Eine Nacht in Venedig“ im „k. k. Augarten“<br />
zur „höchsten Geburts-Feyer der Erzherzogin Therese“, der Tochter von Erzherzog<br />
Carl, dem Sieger von Aspern, die am 31. Juli Geburtstag hatte und von 1834 bis 1835 Äbtissin<br />
des Theresianischen Damenstiftes in Prag war, wiederholt. Wieder wurden das Rondeau<br />
und die Hauptallee dazu benutzt. Johann Strauss leitete ab halb 9 Uhr die Musik bei einem<br />
glänzenden Ballfest.<br />
Dafür, dass Johann Strauss am 6. August erstmals eine „Reunion ohne Feuerwerk“ veranstaltete<br />
und somit „der Manie jeden musikalischen Genuß durch Raketten verbittert zu<br />
sehen, kühn entgegen trat“, wurde er öffentlich gelobt. Aber weder er selbst noch seine Söhne<br />
noch „die Anderen“ schlossen sich dem künftig an. Feuerwerke wurden nach wie vor bei<br />
nahezu jeder Gelegenheit zum Schluss der Feste abgebrannt.<br />
Im August fand noch eine Reunion „zur goldenen Birn auf der Landstraße“ unter dem<br />
Titel „Eine Nacht in China“ am 18. statt und am 27. „eine große Sommer-Assemblée mit<br />
Ball in den Gärten und Sälen zum Sperl“ unter dem Titel „Die Iris-Feyer zum Vorteil von<br />
Johann Strauss“. Für Letztere komponierte er den „Iris-Walzer“, sein Opus 75, das „Carl von<br />
Gervais, kaiserlich russischer Hofrat und Botschafts-Sekretär am k. k. Hofe“, gewidmet war.<br />
Die Erstanzeige des Walzers erfolgte bei Haslinger am 18. November 1834.<br />
Am 27. August reiste Strauss erneut kurz in das 30 Kilometer von Wien entfernte Baden.<br />
Dort veranstaltete „die Gesellschaft der adeligen Frauen zur Beförderung des Guten und<br />
Nützlichen“ in dem „k. k. privil. Redoutensaale zu Baden“ einen „Ball zum Besten des Marienspitals<br />
nächst Baden“, wo er die persönliche Leitung der Musik zugesagt hatte. Auch bei<br />
diesem Besuch spielte er erneut in den Zwischenpausen im Theater in Baden ein Potpourri.<br />
Er sollte auch „am Schluße des Theaters noch einige Piecen vortragen, allein es war schon<br />
zu spät geworden und da der Anfang des Balles um 9 Uhr festgesetzt war, muß dieses Mal<br />
seine Wortbrüchigkeit schon entschuldigt werden“.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
103
Abb. 40 Abb. 41<br />
Vier Tage später hatte Johann Strauss die Ehre, „im fürstlich Liechtensteinʼschen Schlosse“<br />
in Brühl bei Wien „musikalische Productionen ausführen zu dürfen. Unter den erhabenen<br />
Gästen befanden sich mehrere Glieder unsers erlauchten Kaiserhauses und Se.<br />
königl. Hoheit der Kronprinz von Baiern.“<br />
Im Herbst wurde das 60 Kilometer südlich Wiens gelegene Wiener Neustadt von<br />
einem verheerenden Großbrand heimgesucht. „Das Großfeuer am 8. September war in<br />
einer der Scheunen vor dem Neunkirchner Tor ausgebrochen, vermutlich durch unvorsichtiges<br />
Hantieren mit einer Pfeife. Der Sturm trug das Feuer über die Mauern in die<br />
Stadt, wo die großteils mit Holzschindeln gedeckten Häuser sofort erfaßt wurden. Etwa<br />
500 Bürgerhäuser brannten vollständig aus, 47 Menschen kamen ums Leben, Tausende<br />
wurden obdachlos. Schwere Schäden erlitten auch die öffentlichen Gebäude. So wurde<br />
der zweite Stock des Rathauses zerstört, die Glocken des Doms stürzten herab und das<br />
Kirchendach des Neuklosters brannte ab. 11<br />
Aus allen Teilen der Monarchie kam Hilfe zur Beseitigung der Schäden und zur Linderung<br />
der Not.<br />
Johann Strauss veranstaltete am 13. September in den „Gärten und Sälen zum Sperl“<br />
eine „große Sommer-Assemblée zum Besten der Bedürftigen“ und am 15. gab „J. Stipperger’s<br />
selige Witwe in der goldenen Birn“ eine „große Reunion“, bei der Johann<br />
Strauss und eine Militär-Kapelle unter Andreas Nemetz die Musik leiteten. Ferdinand<br />
Dommayer veranstaltete „ein großes Ballfest“, ebenso die anderen „Lokale und Musikdirektoren“.<br />
Carl Czerny komponierte sogar eine Fantasie mit dem Titel „Brand-Ruinen<br />
von Wiener-Neustadt“, die bei Tobias Haslinger veröffentlicht wurde und deren Ertrag<br />
„zur Unterstützung der verunglückten Bewohner“ bestimmt war. Joseph Lanner veranstaltete<br />
am 23. September ein „großes Ballfest in den Localitäten zum guten Hirten“.<br />
Zur selben Zeit war Johann Strauss engagiert, um „bei einem Galadiner zur feierlichen<br />
Installation des Fürsten Paul Anton Esterhazy in alle seinem Geschlecht gebührenden<br />
Ämter und Würden“ im 50 Kilometer südlich von Wien gelegenen Eisenstadt<br />
zusammen mit der Kapelle des Regiments Wasa „die Musik zu exekutieren“. Es waren<br />
11 https://www.gedaechtnisdeslandes.at/orte/action/show/controller/Ort/ort/wiener-neustadt.html<br />
104 Kapitel 2
600 Personen geladen und Johann Strauss komponierte für diesen Anlass sein Opus 76,<br />
den „Rosa-Walzer“, und widmete ihn „der Regierenden Fürstin Esterhazy von Galantha“,<br />
deren Tochter Rosa hieß und die die Namensgeberin für den Walzer war.<br />
Im Herbst sind nur „Strauss-Reunionen“ im „Sperl“ und „Beim Dommayer“ bekannt.<br />
Joseph Lanner spielte im „Apollo Saal“ und im „König von Ungarn“, Franz Morelly<br />
im „Goldenen Steg“ und im „Simon’schen Kaffeehause“. Anton Hess, der „k. k. Hof-<br />
Traiteur des k. k. Augarten“, lud zur sonntäglichen „Table d’hôte“ ein. Die Tafelmusik<br />
besorgten Franz Morelly und eine Regiments-Kapelle. Franz Ballin spielte in der „Goldenen<br />
Birn“.<br />
Friedrich Voigtländer jun. führte damals im Prater seinen Dampfwagen vor und stellte<br />
ihn sonst im „Circus gymnasticus“ zur Ansicht aus.<br />
Während Johann Strauss bereits seine nächste, wesentlich weitere und längere Kunstreise<br />
nach Deutschland vorbereitete, widmete er sein Wirken noch einmal der Wohltätigkeit,<br />
indem er am 26. Oktober in den Sälen „Zum Sperl“ ein „großes Ballfest zum<br />
Besten der Armen-Bürgerlade“ veranstaltete. Er löste damit sein Versprechen ein, dass<br />
er nämlich jährlich ein Ballfest zu gedachtem Zweck arrangieren werde. Dieses Ballfest<br />
veranstaltete er in seiner Funktion als „Capellmeister des löblichen ersten Bürger-Regiments“.<br />
Es ist möglich, dass das Opus 73, der „Original-Parade-Marsch“, für dieses Fest geschrieben<br />
wurde. Am 27. Juni 1832 veröffentlichte Tobias Haslinger bereits ein Werk mit<br />
gleichem Titel zusammen mit einem Marsch aus der Oper „Zampa“, beide Werke damals<br />
ohne Opus-Zahl.<br />
Über die anstehenden Reisen der beiden „Walzer-Heroen Strauss und Lanner“ berichtete<br />
die Theaterzeitung am 31. Oktober. Lanner reiste für eine Woche nach „Pesth“.<br />
Abb. 42<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
105
Johann Strauss soll am 30. Oktober Reisepässe für sich und für 17 Musiker für eine Reise<br />
nach Berlin, Leipzig, Dresden und Prag beantragt haben. Die Reise sollte sechs Wochen<br />
dauern. Nach einigen Berichten soll ihn die damals 20-jährige Emilie Trambusch auf dieser<br />
Reise bereits begleitet haben und Anfang November soll die Reisegesellschaft nach anstrengender<br />
Reise mit der Postkutsche in Berlin angelangt sein. Das Zeitalter der dampfbetriebenen<br />
Eisenbahn hatte lediglich in England bereits begonnen. Die Anzahl der Musiker<br />
wird mitunter auch mit 30 angegeben. In Berlin sollte die Kapelle bei sieben Konzerten und<br />
auf zwei Ballveranstaltungen auftreten. Angaben, wonach die Abreise erst am 10. November<br />
erfolgte, scheinen falsch zu sein, denn am 3. November verstarb in Wien Ferdinand,<br />
der gerade zehn Monate alte dritte Sohn der Familie Strauss, und es existiert ein Brief von<br />
Johann Strauss an seine Frau Anna, in dem er sich über den Gesundheitszustand Ferdinands<br />
Gedanken macht. Also war er auf Reisen, als sein Sohn „am hitzigen Wasserkopf“ starb.<br />
Am 19. November schrieb Johann Strauss an seine Frau Anna:<br />
Abb. 43<br />
Der Brief von Johann Strauss in seiner Handschrift.<br />
„Liebe Netti,<br />
[ …] vor allem hoffe ich, daß Du sammt den Kindern bey besserem Wohlseyn Euch befindet,<br />
als bey meiner Abreise. Wie sehnsuchtsvoll erwarte ich Nachricht von Ferdinandʼs Befinden.<br />
Ich muß gestehen, daß ich immer mit Angst an ihn dachte. Ich tröste mich mit der Hoffnung,<br />
ihn bey meiner Rückkunft wieder gesund anzutreffen, und ich will mich nicht mehr mit<br />
den schrecklichsten Gedanken quälen! [ …] der Kopf ist mir von all dem so voll und gibt es<br />
bei meinem Hiersein in Berlin so viel zu thun, daß ich gar nicht weiß, wo aus, wo ein. Den<br />
106 Kapitel 2
ganzen Tag, von früh 7 Uhr ist mein Zimmer nie leer, täglich laufen 8 – 10 Briefe ein aus der<br />
Umgegend Leipzig, Dresden usw., welche ich doch beantworten soll. Du mußt daher schon<br />
(…) entschuldigen, daß ich Dir noch nicht geschrieben habe. Ich denke von Berlin am 24.<br />
nach Leipzig abzureisen und von dort den Rückweg nach Wien zu nehmen [ …] Hoffentlich<br />
wird es Dir bis dahin an Geld nicht fehlen, bis ich wieder in Eurer Mitte bin [ …]<br />
Dein Strauss“<br />
Der letzte Auftritt bei den „Nachmittags-Unterhaltungen“ in Wien muss also am 26. Oktober<br />
gewesen sein, auch wenn in den Annoncen in der „Wiener Zeitung“ die persönliche<br />
Leitung von Strauss auch für den 2. November „annonciert“ war. Ab der Anzeige für die<br />
Nachmittags-Unterhaltung am 9. November wurde „die Musik von dem Orchester-Personale<br />
des Herrn Johann Strauss“ angekündigt, nicht mehr die „persönliche Direction“. Wieder<br />
andere Quellen nennen den 9. November als Datum für das erste Konzert in Berlin.<br />
Die Übersicht über die Tätigkeiten der Strauss-Kapelle unter Johann Strauss Vater sind<br />
nach den Anzeigen der „Wiener Zeitung“ und den „Tagebuchaufzeichnungen des Orchestermitgliedes<br />
Johann Thyam“ zusammengestellt. Von Thyam ist nicht viel bekannt, aber es<br />
kann davon ausgegangen werden, dass er sein Tagebuch jedenfalls nicht mit der Absicht<br />
führte, um fast 200 Jahre später eine lückenlose Biographie zu ermöglichen. Thyam war<br />
Klarinettist und führte von 1835 bis zumindest 1838 oder darüber hinaus auf den Reisen der<br />
Strauss-Kapelle ein Tagebuch. 12<br />
Abb. 44<br />
12 Das Jahrhundert des Walzers, I. I. Band. Johann Strauss Strauss Vater Vater Ein Ein Werkverzeichnis von Max von Max Schön Schön herr<br />
und herr Karl und Karl Reinöhl, Reinöhl, Seite Seite 343 ff 343 Jährliche ff Jährliche Übersicht Übersicht über über die Tätigkeit die Tätigkeit von Johann von Johann Strauss Strauss Vater Vater zusammege<br />
stellt zusammengestellt nach den Angaben nach den in der Angaben Wiener in Zeitu“ng der „Wiener und in Zeitung“ den Tagebuch und in den aufzeichnungen Tagebuchaufzeichnungen des Orchestermitglie des<br />
Orchestermitgliedes Johann Thyam. Johann Thyam.<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
107
Die Reiseroute wurde offensichtlich kurzfristig geändert. Ein Konzert in Prag, welches<br />
auf der Hinreise geplant war, konnte „Hindernisse wegen“ nicht stattfinden und wurde für<br />
die Rückreise des Orchesters neu angesetzt. Die Meldung im Fremdenblatt am 11. November<br />
liest sich aber eher, als ob Strauss zunächst alleine, noch nicht mit seinen Mannen gereist<br />
und in Prag gewesen war.<br />
Am 12. und 15. fanden jedenfalls jeweils „eine musikalische Abendunterhaltung mit Ball<br />
im königlichen Schauspielhaus Berlin“, danach ein „Benefiz-Konzert“, ein „Konzert im Palais<br />
des russischen Gesandten“, ein „Tanzabend bei Prinz Carl von Preußen“, Konzerte im<br />
Königstädter Theater, ein „Privatkonzert des Prinzen Wilhelm von Preußen“ und am 18. ein<br />
„Ball beim preußischen König“ statt, bei dem auch die Kaiserin von Russland anwesend<br />
war. Es folgten noch ein „Konzert zum Vorteil von Johann Strauss im königlichen Schauspielhaus“,<br />
ein weiteres „Konzert beim russischen Gesandten“, ein weiterer „Tanzabend<br />
bei Prinz Carl von Preußen“ sowie Konzerte im Königstädter Theater, bei „Prinz Wilhelm<br />
von Preußen“ und am 21. November eine weitere „Abendunterhaltung im Schauspielhaus“.<br />
Dann reiste das Orchester am 26. November nach Leipzig weiter.<br />
Der in Wien verbliebene Teil der Kapelle muss groß genug gewesen sein, um die Nachmittags-Unterhaltungen<br />
„Beim Dommayer“ zunächst weiterzuführen. Am 22. November<br />
übernahm dies allerdings die „Regiments-Kapelle unter Capellmeister Nemetz“. Wer die<br />
Musik beim „Katharinen-Ballfest“ am 23. November im Saale „Zum Sperl“ leitete, ist nicht<br />
überliefert. Joseph Lanner unternahm Ende November seine kurze Kunstreise in die ungarische<br />
Hauptstadt. Wie schon Strauss im Vorjahr widmete auch er der „edlen ungarischen<br />
Nation“ ein Werk, nämlich sein Opus 93, den „Pesther-Walzer“.<br />
Von Berlin aus veranlasste Johann Strauss brieflich, dass die Herren Herrmann und Langbein<br />
für ihn in Leipzig Werbung machten und ein „Local für zwei musikalische Abendunterhaltungen<br />
mit 26 Stühlen für das Orchester und einige Instrumente“ mieteten. Er hatte also<br />
mehr als 17 Musiker mitgenommen (oder in Deutschland zusätzliche engagiert). Das „Local“,<br />
welches die Herren mieteten, war das Gewandhaus Leipzig, wo am 28. ein Konzert und<br />
am 29. eine Abendunterhaltung „für die Gesellschaft Tunnel“ stattfanden. Nach einem „Gesellschaftsball<br />
im Hotel de Pologne“ am 30., für welches 300 Taler Honorar bezahlt wurden,<br />
ging die Reise weiter nach Dresden, wo Strauss am 1. Dezember ein Konzert im „Hotel Stadt<br />
Wien“ gab. Da der Festsaal dort zu klein war, stellte der sächsische König die Räumlichkeiten<br />
des Dresdner Hoftheaters für das nächste Konzert am 3. zur Verfügung. Nach einem<br />
Konzert im „Hotel Boulogne in Dresden“ und einem (fraglichen) Konzert im Kreise des<br />
„adligen Vereins Dresden“ reiste die Kapelle am 8. Dezember nach Prag weiter, wo nur eine<br />
„musikalische Abendunterhaltung im ständischen Theater“ am 9. Dezember erwähnt ist, um<br />
schließlich um den 13. Dezember in Wien anzukommen, wo Strauss schon am 14. Dezember<br />
mittags „Beim Dommayer“ und abends im „Sperl“ wieder vor das Publikum trat.<br />
Die Grenzen des Deutschen Bund wie sie 1834 bestanden und die möglichen und wahrscheinlichen<br />
Reiserouten der Strauss-Kapelle im November und Dezember sind in Abbildung<br />
44 dargestellt. Der Hinweg von Wien direkt über Prag und Dresden nach Berlin, rund<br />
600 km und der Rückweg von Berlin nach Leipzig 165 km, nach Dresden 115 km, nach Prag<br />
140 km und nach Wien 300 km.<br />
Am 18. Dezember spielte Strauss schließlich noch bei einer „Nachmittags-Unterhaltung<br />
in Wagnerʼs Kaffeehaus im Prater“.<br />
108 Kapitel 2
Weitere Ereignisse 13<br />
Politik<br />
1. Januar: 18 deutsche Fürstentümer traten, unter Ausschluss Österreichs, dem Deutschen<br />
Zollverein bei. Oberstes Ziel dieser Vereinigung war die Vereinfachung des Handels zwischen<br />
den deutschen Staaten. Es kam zu einer wirtschaftlichen Verbesserung aller beteiligter<br />
Staaten.<br />
März: Georg Büchner verfasste einen Entwurf für ein Pamphlet über soziale Missstände in<br />
Hessen und gründete die geheime „Gesellschaft der Menschenrechte“.<br />
9. April: In Lyon rebellierten Seidenweber und forderten republikanische Verhältnisse.<br />
15. April: Der zweite Aufstand der Seidenweber in Lyon wurde von Armeeeinheiten blutig<br />
niedergeschlagen. Bei der mehrtägigen Rebellion verloren über 600 Leute ihr Leben.<br />
16. Oktober: Der Palace of Westminster in London fiel einem Großbrand zum Opfer.<br />
Geboren<br />
1. Januar: Ludovic Halévy, französischer Bühnenautor († 1908).<br />
7. Januar: Philipp Reis, deutscher Erfinder des Telefons († 1874).<br />
17. März: Gottlieb Daimler, deutscher Ingenieur, Konstrukteur und Industrieller († 1900).<br />
4. April: Helene in Bayern, Tochter von Herzog Max Joseph in Bayern († 1890).<br />
14. November: Franz von Jauner, österreichischer Schauspieler und Theaterdirektor<br />
(† 1900).<br />
13 https://de.wikipedia.org/wiki/1834<br />
1830 bis 1834 Der Aufstieg zum Walzerheroen<br />
109
Kapitel 3<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London
1835<br />
Die Faschingszeit im Jahr 1835 dauerte sehr lang, Aschermittwoch war nämlich erst<br />
am 4. März. Der erste Ball der Saison war ein „Fortuna-Ball in den Sälen zum Sperl“<br />
am 8. Januar. Im „Sperl“ fanden diese Bälle jeweils donnerstags statt, „Gesellschafts-<br />
Bälle“ jeweils dienstags und mittwochs. Sonntags fanden wieder die Nachmittags-Unterhaltungen<br />
in „Dommayer’s Casino“ statt und abends öffentliche Bälle im „Sperl“. Am 20.<br />
Januar war der „erste Wohltätigkeits-Ball zum Besten des Armen-Versorgungshauses der<br />
Leopoldstadt und der Jägerzeil im Sperl“.<br />
Am 9. Januar leitete Johann Strauss unentgeltlich die Musik bei einer „Abendunterhaltung<br />
zum Besten der Kinderbewahranstalt in Neulerchenfeld“ im Gasthaus „Zum goldenen<br />
Strauß in der Josephstadt“. Von der Veranstaltung konnte dem „unter dem Schutz der Kaiserin<br />
Carolina Augusta stehenden Institut“ ein Betrag von 30 fl. 12 kr. übergeben werden.<br />
Tobias Haslinger zeigte am 20. Januar „die Musikalien für ganze Orchester für den<br />
Carneval 1835“ an. Dies waren 20 Walzer von Johann Strauss inklusive des erstmals angezeigten<br />
„Rosa-Walzers“, des Opus 76. Nach dem Zusatz „werden fortgesetzt“ sollten<br />
weitere folgen.<br />
Die Theaterzeitung informierte „Concertanten und Concertliebhaber“, dass Lanner und<br />
Strauss die Generalproben für die neuen Walzer, welche sie für den Karneval 1835 komponiert<br />
hatten, in der Redoute abhalten würden und die Öffentlichkeit für ein kleines Eintrittsgeld<br />
an den Proben teilhaben ließen. Der französische Zusatz bedeutet: „oder die Sonne<br />
scheint, der Mond ist mir egal“.<br />
Abb. 1<br />
Ab dem 27. Januar veranstaltete auch Ferdinand Dommayer in seinem Casino Gesellschaftsbälle,<br />
dabei sorgte er wieder für den Transport seiner verehrten Gäste in das entfernte<br />
Hietzing. „Gesellschaftswagen werden die Communikation zwischen Wien und Hietzing zu<br />
jeder Stunde besorgen, auch übernimmt Hr. A Fuhrmann in der Stadt am Peter Bestellungen<br />
auf zwei- und viersitzige Wagen“, lautete die Ankündigung.<br />
Tags darauf führte Johann Strauss auf dem Ball „zum Besten des unter dem Protectorate<br />
Sr. kaiserl. Hoheit, des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Anton Victor“ stehenden Versorgungsvereins<br />
für Blinde im Saale „Zum Sperl“ erstmals sein Opus 78, den Walzer „Erinnerungen<br />
an Berlin“, auf. Die Widmung erhielt „Auguste, vermählte Prinzessin Wilhelm<br />
von Preußen, geborene Prinzessin Weimar“.<br />
Der Protektor des „Blindeninstitutes“, Erzherzog Anton Viktor (oder Victor) Joseph<br />
Johann Raimund von Österreich, verstarb wenige Wochen nach dem Ball am 2. April 1835<br />
im Alter von 56 Jahren. Er war Vizekönig in Italien, übernahm aber zuletzt lediglich einige<br />
111
Ehrenämter wie die Protektorate über das Blindeninstitut, die „Gesellschaft der Freunde der<br />
österreichischen Musik“ oder die „Gesellschaft der Blumenfreunde Wiens“.<br />
Am 22. Januar ließ Tobias Haslinger noch einmal die Anzeige des Opus 76 allein und<br />
mit der ehrfürchtigen Widmung an „Ihre Durchlaucht der regierenden Frau Fürstinn von<br />
Esterházy von Galantha“ für verschiedene Instrumente in der „Wiener Zeitung“ drucken.<br />
Abb. 2 Abb. 3<br />
Auf den Bällen, die im Karneval mit den größten Anzeigen angekündigt wurden, spielte<br />
Franz Morelly, der bei gleich „drey abonnierten Gesellschafts-Bällen“ zur „allerhöchsten<br />
Geburtsfeyer Ihrer beyden k. k. Majestäten“ am 8., 17. und 24. Februar die Ballmusik in<br />
den Sälen des „k. k. Augarten“ leitete, während Capellmeister Masak im Speisesaal dirigierte.<br />
Im „Apollosaal“ dirigierte Joseph Lanner gleichzeitig in beiden Sälen. Franz Morelly<br />
leitete auch abwechselnd mit Carl Bendl die Bälle „Zum goldenen Steg“ und „Zum guten<br />
Hirten“, Lanner „Zum König von Ungarn“, Fr. Spielberger „Zum goldenen Strauss“ in der<br />
Josephstadt, Sig. Silberbauer zu Penzing „Bey der blauen Weintraube“, Franz Schanner im<br />
Elysium im Seitzerhof. Ferdinand Sartori bot seine Dienste erneut in Zeitungsannoncen an.<br />
Aus Pesth wurde während des Karnevals gemeldet, dass „bei allen diesen Bällen Lanner’s<br />
Compositionen an der Tagesordnung sind, sie haben denen von Strauss für den<br />
Augenblick vollkommen den Rang abgelaufen. Man hört nichts als ,Pesther-Walzer‘, die<br />
,Abenteurer‘, die ,Komet-Walzer‘, die ,Humoristen‘ etc. (Anm.: von Lanner) und nur selten<br />
geben die ,Iris-‘ oder ,Elisabethen-Walzer‘ von Strauss ein Zeichen des Lebens von sich“. 1<br />
Natürlich gab es auch zahlreiche andere Komponisten, deren Werke gedruckt und publiziert<br />
wurden, z. B. in der Kunst- und Musikalienhandlung A. Berka & Comp. in der Kärntnerstraße,<br />
in welcher sieben Hefte mit „Tanzpiecen“ von sechs Komponisten, betitelt mit<br />
„Klänge des Frohsinns“, erschienen.<br />
Der Ball der „Gesellschaft der Musikfreunde“ in den „k. k. Redoutensälen“, zu dem nur<br />
Mitglieder der Gesellschaft oder Personen, welche von Mitgliedern namentlich vorgeschlagen<br />
wurden, Zutritt hatten, wurde am 10. Februar veranstaltet. Abends gab es keine Kasse,<br />
Johann Stauss besorgte die Musik.<br />
1 ANNO/Österreichische Nationalbibliothek, Wiener-Theater- Zeitung vom 18. Februar 1835, Seite 139.<br />
112 Kapitel 3
Der am 17. Januar veröffentlichte „Ball-Kalender für den Carneval 1835 beim Sperl“<br />
musste wohl mehrfach verändert werden. Das Strauss'sche Benefice wurde vom 16. auf den<br />
24. Februar verschoben. Die übrigen Gesellschaftsbälle fanden wahrscheinlich, wenn auch<br />
nicht unbedingt an den geplanten Tagen, im „Sperl“ statt.<br />
„Ball-Tage im Carneval 1835 beim Sperl“. Abb. 4 Abb. 5<br />
Für den Ball am 24. Februar zu seinem Vorteil erinnerte sich Johann Strauss der im Jahr<br />
1833 veranstalteten Titel-Union und betitelte das Fest als „Die Titel-Wahl“ in den Sälen<br />
„Zum Sperl“<br />
Der Walzer, der an jenem Abend seinen Namen erhielt, war das Opus 79, „Gedanken-Striche“,<br />
in Erinnerung an den Aufenthalt in dieser Stadt im Vorjahr „den edlen Bewohnern<br />
Leipzigs geweiht“.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
113
Das Flora-Ballfest, welches Ferdinand Dommayer am 25. Februar in „den hierzu ganz<br />
neu verherrlichten Sälen“ seines Casinos veranstaltete, kündigte er mit einer Riesen-Annonce,<br />
einem Aufsatz gleichend, an. Johann Strauss leitete die Musik ab 8 Uhr abends<br />
persönlich.<br />
Abb. 6<br />
Das Fest wurde „mit so schmeichelhaftem Beyfalle aufgenomen“, dass der „gehorsamst<br />
Unterzeichnete“, Casino-Inhaber Ferdinand Dommayer, es „dem allgemeinen Verlangen<br />
entsprechend“ am 1. und am 2. März wiederholte.<br />
Johann Georg Scherzer hatte den „Sperl“ inzwischen an seine Söhne Johann Georg<br />
Scherzer (der Jüngere, 1811 bis nach 1859) und Josef Leonhard Scherzer (1813–1845) verpachtet.<br />
Johann Georg jun. trennte sich schon 1837 geschäftlich von seinem Bruder; der<br />
Vater übernahm dann den Betrieb wieder selbst und verpachtete ihn schließlich 1843. Der<br />
erste Ball, den die Gebrüder Scherzer jun. ankündigten, war eine Ball-Soirée am 2. März<br />
unter der Benennung „Das Fest der Isis beym Sperl“, „ein Ballräthsel, den Schönen Wiens<br />
zur Lösung dargeboten zum scheidenden Carneval 1835“. Die sehr umfangreiche Annonce,<br />
welche die Veranstalter aufgaben, war nicht ausreichend, um die „Inhaltsangabe des<br />
Ballräthsels zu fassen“. Das Fest sollte alle anderen des Karnevals bei Weitem übertreffen,<br />
Johann Strauss die Musik dirigieren, und der Ball war von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens<br />
geplant.<br />
114 Kapitel 3
Ob er überhaupt stattgefunden hat, ist fraglich, denn am gleichen Tag, um „drey Viertel<br />
auf Ein Uhr Morgens verschied seine k. k. Majestät, der Kaiser und König Franz der Erste“.<br />
Wenige Tage nach seinem 67. Geburtstag erkrankte er an „entzündlichem Fieber“ und starb<br />
binnen weniger Tage. Sollte der Ball im „Sperl“ stattgefunden haben, erhielt der Kaiser<br />
bereits die Letzte Ölung, während das Fest noch lief.<br />
Der letzte, für den Faschingdienstag im „Sperl“ angekündigte Fortuna-Ball und „Abschied<br />
vom Carneval des Jahres 1835“, wurde wahrscheinlich unabhängig von den Ereignissen<br />
im Kaiserhaus aus unbekannten Gründen schon früher abgesagt.<br />
Die Todesnachricht war der damaligen Zeit entsprechend nüchtern und umfasste in der<br />
„Wiener Zeitung“ vom 3. März gerade einmal fünf Zeilen, dann folgte bereits die Mitteilung<br />
über die ersten Amtshandlungen von „Se. k. k. apost. Majestät Ferdinand der Erste, unser<br />
jetzt regierender allergnädigster Herr“.<br />
Ferdinand erbte also die Kaiserwürde. „Symptomatisch für den starrsinnigen Konservatismus<br />
Franz’ und Metternichs in der Frage des ererbten Throns war, daß trotz Ferdinands<br />
offensichtlicher Regierungsunfähigkeit ein Wechsel in der Thronfolge nicht erwogen wurde,<br />
was der Auffassung vom Recht des Erstgeborenen entsprach“. 2<br />
Am 7. März wurde zunächst das Herz des Verstorbenen in der Loretto-Capelle der Augustiner<br />
Hofkirche beigesetzt, darauf die Eingeweide in der Gruft der Metropolitankirche<br />
St. Stephan und nachmittags schließlich der Leichnam in der Gruft der Capuziner-Kirche.<br />
Gegen Ende des Karnevals waren auch die Verleger noch weiter aktiv. In Erinnerung an<br />
die Auslandsreisen von Johann Strauss und Joseph Lanner erschienen Werke mit den Titeln<br />
„Strauss in Prag“, ein Walzer-Rondo von C. S. Hofmann in Prag und der Monument-Walzer<br />
„Abschied von Pesth“ von Joseph Lanner mit einer Widmung an eine Frau Apollonia<br />
Belezney bei Pietro Mechetti qm Carlo.<br />
Tobias Haslinger zeigte am 2. März noch das Opus 78, die „Erinnerung an Berlin“ an,<br />
dann war Trauer- und Fastenzeit zugleich.<br />
Am Tag nach seinem 31. Geburtstag wurde Johann Strauss zum sechsten Male Vater. Im<br />
Hirschenhaus kam am 15. März der jüngste Sohn Eduard zur Welt und wurde am gleichen<br />
Tag in der Josephskirche in der Praterstraße, getauft. Taufpate war Ferdinand Dommayer.<br />
Bereits wenige Wochen später, am 18. Mai, wurde Johann Strauss zum siebenten Male Vater.<br />
Die erste Tochter aus seiner Beziehung mit Emilie Trambusch, welche ebenfalls auf den<br />
Namen Emilie getauft wurde, war das erste von acht Kindern, die er mit seiner Geliebten<br />
zeugte. Sie kam im Haus Stadt 555 (heute Tuchlauben 16) zur Welt. Ihr Pate war der aus<br />
St. Pölten stammende „Rechnungsoffizial der K.K. Hofkriegsbuchhaltung“ Joseph Berger,<br />
der als Wohnungsnachbar der Familie Strauss im Hirschenhaus offenbar mit Johann Strauss<br />
befreundet war.<br />
Erst ab dem 17. April dachte man in Wien wieder an Vergnügen und Unterhaltung. Die<br />
Herren Gerike und Wagner, die immer noch keinen Käufer für das „Tivoli“ gefunden hatten,<br />
kündigten dessen Eröffnung für den 20. April an. Allerdings führte Capellmeister Nemetz<br />
die Musik aus. Die „persönliche Direktion des Herrn Musikdirector Strauss“ wurde erst für<br />
den 23. April angekündigt.<br />
2 https://de.metapedia.org/wiki/Franz_II._(HRR)<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
115
Ferdinand Dommayer zeigte am 18. April an, dass „bey den Nachmittags-Conversationen<br />
an jedem Sonn- und Feyertag, so wie auch bey den beliebten Sommerabend-Reunionen<br />
an jedem Donnerstag, welche im Monat May beginnen, wie früher Herr Johann Strauss<br />
jedesmahl sein rühmlich bekanntes stets Heiterkeit erwirkendes Orchester persönlich dirigieren<br />
wird“.<br />
Wenn man der „Wiener Zeitung“ glauben kann, leitete der Meister am 26. April persönlich<br />
die Musik bei der Nachmittags-Unterhaltung in „Dommayer’s Casino“, während<br />
„das bekannte große Orchester des Herrn Musikdirector Johann Strauss unter Leitung des<br />
Herrn Jegg, selbst bei ungünstiger Witterung“ bei der ersten Eröffnung des „Tivoli“ „die<br />
neuesten und beliebtesten Compositionen vortrug“. Für den 30. April wurde dann auch für<br />
die Nachmittags-Unterhaltung im „Tivoli“ die persönliche Leitung durch Johann Strauss<br />
angekündigt.<br />
Eine Reihe von Souvenir-Bällen im Saale „Zum goldenen Strauß“ in der Josephstadt im<br />
Theatergebäude, von der nur der achte und letzte Ball annonciert wurde und bei dem Johann<br />
Strauss die Musik dirigierte, endete am 29. April. Über die vorherigen sieben Bälle gibt es<br />
keine Informationen.<br />
Der Gastgeber in den Sälen des „k. k. Augartens“ veranstaltete am 1. Mai wieder eine<br />
Morgen-Unterhaltung. Die Anzeige besagt, dass „der Gefertigte glaubt, für diesen Tag alles<br />
aufgeboten zu haben, was die Ausführung dieses neuerlichen Unternehmens verschönern<br />
Abb. 7 Abb. 8<br />
kann. Es wird nämlich Herr Johann Strauss von 9 Uhr Morgens bis 1 Uhr Mittags und von 2<br />
Uhr bis 4 Uhr Nachmittags im großen Saale dirigieren“. Ab 5. Mai folgten im „k. k. Augarten“<br />
auch regelmäßig Nachmittags-Unterhaltungen, immer dienstags ab 4 Uhr. Am 2. Mai<br />
zeigte Tobias Haslinger das Opus 79, den Walzer „Gedankenstriche“ von Strauss, erstmals<br />
in der „Wiener Zeitung“ an.<br />
Donnerstags und sonntags war die Strauss-Kapelle also sowohl im „Tivoli“ als auch<br />
in „Dommayer’s Casino“ tätig, wobei Herr Jegg immer wieder als Leiter des Orchesters<br />
116 Kapitel 3
genannt wurde. Ab dem 8. Mai kamen dann auch noch im Speise- und Promenade-Garten<br />
„Zur goldenen Birn“ auf der Landstraße Nr. 63, und zwar freitags und montags, Reunionen<br />
hinzu. An Sonn- und Feiertagen spielte dort Andreas Nemetz. Auch am 19. Mai, dem Tag<br />
nach der Geburt der unehelichen Tochter Emilie von Emilie Trambusch und Johann Strauss,<br />
leitete Herr Jegg im „k. k. Augarten“ die Musik.<br />
Johann Strauss selbst dirigierte derweil bei den Festen im „Tivoli“. Am 19. Mai, zur Eröffnung<br />
des „Tivoli“, fand eine Nachfeier des Namensfestes der Erzherzogin Sophie statt.<br />
Das Fest war offenbar ursprünglich am 14. Mai unter dem Titel „Champs Elysées der Wiener<br />
oder „Tivoli“ im Brautschmucke“ geplant.<br />
Bei dem wohltätigen Blumenfest am 20. Mai in den Gärten und Sälen „Zum Sperl“ ließ<br />
Strauss die „lebensvollen Töne seiner Walzer erklingen“. Ferdinand Dommayer kündigte<br />
Johann Strauss in großen Anzeigen als Dirigent bei den Reunionen an, die am 21. Mai begannen.<br />
Am 31. Mai wurde im „Tivoli“ das Namensfest von Kaiser Ferdinand gefeiert.<br />
Das erste große Fest des Sommers fand am 15. Juni statt. Es war die Eröffnung des neu<br />
erbauten Saales in der „Goldenen Birn“. In der ersten Abteilung spielte das Regiments-<br />
Musikcorps unter Andreas Nemetz im Garten und Johann Strauss von 7 bis 9 Uhr abends<br />
im vorderen Rondeau; in der 2. Abteilung dirigierte Johann Strauss die Musik zu einem<br />
glänzenden Ballfest im neu erbauten Saal und führte dabei sein Opus 80 erstmals auf. Das<br />
Werk wurde mit dem Titel „Huldigungs-Tänze“ angekündigt, bekam aber dann den Namen<br />
„Huldigungs-Walzer“. Der Ball begann um 9 Uhr abends und endete um 4 Uhr früh. Der<br />
Titel des Walzers stand für die Kaiserkrönung, die Übernahme des Erbes von Kaiser Franz<br />
durch Kaiser Ferdinand am 14. Juni, dem Tag der Erbhuldigung des Erzherzogtums Österreich<br />
unter der Enns, symbolisch durch die Übergabe des Herzogshutes, der an diesem Tag<br />
von Klosterneuburg nach Wien gebracht wurde.<br />
Über die Sommermonate war die Strauss-Kapelle täglich engagiert, und zwar montags<br />
bei Reunionen in der „Goldenen Birn“, dienstags bei Nachmittags-Unterhaltung im „k.<br />
k. Augarten“, mittwochs und samstags bei Sommer-Assemblées im „Sperl“, donnerstags<br />
Abb. 9<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
117
ei Nachmittags-Unterhaltungen im „Tivoli“ und bei Abend-Reunionen in „Dommayer’s<br />
Casino“, freitags bei Reunionen der „Goldenen Birn“ und sonntags bei Nachmittags-<br />
Unterhaltungen im „Tivoli“ unter der Leitung von G. Jegg und bei Abend-Reunionen in<br />
„Dommayer’s Casino“.<br />
Das nächste Fest, welches Johann Strauss zu seinem Vorteil veranstaltete, war „Das<br />
Grazien-Fest im Reiche des Phöbus“, das am 25. Juni in „Dommayer’s Casino“ in Hietzing<br />
stattfinden sollte und für das Strauss sein Opus 81, den Walzer „Grazien-Tänze“, komponiert<br />
hatte. Das Fest musste zwei Mal abgesagt werden und fand schließlich erst am 7. Juli<br />
statt. Es musste, auf vielseitiges Verlangen, am 12. Juli wiederholt werden, denn auch am 7.<br />
wurde der Ablauf durch Regen gestört und der Wind zerstörte Teile der Dekoration. Trotzdem<br />
hielt Kapellmeister Nemetz im Garten durch.<br />
Der neue Walzer war Melanie Fürstin Metternich- Winneburg, geborene Gräfin Zichy-<br />
Ferraris, der dritten Frau des Fürsten Klemens Wenzel Graf (seit 1813 Fürst) von Metternich-<br />
Winneburg zu Beilstein, gewidmet. Er war ab 1809 Außenminister und stieg ab 1813<br />
zu einem der führenden Staatsmänner in Europa auf. Vor allem auf dem Wiener Kongress<br />
spielte er eine führende Rolle bei der politischen und territorialen Neuordnung Europas im<br />
Sinne eines Gleichgewichts der Mächte.<br />
Schon am Tag nach der Wiederholung des „Grazien-Festes“ in Hietzing veranstaltete<br />
Johann Strauss ein weiteres großes Fest im „k. k. Augarten“, in jenem Jahr eine außerordentliche<br />
Sommer-Assemblée unter dem Titel „Das Elfenfest in Oberon’s Zauber-Pallast“.<br />
Namensgeber für das Fest war Wielands Gedicht „Oberon, König der Elfen“. Getanzt wurde<br />
in beiden Sälen, das Rondeau und die große Promenaden-Allee wurden ebenfalls genutzt.<br />
Das nächste große Fest im „k. k. Augarten“ am 28. Juli veranstaltete Anton Hess „zur<br />
Feyer des Allerhöchsten Namensfestes Ihrer Majestät der Kaiserinn“ und nannte es „Turin<br />
im Doppelschimmer der Freude und des Lichtes“. Dafür wurden die gleichen Räumlichkeiten<br />
und zusätzlich eine Seiten-Allee benutzt. Das Strauss-Orchester wurde geteilt, einen Teil<br />
dirigierte Strauss selbst im großen Saal, im zweiten Saal dirigierte Georg Jegg. Ein Musikcorps<br />
spielte im Freien; den Abschluss bildete um 11 Uhr abends ein Feuerwerk.<br />
Der 26. Juli ist der Namenstag aller Annen. Johann Strauss wie auch die anderen Kapellmeister<br />
exekutierten überall in der Stadt und in den Vorstädten die Musik zu Annen-Festen<br />
oder veranstalteten Sommerfeste. Joseph Lanner nannte dasjenige zu seinem Benefize am<br />
28. Juli in „sämtlichen Lockalitäten zum guten Hirten unter den Weissgärbern“ in Anspielung<br />
auf die Namensgebung der Strauss'schen Feste „Das Glanzfest ohne Mythologie“.<br />
Der heute vergessene Anton Arbesser widmete Johann Strauss seinen Walzer „Weihe der<br />
Töne!“, der im Verlag A. Berka & Comp. erschien.<br />
Inzwischen fällte die niederösterreichische Landesregierung gemäß Sitzungsprotokoll<br />
vom 22. Juli das Urteil gegen Johann Strauss „wegen schwerer Polizey-Übertretungen“ bei<br />
illegalem Glücksspiel und leichtfertigem Umgang mit Feuerwerkskörpern.<br />
„Johann Strauss, 30 Jahre alt, in Wien gebürthig, katholisch, verheurathet, Vater von<br />
fünf Kindern, Musikdirector in der Leopoldstadt Nr. 314 wohnhaft, hat selbst eingestanden,<br />
am heiligen Abend und am Sylvesterabend 1833 beym Sperl Macao gespielt zu<br />
haben. Auch hat er bey dieser Gelegenheit eingestanden, am 18. September 1834 und<br />
auch früher im Gasthausgarten ,zum Sträussl‘, in dessen Nähe mehrere Schindeldächer<br />
118 Kapitel 3
sind, an der Oberlichte des Salons an einem vorspringenden Kupferdache acht Feuerwerkskörper<br />
angebracht zu haben, welche beim Losbrennen leuchteten. Es wird von ihm<br />
zur Entschuldigung angeführt, dass er glaubte, es sey hiedurch keine Feuersgefahr vorhanden.<br />
Als erschwerend kommt vor, dass hier zwey Übertrettungen zusammentreffen,<br />
als mildernd, dass er alles einbekannte und das erste Mal in Untersuchung ist. Er wurde<br />
daher auch zu 900 fl. Wiener Währung verurtheilt und nebst dem verbotenen Spiel auch<br />
einer feuersgefährlichen Handlung als schwere Polizey-Übertrettung für schuldig erkannt.“<br />
3<br />
Dies war eine beachtliche Strafe, ein Handwerker verdiente damals 8 bis 10 Gulden im Monat,<br />
bei 14 bis 16 Stunden täglicher Arbeit. Nach heutiger Kaufkraft waren es fast 19.000<br />
Euro!<br />
Am 3. August wollte Johann Strauss sein nächstes Fest, zugleich sein erstes im Garten<br />
und Saal „Zur goldenen Birn“, eine Sommer-Assemblée mit Ball, betitelt „Wiener Luft-Panorama<br />
oder Der Hain des Frohsinns“, veranstalten. Wegen ungünstiger Witterung fand das<br />
Fest erst am 10. August statt.<br />
