Leseprobe_Filmmythos Wachau
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Stefan Schmidl<br />
<strong>Filmmythos</strong><br />
<strong>Wachau</strong><br />
Die Inszenierung einer Landschaft
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong>
Stefan Schmidl<br />
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Die Inszenierung einer Landschaft<br />
Mit einem Beitrag von Werner Telesko
Die vorliegende Publikation wurde durch die Unterstützung<br />
folgender Institutionen ermöglicht:<br />
Forschungsprojekt Arbeit am <strong>Wachau</strong>-Mythos<br />
Kompetenzzentrum Film | Filmmusik<br />
Abteilung Musikwissenschaft<br />
Stefan Schmidl: <strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong>. Die Inszenierung einer Landschaft.<br />
Mit einem Beitrag von Werner Telesko<br />
© Hollitzer Verlag, Wien 2022<br />
Umschlagabbildung:<br />
Gerlinde Locker und Albert Rueprecht in Dort in der <strong>Wachau</strong> (D 1957)<br />
(© Wien, Filmarchiv Austria, ID 590557)<br />
Abbildungs- und Rechtenachweis:<br />
Die Abbildungsnachweise und fallweise Rechtenachweise sind in den jeweiligen<br />
Bildlegenden bzw. Bildbeschreibungen vermerkt. Der Autor hat sich bemüht,<br />
sämtliche Rechteinhaber:innen ausfindig zu machen, sollte dies nicht in allen Fällen<br />
gelungen sein, bitten wir die jeweiligen Rechteinhaber:innen, sich an den Autor zu wenden.<br />
Satz und Covergestaltung: Nikola Stevanović<br />
Papier: Pergraphica<br />
Gedruckt und gebunden in der EU<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
ISBN 978-3-99094-095-2
Inhalt<br />
Vorwort<br />
Das Werden eines audiovisuellen Schauplatzes<br />
Stumm- und Tonfilme der 1930er Jahre<br />
Das Glück wohnt nebenan (D 1939): Ein <strong>Wachau</strong>-Intermezzo<br />
Die deutsche <strong>Wachau</strong> (D 1939): Die ideologisierte Region<br />
Weinhauer unter dem Hüterstern (D 1944): Blut, Boden, Wein<br />
Der Hofrat Geiger (A 1947): Zur Musik- und Bilderfindung<br />
des archetypischen <strong>Wachau</strong>films<br />
Das Kind der Donau (A 1950): Ein Revuefilm „unter russischer Hoheit“<br />
Gruß und Kuß aus der <strong>Wachau</strong> (A 1950): Die kapitalisierte <strong>Wachau</strong><br />
Ivanhoe (USA 1952): Richard Löwenherz ohne <strong>Wachau</strong><br />
Sissi (A 1955): Die „Brautfahrt“ (Werner Telesko)<br />
Donauballade (A 1956): Ein ironischer Werbefilm der DDSG<br />
Dort in der <strong>Wachau</strong> (D 1957): Die Läuterung des Don Juan<br />
Vier Mädels aus der <strong>Wachau</strong> (A 1957): Die Inszenierung der Donauuferstraße<br />
Der schönste Tag meines Lebens (A 1957): Die Stimmen der Donau<br />
Heimweh ... dort wo die Blumen blüh’n (A 1957): Dürnstein als Liebespastorale<br />
Die Lindenwirtin vom Donaustrand (A 1957): Calypso in der <strong>Wachau</strong><br />
Mariandl (A 1961): Moderne und Idylle in<br />
Werner Jacobs’ Remake des Hofrat Geiger<br />
Der Orgelbauer von St. Marien (A 1961): Triviale Folklore<br />
Mariandls Heimkehr (A 1962): Die Suche nach Variationen<br />
The Cardinal (USA 1963): Die <strong>Wachau</strong> im Filmepos von Otto Preminger<br />
An der Donau, wenn der Wein blüht (A/BRD 1965): Symptom des Krisenkinos<br />
Donauprinzessin (D 1993): „Traumschiff“ auf der Donau<br />
Alte Liebe – Neues Glück (A 1996): Das vierte Remake des Hofrat Geiger<br />
<strong>Wachau</strong> – Land am Strome (A 2005): Die erhabene Landschaft<br />
Klingendes Österreich: Des Staunens Wert (A 2007): Die „authentische“ <strong>Wachau</strong> Ein<br />
wilder Sommer. Die <strong>Wachau</strong>saga (A 2018): Versuch eines Sozialdramas<br />
Schlussbemerkungen<br />
Bibliografie<br />
7<br />
9<br />
15<br />
19<br />
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29<br />
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47<br />
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85<br />
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134<br />
136
Das Werden eines audiovisuellen Schauplatzes<br />
VORWORT<br />
Im Jahr 2000 wurde der <strong>Wachau</strong> der Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes<br />
zuerkannt. Die Auszeichnung galt einer Landschaft, „von der Natur geschaffen,<br />
vom Menschen geformt“, 1 wie es Sabine Haag, die Präsidentin der Österreichischen<br />
UNESCO-Kommission, formuliert hat. Die <strong>Wachau</strong> ist aber<br />
nicht nur eine reale Kulturlandschaft, sondern auch ein kollektives Vorstellungsbild,<br />
das sich aus visuellen, textlichen und klanglichen Formulierungen<br />
speist. Unter diesen Interpretationen ist es der Film, der besondere Wirkung<br />
entfaltet und die mentale Vergegenwärtigung der Region bis zum heutigen<br />