Für diesen Anlass komponierte Strauss sein Opus 80, den „Philomelen–Walzer“, den er<br />
Louise Prinzessin von Wasa, geborene Prinzessin von Baden, widmete.<br />
Eine Woche später, am 17. August wiederholte der Eigentümer der „Goldenen Birn“ das<br />
Fest. Wieder ließ sich Strauss im Saale vernehmen.<br />
Auch das nächste Fest, welches Johann Strauss veranstaltete, fiel zunächst dem Wetter<br />
zum Opfer. Am 26. August war erneut eine große Assemblée mit Ball unter dem Titel „Der<br />
Kirchtag im Olymp“ geplant, und Veranstaltungsort waren „sämtliche Sommer- und Winter-<br />
Localitäten im Sperl“. Das Fest fand dann am 30. August, „unabänderlich (auch selbst bey<br />
ungünstiger Witterung)“ statt und Johann Strauss führte sein Opus 83, den Walzer mit dem<br />
zum Fest passenden Namen „Merkurs-Flügel“ erstmals auf.<br />
In dem ausführlichen Bericht am 30. August lobte die „Wiener-Theater-Zeitung“ Strauss<br />
ausdrücklich nicht nur für seine Musik, sondern sie zeichnete ihn auch als exzellenten Arrangeur<br />
aus.<br />
Am 1. September begab sich das neue Kaiserpaar von Schönbrunn aus auf eine sechswöchige<br />
Reise nach Teplitz, das heutige Teplice in Tschechien, wo ein Zusammentreffen<br />
mit dem russischen Zaren und dem preußischen König stattfand.<br />
Als das Kaiserpaar wieder in Wien angekommen war, befand sich Johann Strauss schon<br />
auf seiner nächsten Kunstreise. In jenem Jahr lagen die Reiseziele in Süddeutschland.<br />
Im September zog sich Johann Strauss nach und nach vom Tagesgeschäft zurück. Im<br />
„k. k. Augarten“ übernahm Carl Bendl mit seinem Orchester die Unterhaltungsmusik, in<br />
der „Goldenen Birn“ und im „Tivoli“ übernahm Georg Jegg die Leitung des Strauss'schen<br />
Orchesters, während in „Dommayer‘s Casino“ und im „Sperl“ der Chef noch bis zu seiner<br />
Abreise am 30. September persönlich erschien.<br />
Schon bei einem Fest am 15. September spielte im „Tivoli“ nur „das Orchester-Personale<br />
des Musik-Directors Hrn. Johann Strauss bei einem glänzenden Ballfest im Salon“.<br />
3 Sitzungsprotokoll der niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 1835, zitiert aus Jäger-<br />
Sunstenau Johann Strauss, Wien 1965, Seite 126.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
119
Johann Strauss soll beim Armen-Ball am 28. September beim „Dommayer“ zum letzten<br />
Mal vor seiner Abreise das Orchester dirigiert haben.<br />
Das in Wien zurückgebliebene Orchester-Personal war jedenfalls ausreichend groß, um<br />
sonntags sowohl in Hietzing in „Dommayer’s Casino“ bei den Nachmittags-Conversationen<br />
als auch auf der Landstraße „Zur goldenen Birn“ bei den öffentlichen Bällen aufzutreten.<br />
Georg Jegg und Franz Amon leiteten die Orchester. Franz Amon war Geiger im Orchester<br />
von Johann Strauss. Nach der Überlieferung müsste er zu jener Zeit 1835 bereits Geigenlehrer<br />
von Johann Strauss Sohn gewesen sein. Später soll er auch Josef das Geigenspiel<br />
beigebracht haben. Philipp Fahrbach war inzwischen aus der Strauss-Kapelle ausgeschieden<br />
und hatte ein eigenes Orchester gegründet, hat aber offenbar die anstehende Tournee nach<br />
Deutschland trotzdem mitgemacht, wie Berichte über ein angebliches Engagement-Angebot<br />
an Fahrbach vom Mainzer Stadttheater behaupten.<br />
Am 30. September brach also das Strauss'sche Orchester zu einer knapp dreimonatigen<br />
Konzerttournee durch Süddeutschland auf. Bis zur Rückkehr kurz vor Weihnachten besuchte<br />
es 19 Städte und trat bei 40 Konzerten und Bällen auf.<br />
Die Stationen der Auftritte waren:<br />
2. Oktober: Ankunft in München, wo gerade das 25. Oktoberfest abgehalten wurde, drei<br />
Konzerte und am 12. ein Ball im Saal der „Privatgesellschaft des Frohsinns“<br />
Passend dazu die Nachricht der Theaterzeitung vom 21. September:<br />
Abb. 10<br />
Am 10. Oktober wurde Strauss vor seinem Hotel in München eine militärische Serenade<br />
dargebracht.<br />
13. Oktober: Reise von München nach Augsburg, Quartier und Konzerte am 16. und 17.<br />
Oktober im Gasthof „Zur Goldenen Traube“.<br />
18. Oktober: Reise von Augsburg nach Ulm, Quartier und Konzert am 20. im Gasthof „Zum<br />
Goldenen Hirschen“.<br />
21. Oktober: Reise von Ulm nach Stuttgart, Gasthof „Zum Hirschen“. Am 24. und 27. zwei<br />
Konzerte im königlichen Redoutensaal, ein Konzert am 28. im „Gasthof Zum Waldhorn“ in<br />
Ludwigslust, ein Ball am 29. im Königsbad „Zum Großen Mann“ vor dem Cannstätter Tor<br />
und am 31. ein Hofball im Neuen Schloß.<br />
1. November: Reise von Stuttgart nach Heilbronn. Quartier und Konzert im Gasthof „Zum<br />
Falken am Marktplatz“ (nach anderen Berichten wurde vor Heilbronn auch Ludwigsburg<br />
besucht).<br />
3. November: Reise von Heilbronn nach Carlsruhe (nach damaliger Schreibweise), Unterkunft<br />
und am 4. und 6. Konzerte im Gasthof „Zum Goldenen Kreuz“ in der Zähringerstraße.<br />
7. November: Reise von Carlsruhe nach Heidelberg. Quartier im „Badischem Hof“. Konzert<br />
am 8. im Museum auf dem Ludwigsplatz.<br />
120 Kapitel 3
9. November: Reise von Heidelberg nach Mannheim, Quartier im Gasthof „Zum Weißen<br />
Kreuz“, am 11. Konzert im Theatersaal.<br />
Über dieses Konzert ist überliefert, dass Johann Strauss mit 26 Musikern spielte und 800<br />
bis 900 Gulden einnahm. Die beiden Orchester in Wien hinzugerechnet, muss er zu jener<br />
Zeit also über rund 50 Musiker verfügt haben und für diese die zahlreichen Veranstaltungen<br />
organisiert haben. Zudem stand er fast jeden Tag, manchmal mittags und abends oder bis<br />
spät in die Nacht oder den frühen Morgen, vor den Musikern und dirigierte und führte sein<br />
Unternehmen. Wann war da noch Zeit zum Komponieren und Arrangieren? Noch dazu soll<br />
er in jener Zeit auch noch Tonsatz- und Kontrapunktklassen bei Ritter von Seyfried, einem<br />
Opern- und Orchesterkomponisten, genommen haben.<br />
12. November: Reise von Mannheim nach Mainz, Quartier im Gasthof „Zum Schützen am<br />
grünen Markt“. Konzert am 13. im Theatersaal.<br />
15. November: Reise von Mainz auf die andere Rheinseite nach Wiesbaden, Quartier und<br />
Konzert am 15. im Gasthof „Zum Goldenen Adler“.<br />
16. November: zurück nach Mainz, Konzert im Theatersaal.<br />
17. November: vielleicht Konzert in Darmstadt.<br />
18. November: Reise von Mainz nach Frankfurt, Quartier im Gasthof „Zum Weidenbusch“<br />
am Steinweg. Ein Konzert im Saal der Oranienburg am 20., ein Konzert im Saal des Gasthofs<br />
„Zum Weidenbusch“ am 22. und ein Ball im Harmoniegebäude am 23.<br />
Abb. 11<br />
„Der Weidenbusch“ in Frankfurt wird seit Anfang des 18. Jahrhunderts als Gasthof erwähnt,<br />
sein Aufstieg begann jedoch erst um 1770, als Johann Martin Mohr einen spätbarocken<br />
Neubau für 400 Logiergäste errichten ließ. Der große Speisesaal konnte über 1.000 Personen<br />
aufnehmen. Von 1832 bis 1860 diente er der Frankfurter Museumsgesellschaft als<br />
Konzertsaal.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
121
24. November: Reise von Frankfurt nach Hanau und ein Konzert im Gasthaussaal des Abram<br />
Fuchs in der Rossaugasse.<br />
25. November: Reise von Hanau nach Offenbach, Quartier „Hessischer Hof“ und Konzert<br />
im Theatersaal.<br />
26. November: Reise von Offenbach nach Darmstadt, Quartier Gasthof „Zur Traube“ am<br />
Luisenplatz und am 27. und 28. Konzerte ebenda, am 30. Ball im Casino.<br />
1. Dezember: Reise von Darmstadt nach Frankfurt, Quartier bis zum 5. Dezember wieder<br />
im Gasthof „Zum Weidenbusch“ am Steinweg, am 2. Ball ebenda, am 3. Konzert und Ball<br />
in Offenbach, am 4. Konzert im Saal „Zum goldenen Ross“.<br />
2012 wurde bei Sotheby’s in London ein besonderes Kleinod versteigert. Johann Strauss<br />
hat am 4. Dezember 1835 auf der Rückseite einer Speisenkarte des Gasthof „Zum Weidenbusch“<br />
einen Walzerteil niedergeschrieben, das Datum vermerkt und eigenhändig unterschrieben.<br />
Die Strauss-Forschung stellte fest,, dass die Komposition in keiner der bekannten<br />
musikalischen Quellen zum Werk von Johann Strauss Vater nachweisbar ist und das Kleinod<br />
daher eine Rarität ersten Ranges darstellt.<br />
Das Wiener Institut für Strauss-Forschung holte die Zustimmung des Besitzers ein, dass<br />
dieses einmalige Dokument hier abgebildet werden darf.<br />
Abb. 12<br />
Zu einem Konzert in Kassel kam es trotz der Einschaltung von Capellmeister Spohr und<br />
verlockenden Bedingungen bei dieser Reise nicht.<br />
5. Dezember: Reise von Frankfurt nach Heidelberg, Quartier im „Badischer Hof“, am 6.<br />
Ball im Saal des Museums.<br />
7. Dezember: Reise von Heidelberg nach Würzburg, Quartier „Fränkischer Hof“ in der<br />
Gralgasse, am 9. und 10. Konzerte im akademischen Musiksaal auf dem Paradeplatz.<br />
122 Kapitel 3
11. Dezember: Reise von Würzburg nach Nürnberg, Quartier „Gasthof Roter Hahn“ in der<br />
Königstraße, am 12. und 13. Konzerte im Saal „Zum goldenen Adler“, am 14. Ball im Saal<br />
des Museums.<br />
15. Dezember: Reise von Nürnberg nach Regensburg, Quartier im „Gasthof zum goldenen<br />
Kreuz“, am 17. Konzert im Theatersaal.<br />
18. Dezember: Reise von Regensburg nach Passau, Quartier im „Gasthof zum Hirsch“, am<br />
19. Konzert im Redoutensaal.<br />
20. Dezember: Reise von Passau nach Linz, Quartier im Gasthof „Zur goldenen Kanone“.<br />
Bei den Reiseberichten wird die damalige Schreibweise der Städte übernommen und z.B.<br />
Carlsruhe, Cöln und Coblenz geschrieben.<br />
Von Linz ging es ohne Veranstaltung direkt zurück nach Wien. Bei der Ankunft hatten<br />
die 26 Musiker mit ihrem Chef in 54 Tagen nicht nur rund 2.050 Kilometer Reise mit der<br />
Postkutsche hinter sich, sondern auch auf zwölf Bällen die Musik exekutiert und 27 Konzerte<br />
gegeben.<br />
Landkarte aus der Zeit der Reise der Strauss-Kapelle 1835.<br />
Abb. 13<br />
Die Auftrittsorte liegen im eingekreisten Gebiet.<br />
Am Tag der ersten Eisenbahnfahrt von Nürnberg nach Fürth am 7. Dezember war die Reisegruppe<br />
Strauss nicht weit entfernt in Würzburg und am 11. Dezember direkt am Ort des<br />
historischen Geschehens. Ob die Gruppe an den Feierlichkeiten teilnahm oder die Bahn<br />
benutzte, ist nicht bekannt.<br />
„Die 1835 von der privaten Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft in Nürnberg durch den<br />
Ingenieur Paul Camille von Denis erbaute Bayerische Ludwigsbahn wird als erste Eisenbahn<br />
in Deutschland angesehen, weil sie neuartige Dampfl okomotiven einsetzte. Sie wurde<br />
am 7. Dezember 1835 offiziell eröffnet, nachdem vorher bereits Probefahrten mit der<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
123
Lokomotive ,Adler‘ durchgeführt wurden. Der Engländer William Wilson führte diese erste<br />
Fahrt durch und war der erste Lokführer in Deutschland. In der zeitgenössischen Öffentlichkeit<br />
wurde die Fahrt mit einer Dampfl okomotive als Beginn einer neuen Epoche angesehen.<br />
Die Entscheidung der Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft für das englische System mit<br />
deren Schienenart und Spurweite, den Spurkränzen, Fahrzeugen und anderem hatte zudem<br />
normative Wirkung, da auch spätere deutsche Bahnen das offensichtlich betriebstaugliche<br />
System übernahmen“. 4<br />
Noch reiste man aber hauptsächlich mit der Post- oder Lohnkutsche.<br />
Während Strauss' Abwesenheit ereignete sich im herbstlichen Wien nicht allzu viel.<br />
Am 27. Oktober wurde die Erzherzogin Sophie von einer Tochter glücklich entbunden<br />
und beide befanden sich am 29. Oktober „mit Rücksicht auf die Umstände, bei erwünschtem<br />
Wohlseyn“. Die Tochter wurde auf den Namen Maria Anna Carolina getauft. Sie starb mit<br />
fünf Jahren im Jahr 1840 an Epilepsie.<br />
Am 13. November veröffentlichte Tobias Haslinger das Opus 82, den „Philomelen-Walzer“,<br />
sowie kurz darauf „ein wohlgetroffenes Portrait des Capellmeisters Johann Strauss,<br />
nach der Natur litographiert“, von Kriehuber.<br />
Abb. 14<br />
Johann Strauss Vater,<br />
Abb. 15<br />
Lithographie von Joseph Kriehuber, 1835.<br />
Am 22. November leitete Herr Amon das „Orchester-Personale des Herrn Johann Strauss“<br />
bei dem großen Katharinen-Ballfest „bey glänzender Beleuchtung in dem neu erbauten<br />
Saale ,Zur goldenen Birn‘ auf der Landstrasse“. Das Katharinen-Ballfest im „Sperl“ fand<br />
unter Leitung und zum Vorteile von Franz Ballin statt, dasjenige im „Apollosaal“ unter der<br />
Leitung Joseph Lanner, der auch abwechselnd mit Ballin im „k. k. Augarten“ spielte. Franz<br />
Morelly war im „Elysium“ tätig.<br />
4 https://www.geosystem-erde.de/unterricht/der-kulturelle-fortschritt-der-menschheit/erfindungen/neuzeit/<br />
eisenbahn/<br />
124 Kapitel 3
Es ist nicht bekannt, von wem die „3 Lieblings-Mazuren Ihrer Majestät der Kaiserinn<br />
von Rußland“ sind, die bei Tobias Haslinger ab 18. Dezember als „Andenken für Damen“<br />
zu kaufen waren, und wann und zu welchem Anlass Johann Strauss diese aufgeführt hat.<br />
Ende 1835 wurde Strauss bereits mit Paris in Verbindung gebracht. Das Theaterblatt<br />
schrieb am 9. Dezember: „Strauss wird in Paris erwartet“. Die französische Hauptstadt<br />
musste aber noch zwei Jahre auf Strauss und Strauss auf Paris warten.<br />
Abb. 16<br />
Im November begann schließlich auch das österreichische Eisenbahn-Zeitalter. Salomon<br />
Meyer Rothschild, der im April ein k. k. Privileg für die Errichtung einer dampfbetriebenen<br />
Eisenbahn von Bochnia in Galizien bis nach Wien beantragte und im Laufe des Jahres bewilligt<br />
bekam, legte 12.000 Aktien zu 1.000 Gulden auf, die schnell vergriffen waren: Das<br />
Startkapital für den Bau der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“. Der griechische Bankier Sina<br />
(er wird auch in musikalischer Hinsicht noch zu erwähnen sein – allerdings erst 1858 und<br />
1866) beantragte die Konzession für den Bau der Bahnstrecke von Wien zur Adria nach<br />
Triest, die spätere Südbahn.<br />
Mit der Vorankündigung eines Balls der Gesellschaft der Musikfreunde am 27. Januar<br />
1836 in den „k. k. Redoutensälen“ und dem dafür komponierten neuen Walzer „Heimaths-<br />
Klänge“ von Johann Strauss, Opus 84, endete das Jahr.<br />
Weitere Ereignisse 5<br />
Politik<br />
28. Juli: Am Jahrestag der Julirevolution verübte Joseph Fieschi ein Attentat auf Frankreichs<br />
König Louis-Philippe I. mittels einer Höllenmaschine. Der Regent wurde dabei leicht verletzt,<br />
doch 12 Personen aus seinem Gefolge starben.<br />
2. März: Thronwechsel im Kaisertum Österreich. Auf Franz I. folgte sein behinderter Sohn<br />
Ferdinand I. unter einem Regentschaftsrat.<br />
Wirtschaft<br />
28. Juni: Die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank wurde in München gegründet und<br />
ist damit die älteste deutsche Hypothekenbank auf Aktien.<br />
1. Juli: Carl Bertelsmann gründete in Gütersloh den C. Bertelsmann Verlag mit angeschlossener<br />
Druckerei, aus dem später der Medienkonzern Bertelsmann entstand.<br />
3. Oktober: Johann Sebastian Staedtler gründete in Nürnberg eine Fabrik, um holzgefaßte<br />
Stifte, vornehmlich Bleistifte, herzustellen.<br />
5 https://de.wikipedia.org/wiki/1835<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
125
Gesellschaft<br />
16. September: Die Zeitung „New York Sun“ räumte ein, dass ihre die Auflage steigernde<br />
Artikelserie über sensationelle Entdeckungen des Astronomen Sir John Herschel auf dem<br />
Mond ein Schwindel war. Als Great Moon Hoax ging diese Unwahrheit in die Geschichte<br />
der Zeitung ein.<br />
Verkehr<br />
1. Januar: Das erste Bahnbetriebswerk Deutschlands wurde eröffnet.<br />
5. Mai: In Belgien wurde die erste rein dampfbetriebene Eisenbahnlinie auf dem europäischen<br />
Kontinent zwischen Brüssel und Mecheln in Betrieb genommen.<br />
7. Dezember: Die Bayerische Ludwigsbahn nahm erstmals in Deutschland mit einer Lokomotive,<br />
dem „Adler“, den Verkehr zwischen Nürnberg und Fürth auf.<br />
25. Juli: Der Schotte James Bowman Lindsay führte in Dundee mittels einer Glühlampe<br />
erstmals öffentlich elektrisches Licht vor.<br />
Musik und Theater<br />
23. Februar: In Paris erfolgte die Uraufführung der Oper „La juive“ (Die Jüdin) von Jacques<br />
Fromental Halévy mit dem Libretto von Eugène Scribe. Von Giuseppe Verdi ebenso geschätzt<br />
wie von Richard Wagner, wurde die Oper zum Serienerfolg: Bis 1893 wurde sie<br />
allein an der Pariser Oper 550 Mal aufgeführt.<br />
30. Dezember: Am Teatro alla Scala in Mailand wurde Gaetano Donizettis lyrische Tragödie<br />
(Oper) „Maria Stuarda“ nach dem Drama „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller im Original<br />
uraufgeführt. Maria Malibran sang die Titelrolle, war jedoch indisponiert, was zum Misserfolg<br />
der Oper beitrug, die erst 123 Jahre später wiederentdeckt wurde.<br />
Katastrophen<br />
16. Dezember: In Downtown New York brach ein Großfeuer aus, das weite Teile der Stadt<br />
in Schutt und Asche legte. Wegen der großen Kälte, die die meisten Wasserressourcen zum<br />
Frieren gebracht hatte, war eine Bekämpfung des Feuers nahezu unmöglich. Wie durch ein<br />
Wunder kamen bei der Katastrophe nur zwei Menschen ums Leben.<br />
Geboren<br />
9. April: Leopold II., belgischer König († 1909).<br />
25. November: Andrew Carnegie, Industrieller, Stahlmagnat, damals reichster Mensch und<br />
Philanthrop († 1919).<br />
30. November: Mark Twain, US-amerikanischer Schriftsteller († 1910).<br />
1836<br />
Zu Beginn des Jahres veröffentlichte der Verleger Tobias Haslinger, der inzwischen in das<br />
Anwesen „am Graben, im Trattnern’schen Freyhofe Nr. 618“ übersiedelt war, neueste Tanzmusik<br />
für den „Carneval 1836“. Es erschienen auch die neuesten Werke von Johann Strauss,<br />
darunter die Erstausgabe des Opus 83, „Merkurs-Flügel“, mit dem Hinweis, dass „diese<br />
126 Kapitel 3
neuesten, so wie alle früher erschienenen Tänze von Johann Strauss auch in allen Buch- und<br />
Musikalienhandlungen der Österr. Monarchie zu haben sind“. Petro Mechetti veröffentlichte<br />
14 Werke von Joseph Lanner.<br />
Am 5. Januar luden die Gebrüder Scherzer zu ihrem ersten Fortuna-Ball am 7. Januar<br />
in den „Sälen zum Sperl““ ein und teilten mit, dass Johann Strauss „für diesen Carneval<br />
engagiert“ wurde, die Musik persönlich zu leiten. Die Fortuna-Bälle fanden bis zum 11.<br />
Februar jeden Donnerstag statt.<br />
In den neu erbauten Sälen „Zur goldenen Birn“ auf der Landstraße begannen die Fortuna-Bälle<br />
am 7. Januar und fanden ebenfalls donnerstags statt. „Das Orchester-Personale<br />
Johann Strauss unter Leitung des Herrn Georg Jegg“ führte dort die Musik beim ersten<br />
öffentlichen Ball am 10. Januar und bei den geschlossenen Ballfesten im gleichen Lokal<br />
immer mittwochs aus.<br />
Joseph Lanner war in den „mit Gas beleuchteten“ Sälen „Zum goldenen Strauß“ für<br />
den Karneval engagiert, außerdem war er in den „k. k. Redoutensälen“, im „Elysium“ und<br />
im „Apollosaal“ tätig, Carl Bendl im „k. k. Augarten“ und Franz Morelly im Saale „Zum<br />
goldenen Steg“, „Zum guten Hirten“, im neuen Brauhaus zu Gaudenzdorf und im Saal des<br />
Casinos am Neuen Markt.<br />
In der „Wiener Zeitung“ vom 14. Januar wurden auf einer Seite gleich fünf Bälle unter<br />
der Leitung von Johann Strauss annonciert. Der Fortuna-Ball am selben Tag, der Gesellschafts-Ball<br />
zum Besten der Armen im Pfarrbezirk Wieden zum Ankauf von Brennholz am<br />
18. Januar, der Gesellschafts-Ball zum Besten des Armen-Versorgungshauses der Leopoldstadt<br />
und Jägerzeile am 19. Januar, auf dem Johann Strauss persönlich in beiden Sälen seine<br />
neuesten Walzer zur Aufführung brachte, der „geschlossene Gesellschaftsball zum Besten<br />
der unter der hohen Protection Sr. Kaiserl Hoheit des durchlauchtigsten Prinzen und Herrn<br />
Erzherzogs Franz Carl stehenden Versorgungs-Anstalt für Blinde“ am 26. Januar, alle im<br />
„Sperl“, und der große Gesellschafts-Ball am 20. Januar in den Sälen von „Dommayer’s<br />
Casino“.<br />
Der Gesellschaftsball des Herrn Julius La Roche, den dieser am 13. Januar in den beliebten<br />
„Lokalitäten zur goldenen Birn“ auf der Landstraße veranstaltete, wurde nur in der<br />
„Theaterzeitung“ angekündigt, genau wie die beiden Gesellschaftsbälle des Herrn Karl<br />
Schwarz am 20. Januar und am 5. Februar im „Sperl“, bei denen „auf Wunsch mehrerer<br />
resp. Teilnehmer der früheren Bälle des Herrn Schwarz nur in dem oberen Saal allein getanzt“<br />
wurde. Bei allen drei Bällen leitete Johann Strauss das Orchester.<br />
Um Mitte Januar leitete Johann Strauss auch die Musik beim Ball der akademischen<br />
Künstler im Saal „Zur Birn“ auf der Landstraße. Im gleichen Lokal fand am 25. Januar auch<br />
ein Harmonie-Fest statt, dem „die Gegenwart des Carnevals-Genius Strauss einen besonderen<br />
Reiz gewährte“.<br />
Am 27. Januar fand der bereits routinemäßig von Johann Strauss geleitete geschlossene<br />
Ball der Gesellschaft der Musikfreunde in beiden „k. k. Redoutensälen“ statt, zu dem Johann<br />
Strauss sein Opus 84, den Walzer „Heimath-Klänge“, „vorzutragen die Ehre haben<br />
wird“. Joseph Lanners Kompositionen waren inzwischen auf die Opus-Zahl 100 angewachsen.<br />
Sein 100. Werk „Die Schwimmer“ erschien am 5. Februar.<br />
Eine Reihe von Flora-Bällen begann mit dem 1. Februar in „Dommayer’s Casino“. In<br />
einer überschwänglichen Annonce pries Ferdinand Dommayer seinen Ball an. „Terpsichore<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
127
wird durch ihren Auserwählten Herrn Capellmeister Johann Strauss und durch den Tanzdichter<br />
Herrn Stempfl die Tanzweise dirigieren und den Ball um 8 Uhr abends eröffnen“.<br />
Auf einem „geschlossenen Ball zum Besten der durch Wassernot leidenden“ dirigierte<br />
Strauss am 8. Februar die Musik im „Sperl“ kostenlos. Die Gebrüder Scherzer stellten ihr<br />
herrliches Lokal ebenfalls kostenlos zur Verfügung.<br />
Bei seinem Ball am 10. Februar mit dem Titel „Der Fasching zu ebener Erde und im<br />
ersten Stock“ in den „Sälen zum Sperl“ und, wie der Titel sagt, in dessen oberen und unteren<br />
Sälen – wobei das Motto eigentlich von Nestroys Lokal-Gemälde mit demselben Titel entnommen<br />
war – griff Johann Strauss auf Bewährtes zurück. Neben der Uraufführung eines<br />
neuen Werkes, seines Opus 87, „Erinnerungen an Deutschland“, verteilte er nämlich in der<br />
Ruhestunde 100 Exemplare des vorletzten Walzers „Heimath-Klänge“, welche bis dahin<br />
noch nicht erschienen waren, „um den anwesenden Damen dieses Ballfest länger in Erinnerung<br />
zu halten“.<br />
Allerdings waren die „Heimath-Klänge“ der letzte Walzer vor den „Erinnerungen an<br />
Deutschland“. Dazwischen lagen nur die beiden Werke „Reise-Galopp“ und „Ballnacht-<br />
Galopp“, Opus 85 und Opus 86.<br />
Ferdinand Dommayer veranstaltete noch zwei weitere Flora-Bälle, die er mit den gleichen<br />
Riesen-Annoncen ankündigte, die Gebrüder Scherzer noch eine „Carnevals-Belustigung<br />
mit Ball“ unter der Benennung „Das Blumen-Devisen-Fest oder Fortuna im Rosenschmucke“<br />
am Rosenmontag, während Georg Jegg das letzte, besonders dekorierte Ballfest<br />
„Die Birne in der Birne“ leitete, dann war der kurze Karneval am Dienstag, dem 16. Februar,<br />
auch schon vorüber.<br />
Am 22. Februar wurde in der „Wiener Zeitung“ bekannt gemacht, dass über das Vermögen<br />
des Catejan Hruschowsky, Ritter von Hruschowa, der Konkurs eröffnet wurde und<br />
dass die Zwangsversteigerung über das ihm gehörende Theater an der Wien, nebst Nebengebäude<br />
und Haus-, Bau- und Feuerlöschrequisiten, alles zusammen mit einem gerichtlich<br />
geschätzten Wert von 182.000 Gulden, angeordnet wurde. Am 15. März war der erste Termin<br />
und am 15. April im zweiten Termin die „bewilligte Feilbietung“.<br />
Am 5. März wurde „das Programm über die Bildung einer Actien-Gesellschaft zur Ausführung<br />
der Eisenbahn von Wien nach Bochnia in Galizien“ publiziert. Kaiser Ferdinand<br />
räumte dem „Banquier-Haus S. M. Freyherrn von Rothschild ein ausschliessliches Privilegium<br />
der 60 Deutsche Meilen langen Eisenbahn ein“. Es wurden 12.000 Aktien zu 1.000<br />
Gulden mit 4 % garantierter Verzinsung ausgegeben.<br />
Joseph Lanner und Johann Strauss wurden am 25. Februar gemeinsam in das alte Rathaus<br />
der Stadt Wien eingeladen, wo ihnen das Bürgerrecht verliehen wurde und sie den<br />
Bürgereid ablegten. Dies festigte die soziale und gesellschaftliche Stellung der Ausgezeichneten<br />
erheblich, denn Bürgerrechtsverleihungen waren damals recht selten.<br />
Am selben Tag wurde das sogenannte „Helenenthal in den Sälen zum Sperl“ eröffnet.<br />
Der unermüdliche Strauss und die Eigentümer boten alles auf, um „die sehr gewählte Versammlung<br />
auf das angenehmste zu unterhalten“.<br />
Die bürgerlichen Gastgeber „Zur goldenen Birn“, in den Sälen „Zum Sperl“ und in<br />
„Dommayer’s Casino“ luden unterdessen „einen hohen Adel und das verehrte Publikum“<br />
zum Souper im Blumenhain, zum Souper im Helenenthal oder einfach zum Diner und zur<br />
Nachmittags-Conversation ein.<br />
128 Kapitel 3
Musikalische Unterhaltungen waren über die Fastenzeit verboten oder wurden zumindest<br />
nicht öffentlich angekündigt und beworben. Pünktlich am Ostermontag starteten diese<br />
wieder, angefangen mit der ersten „Conversation“ am 4. April in „Dommayer’s Casino“, wo<br />
ab 3 Uhr Johann Strauss persönlich die Musik leitete.<br />
Tobias Haslinger zeigte am 5. April „Sämmtliche Compositionen für das Pianoforte von<br />
Johann Strauss, durchaus neu auf Zinn-, Kupfer- und Stahlplatten gestochen, und auf schönem<br />
Notendruckpapier abgedruckt“ an. Alle Walzer und Galoppen, sowie Potpourris von<br />
Opus 1 bis Opus 86 und alle vier Wiener-Bürger-Märsche. Tobias Haslinger publizierte<br />
die Kompositionen von Johann Strauss werbewirksamer als z. B. Mechetti die von Joseph<br />
Lanner.<br />
Abb. 17<br />
Im Sommer zeigte Haslinger die beiden Galoppen von Strauss noch einmal zusammen mit<br />
anderen Galoppen von Strauss-Gefährten an. Darunter waren Werke des Orchestermitglieds<br />
Georg Jegg, von Philipp Fahrbach, der sich gerade selbstständig gemacht hatte, und von<br />
Carl Friedrich Hirsch, dem Illuminations-Fachmann und persönlichen Freund Strauss‘.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
129
Am 7. April war dann bereits die vorletzte Eröffnung und am 10. April die letzte Eröffnung<br />
des „Helenenthals im Sperl“, bei dem Johann Strauss die Musik dirigierte. Es waren<br />
auch die einzigen in der „Wiener Zeitung“ angekündigten Veranstaltungen dieser Art.<br />
Die erste Anzeige über Veranstaltungen, bei denen Philipp Fahrbach die Musik als selbständiger<br />
„Musik-Director“ dirigierte, stammt vom 16. April. Fahrbach hatte ein Engagement,<br />
„an allen erlaubten Sonntagen […] in dem neu decorierten Saale zum Schaf“ ab dem<br />
17. April „gesellschaftliche Tanzunterhaltungen“ zu leiten.<br />
Das am 19. April erstmals angekündigte Opus 87, der Walzer „Erinnerung an Deutschland“,<br />
war in acht Variationen bei Tobias Haslinger und in 16 weiteren Musikalienhandlungen<br />
der österreichischen Monarchie, genauso wie alle früher erschienenen Walzer von<br />
Strauss, zu haben.<br />
Abb. 18<br />
Das Titelblatt zeigt eine Karte mit den Stationen der Reise der Strauss-Kapelle im Vorjahr<br />
durch Süddeutschland, einschließlich Prag und Wien.<br />
Bereits 1835, bei der Ausgabe der „Erinnerung an Berlin“ und auch bei der Ausgabe<br />
von „Erinnerung an Deutschland“, Opus 78 und 87, ließ Tobias Haslinger eine von Johann<br />
Strauss unterzeichnete Erklärung auf der letzten Seite abdrucken und die Echtheit dieser<br />
vom „Magistrate der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien“, vom „niederösterreichischen<br />
Landespräsidium“ und von der „k. k. geheimen Hof- und Staatskanzley“ mit folgendem<br />
Wortlaut bestätigen:<br />
„Unterzeichneter erkläret hiermit für sich und seine Erben, daß er seine Compositionen<br />
laut bestehenden Conctractes als ein ausschließliches rechtmässiges Eigenthum der k. k.<br />
Hof- und priv. Kunst- und Musikalienhandlung des Herrn Tobias Haslinger in Wien abgetreten<br />
und überlassen habe und dass daher alle anderweitigen wo immer geschehenen<br />
130 Kapitel 3
oder noch geschehen könnenden Ausgaben und Arrangierungen besagter Compositionen<br />
nur als unrechtmäßige, eigenmächtige und gesetzwidrige Nachdrücke anzusehen<br />
sind.<br />
Johann Strauss, Kapellmeister<br />
Joseph Edelbauer, als Zeuge<br />
Wien, 15. Jänner 1835“<br />
Vom 30. April an wurde auf die vielfältigen Veranstaltungen der Sommersaison hingewiesen.<br />
Joseph Lanner war von Anton Heß für 1836 für den „k. k. Augarten“ sowie den „Großen<br />
Zeisig“ für die Abend-Unterhaltungen engagiert worden, Franz Morelly war für Reunionen<br />
im „Goldenen Vogel“ in Mariahilf, Franz Ballin im „Brauhaus-Garten“ bei B. Neuling auf<br />
der Landstraße und im „Blauen Stern“ in der Alservorstadt beschäftigt. Im „Apollo-Sommer-Saal“<br />
spielte Gebhard Mayer und im Sommer-Saal „Zum Schaf“ Philipp Fahrbach.<br />
Johann Strauss war im Speise- und Promenadegarten „Zur goldenen Birn“ für die Musik<br />
bei den „Reunionen alle Montag und Freitag“ engagiert, und zwar bei günstiger Witterung<br />
im Freien, bei ungünstiger Witterung in den Sälen. Er leitete weiterhin die Musik bei den<br />
Conversationen Sonntagnachmittag in „Dommayer’s Casino“ und mittwochs und samstags<br />
die Reunionen in den „Gärten und Sälen zum Sperl“.<br />
Das erste größere Fest der Sommersaison war das große Maifest mit Ball, benannt „Die<br />
Frühlings-Augenweide“ am 9. Mai „in den Localitäten zur goldenen Birn“, wo ab 7 Uhr<br />
abends Johann Strauss im Garten abwechselnd mit dem „Musik-Chorps Prinz Hessen-Homburg<br />
unter Andreas Nemetz die gewähltesten Musikstücke executierte“ und ab 9 Uhr im<br />
Saale bei einem großen Ball dirigierte. Die Hinweise „bei günstiger Witterung“ und die<br />
Veranstaltung, zumindest der Ball im Saal, widersprechen sich, daher ist auch nicht klar, ob<br />
das Fest stattfand. Jedenfalls wurde am 16. Mai ein weiteres Fest mit gleicher Bezeichnung<br />
und dem Titel-Zusatz „die feurige Rosenflur“ annonciert. Für jenes Fest wurde von Johann<br />
Strauss ein „Zephyren-Walzer“ angekündigt, dessen Existenz, zumindest unter diesem Titel,<br />
nicht bekannt ist. Am 16. Mai ist auch keine andere Uraufführung eines Werkes von Johann<br />
Strauss bekannt. Er hat dem Werk vielleicht einen neuen Namen verliehen und es existiert<br />
als so benanntes. Eine Zephyren-Quadrille existiert ohne Opus-Zahl, deren Uraufführung<br />
soll aber erst 1844 bei einem Fest zur Namensfeier der Kaiserin im „k. k. Volksgarten“ stattgefunden<br />
haben.<br />
Wahrscheinlich konnte das Fest am 16. Mai in der „Birn“ witterungsbedingt nicht stattfinden,<br />
es wurde jedenfalls ein weiteres Mal für den 23. Mai angekündigt und noch ein viertes<br />
Mal für den 13. Juni. Sollte dem Veranstalter mit dem Wetter so viel Pech widerfahren<br />
sein?<br />
Auch das für den 17. Mai angesetzte Blumen-Fest im „Sperl“ musste eingetretener Hindernisse<br />
wegen verschoben werden und fand am 31. statt.<br />
Der Belustigungsplatz „Das Tivoli am Grünenberg in Obermeidling“ hatte im sechsten<br />
Jahr des Bestehens mit J. Junge einen neuen Pächter gefunden und dieser kündigte an, am<br />
Sonntag, dem 29. Mai, das „allerhöchste Namensfest Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand“<br />
auf eine „großartige, des freudvollen Tages würdige Weise“ zu feiern. Die Nachmittagsmusik<br />
begann um 4 Uhr mit dem „großen Orchester des Hrn. Johann Strauss“ (der eigentlich<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
131
Sonntagnachmittag beim „Dommayer“ engagiert war), und einem „Militär Musikcorps“.<br />
Abends leitete der „Walzerorpheus“ Strauss die Musik bei einem glänzenden Ballfest<br />
ab 9 Uhr.<br />
Ab dem 19. Mai kamen in „Dommayer’s Casino“ noch an jedem Donnerstag große<br />
musikalische Soiréen in den Kalender von Johann Strauss, der somit folgendermaßen<br />
aussah:<br />
Montag und Freitag: Reunion bei der „Goldenen Birn“, Mittwoch und Samstag: Reunion<br />
im „Sperl“, Donnerstag: Große musikalische Soiréen in „Dommayer’s Casino“<br />
und Sonntag: Nachmittags-Conversationen ebenda.<br />
Ende Mai wurde Johann Strauss erneut Vater. Nur zehn Tage nach dem 1. Geburtstag<br />
der ersten Tochter aus der Liaison mit Emilie Trambusch kam am 28. Mai Sohn Johann<br />
Trambusch zur Welt. Es ist nicht viel über ihn bekannt. Er wurde ebenfalls im Haus<br />
Tuchlauben 555 geboren und am Tag nach seiner Geburt am 29. Mai 1836 in der Peterskirche<br />
auf den vollen Namen Johann Wilhelm getauft.<br />
Abb. 19<br />
Am 4. Juni leitete Strauss die Instrumentalmusik bei einem Fest im Schloß zu Laxenburg,<br />
bei dem die Herzöge von Orléans und Nemours anwesend waren und von denen<br />
Johann Strauss einen wertvollen Brillantring zum Geschenk erhielt.<br />
Am 8. Juni leitete Strauss die Musik bei einem Blumenfest in den „Sälen und Gärten<br />
beim Sperl“ und am 14. Juni bei einem Fest, welches erneut unter dem Titel „Frühlings-<br />
Augenweide, oder feurige Rosenflur“ stand und in den „geräumigen Localitäten „Zur<br />
goldenen Birn“ stattfand, wo er sich zunächst in der vorderen Partie des Gartens befand<br />
und „um 9 Uhr in den großen Saal verfügte, wo seine Walzer bald eine Menge tanzbefl issener<br />
Paare in Bewegung setzten“.<br />
132 Kapitel 3
Im Jahr 1835 behauptete Richard E. Locke, Journalist der „New York Sun“, der bekannte<br />
britische Astronom Sir John Herschel habe Leben auf dem Mond entdeckt. Flora<br />
und Fauna enthielten Fledermaus-Menschen, Mond-Mädchen (mit Lunar-Mottenflügeln),<br />
Mondbisons und andere extravagante Lebensformen. Locke schlug darum eine<br />
Expedition zum Mond mit einem von Wasserstoffballons getragenen Schiff vor.<br />
Auf diese neuesten „mährchenhaften Entdeckungen im Monde“ spielte Johann<br />
Strauss wohl in der Ankündigung der Sommer-Assemblée mit dem Titel „Der Ball im<br />
Monde“ zu seinem Vorteil am 21. Juni in „Dommayer’s Casino“ an.<br />
Den Walzer „Die Nachtwandler“, Opus 88, den er für jenen Abend komponierte,<br />
widmete er Freiherr Nikolaus von Meinau. Auch dieses Fest konnte am geplanten Tag<br />
nicht stattfinden und musste um zwei Tage verschoben werden. Am 7. Juli veranstaltete<br />
Ferdinand Dommayer eine große Soirée mit Ball mit zwei Musik-Kapellen.<br />
Für seine „Außerordentliche Assemblée mit Ball“ unter dem Titel „Buntes aus der<br />
Zeit“, „bey günstiger Witterung in dem Hotel (!) und Park zur goldenen Birn“ am 11. Juli<br />
plante Strauss die Uraufführung seines „Eisenbahn-Lust-Walzers“, Opus 89, eine Huldigung<br />
auf das neue Transportmittel, welches er in der Zukunft noch sehr intensiv nutzen<br />
sollte.<br />
Damit reagierte er diesmal etwas später als Joseph Lanner auf den Fortschritt der Zeit.<br />
Die Assemblée fand schließlich am 18. Juli statt und wurde am 26. Juli, am „allerhöchsten<br />
Namensfeste Ihrer Majestät der Kaiserin“, dem Annentag, wiederholt.<br />
Von Mitte August an zog sich Johann Strauss von den täglichen Reunionen, Soiréen,<br />
Conversationen und Assemblées in Wien zurück und bereitete sich auf die nächste Reise<br />
vor. Im „Sperl“ übernahm Joseph Lanner ab dem 13. August die Musik bei den Reunionen<br />
mittwochs, welche dann auch Sommer-Assemblées genannt wurden.<br />
Strauss wollte zum Abschluss der Sommersaison noch eine Assemblée in der „Goldenen<br />
Birn“ veranstalten und wählte dafür den Titel „Wien oder das humoristische Lebensbild“<br />
und als Datum den 15. August. Erneut war ihm die Witterung nicht hold und<br />
es blieb bei einem nicht überaus zahlreich besuchten, aber sehr animierten Ball, das Fest<br />
wurde auf den 22. August verschoben. Dabei führte er sein Opus 90, den „Jugendfeuer-<br />
Galopp“, erstmals auf.<br />
„Einem vielseitig ausgesprochenen Wunsche zufolge“ plante Strauss das Fest am<br />
29. August zu wiederholen und teilte mit, dass er an jenem Abend zum letzten Mal vor<br />
seiner Abreise dirigieren würde. Aber auch die Wiederholung musste verschoben werden<br />
und fand am 31. August statt; dann reiste Strauss ab.<br />
Abb. 20<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
133
In „Dommayer’s Casino“ übernahm Andreas Nemetz die Musik, das Orchester-Personal<br />
des Herrn Johann Strauss wurde in der „Goldenen Birn“ einstweilen von Franz Ballin geleitet.<br />
Johann Strauss stattete seinen Dank in einer Annonce in der „Wiener Zeitung“ „dem<br />
hohen Adel und dem geehrten Publicum“ ab und kündigte seine Rückkehr für Ende Dezember<br />
an.<br />
Abb. 21<br />
Kaum war Strauss abgereist, erschütterte ein tragisches Ereignis Wien: Ferdinand Raimund<br />
wurde von einem von ihm irrtümlicherweise für tollwütig gehaltenen Hund gebissen, worauf<br />
er versuchte, sich in der Nacht vom 29. auf den 30. August 1836 zu erschießen. Am<br />
5. September 1836 erlag er schließlich im Alter von nur 46 Jahren seinen Verletzungen. Er<br />
liegt auf dem Bergfriedhof zu Gutenstein begraben.<br />
Raimund, eigentlich Ferdinand Jakob Raimann, wurde am 1. Juni 1790 in Wien geboren. Er<br />
war gemeinsam mit Johann Nestroy Hauptvertreter des Alt-Wiener Volkstheaters.<br />
Emilie Trambusch soll Johann Strauss auf seiner Tournee durch Deutschland begleitet<br />
haben. Sie hatte eine Tochter von gerade einmal einem Jahr und einen drei Monate alten<br />
Sohn. Die Angabe ist also sehr fraglich.<br />
Am 6. August berichtete die „Theaterzeitung“ über die geplante Reise und nannte bereits<br />
die Ziele Paris und London.<br />
Abb. 22<br />
Die Meldung „der Capellmeister Strauss ist mit seinem Orchester am 2. September bereits<br />
nach Prag abgereist“ erschien am gleichen Tag. Er reiste mit 29 Personen und mit „der<br />
rühmlich bekannten Dem. Zöhrer“, einer Tenoristin, die in Gesellschaft ihres Bruders reiste,<br />
„über Prag, Leipzig [ …] nach Hamburg, von da nach Amsterdam, Brüssel und Paris, und<br />
von Paris wahrscheinlich nach London“. Paris und London wurden jedoch im Jahr 1836<br />
noch nicht besucht.<br />
134 Kapitel 3
Abb. 23<br />
Die Stationen und Veranstaltungen auf der Deutschlandreise waren:<br />
3. September: Ankunft in Prag, Wohnung auf der Kleinseite am Dominikanerplatz im Grafischen<br />
Haus.<br />
4. und 12. September: Hofbälle in Prag.<br />
Am 7. September 1836 empfing Kaiser Ferdinand in Prag die Krone von Böhmen – es war<br />
dies das letzte Mal, dass ein Herrscher mit der Wenzelskrone gekrönt wurde, fünf Tage<br />
später folgte in Prag die Krönung der Kaiserin Maria Anna Carolina Pia zur Königin von<br />
Böhmen. Obwohl das Strauss-Orchester in Prag weilte, hat es beim Ball paré des Oberstburggrafen<br />
am 10. September nicht gespielt.<br />
Wer am 13. September beim großen Ball im deutschen und spanischen Saal die Musik<br />
geleitet hat, ist nicht bekannt. Bei Letzterem, so meldete die „Wiener Zeitung“, waren 3.500<br />
Personen anwesend und der Ball währte bis 3 Uhr morgens. Der Kaiser war durch Husten<br />
verhindert.<br />
Am Tag des Ball paré war Strauss'sche Reunion in einem Lokal „Baumgarten“ geplant.<br />
Weil die Damen um der Balltoilette willen nicht hätten erscheinen können, wurde sie abgesagt<br />
und auf den 11. festgesetzt. Es stand aber schon mittags fest, dass die Reunion der<br />
Feuchtigkeit im „Baumgarten“ wegen nicht stattfinden konnte.<br />
Abb. 24<br />
Weitere Stationen der Reise waren:<br />
15. September: Durchreise durch Dresden auf dem Weg nach Leipzig.<br />
16. September: Ankunft in Leipzig, Wohnung im Hotel de Pologne.<br />
17. September: Ball und Konzert im Festsaal des Hotel de Pologne.<br />
18. September: Reise von Leipzig nach Halle, Quartier und Konzert im Gasthof „Zum<br />
Kronprinzen“.<br />
19. September: Reise nach Magdeburg, Quartier im Gasthof „Zum Weißen Schwan am breiten<br />
Weg“.<br />
21. und 22. September: Konzerte in Magdeburg, Gasthof „Stadt London“.<br />
23. September: Reise nach Braunschweig und am 24. Konzert im „Deutschen Hof“ in der<br />
Neuen Straße.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
135
25. September: Reise nach Hannover, Quartier im „Britischen Hotel“ am Neustädter<br />
Markt.<br />
27. September: Konzert im „Ballhof-Saal“ vor 1.200 Personen.<br />
30. September: Reise nach Bremen, Quartier im „Lindenhof“ am Domplatz.<br />
1. Oktober: Konzert im Theatersaal in Bremen.<br />
Die Meldung über die Weiterreise über Hamburg nach London, welche die sonst gut informierte<br />
„Wiener Theater-Zeitung“ brachte, war wie bereits frühere Meldungen über Stationen<br />
der Reise und Daten unrichtig, soweit sie London betraf.<br />
2. Oktober: Ankunft in Hamburg, Wohnung im Hotel „Zum König von England“ am Neuen<br />
Wall.<br />
In Hamburg blieb Strauss zwei Wochen, spielte auf zehn Konzerten und Ballveranstaltungen,<br />
unter anderem:<br />
3. und 6. Oktober Konzerte im „Apollosaal“.<br />
5. Oktober: Konzert im Museumssaal.<br />
9. Oktober: Großer Ball im Hotel „Zur alten Stadt London“.<br />
10. und 14. Oktober: Privatkonzerte in „Ottensee außer Altona“.<br />
11., 13. und 15. Oktober: Konzerte im Stadttheater.<br />
12. Oktober: Ball im Museum in Altona.<br />
Angeblich soll Johann Strauss neben dem reichen Ertrag seiner Konzerte in Hamburg auch<br />
Spielglück gehabt haben. Die „Theaterzeitung“ zitiert aus der Breslauer Zeitung ein Privatschreiben,wonach<br />
der Walzer-Komponist ein Viertel des großen Loses mit 15.000<br />
Mark blanko gewonnen haben soll.<br />
17. Oktober: Ankunft in Oldenburg, Quartier im Hotel „Zum Erbprinzen“ und am. 18.<br />
Oktober Konzert im Theater.<br />
19. Oktober: Reise nach Bremen, Quartier im „Lindenhof“ am Domplatz.<br />
20. Oktober: Konzert im „Union Saal“.<br />
22. Oktober: Ball im „Saal der Erholung“.<br />
24. Oktober: Ankunft in Osnabrück, Quartier im Hotel „Zum krummen Ellbogen“.<br />
25. Oktober: Konzert im Theater.<br />
26. Oktober: Reise nach Münster, Quartier im Hotel „Zum König von England“ und Konzert<br />
im Theater.<br />
30. Oktober: Ankunft in Amsterdam, Quartier im „Rondel Logement“ in der Dael Straat.<br />
31. Oktober: Humoristische musikalische Soirée in Amsterdam, „Frascati in de Nes“.<br />
Der Damenstimmen-Imitator Stark sang die Gnaden-Arie der Isabella aus „Robert der<br />
Teufel“, dafür imitierte ein Fräulein Zöhrer eine Tenorstimme in der Arie des Georg aus<br />
„Die weiße Dame“.<br />
Danach folgten:<br />
136 Kapitel 3
1. und 3. November: Konzerte im „Frascati“-Saal.<br />
4. November: Reise von Amsterdam nach „Im Haag“, Quartier Hotel „Marschall du<br />
Turenne“.<br />
6. und 9. November: Konzerte im Saal „Deligentia“.<br />
7. November: Ball bei Prinz Wilhelm.<br />
10. November: Konzert im Konzertsaal in Leiden.<br />
12. November: Reise nach Rotterdam, Quartier im „Zew’sch Coffy Huis“, Hochstraat.<br />
13. November: Konzert im Musikvereinssaal.<br />
14. November: Ball im Theater.<br />
16. November: Fahrt nach Düsseldorf, Quartier im Gasthof „Zu den drei Reichskronen“ am<br />
Marktplatz in der Zollstraße.<br />
17. November: Konzert im Theater.<br />
18. November: Fahrt von Düsseldorf nach Elberfeld, wo die Ankunft um halb 5 erfolgte,<br />
abends Konzert im Casino, danach noch ein Auftritt im „Zwey Brücken Hof“ und Rückfahrt<br />
nach Düsseldorf um 12 Uhr, Quartier wieder im Gasthof „Zu den drei Reichskronen“.<br />
21. November: Konzert im Casino in Elberfeld.<br />
22. November: Konzert und Ball im „Bäckersaal“ an der Elberfelder Straße.<br />
23. November: Reise von Düsseldorf nach „Cöln“, Quartier im Hotel „Zum Hof von<br />
Holland“.<br />
24. und 26. November: Konzerte im Casino.<br />
27. November: Reise von „Cöln“ nach Aachen, Quartier im „Hotel du Grand Monarque“.<br />
28. November: Konzert in der Redoute.<br />
29. November: Reise nach Lüttich.<br />
30. November: keine Veranstaltung in Lüttich.<br />
Abb. 25<br />
1. Dezember: Reise von Lüttich nach Brüssel, Quartier im „Hotel Imperial“.<br />
2. Dezember: keine Veranstaltung.<br />
3. Dezember: Reise von Brüssel nach Antwerpen, Quartier im „Hotel d’Angleterre“ und<br />
Konzert im Saal der Philharmonie.<br />
4. Dezember: Rückreise nach Brüssel, wahrscheinlich wieder in das „Hotel Imperial“.<br />
6. Dezember: Konzert im „Großen Konzert Saal“.<br />
7. Dezember: Konzert im Saal der „Societé des Amateurs de Musique“.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
137
8. Dezember: Soirée im Palais Royal.<br />
9. Dezember: Konzert.<br />
10. Dezember: Konzert bei Herzog von Arenberg.<br />
12. Dezember: Subcriptions-Ball im „Vane Saal“.<br />
13. Dezember: Reise nach Lüttich.<br />
14. Dezember: Konzert im Saal der „Societé d’Erudition“.<br />
15. Dezember: Reise von Lüttich nach Aachen, Quartier im „Hotel du Grand Monarque“<br />
und Ball im Redoutensaal.<br />
16. Dezember: Reise nach Düren, Konzert im „Gasthof Zusman“.<br />
17. Dezember: Ankunft Bonn, Quartier „Trierscher Hof“.<br />
18. Dezember: Konzert im „Casino“.<br />
19. Dezember: Ball bei Baron Fürstenberg.<br />
20. Dezember: Reise von Bonn nach „Coblentz“, Quartier im „Hotel Bellevue“.<br />
21. Dezember: Konzert im „Jesuitensaal“.<br />
25. Dezember: Station in Regensburg, Quartier im Gasthof „Zum goldenen Kreuz“.<br />
26. Dezember: Konzert und Ball im Theatersaal Neuhaus.<br />
30. Dezember: Ankunft in Wien.<br />
Abb. 26<br />
Reiseroute 1836 – fast 3.500 Kilometer Wegstrecke.<br />
Das Strauss-Orchester legte während der Tournee eine Reisestrecke von rund 3.500 Kilometern<br />
zurück. Die Karte aus der damaligen Zeit zeigt die ungefähre Reiseroute.<br />
Wegen der unterlassenen Paris-Reise berichtete die „Theaterzeitung“: „Seine Reise zur<br />
Weltstadt Paris auszudehnen ward durch mehrere Ursachen vereitelt. Sein längerer Aufenthalt<br />
in einigen Städten (wie in Hamburg) nahmen die nöthige Zeit zu einem solchen Zuge<br />
weg, indeß die Jahreszeit eintrat, welche sowohl eine Wasserreise bedenklich machen, als,<br />
besonders mit so großem Personal die Reise zu Lande verhindern mußte“. Zu diesen äußerlichen<br />
Gründen gesellten sich noch die inneren Motive des gemütlichen Strauss, nämlich<br />
seine Sehnsucht nach dem lieben Wien. Was aber geschah in Wien in den knapp vier Monaten,<br />
in denen Strauss auf Tournee war?<br />
138 Kapitel 3
Das „Orchester des Musik-Directors Herrn Johann Strauss unter der Leitung des Herrn<br />
Franz Ballin“ sollte am 11. September bei einem außerordentlichen Fest unter dem Titel<br />
„Großes ungarisches Jahrmarkt-Fest“ im „Tivoli“ spielen. Auch dieses Fest fiel zunächst<br />
der Witterung zum Opfer und wurde am 15. September neu angesetzt. Vielleicht fiel es erneut<br />
aus, jedenfalls wurde es gleich für zwei Tage, nämlich für den 18. und den 19. September,<br />
noch einmal angekündigt. Auch in der „Goldenen Birn“ war das Orchester-Personal des<br />
Herr Johann Strauss unter Franz Ballins Leitung für öffentliche Bälle ab dem 18. September,<br />
jeweils sonntags, angekündigt. Vor den Bällen, die um 7 Uhr abends begannen, spielte das<br />
Strauss-Orchester auch die Musik bei den Conversationen in „Dommayer’s Casino“. Der<br />
Ball am 13. November in der „Birn“ fand zum Vorteil von Franz Ballin statt.<br />
Am 13. September zeigte Tobias Haslinger das Opus 88, die Walzer „Die Nachtwandler“,<br />
an und erklärte, dass diese Tänze nicht nach den Motiven aus der Oper „Die Nachtwandlerin<br />
(La Sonnambula) arrangiert wurden, sondern daß Johann Strauss selbe zu seiner<br />
Benefice in Dommayer’s Casino […] neu komponiert hat“. Am 26. Oktober folgte die<br />
Erstanzeige des Opus 89, des „Eisenbahn-Lust-Walzers“, sowie am 31. Oktober die eines<br />
Rondino über das Opus 88, betitelt „Die Nachtwandler“ von Theodor Döhler und über das<br />
Opus 89, betitelt „Eisenbahn-Rondo“ von Carl Haslinger im eigenen Verlag, und endlich<br />
das Opus 90, der „Jugendfeuer“-Galopp von Johann Strauss am 7. November.<br />
Auf dem Titelblatt des „Eisenbahn-Lust-Walzer“ ließ Haslinger einen damaligen Zug<br />
darstellen.<br />
Abb. 27<br />
Weitere Ereignisse 6<br />
Politik und Weltgeschehen<br />
2. März: Texas erklärte sich für unabhängig von Mexiko und erkämpfte sich am 21. April in<br />
der Schlacht von San Jacinto die Unabhängigkeit.<br />
6. Juni: Auf König Anton folgte im Königreich Sachsen sein Neffe Friedrich August.<br />
6 https://de.wikipedia.org/wiki/1836<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
139
Wirtschaft<br />
25. Februar: Samuel Colt erhielt das Patent für den Colt und produzierte in seiner Fabrik den<br />
ersten Trommelrevolver, das Modell „Texas“ mit 34 Kaliber.<br />
1. Juli: Die Bauarbeiten für den Ludwig-Donau-Main-Kanal begannen. Er sollte als europäischer<br />
Schiffsweg Main und Donau verbinden.<br />
Musik und Theater<br />
29. Februar: Uraufführung der Oper „Les Huguenots“ von Giacomo Meyerbeer an der<br />
Grand Opéra Paris.<br />
20. April: Die Stadt Busseto stellte den jungen Giuseppe Verdi als Musikdirektor ein.<br />
Der „Manövrier-Marsch“ wurde auf Auftrag des Hofkriegsrates von Militärkapellmeister<br />
Andreas Nemetz für die k. k. Armee komponiert.<br />
29. Juli: Der Pariser Arc de triomphe auf der Place de l’Étoile wurde feierlich fertiggestellt.<br />
25. Oktober: Der Obelisk von Luxor wurde auf der Place de la Concorde in Paris aufgestellt.<br />
Abb. 28<br />
Geboren<br />
25. Februar: Pauline Metternich, sie begründete einen literarischen Salon in Wien († 1921).<br />
26. März: Paul Carl Beiersdorf, deutscher Apotheker und Firmengründer († 1896).<br />
Gestorben<br />
6. Juni: Anton, König von Sachsen (* 1755).<br />
28. Juli: Nathan Mayer Rothschild, Bankier (* 1777).<br />
5. September: Ferdinand Raimund, österreichischer Dramatiker (* 1790).<br />
6. November: Karl X., letzter König von Frankreich (* 1757).<br />
140 Kapitel 3
1837<br />
Im kurzen Karneval des Jahres 1837, er war nochmals um neun Tage kürzer als derjenige<br />
im Vorjahr, leitete Johann Strauss verschiedene Hof- und Kammerbälle am kaiserlichen Hof<br />
in Wien, wofür er nach den Aufzeichnungen des k. k. Oberhofmeisteramtes eine Summe<br />
von 447 Gulden, was einer heutigen Kaufkraft von mehr als 10.000 Euro entspricht, erhielt.<br />
Details über die Feste bei Hof sind nicht bekannt.<br />
Auch in der türkischen Gesandtschaft in Wien wurde man auf Johann Strauss aufmerksam.<br />
Am 22. Januar spielte die Strauss-Kapelle bei einem Ball im „Hotel der Botschaft des<br />
Türkischen Reiches“ in Mariahilf. Später im Jahr widmete Johann Strauss dem türkischen<br />
Botschafter sein Opus 96.<br />
Ansonsten war die Strauss-Kapelle nur für die „Carnevals-Musik“ in der „Goldenen<br />
Birn“ auf der Landstraße, inklusive einer Reihe dort veranstalteter Privatbälle, und in<br />
„Dommayer’s Casino“ in Hietzing engagiert.<br />
Im „Sperl“ war 1837 Joseph Lanner für die Musik zuständig, nachdem der sechsjährige<br />
Vertrag zwischen Johann Strauss und Johann Georg Scherzer Ende 1836 ausgelaufen war.<br />
Der Karneval begann am 8. Januar mit einem Ball in der „Goldenen Birn“, bei dem<br />
Johann Strauss sein Opus 91, die „Krönungs-Walzer“, die er anlässlich der Krönung des<br />
österreichischen Kaiserpaares zu König und Königin von Böhmen im Vorjahr komponiert<br />
hatte, uraufführte. Im selben Lokal führte er am 17. Januar auch das Opus 94, die „Künstler-Ball-Tänze“,<br />
dem „Vereine der bildenden Künste in Wien“ gewidmet, erstmals auf. Das<br />
Werk sollte ursprünglich „Es lebe die Kunst“ betitelt werden.<br />
Am 18. Januar fand, ebenfalls in der „Goldenen Birn“, der „Gesellschaftsball zum Besten<br />
der unter dem Protectorate des Erzherzogs Franz Carl stehenden Versorgungsanstalt<br />
für Blinde“ statt, und der Tanzlehrer Rabel veranstaltete dort seinen einzigen geschlossenen<br />
Gesellschaftsball am 23. Januar. Beim ersten Fortuna-Ball am 12. Januar führte Johann<br />
Strauss sein Opus 92, „Cotillions über Themen aus der Oper Les Huguenots von Giacomo<br />
Meyerbeer“, erstmals auf.<br />
Die Gesellschaftsbälle beim „Dommayer“ begannen am 17. Januar.<br />
Einen „Ball der Gesellschaft der Alservorstädter Musikfreunde“ im neuen Saal „Zum<br />
goldenen Strauß“ im Josephstädter Theatergebäude am 24. Januar begleitete das „Orchesterpersonal<br />
des Herrn Capellmeister Johann Strauss unter der Leitung von Georg Jegg“.<br />
Auch Philipp Fahrbach spielte mit seiner Kapelle im Karneval im „Sträußlsaal“.<br />
Am 31. Januar veranstaltete Johann Strauss seinen eigenen Ball unter dem Titel „Heimkehr<br />
aus der Fremde“ in der „Goldenen Birn“ und präsentierte dabei erstmals sein Opus 95,<br />
den Walzer „Brüssler Spitzen“, in Erinnerung an den Aufenthalt im Vorjahr in Brüssel.<br />
Die Ankündigung mit dem Motto des Balles wurde ergänzt mit dem Vierzeiler:<br />
„Die Heimkehr aus der Fremde<br />
kehrt einer aus der Fremde heim,<br />
so komm er nicht mit leeren Händen,<br />
vor allen bedenk er die Damen fein,<br />
mit freundlichen Erinnerungsspenden“<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
141
Näheres war den Anschlagzetteln zu entnehmen. Johann Strauss spendete den Damen wieder<br />
Drucke seiner neuesten Werke, der „Brüssler Spitzen“, und eines verschollenen Werks, „Mignon-Souvenirs<br />
aus der Fremde“.<br />
Franz Morelly exekutierte im Karneval die Musik in den Lokalen „Zum goldenen Steg“,<br />
„Zum guten Hirten“, im „Casino am Neuen Markt“ und „Zur goldenen Rose“ in Nußdorf,<br />
Joseph Lanner in den „Redoutensälen“ für die „Gesellschaft adeliger Frauen“ und die „Gesellschaft<br />
der Musikfreunde“, und im „Elisium“.<br />
Damals stand offenbar schon fest, dass der riesige „Apollosaal“ als Ballsaal nicht profitabel<br />
sein konnte, und es gab bereits Pläne, diesen anderweitig zu nutzen. In der Ankündigung eines<br />
gemeinnützigen „Balles zum Besten der im Schottenfeld und in Neubau verarmten Familien“<br />
wird erwähnt, dass der Pächter Johann Pilzbacher den Saal einer bevorstehenden Änderung wegen<br />
vielleicht zum letzten Male für den Ball überlassen wird. Ab 1839 wurden dann tatsächlich<br />
dort Kerzen produziert. Im „Apollosaal“ leitete Franz Ballin die Musik.<br />
Am 7. Februar war Faschingsdienstag und einer der kürzesten Karnevals zu Ende. Tobias<br />
Haslinger veröffentliche am gleichen Tag die Opera 92 und 93 von Strauss, beide aus der Oper<br />
„Die Hugenotten“ von Giacomo Meyerbeer, die am 29. Februar 1836 in der Pariser Grand<br />
Opéra uraufgeführt wurde. Am 1. April folgte dann die Erstanzeige des Opus 94, „Künstler-<br />
Ball-Tänze“, dem „Verein der bildenden Künste in Wien“ gewidmet.<br />
Während der Fastenzeit wurden höchstens wieder die Conversationen abgehalten; entweder<br />
erneut ohne Hinweise auf musikalische Begleitung, oder die Herren Gastgeber hielten sich an<br />
das Verbot der Unterhaltungsmusik bis Ostern. Daher sind keine Details bekannt.<br />
Abb. 29 Abb. 30<br />
Die Strauss-Söhne Johann und Josef legten zum Schuljahresende 1836/ 37 am 2. März und am<br />
8. August die „Privatistenprüfung der III. Classe der k. k. Normalhauptschule bei St. Anna“ ab,<br />
beide mit einem Notendurchschnitt von 1,7 und wechselten auf das Schottengymnasium (eigentlich<br />
Öffentliches Schottengymnasium der Benediktiner in Wien), eine katholische Privatschule<br />
mit Öffentlichkeitsrecht im 1. Wiener Gemeindebezirk, deren Träger das Schottenstift,<br />
die Benediktinerabtei „Unserer Lieben Frau zu den Schotten“, war. Das Gymnasium wurde<br />
1807 durch kaiserliches Dekret gegründet.<br />
Am 26. und 27. März war Ostern und am folgenden Sonntag, dem 2. April, begannen jeweils<br />
sonntags ab 3 Uhr die Nachmittags-Conversationen in „Dommayer’s Casino“ in Hietzing.<br />
142 Kapitel 3
Der Humorist ließ sich in der Ausgabe vom 3. April darüber aus, dass in Leipzig<br />
„Strauss'sche Walzer zum Singen eingerichtet“ und veröffentlicht wurden. Der Zusatz: „So<br />
weit haben wir es Gottlob in Wien noch nicht gebracht“ war treffend und galt mindestens<br />
noch 30 Jahre. Dann kam „Die schöne blaue Donau“ von Johann Strauss Sohn als Gesangswalzer<br />
für den Wiener Männergesang-Verein im Karneval 1867 im Dianabad-Saal zur Erstaufführung.<br />
Der Pianist Herz hatte eine Fantasie über einen Strauss-Walzer komponiert, „eine se hr<br />
schmeichelhafte Anerkennung“ für Johann Strauss.<br />
Am letzten Sonntag im April begann die Sommersaison und der Garten und die Säle<br />
„Zur goldenen Birn“ wurden am 30. April mit einem Ball eröffnet. Vorher fand noch die<br />
Nachmittags-Unterhaltung in Hietzing statt und dies sollte über die Sommersaison auch alle<br />
Sonntage so bleiben, während „fernere Abhaltung der musikalischen Sommer-Unterhaltungen<br />
des Herrn Johann Strauss“ besondere Anzeigen erhielten.<br />
Herr Heß, der „k. k. Hof-Treiteur des k. k. Augartens“, kündigte für den 1. Mai seine<br />
schon zur Routine gewordene Morgen-Unterhaltung an, bei der „Herr Capellmeister Johann<br />
Strauss die Ehre hatte bereits Vormittags von halb 10 bis 1 Uhr und Nachmittags von<br />
2 bis 4 Uhr persönlich zu dirigieren“.<br />
Das „Tivoli“, der „Sperl“, wo Joseph Lanner angekündigt wurde, und die Lokalitäten<br />
und Gärten „Zum guten Hirten“, wo Franz Morelly die Musik dirigierte, eröffneten ebenfalls<br />
am 30. April.<br />
Im „Sperl“ unterschied man mittlerweile zwischen „Scherzers Gärten“, wo Joseph Lanner<br />
seine Produktionen ankündigte, und den „Sommer-Sälen zum Sperl“, wo die Gebrüder<br />
Scherzer Tanzunterhaltungen unter der musikalischen Leitung von Lanner abhielten.<br />
Abb. 31<br />
Am 11. Mai sollte dann die erste einer Reihe von Soiréen folgen, die Johann Strauss in<br />
„Stippergers Localitäten zur goldenen Birn“ veranstaltete, wo außer den beliebtesten Piecen<br />
des Orchesters auch eine Opern-Arie des Georges (aus der „Weißen Frau“) von „Dem.<br />
Zöhrer vorgetragen“ werden sollte. Die anhaltend unstete Witterung erzwang aber eine Verschiebung<br />
auf den 17. Mai. Ob auch diese Soirée ausfiel und am 20. Mai erneut angesetzt<br />
oder dann wiederholt wurde, ist nicht bekannt, aber es folgten weitere Ankündigungen für<br />
den 24. und den 27. Mai mit der Einschränkung „bey günstiger Witterung“.<br />
Auch die Strauss-Söhne haben später ab und zu Sängerinnen in ihren Konzerten auftreten<br />
lassen. Von Dauer war dies aber nicht.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
143
Am 13. Mai zeigte Tobias Haslinger das Opus 95, „Brüssler-Spitzen“, erstmals an und<br />
am 18. Mai das „Eisenbahn-Rondo über Johann Strauss’ beliebten Eisenbahn-Lustwalzer“,<br />
das 9. Werk seines Sohnes Carl Haslinger.<br />
Im „Apollosaal“ war damals Gebhard Mayer für die Musik engagiert, im „k. k. Augarten“<br />
unterhielt eine Regiments-Kapelle. Herr Junge, der neue Pächter des „Tivoli“, erwähnte keine<br />
Details über seine Feste, Franz Ballin musizierte im „Brauhaus-Garten“ des B. Neuling<br />
auf der Landstraße. Für Joseph Lanner kam ab 6. Juni noch wöchentlich eine Produktion<br />
„Im großen Zeisig“ hinzu. Philipp Fahrbach war bei Herrn Unger in dessen „Kaffeehaus-<br />
Locale nächst der Hernalser Linie“ beschäftigt. Franz Morelly leitete große Reunionen in<br />
„Lindenbauer’s Kaffeehaus-Garten“ in Simmering.<br />
Die erste Strauss-Soirée in „Dommayer’s Casino“ fand am 1. Juni im Saal statt.<br />
Anlässlich des Namensfestes von Kaiser Ferdinand am 30. Mai gab es Feste im „Sperl“<br />
und im „Tivoli“. Johann Strauss veranstaltete allerdings keines davon, er konzentrierte sich<br />
stattdessen auf seine Abendunterhaltungen als „Soirée musicale“.<br />
Am 6. Juni gab sich Johann Strauss die Ehre, „einem hohen Adel und geehrtem Publicum“<br />
den häufigen Erkundigungen zufolge „geziehmendst anzuzeigen“, dass die Soiréen in<br />
„Stipperger’s Localitäten zur goldenen Birn“ für diese Sommersaison Dienstag und Freitag<br />
stattfinden, und zwar bei günstiger Witterung im Freien, an kühlen Abenden im Saal. Alle<br />
Soiréen wurden von ihm veranstaltet, daher fertigte vermutlich er die Anzeige und nicht Jos.<br />
Stipperger.<br />
Abb. 32<br />
Mit den Soiréen donnerstags und den Sonntagnachmittags-Unterhaltungen in „Dommayer’s<br />
Casino“ waren also erst vier Tage der Woche verplant. Nach einem vermeintlich ruhigen,<br />
jedenfalls aber kurzen Karneval war dies recht wenig für Johann Strauss' Verhältnisse. Nach<br />
den Aufzeichnungen von Johann Thyam fanden ab dem 7. Mai sonntags auch Bälle in der<br />
„Goldenen Birn“ statt. Anzeigen darüber sind nicht bekannt, Thyam vermerkte auch nicht,<br />
für wie lange diese stattgefunden haben.<br />
Der Kalender wurde aber ab dem 21. Juni voller, denn an diesem Tag eröffnete Ferdinand<br />
Zögernitz sein „Casino in Ober-Döbling“, für welches er Johann Strauss für die<br />
144 Kapitel 3
stattfindenden Festivitäten, Soiréen etc. für die „Direction der Musik“ gewonnen hatte. Am<br />
21. Juni fand dort ein Ballfest statt.<br />
Alter Ball- und Konzertsaal (1837), Fassungsraum 800 Personen (oben rechts)<br />
Abb. 33<br />
und zeitgenössisches Foto des renovierten Saales.<br />
Ferdinand Zögernitz hatte zuvor über eine Reihe von Jahren ein Lokal in der Stadt, im<br />
Melkerhof, und baute 1837 in Ober-Döbling sein Casino – das bis heute noch besteht, 2022<br />
und 2023 originalgetreu restauriert wurde und das Archiv des Wiener Institutes für Strauss-<br />
Forschung (WISF), welches vom Ur-Urenkel von Johann Strauss Vater, Prof. Dr. Eduard<br />
Strauss, geleitet und das Museum House of Strauss beheimaten wird. 7<br />
Der alte Festgarten fasste in den Sommermonaten 2.000 Personen.<br />
Für den 26. Juni lud Johann Strauss wieder zu einer außergewöhnlichen Festunterhaltung<br />
mit Ball unter der Benennung „Das Stell’ dich ein im Tempel der Nacht“ in<br />
„Dommayer’s Casino“ ein.<br />
Details über dieses Fest wurden nur auf den Anschlagzetteln mitgeteilt, von denen keiner<br />
bekannt ist.<br />
7 https://zoegernitz.com/<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
145
Für jenen Abend komponierte Strauss sein Opus 96, den Walzer „Ball-Raketen“, den er<br />
Achmed Fehti Pascha, Ambassadeur extraordinaire d’Empire Ottomane á la Cour Imp. Et<br />
Rale à Vienne, widmete und welchen der „Humorist“ „Walzerfeuerwerk in sechs Fronten<br />
und einer Schluß-Walzer-Kanonade“ bezeichnete.<br />
Johann Strauss soll Glück gehabt und das Fest trotz eines verregneten Sommers am geplanten<br />
Tag stattgefunden haben. Für den 28. Juni wurde eine Assemblée mit demselben<br />
Titel, allerdings nur „bey günstiger Witterung“ angekündigt. Es ist nicht bekannt, ob das<br />
Wetter auch am übernächsten Tag noch freundlich war.<br />
Ab dem 1. Juli fanden regelmäßig jeden Mittwoch und Samstag Soiréen im „Casino<br />
Zögernitz“ statt, sodass der Strauss'sche Wochenkalender doch nahezu voll war. Montags<br />
war frei für Feste, dienstags und freitags fanden Soiréen bei der „Goldenen Birn“ statt, mittwochs<br />
und samstags Soiréen im „Casino Zögernitz“, donnerstags Soiréen in „Dommayer’s<br />
Casino“ und sonntags Nachmittags-Conversationen daselbst und eventuell abends Bälle in<br />
der „Goldenen Birn“.<br />
Sein erstes Fest in dem neuen Casino in Ober-Döbling, eine Sommer-Belustigung mit<br />
Ball, welche er „Mein feuriger Wunsch“ betitelte und bei der sein Opus 98, der Walzer<br />
„Pilger am Rhein“, erstmals in Wien aufgeführt wurde, veranstaltete Johann Strauss am<br />
10. Juli. Der Walzer soll bereits im Vorjahr auf der Reise durch Deutschland entstanden und<br />
bei einem Privatkonzert in Bonn uraufgeführt worden sein. Karl Haslinger schrieb wenig<br />
später ein Rondo unter Verwendung der Motive des Walzers.<br />
Derweil stand das „Gasthaus in der Stadt im Seitzerhofe samt den Elisiums-Localitäten“<br />
wegen beabsichtigter Geschäftsveränderung des Pächters für drei bis sechs Jahre zur neuen<br />
Verpachtung.<br />
Der Seitzerhof wurde aber bereits 1838 abgebrochen. Unterdessen gewann eine andere<br />
Vergnügungsstätte an Beliebtheit, nämlich das Colosseum in der Brigittenau. Den Beginn<br />
markierte der Händler Anton Czermak. Er kaufte 1828 einen Tanzsaal mit Nebengebäuden<br />
und stattete diese vornehm aus. Da die Gäste ausblieben, verkaufte er das Etablissement an<br />
den Architekten Karl Hoer. Dieser baute es zu einem Unterhaltungslokal aus. Ein Riesenfass<br />
mit einem Speisesaal im Inneren oder ein Riesenelefant, der einen Tanzsaal beinhaltete,<br />
fanden beim Publikum großen Zuspruch. Der „bewohnbare Elefant von erstaunlicher Größe,<br />
48 Schuh Länge 25 Schuh Breite und 29 Schuh Höhe groß mit 2 Gemächern in denen<br />
eine kleine Unterhaltung vorgerichtet ist“, dessen Inneres 50 Personen fasste, war eine<br />
Attraktion.<br />
Abb. 34<br />
146 Kapitel 3
Am 17. Juli versuchte Johann Strauss vielseitigen Wünschen zufolge, das 1834 „statt<br />
gehabte und unter ungewöhnlichem Beyfalle aufgenommene Fest Eine Nacht in Venedig“<br />
im „k. k. Augarten“ noch ein letztes Mal zu geben.<br />
Dem Fest und seinem Veranstalter machte, wie so oft, das unstete Wetter einen Strich<br />
durch die Rechnung. Johann Strauss versuchte es am 26. Juli, „am allerhöchsten Nahmensfeste<br />
Ihrer Majestät der Kaiserinn“, noch einmal und hatte Erfolg.<br />
Vielleicht nutzte Johann Strauss die freie Zeit, die sich durch den witterungsbedingten<br />
Ausfall verschiedener Feste ergab, um die Idee, seine Werke auch für Gesang einzurichten,<br />
zu verfolgen, denn auch das geplante Gartenfest mit Ball zum Namenstag der Kaiserin am<br />
25. Juli in der „Goldenen Birn“ fiel aus und wurde am 1. August neu angesetzt. Der „Humorist“<br />
fand es eine sonderbare Idee, dass der geniale Strauss seinen herrlichen „Elisabeth-<br />
Walzer“ (Opus 71) für sechs Männerstimmen gesetzt habe, konstatierte aber, dass es sich<br />
„in der Ausführung ganz charmant macht und sich allerliebst anhören lässt“.<br />
Das Arrangement stammte jedoch vom Regisseur des Leipziger Theaters, Hr. Lortzing,<br />
und von den „sechs Männerstimmen waren zwei Frauenzimmer“.<br />
Ob auch das brillante Gartenfest in Verbindung mit einer großen Ballunterhaltung am<br />
1. August in der „Goldenen Birn“ ausfiel, ist nicht eindeutig, am 7. August fand jedenfalls<br />
ein großes Gartenfest in diesen „Localitäten“ statt, bei welchem Johann Strauss sein Opus<br />
97, den „Cachucha-Galopp“, uraufführte. Der „Humorist“ brachte es in seiner Besprechung<br />
des Festes auf den Punkt: „Strauss spielte im Saal, Basta!“<br />
Dieses Fest wurde am 14. August wiederholt und in der „Wiener Zeitung“ dazu mit<br />
„Flora’s Freuden-Feyer“ betitelt. In der Erstausgabe des „Cachuca-Galopp“ am 9. August<br />
vermerkt Tobias Haslinger bereits „bey dem Feste: Flora’s Freuden-Feyer, in der goldenen<br />
Birn, mit allgemeinem Beyfall aufgeführt“.<br />
Auf der Original-Partitur des „Cachucha-Galopps“, Opus 97, vermerkte der Kapellmeister<br />
Adolf Müller, ein Freund von Strauss: „von Johann Strauss komponiert, vom Copisten<br />
copiert, ohne Probe executirt, und 3mal repetirt, Adolf Müller“.<br />
„Die Cachucha ist ein spanischer (andalusischer) Solotanz im 3/4- bzw. 3/8-Takt, der<br />
dem Bolero ähnelt […] der durch rhythmisches Schlagen der Kastagnetten und Stampfen<br />
der Absätze begleitet wird. Im 19. Jahrhundert war die Cachucha ein beliebter Bühnentanz<br />
in ganz Europa. Vor allem die österreichische Tänzerin Fanny Elßler erlangte mit ihrer Aufführung<br />
der Cachucha […] Berühmtheit und sorgte für eine Sensation. Sie trug maßgeblich<br />
zum Erfolg des Tanzes bei“ 8 . Im August 1837 herrschte eine regelrechte Cachucha-Euphorie<br />
in Wien. Die Verleger gaben reihenweise Cachucha-Werke heraus. Der „Humorist“<br />
nannte die Galoppen „nach Motiven der welthistorischen Cachucha“.<br />
Zum Abschluss der Sommersaison veranstaltete Johann Strauss am 21. August noch ein<br />
weiteres Sommerfest unter dem Titel „Das Bankett im Paradiese“ in der „Goldenen Birn“<br />
und machte das „P.T. verherrlichte Publicum“ mit der Bemerkung neugierig, „daß die Ausstattung,<br />
was Originalität und Neuheit anbelangt, einen gewiß seltenen und höchst überraschenden<br />
Anblick gewähren dürfte“. Passend zum Titel des Festes komponierte Strauss sein<br />
Opus 99, „Bankett–Tänze“, die am Premierenabend dreimal wiederholt werden mussten.<br />
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Cachucha<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
147
Das so „beyfällig aufgenommene“ Fest wurde am 28. August auf vielseitiges Verlangen<br />
wiederholt.<br />
Strauss „hatte versprochen, etwas Originelles und Außerordentliches zu liefern, und<br />
er hat redlich Wort gehalten. Der Garten war zu einem ganzen Feenreiche umgeschaffen,<br />
und erglänzte von tausend und tausend Lichtern. Vorzüglich war die Hauptallee mit<br />
Kandelabern, beleuchteten Festions und weißen und rosaroten Schawls auf eine so interessante<br />
Weise decoriert, daß man behaupten kann, diese Form der Verzierung sey auf<br />
solche Art noch nicht vorhanden gewesen. Eben so hübsch war die Ausschmückung des<br />
Bassins mit einer Wolken-Decoration, in welcher bewegliche Lampen und Sterne sich<br />
im Kreise drehten. Unter der übrigen Beleuchtung machte sich vorzüglich die einfache,<br />
aber geschmackvolle Hauptdecoration (beim Glashause) und ein Paar recht natürliche<br />
Kaskaden bemerkbar“ 9 .<br />
Am gleichen Tag veröffentliche Tobias Haslinger das Opus 96, den Walzer „Ball-Raketen“,<br />
ohne Nennung der Widmung an Achmed Fehti Pascha. Dies holte er erst am 12.<br />
September nach.<br />
Das Fest am 28. August war aber nur der Saisonabschluss in der „Goldenen Birn“. Im<br />
„k. k. Augarten“ wurde noch weiter groß gefeiert, sofern es die Witterung zuließ.<br />
Das am 4. September geplante große Strauss-Fest daselbst fiel aber offenbar dem<br />
Wetter zum Opfer und auch der Ausweichtermin am 6. September war nicht haltbar,<br />
sodass es vermutlich erst am 10. September stattfinden konnte. Hier wurde auch das<br />
zweite Rondeau zum ersten Mal verwendet und eine 760 Klafter (1.500 Meter) lange<br />
Eisenbahnstrecke dargestellt.<br />
Während Johann Strauss in der sechsten Abteilung des Festes ab 8 Uhr ein glänzendes<br />
Ballfest dirigierte, wurde die Lustfahrt auf der Eisenbahn unaufhörlich fortgesetzt.<br />
Nächst dem angedeuteten Franzensberg bei Brünn (am Ende der 1.500-Meter-Strecke)<br />
spielte eine Regiments-Kapelle, um 10 Uhr abends begann das Feuerwerk. Auch an die<br />
Ausgabe einer Fahrordnung wurde gedacht und die „P.T. Fahrenden wurden ersucht bei<br />
der Ankunft in Brünn gefälligst für eine Weile absteigen zu wollen. Die Gelegenheit zur<br />
Rückfahrt stand ihnen zu Gebothe“.<br />
Für die nicht Anwesenden erklärte der „Humorist“ das Fest-Arrangement und kürte<br />
Johann Strauss neben dem Titel „Walzer-Heros“ auch zum Arrangement-Genie und<br />
schloss mit „Strauss for ever!“.<br />
Die in der Einladung zu dem Fest im „k. k. Augarten“ und vorher schon mehrmals<br />
vorgekommene Abkürzung „P.T. pleno titulo“ (lateinisch etwa „mit dem jeweiligen<br />
vollen Titel angesprochen“) oder häufiger „praemisso titulo“ („mit Voraussetzung des<br />
Titels“) war vor allem in Österreich eine gebräuchliche Höflichkeitsfloskel zur Anrede<br />
einer unbestimmten Anzahl von Personen, deren Titel nicht einzeln aufgeführt werden<br />
können („p.t. Publikum“, „p.t. Hausparteien“). 10 Man begegnet der Floskel teilweise<br />
auch heute noch in Wien.<br />
9 ANNO/Österreichische Nationalbibliothek, Wiener Theater-Zeitung vom 23. August 1837, Anhang,<br />
Seite 680.<br />
10 https://de.wikipedia.org/wiki/PT<br />
148 Kapitel 3
Danach veranstaltete Johann Strauss am 12. September noch eine außergewöhnliche<br />
Nachmittags-Conversation mit Benutzung der Lustfahrt auf der Eisenbahn im „k. k. Augarten“,<br />
am 13. September fand die letzte Soirée in „Zögernitz’ Casino“ statt und am 14.<br />
die letzte Soirée beim „Dommayer“. Bei dem erneuten Belustigungsfest mit Ball unter<br />
Benutzung der Lustfahrt auf der Eisenbahn leitete bereits Georg Jegg das Strauss-Orchester.<br />
Doch der Meister erschien dann doch noch einmal selbst. Ferdinand Dommayer<br />
konnte ihn zu einer allerletzten Soirée am 21. September überreden und bei einer Assemblée<br />
am 23. September im „Casino Zögernitz“ zur Gründung eines Straßenbeleuchtungs-<br />
Fonds dirigierte er ab 8 Uhr abends nochmals persönlich die Musik.<br />
Danach stattete Johann Strauss aber in der am 6. Oktober gedruckten „Annonce“<br />
endgültig „seinen innigsten Dank bei der Abreise nach Paris ab“ und bat „einen hohen<br />
Adel und das verehrte Publicum“, ihm „das geneigte Wohlwollen bei seiner Rückkunft“,<br />
welche Ende des Jahres erfolgen sollte, nicht zu entziehen. Beim Termin seiner Rückkehr<br />
hatte er sich allerdings um ein ganzes Jahr geirrt.<br />
Abb. 35<br />
Als die Wiener diese Annonce lasen, war Johann Strauss mit 30 Mann, davon 26 Musiker,<br />
schon kurz vor München. Die erforderlichen Pässe erhielten Johann Strauss und 17<br />
seiner Orchestermitglieder am 3. Oktober.<br />
Im Stadt- und Landesarchiv Wien befindet sich das Passprotokoll mit der Anweisungsnummer<br />
2078. Dieses lautet auf Strauss, Karl Fux, Johann Thyam, Anton Fink,<br />
Anton Steinbichler, Jakob Woeber, Ignatz Baumberger, (unlesbar) Steinze, Johann Hochauer,<br />
Ernst Pauli, (unlesbar) Pauli, Gyronimus Schmid, Franz Amon, Josef Reichmann,<br />
Andreas Hanglman, Josef Woilscheg, (unlesbar) Lödl, Josef Hochensteig. Der Pass galt<br />
ein Jahr, war für Paris (über Landau) gültig und wurde am 3. Oktober 1837 ausgestellt.<br />
Strauss sollte erst nach 447 Tagen wieder nach Wien zurückkehren. Der Reise wird<br />
ein eigenes Kapitel gewidmet. In Wien erschien am 31. Oktober das Opus 98, der Walzer<br />
„Pilger am Rhein“, und am 12. Dezember das Opus 99, die „Bankett-Tänze“, bei<br />
Haslinger.<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
149
Abb. 36<br />
Am 19. November wurde Johann Strauss erneut Vater. Sein drittes Kind aus der Gemeinschaft<br />
mit Emilie Trambusch, Clementina Emilia Elisabetha Theresia, wurde in Wien Stadt<br />
164 geboren. Sie wurde später Blumenmacherin und starb nach 1878. Als sie ihren Vater<br />
zum ersten Male sah, war sie bereits über ein Jahr alt.<br />
Abb. 37<br />
Weitere ereignisse 11<br />
Politik und Weltgeschehen<br />
20. Juni: Durch den Tod ihres Onkels, des britischen Königs Wilhelm IV., übernahm Queen<br />
Victoria dieses Staatsamt. Zugleich endete die 123-jährige Personalunion mit dem Königreich<br />
Hannover, das künftig Ernst August I. regiert.<br />
11 https://de.wikipedia.org/wiki/1837<br />
150 Kapitel 3
13. Juli: Der Buckingham Palace wurde mit dem Einzug der Königin Victoria offiziell zur<br />
künftigen Hauptresidenz der britischen Monarchen.<br />
Wirtschaft<br />
10. Mai: Die Weigerung New Yorker Banken, Papiergeld in Gold- und Silbermünzen umzutauschen,<br />
führte zur spekulativ beeinflussten Wirtschaftskrise von 1837 in den USA.<br />
18. September: In New York City gründeten Charles Lewis Tiffany und John B. Young ein<br />
Schmuckunternehmen, aus dem die Firma Tiffany & Co. hervorging.<br />
Das Unternehmen Procter & Gamble (P&G) wurde in den USA von William Procter, einem<br />
Kerzenzieher aus England, und James Gamble, einem Seifensieder aus Irland, gegründet.<br />
Müllermeister Heinrich Plank gründete bei Wien die Planksche Brauerei, die heutige Ottakringer<br />
Brauerei.<br />
Verkehr<br />
4. Juli: Das Eisenbahnunternehmen Grand Junction Railway nahm in England den Zugbetrieb<br />
mit Dampflokomotiven auf einer der ersten Fernstrecken, Birmingham–Warrington, auf. Sie<br />
führte dort mit Umsteigen weiter nach Liverpool.<br />
20. Juli: Der Bahnhof Euston in London als Endpunkt der von Robert Stephenson gebauten<br />
London and Birmingham Railway wurde eröffnet.<br />
26. August: In Frankreich wurde ein neues Kapitel der Geschichte der Eisenbahn aufgeschlagen:<br />
Die ersten Reisenden wurden auf einer dampfbetriebenen Eisenbahnlinie zwischen Paris<br />
und Saint-Germain-en-Laye befördert.<br />
23. November: Das Eisenbahnzeitalter in Österreich begann mit der Fahrt eingeladener Gäste<br />
auf der Strecke der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ zwischen Florisdorf und Deutsch-Wagram.<br />
Dafür wurde die erste Eisenbahnbrücke über die Donau gebaut.<br />
Wissenschaft und Technik<br />
25. Februar: Thomas Davenport erhielt das weltweit erste Patent auf einen Elektromotor.<br />
24. Juli: Beim Test eines von ihm entwickelten Fallschirms verunglückte der Brite Robert<br />
Cocking vor einer großen Menschenmenge bei Greenwich tödlich. Er ist das erste Todesopfer<br />
beim Absprung mittels Fallschirm. Der Fehlversuch reduzierte über mehrere Jahrzehnte hinweg<br />
weiteres Interesse an dieser Technik.<br />
25. Juli: Die Briten William Fothergill Cooke und Charles Wheatstone demonstrierten den<br />
von ihnen erfundenen elektrischen Telegrafen mit Hilfe einer an der Bahnverbindung Euston–<br />
Camden Town entlang verlaufenden Telegrafenleitung.<br />
Katastrophen<br />
29. Dezember: Der Winterpalast in Sankt Petersburg, eine Residenz des Zaren, brannte völlig<br />
aus. Das Feuer dauerte 30 Stunden.<br />
Geboren<br />
9. Mai: Adam Opel, Gründer der Firma Opel († 1895).<br />
7. Juni: Alois Hitler, k. u. k. österreichischer Beamter und Vater Adolf Hitlers († 1903).<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
151
9. Dezember: Émile Waldteufel, Elsässer Musiker und Komponist († 1915).<br />
24. Dezember: Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn geb. Prinzessin in<br />
Bayern (Sisi) († 1898).<br />
25. Dezember: Cosima Wagner, Leiterin der Bayreuther Festspiele († 1930).<br />
Gestorben:<br />
20. Juni: Wilhelm IV., König von Großbritannien und Irland und König von Hannover<br />
(* 1765).<br />
1838<br />
Die Auslandsreise von Johann Strauss, der das gesamte Jahr auf Tournee war, wird im folgenden<br />
Kapitel behandelt, hier werden lediglich die Ereignisse des Jahres 1838 in Wien und der<br />
Welt beschrieben.<br />
Im März wurden die Schwesterstädte Pest und Ofen von einer verheerenden Überschwemmung<br />
der Donau heimgesucht. In der Nacht auf den 15. Januar – nachdem vorher bereits viel<br />
Schnee gefallen war – hatte es ununterbrochen weitergeschneit, und am Tag darauf wehte ein<br />
starker Wind. Dann trat starkes Tauwetter ein und das Wasser stieg von Tag zu Tag drastisch<br />
an. Zwischen dem 12. und 15. März lag der Wasserstand bereits enorm hoch, und das Glockengeläut<br />
in Ofen und Pest kündigte das Unheil an, das auf Altofen zukam. Die Nacht, in<br />
der das Hochwasser seinen Höhepunkt erreichte, wurde von Augenzeugen folgendermaßen<br />
geschildert: „Das große Gejammer der Einwohner war hinüber bis nach Pest und hinauf bis<br />
zur Burg in Ofen zu hören. Es bricht einem das Herz, wenn man derart furchtbares hören und<br />
sehen muß […]. In Altofen blieben nur 91 Häuser unbeschädigt stehen, schwer beschädigt<br />
wurden 274 und 397 sind eingestürzt.“<br />
Am 16. März begann sich das Wasser zurückzuziehen, und während des 17. und 18. verschwand<br />
es völlig von den Straßen. 12<br />
Am 18. März sollte die letzte Eröffnung des alten „Elisium“ erfolgen, danach wurde der<br />
Seitzerhof abgerissen. Der Hofzuckerbäcker Josef Georg Daum eröffnete zwei Jahre später<br />
das neue „Elisium“ (auch Elysium geschrieben).<br />
Überall in Wien wurden zur Unterstützung der Bedürftigen in Pest, Ofen und Umgebung<br />
gemeinnützige Veranstaltungen organisiert. Auch das „Elisium“ wurde zu einem Abschiedsfest<br />
am 1. April noch einmal geöffnet.<br />
Franz Liszt gab zum Besten der Überschwemmungsopfer im April und im Mai eine Reihe<br />
von Konzerten in Wien, meistens im Musikvereinssaal, der sich von 1831 bis 1870 an den<br />
Tuchlauben (Haus zum Roten Igel), befand.<br />
Ein weiteres Ereignis, welches für Johann Strauss Vater und seine drei musizierenden Söhne<br />
von entscheidender Bedeutung sein sollte, spielte sich ebenfalls 1838 ab. Franz Morawetz<br />
(1789–1868) eröffnete ein russisches Dampfbad. Am 17. April erschien eine halbseitige<br />
Anzeige im „Allgemeinen Intelligenzblatt der Wiener Zeitung“, wonach „Ihre k. k. Hoheit,<br />
die Durchlauchtigste Frau Erzherzogin Sophie den Unterzeichneten in höchsten Gnaden zu<br />
12 https://www.sulinet.hu/oroksegtar/data/magyarorszagi_nemzetisegek/nemetek/nemet_foldrol_<br />
gyalogszerrel_tutajjal/pages/de/nfgyt_de_07_04.htm<br />
152 Kapitel 3
erlauben geruht hat, die von ihm errichtete neue Badeanstalt mit Höchstdero Nahmen schmücken<br />
zu dürfen“. Das Sophien-Bad war geboren; es wurde in den Jahren 1845 bis 1849 umgebaut<br />
und dann im Winter als Ballsaal verwendet. Hier wurden unzählige Veranstaltungen,<br />
meistens Bälle unter Leitung einer der vier Strauss', abgehalten; auch gab es hier zahlreiche<br />
Uraufführungen Strauss'scher Tanzweisen. Vorerst jedoch war es nur ein gewöhnliches Reinigungsbad<br />
mit Dunst-, Schwitz-, Dusche, Sturz- und Regenbädern.<br />
Abb. 38<br />
Stahlstich um 1838<br />
Zwei Engländern, Andrews und Prichard, gelang es 1829 durch die Gründung der Ersten<br />
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft mit dem Dampfer „Franz I.“, den Vorstellungen der<br />
Regierung zu entsprechen und bereits 1830 den Schiffsverkehr zwischen Wien und Budapest<br />
aufzunehmen. Schon im Jahre 1837 konnte auch der Verkehr von Wien stromaufwärts<br />
nach Linz mit dem Dampfschiff „Maria Anna“ erweitert werden, nachdem auch die kgl.<br />
bayrisch-württembergische Dampfschiffahrt auf der oberen Donau von Ulm abwärts mit<br />
dem Dampfer „Ludwig“ den Verkehr aufgenommen hatte.<br />
Die ersten nachweisbaren fahrplanmäßigen Schiffsverbindungen zwischen Wien und<br />
Linz sind ab Ende April belegt: Das Dampfboot „Marie-Anne“ kehrte Montag, den 30.<br />
April in den frühen Nachmittagsstunden von seiner ersten Fahrt nach Linz wieder zurück<br />
nach Wien<br />
Am 7. Mai wurde die inzwischen ein halbes Jahr alte Bahnlinie der „k. k. privil. Kaiser<br />
Ferdinands-Nordbahn“ erstmals von der kaiserlichen Familie benutzt. Die Kaiserinmutter<br />
(richtigerweise die Stiefmutter) fuhr mit Erzherzog Franz Carl und Familie und dem Fürsten<br />
Metternich mit der Bahn nach Deutsch-Wagram, verweilte dort eine kurze Zeit und fuhr zurück<br />
nach Florisdorf. Der erste fahrplanmäßige Personenzug verließ am 6. Januar 1838 um<br />
9.30 Uhr den Wiener Nordbahnhof mit 218 zahlenden Passagieren.<br />
Einen Tag vor der Übersiedlung des Kaiserpaares auf den Sommersitz, das k. k. Lustschloss<br />
Schönbrunn, geruhte auch seine Majestät der Kaiser am 22. Mai eine Fahrt auf<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
153
der Nordbahn nach Wagram in Begleitung von Fürst Metternich, weiteren Ministern und<br />
„Allerhöchst ihrem Gefolge“ zu unternehmen. Es ging 23 Minuten hinaus und 25 Minuten<br />
zurück mit immerhin 34 km/h durchschnittlicher Geschwindigkeit. Kaiser Ferdinand<br />
stand den Wissenschaften, den neuen technischen Erkenntnissen seiner Zeit aufgeschlossen<br />
gegenüber, genehmigte auch, dass die Neuheit seinen Namen tragen durfte, wartete aber<br />
lange, bis er das neue Transportmittel benutzte und ließ andere Familienmitglieder vor. Anfang<br />
Juni erkrankte der Kaiser an den Masern, war aber binnen acht Tagen wieder genesen.<br />
Am 4. August begab sich auch das Kaiserpaar auf eine lange Reise, die es bis zum 26.<br />
Oktober zunächst nach Innsbruck zum Vollzug der Erbhuldigung des Landes Tirol und zur<br />
Huldigungsfeier nach Mailand, wo Ferdinand zum König der Lombardei gekrönt wurde,<br />
führte. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Venedig kehrte der Hof über Klagenfurt<br />
und Saalfelden zurück in die Hofburg.<br />
Joseph Lanner reiste mit seinem gesamten Orchester sowohl zur Huldigungs-Feier nach<br />
Innsbruck als auch nach Mailand, „da ihm die höchst ehrenvolle Auszeichnung geworden,<br />
bei den Bällen des Allerhöchsten Hofes während der Krönung die Musik zu besorgen“. Vorher<br />
genoss er schon die Ehre, bei der Kaisertafel am 15. August in Innsbruck sich produzieren<br />
zu dürfen. Lanner soll in Italien sehr erfolgreich gewesen sein.<br />
Der 11-jährige Josef Strauss wurde am 30. Oktober 1838 als Chorsänger in St. Leopold,<br />
der Kirche in der Großen Pfarrgasse, aufgenommen und war daher vom Schulgeld befreit,<br />
während bis dahin für beide Söhne für den Besuch der 1. Grammatikal-Klasse am Schottengymnasium<br />
Schulgeld zu entrichten war.<br />
In der Unterhaltungsszene in Wien waren in dem sehr langen Karneval 1838, Faschingsdienstag<br />
war am 27. Februar, die Auftrittsorte wie folgt:<br />
Joseph Lanner in den „k. k. Redoutensälen“, in „Dommayer’s Casino“ und „Zum goldenen<br />
Strauss“, Philipp Fahrbach: „Zur goldenen Birn“ und in den Kaffeehaus-Sälen von<br />
Andreas Lindenbauer in Simmering, Franz Ballin im „Elisium“, Gebhard Mayer im „Apollosaal“,<br />
Carl Bendl im „Sperl“, das inzwischen von Joseph Scherzer alleine geleitet wurde<br />
und Ludwig Morelly „Zum goldenen Steg“, „Zur Stadt Bamberg“, „Zum guten Hirten“ und<br />
in Zögernitz’ Casino.<br />
Das „Tivoli“, das inzwischen im Eigentum von Carl Demuth war, war nun auch im Winter<br />
geöffnet und bot Winter-Unterhaltungen mit Schlittenfahrten und russischen Winterbelustigungen.<br />
Johann Junge, der in manchen Artikeln auch als Eigentümer bezeichnet wurde,<br />
war wohl nur der Pächter und organisierte offenbar nur Sommerfeste. Er hat das „Tivoli“<br />
Ende 1838 aber ohnehin verlassen.<br />
In der Fastenzeit fanden die üblichen „Conversationen“ statt und in der Sommersaison<br />
spielte Lanner beim „Dommayer“, in „Unger’s Kaffeehaus-Lokal“, im „Landgut vor der<br />
Favoriten-Linie“ und „Zum großen Zeisig“, Ballin im „Sperl“ und im Badhaus in Heiligenstadt,<br />
Fahrbach in „Lindenbauer’s Casino“, im „k. k. Augarten“ und „Zur goldenen Birn“<br />
und Ludwig Morelly im Kaffeehaus Ober-Meidling und in Zögernitz’ Casino.<br />
Mit der Neuheit der Bahn gab es auch neuartige Schwierigkeiten. Am 28. April sah sich<br />
daher die Direktion der „Kaiser Ferdinands-Bahn“ veranlasst, die nachfolgende „Dringende<br />
Bitte an das verehrliche Publicum“ zu richten, nämlich, dass die Fußgänger auf den Bahndämmen<br />
den bescheidenen Ersuchen der Wächter zu folgen hätten. Ansonsten wurde da, wo<br />
154 Kapitel 3
die Warnungen der Wächter bei den Fußgängern ankommen konnten, für Zuwiderhandlungen<br />
ein Gulden Strafe zu einem wohltätigen Zweck festgelegt.<br />
Weitere Ereignisse 13<br />
Politik<br />
28. Juni: Victoria wurde in einer feierlichen Zeremonie zur Königin von Großbritannien und<br />
Irland gekrönt.<br />
Verkehr<br />
23. April: Im Hafen von New York traf das erste Dampfschiff aus Europa ein. Beginn eines<br />
planmäßigen Dampfschiffverkehrs über den Nordatlantik zwischen England und New York.<br />
Gegenüber einem Segelschiff reduzierte sich die Reisezeit um die Hälfte.<br />
22. September: Die Stammbahn, die erste Eisenbahnlinie Preußens, ging auf der Teilstrecke<br />
Potsdam–Zehlendorf in Betrieb.<br />
29. Oktober: Die Bahnstrecke der Berlin-Potsdamer Eisenbahn wurde fertiggestellt und als<br />
erste Eisenbahnlinie Preußens eröffnet.<br />
1. Dezember: Die Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn wurde eröffnet, die erste<br />
staatliche Eisenbahn in Deutschland.<br />
Wirtschaft<br />
Gründung der Maschinenbauanstalt und Eisengießerei Schweffel & Howaldt, heute Howaldtswerke-Deutsche<br />
Werft GmbH (HDW).<br />
6. Januar: Die Erfinder Samuel F. B. Morse und Alfred Vail führten einen modifizierten<br />
Schreibtelegrafen vor.<br />
8. April: Die Great Western, das größte Dampfschiff ihrer Zeit, lief im englischen Bristol zu<br />
ihrer Jungfernfahrt nach New York aus.<br />
Musik und Theater<br />
19. Juli: Uraufführung der Oper „Falstaff“ von Michael William Balfe in London.<br />
15. November: Uraufführung der komischen Oper „Lady Melvil“ von Friedrich von Flotow<br />
am Théâtre de la Renaissance in Paris.<br />
Gesellschaft<br />
26. Februar: In Mainz fand der erste Rosenmontagszug statt.<br />
Geboren<br />
27. Februar: Josefine Gallmeyer, österreichische Schauspielerin († 1884).<br />
9. März: Heinrich Lanz, deutscher Erfinder und Hersteller von Landmaschinen († 1905).<br />
8. Juli: Ferdinand Graf von Zeppelin, deutscher General und Luftschiffkonstrukteur († 1917).<br />
8. September: Carl Weyprecht, deutscher Marineoffizier, Arktisforscher und Geophysiker<br />
(† 1881).<br />
25. Oktober: Georges Bizet, französischer Komponist († 1875).<br />
13 https://de.wikipedia.org/wiki/1838<br />
1835 bis 1838 Einladungen aus Paris und London<br />
155
Kapitel 4<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839
Johann Strauss reiste also mit 30 Personen, darunter 26 Musiker und die Tenorsängerin<br />
Dem. Zöhrer, am 4. Oktober 1837 von Wien Richtung München ab. Während<br />
der Tournee sollte er Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, England, Irland und<br />
Schottland besuchen.<br />
Bei der Abreise kündigte er seine Rückkehr zum Ende des Jahres an. Ende des Jahres<br />
1837 wohlgemerkt. Tatsächlich sollte er erst nach 447 Tagen wieder nach Wien zurückkehren.<br />
Was ihn genau dazu bewegte, ein ganzes Jahr länger zu bleiben als geplant, ist nicht<br />
eindeutig überliefert.<br />
Um die Ausdehnungen der Reise, zumal in der damals gerade erst beginnenden, aber<br />
faktisch noch eisenbahnlosen Zeit, zu zeigen, wird hier die Karte aus der damaligen Zeit, die<br />
den Zickzack-Kurs zeigt, den Johann Strauss einschlug, abgebildet.<br />
Abb. 1<br />
Am Ende hatten die 30 Personen mit Gepäck, Musikinstrumenten und Musikalien in 447<br />
Tagen rund 9.500 Kilometer Reisestrecke zu Land zurückgelegt und vier Mal den Ärmelkanal<br />
überquert. Sie legten also durchschnittlich mehr als 20 Kilometer Reisestrecke pro Tag<br />
zurück und exekutierten im Schnitt an jedem zweiten Tag die Musik bei einem Ball oder<br />
spielten ein Konzert oder ein Konzert mit Ball. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit<br />
157
der Postkutsche lag in den 1830er-Jahren bei sechs Kilometern pro Stunde, die Reisegruppe<br />
Strauss war also im Durchschnitt täglich mehr als drei Stunden auf holprigen und staubigen<br />
Straßen in wenig komfortablen, unbeheizten Kutschen unterwegs. Reisen von 100 bis 120<br />
Kilometer Länge dauerten länger als einen Tag.<br />
Wieder liefern die Aufzeichnungen des Orchestermitgliedes Johann Thyam weitgehend<br />
verlässliche Fakten über die Reise.<br />
In Deutschland hielt sich Johann Strauss nicht einmal zwei Wochen auf. In München,<br />
Ulm, Stuttgart und „Carlsruhe“ fand jeweils ein Konzert mit Ball statt, dann überquerte die<br />
Gruppe die französische Grenze nach Straßburg.<br />
Der „Münchner Eilbote“ berichtet, dass Strauss im Münchner Odeon 4.062 fl. Reichswährung<br />
einnahm, und lobte „einen liebenswürdigen Mann bei dem Straussischen Orchester,<br />
den Musikdirector Jegg“. Bei der „Production“ im Odeon wirkten auch drei junge<br />
Münchner Musiker mit. In Ulm nahm Strauss bei einem Konzert und Ball im Gasthof „Zum<br />
Hirschen“ 1.800 fl. Reichswährung ein.<br />
Nach zwei Konzerten im Theater in Straßburg und 450 Kilometer Wegstrecke erreichte<br />
das Orchester Johann Strauss zwischen dem 24. und dem 27. Oktober das eigentliche Reiseziel<br />
Paris, wo im Hotel Violet, Passage Violet No. 5, Quartier genommen wurde.<br />
In Wien veröffentlichte Tobias Haslinger am 31. Oktober das Opus 98, den Walzer „Pilger<br />
am Rhein“, Herrn Franz Egon Reichsfreiherr (oder Graf) von Fürstenberg-Stammheim<br />
gewidmet. Er war Großgrundbesitzer, Mäzen und Politiker. Die Familie lebte in Köln und<br />
auf Schloss Stammheim, zu Lebzeiten von Fürstenberg ein Zentrum des zeitgenössischen<br />
Kunst- und Kulturlebens. Vermutlich hatte Johann Strauss Berührung zu dem Grafen während<br />
seines Aufenthaltes im November des Vorjahres in Köln oder bei einem Besuch Fürstenbergs<br />
1837 in Berlin.<br />
Zur gleichen Zeit liefen vermutlich in Paris die letzten Vorbereitungen für das erste Konzert<br />
im „Gymnase Musicale Paris“, welches am 1. November stattfand. Die Metropole an<br />
der Seine wartete mit berühmten und gefeierten Meistern auf, von denen sich einige an<br />
diesem Abend im Publikum befunden haben sollen: Meyerbeer, Auber, Cherubini, Adam,<br />
Musard und andere. Das Wiener Orchester erregte sofort Aufmerksamkeit in Paris und bereits<br />
am 5. November spielte das Strauss-Orchester ein Konzert in den Tuilerien vor König<br />
Louis-Philippe I. Als Dank erhielt der Wiener Capellmeister eine diamantene Busennadel<br />
nebst zweitausend Franken.<br />
Vom 8. November bis zum 6. Dezember fand eine Serie von Konzerten im Konzertsaal<br />
Vivienne in der Rue Vivienne statt. Der Saal war Eigentum von Philippe Musard, Johann<br />
Strauss spielte im ersten Teil der Konzerte Wiener Tanzmusik, das Orchester Musard führte<br />
klassische Musik mit einem Orchester von 60 Mann im zweiten Teil aus. Die Konzerte<br />
entwickelten sich zu einem Wettbewerb der beiden unterschiedlichen Kapellen und Musikstile,<br />
den Johann Strauss für sich entschied, auch weil Musards Stil in Paris bekannt war,<br />
wogegen Strauss den Vorteil des Neuen genoss und diesen mit Geschick und Präzission<br />
nutzte, was ihm Hector Berlioz, der aus Geldnot auch als Musikjournalist für das „Journal<br />
de Debats“ tätig war, bewundernd attestierte.<br />
Philippe Musard galt als „König der Quadrille“. Nach seiner Rückkehr nach Wien stellte<br />
Johann Strauss diesen neuen französischen Kontratanz, der zur Zeit Napoleons I. in Paris<br />
entstand, seinen Landsleuten mit Erfolg vor.<br />
158 Kapitel 4
Die Besetzung des Strauss-Orchesters zu Beginn der Reise bestand aus vier ersten Geigen,<br />
vier zweiten Geigen, einem Violoncello, zwei Kontrabässen, zwei Flöten, zwei Klarinetten,<br />
einer Oboe, zwei Hörnern, zwei Trompeten, einem Fagott, einem Kornett, einer<br />
Posaune, einer Kesselpauke, einer Harfe und einer großen Trommel. Die meisten der Musiker<br />
beherrschten zwei oder drei Instrumente, die sie mit der grössten Geschwindigkeit<br />
austauschten, wodurch das Orchester doppelt so groß wirkte und mit dem weit größeren<br />
Orchester von Musard mithalten konnte.<br />
Am 16. November soll Strauss einen neuen Walzer mit dem Titel „Die Krönung“ zum<br />
ersten Mal aufgeführt haben. Unter diesem Titel ist kein Werk bekannt. Die Besucheranzahl<br />
in der Straße Vivienne soll allabendlich 2.000 Personen betragen haben.<br />
Vermutlich fand auch am Geburtstag der Tochter Clementine Trambusch, der am 18.<br />
November in Wien gefeiert wurde, in Paris ein Konzert im Konzertsaal Musard statt. Am<br />
darauffolgenden Tag wurde die Reihe unterbrochen und während in Wien die Dampfeisenbahnlinie<br />
Floridsdorf–Deutsch-Wagram eröffnet wurde, spielte das Strauss-Orchester ein<br />
Konzert bei Baron Delmar in Paris.<br />
Nach einem weiteren Konzert im „Gymnase Musicale“ reiste Strauss aus Paris ab, aber<br />
nicht zurück nach Wien, wie er angekündigt hatte, sondern zunächst nach Westfrankreich,<br />
nach Rouen und Le Havre, wo bis Weihnachten täglich Konzerte oder Maskenbälle stattfanden.<br />
Selbst am Heiligen Abend wurde im Theater von Rouen ein Maskenball veranstaltet. In<br />
Wien damals undenkbar und reichlich ungewöhnlich für die Musiker!<br />
Während des Aufenthaltes in Le Havre kam eine Gruppe Amerikaner mit mehreren<br />
Dampfsegelschiffen dort an. Die Passagiere aus Amerika, Hamburger Kaufleute, besuchten<br />
die Konzerte und gaben anschließend an das Konzert am 21. Dezember im Theater von Le<br />
Havre dem Meister und seiner Gesellschaft zu Ehren ein Souper. Es soll bis zum nächsten<br />
Morgen gedauert haben und feuchtfröhlich gewesen sein.<br />
Den Weihnachtstag nutzte Johann Strauss, um von Rouen wieder nach Paris zu reisen,<br />
wo erneut Unterkunft im Hotel Violet gebucht war, und zwar gleich für die nächsten beiden<br />
Monate. Das Jahr 1837 endete für das Strauss-Orchester nach einem weiteren Ball bei<br />
Baron Delmar am 27. und einem Ball bei dem Kunst- und Musikalienhändler Moritz Adolf<br />
Schlesinger am Silvesterabend.<br />
1838<br />
Wann und wie Johann Strauss die Wiener Lokaleigentümer und -pächter informierte, dass<br />
sie im Karneval 1838 nicht mit ihm planen können, ist nicht bekannt. Ebenso ist nicht bekannt,<br />
ob die 26 Musiker und 3 weitere Reisebegleiter (vermutlich waren Kapellendiener<br />
mit auf der Reise) die Planänderung(en) des Chefs alle bereitwillig hinnahmen.<br />
In Wien kamen unterschiedliche Nachrichten an. Einmal hieß es, Strauss werde im Carneval<br />
zahlreiche Bälle in Paris leiten, dann kursierte die Meldung er werde am 12. Januar<br />
im „Sperl“ die Bälle eröffnen, wieder eine andere Mitteilung besagte, dass Strauss den<br />
Carneval in Marseille und Bordeaux verbringen werde.<br />
Das Strauss-Orchester spielte jedenfalls im nahenden Karneval im Januar und<br />
Februar in Paris bei 18 Maskenbällen im Saal St. Honore mit dem französischen Musiker<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
159
Dufrésne. Für den ersten Maskenball am 14. Januar komponierte Johann Strauss sein Opus<br />
101, den Walzer mit dem ebenso einfachen wie passenden Titel „Paris“, und führte ihn<br />
im Saal St. Honore erstmals auf. Strauss-Opus 100, der Walzer „Der Carneval in Paris“,<br />
hatte bei einem Maskenball mit Konzert am 27. Januar, bei dem das Strauss’sche und das<br />
Orchester Dufrésne vereinigt spielten, seine Uraufführung.<br />
Haslinger zeigte das Opus 100 in der „Wiener Zeitung“ am 12. Februar erstmals an<br />
mit der Widmung „Huldigung den schönen Pariserinnen“. Das Opus 101 wurde erstmals<br />
am 26. April angezeigt. Die Widmung erhielt Ihre königliche Hoheit, die Frau Herzogin<br />
von Orleans. Bei der Erstanzeige des Werkes bei Haslinger fehlte die Widmung allerdings<br />
noch.<br />
Den Wienern stellte Franz Ballin das Werk im Mai 1838 bei seinen Bällen und Festen<br />
im „Sperl“ erstmals vor. Die Zeitung „Der Humorist“ teilte den Wienern am 8. Januar<br />
mit, dass Strauss von Rouen nach Paris berufen wurde, um bei einem Hofball zu spielen.<br />
In seiner Ausgabe vom 12. Januar informierte „Der Humorist“ noch, dass Johann Strauss<br />
schon nahe Wien sei, und kündigte dessen baldiges Erscheinen beim „Sperl“ an, um in der<br />
Ausgabe vom 19. Januar dem verehrten Publikum über „den elegischen Stoßseufzer bei<br />
Ankunft der definitiven Nachricht, daß Strauss heuer nicht nach Wien kommen werde“,<br />
zu berichten. Es stand am 19. Januar also schon fest, dass die Reise lange dauern und die<br />
Tournee auch nach London ausgedehnt werden würde.<br />
Am 29. Januar berichtet „Der Humorist“ von den Maskenbällen in St. Honore und dem<br />
ungewöhnlichen Zulauf, den diese fanden.<br />
Abb. 2<br />
Neben den Maskenbällen im Saal St. Honore, welche regelmäßig donnerstags, samstags<br />
und sonntags stattfanden, war das Strauss-Orchester in privaten „Circles“ beschäftigt. Es<br />
spielte bei Hausbällen bei Baron Jakob Rothschild, dem jüngsten der vier Rothschild-Brüder,<br />
der seit 1812 in Paris lebte, Rothschild Frères zu einer der ersten Bankadressen machte<br />
und sich fortan James de Rothschild nannte. Weitere Bälle fanden beim englischen Gesandten,<br />
bei Baron Delmar, bei Moritz Adolf Schlesinger, einem deutschen Musikverleger<br />
aus Berlin, der als Maurice Schlesinger seit 1834 in Paris einen Musikverlag unterhielt und<br />
die „Gazette musicale“ gründete, beim österreichischen Gesandten Graf Anton Apponyi<br />
und bei anderen Persönlichkeiten statt. Bei einem Konzert im Saal Vivienne soll auch<br />
der in Paris weitgehend zurückgezogen lebende Niccolò Paganini auf einem unauffälligen<br />
Platz im Saal anwesend gewesen sein. Nachdem er erkannt worden war und sich zeigte,<br />
ging er auf Strauss zu, drückte ihm die Hand und sagte, er freue sich, den Mann kennengelernt<br />
zu haben, der überall Freude bereitete.<br />
Wie ein Pariser Blatt berichtet, war das Personal des Strauss-Orchesters auch als freiwillige<br />
Feuerwehrleute fleißig und auch dabei dirigierte Johann Strauss, dieses Mal die<br />
größte Feuerspritze. Brandort war das italienische Opernhaus.<br />
160 Kapitel 4
Abb. 3<br />
Ende Januar hatte Strauss ein tragisches Erlebnis: Er fuhr mit einem „Miethcabriolet“ in<br />
der Nähe des Invalidenhauses in Paris, als der Kutscher plötzlich aus dem Wagen stürzte.<br />
Strauss sprang aus dem Wagen, der sogleich im Fluss verschwand, wo der Kutscher in den<br />
Fluten den Tod fand.<br />
Abb. 4<br />
Gleich nach Faschingsende, am 27. Februar war Fastnacht-Dienstag, reiste die Gruppe<br />
Strauss erneut aus Paris ab, dieses Mal in den Norden Frankreichs, nach Amiens und Lille.<br />
Der Aufenthalt in Amiens dauerte sechs Tage, während derer zwei Konzerte stattfanden,<br />
in den sieben Tagen in Lille vor der Weiterreise nach Belgien fanden je zwei Konzerte im<br />
Theater und im Saal der Musikakademie statt. Die Nachricht in der Ausgabe des „Humorist“<br />
vom 28. März, dass Strauss sich von Lille nach Straßburg begebe, um von daselbst<br />
unverzüglich nach Wien zurückzugehen, entbehrte jeder Grundlage. Strauss reiste nach<br />
Belgien.<br />
Bereits ab Belgien verlief die Reise teilweise im Zickzack. Von Antwerpen, wo die<br />
Unterkunft bei jedem Aufenthalt im Hotel St. Antoine war, ging es weiter nach Brüssel,<br />
nach Löwen, zurück nach Antwerpen, nach Gent, noch einmal nach Brüssel, wieder nach<br />
Gent, nach Malines, Gent, Löwen, wieder zurück nach Brüssel, noch einmal Malines, nach<br />
Tirlemans, erneut Brüssel, nach Lüttich, für einen Tag und ein Konzert nach Aachen, die<br />
letzte Berührung mit Deutschland auf dieser Reise. Dann ging es über Lüttich und Gent<br />
nach Brügge, schließlich setzte Strauss mit Gefolge mit dem Dampfer Princess Victoria am<br />
10. April 1838 nach England über.<br />
Seit der Abreise aus Paris waren 44 Tage vergangen, in denen die Gruppe schon mehr<br />
als 1.300 Kilometer zurückgelegt hatte, um auf 20 Veranstaltungen aufzuspielen. Es sollte<br />
noch extremer kommen!<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
161
Nach der Überfahrt am 10. April, die von der schönsten Witterung begünstigt war, am<br />
12. oder 13. April in London angekommen, gab es offenbar zunächst Schwierigkeiten mit<br />
der Unterkunft. Das erste Hotel in der Fleet Street No. 5 entsprach nicht den Ansprüchen des<br />
in Sachen Unterkunft selektiven und großzügigen „Herrn Musikdirector“. Daher siedelte<br />
das Orchester in das Hotel du Commerce in der Leicester Street, in der Nähe des Piccadilly<br />
Circus, um.<br />
Gedenktafel am ehemaligen Hotel Commerce Abb. 5<br />
Für die nächsten dreieinhalb Monate waren keine Reisestrapazen zu befürchten. Das<br />
Strauss’sche Orchester blieb, mit einem fünftägigen Abstecher nach Cheltenham und Bath<br />
Mitte Juni, bis zum 29. Juli in London und spielte in 101 Tagen zu insgesamt 79 Anlässen,<br />
darunter auf acht Staatsbällen und Dinerparties im Buckingham Palace, bei denen Königin<br />
Victoria anwesend war, auf sechs Almack’s Subscription Balls in Willis’s Rooms, auf 19<br />
Privatbällen, auf zwei öffentlichen Bällen, zwei Wohltätigkeitskonzerten im Royal Beulah<br />
Spa Norwood und 39 öffentlichen Konzerten, die meisten im Hanover Square, sowie bei<br />
drei großen Konzerten mit Gesangssolisten.<br />
In den Hanover Square Rooms oder „The Queen’s Concert Rooms“ begannen die Konzerte<br />
am 17. April. Die Versammlungsräume an der Ecke des Hanover Square in London<br />
wurden hauptsächlich für musikalische Darbietungen von Sir John Gallini in Partnerschaft<br />
mit Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel im Jahre 1774 gegründet. Für genau ein<br />
Jahrhundert war dies der wichtigste Veranstaltungsort für Konzerte in London. Die Räumlichkeiten<br />
wurden im Jahr 1900 abgerissen.<br />
162 Kapitel 4
Hanover Square Rooms oder Queen’s Concert Rooms Abb. 6<br />
Das erste Konzert war schlecht besucht. Mangelnde Werbung und überhöhte Eintrittspreise<br />
waren wahrscheinlich daran schuld. Zu den Eintrittspreisen zitierte die Theaterzeitung<br />
„Athenaeum“ einen Artikel des englischen Journalisten G.<br />
„In Paris […] hätte er (Anm. Strauss) beinahe einen ganzen Abend mit seiner Gesellschaft<br />
für einen Franken (1 fl . W.W.) Entree gespielt und in London maßte er sich an, eine<br />
halbe Guinee (5 fl . C.M.) für seine Eintrittskarten zu verlangen. Der Unterschied zwischen<br />
Paris und London […] werde sich jedoch mehr auf den leeren Bänken als in dem Geldbeutel<br />
des Spekulanten bemerklich machen“.<br />
„Die Almacks Assembly Rooms, in denen ebenfalls Konzerte und Subscriptions-Bälle<br />
stattfanden, waren von 1765 bis 1871 ein Social Club in London und einer der ersten, die sowohl<br />
Männer als auch Frauen zuließen. Es war einer von wenigen gemischten öffentlichen<br />
Treffpunkten für die Oberschicht in der britischen Hauptstadt in einer Zeit, als die wichtigsten<br />
Spielstätten für die hektische Saison die großen Häuser der Aristokratie waren. Von 1871<br />
wurden die Almacks Assembly Rooms in ,Willis’s Rooms‘ umbenannt.<br />
[…] Der große Ballsaal war etwa hundert Fuß lang und um vierzig Fuß breit. Er war mit<br />
vergoldeten Säulen und Pilastern, klassischen Medaillons und Spiegeln dekoriert und wurde<br />
durch geschliffene Glaslüster mit Gas beleuchtet. Die größte Zahl der Personen in diesem<br />
Raum bei einem Ball betrug 1.700. Die Zimmer wurden für öffentliche Versammlungen,<br />
Lesungen, Vorträge, Konzerte, Bälle und zu Abendessen überlassen“. 1<br />
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Almack’s<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
163
Für den ersten Hofball am 10. Mai im neuen königlichen Palast, dem Buckingham Palace,<br />
komponierte Johann Strauss sein Opus 103, den Walzer „Huldigung der Königin Viktoria“,<br />
und führte ihn zum ersten Mal auf. Für die Dienste bei jenem Ball soll Strauss 250<br />
Pfund bekommen haben, den Gegenwert von 2.500 Gulden Conventionsmünze in Wien und<br />
in heutiger Kaufkraft rund 55.000 Euro.<br />
Die Strauss-Konzerte waren durchweg gut besucht. Die Wiener-Theater-Zeitung schrieb:<br />
„hätte ihn das Besorgnis, mit seinem Orchester in dem ungeheuern Saale des Opernhauses<br />
zu wenig auszureichen, nicht abgehalten auf den ihm von der Direction der Oper gleich bei<br />
seiner Ankunft gemachten Antrag, auf die Hälfte der Einnahme dort zu spielen, einzugehen,<br />
so hätte er noch glänzendere Geschäfte gemacht, die ganze Einnahme des Opernhauses,<br />
wenn es gefüllt ist, beträgt 1.600 Pfd. Sterl., folglich hätte Strauss 800 Pfd., oder 8000<br />
fl. C.W. am Abend für seine Hälfte eingenommen“. Bei den trotzdem sehr einträglichen<br />
Konzerten und bei den Bällen waren meistens 100 Guineen, also 1.000 fl. C.W., garantiert<br />
(1.000 Gulden C.W. entsprechen knapp 23.000 Euro in heutiger Kaufkraft).<br />
Abb. 7<br />
Ein Mitglied der Orchester-Gesellschaft schrieb aus London nach Wien, dass schon die<br />
Konzerte in Belgien sehr profitabel gewesen seien und dem „Capellmeister teilweise Ersatz<br />
für die in Paris erlittenen Verluste boten“. Das Orchestermitglied beschrieb die weitere<br />
Reiseroute nach London, wo Strauss die Hälfte aller Einladungen absagen musste, um<br />
den Aufenthalt dort nicht allzu sehr zu verlängern, so: „die vornehmsten Städte Englands,<br />
Schottlands und Irlands, dann durch das südliche Frankreich und die Schweiz zur Krönung<br />
nach Mailand.“<br />
Die Entstehung des Opus 102, eines weiteren „Original-Parade-Marschs“, der bei der<br />
Fronleichnamsparade am 14. Juni von den Musikern des ersten Bürgerregiments Wien erstmals<br />
aufgeführt wurde, wäre im Zusammenhang mit der Verlängerung der Reise interessant.<br />
Hatte Johann Strauss den Marsch schon fertig, bevor er abreiste, oder hat er ihn unterwegs<br />
zwischendurch geschrieben und nach Wien geschickt? So stellt es jedenfalls die Zeitung<br />
„Der Humorist“ dar.<br />
164 Kapitel 4
Tobias Haslinger beeilte sich jedenfalls mit der Veröffentlichung, die bereits am 16. Juni<br />
in der „Wiener Zeitung“ erfolgte. Überhaupt war Tobias Haslinger bemüht, seinen Vertragspartner<br />
auch während dessen Reise in Wien nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Außer<br />
den wenigen neuen Werken, annoncierte er ständig ältere Werke. Im Jahr 1838 erschienen<br />
nur vier neue Stücke bei Haslinger. Daneben veröffentlichte Tobias Haslinger aber auch<br />
Werke von Phillip Fahrbach. Der „Humorist“ nannte Fahrbach einen der gefährlichsten<br />
Gegner, der den Zeus-Strauss zu entthronen versuche.<br />
Die Meldung, dass Strauss im Anschluss an den Aufenthalt in Schottland und Irland auch<br />
noch nach Südfrankreich und dann zur Krönung nach Mailand reisen wollte, zeigte zwar<br />
die Reisebereitschaft von Strauss, lässt aber auch den Schluss zu, dass über viele Stationen<br />
der Reise spontan entschieden wurde, was den teilweise eigenwilligen, nicht nachvollziehbaren<br />
Verlauf der Routen erklärt. Es wurde auch über ein Zusammentreffen von Lanner und<br />
Strauss in Mailand spekuliert, nach Mailand aber reiste nur Joseph Lanner und er exekutierte<br />
dort die Musik zur Krönung.<br />
In Wien machte sich der Gedanke breit, dass Strauss nicht mehr zurückkehren würde,<br />
und manche Gerüchte besagten, er würde nach Paris übersiedeln und Wien verlassen. Daher<br />
veröffentlichte er in der „Wiener Zeitung“ am 13. Juni die „Nothwendige Erklärung“.<br />
Abb. 8<br />
„Der Unterzeichnete sieht sich durch die über seine Person und musikalischen Unternehmungen<br />
im Auslande ausgestreuten ungünstigen und mitunter ehrenwidrigen Gerüchte,<br />
welche sich in Wien, wie er vernommen hat, allgemein verbreitet haben, veranlaßt, hiermit<br />
öffentlich bekannt zu machen, daß die ihm hinsichtlich seiner bisherigen musikalischen<br />
Leistungen im Gebiethe des Vergnügens, in Wien, seiner geliebten Heimath, seit vielen<br />
Jahren zu Theil gewordene huldvolle Aufnahme, und sein dadurch gegründeter vorteilhafter<br />
Ruf, auch im Auslande denselben Anklang fand und alldort dergestalt in jeder Hinsicht<br />
auszeichnende Früchte trug, daß er stets und immer mehr Ursache hat, sich gegen<br />
ein verehrungswürdiges Publicum der erhabenen Kaiserstadt verpflichtet zu fühlen, dem<br />
er durch die Stellung, die ihm dessen unschätzbare Gunst anwies, auch sein auswärtiges<br />
Glück größtenteils verdankt.<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
165
Er hegt daher nur noch den innigsten Wunsch nach seiner möglichst baldigen Rückkunft<br />
jene gütige und ehrende Aufnahme, welche ihm früher zu Theil wurde, und auch<br />
auf seiner langen Reise ihn stets geleiteten, eben so in seiner Vaterstadt wieder zu fi nden.<br />
London, im May 1838<br />
Johann Strauss“<br />
Am 23. Mai wirkte das Strauss-Orchester bei einem Morgen-Konzert von Ignaz Moscheles<br />
mit. Das Programm ist überliefert. Ignaz (Isaak/Isack) Moscheles (1794–1870) war ein böhmisch-österreichischer<br />
Komponist, Pianist und Musikpädagoge. Von Hamburg übersiedelte<br />
er ungefähr 1825 nach London, wo er bis 1846 lebte und arbeitete.<br />
Über die Bälle am Hof der jungen Königin in London wurde auch in Wien kurz und<br />
knapp berichtet. Über ein Fest des Fürsten Esterhazy am 15. Juni, jenes Fürsten, bei dessen<br />
Installation Strauss im Schloss in Eisenstadt 1834 bereits die Tafelmusik gespielt hatte,<br />
wurde ausführlicher berichtet. Johann Strauss leitete die Musik, die abwechselnd von zwei<br />
Musik-Chören gespielt wurde.<br />
Abb. 9<br />
166 Kapitel 4
Am 26. Juni fand in London ein Festkonzert in der Italienischen Oper am Haymarket statt.<br />
Das Opernhaus hieß zunächst Queen’s am Haymarket in London. Als Königin Victoria<br />
1837 den Thron bestieg, wurde das Theater in Her Majesty’s Theatre, Italian Opera House<br />
umbenannt.<br />
Drei Tage zuvor soll in den Hanover Square Rooms beim „Last Grand Concert but<br />
one“ ein „Mosaique-Walzer“ uraufgeführt worden sein. Auf dem erhaltenen Programm ist<br />
allerdings weder ein Walzer mit diesem Titel noch ein anderer Walzer als Uraufführung<br />
erwähnt.<br />
Dann nahte der Tag der Krönung. Die Plätze, von denen aus man den Krönungszug<br />
sehen konnte, wurden zu horrenden Preisen vermietet. Ausgerechnet über mögliche öffentliche<br />
Auftritte des Strauss-Orchesters am Nachmittag des 28. Juni, an jenem Tag, an dem<br />
die gerade 19-jährige Victoria zur Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien<br />
und Irland gekrönt wurde, gibt es keine genauen Angaben. Johann Thyam schrieb lediglich<br />
„Musik bei der Krönung“ in sein Tagebuch. Ob das Strauss-Orchester einfach im Hyde-<br />
Park oder irgendwo auf der Straße gespielt hat, ist nicht bekannt. Die ganze Stadt war ja<br />
auf den Beinen und überall waren Feierlichkeiten, wovon auch der „Humorist“ berichtet.<br />
Abends spielte Strauss bei einem Ball bei Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, für<br />
2.000 Personen. Der Lord High Constable von England war ursprünglich der Kommandant<br />
der königlichen Armee und Master of the Horse am königlichen Hof. Später wurde der<br />
Titel der Krone einverleibt. Seither wird das Amt ausschließlich für die Krönung britischer<br />
Monarchen und Monarchinnen besetzt. Arthur Wellesley hatte dieses Amt bereits bei den<br />
Krönungen 1821 von Georg IV. und 1831 von Wilhelm IV. inne.<br />
Dass Johann Strauss für den Hofball am 2. Juli in den Buckingham-Palast bestellt<br />
war, erfuhren die Wiener in der „Wiener Zeitung“. Ebenso berichtete die Zeitung von der<br />
Teilnahme des Strauss-Orchesters an einem glänzenden Ball bei Marschall Soult. Am<br />
18. Juli wurde die Teilnehmerzahl mit 200 Personen angegeben, am 20. Juli wurden 12.000<br />
Personen genannt. Wahrscheinlich waren es 1.200. „Strauss musizierte!“, hieß es trocken.<br />
Auch über das Konzert im Garten-Etablissement „Royal Benlo Spa“ in Norfolk am 13.<br />
Juli, welches zum Besten der in London lebenden polnischen Flüchtlinge gegeben wurde,<br />
von nahezu 10.000 Personen besucht wurde und bei dem das Strauss’sche Orchester und<br />
sämtliche Mitglieder der italienischen Oper mitwirkten, berichtete die „Wiener Zeitung“.<br />
Am 23. Juli veranstaltete Fürst Schwarzenberg ein Fest in Castle-Hotel in London, bei<br />
dem Johann Strauss mit seiner „Bande“ im Ballsaal spielte. Felix Prinz (genannt Fürst) zu<br />
Schwarzenberg wurde nach einer kurzen militärischen Karriere Diplomat. Von Metternich<br />
gefördert, war er auf den wichtigsten Auslandsposten der österreichischen Diplomatie, in<br />
Sankt Petersburg, London, Paris und Turin, tätig. Zuletzt war er Botschafter in Neapel.<br />
Ebenso wurden die Wiener über den Hofball am 26. Juli, zwei Tage vor der Abreise der<br />
Strauss’schen Gruppe, informiert. Die „Wiener Zeitung“ berichtete, dass Johann Strauss<br />
eigens für diesen Ball einen Walzer mit dem Titel „Hommage à la Reine de la Grande<br />
Bretagne“ komponierte und uraufführte. Die „Theaterzeitung“ berichtete, dass dieses Werk<br />
bereits bei einem Ball am 17. Juli, einem Abschiedsball, zum ersten Mal aufgeführt wurde.<br />
Ein Werk mit einem solchen oder ähnlichen Titel ist nicht bekannt. Wahrscheinlich handelte<br />
es sich bei dem Walzer um das Opus 103, „Huldigung der Königin Victoria“, der allerdings<br />
schon beim Hofball am 10. Mai uraufgeführt wurde.<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
167
Abb. 10 Abb. 11<br />
Tobias Haslinger zeigte den Huldigungswalzer am 24. September in Wien erstmals an.<br />
An den beiden Tagen nach dem Krönungsfest spielte Strauss noch jeweils auf einem Ball<br />
mit Konzert im Hanover Square, dann ging es, wieder im Zickzack, durch Mittel- und Nordengland<br />
sowie nach Irland.<br />
Am 29. Juli fuhren die 30 Personen der Reisegesellschaft Strauss von London nach<br />
Birmingham, vermutlich mit der London and Birmingham Railway (L & BR), die von der<br />
Londoner Euston Station abfuhr. Am 20. Juli 1837 wurde nämlich der erste Abschnitt zwischen<br />
dem Londoner Bahnhof Euston und Boxmoor bei Hemel Hampstead eröffnet. Die<br />
Inbetriebnahme der restlichen Strecke hätte am 28. Juni 1838 erfolgen sollen, dem Tag der<br />
Krönung von Königin Victoria, doch waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Die<br />
L & BR erkannte jedoch, dass das Verkehrsaufkommen an diesem Tag besonders hoch sein<br />
würde. Sie zog deshalb die Eröffnung der Abschnitte Birmingham-Rugby und London-<br />
Bletchley vor und richtete auf dem mittleren Teilstück eine Postkutschenverbindung ein.<br />
Die Kutschenfahrt dauerte viereinhalb Stunden. Der durchgehende Betrieb der Eisenbahn<br />
wurde erst am 17. September 1838 aufgenommen.<br />
Sämtliche Londoner Blätter versicherten, dass Strauss die Stadt an der Themse mit<br />
50.000 fl. C.W. (1,1 Millionen Euro in heutiger Kaufkraft) reinem Erträgnis verlassen hatte<br />
und zugleich namhafte und kostbare Geschenke von allerhöchsten und hohen Personen<br />
mitnehmen durfte, darunter einen wertvollen Solitär, den er von Königin Victoria für die<br />
Zueignung einer Sammlung seiner neuesten Walzer erhalten hatte.<br />
Abb. 12<br />
168 Kapitel 4
Strauss reiste nach Birmingham, wo sein Aufenthalt vier Tage währte. Es fand allerdings nur<br />
ein Konzert in der Town Hall statt, dann ging es für drei Tage nach Liverpool. Vom 6. bis 12.<br />
August pendelte Strauss täglich zwischen Manchester und Liverpool, reiste also täglich 55<br />
Kilometer, schätzungsweise 7 bis 8 Stunden, und spielte abends ein Konzert. Nach einem<br />
fünftägigen Aufenthalt in Dublin ging es zwischen dem 20. und 25. August wieder mehrmals<br />
zwischen Liverpool und Manchester hin und her.<br />
Zwischen dem 26. August und dem 11. September stationierte das Strauss-Orchester<br />
nochmals in Birmingham, in Leamington, noch einmal in Cheltenham und Bath, in Clifton,<br />
Southampton, Brighton, Portsmouth und Southampton. Beim letzten Besuch vom 11. bis<br />
13. September in London gab es keine Veranstaltungen mehr. Danach setzte die Gruppe<br />
wieder nach Frankreich über. Auch diese Reise ist nicht recht erklärbar, denn am 26. September<br />
erreichte die Gruppe erneut das Star Hotel in Southampton. In den knapp zwei Wochen<br />
wurden in Frankreich Boulogne, Abbeville, Dieppe, Le Havre, Rouen und abermals Le<br />
Havre besucht, bevor die Überfahrt von dort nach Southampton erfolgte.<br />
Vom Konzert am 17. September im Cirque des Art in Boulogne ist das nachfolgend abgebildete<br />
Programm erhalten, ebenso vom vorletzten Konzert im Hanover Square Room<br />
in London vor der Krönung am 23. Juni 1838, Beide befanden sich im Besitz von Eduard<br />
Strauss. Die Programme der beiden Veranstaltungen waren nahezu identisch.<br />
Abb. 13<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
169
In den kommenden neun Wochen spielte Strauss nur rund 40 Konzerte und Bälle, reiste aber<br />
2.100 Kilometer – also wiederum die gleichen Strapazen, aber inzwischen war es Herbst geworden<br />
und der Winter nahte. Von Southampton ging es nach Reading, Cheltenham, Leamington,<br />
Worcester, Stratford, Leicester, Derby, Nottingham, Sheffield, Huddersfield, Halifax, Leeds,<br />
Halifax, Huddersfield, Leeds, York, Hull, Huddersfield, Halifax, Leeds, Newcastle, Carlisle,<br />
Edinburgh und Glasgow.<br />
Und Strauss plante unermüdlich weiter: „Sollte er vor November in London eintreffen, so<br />
gedenkt er über Paris, ohne sich aufzuhalten, nach Lyon, von hier nach Italien zu reisen, um nur<br />
die vorzüglichsten Städte: Mailand, Verona, Venedig, Triest usw. zu besuchen. Sollte er jedoch<br />
erst zu Anfang des Monats December in London eintreffen, so ist er gesonnen, von Calais nach<br />
Dünkirchen, Ostende, Paris und von hier ohne Aufenthalt nach Wien zu reisen“. Die Rückkehr<br />
nach Wien vor Weihnachten wurde vorausgesetzt.<br />
Mitte November fiel während des Aufenthaltes in Edinburgh die Entscheidung, das südliche<br />
Frankreich und Italien auszulassen und die zweite Route zu nehmen, allerdings waren nach Ostende<br />
noch Stationen in Brügge, Lüttich, Aachen, Köln, Koblenz, Frankfurt, Kassel und weitere<br />
geplant. Es sollte aber anders kommen.<br />
Das dauernde Reisen barg auch Risiken, denn offenbar wurde die Gruppe wiederholt bestohlen.<br />
Im Oktober waren auf der Reise nach Hull, beim Umspannen der Pferde zwischen<br />
10 und 11 Uhr nachts, aus einer aufgebrochenen Kiste das sämtliche Gepäck seines Sekretärs<br />
und „die Maschine der Ophikleide“, ein historisches Blechblasinstrument aus der Familie der<br />
Klappenhörner, abhandengekommen.<br />
Mitte November erkrankte Johann Strauss in Schottland an schwerer Influenza, trotzdem<br />
dirigierte er, von Fieberstößen geschüttelt, weiter.<br />
Carlisle, Newcastle, Leeds, Bradford, Hull, Wakefield und Derby waren die nächsten Stationen.<br />
In Derby verabreichte ein Arzt ihm, dem schon chronisch an Husten Leidenden, eine Dosis<br />
Opium, die beinahe tödlich gewesen wäre.<br />
Von Leicester ging es nach Wellington, wo Johann Strauss endgültig die Kräfte verließen<br />
und ein Vertreter das Konzert am 30. November in den Wellington Rooms dirigieren musste.<br />
Vergessen wir dabei nicht, dass auch die Musiker sämtliche Reisen, genauso wie der Chef, absolvieren<br />
mussten, dass sie mitunter noch länger tätig waren als der Orchesterleiter, der sich<br />
manchmal im Laufe des Abends vertreten lassen konnte. Auch ist bei aller bekannter Großzügigkeit<br />
von Johann Strauss davon auszugehen, dass die Musiker nicht unbedingt den gleichen<br />
Komfort in den Unterkünften vorfanden und auf den Reisen „genossen“ wie der Maestro.<br />
Dieser hatte aber auch noch Organisations- und Repräsentationsaufgaben und komponierte und<br />
arrangierte zwischendurch auch offenbar noch. Die Gruppe war Anfang Dezember noch in<br />
England und hatte noch die Reise nach Wien vor sich.<br />
Auch die am 20. Juni eröffnete, 61 englische Meilen lange Eisenbahnstrecke von Newcastle<br />
bis Carlisle, auf der am Eröffnungstag 35.000 Reisende in einer Wagenreihe, welche einen Flächenraum<br />
von 1,5 Meilen einnahm, gezählt wurden, war wohl eine interessante Neuigkeit, aber<br />
doch keine nennenswerte Entlastung von den Reisestrapazen, wenn die Strauss’sche Reisegesellschaft<br />
auf den beiden Reisen am 31. Oktober und am 17. November die Eisenbahn benutzt<br />
hat, wovon ausgegangen werden kann.<br />
Am 15. September schrieb Strauss an seinen Freund, den Kapellmeister Adolf Müller, von<br />
Frankreich den folgenden Brief:<br />
170 Kapitel 4
„Boulogne, 15. September 1838<br />
Lieber Herr v. Müller!<br />
Seit meiner Abreise von London konnte ich wohl keinen bestimmten Aufenthalt angeben, um<br />
mir ein Schreiben von Ihnen erbitten zu können, da ich in dieser Zeit eine große Tour in England<br />
machte, die namhaften Städte nur in Eile besuchte, die schon eingeleitete Produktion<br />
abhielt und dernach größtenteils sogleich abreiste, so daß ich beynahe jeden Tag in einer<br />
anderen Stadt mich befand, indem man hier überaus schnell reisen kann, der guten Pferde<br />
und schönen Straßen wegen. Insbesondere kommen noch, dem Reisenden zum Vortheile die<br />
Eisenbahnen, welche Riesen-Werke ich alle tüchtig benutze, z.B. in Liverpool, Manchester,<br />
Birmingham usw.Auch war ich in Schottland, Irland. Die Kosten, in England mit 28 Personen<br />
größtentheils per Extra-Post zu reisen, in Hotels zu logieren und alle nur möglichen<br />
Bedürfnisse auf anständige Art herbey zu schaffen, – reichen wohl an das Unglaubliche<br />
und übertreffen alle meine früher gemachten Erfahrungen auf Reisen, welche nähere Auseinandersetzung<br />
ich mir vorbehalte, bey meiner Rückkunft Ihnen mündlich mitzuteilen ….<br />
Schließlich bitte ich, mir Ihr nächstes Schreiben nach Bordeaux post retante einzusenden<br />
und […] grüße Sie als Ihr dankbar ergebenster Freund<br />
Johann Strauss“<br />
Falls Adolf Müller nach Bordeaux geschrieben hat, dann hat dieses Schreiben nicht seinen<br />
Empfänger gefunden. Johann Strauss reiste nicht nach Bordeaux, sondern über Abbeville,<br />
Dieppe, Le Havre, Rouen und wieder Le Havre zurück nach England. In Schottland war Strauss,<br />
als er den Brief schrieb, allerdings noch nicht gewesen. Edinburgh und Glasgow folgten im<br />
November.<br />
Aus Edinburgh schrieb Strauss am 3. November wieder an Müller:<br />
„Sie werden wohl schon in Erfahrung gebracht haben, daß ich, kaum in Frankreich gelandet,<br />
einer mir nachgesandten Aufforderung abermahlen nach England folgte, und schon<br />
bereits eine bedeutende Tour davon zurücklegte. Nun befinde ich mich in Schottland, in dem<br />
bekanntlich schönen Edinburgh, eine der schönsten Städte, die ich je gesehen. Ich werde,<br />
schier mit der benachbarten Stadt Glasgow abwechselnd, meine Produktionen geben und<br />
dann eiligst zur Rückreise schreiten, um bis Weihnachten in Wien eintreffen zu können …“<br />
Dieses Schreiben lässt also den Schluss zu, dass die erneute Rückkehr nach England durch<br />
nachgeschickte Einladungen zustande kam, und in der Tat ging die Heimreise von Glasgow aus<br />
verhältnismäßig geradlinig vonstatten.<br />
Abb. 14<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
171
Abb. 15<br />
Wo die Eisenbahn noch nicht zur Verfügung stand, reiste die Gruppe mit englischen Coaches<br />
der Edinburgh and London Royal Mail, die so oder so ähnlich aussahen. Auf dem Titelblatt<br />
des Opus 105 ist ebenfalls eine solche Kutsche dargestellt.<br />
Nach dem Brief an Müller war Johann Strauss also nur noch mit 28 Personen unterwegs,<br />
zwei Mitglieder hatten wohl die Gruppe verlassen.<br />
Adolf Müller senior, der Empfänger der beiden Briefe, hieß eigentlich Matthias Schmid,<br />
er war Schauspieler und Komponist. Müller war mit über 650 nachweisbaren Bühnenwerken<br />
einer der mengenmäßig fruchtbarsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Viele damalige<br />
Schlager stammten von ihm, zum Beispiel das Wanderlied „Wir wollen in die Stadt marschieren“<br />
aus Johann Nestroys Posse „Lumpazivagabundus“, das sich weltweit verbreitete.<br />
Vor dem Strauss-Orchester lagen weitere 1.500 Kilometer Landreise und eine weitere Ärmelkanalüberfahrt.<br />
Zunächst ging es am 2. Dezember über Rugby und London erneut nach<br />
Calais. Beim Abschiedskonzert in Calais am 5. Dezember brach Johann Strauss im Saal der<br />
Philharmonie während des Konzerts bewusstlos zusammen. Schonend wollte man ihn nach<br />
Wien zurückbringen, deshalb hielt sich die Gesellschaft zunächst noch zwei Tage in Calais<br />
auf, wo allerdings keine Veranstaltungen mehr stattfanden. Am 7. und 8. Dezember wurde<br />
Paris passiert und am 10. Dezember kam die Gruppe in Straßburg an, wo Johann Strauss vier<br />
Tage lang bewusstlos im Hotel darniederlag. Mit nur noch 21 Musikern erreichte Strauss am<br />
16. Dezember München, wo im Gasthaus Gmächle noch einmal zwei Tage gerastet wurde, bevor<br />
die Fahrt über Linz, wo Johann Strauss nochmals in ein lebensgefährliches Delirium fiel,<br />
nach Wien ging. Dort langte die Gruppe schließlich am 24. Dezember, nach 447 Tagen, an.<br />
Aus München wurde über den Aufenthalt berichtet:<br />
„Strauss war hier, der Walzerkönig, aber in welchem Zustande! Er, der im Oktober vorigen<br />
Jahres, voll Leben, und durch die Macht der schönen Töne den schönsten Lebensgenuß<br />
bereitete, kam am Sonntag, den 16. Dezember, krank hier an […] und fuhr am 18. Dezember<br />
früh nach Wien ab“. 2<br />
Am Weihnachtstag konnte die Wiener Bevölkerung dann lesen:<br />
„Der Capellmeister Strauss ist endlich in Wien angekommen, aber so leidend, […] daß<br />
es einer geraumen Zeit bedürfen wird ihn vollkommen gesund zu sehen. Sobald wird er also<br />
nicht öffentlich spielen“. 3<br />
2 ANNO Wiener Theater-Zeitung, 24. Dezember 1838, S. 1172.<br />
3 Ebd., 24. Dezember 1838, S. 1172.<br />
172 Kapitel 4
Abb. 16<br />
Als Johann Strauss in dem geschilderten, leidenden Zustand nach Wien zurück kehrte, war<br />
er noch nicht einmal 35 Jahre alt.<br />
1839<br />
Johann Strauss wohnte damals noch immer im Hirschenhaus, obwohl er bereits drei Kinder<br />
mit Emilie Trambusch hatte. Über das Leben im Hirschenhaus zitiert Rudolph Freiherr Prochazka<br />
in seiner 1899 erschienenen Strauss-Biographie Johann Strauss Sohn:<br />
„Mein Vater wohnte in einem besonderen Apartement, abgesondert von der Familie,<br />
wie das bei seiner anstrengenden Lebensweise kaum anders möglich gewesen wäre. Im<br />
Fasching beschäftigte er nicht weniger als drei Kapellen, er fuhr von der einen zur<br />
anderen, dirigierte ein paar Nummern und überließ dann die Leitung dem Orchesterdirigenten.<br />
Natürlich nahm diese Tätigkeit einen großen Theil der Nacht in Anspruch.<br />
Und dann blieb er gewöhnlich noch mit guten Freunden sitzen. Er war zwar weder ein<br />
Trinker noch ein Raucher aber in lustiger Gesellschaft weilte er gern. Da wurde es dann<br />
oft recht spät, und mein Vater schlief dann bis tief in den Morgen hinein. Der Tag war<br />
gleichfalls besetzt, eine Menge von Besuchern kam, und dann forderten die Kompositionen<br />
viel Zeit. Es ist ganz natürlich, daß er da ungestört sein wollte. Dadurch aber<br />
kam es, daß er selten eine Ahnung hatte, was in der Familie drüben geschah. Nun ließ<br />
er uns zwar Unterricht geben, mir und meinem Bruder Pepi – Eduard war damals noch<br />
zu klein – aber er glaubte wir klimperten eben so schlecht und recht wie Dilettanten.<br />
Allein wir betrieben die Sache mit Passion, und ich darf wohl sagen, wir waren beide<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
173
tüchtige Klavierspieler. Davon hatte er keine Idee. Die Proben zu seinen Konzerten wurden<br />
in der Wohnung abgehalten. Wir Buben paßten genau auf jede Note, wir lebten uns<br />
in seinen Chic ein, und zu vier Händen spielten wir dann nach, was wir erlauscht hatten,<br />
flott, ganz in seinem Geiste. Er war unser Ideal. Wir waren oft in Familien geladen, bei<br />
Hohenblum, Hasenauer, Wissgrill etc., und da spielten wir dann unter großem Beifall<br />
aus dem Gedächtnisse die Kompositionen unseres Vaters. Eines schönen Tages gratulierte<br />
ihm ein Bekannter – es war der Verleger Carl Haslinger – zu unserem Erfolg. Er<br />
war nicht wenig erstaunt. ,Die Buben sollen herüberkommen‘, entschied er kurz. Wir<br />
schlichen, nichts Gutes ahnend, in das Zimmer unseres Vaters […] nun spielten wir, daß<br />
es eine Art hatte; alle Orchesterstimmen brachten wir zu Gehör. Lächelnd hörte uns der<br />
Vater zu, und man sah ihm das Vergnügen und die Rührung vom Gesichte ab. ,Buben,<br />
das spielt euch niemand nach!‘ Das war alles, was er sagte, aber zur Belohnung bekam<br />
jeder von uns einen schönen Burnus. Trotzdem wollte mein Vater nicht, daß wir uns berufsmäßig<br />
in der Musik ausbilden; auch die Mutter war nicht dafür.“<br />
Im Karneval 1839 stand der Walzerkönig, noch erschöpft von der Reise, seinem Publikum<br />
in Wien wieder zur Verfügung. Wann die Vereinbarung zwischen Johann Strauss und Joseph<br />
Scherzer über die Leitung der Musik bei den Bällen im Karneval im „Sperl“ zustande kam,<br />
ist nicht bekannt, es wäre aber interessant zu wissen. Vielleicht wusste Strauss bei seiner<br />
Abreise im Oktober 1837 schon, dass im folgenden Jahr Joseph Lanner im „Sperl“ engagiert<br />
sein würde, und nutzte diese „Sperl-freie Zeit“ für die Reise. Dies war ihm also vielleicht<br />
eine Begründung für das Fernbleiben von Wien.<br />
Gleich am 1. Januar sah sich Johann Strauss veranlasst, in der „Theaterzeitung“ öffentlich<br />
mitzuteilen, dass ein Brief, den er angeblich am 1. Dezember des Vorjahres aus Dublin<br />
geschickt haben soll und in welchem er sich abfällig über die mangelnden Tanzkünste der<br />
Engländer, insbesondere der englischen Herren, ausgelassen haben soll, nicht von ihm stamme.<br />
Der Brief wird hier nicht zitiert, denn Johann Strauss war im August in Dublin, nicht im<br />
Dezember, die Unechtheit des Briefes war also offensichtlich.<br />
Der „Humorist“ informierte seine Leser bereits am 5. Januar, dass Johann Strauss von<br />
seiner Reise zurückgekehrt und von der Seekrankheit kuriert sei, spielte also die Krankheit<br />
herunter. Jedenfalls hatten sich alle anderen Herren Gastgeber schon auf einen Fasching<br />
ohne Johann Strauss eingestellt und andere Musikdirektoren verpflichtet. Das Strauss-Orchester<br />
spielte nur im „Sperl“. Am 10. Januar fand ein Fortuna-Ball in den Sälen „zum<br />
Sperl, unter dem neuen Engagement des Herrn Capellmeisters Johann Strauss nach dessen<br />
Rückkehr von seiner Reise“ statt, wobei „einstweilen sein Orchester-Personal die Ball-Musik<br />
mit gewohnter Präcision besorgen wird“. Dasselbe traf auch für den ersten Champagner-<br />
Ball am 12. Januar zu. Erst den großen Ball am 13. Januar leitete der Meister selbst.<br />
An jenem Sonntagabend erschien Johann Strauss aber erst gegen 10 Uhr auf dem Podest<br />
und präsentierte seinem Wiener Publikum zwei neue Werke, den „Boulogner-Galopp“,<br />
Opus 104, und den Walzer „Freuden-Grüße“, Opus 105, unter dem Motto: „Überall gut – in<br />
der Heimath am besten“.<br />
Der Titel des Galopps sei für die herzliche Aufnahme, die Strauss im Vorjahr in Boulogne<br />
zuteilgeworden war, gewählt worden. Der „Humorist“ schilderte den ersten Auftritt am<br />
16. Januar in der Rubrik „Karnevalistisches“.<br />
174 Kapitel 4
Abb. 17<br />
In den „k. k. Redoutensälen“, im Saale „Zum goldenen Strauß“ und in „Dommayer’s Casino“<br />
leitete Joseph Lanner in jenem Karneval die Musik, im „Apollo-Saal“ Carl Bendl, in<br />
„Lindenbauer’s Casino in Simmering“, im „Casino im Landgut vor der Favoriten-Linie“<br />
und „Zum guten Hirten unter den Weißgärbern“ Franz Ballin, in „Zögernitz’ Casino“ Ludwig<br />
Morelly und Philipp Fahrbach in der „Goldenen Birn“.<br />
Die Serie der Bälle im „Sperl“, donnerstags waren es Fortuna-Bälle, samstags Champagner-Bälle<br />
und sonntags öffentliche Bälle, setzte sich bis Faschingende am Faschingdienstag<br />
am 12. Februar fort. Dazwischen wurden noch einige Gesellschafts- und Privatbälle abgehalten,<br />
nicht von allen sind Details bekannt.<br />
Am 16. Januar war ein Gesellschaftsball und am 22. Januar derjenige „Gesellschaftsball<br />
zur Bestreitung der nötigsten Bedürfnisse des Armen-Versorgungshauses der Leopoldstadt<br />
und Jägerzeile“, bei dem Johann Strauss die Musik persönlich leitete und sein Opus 105<br />
noch einmal spielte.<br />
Tobias Haslinger zeigte den „Boulogner-Galopp“ nach Motiven aus der Oper „Die Botschafterin“<br />
von Daniel-François-Esprit Auber am 25. Januar an und wies gleich auf die in<br />
Kurzem folgende Erstausgabe des Opus 105, „Freuden-Grüße“, hin, die am 2. März folgte.<br />
Die Oper „Die Botschafterin“ wurde am 21. Dezember 1836 in der Opéra Comique in Paris<br />
uraufgeführt.<br />
Abb. 18 Abb. 19<br />
Vielleicht waren die Wiener ob der langen Abwesenheit ihres Vorgeigers Strauss etwas verstimmt,<br />
denn Scherzer musste den Namen des Herrn Capellmeisters in den Anzeigen in großen<br />
Buchstaben drucken lassen und ab dem Fortuna-Ball am 24. Januar und bei allen folgenden<br />
Bällen wurde zusätzlich „jeder anwesenden Dame ein passendes Souvenir gespendet“.<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
175
Am 5. Februar veranstaltete Johann Strauss dann seinen einzigen eigenen Ball in jenem<br />
Karneval, wie immer bei außerordentlicher Beleuchtung und Decorierung. Er nannte das Fest<br />
in den beiden Tanz-Sälen zum „Sperl“ „Die geographische Blumenlese“ oder „Seine Lieblings-Blüthe“<br />
und führte dabei sein Opus 109, den Walzer „Exotische Pflanzen“, erstmals<br />
auf.<br />
„[…] Diese exotischen Pflanzen gedeihen auch in der Sonne unserer Säle; sie verläugnen<br />
den Kompositeur nicht, obschon einige an frühere Tänze von demselben erinnernde Motive<br />
auch herauszufinden wären. Sie wurden mit vielem Beifalle aufgenommen […]“, schrieb der<br />
„Humorist“.<br />
So ging der für die Verhältnisse von Johann Strauss ruhige Karneval zu Ende. Doch offenbar<br />
war Strauss von den Strapazen der Reise immer noch nicht erholt. Zum Ende des Faschings<br />
erlitt er erneut einen Zusammenbruch, und zwar bei einem Ball in der russischen<br />
Gesandtschaft. Das Datum des Balles ist nicht genau bekannt. Anfang März, vom 3. bis zum<br />
13., war der „Großfürst Thronfolger Alexander Nicolajewitsch von Rußland“ in Wien zu Besuch.<br />
Möglicherweise fand der besagte Ball in der Gesandtschaft während des Aufenthaltes<br />
des hohen Gastes statt.<br />
Johann Strauss hatte während der Fastenzeit Gelegenheit, sich zu erholen, Tobias Haslinger<br />
seinerseits nutzte die Zeit zur Herausgabe neuer Werke.<br />
Am 2. März erschien das Opus 105 und am 6. März Opus 106. Der „Humorist“ berichtete<br />
schon in seiner Ausgabe vom 7. August 1837, dass Johann Strauss bei einem Fest in „Dommayer’s<br />
Casino“ ein Werk mit dem Titel „Musikalischer Telegraph, Kaleidoscop von Walzern<br />
usw.“ aufgeführt habe. Ob es sich um dasselbe Werk handelte und Haslinger mit der Veröffentlichung<br />
bis 1839 gewartet hat, obwohl er im gesamten abgelaufenen Jahr 38 nur vier neue<br />
Werke von Johann Strauss ausgab, lässt sich nicht mehr überprüfen. Am 10. April folgte dann<br />
noch die Erstausgabe des Opus 107, des „Versailler-Galopps“.<br />
Zum Beginn der Frühlings-Saison schloss Joseph Lanner ein neues Engagement mit<br />
Joseph Stippberger, dem Eigentümer des Hotel „Zur goldenen Birn“, ab, „dessen reichlicher<br />
Muse von nun an das ganze Musikwesen dieser Localität anvertraut ist“. Auch in „Dommayer’s<br />
Casino“ war Lanner weiterhin tätig, in „Zögernitz’ Casino“ war wieder Ludwig<br />
Morelly engagiert, im „Casino im Landgut“ Carl Bendl, während der „Apollo-Saal“ am 21.<br />
April zum letzten Mal reich und glanzvoll für das letzte große glänzende Ballfest beleuchtet<br />
wurde. Strauss ließ sein Orchester-Personal im „Sperl“ vorerst alleine aufspielen.<br />
Abb. 20 Abb. 21<br />
176 Kapitel 4
Nach diesem Ball wurde das „Apollo“ in eine Kerzenfabrik umgewandelt. Die darin produzierten<br />
Kerzen erhielten den Namen Apollo-Kerzen. Käufer war eine Gesellschaft von<br />
Seifensiedern, die dort bis zum Brand von 1876 die „Erste österreichische Seifensieder-Gewerks-Gesellschaft<br />
Apollo“ betrieb.<br />
Johann Strauss schonte sich noch bis Anfang Mai und ließ sein Orchester-Personal die<br />
ersten Bälle ohne sein persönliches Erscheinen, durch einen „Substituten“, dirigieren.<br />
Die bereits im „Humorist“ am 16. November 1838 erwähnten, in Frankreich erschienenen<br />
„Les soirées de Vienne“ aus acht der besten Walzer von Johann Strauss in neuem Arrangement<br />
mit dazu gedichteten Texten waren ab dem 18. April auch in Wien in der Kunst- und<br />
Musikalienhandlung von H. F. Müller am Kohlmarkt zu haben.<br />
Am 1. Mai trat Johann Strauss erstmals wieder selbst vor das Publikum. Das Maifest<br />
fand in jenem Jahr als „Große Frühlings-Assemblée“ betitelt in den „Gärten und Sommer-<br />
Sälen im Sperl“ statt und nicht wie in den Vorjahren im k. k. Augarten. Johann Strauss leitete<br />
von 1 bis 4 Uhr nachmittags und bei dem Ball im Fortuna-Saal ab halb 10 Uhr abends die<br />
Musik persönlich. Dazwischen spielte das Musik-Corps des löbl. Linien-Infanterie-Regiments<br />
Hoch- und Deutschmeister unter der Leitung von Franz X. Wiskoczil. Der Besucherandrang<br />
soll enorm gewesen sein, 5.000 Menschen strömten in die Leopoldstadt. Strauss<br />
führte, wahrscheinlich bei dem Ball abends, sein Opus 110, den „Taglioni-Walzer“, „Zur<br />
Erinnerung an die gefeyerte Dlle. Marie Taglioni“ erstmals auf. Der Walzer soll sechs Mal<br />
zur Wiederholung verlangt worden sein.<br />
Abb. 22<br />
Für die Sommersaison hatte Johann Strauss die Leitung der Musik in „Zögernitz’ Casino“<br />
übernommen. Bei der ersten „Nachmittags-Conversation“ am 5. Mai leitete er die Musik<br />
persönlich, während bei dem öffentlichen Ball im „Sperl“ am selben Tag, wie auch an allen<br />
darauffolgenden Sonntagen bis Ende September, immer ein Vertreter vor dem Orchester-<br />
Personale auftrat. Die Soiréen, die ab dem 8. Mai jeden folgenden Mittwoch und Samstag<br />
in den sogenannten „Scherzer’s Gärten und Sälen zum Sperl“ stattfanden, leitete Strauss<br />
selbst. In „Zögernitz’ Casino“ fanden jeweils sonntags Conversationen und donnerstags<br />
Soiréen statt.<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
177
Anfang Mai informierten die Wiener Blätter die Bevölkerung, dass Johann Strauss die<br />
Einführung eines neuen Tanzes ankündigte, den er in Paris kennengelernt und ausgiebig<br />
studiert hatte. Es war die französische Quadrille. Zugleich tauchte auch der Begriff „Soirée<br />
dansante“ erstmals auf, eine Art der Programmgestaltung, welche dem Publikum sowohl<br />
konzertante Genüsse als auch die Freude des Tanzens an einem Abend ermöglichen sollte.<br />
Die erste Ankündigung lautete:<br />
„Die in diesen Blättern bereits früher erwähnten Soiréen unseres gefeierten Strauss im<br />
Sperl nehmen künftigen Mittwoch, den 8. Mai, ihren Anfang und werden daselbst jeden Mittwoch<br />
und Samstag fortgesetzt. Hr. Strauss beabsichtigt insbesondere jeden Samstag Soirées<br />
dansantes zu veranstalten, welche diesen Unterhaltungen einen neuen Reiz verleihen dürften,<br />
indem von halb acht Uhr bis zehn Uhr Musikstücke sowohl ernsteren als heiteren Inhaltes<br />
aufgeführt werden, und von zehn Uhr bis Mitternacht Strauss die geehrten Anwesenden<br />
durch seine lebensfrischen Melodien zum Tanzen einladen wird, unter welchen Tänzen auch<br />
jedesmal eine ,französische Quadrille‘ vorkommt. Auf diese Art könnte es Strauss gelingen,<br />
die beliebte Quadrille in Wien einheimischer zu machen, die wir erst jetzt durch seine treffliche<br />
Ausführung kennen lernen werden, und durch deren Production er sich selbst in Paris<br />
bei den vornehmen Cirkeln des lebhaftesten Beifalls zu erfreuen hatte“ 4<br />
In den Anzeigen der „Wiener Zeitung“ taucht der Begriff „Soirée dansante“ erstmals am<br />
14. August auf und bezeichnet die Veranstaltung am 15. August im „Sperl“ als solche. Dommayer<br />
verwendete die neue Bezeichnung erst für seine Soirée dansante am 26. September.<br />
Der Begriff wird am 15. Oktober 1844 an bleibender Bedeutung erfahren.<br />
Der 25. Galopp von Johann Strauss, das Opus 108, der „Gitana-Galopp“, erschien bei<br />
Tobias Haslinger am 14. Mai. Galoppe wurden separat nummeriert, erschienen aber mit den<br />
hier verwendeten Opus-Zahlen auch in allen bekannten Opus-Listen. Am 22. Juni erschien<br />
das Opus 109, der Walzer „Exotische Pflanzen“.<br />
Strauss war also im Mai an vier Tagen in der Woche im „Sperl“ und in „Zögernitz’Casino“<br />
beschäftigt. Montag, Dienstag und Donnerstag waren noch frei.<br />
Am 5. Juni erschien die Ankündigung, dass Johann Strauss, „eines erneuten Engagements<br />
zu Folge“, die Musik in „Dommayer’s Casino“ persönlich dirigieren und bemüht sein<br />
werde, „den huldvollen Beyfall eines hohen Adels und geehrten Publicums, womit derselbe<br />
früher in dieser Localität durch 9 Jahre beglückt wurde […] zu erhalten“. Zunächst war<br />
eine große Soirée am 6. Juni ab 7 Uhr abends annonciert. Warum Dommayer während der<br />
Saison von Joseph Lanner zu Johann Strauss wechselte, ist nicht bekannt.<br />
Abb. 23<br />
4 ANNO/Österreichische Nationalbibliothek: Allgemeine Theaterzeitung vom 4. Mai 1839, Seite 444.<br />
178 Kapitel 4
Die erste Veranstaltung unter diesem neuen Engagement beim Dommayer war eine „Soirée<br />
musicale“ am 2. Juni, bei der 2.000 Personen anwesend waren und über die der „Humorist“<br />
in einem langen Artikel in der Rubrik Lokales berichtete: „Die Wirren sind geebnet, die<br />
Ruhe wieder hergestellt, Alles ausgeglichen, Dommayer und Strauss wieder vereinigt […].<br />
Strauss war wieder heute ganz der alte, elektrisierte, voll Leben und Grazie!“ Welches neue<br />
Quodlibet Strauss vortrug, ist nicht bekannt.<br />
Durch das zusätzliche Engagement bei Dommayer gab es Überschneidungen im Kalender,<br />
die im Laufe des Juni ausgeräumt werden sollten. Zunächst aber war für den 10. Juni<br />
in den „Sälen und Lustgärten zum Sperl“ ein Blumenfest geplant, welches wegen eingetretener<br />
ungünstiger Witterung unterbleiben musste und am 12. Juni nachgeholt wurde. Dabei<br />
präsentierte Johann Strauss sein Opus 112, den Walzer „Londoner Saison“. 2.000 Personen<br />
sollen die Uraufführung miterlebt haben.<br />
Wahrscheinlich waren die Leser der „Wiener Zeitung“ nicht wenig erstaunt, als sie am<br />
22. Juni auf Seite 890 des Anhangs die folgende Anzeige lasen:<br />
Abb. 24<br />
Strauss und Lanner zeigten also an, dass sie von nun an ihre „musikalischen Productionen<br />
gemeinschaftlich in sämtlichen Localitäten in Ausführung bringen werden und zwar abwechselnd<br />
von Woche zu Woche“.<br />
Diese angedachte Zusammenarbeit, sie beschränkte sich auf die beiden Casinos von<br />
Dommayer und Zögernitz und überlebte das Jahr 1839 nicht, wurde in keiner bekannten<br />
Veröffentlichung über Johann Strauss Vater erwähnt. In vielen Büchern wird eine angebliche<br />
Rivalität in den Vordergrund gestellt, die es in dieser Form nicht gab.<br />
Es gibt keinen Anhaltspunkt, warum sich die beiden Capellmeister zu dieser Zusammenarbeit<br />
entschlossen hatten, sicherlich kann man aber einen Grund ausschließen, nämlich die<br />
Furcht vor Konkurrenz. Der Kalender von Johann Strauss war ab Juni jedenfalls wieder<br />
ziemlich voll, nämlich mit Conversationen in „Zögernitz’ Casino“ an Sonntagen, ab Juni<br />
sonntags auch mit Conversationen in „Dommayer’s Casino“, an Dienstagen Soiréen in „Zögernitz’<br />
Casino“, an Mittwochen große Soiréen im „Sperl“, an Donnerstagen große Soiréen<br />
in „Dommayer’s Casino“ und an Samstagen große Soiréen im „Sperl“, die Montage und<br />
Freitage waren frei.<br />
Nachdem Strauss beim „Dommayer“ die Leitung der Musik übernommen hatte, spielte<br />
Lanner nur noch freitags Soiréen in der „Goldenen Birn“. Zumindest gab es keine Anzeigen<br />
über sonstige regelmäßige Produktionen.<br />
In den übrigen Localitäten, welche ihre Veranstaltungen in der „Wiener Zeitung“ annoncierten,<br />
waren tätig: Ludwig Morelly im „Casino im Landgut“, abwechselnd Morelly<br />
oder Johann Sehr in den „Lichtenberger’schen Sommer-Localitäten“, die Regiments-Kapelle<br />
Hoch und Deutschmeister unter Wiskoczil im „Casino Garten Simmering“ und „Zum<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
179
großen Zeisig“, Franz Ballin oder Johann Sehr im „Casino Gaudenzdorf“, die Regiments-<br />
Musik Erzherzog Carl unter Mang oder das Musik-Corps des Pionier’Corp unter Knofel<br />
im „Colosseum“ und Leopold Leberbauer im „Salon- und Badhausgarten Heiligenstadt“.<br />
Zunächst veranstaltete Johann Strauss am 25. Juni ein großes Fest mit Ball im neu<br />
wiedergewonnenen „Dommayer’schen Casino“ in Hitzing, welches er „Die Überraschung<br />
auf dem Lande, oder Bilder schöner Erinnerungen“ betitelte. Hitzing war die<br />
Schreibweise in den Anzeigen, nicht Hietzing.<br />
Für jenen Abend komponierte er das Opus 115, den Walzer „Rosenblätter“, und führte<br />
ihn erstmals auf.<br />
Am 30. Juni begann die erstmalige Zusammenarbeit zwischen Strauss und Lanner.<br />
Lanner übernahm an jenem Sonntag die „Nachmittags-Conversationen in Dommayer’s<br />
Casino“, während Strauss in Ober-Döbling bei Zögernitz spielte. Am folgenden Sonntag,<br />
dem 7. Juli, tauschten die beiden, am 14. Juli war es wieder so wie am 30. Juni. Ab dem<br />
4. Juli kam donnerstags eine zusätzliche Soirée bei Zögernitz ins Programm. Die erste<br />
davon dirigierte Strauss, dafür übernahm Lanner die große Soirée beim „Dommayer“,<br />
am nächsten Donnerstag tauschten die beiden und eine Woche später wieder zurück.<br />
Lanner spielte aber nicht im „Sperl“ und Strauss nicht „In der goldenen Birn“. Ob die<br />
Anzeige über die Zusammenarbeit wirklich so gemeint war, bleibt unklar.<br />
Die „Capelle des k. k. priv. Prager bürgerl. Scharfschützten-Corps“ war im Juli „mit<br />
Urlaub auf Kunstreise“, also zu Besuch in Wien, und absolvierte Gastauftritte in einigen<br />
Lokalen, am 18. Juli „In der goldenen Birn“, am 21. Juli in „Zögernitz’ Casino“ und auch<br />
„Zum großen Zeisig“. Dort übernahm Joseph Lanner die Ausführung von Soiréen. Diejenige<br />
am 20. wurde angekündigt, weitere nicht. Am 21. Juli wurde bei einem großen Fest<br />
unter dem Titel „Das Binderfest im Colosseum“ als Vorfeier des Brigitten-Kirchtages<br />
das Riesen-Fass mit 4.800 Eimern Fassungsvermögen eröffnet. 1837 wurde bereits über<br />
die Attraktionen im Colosseum geschrieben.<br />
Ebenfalls am 18. Juli annoncierte Tobias Haslinger die beiden Opera 67 und 77 von<br />
Johann Strauss in der „Wiener Zeitung“ mit dem Hinweis, dass Johann Strauss diese<br />
beiden „Walzer-Guirlanden“ bei seinen musikalischen Soiréen mit Erfolg vortrage und<br />
diese die schönsten Nummern früherer Walzer beinhalteten. Vielleicht war Strauss mit<br />
neuen Kompositionen in Bedrängnis, weil er auf seiner langen Reise zu wenig komponiert<br />
hatte, wollte aber keine alten Werke einfach wiederholen und hat daher daraus<br />
Guirlanden geschaffen.<br />
Am 26. Juli spielten Strauss und das „Musik-Corps des k. k. Infanterie-Regimentes<br />
Erzherzog Carl unter Kapellmeister Mang“ bei einer Abendunterhaltung auf dem „Wasser-Glacis<br />
zur Feier des Allerhöchsten Namensfestes Ihrer Majestät der Kaiserinn“ bei<br />
einem großen Fest, über welches der „Humorist“ ausführlich berichtete. Der Ertrag war<br />
zum Besten des Waisenhaus-Fonds bestimmt. Der Bericht über das Fest im „Humorist“<br />
beschreibt: „am Wasserglacis, diesem grünen Vorhause der Stadt, diesem einladenden<br />
Schattengange, auf dem sich der Städter befindet, wenn er nur ein Paar Schritte aus<br />
seinem Zimmer macht, diesem Lieblings-Ort von Groß und Klein, Jung und Alt, wohin<br />
die bejahrte Welt sich des Morgens begibt, um sich von Leber- und Milzverhärtungen<br />
zu befreien, die Kinderwelt Nachmittags, um auf dem freien, großen Platz sich in seinen<br />
Spielen zu ergötzen, und die elegante Welt des Abends, um zu sehen und gesehen zu wer-<br />
180 Kapitel 4
den. […] Hr. Kapellmeister Strauss mit seinem großen vortreffl ichen Orchester spielte<br />
zum ersten Mal an diesem Öffentlichen Orte. Dieser Umstand wirkte magnetisch: eine<br />
so zahlreiche Menschenmenge aus den elegantesten Klassen eingefunden, wie nie an<br />
diesem Orte beisammen war, zum Sitzen war beinahe kein Plätzchen zu bekommen und<br />
um 8 Uhr war der große Vorrath an Gefrorenem […] bereits erschöpft.“ Besonders mit<br />
seinen Quadrilles elektrisierte Strauss die Menge.<br />
Für die Ankündigung seines nächsten großen Festes am 29. Juli im „Sperl“ reservierte<br />
Johann Strauss gleich eine halbe Seite in der „Wiener Zeitung“. In Riesenbuchstaben<br />
kündigte er ein „außerordentliches Fest mit Ball unter dem Titel Rübezahl’s Zauber-<br />
Gefi lde im Festschmuck in den Gärten und Sälen zum Sperl“ an. Es war der zweite Tag<br />
des Brigittenauer Kirchweihfestes. Der Zusatz „bei günstiger Witterung“ war immer<br />
erforderlich, auch dieses Fest fiel nämlich zunächst dem Wetter zum Opfer und wurde<br />
schließlich am 5. August nachgeholt. Aber auch an jenem Tag war es stürmisch, das Fest<br />
fand zwar statt, aber „der Haupteffect der Illumination wurde dadurch gänzlich gestört<br />
und viele Tische blieben unbenutzt“, das Fest war also kein Erfolg. Der Walzer „Die<br />
Berggeister“, Opus 113, wurde an jenem Abend aus der Taufe gehoben.<br />
Die Titelvignette der Klavierausgabe zeigt die Dekoration der Sperl-Lokalitäten an<br />
jenem Abend, mittels derer Strauss seine Besucher in jenes Geisterreich Rübezahls entführen<br />
wollte.<br />
Abb. 25 Abb. 26<br />
Johann Strauss wiederholte das Fest eine Woche darauf, am 12. August, um vielseitig ausgesprochenen<br />
Wünschen zu begegnen, und es fand dann wohl ungestört statt. Tags darauf,<br />
am 13. August, veranstaltete Johann Strauss in „Dommayer’s Casino“ eine „außerordentliche<br />
Soirée“. Neben einem besonderen Arrangement kündigte Strauss die Teilnahme von<br />
„2 Musik-Chören“ an. Wer außer seinem Orchester noch spielte oder ob er zwei eigene<br />
Orchester aufbot, ist nicht bekannt. Gleiches bot er am nächsten Tag bei einer von ihm veranstalteten<br />
Soirée in den „Sälen und Lustgärten zum Sperl“. Am Tag darauf fand dort eine<br />
„Soirée dansante“ statt. Es war der 15. August, Maria Himmelfahrt, an welchem Tag wohl<br />
die donnerstäglichen Veranstaltungen beim Dommayer und Zögernitz unterblieben und daher<br />
der Termin für die Soirée mit Tanz frei wurde.<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
181
Am 1. August zeigte Tobias Haslinger erstmals das Opus 110, den „Taglioni Walzer –<br />
Zur Erinnerung an die gefeyerte Dlle. Marie Taglioni“, dessen Uraufführungsdatum nicht<br />
ganz klar ist, an.<br />
Zwei Tage später legte Haslinger ein vollständiges Verzeichnis von sämtlichen<br />
Walzern von Johann Strauss, welche bei ihm erschienen sind, kostenlos in jedes Exemplar der<br />
„Wiener Zeitung“ und zeigte die Beilage auch in dem Blatt selbst an.<br />
Marie Taglioni, welcher das Opus 110 gewidmet war, war eine italienische Tänzerin, sie<br />
war der Star des romantischen Balletts. Sie galt als erste Meisterin des Spitzentanzes. Ihre<br />
Weltkarriere nahm ihren Anfang, als sie 1832 an der Pariser Oper in dem Ballett „La Sylphide“<br />
auftrat. Sie verließ das Ballett nach Engagements an der „de l’Opéra de Paris“ und dem<br />
„Mariinski Ballett“ in St. Petersburg und setzte sich 1847 als Tänzerin zur Ruhe, arbeitete<br />
aber weiter als Tanzlehrerin.<br />
Für Anfang September hatte Strauss eine erneute Kunstreise geplant. Da dem Kapellmeister<br />
Strauss kurzfristig „die hohe Ehre zu Teil wurde sich vor dem allerhöchsten Hofe<br />
in Schönbrunn produzieren zu dürfen“, mussten die Reise nach Brünn sowie die bereits für<br />
jenen Tag geplanten Veranstaltungen in der mährischen Hauptstadt verschoben werden.<br />
Am 3. September brach Johann Strauss schließlich auf, in jenem Jahr allerdings nur<br />
für drei Tage und nur ins nahe Brünn. Am 3. und 4. September spielte das Strauss-Orchester<br />
jeweils bei musikalischen Akademien im Theater in Brünn und abends bei Bällen<br />
in der Redoute Brünn, dem Reduta Theatre, dann war auch schon wieder die Rückreise<br />
nach Wien, wo Strauss im „Sperl“ inzwischen vom „Musik-Chor des Regiments Hoch- und<br />
Deutschmeister unter Capellmeister Wiskoczil“ vertreten worden war und wo man Anfang<br />
September schon Vorkehrungen für den Fall von kühler Witterung traf und die Wintersäle<br />
herrichtete.<br />
Abb. 27<br />
Am 7. Juli 1839 wurde die Eisenbahnlinie Wien–Brünn der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“<br />
fertiggestellt und der erste Zug erreichte die Stadt. Sicherlich reiste Strauss mit seinem Orchester-Personal<br />
mit der Bahn nach Brünn. Ein weiterer Besuch Brünns noch vor Advent<br />
1839, wie vom „Humorist“ angekündigt, kam nicht zustande. Ebenso wenig eine Reise nach<br />
Graz, von wo Strauss Ende Oktober einen „für ihn äußerst schmeichelhaften Ruf“ bekommen<br />
haben soll.<br />
182 Kapitel 4
Abb. 28 Abb. 29<br />
1839 fuhren die ersten Züge über den von Carl Ritter von Ghega gebauten Eisenbahnviadukt<br />
bei Brünn, die Strecke von Wien nach Brünn beträgt ca. 130 Kilometer.<br />
Am 11. September veröffentlichte Tobias Haslinger den „Indianer Galopp“, den 26. Galopp,<br />
das Opus 111, dessen Uraufführungsdatum und -ort nicht bekannt sind. Der tüchtige<br />
Haslinger ließ sich ständig Neues einfallen, um seinen Star zu vermarkten und seinen<br />
Reichtum zu vermehren. Am 19. September veröffentlichte er die erste einer Reihe von<br />
„Sammlungen der schönsten Walzer von Johann Strauss im leichteren Style und in leichten<br />
Tonarten für das Pianoforte“ unter dem Titel „Die junge Tänzerinn“. Die erste Anzeige umfasste<br />
eine Sammlung von zehn Heften, gleich zehn Walzern.<br />
Zum Beschluss der Sommersaison folgte, vielseitig ausgesprochenen Wünschen zufolge,<br />
eine „Soirée dansante“ am 26. September in „Dommayer’s Casino“, die am 3. Oktober,<br />
zum Besten der durch Feuer Verunglückten in Lainz, noch einmal wiederholt wurde.<br />
Im Verlag von Tobias Haslinger erschienen im Oktober und November zahlreiche Werke<br />
von Strauss. Am 1. Oktober kamen als „Reminiscence de J. Strauss 6 Rondinos élégants“<br />
aus Melodien von Strauss-Walzern von Carl Haslinger heraus, tags darauf die Erstanzeige<br />
des Opus 112, des Walzers „Londoner Saison“, und wieder einen Tag später die nächste<br />
Sammlung von „Die junge Tänzerinn“, weitere 6 Hefte, gleich sechs Walzer; am 2. November<br />
folgten die „Strauss Soirées“, eine Sammlung beliebter Musikstücke, vier Hefte mit 16<br />
Werken von Strauss und anderen Komponisten, sowie am 4. November erstmals das Opus<br />
113, der Walzer „Die Berggeister“ und gleich am darauffolgenden Tag die nächste Sammlung<br />
von „Die junge Tänzerinn“, allerdings nur aus dem Opus 113 bestehend.<br />
Den Abschluss der Saison bildete die letzte Soirée am 15. Oktober im „Sperl“, danach<br />
folgten sonntags „außergewöhnliche Soiréen mit Ball in sämtlichen Sälen zum Sperl“ sowie<br />
die Nachmittags-Conversationen in „Dommayer’s Casino“ und „Zögernitz Casino“, nicht<br />
mehr abwechselnd von Lanner und Strauss geleitet, sondern bei Dommayer spielte Strauss,<br />
bei Zögernitz Lanner, wie der „Humorist“ meldete.<br />
Für den „Sperl“ kündigte Strauss eine Neuerung an, denn ab dem 6. Oktober fanden in<br />
beiden Sälen des „Sperl“ außergewöhnliche Soiréen mit Ball statt und Johann Strauss teilte<br />
sein Orchester. Im oberen Saal wurden Soiréen und im unteren Bälle abgehalten.<br />
Die Meldung im „Humorist“ am 21. September lautete: „Konversationsfreunden kündigen<br />
wir die baldigen Herbstreunionen in ihrer neuen Gestalt an. Hr. Lanner wird von<br />
dieser Zeit an nicht mehr mit seinem Rivalen Strauss hinsichtlich der Unterhaltungsorte<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
183
wechseln. – Hr. Lanner wird für diese Saison stets die Reunion in den Zögernitz’schen Lokalitäten<br />
übernehmen, während Hr. Strauss die Dommayer’schen Säle in Hietzing für sich<br />
ausschließlich behält. – Hr. Strauss wird übrigens in den Sperl-Lokalitäten zur Ausscheidung<br />
des verschiedenen Geschmacks des Publikums eine neue Umänderung vornehmen, es<br />
wird nämlich ein doppeltes Orchester spielen, und zwar in den oberen Sälen gewöhnliche<br />
Konversationsmusik unter Strauss’ persönlicher Leitung – während in dem Fortunasaale<br />
ein zweites Orchester dieses Meisters bloß Tanzmusik spielen wird. – Diese Unterhaltungen<br />
werden stets Sonntag abgehalten werden, um dadurch auch an diesem Tage dem gebildeten<br />
Publikum den Zutritt nicht zu verleiden“.<br />
Das letzte Fest zum Vorteil von Johann Strauss im Jahr 1839 war der Katharinen-Fest-<br />
Ball in den „Sälen zum Sperl“, welchen er am 25. November veranstaltete und für den er<br />
seine Opera 114 und 116, den „Furioso-Galopp nach Liszt’s Motiven“ und den „Wiener<br />
Gemüths-Walzer“ komponierte und abends uraufführte. Der Galopp von Franz Liszt war<br />
der „Grand Galop Chromatique“. Joseph Lanner veranstaltete sein Ballfest am gleichen Tag<br />
im Hotel „Zur goldenen Birn“.<br />
Franz List war für eine acht Jahre dauernde Konzerttournee durch ganz Europa in Wien<br />
eingetroffen und gab sein erstes Konzert am 19. November im Musikvereinssaal. Er reiste<br />
zu Konzerten nach Wien, Preßburg und Pest und in den folgenden Jahren rastlos durch<br />
Europa. Am 8. Dezember soll Liszt trotz fiebriger Erkältung eine Conversation von Johann<br />
Strauss in den Sälen „Zum Sperl“ besucht haben, bei der das Werk aufgeführt und vier Mal<br />
wiederholt werden musste.<br />
Anfang Dezember waren die Vorbereitungen für den kommenden Karneval bereits weit<br />
fortgeschritten, denn am 5. Dezember kündigte Joseph Scherzer in der „Wiener Zeitung“ an,<br />
dass „bezüglich des Carnevals 1840 nur mehr wenige Tage zur Besetzung frei sind“, dass<br />
„die beiden Säle durchaus auch getrennt“ gemietet werden können und „daß die Musik<br />
stets unter der persönlichen Direction des Herrn Capellmeister Johann Strauss“ stehen<br />
wird.<br />
Abb. 30<br />
184 Kapitel 4
Noch einmal kurz zurück in den Juli und August. Am 9. Juli, dem 27. Juni des julianischen,<br />
des alten Kalenders, soll Johann Strauss von der Direktion der Zarskoje-Selo-Eisenbahn,<br />
die zwischen St. Petersburg und Pawlowsk unter maßgeblicher Mitwirkung des österreichischen<br />
Eisenbahnpioniers Franz Anton Ritter von Gerster entstanden ist, eine Anfrage<br />
erhalten haben, um im neu errichteten sogenannten „Vauxhall-Gebäude“ an der Endstation<br />
in Pawlowsk eine hochwertige Salon- und Unterhaltungsmusik zu übernehmen. 1838 war<br />
Strauss auf Auslandsreise und daher dafür nicht verfügbar. Nun versuchten es die russischen<br />
Manager für das Jahr 1840 erneut. Strauss sollte persönlich zu Verhandlungen kommen<br />
oder schreiben, ob er bereit sei, mit seinem Orchester dort zu spielen. Auf die wiederholte<br />
Anfrage vom 31. August (19. August) soll er angeblich reagiert und eine Honorarforderung<br />
über 40.000 Gulden (knapp 900.000 Euro in heutiger Kaufkraft!) gestellt haben, und zwar<br />
für den Zeitraum vom 1. April bis 1. Oktober 1840, für ein sechsmonatiges Gastspiel mit<br />
24 Mann. Der Entwurf des Antwortschreibens liegt im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde<br />
in Wien. Doch erneut ist nichts daraus geworden, erst später soll Pawlowsk für<br />
alle drei Strauss-Söhne von nachhaltiger Bedeutung werden. Andererseits berichtete der<br />
„Humorist“ am 20. Februar bereits, dass die „Direction der Zarskoje-Selo-Eisenbahn“ dem<br />
Karlsbader Kapellmeister Labitzky, dem „böhmischen Strauss“, ein ähnliches Angebot unterbreitet<br />
haben soll.<br />
Am 10. Oktober 1837 wurde die erste Eisenbahnlinie Russlands zwischen St. Petersburg<br />
und Pawlowsk eröffnet. Das Bahnhofsgebäude, welches unmittelbar am Eingang zum<br />
Schlosspark errichtet wurde, diente gleichzeitig als eine Art Kursaal und Konzertgebäude,<br />
in dem neben den musikalischen Berühmtheiten Franz Liszt und Robert Schumann alle drei<br />
Söhne von Johann Strauss auftraten. Johann Strauss Sohn war zwischen 1856 und 1865 in<br />
zehn aufeinanderfolgenden Jahren und 1869 noch einmal in Pawlowsk engagiert.<br />
Weitere Ereignisse 5<br />
Politik<br />
3. Februar: Im Kaisertum Österreich tritt das Kaiserlich österreichische Familienstatut in<br />
Kraft, die Heiratsordnung der habsburgischen Dynastie.<br />
19. April: Das Londoner Protokoll (Londoner Konferenz) wird von den europäischen Großmächten<br />
unterzeichnet; in Folge wird Belgien völkerrechtlich anerkannt und die Provinz<br />
Limburg wird Teil des Deutschen Bundes.<br />
23. August: Die Briten besetzen Hongkong, um eine Operationsbasis für einen Krieg mit<br />
dem Kaiserreich China zu haben.<br />
Verkehr<br />
7. April: Fertigstellung und Verkehrsaufnahme der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke<br />
Leipzig–Dresden.<br />
5 https://de.wikipedia.org/wiki/1839<br />
Die große Reise von Johann Strauss 1838 und 1839<br />
185
Wissenschaft und Technik:<br />
11. Juni: Die Beleuchtung der Stadt Wien mittels Gas schreitet voran. Im Jahr 1838 waren<br />
bereits der Stephansplatz und die ersten umliegenden Straßen beleuchtet. Im laufenden Jahr<br />
kamen weitere Straßen hinzu.<br />
6. September: Der Bau der Kaiser-Ferdinand-Wasserleitung, welche die Stadt Wien mit fließendem<br />
Wasser aus der Gegend um Nußdorf versorgte, schritt voran. Das Verfahren zur<br />
Verteilung des Wassers war ein Geniestreich.<br />
20. Dezember: In Wien wurde bereits eine bedeutende Strecke auf der Wasserkunstbastei<br />
mit Asphalt befestigt. Diese neue Methode erregte Aufmerksamkeit.<br />
Sonstiges<br />
23. März: Erstmals wird der Gebrauch von OK als Abkürzung für „all correct“ in der Zeitung<br />
„Boston Morning Post“ dokumentiert.<br />
Geboren<br />
20. April: Karl I., rumänischer Fürst und König († 1914).<br />
30. April: Karl Salvator, österreichischer Erzherzog und Prinz von Toskana († 1912).<br />
8. Juli: John D. Rockefeller, US-amerikanischer Unternehmer († 1937).<br />
10. Juli: Adolphus Busch, deutsch-amerikanischer Unternehmer, Brauereibesitzer († 1913).<br />
186 Kapitel 4
Kapitel 5<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss
1840<br />
Die musikalische Fusion Strauss-Lanner gab es ab dem neuen Jahr nicht mehr. Lanner<br />
exekutierte die Musik im Hotel „Zur goldenen Birn“ und in „Zögernitz’ Casino“,<br />
welches ab damals anstatt „Casino Zögernitz“ so bezeichnet wurde, Strauss im<br />
„Sperl“ und in „Dommayer’s Casino“. Zu der angekündigten Alternierung im „Sperl“ und<br />
„Zur goldenen Birn“ kam es nicht.<br />
Abb. 1<br />
In den Sälen „Zum Lichtenberg am Schottenfeld“ und „Zum Feldmarschall Loudon“ in<br />
Weidlingau war Franz Ballin engagiert, Ludwig Morelly im „Goldenen Steg“ am Ende der<br />
Währingergasse und in „Lindenberger’s Casino“ in Simmering, Philipp Fahrbach im „Goldenen<br />
Strauß“ im Theater-Gebäude in der Josephstadt.<br />
Joseph Scherzer hatte seine Ball-Liste offenbar rechtzeitig geordnet und veröffentlichte<br />
einen interessanten Ball-Kalender mit dem Titel „Sperl’s Bälle im Carneval 1840“. Die<br />
Musik bei den Bällen war stets unter der „persönlichen Direction des Herrn Kapellmeisters<br />
Johann Strauss“.<br />
Den Beginn machte der Hyacinthen-Ball am Samstag, dem 11. Januar. Diese Bälle fanden<br />
jeden Samstag statt, jeden Sonntag waren öffentliche Bälle und jeden Donnerstag die<br />
beliebten Fortuna-Bälle im „Sperl“. Dazwischen wurde eine Anzahl von Privatbällen, Gesellschaftsbällen<br />
und Subsrciptionsbällen angesetzt, insgesamt waren in dem langen Karneval<br />
43 Bälle geplant. In der „Goldenen Birn“ waren 41 und im Gasthaus „Zum Goldenen<br />
Strauß“ 38 Bälle geplant.<br />
Abb. 2<br />
189
Vor dem Karneval fanden bereits die Sonntagnachmittags-Conversationen ab 3 Uhr in<br />
„Dommayer’s Casino“ und die Conversationen, ebenfalls sonntags, ab halb 8 Uhr in den<br />
Sälen „Zum Sperl“ statt, und zwar am 5. Januar, und am Feiertag, dem 6. Januar, bei denen<br />
Strauss für die Musik engagiert war. Am gleichen Tag gab es eine Beleuchtungsprobe im<br />
„Sperl“, welche „mit sinniger und zahlreicher Verteilung der Kerzen […] an äußerer Pracht<br />
alle Erwartungen in hohem Grade übertraf“.<br />
Auch die Tanzlehrer A. Rabel und Franz Reiberger sowie die Gesellschaft der Musikfreunde<br />
kündigten sehr zeitig ihre jeweiligen Bälle, ebenfalls in den Sälen „Zum Sperl“, an.<br />
Dann begann der Karneval und er dauerte 1840 acht lange Wochen, denn Fastnachts-<br />
Dienstag war erst am 3. März. Dieser Karneval sollte bestimmt werden vom neuen französischen<br />
Tanz, der Quadrille. Johann Strauss soll eine Partie Quadrillen von Musard aus Paris<br />
erhalten haben und sowohl Strauss als auch Lanner komponierten für den Karneval eigene.<br />
Gleich beim ersten Hyacinthen-Ball am 11. Januar führte Strauss sein Opus 117, den<br />
„Ghibellinen-Galopp“ (oder Gibellinen-Galoppe), nach Motiven aus der Oper „Die Gibellinen<br />
in Pisa“ zur beibehaltenen Musik der Oper „Die Hugenotten“ von Giacomo Meyerbeer<br />
auf.<br />
Die Uraufführung der Oper „Die Hugenotten“ war im Theater in der Josephstadt am 6.<br />
September 1839 unter dem Namen „Die Gibelinnen in Pisa“ und am 12. Dezember 1839 im<br />
Kärntnertor-Theater unter dem Namen „Die Welfen und Gibelinnen“ zu sehen.<br />
Am 12. Januar gab Tobias Haslinger die beiden „Contratänze“ von Johann Strauss, nämlich<br />
die Opera 44 und 54, noch einmal zusammen heraus. Dies wohl deshalb, weil die Contratänze<br />
den neuen französischen Quadrillen ähnelten und quasi als Überbrückung dienten,<br />
bis die neuen Quadrillen der Herren Kapellmeister fertigkomponiert und gedruckt waren.<br />
Für den geschlossenen Subscriptions-Ball unter dem Titel „Comité-Ball“ am 21. Januar<br />
wurde eine neu componierte Quadrille, noch ohne Namen, angekündigt. Sie erhielt die<br />
Opus-Zahl 124 und den Titel „Wiener Carnevals-Quadrille“.<br />
Abb. 3<br />
190 Kapitel 5
Jener Ball wurde von einem neu gegründeten Comité veranstaltet, welches die Ballszene<br />
revolutionieren wollte, „eine völlige Umwälzung der bisherigen öffentlichen Tanzsitte nach<br />
sich ziehen und im Falle einer beyfälligen Aufnahme sich in allen folgenden Karnevalen<br />
realisieren dürfte“. Die Eleganz eines Balles sollte künftig nach nichts anderem als nach der<br />
Anzahl der Quadrillen bemessen werden. Der Tanz sei „elegant und würde der Gesundheit<br />
des Körpers nicht im Mindesten schaden, die Füße schweben ganz ruhig über dem Boden,<br />
da sieht man kein Zerren und Reisen wie bei den Galoppen und Walzern, sondern Grazie<br />
und Anmut“. Dramatisch geändert hat sich wohl nichts und die Quadrille hat die Ballordnung<br />
nicht revolutioniert. Weitere reine „Quadrillen-Feste“ sind weder im Karneval 1840<br />
noch später bekannt und der Walzer geriet keinesfalls in Verfall, wie in der Ball-Annonce<br />
vorausgesagt wurde.<br />
Interessant ist die Ballordnung für diesen und selbstredend für viele Bälle der Epoche,<br />
modern in Französisch ausgegeben, nämlich:<br />
„I. Polonaise, II. Valse, III. Contredanse, IV. Valse avec Galop, V. Contredanse, VI. Valse,<br />
VII. Contredanse, VIII. Cotillon, IX. Valse, X. Contredanse, XI. Valse avec Galop, XII.<br />
Contredanse, XIII. Valse, XIV. Contredanse, XV. Valse“. 1<br />
Die Damen erhielten Souvenirs, die in solcher Eleganz und mit solcher Pracht noch<br />
bei keinem Ball vorhanden gewesen waren. Allerdings wurden nur 500 Stücke verfertigt,<br />
diese Beschränkung geschah im Interesse der Gesellschaft.<br />
„Diese Souveniers, auch Ballspende oder Damenspende genannt, waren ein kleines,<br />
vom Veranstalter eines Tanzballs zumeist beim Betreten des Ballsaals an die Damen überreichtes<br />
Geschenk. Die Gepflogenheit der kunstvoll ausgestalteten Ballspenden erreichte<br />
ihren Höhepunkt zwischen 1880 und 1900, erlebte ihre letzte Blüte in der Epoche des Jugendstils,<br />
verebbte in der Not und Bedrängnis des Ersten Weltkrieges und lebte schließlich<br />
in späteren Jahren als sinnentleertes Relikt in der heute bekannten Gestalt weiter.<br />
Heute gibt es sie aber auch noch bei traditionellen Bällen, wie dem Wiener Opernball.<br />
Die Damenspende ist in ihrer ursprünglichen Form untrennbar verbunden mit der<br />
festgelegten Tanzordnung eines Balles, die wiederum für die jeweilige Dame eine sehr<br />
wesentliche Rolle spielte. […]. Das Mädchen oder die Dame erschien in Begleitung<br />
der Eltern oder einer Anstandsdame am Ball und hoffte auf die verschiedensten Tanzpartner.<br />
Durch Pflicht oder Neigung veranlasste Herren baten nun die Dame – möglichst<br />
frühzeitig – um Reservierung bestimmter in der Tanzordnung angekündigter<br />
Tänze, was, um alle Verwirrung zu vermeiden, in die Tanzkarte eingetragen wurde.<br />
[….]<br />
Eine Ballspende war häufig als kunstvolles Büchlein (Carnet de bal) gestaltet.<br />
Auf den ersten Seiten war meist die Tanzfolge gedruckt und humorvolle Artikel. Dann<br />
folgten leere Seiten für die Tanzeinträge. Hierfür war ein in die Lasche eingeschobener<br />
Bleistift vorgesehen. Die Urform der Ballspende war die Tanzkarte. Später wurden<br />
auch Fächer, Krüge, Vasen, Trinkgefäße, Plaketten, Statuetten, Miniaturen von<br />
Gebäuden und Musikinstrumenten oder Spiegel als Ballspenden überreicht. […]“<br />
1 ANNO Der Adler vom 21. Januar 1840, S. 143.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
191
Abb. 4 Abb. 5<br />
Am 28. Januar fand der traditionelle große und glänzende Gesellschafts-Ball zum Besten<br />
des Armen-Versorgungshauses der Leopoldstadt und Jägerzeile in den Sälen „Zum Sperl“<br />
statt.<br />
Die Bälle in „Dommayer’s Casino“ begannen erst am 25. Januar mit dem ersten Gesellschafts-Ball.<br />
Nicht eindeutig nachzuweisen sind der „Societé Ball beim Sperl“ am 15. Januar, der<br />
Gesellschaftsball des Herrn G. im „Sperl“ am 20. Januar und der Hofball im Ballsaal der<br />
kaiserlichen Residenz am 23. Januar. Johann Strauss soll die Auszeichnung zuteilgeworden<br />
sein, die Musik bei diesem zu dirigieren.<br />
Dies war der erste Hinweis, dass Strauss bei k. k. Hof- und Kammerbällen die Musik<br />
dirigieren durfte. Philipp Fahrbach schreibt in einem Aufsatz 1847, dass er, während der<br />
großen Reise von Strauss 1838 nach Paris, London und Hamburg, diese höchste Auszeichnung<br />
genossen habe.<br />
Daraus lässt sich schließen, dass Johann Strauss schon vor 1838 bei Hof engagiert war,<br />
wenn es auch bis zur Verleihung des Titels k. k. Hofball-Musikdirektor noch dauern sollte.<br />
Weitere Bälle, die im „Sperl“ stattfanden, waren die bereits erwähnten Bälle der Gesellschaft<br />
der Musikfreunde am 3. Februar und der Gesellschafts-Ball des F. Reiberger am 12.<br />
Februar. Bei Ersterem erlebte das Opus 120, der „Cäcilien-Walzer“ von Strauss mit dem<br />
beliebten Tremolo, seine Uraufführung.<br />
Ebenfalls nicht genau nachzuweisen ist der Ball der Hörer der Medizin im „Sperl“, für<br />
den Strauss das Opus 119, den Walzer „Tanz-Recepte“, komponierte.<br />
Für den Gesellschafts-Ball am 5. Februar wurden die „Sperl-Säle“ zum ersten Mal mit<br />
„privilegirten Apollo-Kerzen“, die im ehemaligen Apollo-Saal produziert wurden und deren<br />
Verkauf Mitte Januar begonnen hatte, beleuchtet.<br />
Abb. 6 Abb. 7<br />
192 Kapitel 5
Für den Hyacinthen-Ball am 8. Februar und den öffentlichen Ball am 9. Februar wird in der<br />
Anzeige extra darauf hingewiesen, dass an beiden Tagen in beiden Sälen „Zum Sperl“ getanzt<br />
und dass der Herr Capellmeister Johann Strauss die Musik persönlich dirigieren werde.<br />
Beim Gesellschafts-Ball des Vereins für erwachsene Blinde am 11. Februar, ebenfalls in<br />
den Localitäten „Zum Sperl“ in der Leopoldstadt, führte Strauss sein Opus 118, eine Walzerpartie<br />
unter dem Titel „Myrthen“, „Zur Vermählungs-Feyer Ihrer Majestät der Königin<br />
Victoria von England mit Sr. königl. Hoheit dem Prinzen Albert von Sachsen-Coburg“ auf.<br />
Die junge englische Königin hatte tags zuvor in London geheiratet, sie war noch nicht 21<br />
Jahre alt und wurde 9 Monate und 11 Tage danach bereits Mutter.<br />
Durch den erhalten gebliebenen Ballkalender wissen wir auch von Privatbällen im<br />
„Sperl“, die in den Wiener Zeitungen nicht angekündigt und auch selten besprochen wurden,<br />
so wie der Ball des Herrn Schwarz am 10. Februar. Der Tanzlehrer Reiberger zeigte seinen<br />
Gesellschafts-Ball am 12. Februar an und konnte Johann Strauss persönlich ankündigen.<br />
Bei dem gleichzeitig im Fortuna-Saal des „Sperl“ stattgefunden habenden Gesellschafts-<br />
Ball unter dem Titel „Concordia-Ball“ wurde dagegen nur „das Orchester des Herrn Capellmeisters<br />
Johann Strauss“ angekündigt. Der Veranstalter dieses und weiterer Concordia-<br />
Bälle war ein Herr Aloys Kompos. Besonders die von Herrn August Lang komponierten<br />
„Concordiawalzer“ und eine Quadrille erregten Aufsehen.<br />
Den großen Fest-Ball, den Johann Strauss am 17. Februar selbst in beiden Sälen „Zum<br />
Sperl“ veranstaltete, betitelte er „die verhängnisvolle Faschingsnacht“, wobei „von Seite<br />
des Festgebers, (welcher sowohl durch die Sinnigkeit als auch die äußere Pracht seiner Arrangements<br />
dem hiesigen Publikum auf das Vortheilhafteste bekannt ist) nichts unterlassen<br />
wird, den glänzendsten Effekt zu erzielen, und dießmal durch eine äußerst glückliche Idee<br />
unterstützt, über welche bis an den Produktionsabend ein geheimnißvolles Dunkel waltet,<br />
und die auf eine äußerst pikante Art den Titel des Festes charakterisieren wird, seine früheren<br />
Feste noch zu übertreffen“. 2<br />
Inmitten des Karnevals verließ Franz Liszt nach einem Abschiedskonzert in den k. k.<br />
Redoutensälen am 16. Februar Wien. Ein tragisches Ereignis im Kaiserhaus dürfte im Karnevalstrubel<br />
wenig Beachtung gefunden haben. Am 5. Februar starb die einzige Tochter von<br />
Erzherzog Franz Carl und Erzherzogin Sophie, Schwester des späteren Kaisers, die 5-jährige<br />
Maria Anna Carolina (1835–1840), zum „empfindlichsten Leidwesen des Allerhöchsten<br />
Hofes“, an Epilepsie.<br />
Abb. 8<br />
2 ANNO Der Humorist, 8. Februar 1840, S. 136.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
193
Aus dem Fasching 1840 stammt wohl auch dieses berühmte Bild mit dem Titel „Der große<br />
Galop von Joh. Strauss“, das in der „Theaterzeitung“ abgebildet war und den „Sperl“-Saal<br />
darstellen soll. Es zeigt Johann Strauss auf der Empore, ein 50-köpfiges Orchester dirigierend,<br />
während im Saal eine große Galoppade abläuft.<br />
Der große Galop von Johann Strauss,<br />
Wiener Theater Zeitung, satirische Beilage 1839. Abb. 9<br />
In den k. k. Redoutensälen war Johann Strauss in jenem Karneval nicht tätig. Dort spielte,<br />
zumindest am 26. Januar und am 9. Februar, Joseph Lanner.<br />
Wegen der Ausführung der Hof- und Kammerbälle gab es Diskussionen zwischen dem<br />
Hofmusikbeamten Graf Thaddeus Amadé und dem Obersthofmeister Fürst Colloredo-<br />
Mannsfeld. Am 6. Januar schrieb der mit Strauss befreundete Graf an seine Durchlaucht<br />
Fürst Colloredo-Mannsfeld:<br />
„Nachdem ich von allen Seiten angegangen werde, mich bey Eurer Durchlaucht zu verwenden,<br />
um das Orchester von Strauss unter seiner Direction wieder auf die Hofbälle<br />
zu bringen, und als ich die Ehre hatte, persönlich diese Frage an Eure Durchlaucht<br />
zu stellen, aber keine definitive Antwort erhielt, so nehme ich mir die Freyheit, nochmal<br />
anzufragen, welcher von beyden, nehmlich Lanner oder Strauss, Eure Durchlaucht<br />
zu nehmen erlauben, und bitte gehorsamst, Hochdero gnädigsten Befehl diesfalls zu<br />
ertheilen.“<br />
Fürst Colloredo-Mannsfeld antwortete,<br />
„dass Strauss durch sein bekanntes, früheres Benehmen nicht verdient, besonders berücksichtigt<br />
zu werden, und dass es im hohen Grade ungerecht seyn würde, den Lanner,<br />
den man aufgefordert hat, in Innsbruck, Mailand und Venedig mit seiner Gesellschaft<br />
sich einzufinden und der auch dort sehr gute und gegen sehr billige Bezahlung Dienste<br />
194 Kapitel 5
geleistet hat, nun wieder ganz zurückzusetzen und ihm auf solche Art zu schaden […]<br />
in Hinkuft sowohl Lanner als auch Strauss alternierend bei den Hofbällen einzusetzen.<br />
Über die Hofbälle in jenem Jahr sind keine Details bekannt, von Strauss-Diensten bei Hofbällen<br />
wissen wir nur von der Quadrille von Musard, die mit dem Zusatz „aufgeführt bei<br />
k. k. Hofbällen von Johann Strauss“ von Haslinger veröffentlicht und angezeigt wurde.<br />
Tobias Haslinger war wie immer sehr eifrig. Er zeigte während des Karnevals den „Furioso-Galopp“,<br />
den Walzer „Rosenblätter“, die Opera 114 und 115 von Strauss, die Quadrilles<br />
von F. H. Musard, Quadrilles und den „Hyacinthen-Galopp“ seines Sohnes Carl, welche<br />
Strauss beide, den Galopp bei den gleichnamigen Bällen im „Sperl“, aufführte, an.<br />
Der Walzer „Rosenblätter“ enthielt die Widmung „zur Erinnerung an die gefeyerte Dlle.<br />
Caroline Ungher“, eine österreichische Sängerin, die im Teatro La Fenice in Venedig sang<br />
und im Frühjahr 1839 in Wien gastierte.<br />
Am 3. März war auch jener lange Fasching zu Ende. Im März und April fanden lediglich<br />
die Sonntagnachmittags-Conversationen in „Dommayer’s Casino“ und die Conversationen<br />
sonntagabends in den Sälen „Zum Sperl“ statt. Johann Strauss dirigierte die Musik<br />
persönlich.<br />
Bei Haslinger erschien am 24. März das Opus 116, der „Wiener Gemüths-Walzer“, er<br />
war Fürst Nicolaus Esterházy-Galantha gewidmet.<br />
Josef Georg Daum eröffnete am 1. März das „Neue Elysium“ (auch Elisium), eine biedermeierliche<br />
Erlebniswelt in den Kellerräumen des Klosters St. Anna, unterhalb des St.-Annahofs<br />
in der Johannesgasse 4, in der Inneren Stadt. Das Lokal, programmatisch als „unterirdische<br />
Wanderung durch die Welt“ bezeichnet, wurde zu einer der Hauptattraktionen des<br />
vormärzlichen Wien. Hier wurden grottenbahnartig die großen Kontinente präsentiert, für<br />
den Transport sorgte eine unterirdische Pferdeeisenbahn. Musik, Tanz, akrobatische Darstellungen<br />
und kulinarische Genüsse wurden geboten, es gab auch Projektionsvorstellungen<br />
(Nebelbilder) nach Art der Laterna magica. Im Dezember 1840 bereicherte Daum sein Etablissement<br />
um den zunächst fehlenden Kontinent Australien. 3 Franz Ballin leitete die Musik.<br />
In allen anderen Lokalen begannen die Vorbereitungen auf die Frühlingssaison. Im<br />
„Sperl“ wurden wie im Vorjahr am 1. Mai die Gärten und Sommer-Säle mit einer großen<br />
Frühlings-Assemblée eröffnet. Johann Strauss dirigierte die Musik von 1 bis 4 Uhr nachmittags<br />
und von 7 Uhr abends bis Mitternacht.<br />
Am 5. Mai 1840 begann schließlich eine Epoche, welche weit über ein halbes Jahrhundert<br />
währen sollte. An jenem Dienstag dirigierte Johann Strauss Vater zum ersten Mal<br />
in dem Lokal, welches damals „Corti’s Kaffehhaus-Localität im k. k. Volksgarten und Paradiesgarten“<br />
hieß, es war eine große Sommer-Soirée. Johann Strauss Vater und die drei<br />
Strauss-Söhne dirigierten in den kommenden fünf Jahrzehnten fast ohne Unterbrechung das<br />
Strauss-Orchester in den „Localitäten des k. k. Volksgarten“. Zahlreiche Feste wurden dort<br />
abgehalten und unzählige Strauss-Werke erlebten ihre Uraufführung in diesem Lokal. Im<br />
neuen Jahrhundert spielte Johann Strauss Enkel noch verschiedentlich bei Konzertserien.<br />
In der Folge des Jahres 1840 leitete Strauss die Musik bei großen Sommer-Soiréen im<br />
k. k. Volksgarten an Dienstagen.<br />
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Elysium_(Wien)<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
195
Abb. 10<br />
Die Serie der sonntäglichen öffentlichen Bälle in den „Sommer-Sälen des Sperl“, bei denen,<br />
wie im Vorjahr, die Musik vom Orchester-Personal ohne den Maestro Johann Strauss zur<br />
Aufführung gebracht wurde, begann am 3. Mai und dauerte bis zum Ende der Saison. Über<br />
die Gründe, warum diese Vereinbarung zwischen Joseph Scherzer und Johann Strauss zustande<br />
kam, ist nichts bekannt. Soiréen des Herrn Capellmeisters Johann Strauss in den<br />
„Gärten und Sommer-Sälen des Sperl“ (oder „Scherzer’s Lustgärten und Säle“) fanden jeden<br />
Mittwoch und Samstag statt.<br />
Am 8. und 12. Mai erschienen wieder neue Werke von Johann Strauss im Verlag Haslinger,<br />
die Opera 117 und 118, der „Gibellinen-Galopp“ und der Walzer „Myrthen“.<br />
Später im Monat Mai wurde der Freitag, auf vielseitiges Verlangen, zusätzlich mit einer<br />
Sommer-Soirée im „Paradiesgarten“ und ab dem 21. Mai der Donnerstag durch Soiréen<br />
in „Dommayer’s Casino“ belegt, wodurch die Strauss-Kapelle für die Sommersaison an<br />
sechs Wochentagen engagiert war. Nur der Montag war noch frei und wurde oft für die Veranstaltung<br />
von Festen genutzt, dienstags waren große Sommer-Soiréen im „k. k. Volksgarten“,<br />
mittwochs und samstags Soiréen in „Scherzer’s Lustgärten und Sälen“, dem „Sperl“,<br />
donnerstags Soiréen in „Dommayer’s Casino“, freitags die genannten Sommer-Soiréen<br />
im „Paradiesgarten“ und sonntags Nachmittags-Conversationen in „Dommayer’s Casino“<br />
vereinbart. Sonntagabends begleitete das Orchester-Personal die öffentlichen Bälle in den<br />
Sommer-Sälen des „Sperl“.<br />
Für den Fall von kühler Witterung sorgte Corti vor. Die Sommer-Soiréen wurden dann<br />
vom „Paradiesgarten“ in den „Salon des k. k. Volksgarten“ verlegt.<br />
Abb. 11<br />
196 Kapitel 5
Der „Paradiesgarten“ oder „Paradeisgartl“ auf der Loewelbastei lag an der Stelle, wo heute<br />
das Burgtheater steht, und verfügte über einen Musikpavillon.<br />
Philipp Fahrbach spielte damals im „Casino-Garten in Simmering“, im „Schwarzen Adler“<br />
in Rustendorf, in „Den 5 Lerchen unter den Weissgärbern“, im „Goldenen Vogel“ in<br />
Mariahilf, in der „Österreichischen Kaiserkrone“ in der Fuhrmannstraße in der Leopoldstadt<br />
und im „Weißen Lamm“ in Neulerchenfeld, Ludwig Morelly im „Casino im Landgut“,<br />
Joseph Lanner in „Zögernitz’ Casino“, in der „Goldenen Birn“, im „Großen Zeisig“<br />
und in „Unger’s Kaffeehaus“ vor der Hernalser Linie. Das „Elysium“ schloss am 7. Mai<br />
für den Sommer, Franz Ballin übernahm die Musik im „Casino zu Gauzendorf“, in den<br />
„Sieben Churfürsten“, im „Weißen Engel“ in Hietzing und in der „Bierhalle und Garten zu<br />
Fünfhaus“.<br />
Im Colosseum in der Brigittenau spielte das k. k. Pionier-Trompeter-Corps und ein „Colosseum’s<br />
Haus-Corps“, das ab 4 Uhr nachmittags türkische Musik im Park aufführte und<br />
mit klingendem Spiel mit mehreren Waggons der Brigittenauer Eisenbahn vom Ende der<br />
Leopoldstadt bis zum Colosseum fuhr.<br />
„Als ältester Vorläufer der Pferdestraßenbahn wurde 1834–1842 eine Schienenstrecke<br />
vom Rotenturmtor entlang des Donaukanals über den heutigen Gaußplatz und durch die<br />
Jägerstraße in die Brigittenau zum Kolosseum geführt. Es handelte sich um eine auf Holzschienen<br />
laufende Bahn, bei der das Pferd zwischen zwei Wagen so eingespannt war, dass es<br />
den einen zog und den anderen schob. Ab 14 Uhr verkehrten diese Züge täglich alle Viertelstunden.<br />
Als 1842 die Vergnügungsstätte geschlossen wurde, musste auch die Pferdeeisenbahn<br />
ihren Betrieb einstellen.“ 4<br />
Abbildung der Brigittenauer Eisenbahn in einer<br />
Abb. 12<br />
Anzeige zu einer Veranstaltung im „Colosseum“<br />
Mitte Mai gab es wieder einmal traurigen Anlass zur Gemeinnützigkeit. Das Dorf Gänserndorf<br />
war durch ein großes Feuer fast völlig abgebrannt. Der Brand soll durch die Dampfeisenbahn<br />
ausgelöst worden sein. Am 15. Mai fand zur Unterstützung der durch den Brand<br />
Verunglückten eine außerordentliche Soirée im k. k. Volksgarten statt, bei der Johann Strauss<br />
die Musik besorgte.<br />
In der „Goldenen Birn“ wurde am 18. Mai ein großes Gartenfest, verbunden mit einem<br />
glänzenden Ball, für die Verunglückten veranstaltet. Die Regiments-Musik Hessen-Homburg<br />
spielte im Garten, Joseph Lanner leitete die Ballmusik.<br />
4 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Brigittenauer_Pferdeeisenbahn<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
197
Am 29. Mai veranstaltete Augustin Corti, als am „Vorabende der Feyer des Allerhöchsten<br />
Nahmensfestes Sr. Majestät des Kaisers“ eine „grosse Fest-Soirée verbunden mit einer<br />
brillanten Illumination im k. k. Volksgarten“, zu der außer der Strauss-Kapelle auch das<br />
„Musik-Corps des Regiments Hessen-Homburg unter A. Nemetz“ beitrug und für die Johann<br />
Strauss ein Werk namens „May-Bouquets von Strauss“ komponierte. Das Werk ist in<br />
keiner Opus-Liste enthalten. Möglicherweise war es ein Potpourri aus anderen Werken von<br />
Strauss.<br />
Das beliebte Blumenfest im „Sperl“ fand in Verbindung mit einem großen Ball am 1.<br />
Juni statt.<br />
Der Fronleichnamstag 1840 fiel auf den 18. Juni. Wie jedes Jahr spielte Johann Strauss<br />
in seiner Funktion als „Capellmeister des löbl. Ersten Wiener Bürger-Regimentes“ bei<br />
der Fronleichnamsparade. Den traditionellen Parade-Marsch komponierte jenes Jahr Carl<br />
Haslinger für Strauss. Dessen Vater Tobias veröffentlichte das Werk am 19. Juni, wie alle<br />
Werke, in der „Wiener Zeitung“. Joseph Lanner war übrigens „Capellmeister des zweiten<br />
Wiener Bürger-Regiments“.<br />
Ab dem 10. Juli verlegte Corti die Freitags-Soiréen permanent in den „Salon des<br />
k. k. Volksgarten“, da die unstete Witterung diese im Paradiesgarten sowieso meistens verhinderte.<br />
Am zweiten Tag des Brigittenauer Kirchtages (Strauss nennt ihn in seiner Anzeige „Brigittenauer<br />
Volksfest“), dem 13. Juli, veranstaltete Johann Strauss sein erstes Sommerfest,<br />
eine außerordentliche Assemblée mit Ball, in „sämtlichen Gärten und Sälen zum Sperl“,<br />
die er „Der Spiegel des Frohsinns“ nannte. Er komponierte für diesen Abend sein Opus 122,<br />
den Walzer „Palmzweige“.<br />
Das Fest fand erfolgreich statt, und auch der neue Walzer wurde bejubelt.<br />
Am darauffolgenden Montag, dem 20. Juli, wurde Johann Strauss erneut Vater. Carl<br />
(oder Karl) Joseph Trambusch kam in Wien, Stadt 806, bereits die dritte Adresse, an denen<br />
Kinder aus der Beziehung mit Emilie geboren wurden, zur Welt. Er starb bereits nach wenigen<br />
Wochen, die Datumsangaben variieren zwischen dem 11. August und dem 30. August<br />
1840, an Fraisen (Epilepsie, Krampfanfälle).<br />
Abb. 13<br />
Am 24. Juli veranstaltete Herr Corti eine Fest-Soirée zum Namensfest der Kaiserin Maria<br />
Anna im k. k. Volksgarten. Johann Strauss trug an jenem Abend mehrere große Tonstücke<br />
mit verstärktem Orchester und Chor vor. Das „Musik-Corps des Regiments Hessen-Homburg<br />
unter Leitung von Andreas Nemetz“ spielte teils abwechselnd, teils vereint mit der<br />
198 Kapitel 5
Strauss-Kapelle. Anfang war um 5 Uhr nachmittags, der Zusatz „bei günstiger Witterung“<br />
war in jenem Sommer angebracht, das Fest fand aber statt.<br />
Zur Feier des Annen-Tages kam Johann Strauss am Sonntag, dem 26. August, nach der<br />
„Nachmittags-Conversation in Dommayer’s Casino“ persönlich zum „Sperl“, wo an allen<br />
anderen Sonntagen sein Orchester-Personal unter Leitung eines Substituten die Musik exekutierte,<br />
um bei einem großen Festball die Musik persönlich zu dirigieren.<br />
Die einzige Unterhaltungsveranstaltung, welche alljährlich in der Rubrik Kundmachung<br />
im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ angekündigt wurde, war die in jenem Jahr am 27. Juli<br />
veranstaltete Abendunterhaltung am „Wasser-Glacis vor dem Carolienen-Thore […] mit<br />
Bewilligung der k. k. Nied. Oesterr. Landesregierung zur Feier des Namensfestes Ihrer Majestät<br />
der Kaiserinn zum Besten des k. k. Waisenhaus-Fonds“, für die Johann Strauss „aus<br />
eigenem Antriebe und mit Rücksicht auf den wohltätigen Zweck die Aufstellung und persönliche<br />
Leitung seines ausgezeichneten Orchesters“ übernommen hatte. Im Kiosk spielte die<br />
Regiments-Musik Hessen-Homburg abwechselnd.<br />
Abb. 14<br />
Am 5. August zeigte Tobias Haslinger das Opus 119, den Walzer „Tanz-Recepte“, erstmals<br />
an. Das Werk war „Den Herren Hörern der Medizin“ gewidmet und wurde bei deren Ball<br />
im Karneval 1840 uraufgeführt. Datum und Ort der Uraufführung können nicht genau bestimmt<br />
werden. Tags darauf setzte er die Ausgaben von weiteren Heften von „Die junge<br />
Tänzerinn“ fort.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
199
Abb. 15 Abb. 16<br />
Am 3. August gestattete die Witterung endlich die Abhaltung eines lange angekündigten<br />
Festes auf das „Wasserglacis“, zugunsten des Waisenhausfonds. „Strauss, der unwiderstehliche<br />
Magnet für alle Walzerfreuden, hatte […] in edler Uneigennützigkeit“ unentgeltlich<br />
sein treffliches Orchester geleitet und abwechselnd mit der Regiments-Musik Hessen-Homburg<br />
die Musik produziert.<br />
Das nächste der Serie der Feste, welche Johann Strauss veranstaltete – es waren weniger<br />
als in anderen Jahren und die wenigen waren weniger aufwendig ausgestattet –, war eine<br />
außerordentliche Assemblée mit Ball unter dem Titel „Der Kirchtag im Olymp“ in „Dommayer’s<br />
Casino“ am 10. August. Für dieses Fest komponierte Strauss das Opus 123, den<br />
Walzer „Amors-Pfeile“.<br />
Vermutlich fiel auch dieses Fest der Witterung zum Opfer und es wurde erst am<br />
13. August ausgeführt. Der „Humorist“ berichtete in der Rubrik „Locales“ ausführlich darüber.<br />
„Der neue Walzer wurde lautstark 3 – 4 Mal zur Wiederholung verlangt.“<br />
Am 4. September plante Johann Strauss, eine große musikalische Fest-Soirée im k. k.<br />
Volksgarten zu veranstalten. Im Falle von günstiger Witterung sollten an jenem Abend mehrere<br />
große Tonstücke mit verstärktem Orchester und Chor zur Aufführung kommen. Besonders<br />
zu bemerken war, auf vielseitiges Verlangen, „Die nächtliche Heerschau“, Ballade von<br />
Freyherr von Zedlitz, Musik von A. E. Titl, sowie der Jäger-Chor aus der Oper „Euryanthe“<br />
von C. M. von Weber. Wieder war das „Musik-Corps Hessen-Homburg“ teils abwechselnd<br />
und teils vereint mit dem Strauss-Orchester vorgesehen. Das Fest konnte erst beim zweiten<br />
Versuch eine Woche später stattfinden.<br />
Am 14. September war die Erstanzeige des Opus 120 im Verlag Tobias Haslinger. Der<br />
„Cäcilien-Walzer“ mit dem beliebten Tremolo wurde bei dem „Ball der Gesellschaft der<br />
Musikfreunde des Oesterr. Kaiserstaates zum ersten Mahle von Johann Strauss aufgeführt“.<br />
Leider ist über den Ball nichts bekannt.<br />
Tobias Haslinger ergänzte die Anzeige mit dem Vermerk: „Diese überaus gelungenen<br />
Walzer erfreuen sich insbesondere bey jedesmahliger Aufführung eines höchst ehrenvollen<br />
Beyfalles“.<br />
200 Kapitel 5
Abb. 17 Abb. 18<br />
Die Sommersaison in „Dommayer’s Casino“ wurde am 17. September mit einer Soirée<br />
dansante beschlossen, die letzte Wochentags-Soirée der Saison beim „Sperl“ war am<br />
3. Oktober.<br />
An den beiden Sonntagen, am 18. Oktober und am 1. November, erschien Johann Strauss<br />
wieder im „Sperl“ oder in „Scherzer’s sämtlichen Sälen zum Sperl“. Bei den Soiréen mit<br />
Ball spielte ab 7 Uhr abends im unteren Saal das Orchesterpersonal die Ballmusik, während<br />
ab 8 Uhr abends im oberen Saal Johann Strauss die Soirée persönlich dirigierte. Die Besucher<br />
konnten an jeder Unterhaltung nach Belieben abwechselnd teilnehmen.<br />
Am 24. Oktober erfuhr das Hause Habsburg einen weiteren Schicksalsschlag. Nach dem<br />
Tod der Tochter im Februar wurde Ihre kaiserliche Hoheit, die durchlauchtigste Erzherzogin<br />
Sophie, wie die „Wiener Zeitung“ trocken berichtete, „abends von einem leider toten Erzherzoge<br />
entbunden. Höchstdieselbe befanden sich so wohl, als es die Umstände erlaubten“.<br />
Der spätere Kaiser Franz Joseph war zehn Jahre, alt als sein Bruder tot geboren wurde.<br />
In „Dommayer’s Casino“ war ab dem 22. November wieder Joseph Lanner für die Musik<br />
an Sonn- und Feiertagen verpflichtet. Johann Strauss spielte erst nach Lanners Tod 1843<br />
wieder bei Ferdinand Dommayer. Was zu diesem erneuten Wechsel führte, ist nicht bekannt.<br />
Philipp Fahrbach übernahm dafür die Musik bei den Conversationen in „Zögernitz’ Casino“<br />
von Lanner.<br />
Das letzte große Fest des Jahres fand traditionell am 25. November, dem Katharinen-<br />
Tag, statt. Johann Strauss kündigte für jenen Tag an, eine „außerordentliche Fest-Soirée<br />
und Ball in den sämmtlichen Sälen zum Sperl bey brillanter Beleuchtung“ zu veranstalten.<br />
Der Einladung fügte er bei, „daß er besonders bemüht seyn wird, durch die mannigfaltigste<br />
Art Vergnügungen diesen Abend zu einem festlichen zu bilden, zu welchem Zwecke 3<br />
Musik-Chöre mitwirken werden“. Das Programm war interessant, getanzt wurde in beiden<br />
Sälen. Vor dem Beginn des Balles fand in den oberen Sälen von 8 bis halb 10 Uhr abends<br />
ein musikalisches Ständchen statt, bei welchem die Ballade von Zedlitz, „Die nächtliche<br />
Heerschau“, wiederum auf Verlangen, aufgeführt wurde. Außerdem erlebte das Opus 126,<br />
die Fantasie „Erinnerung an Ernst, oder Der Carneval von Venedig“ nach Ernsts Burleske,<br />
an jenem Tag seine Uraufführung.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
201
Bei dem anschließenden Ball wurde eine weitere Neuheit, der Walzer „Elektrische Funken“,<br />
Opus 127, erstmals gespielt. Die beiden anderen Orchester waren ein zweites Strauss-<br />
Orchester im unteren Saal und die Regiments-Musik Hessen-Homburg in einem Verbindungssaal.<br />
Joseph Lanners Katharinen-Fest bei der „Goldenen Birn“ fand unter dem Titel „Terpsichorens<br />
letzte Feier im Jahre 1840“ statt und auch Lanner komponierte neue Walzer mit<br />
dem Titel „Die nächtlichen Wanderer“ eigens für dieses Fest. Der „Humorist“ berichtete über<br />
beide Feste.<br />
Im Vorverkauf kosteten die Eintrittskarten jeweils 40 kr. C.M., an der Kasse mussten die<br />
Besucher im „Sperl“ 1 fl. C.W. zahlen, während sie auf der Landstraße nur die Hälfte kosteten.<br />
Heinrich Wilhelm Ernst, an den Johann Strauss in seinem Opus 126 erinnert, war ein<br />
mährischer Violinist und Komponist. Er gilt als einer der größten Geiger des 19. Jahrhunderts.<br />
Er wurde 1814 in Brünn geboren und starb 1865 in Nizza.<br />
An den restlichen Sonntagen des Jahres fanden „Conversation bei besonderem Arrangement<br />
in den Sälen des Sperl“ statt, in den oberen Sälen trug Johann Strauss und in den unteren<br />
Sälen die Regiments-Musik Hessen-Homburg ab halb 8 Uhr abends die neuesten Opernstükke<br />
und andere Piecen ernsterer Gattung vor. In der Adventzeit wurden keine Walzer gespielt!<br />
Die letzte Erstanzeige von Tobias Haslinger in jenem Jahr war das Opus 122, der Walzer<br />
„Palm-Zweige“.<br />
Joseph Daum hatte über den Sommer seinen beliebten Belustigungsort „Elysium“ im St.<br />
Annahof zwischen der Annagasse 3 und Johannesgasse 4, unmittelbar neben der Wiener St.-<br />
Anna-Kirche, um eine „Localität“, die er „Australien“ nannte, erweitert und am 26. Dezember<br />
mit einer Reunion wiedereröffnet.<br />
Weitere Ereignisse 5<br />
Politik und Weltgeschehen<br />
10. Februar: Hochzeit des Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha und der britischen<br />
Königin Victoria.<br />
27. April: Der Grundstein für den Neubau des britischen Parlamentsgebäudes Palace of Westminster<br />
wird gelegt. Das vorige Gebäude war durch einen großen Brand im Jahr 1834 weitgehend<br />
zerstört worden.<br />
7. Juni: In Berlin verstarb kurz vor Fronleichnam am 7. Juni der preußische König Friedrich<br />
Wilhelm III. aus dem Adelshaus der Hohenzollern. Er war seit 1797 König von Preußen.<br />
Nachfolger wurde sein gleichnamiger Sohn Friedrich Wilhelm IV. Zar Nikolaus I. von Rußland<br />
reiste zur Beerdigung seines Schwiegervaters nach Berlin.<br />
In Preußen tritt nach dem Tode von König Friedrich Wilhelm III. sein Sohn Friedrich Wilhelm<br />
IV. die Regentschaft an.<br />
Wissenschaft und Technik<br />
20. Juni: Samuel F. B. Morse erhält vom United States Patent Office das Patent für den von<br />
ihm erfundenen Schreibtelegrafen.<br />
5 https://de.wikipedia.org/wiki/1840<br />
202 Kapitel 5
Wirtschaft<br />
4. Juli: Die Reederei Cunard Line richtet regelmäßige Dampfschiffverbindungen zwischen<br />
Liverpool und Halifax sowie Boston ein. Die RMS Britannia ist das erste im Postdienst eingesetzte<br />
Schiff.<br />
17. August: Das Kaisertum Österreich nimmt als zweite Bahnverbindung die Strecke Mailand–Monza<br />
in Betrieb. Sie wird später Teil der Lombardisch-venetianischen Eisenbahnen.<br />
Mit dem Teilstück Mannheim–Heidelberg der Badischen Hauptbahn wird die erste Eisenbahnlinie<br />
in Baden eröffnet.<br />
kultur<br />
12. September: Der Komponist Robert Schumann heiratet in Schönefeld bei Leipzig mit gerichtlicher<br />
Zustimmung Clara Wieck, deren Vater jeden Kontakt der beiden verbot und das<br />
Eingehen dieser Ehe ablehnte.<br />
geboren<br />
7. Mai: Pjotr Tschaikowski, russischer Komponist († 1893).<br />
7. Juni: Charlotte, mexikanische Kaiserin († 1927).<br />
21. November: Victoria, preußische Königin und deutsche Kaiserin († 1901).<br />
gestorben<br />
27. Mai: Niccolò Paganini, italienischer Violinist und Komponist (* 1782).<br />
7. Juni: Friedrich Wilhelm III., preußischer König (* 1770).<br />
29. Juni: Lucien Bonaparte, Bruder von Napoleon Bonaparte (* 1775).<br />
1841<br />
Bereits am 1. Januar leitete Johann Strauss eine Conversation bei besonderem Arrangement<br />
in den Sälen „Zum Sperl“, wobei „ab halb 8 Uhr in den oberen Sälen das Strauss-Orchester<br />
und in den unteren Sälen die Militär-Musik unter Leitung von A. Nemetz die neuesten<br />
Opernstücke und andere Piecen ernsterer Gattung“ vortrugen.<br />
Abb. 19<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
203
Ein „Carnevals-Kalender“ des „Sperl“ für das Jahr 1841 ist nicht erhalten. Während des Carnevals,<br />
der bis zum 23. Februar dauerte, fanden „in den Sälen zum Sperl“ gemäß Anzeige<br />
in der „Wiener Zeitung“ ab 6. Januar jeden Sonntag öffentliche Bälle, jeden Donnerstag die<br />
beliebten Fortuna-Bälle und jeden Samstag Rococo-Bälle statt.<br />
Über die sonstigen öffentlichen Bälle und Gesellschafts-Bälle gab der Saal-Inhaber ein<br />
eigenes Verzeichnis heraus, das im „Sperl“ zu haben war, das aber leider nicht bekannt ist,<br />
sodass die Anzeigen in den Tageszeitungen Auskunft geben.<br />
Dass Johann Strauss im „Sperl“ auch jenes Jahr wieder die Musik leitete, erwähnte<br />
Scherzer gar nicht erst extra. Es war wahrscheinlich allseits bekannt. Insgesamt waren 52<br />
Bälle, nämlich 37 im oberen und 15 im unteren Saal, geplant.<br />
Joseph Lanner war wie im Vorjahr wieder für die Musik „in dem ganz neu decorierten<br />
Saale zur goldenen Birn“ und in „Dommayer’s Casino“ zuständig.<br />
Der erste Rococo-Ball im „Sperl“ fand am Samstag, dem 9. Januar, statt, der erste öffentliche<br />
Ball tags darauf. Der Tanzlehrer A. Rabel, der im Vorjahr den Tanz „Lance“ erfunden<br />
hatte, hielt seine geschlossenen Gesellschafts-Bälle „beym Sperl“ ab, den ersten am 19. Januar,<br />
den zweiten und letzten am 3. Februar und engagierte ebenfalls Johann Strauss für die<br />
Ballmusik, genau wie „die anonym bleiben wollenden Herren G. und W.“, die ebenfalls im<br />
„Sperl“ geschlossene Gesellschafts-Bälle abhielten.<br />
Über den Veranstalter des geschlossenen Gesellschafts-Balles am 20. Januar „in dem Saale<br />
zum Sperl“ gibt es keine Klarheit. In einer Annonce war für jenen Tag ein Ball des Herrn<br />
W. angekündigt. Der Veranstalter selbst kündigte seinen Ball in der „Wiener Zeitung“ mit der<br />
Unterschrift „Der Lehrer der schnellen Tanzmethode“ an. Möglicherweise soll sich der Tanzmeister<br />
Corvin dahinter versteckt haben. Ein Tanzlehrer mit einem Nachnamen, der mit W.<br />
beginnt, ist nicht bekannt. Für den zweiten Ball des „Herrn Lehrer der schnellen Tanzmethode“<br />
am 15. Februar stellte Johann Strauss sein Orchester zur Verfügung. Er selbst blieb fern.<br />
Für den Maskenball zum Besten der Armen, den die Gesellschaft der adeligen Damen<br />
schon traditionell mit einer Lotterie verbunden in den k. k. Redoutensälen abhielt, leitete<br />
Joseph Lanner die Musik, in „Lindenbauer’s Casino in Simmering“ war Ludwig Morelly<br />
engagiert und im „Elysium“, wo neben Bällen auch unterirdische Wanderungen durch die<br />
Welt stattfanden, wurden bis zu sechs verschiedene Musiken aufgeboten, die Ballmusik leitete<br />
Franz Ballin. Im „Saale zum Mondschein auf der Wieden am Glacis“ konnten einige Säle<br />
für diesen Carneval noch vor der bevorstehenden Demolierung gerettet werden, dort leitete<br />
Carl Morelly die Musik, Philipp Fahrbach „Zum goldenen Strauß“ im Theatergebäude in der<br />
Josephstadt und in „Zögernitz’ Casino“. In den „Sälen zum Lichtenberg“ spielte Johann Sehr<br />
und in „Kremser’s Localitäten am Währingerspitz“ Carl Bendl.<br />
In den k. k. Redoutensälen spielte Joseph Lanner am 17. Januar mit zwei Orchestern<br />
sowohl im großen als auch im kleinen Redouten-Saal. Ebenso wurde Lanner am 21. Januar<br />
„die Ehre zuteil, die Musik auf dem Kammer-Balle im Beysein des Allerhöchsten Hofes zu<br />
dirigieren“.<br />
Die erste Uraufführung eines neuen Johann-Strauss-Werkes des Jahres war bei dem „geschlossenen<br />
Ball der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates“ am<br />
27. Januar im „Sperl“, es war das Opus 128, der „Apollo-Walzer“, zu hören.<br />
Tags zuvor wurde „der wohltätige Gesellschaftsball zugunsten des Armenversorgungshauses<br />
der Leopoldstadt und Jägerzeil in den Sälen zum Sperl“ veranstaltet.<br />
204 Kapitel 5
Tobias Haslinger zeigte am 20. Januar das Opus 123, den Walzer „Amors-Pfeile“, aus<br />
dem Vorjahr an. Zur gleichen Zeit erschienen auch wieder Werke von Joseph Lanner bei<br />
Haslinger. Seit dem Opus 31 im Jahr 1829 waren alle zwischenzeitlichen Lanner-Werke,<br />
immerhin 134 Stück, bei Mechetti erschienen. Seine letzten 38 nummerierten und einige<br />
Werke ohne Opus-Zahl erschienen wieder im Verlag von Tobias Haslinger.<br />
Johann Strauss’ einziger großer Festball zu seinem Vorteil fand, verbunden mit einem<br />
„Carnevalsscherz unter der Bezeichnung Damen-Taubenpost“, am 17. Februar, wie immer<br />
„bey außerordentlicher Beleuchtung und Decorierung“, in den Sälen „Zum Sperl“ statt<br />
und dafür komponierte er die einzige weitere Neuerscheinung des Carnevals, den Walzer<br />
„Deutsche Lust oder Donaulieder ohne Text“, sein Opus 127, das er „Dem löblichen Philharmonischen<br />
Vereine in Nürnberg“ widmete. Johann Strauss wurde im Oktober zum Ehrenmitglied<br />
dieses Vereins ernannt. Es war schon bald sechs Jahre her, dass Strauss 1835<br />
selbst in Nürnberg war. Ob es einen aktuelleren Grund für diese Widmung und Anlass für<br />
die Ernennung gab, ist nicht überliefert.<br />
Am Faschingmontag fand ein „außergewöhnliches großes Carnevals-Fest bei besonders<br />
brillanter Beleuchtung und Decorierung“ unter der Bezeichnung „Der Baßgeige Glück<br />
und Ende“ in den Sälen „Zum Sperl“ statt.<br />
Andreas Nemetz, „der Capellmeister des löbl. k. k. 19ten Linien-Infanterie-Regiments<br />
Landgraf Hessen-Homburg“, der häufig bei größeren Veranstaltungen als Unterstützung mit<br />
den großen Musikdirektoren als zweites Orchester auftrat, komponierte auch. Am 16. Februar<br />
erschienen bei Pietro Mechetti der „Schlittage-Walzer“ und die „Eisenbahn-Galoppe“,<br />
„dem wohlgeborenen Herrn Johann Strauss, Capellmeister des löbl. Ersten Wiener Bürger-<br />
Regiments, freundschaftlichst von And. Nemetz gewidmet“.<br />
Das nächste Werk von Johann Strauss, das am 1. März bei Haslinger erschien, war das<br />
Opus 124, die „Wiener Carnevals-Quadrille“. Das Werk war, wie bereits das Opus 82 im<br />
Jahr 1835, erneut „Ihrer königl. Hoheit der durchlauchtigsten Frau Louise Prinzessin von<br />
Wasa, geborenen Prinzessin von Baden, in tiefster Ehrfurcht gewidmet“.<br />
Abb. 20 Abb. 21<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
205
Joseph Lanner dirigierte persönlich die Instrumental-Musik bei den großen Soiréen, die<br />
jeden Dienstag in „Lindenbauer’s Casino in Simmering“ sattfanden, und bei den Conversationen<br />
in der „Bierhalle in Fünfhaus“.<br />
Johann Strauss seinerseits dirigierte bei den Nachmittags-Conversationen, die ab dem<br />
7. März jeweils sonntags im „Salon des k. k. Volksgarten“ von „präzise 4 Uhr bis 9 Uhr“<br />
stattfanden. Die Aufführung des Opus 127, „Deutsche Lust, oder Donaulieder ohne Text“,<br />
wurde in den Annoncen für die ersten Conversationen extra hervorgehoben.<br />
Ab dem 14. März kam ein Veranstaltungsort ins Programm von Johann Strauss, an dem<br />
er seit mehr als sieben Jahren nicht mehr aufgetreten war, nämlich „Wagner’s Kaffehhause<br />
im Prater“, wo „zur Verherrlichung des Frühling-Anfangs, bey günstiger Witterung“ ein<br />
„musikalisches Ständchen“ angekündigt wurde.<br />
Abb. 22 Abb. 23<br />
Philipp Fahrbach nahm indes eine „Capellmeisterstelle bei der Militär-Kapelle des löbl.<br />
k. k. Linien-Infanterie-Regiments Hoch- und Deutschmeister“ an und exekutierte mit dieser<br />
Kapelle vorerst weiterhin die Musik in „Zögernitz’ Casino“. Ab dem 25. April übernahm allerdings<br />
dann Johann Strauss die Musik bei den sonntäglichen Nachmittags-Conversationen<br />
in Ober-Döbling.<br />
Fahrbach musste die Position des Militär-Kapellmeisters wohl aus ökonomischen Gründen<br />
annehmen. Die wirtschaftliche und soziale Krise in der Monarchie bedingte einen Rückgang<br />
der Konzert- und Ballbesuche und außer Strauss und Lanner konnten sich die privaten<br />
Kapellmeister auf Dauer die Erhaltung eines Orchesters nicht mehr leisten.<br />
Ludwig und Carl Morelly, die beide schon erwähnt wurden, hatten einen dritten musizierenden<br />
Bruder, Franz Morelly. Dieser veranstaltete am 31. März im Hotel „Zur goldenen<br />
Birn“ die große Fest-Soirée mit der Bezeichnung „Heimaths-Feyer“ unter „freundschaftlicher<br />
Mitwirkung des Herrn Capellmeisters Joseph Lanner“. Franz Morelly ging zweimal<br />
nach Ostindien, das zweite Mal, um nicht wieder zurückzukehren. Das erste Mal, durch die<br />
„englische Compagnie“ engagiert, reiste er laut einigen Quellen im Jahre 1841 oder 1842 als<br />
„Regiments-Capellmeister“ nach Ostindien ab. Vermutlich stimmt 1842 deshalb nicht, weil<br />
die Soiréen, die schon erwähnte am 31. März und diejenige am 6. Mai in „Lindenbauer’s Casino“,<br />
seine Abschieds-Soiréen waren. Der Titel seines Walzers, „Abschieds-Toaste“, lässt<br />
ebenfalls darauf schließen. Morellys Frau ging nur bis London mit ihm, sie wollte um keinen<br />
Preis weiterreisen, „so ging denn Morelly allein über den Ocean“. Im Bombay empfing er<br />
die Briefe seiner Gattin, welche ihn endlich bewogen, seine glänzende Stellung aufzugeben<br />
und nach Europa zurückzukehren. Die Morelly-Brüder werden häufig verwechselt.<br />
206 Kapitel 5
Gleiches gilt auch für die Fahrbach-Familie. Philipp Fahrbach der Ältere, über den schon<br />
wiederholt berichtet wurde, war der Bruder von Anton Fahrbach, Joseph Fahrbach und<br />
Friedrich Fahrbach. Friedrich Fahrbach soll von seinem älteren Bruder Joseph ausgebildet<br />
worden sein und ebenfalls als Flötist bei Johann Strauss und Joseph Lanner gespielt haben.<br />
Später soll auch er eine eigene Kapelle gehabt haben und von 1848 bis 1855 Militärkapellmeister<br />
gewesen sein, später als Musikdirektor und Musiklehrer in Italien gearbeitet haben.<br />
Sein musikalischer Werdegang hatte Ähnlichkeit mit dem seines jüngeren Bruders Philipp,<br />
von dem bestimmt bekannt ist, dass er in der Strauss-Kapelle als Flötist tätig war und der<br />
sowohl eine eigene Kapelle unterhielt als auch Militärkapellmeister war.<br />
1841 wurde der ältere Friedrich jedenfalls mit einem eigenen, ausgezeichneten Orchester<br />
im „Casino im Landgut“ angekündigt.<br />
Folgende Details sind über die vier musizierenden Fahrbach-Brüder verbreitet:<br />
Joseph Fahrbach (1804–1883) war von 1841 bis 1848 Militärkapellmeister, danach<br />
Kanzlist bei Erzherzogin Sophie, zwischen 1857 und 1867 Flöten- und Gitarrenvirtuose der<br />
Hofkapelle und des Hofoperntheaters. Zuletzt führte er eine eigene Musikschule.<br />
Friedrich Fahrbach (1809–1867 in Verona) war von 1848 bis 1855 Militärkapellmeister.<br />
Philipp Fahrbach der Ältere lebte vom 25. Oktober 1815 bis 31. März 1885. Er wird<br />
noch häufig erwähnt werden.<br />
Anton Fahrbach (1819–1887) soll Flötist am Hofburgtheater gewesen sein und ebenfalls<br />
als Flötist bei Johann Strauss Vater und Josef Lanner gespielt haben. Später leitete er offenbar<br />
eine Flötenklasse am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.<br />
Am 25. April eröffnete das Colosseum zum ersten Mal. Dort leitete Franz Ballin die<br />
Tanz-Musik.<br />
Die große Frühlings-Assemblée am 1. Mai zur Eröffnung der „Gärten und Sommer-Säle<br />
zum Sperl“ wurde in jenem Jahr nicht so ausführlich beworben wie früher. In der Annonce<br />
wurde nicht erwähnt, wer „von 1 Uhr bis Mitternacht“ die Musik leitete, vermutlich war<br />
es Johann Strauss. Augustin Corti dagegen kündigte ihn für die „Große Frühlings-Feyer,<br />
welche am 3. May 1841 im k. k. Volksgarten, unter Mitwirkung zweyer Musik-Chöre“ stattfand<br />
und für welche der „ganz neu decorierte Salon noch besonders ausgeschmückt und<br />
beleuchtet“ wurde, groß an.<br />
Mit dem Orchester Johann Strauss der bei diesem Fest sein neues großes Potpourri mit<br />
dem Titel „Musikalisches Tagesblatt“ erstmals vortrug, spielte die Regiments-Kapelle Hessen-Homburg<br />
abwechselnd. Das neue Werk soll bereits tags zuvor in der „Wiener Zeitung“<br />
durch Tobias Haslinger erstmals angekündigt worden sein.<br />
Von Mai an waren, wie in den Vorjahren, sechs Wochentage im Kalender der Strauss-<br />
Kapelle belegt. Montags wurden unterschiedliche Feste veranstaltet, dienstags und freitags<br />
fanden große Soiréen im k. k. Volksgarten, mittwochs und samstags große Soiréen in den<br />
„Lustgärten und Sommer Sälen beim Sperl“, donnerstags ab 3. Juni Soiréen in „Unger’s<br />
Kaffehhause“ und sonntags Nachmittags-Conversation im „Zögernitz’ Casino“ statt.<br />
Am 8. Mai zeigte Tobias Haslinger das Opus 126, „Erinnerung an Ernst, oder Der Carneval<br />
von Venedig“ mit dem Zusatz „Diese Fantasie eignet sich ganz vorzüglich zur Production<br />
in gesellschaftlichen Zirkeln“ an. Am 10. Mai folgte die Erstanzeige des Opus 125,<br />
„Elektrische Funken“, und am 12. Mai die Hefte 23 bis 25 von „Die junge Tänzerinn“, Opus<br />
123 bis 125.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
207
Abb. 24 Abb. 25<br />
Abb. 26<br />
Abb. 27<br />
Joseph Lanner war in der Sommersaison unter anderem „Zum großen Zeisig“, in „Dommayer’s<br />
Casino“, „Zum grünen Thor“ in der Roffranogasse und im „Brauhausgarten zu<br />
Fünfhaus“ sowie natürlich in der „Goldenen Birn“ engagiert. Im Letzteren wechselte er sich<br />
mit Philipp Fahrbach und Ludwig Morelly ab. Joseph Lanner war in diesen, seinen letzten<br />
Lebensjahren, dominierend. In Pressemeldungen jener Zeit las man:<br />
„Alles was echt und wahrhaft populär zu werden verdient, wird es auch gewiß. So ist<br />
Lanners Muße auf unglaublich schnelle und wirksame Weise ins Leben des Volkes gedrungen<br />
[…]. Es ist interessant zu sehen mit welch lebhafter Theilname sein Wirken allenthalben,<br />
wo er öffentlich auftritt, gefeiert wird, wie man sich in seine Nähe drängt, um an der<br />
208 Kapitel 5
Quelle seiner bezaubernden Töne zu stehen, sie schallend, aus voller Brust herausgestoßen,<br />
die Bravos im Saale herumfliegen, wie so Alles Jubel und Lust in einem Augenblick ist,<br />
wenn seine Geige den Ton angibt. […] Früher war die Losung Strauss und Dommayer! Jetzt<br />
ist sie mit eben so vielem Rechte Lanner und Dommayer. Die außerordentliche Frequenz,<br />
welche das Publikum jedes Mal, wenn Lanner spielt, diesem eleganten Hitzinger Salon<br />
schenkt, ist der schlagendste Beweis für die Wahrheit unserer Behauptung, daß Lanners<br />
Name einen Grad von Beliebtheit errungen habe, der beinahe keine Steigerung mehr zu<br />
gestatten scheint.“<br />
Auch für „das traditionelle Blumenfest, verbunden mit einem glänzenden Ball in den<br />
Sälen und Gärten zum Sperl“, welches am 17. Mai geplant war, dann aber erst am 24. Mai<br />
stattfinden konnte, erwähnte Scherzer die musikalische Begleitung nicht. Johann Strauss,<br />
der an diesem Abend sein Opus 131, den Walzer „Die Wettrenner“, uraufführte und das<br />
„Sperl“ waren inzwischen ein und dasselbe.<br />
Zum Namenstag von Kaiser Ferdinand befand sich die Kaiserin Maria Anna auf einer<br />
Reise, die sie über Klagenfurt nach Modena führte und auf der sie auch Reggio besuchte.<br />
Die Reise dauerte mehr als zwei Monate. Der technikinteressierte Kaiser besichtigte derweil<br />
die Kaiser-Ferdinand-Wasserleitung. In der „Wiener Zeitung“ lasen die Wiener dies<br />
so: „Am 30. April d. J. geruhten Allerhöchst seine Majestät unser allergnädigster Kaiser<br />
und Herr die Allerhöchst Ihren Namen führende im Bau begriffene, und seit dem Monathe<br />
October 1840 theilweise schon in Gang gesetzte neue Wasserleitung […] in Augenschein zu<br />
nehmen um Sich in Höchsteigener Person von den Fortschritten dieses großartigen Baues<br />
die Überzeugung zu verschaffen […].“ Der technische Fortschritt hielt also Einzug!<br />
Indessen kündigte Corti „zur Vorfeyer des Allerhöchsten Nahmensfestes Sr. Majestät<br />
des Kaisers Freytag, den 28. May 1841“ eine große Fest-Soirée „bey außerordentlicher<br />
Beleuchtung und Decorierung“ im k. k. Volksgarten an. Johann Strauss brachte „zur Verherrlichung<br />
dieses Abends mit seinem Orchester erstmals die Ouverturen der Opern La<br />
Favorite von Donizetti und La Lac de Fées von Auber, sowie Andante der C-moll Sinfonie<br />
von Beethoven zur Aufführung“. Außerdem war der Sänger Stark engagiert, der am Schluss<br />
des Potpourris „Musikalisches Tagsblatt“ ein neues Duett für Bass und Sopran vortrug. Die<br />
Regiments-Musik Hessen-Homburg spielte wieder abwechselnd.<br />
Abb. 28<br />
Ab Juni war der Kalender von Johann Strauss mit Ausnahme der Montage dann gänzlich<br />
belegt, denn ab dem 3. Juni fanden jeden Donnerstag ab 6 Uhr abends Soiréen in „Unger’s<br />
Kaffehhause“ vor der Hernalser Linie statt.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
209
Abb. 29<br />
Abb. 30<br />
Das erste der Feste, die Johann Strauss in jenem Sommer selbst veranstaltete, war die außerordentliche<br />
Fest-Soirée am 22. Juni im k. k. Volksgarten, für die er sein Opus 129, den<br />
„Adelaiden-Walzer“, komponierte und Adele von Latinovits, geborene Baronin von Geramb,<br />
widmete.<br />
Als Nächstes folgte ein großes Gartenfest mit Ball am zweiten Tage des Brigittenauer<br />
Kirchtages, am 5. Juli, im „Sperl“ unter der Bezeichnung „Der Heimath schönster Schmuck“.<br />
Dafür komponierte Johann Strauss sein Opus 136, den Walzer „Stadt- und Landleben“.<br />
Das Fest selbst und die Besprechung des Festes im „Humorist“ fielen wie erwartet großartig<br />
aus.<br />
„[…] Tausende Lampen schimmerten in dem Garten, im Hintergrund war eine große,<br />
von unzähligen Lampen umrahmte Dekoration, das Lustschloß Schönbrunn darstellend<br />
[…]“. Die „Adelaiden-Tänze (sic) mussten drei Mal, der neue Walzer zwei Mal nacheinander<br />
gespielt werden. „Im Ganzen war dieses Fest eines der glänzendsten, amusementreichsten<br />
und besuchtesten der Saison“.<br />
Davor, am 28. Juni, veranstaltete Corti im k. k. Volksgarten ein großes Gelegenheitsfest<br />
„zur Feyer der Aufstellung der großen Bildnissese Ihrer Majestäten des Kaisers Ferdinand<br />
I. und der Kaiserinn Maria Anna (gemahlt von Herrn Professor Leopold Kapelwieser)“.<br />
Johann Strauss „hatte die Ehre die neuesten Tonpiecen vorzutragen“, die Regiments-Musik<br />
Hessen-Homburg brachte ausgewählte Musikstücke zur Aufführung. Die Bildnisse Ihrer<br />
Majestäten wurden um halb 8 Uhr auf eine imposante, feierliche Weise enthüllt.<br />
Am 12. Juli veranstaltete Johann Strauss ein großes ländliches Fest unter dem Titel „Die<br />
Lust auf der Alm“ im Ort Gaaden hinter der Brühl bei Mödling, rund drei Stunden von Wien<br />
entfernt. Drei Stunden mit einem schnellen Fiaker, wohlgemerkt!<br />
Abb. 31<br />
210 Kapitel 5
„Hunderte von Kutschen, Equipagen, Gesellschafts- und Zeiselwagen aus Wien, Mödling<br />
und Baden, sowie Scharen von Reitern und Reiterinnen und Fußgängern“ sollen für zahlreichen<br />
Besuch des Festes gesorgt haben.<br />
Weitere Feste im k. k. Volksgarten waren ein großes zur Gründung des Krankenhauses<br />
im Polizei-Bezirk Wieden am 16. Juli, wieder mit der Militärmusikkapelle Hessen-Homburg,<br />
und eine große Fest-Soirée „zur Vorfeyer des allerhöchsten Nahmens-Festes Ihrer<br />
Majestät der Kaiserinn Maria Anna“ am 23. Juli, für welche Johann Strauss sein Opus 130<br />
die „Jubel-Quadrille“ zur Uraufführung vorbereitet hatte. Das Fest fiel wie zahlreiche seiner<br />
Vorgänger dem Wetter zum Opfer und wurde am 25. Juli nachgeholt. Bei all diesen Festen<br />
führte Strauss jeweils sein Potpourri „Musikalisches Tageblatt“ auf, zu dessen Schluss Sänger<br />
Stark ein Duett für Bass und Sopran vortrug.<br />
Am 26. Juli ist der Annentag, der Namenstag Anna. Die Kaiserin hieß mit erstem Namen<br />
Maria. Der Namenstag Maria ist am Neujahrstag.<br />
Im „Sperl“ wurde das Annenfest am 26. Juli mit einem großen Gartenfest mit Ball unter<br />
der Benennung „Blumen-Fantasterie“ gefeiert, die Teilnahme von Johnann Strauss wurde in<br />
den Annoncen nicht angekündigt, kann aber angenommen werden.<br />
Abb. 32<br />
Die Abend-Unterhaltung, welche alljährlich in der Rubrik Kundmachung im Amtsblatt der<br />
„Wiener Zeitung“ angekündigt wurde und welche am „Wasser-Glacis vor dem Carolienen-<br />
Thore mit Bewilligung der k. k. Nied. Oesterr. Landesregierung“ veranstaltet wurde, fand<br />
in jenem Jahr am 29. Juli, als Nachfeier des Namensfestes Ihrer Majestät der Kaiserin, zum<br />
Besten des k. k. Waisenhaus-Fonds statt. Johann Strauss hatte nicht nur „aus eigenem Antriebe<br />
und mit Rücksicht auf den wohltätigen Zweck die Aufstellung und persönliche Leitung<br />
seines ausgezeichneten Orchesters“ übernommen, sondern hat auch „zur glänzenden<br />
Beleuchtung des ausgebreiteten Platzes beigetragen, indem er ihm angehörende Beleuchtungsgegenstände“<br />
überließ. Im Kiosk spielte die Regiments-Musik Hessen-Homburg abwechselnd.<br />
Am Sonntag, dem 1. August, dirigierte Johann Strauss persönlich sein großes Orchester<br />
bei einer außergewöhnlichen Soirée im k. k. Volksgarten, bei der die „Jubel-Quadrille“ aufgeführt<br />
wurde und bei der auch Sänger Stark mit einer „neuen Piece von Madame Malibran<br />
komponiert“ wieder teilnahm.<br />
Die sonntäglichen Nachmittags-Conversationen in „Zögernitz’ Casino“ übernahm ab<br />
August Philipp Fahrbach. Johann Strauss nutzte den freien Sonntag im August für die Veranstaltung<br />
unterschiedlicher Feste, auch außerhalb Wiens, wie etwa die großen musikalischen<br />
Soiréen in Wolfsbergers neuem Kaffehhaus-Etablissement „Sans-Souci“ in der Brühl,<br />
ab 4 Uhr.<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
211
Abb. 33<br />
Am 2. August erschien im Verlag Haslinger das Opus 127, der Walzer „Deutsche Lust, oder<br />
Donaulieder ohne Text“, dem löblichen Philharmonischen Vereine in Nürnberg gewidmet.<br />
Abb. 34 Abb. 35<br />
Die nächste Ausgabe von „Die junge Tänzerinn“ erschien bei Haslinger am 9. August, die<br />
Hefte 22 bis 26, Opus 122 bis 125 und 127. Haslinger veröffentlichte einige Tage zuvor auch<br />
das 1. bis 6. Heft der Walzer von Joseph Lanner in leichtem Stil und in leichten Tonarten und<br />
nannte diese „Tanz-Salon“. Heft 1 begann mit Lanners Opus 170.<br />
Am 16. Mai wurde die Bahnstrecke von Baden nach Wiener Neustadt eröffnet. In der<br />
allgmeinen Eisenbahneuphorie druckte Haslinger auch Straussens Opus 89 den „Eisenbahn-<br />
Lust–Walzer“ aus dem Jahr 1836 noch einmal und bot die Noten in der „Wiener Zeitung“<br />
neu an. Überall in Wien fanden damals Eisenbahnfeste statt. Es erschienen Bücher über<br />
die „Reise auf der Eisenbahn von Wien bis Neustadt“, ein Bändchen über die Fahrt von<br />
Baden nach Neustadt und ein zweites über die Fahrt von Wien bis Baden. Die Fahrzeiten<br />
der Züge wurden an allen Straßenecken und Stationsplätzen angeheftet und auch in den<br />
Kaffeehäusern verteilt. Besonders groß wurde der zunehmenden Eisenbahn-Euphorie im<br />
Colosseum gehuldigt. Es wurden mehrere besonders große Eisenbahnfeste abgehalten. Die<br />
1.000 Klafter, rund 2.000 Meter lange Strecke vom Ende der Leopoldstadt nächst der Reiter-<br />
Caserne bis zum Colosseum wurde mit einem großen Wagenzug befahren, mit welchem<br />
gleichzeitig 220 Personen befördert werden konnten. Die Fahrten wurden von türkischer<br />
Musik begleitet, die auf einem Wagen in Form eines Segelschiffes voranfuhr. Der Wagen<br />
wurde „theilweise mittelst eines neu verfertigten grossen Maschin-Wagen ohne Pferde und<br />
ohne Dampfkraft“ betrieben.<br />
In den Anzeigen wurde der Wagen aber mit Pferd abgebildet.<br />
212 Kapitel 5
Abb. 36<br />
Die Sommersaison neigte sich langsam dem Ende, die Reihe der Soiréen in „Unger’s<br />
Kaffehhause endete am 12. August.<br />
Abb. 37<br />
Unger’s Kaffehhause vor der Hernalser Linie<br />
Noch bevor Anfang Oktober das Gasthaus „Zur goldenen Birn“ zur Vermietung ausgeschrieben<br />
wurde, kündigte Johann Strauss in Annoncen an, dass es diese „beliebte Localität“ nur<br />
noch kurze Zeit gestatten wird, ein großes Fest-Arrangement auszuführen. Er plante daher,<br />
am 16. August ein außerordentliches Gartenfest mit Ball unter der Benennung „Bilder heiterer<br />
Erinnerung“ zu seinem Vorteil zu veranstalten. Das Fest fiel am 16. aus, es wurde am 18.<br />
neu angesetzt, konnte aber letztlich erst am 23. August stattfinden. Strauss führte dabei sein<br />
Opus 132, den Walzer „Die Debutanten“, erstmals auf. Lanner, der seit längerer Zeit Musikdirektor<br />
in der „Goldenen Birn“ war, wich an jenen Tagen in „Zögernitz’ Casino“ aus. Es ist<br />
leider nicht überliefert, ob dieses Arrangement abgesprochen und einvernehmlich vereinbart<br />
worden war oder wie dieses überhaupt zustande kam.<br />
Abb. 38<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
213
Das Fest fand dann jedenfalls „bei bestem Erfolge“ statt, wie der „Humorist“ in seiner Besprechung<br />
berichtete. Es waren „die sehr großen Garten- und Saallokalitäten, im wahren<br />
Sinnes des Wortes überfüllt […]. Strauss ist und bleibt aber auch immer neu, immer original,<br />
immer interessant. Die Illumination und Dekorirung, kurz das ganze Arrangement des<br />
Festes war, wie bei Strauss immer, spielend, ausgezeichnet, imposant und überraschend.“<br />
Am Sonntag, dem 15. August, fuhr Johann Strauss mit seinem Orchester erneut in das<br />
Helenen-Thal bei Baden, wo er die Ehre hatte, ein musikalisches Ständchen zu geben.<br />
Das Helenental ist ein Teil des Schwechattales im Wienerwald in Niederösterreich bei<br />
Baden, rund 30 Kilometer von Wien entfernt. Das romantische Tal ist ein altbekanntes Erholungsgebiet<br />
für das nahe Wien und für die Badener Kurgäste.<br />
Augustin Corti veranstaltete am 31. August ein großes Fest „zum Besten der Versorgungs-<br />
und Beschäftigungs-Anstalt für erwachsene Blinde“. Diese Anstalt, die „unter dem<br />
Protectorate Sr. kaiserl. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Carl“ stand,<br />
wurde durch den Erlös aus gemeinnützigen Festen und Bällen regelmäßig unterstützt. Über<br />
Jahrzehnte fanden in der Faschingszeit die sogenannten Blindenbälle statt. Für die Musik<br />
bei dem großen Fest im k. k. Volksgarten sorgten Johann Strauss und das Musik-Corps des<br />
löbl. Infanterie-Regiments Hoch- und Deutschmeister unter der persönlichen Leitung von<br />
Philipp Fahrbach.<br />
Die beiden Strauss-Söhne Johann und Josef, die inzwischen 16 und 14 Jahre alt waren,<br />
inskribierten Anfang September an der kommerziellen Abteilung des polytechnischen Instituts<br />
in Wien.<br />
Kaiser Franz II. (I.) erteilte der Studienhofkommission bereits 1805 den Auftrag, ein Gutachten<br />
zur Frage der Errichtung eines polytechnischen Instituts in Wien auszuarbeiten. Im<br />
März 1810 wurde die Ausarbeitung eines Organisations- und Studienplanes für eine solche<br />
Anstalt beauftragt und ein erster Entwurf noch im selben Jahr vorgelegt. Die endgültige Fassung<br />
erhielt am 31. August 1817 die kaiserliche Genehmigung und blieb als „Verfassung des<br />
k. k. polytechnischen Instituts in Wien“ bis 1865 in Kraft. 1814 war mit den ehemaligen gräflich<br />
Loséschen Besitzungen auf der Wieden vor dem Kärntnertor (am heutigen Karlsplatz)<br />
ein geeigneter Baugrund für das Institut erworben worden, welches am 6. November 1815<br />
feierlich eröffnet wurde. Am 14. Oktober 1816 wurde der Grundstein für das heutige Hauptgebäude<br />
am Karlsplatz gelegt, im Herbst 1818 übersiedelte das Institut in das neue Haus.<br />
Abb. 39<br />
Hauptgebäude des k. k. polytechnischen Institutes am Karlsplatz 1825<br />
214 Kapitel 5
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Wiener Institut die bei Weitem größte Einrichtung<br />
ihrer Art in der Habsburgermonarchie. Seine Ausstrahlung reichte weit über die<br />
Grenzen Österreichs hinaus, es wurde zum Vorbild zahlreicher Neugründungen polytechnischer<br />
Schulen in Städten des Deutschen Bundes. 6<br />
Das Gebäude besteht heute noch nahezu unverändert und ist Sitz der heutigen TU Wien.<br />
Es trägt eine Gedenktafel, die an die berühmten Studenten Strauss erinnert.<br />
Der Text lautet:<br />
VOR IHREM WELTERFOLG ALS MUSIKER<br />
STU<strong>DIE</strong>RTEN <strong>DIE</strong> BRÜDER<br />
JOHANN UND JOSEF <strong>STRAUSS</strong><br />
AM K. K. POLYTECHNISCHEN INSTITUT<br />
Der Weg, den die Strauss-Buben vermutlich täglich vom Hirschenhaus zum polytechnischen<br />
Institut zurücklegen mussten, war immerhin fast 2,5 Kilometer lang und die Gehzeit<br />
dürfte rund 30 Minuten für den einfachen Weg gedauert haben.<br />
Abb. 40<br />
Dass die Brüder damals schon fleißige Musiker waren, beweist ein Brief, den ein Jugendfreund<br />
Johanns 1884 an diesen schrieb. Er erwähnt darin eine kleine Komposition, zu der<br />
er den Text geschrieben habe, Johann Strauss die Melodie komponiert habe und dass Josef<br />
Strauss singen musste. Im selben Brief erwähnt er auch den Kunstgenuss des vierhändigen<br />
Walzerspiels der Brüder.<br />
6 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Polytechnikum<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
215
Am 6. September plante Johann Strauss, mit hoher Bewilligung, sein zweites Fest „am<br />
Wasser-Glacis nächst dem Carolinen-Thor“. Nach dem Wohltätigkeitsfest im Vorjahr wollte<br />
Strauss in jenem Jahr „mit hoher Bewilligung“ ein eigenes, und zwar ein außerordentliches<br />
Promenade-Fest unter der Bezeichnung „Pracht-Scene aus der Residenzwelt“ veranstalten.<br />
Wie so häufig ließ die Witterung das Fest nicht zustande kommen und es musste am<br />
9. September neu angesetzt werden. An diesem Tag klappte es aber offenbar.<br />
Abb. 41<br />
Die letzte außerordentliche Fest-Soirée der Saison zum Benefice von Johann Strauss im<br />
k. k. Volksgarten fand am 19. September wieder unter Mitwirkung des Musik-Corps Hessen-<br />
Homburg statt. Dabei wurde das „große charakteristische Ton-Gemählde ,Die Schlacht bey<br />
Leipzig‘ von 150 Individuen ausgeführt“.<br />
Tobias Haslinger zeigte am 18. September das 128. Werk, den „Apollo-Walzer“, erstmals<br />
an. Der mit der Strauss-Dynastie nicht verwandte Oscar Straus nahm 66 Jahre später für<br />
seine Operette „Ein Walzertraum“ eine musikalische Anleihe bei Strauss’ „Apollo-Walzer“.<br />
Abb. 42 Abb. 43<br />
Die letzten großen Soiréen zum Abschluss der Sommersaison waren für den 28. September<br />
im k. k. Volksgarten und für den 29. September im „Sperl“ angekündigt. Wenn die Witterung<br />
günstig war, wurden aber auch später noch Soiréen veranstaltet.<br />
216 Kapitel 5
Am 3. Oktober begann die Reihe der Sonntagnachmittags-Conversationen im k. k.<br />
Volksgarten, welche über die gesamte Wintersaison angesetzt waren und bei denen in den<br />
Nachmittagsstunden die Musik im Garten und bei eintretender Kühle im Salon ausgeführt<br />
wurde.<br />
Am 2. November kündigte Tobias Haslinger den „Adelaiden-Walzer“, das Opus 129, der<br />
Frau Adele von Latinowits, geborene Baronin von Geramb, gewidmet, an. Die Widmungsträgerin<br />
war eine Dame der Gesellschaft in Wien.<br />
Im Herbst begab sich Johann Strauss erneut auf Reise. Auch jenes Jahr war es nur eine<br />
kurze Reise in die Nachbarländer, und zwar laut einigen Quellen zunächst nach Olmütz und<br />
Brünn und Anfang November nach Pressburg und Budapest, von wo die Kapelle am 18.<br />
November wieder zurück in Wien war.<br />
Die „Wiener Zeitung“ kündigte am 31. Oktober an, dass Johann Strauss die Musik bei<br />
der Nachmittags-Conversation im k. k. Volksgarten persönlich leiten wird. Wenn diese Annonce<br />
korrekt war, dann stimmen die Angaben über einen Besuch in Olmütz und Brünn<br />
nicht. Andernfalls handelte es sich bei der Annonce vielleicht um eine Verwendung der Vorlage<br />
der wöchentlich wiederholten Anzeige.<br />
Während der Abwesenheit in Mähren war die Vertretung durch Carl Bendl in Wien gesichert,<br />
so am 7. und 14. November, wo Bendl die Musik bei den Nachmittags-Conversationen<br />
im k. k. Volksgarten vertretungsweise leitete.<br />
Weder die Reiserouten noch die Stationen dieser Reise sind genau bekannt und auch<br />
über die Veranstaltungen während der Reise ist nicht vieles überliefert. Nach einem Bericht<br />
im „Humorist“ soll Strauss am 11. November dagegen im Redoutensaal in Pest-Ofen<br />
ein Konzert gegeben haben. In Pest war Johann Strauss zuletzt 1833 zur Eröffnung der<br />
Redoutensäle. Die Rückkehr nach Wien könnte um den 18. November gewesen sein. Für<br />
die Conversation am 21. November im k. k. Volksgarten wird am 20. noch Carl Bendl als<br />
Vertreter „aufgrund Strauss’ens Abwesenheit“ genannt, am 21. aber wird Johann Strauss<br />
persönlich angekündigt.<br />
Der „Humorist“ berichtete, nachdem Strauss bereits in Wien zurück war, von einer Wollmesse<br />
in Pest und von Konzerten von Johann Strauss, nennt aber keine verlässlichen Daten.<br />
Insgesamt soll Strauss bei zwei Bällen und bei mehreren Reunions in Pest, insgesamt bei<br />
fünf Produktionen mitgewirkt haben.<br />
Nach einem Artikel von Mitte Oktober im „Humorist“ wurde Strauss für einige Bälle<br />
in Pest gewonnen. Er sollte am 5. November in Pest eintreffen und am 7. November den<br />
ersten großen maskierten Ball im Redoutensaal Pest leiten. Die Rückreise soll über Raab<br />
und Pressburg erfolgt sein.<br />
Das alljährliche Katharinen-Fest am 24. November wurde im „Sperl“ mit einem großen<br />
Katharinen-Festball gefeiert, für den Johann Strauss sein Opus 135, den Walzer „Die Tanzmeister“,<br />
komponierte und abends ab 8 Uhr in den „unteren Localitäten des Sperl“ aufführte.<br />
Die oberen Säle waren wegen eines großen Umbaus nicht benutzbar.<br />
Am 4. Dezember erschien die „Jubel-Quadrille“, das Opus 130 von Johann Strauss, im<br />
Verlag Haslinger im Druck.<br />
Die Vorbereitungen auf den Karneval 1842 waren schon in vollem Gang. Im „Sperl“<br />
entstand ein zusätzlicher Saal im griechischen Stil mit Terrassen, der sowohl im Winter<br />
wie auch im Sommer genutzt werden konnte und wohl im November entstand. Bereits am<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
217
Weihnachtstag erschien die erste Annonce für Feste im kommenden Karneval. Der Tanzlehrer<br />
Rabel kündigte ein Lancer-Fest am 10. Januar im „Sperl“ an, zu dem Johann Strauss<br />
„die Ballmusik leiten wird“.<br />
Abb. 44 Abb. 45<br />
Weitere Ereignisse 7<br />
Politik und Weltgeschehen<br />
26. Januar: Großbritannien besetzt Hongkong in China.<br />
20. Dezember: In London wird der Quintupelvertrag unterzeichnet, welcher auf die Unterdrückung<br />
von Sklavenhandel abzielt. Während Großbritannien, Österreich, Preußen und<br />
Russland den Vertrag anschließend ratifizieren, geschieht dies in Frankreich nicht.<br />
Venedig erhält ein eigenes Hausnummernsystem, welches bis heute gültig ist.<br />
Wirtschaft<br />
24. Juni: Die Berliner Schwermaschinenfabrik August Borsig liefert ihre erste Lokomotive<br />
aus.<br />
5. Juli: Tourismus-Pionier Thomas Cook organisiert die erste gemeinsame Reise in England<br />
für 570 Anhänger der Abstinenzbewegung.<br />
11. September: Der Maler John Rand erhält ein US-Patent über die von ihm erfundene Tube,<br />
die ursprünglich zum Befüllen mit Farbe gedacht ist.<br />
Musik und Theater<br />
13. März: Uraufführung der Oper „Il Proscritto“ von Otto Nicolai am Teatro alla Scala di<br />
Milano in Mailand.<br />
31. März: Uraufführung der 1. Sinfonie („Frühlingssinfonie“) von Robert Schumann durch<br />
das Gewandhausorchester Leipzig, Dirigent ist Felix Mendelssohn Bartholdy.<br />
7 https://de.wikipedia.org/wiki/1841<br />
218 Kapitel 5
13. April: Die Semper-Oper in Dresden wird eingeweiht.<br />
26. August: Auf Helgoland verfasst August Heinrich Hoffmann von Fallersleben den Text<br />
des Deutschlandliedes.<br />
17. Oktober: erste öffentliche Aufführung der 5. Sinfonie von Franz Schubert in Wien.<br />
24. November: Die Posse mit Gesang „Das Mädl aus der Vorstadt“ von Johann Nestroy hat<br />
seine Uraufführung am Theater an der Wien. Die Musik stammt von Adolf Müller senior.<br />
Das Stück läuft mit Erfolg bis 1862.<br />
Gesellschaft<br />
17. Juli: Mit der Feuerwehr Meißen wird die erste Freiwillige Feuerwehr Deutschlands nach<br />
heutigem Verständnis gegründet.<br />
Geboren<br />
31. Mai: William Rockefeller, US-amerikanischer Wirtschaftsmagnat († 1922).<br />
8. September: Antonín Dvořák, tschechischer Komponist († 1904).<br />
1840 und 1841 Lanner war beliebter als Strauss<br />
219
Kapitel 6<br />
1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner
1842<br />
Das Jahr begann mit den üblichen sonntäglichen Nachmittags-Conversationen im k. k.<br />
Volksgarten und einer Ausgabe von „Quadrillen in leichtem Style für die Jugend bearbeitet<br />
von Johann Strauss“, Heft 1 die „Carneval-Quadrille“, Opus 124, und Heft 2<br />
die „Jubel-Quadrille“, Opus 130, am 3. Januar. Zudem erfolgte die Erstanzeige des Walzers<br />
„Die Wettrenner“, Opus 131, zusammen mit älteren Werken unter dem Titel „Neueste Wiener<br />
Tanzmusik für den Carneval 1842“ bei Haslinger.<br />
Abb. 2<br />
Abb. 1<br />
Am 6. Januar zeigte Joseph Scherzer an, dass der neue große Saal des „Sperl“ fertiggestellt<br />
sei. „Um das ganze Ball-Etablissement in Einklang zu bringen, wurde auch der frühere<br />
große Tanz-Saal renoviert und mit neuen Ball-Attributen auf das Glänzendste ausgestattet.“<br />
Scherzer zeigte auch an, dass die Musik erneut „unter der Direction des Herrn Johann<br />
Strauss“ stehe und an Sonntagen öffentliche Bälle, an Donnerstagen Fortuna-Bälle und an<br />
Samstagen die beliebten Roccoco-Bälle abgehalten würden, wobei der erste Roccoco-Ball<br />
und die Eröffnungsfeier des neuen Saales am Samstag, dem 8. Januar, stattfanden. Näheres<br />
war dem Carnevals-Kalender zu entnehmen.<br />
Am 8. Januar wurde auch Joseph Moritz Trambusch in Wien Stadt 817 geboren. Er war<br />
das fünfte Kind von Johann Strauss und Emilie Trambusch, der dritte Sohn. Auch er sollte,<br />
wie sein Bruder Carl Joseph eineinhalb Jahre zuvor, nur wenige Tage erleben. Er starb bereits<br />
am 18. Januar an Durchfall.<br />
221
Abb. 4<br />
Abb. 3<br />
Der Karneval war mit nur vier Wochen extrem kurz, am 8. Februar war bereits Faschingsdienstag.<br />
Im „Sperl“ war mit Ausnahme der Freitage an jedem Tag ein Ballfest.<br />
Für den ersten Roccoco-Ball und zur Feier der Eröffnung des neuen Saales komponierte<br />
Strauss die „Sperl-Polka“, sein Opus 133.<br />
Der Tanzlehrer Rabel erklärte in einer großen Annonce, warum er sein Fest so früh im<br />
Carneval abhalte, warum es „Das Lancer-Fest“ betitelt gewesen sei, wie der Ablauf geplant<br />
gewesen sei, dass er selbst die Tänze in beiden Sälen dirigieren und Johann Strauss die Ballmusik<br />
leiten würde.<br />
Auch die üblichen Wohltätigkeitsbälle fanden 1842 statt, im „Sperl“ waren dies am 12.<br />
Januar der Ball zum Besten des Wiedener Krankenhauses; am 17. Januar der alljährlich<br />
von Ferdinand Carl Manussi veranstaltete Ball des Vereins zur Unterstützung der Blinden,<br />
für den das Vereinsmitglied Johann Strauss die Opera 134, „Egerien-Tänze“, und 138, die<br />
„Mode-Quadrille“, komponierte und erstmals aufführte; am 18. Januar der Gesellschaftsball<br />
zum Besten der Armen des Bezirkes St. Carl auf der Wieden; am 24. Januar der Gesellschaftsball<br />
zum Besten des Armenversorgungshauses Leopoldstadt und Jägerzeil und<br />
schließlich am 25. Januar der Ball zum Besten eines Witwen-Fonds.<br />
Der Reinertrag des Balles vom 17. Januar betrug beachtliche 1.128 fl. 50 kr.<br />
Am 19. Januar fand der Ball der Gesellschaft der Oesterreichischen Musikfreunde im<br />
„Sperl“ statt, für den Johann Strauss den Walzer „Musikverein-Tänze“, Opus 140, komponierte<br />
und erstmals präsentierte.<br />
Den großen Festball verbunden mit einem kleinen Carnevals-Scherz am 26. Januar zu<br />
seinem Vorteil betitelte Johann Strauss „Der Kranz der Anmuth in den Sälen zum Sperl“,<br />
er fand in beiden Sälen statt. Dabei führte er das Opus 139, den Walzer „Die Fantasten“,<br />
erstmals auf.<br />
222 Kapitel 6
Abb. 5<br />
Bereits am 18. Januar erschien im Verlag Haslinger die neue „Sperl-Polka“, Opus 133, und<br />
am 29. Januar folgte das Opus 132 „Die Debutanten“ im Druck.<br />
Abb. 6 Abb. 7<br />
Danach ging der Karneval des Jahres 1842 auch allmählich zu Ende. Franz Rabensteiner,<br />
„Ballet-Chor-Mitglied des k. k. Hoftheaters nächst dem Kärntnerthore“, veranstaltete am<br />
2. Februar einen Gesellschaftsball in den Sälen „Zum Sperl“, bei dem Johann Strauss die<br />
Ballmusik dirigierte. Dann fanden noch der letzte Fortuna-Ball, der vorletzte Roccoco-Ball<br />
und der letzte öffentliche Ball im „Sperl“ statt. Am Rosenmontag wartete der Tanzlehrer<br />
A. Rabel mit einem besonderen Fest auf, einem großen Carnevals-Fest mit dem Titel „Das<br />
Bouqueten-Fest im Tempel der Sonne oder Die Darstellung des Carnevals-Endes 1842“.<br />
Getanzt wurde in beiden Sälen, die Ballmusik leitete wieder Johann Strauss. Mit dem letzten<br />
Roccoco-Ball am Dienstag endete der Fasching schließlich.<br />
In den anderen Wiener Ballsälen leiteten die Ballmusik: Ludwig Morelly in „Zum grünen<br />
Thor“ in der Rofranogasse, Johann Sehr in den „Lichtenberg’schen Sälen am Schottenfelde“,<br />
Friedrich Fahrbach im „Bier-Salon des Lichtenthaler Brauhauses“ und Philipp<br />
Fahrbach in „Zögernitz’ Casino“. Franz Ballin leitete die Ballmusik im „Elysium“. Während<br />
Johann Strauss allabendlich nur den kurzen Weg vom Hirschenhaus, wo er noch immer<br />
wohnte, zum nahen „Sperl“ zurücklegen musste, war Joseph Lanner in mehreren Sälen in<br />
1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner<br />
223
Wien und den Vorstädten beschäftigt. Er war in dem neu dekorierten Saal „Zur goldenen<br />
Birn“ auf der Landstraße, den inzwischen nach Josef Stipperger der bekannte Architekt Carl<br />
Hoer gepachtet hatte, „Beim Dommayer“ in Hietzing, in den k. k. Redoutensälen und im<br />
„Goldenen Strauß“ im Theatergebäude in der Josefstadt engagiert.<br />
Lanner war wie im Vorjahr auch im Karneval 1842 deutlich präsenter als Strauss. Die<br />
Wiener Tageszeitungen berichteten wesentlich ausführlicher über die Veranstaltungen, bei<br />
denen Lanner die Musik dirigierte, als über diejenigen von Strauss und bezeichneten daher<br />
auch Lanners Walzer „Ideale“ (Opus 192) als „Die Sieger des Wiener Karnevals 1842!!!“.<br />
Am 13. Januar waren gleich vier Einladungen zu Bällen, bei denen jeweils Joseph Lanner<br />
die Musik persönlich dirigierte, auf einer Seite des „Allgemeinen Intelligenzblattes zur<br />
Oesterreich-Kaiserlichen privilegierten Wiener Zeitung“ abgedruckt.<br />
In der Fastenzeit wurden wieder überall in Wien die üblichen Sonntagnachmittags-Conversationen<br />
veranstaltet. Johann Strauss leitete weiterhin die Musik im k. k. Volksgarten,<br />
Philipp Fahrbach in „Zögernitz’s Casino“, Ludwig Morelly in „Lindenbauer’s Casino“ und<br />
Carl Bendl aufgrund eines neuen Engagements in „Wagner’s Kaffehhause im Prater“, Joseph<br />
Lanner in „Dommayer’s Casino“. Franz Ballin und die Regiments-Kapelle Hessen-<br />
Homburg spielten im „Elysium“.<br />
Ab dem 20. Februar veranstaltete Joseph Scherzer jeweils sonntags und donnerstags<br />
wieder Soiréen in den Sälen „Zum Sperl“, und zwar in sämtlichen Sälen im ersten Stock.<br />
Die Musik leitete Strauss.<br />
Ein Herr namens J. Moser schrieb zu der Melodie von Johann Strauss’ „Sperl-Polka“,<br />
Opus 133, einen Text „für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte“, welchen Tobias<br />
Haslinger, dessen Verlag inzwischen an der Adresse „Anfang des Kohlmarktes Nr. 281,<br />
Hauptansicht auf den Graben“ ansässig war, am 5. März anzeigte. Der Umzug des Haslinger’schen<br />
Vertrages an diese Adresse war im Herbst des Vorjahres erfolgt.<br />
Im März schloss Johann Strauss für die Frühlingssaison noch zwei weitere Engagements<br />
ab. Ab dem 8. März besorgte er die Musik bei den Soiréen, die jeweils dienstags ab 4 Uhr<br />
„in Lindenbauer’s neu renoviertem Casino in Simmering“ stattfanden, und ab dem 19. März<br />
samstags gelegentlich bei großen Nachmittags-Conversationen in „Wagner’s Kaffehhaus im<br />
Prater“, ebenfalls ab 4 Uhr.<br />
Abb. 8<br />
224 Kapitel 6
Etwas geheimnisvoll las sich die Annonce von Josef Scherzer am 12. März, wonach einstweilen<br />
nur angezeigt wurde, dass die letzte „Soirée in den Sälen zum Sperl“, „sich jeden<br />
näheren Details enthaltend“, am 13. März stattfinden werde.<br />
Ab dem 10. April fanden im „Sperl“ wieder jeden Sonntag Unterhaltungen, nämlich<br />
öffentliche Bälle, statt und die Musik besorgte erneut Johann Strauss.<br />
Die weniger bekannten Kapellmeister Friedrich Fahrbach und Carl Morelly hatten Engagements<br />
im „Casino im Landgut“ beziehungsweise im neu erbauten „Saale im Kaiser von<br />
Oesterreich in Simmering“ angenommen.<br />
Ende März lasen die Wiener dann in den Tageszeitungen, der „Allgemeinen Wiener Musik-Zeitung“<br />
von August Schmidt oder im „Humoristen“ schlichte Mitteilungen über Konzerte,<br />
als „Philharmonische Academie“ angekündigt. Die erste fand am 28. März 1842 im<br />
großen Redoutensaal in Wien unter der Leitung von Otto Nicolai statt. Dies war das erste<br />
Konzert der Wiener Philharmoniker. Die Musiker waren Mitglieder des Orchesters der k. k.<br />
Hofoper in Wien. Es war zum ersten Mal, dass sich Berufsmusiker zu einem Konzertorchester<br />
von Bestand zusammenschlossen. Die Wiener Philharmoniker gelten bis heute als eines<br />
der führenden Orchester der Welt. Viel später entstand auch eine Verbindung der Wiener<br />
Philharmoniker mit den Sträussen.<br />
Am 1. Mai begann wieder überall in Wien, in den Vorstädten und in den nahen Gemeinden<br />
die Frühlingssaison bei Eröffnung der Gärten, sofern es die Witterung zuließ.<br />
Im „Sperl“ wurde bei Eröffnung der Gärten und Sommer-Säle eine große Frühlings-Assemblée<br />
von 1 Uhr mittags bis „des anderen Tages Morgens 5 Uhr“ veranstaltet. Näheres<br />
enthielt der Anschlagzettel. In einer Annonce am 1. Mai wurde Johann Strauss ab 7 Uhr<br />
abends angekündigt, und zwar bei günstiger Witterung im Garten, bei ungünstiger im Saale.<br />
Am 2. Mai erschien bei Tobias Haslinger das Opus 134, der Walzer „Egerien-Tänze“,<br />
der am 17. Januar beim Ball zum Vorteile des Vereines zur Unterstützung der armen erwachsenen<br />
Blinden uraufgeführt wurde und den „Herren Hörern der Rechte“ an der Hochschule<br />
in Wien gewidmet ist. Am 13. Mai folgten die Hefte 28 bis 31 von „Die junge Tänzerinn“,<br />
Opus 129 und 131 bis 134, gleichzeitig mit dem 190. Werk von Joseph Lanner im Druck.<br />
Abb. 9<br />
1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner<br />
225
Der Kalender von Johann Strauss war für die Frühlingssaison dienstags und freitags mit<br />
großen Soiréen im k. k. Volksgarten, mittwochs und samstags mit Soiréen im „Sperl“,<br />
donnerstags mit großen Soiréen in „Lindenbauer’s Casino in Simmering“ und sonntags<br />
mit Bällen im „Sperl“ belegt. Montags gab es keine festen Verpflichtungen.<br />
Die sonntäglichen Bälle im „Sperl“ wurden kurz und knapp und ohne Nennung des<br />
Orchesters angekündigt, ebenso das traditionelle Blumenfest mit Ball am 23. Mai. Aber<br />
wahrscheinlich war bei all den Bällen im „Sperl“ das Strauss’sche Orchester für die Musik<br />
verantwortlich, vielleicht wie in den Vorjahren manchmal ohne den Chef selbst. Natürlich<br />
waren alle Feste und Bälle im Freien von der Witterung abhängig und es ist nicht verbrieft,<br />
welche Feste ausfielen oder gestört waren.<br />
Das große Fest unter der Bezeichnung „Frühlingsfeyer“ im k. k. Volksgarten am<br />
24. Mai wurde wieder bei besonderer Illumination und Ausstattung und neben Strauss<br />
unter Mitwirkung der Militärkapelle Hessen-Homburg unter Capellmeister A. Nemetz ab<br />
5 Uhr nachmittags angekündigt.<br />
Auch im Hause Habsburg gab es Grund zum Feiern. Am 15. Mai wurde Erzherzog<br />
Ludwig Joseph Anton Viktor, der jüngste Bruder des späteren Kaisers Franz Joseph,<br />
geboren.<br />
Nach dem frühen Tod der Tochter Maria Anna Karolina, welche bereits mit vier Jahren<br />
verstarb, sollte das nächste Kind der Familie ein Mädchen werden, nachdem bereits drei<br />
Söhne vorhanden waren. Mit Ludwig Viktor, genannt „Luziwuzi“, gab es aber wieder<br />
einen Buben.<br />
Während der Revolution von 1848 floh die kaiserliche Familie mit ihm nach Innsbruck<br />
und nach Ausbruch des Wiener Oktoberaufstands 1848 nach Olmütz. Der 6-jährige<br />
Ludwig Viktor soll beim Anblick von zum Tode verurteilten Revolutionären um deren<br />
Freilassung gebeten haben. Später durchlief er die für Mitglieder des Kaiserhauses traditionelle<br />
Militärlaufbahn, wurde General der Infanterie und ihm wurde die Leitung eines<br />
Regiments übertragen, das seinen Namen trug. Später wurden ihm zahlreiche Eskapaden<br />
nachgesagt, so soll er wegen einer Prügelei unter Homosexuellen vom Kaiser nach Salzburg<br />
strafversetzt worden sein. Auch soll er öfter Frauenkleider getragen haben und sich<br />
darin sogar habe fotografieren lassen. Dies lag damals aber noch in ferner Zukunft.<br />
Am 31. Mai feierte A. Corti im k. k. Volksgarten die „allerhöchste Namensfeyer Seiner<br />
Majestät des Kaisers Ferdinand I.“. Es wurden acht klassische Tonstücke unter der persönlichen<br />
Direktion von Johann Strauss angekündigt sowie eine eigens für diesen Abend<br />
komponierte Quadrille, betitielt „Haute volèe Quadrille“, welche die Opuszahl 142 bekam.<br />
Das Fest begann um 5 Uhr nachmittags.<br />
Ein weiteres Fest, welches aufgrund unfreundlicher Witterung zunächst nicht abgehalten<br />
werden konnte, war das für den 6. Juni geplante Blumenfest, verbunden mit einem<br />
glänzenden Ball in den „Gärten und Sälen zum Sperl“, welches wohl am 13. Juni nachgeholt<br />
wurde, wo auch der Walzer „Die Minnesänger“, das Opus 141 von Johann Strauss,<br />
uraufgeführt wurde.<br />
Der „Humorist“ berichtete in der Rubrik „Lokal-Perspektiv“ über das Blumenfest und<br />
ein Fest von Joseph Lanner in dem Lokal „bey den sieben Churfürsten“, wo allerdings<br />
nicht getanzt wurde, sondern wo man „sich bloß an Lanner’s gemüthlichen und pikanten<br />
Kompositionen“ erquickte:<br />
226 Kapitel 6
„[…] Zwei Kräfte sind’s, die den Menschen lenken: Strauss und Lanner, oder, um allen<br />
Partheien zu genügen: Lanner und Strauss, denn die Wage der Kunstrichter tanzt noch<br />
zwischen Beiden, die Nachwelt erst kann hier ganz unbefangen zu Werke gehen. So viel ist<br />
gewiß, daß Strauss und Lanner, oder Lanner und Strauss zu den Hauptmomenten unseres<br />
geselligen Vergnügens gehören […]“ 1 . Das Fest selbst wurde den früheren Blumenfesten<br />
gleichgestellt, der neue Walzer nach Motiven von Servais war nur teilweise gefällig.<br />
Das Opus 135, der Walzer „Die Tanzmeister“ vom Katharinen-Fest des Vorjahres, erschien<br />
am 8. Juni im Verlag Haslinger.<br />
Abb. 10<br />
Abb. 11<br />
Tobias Haslinger<br />
Am 18. Juni starb Tobias Haslinger, der Wegbegleiter und Wegbereiter von Johann Strauss,<br />
mit 55 Jahren. Er wurde am 1. März 1787 in Zell bei Zellhof in Oberösterreich geboren und<br />
war neben Musikverleger auch Komponist. Er beherrschte mehrere Instrumente.<br />
Seit 1810 lebte er in Wien, wo er 1826 die Buchhandlung von Sigmund Anton Steiner<br />
übernahm. Er führte den Verlag, dem eine Druckerei und Notengravuranstalt angeschlossen<br />
waren, zu internationaler Bedeutung. Er verlegte Werke von Beethoven, Franz Schubert,<br />
Louis Spohr, Johann Nepomuk Hummel, Joseph Mayseder, Ignaz Moscheles, Carl Maria<br />
von Weber, Mozart, Carl Czerny, Muzio Clementi sowie von Johann Strauss und Joseph<br />
Lanner.<br />
1821 widmete Ludwig van Beethoven seinem Verleger den musikalischen Scherz „O<br />
Tobias!“ und 1827 widmete Franz Schubert Haslinger seine „Drei Gesänge für Bassstimme<br />
mit Klavier“.<br />
1 ANNO Der Humorist, 16. Juni 1842, S. 484.<br />
1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner<br />
227
Das Unterhaltungsgeschäft musste aber weitergehen.<br />
Tobias Haslinger war es nicht vergönnt, die totale Sonnenfinsternis über Wien am 8. Juli<br />
zu erleben. Dieses Ereignis hielt Wien für einige Tage in Atem. Es erschienen Bücher und<br />
Karten darüber, Letztere für die gesamte österreichische Monarchie entworfen. In „Kremser’s<br />
Localitäten am Währingerspitz“, wo man sicher war, dass diese „zur Beobachtung der<br />
Sonnenfinsternis vorzüglich geeignet sein dürften“, wurde eine Morgen-Assemblée veranstaltet,<br />
bei der Joseph Lanner die Musik persönlich dirigierte.<br />
Am 1. Juli veranstaltete Johann Strauss zu seinem eigenen Bénéfice eine außergewöhnliche<br />
Sommer-Assemblée im k. k. Volksgarten, für die er sein Opus 146, den Walzer „Die<br />
Lustwandler“, komponierte.<br />
Neben dem neuen Walzer führte Strauss an jenem Abend auch die große „Leonoren-Ouverture“<br />
in C-Dur von Ludwig van Beethoven mit Bravour und musikalischer Perfektion<br />
auf. Das Musik-Corps Hessen-Homburg war wiederum zur Unterstützung engagiert, Sänger<br />
Stark trug ein neues Duett für Bass und Sopran vor und den Schluss bildete ein Feuerwerk.<br />
Abb. 13<br />
Abb. 12<br />
Zur Mitte der Sommersaison gab es einen Wechsel der Lokalitäten, und zwar begann am<br />
14. Juli eine Reihe von großen musikalischen Soiréen jeweils donnerstags im „Wolfsberger’s<br />
Kaffehhausgarten Sans-Souci in der Brühl“, zu dessen Zweck die „Direction der<br />
k. k. priv. Wien-Raaber-Eisenbahn-Gesellschaft“ Extra-Fahrten von Mödling nach Wien<br />
und von Mödling nach Baden vornahm. Johann Strauss leitete die Musik jeweils persönlich.<br />
Joseph Lanner spielte in der Sommersaison in „Dommayer’s Casino“ und „Zum großen<br />
Zeisig“, dort abwechselnd mit einem Regiments-Musik-Corps, sowie im „Brauhausgarten<br />
zu Fünfhaus in Verbindung mit dem Biergarten“. Friedrich Fahrbach spielte im „Casino<br />
im Landgut“, sein Bruder Philipp Fahrbach mit der Capelle des k. k. Hoch- und Deutsch-<br />
228 Kapitel 6
meister-Infanterie-Regiments in „Zögernitz’s Casino“, wo der Inhaber kürzlich einen Park,<br />
Kaiser-Allée genannt, zugekauft hatte; Ludwig Morelly in „Lindenbauer’s Casino in Simmering“<br />
und Franz Ballin im Colosseum, wo der Architekt und Eigentümer der Brigittenauer<br />
Eisenbahn und des Colosseums am 13. Juni „zur gefälligen Wissenschaft“ brachte,<br />
dass er am 26. Juni die Eisenbahn gänzlich auflösen und diese an jenem Tag zum letzten<br />
Mal befahren werde. Sodann bot er die Eisenschienen und Nägel, die Wägen, Bahnholz,<br />
Schuppen, Geländer und Cassa-Hütten sowie andere Requisiten öffentlich zum Verkauf an.<br />
Die Tage des Colosseums waren gezählt. Der Eigentümer Carl Hoer hatte ja inzwischen die<br />
Lokalitäten „Zur goldenen Birn“ gepachtet.<br />
Am 18. Juli folgte bereits das nächste Fest, das Johann Strauss veranstaltete, und zwar<br />
ein „großes Garten-Fest mit Ball im Sperl“. Für dieses Fest, welches die Bezeichnung „Sternen-Mosaik<br />
im Tempel der Nacht“ bekam, wurden erstmals die mit dem Promenade-Garten<br />
in Verbindung gebrachte, neu erbaute große Terrasse und der neue obere Tanzsaal benutzt.<br />
Johann Strauss hielt dafür seine Novität, den „Latonen–Walzer“, Opus 143, bereit. Das Fest<br />
wurde am 25. Juli wiederholt.<br />
Abb. 14<br />
Mehr als ein Jahr nach der Uraufführung erschien am 23. Juli im Verlag Haslinger, der auch<br />
nach dessen Tod zunächst unter dem Namen des Verstorbenen weitergeführt wurde, der<br />
Walzer „Stadt- und Landleben“ von Johann Strauss, das Opus 136.<br />
Abb. 15<br />
1842 und 1843 Tod von Joseph Lanner<br />
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Für das nächste geplante Fest „zur allerhöchsten Namensfeyer Ihrer Majestät der Kaiserinn<br />
Maria Anna“ am Annentag, dem 26. Juli, im k. k. Volksgarten waren außer den neuesten<br />
und beliebtesten Kompositionen des Kapellmeisters Johann Strauss auch der zweite und<br />
dritte Satz der Sinfonie in A von Ludwig van Beethoven und die eigens für den Abend<br />
komponierte „Annen-Polka“ von Johann Strauss, die die Opuszahl 137 erhielt, angekündigt.<br />
Strauss musste das Werk bei der Uraufführung vier Mal wiederholen!<br />
Das Fest konnte aber weder am 26. noch am n