Tag in spezifische Bahnen lenkt. Ausgehend von diesem Umstand geben die<br />
folgenden Ausführungen nicht nur einen Überblick über die markantesten<br />
Spiel- und Dokumentarfilme, in denen die <strong>Wachau</strong> als sinnstiftender Schauplatz<br />
fungierte, 2 sondern es werden auch Details und Strategien der Inszenierung<br />
betrachtet. Es ist Hans Blumenbergs „Arbeit am Mythos“, die sich am<br />
besonderen Gegenstand des <strong>Wachau</strong>films exemplifizieren lässt.<br />
Die nachfolgenden Untersuchungen sind die Ergebnisse eines Forschungsprojekts,<br />
das durch die Wissenschaftsförderung des Landes Niederösterreich<br />
ermöglicht wurde. Dieser Institution ist dafür großer Dank auszusprechen.<br />
Für ihre finanzielle Unterstützung ist ebenso dem Zentrum für Wissenschaft<br />
und Forschung (ZWF), der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien<br />
(MUK) sowie der Abteilung Musikwissenschaft des Austrian Centre for Digital<br />
Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) der Österreichischen Akademie<br />
der Wissenschaften (ÖAW) herzlich zu danken. Armin Loacker (Filmarchiv<br />
Austria), Monika Jaros (radio klassik Stephansdom), Andreas Maurer<br />
(Österreichischer Rundfunk) und Magdalena Weber (ÖAW) haben die Recherchen<br />
maßgeblich unterstützt, wofür ich mich sehr verbunden fühle. Dass die<br />
vorliegenden Abhandlungen nunmehr im Hollitzer Verlag erscheinen können,<br />
ist besonders erfreulich. An dieser Stelle ist es zuletzt mehr als geboten, Werner<br />
Telesko nicht nur für eine langjährige Zusammenarbeit höchste Wertschätzung<br />
auszusprechen, sondern auch für seine umfassende Expertise und<br />
sein nie erlahmendes Forschungsinteresse. Der Beitrag zur „Brautfahrt“ in Sissi<br />
beweist dies in wunderbarer Weise.<br />
Stefan Schmidl, Oktober 2022<br />
1 Sabine Haag: „Von der Natur geschaffen, vom Menschen geformt. Kulturlandschaft im<br />
Kontext des UNESCO-Welterbes“, in: Die <strong>Wachau</strong>. 20 Jahre UNESCO-Welterbe (Denkmalpflege<br />
in Niederösterreich. Bd. 62). St. Pölten 2020, S. 6–9.<br />
2 Den ersten Versuch eines diesbezüglichen Überblickes unternahm Andreas Nunzer: „Die<br />
<strong>Wachau</strong> als Filmlandschaft: Eine Kulisse macht Karriere“, in: Draußen in der <strong>Wachau</strong>. Der etwas<br />
andere Reisebegleiter (Band 3), hg. von Walter Grond. Innsbruck, Wien 2013, S. 108–128<br />
(basierend auf: Ders.: Die <strong>Wachau</strong> als (telegene) Filmlandschaft: Vom Hofrat Geiger zum Land am<br />
Strome oder eine Kulisse macht Karriere. Masterthese, Donau-Universität Krems 2006).<br />
7
8<br />
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong>
Das Werden eines audiovisuellen Schauplatzes<br />
DAS WERDEN EINES AUDIOVISUELLEN<br />
SCHAUPLATZES<br />
Bereits elf Jahre nach Patentierung des Kinematographen wurde erwogen, die<br />
<strong>Wachau</strong> mittels einer filmischen Donaufahrt zu inszenieren. 3 Sehr früh ist damit<br />
erkannt worden, welches Potential das damals noch junge Medium für<br />
die Verbreitung von Vorstellungsbildern der Region besaß. Der Film hat in<br />
dieser Hinsicht die Malerei abgelöst, die solche imaginären Schemata seit dem<br />
19. Jahrhundert bereitgestellt und kanonisiert hat. 4 Jedoch schon davor war es<br />
zu einer anderen audiovisuellen Auseinandersetzung mit der <strong>Wachau</strong> gekommen,<br />
nämlich auf dem Gebiet der Oper. Als vorrangiger Gegenstand fungierte hier<br />
allerdings nicht die Vorführung ihrer landschaftlichen Vorzüge, sondern ihr historisches<br />
„Erbe“, das in erster Linie in der Gefangenschaft des englischen Königs<br />
Richard Löwenherz auf der Burg Dürnstein sowie in dessen vermeintlicher<br />
Wiederfindung durch den Troubadour Blondel erblickt wurde. 5 Unter den<br />
Bearbeitungen dieses Stoffes ist Richard Cœur-de-Lion (Paris 1784), vertont von<br />
André-Ernest-Modeste Grétry, die erfolgreichste gewesen. Die zentrale Szene<br />
von Grétrys Oper besteht in der mythischen Begegnung Blondels mit seinem<br />
gefangenen König Richard Löwenherz. Dramaturgisch wird diese Begegnung<br />
herbeigeführt durch den Gesang, den Blondel zu seiner Fiedel anstimmt. Es handelt<br />
sich um das Lied „Une Fièvre Brûlante / Un Jour Me Terrassait“ („Ein brennendes<br />
Fieber überkam mich eines Tages“), das, gemäß der Handlungslogik, nur<br />
den beiden Protagonisten vertraut ist. Das musikalische Thema erlangte eine solche<br />
Popularität, dass es 1796/97 vom jungen Ludwig van Beethoven aufgegriffen<br />
und zur Grundlage eines kleinen Variationszyklus für Klavier gemacht wurde. 6<br />
Das Libretto von Richard Cœur-de-Lion nimmt dabei keinen Bezug auf Dürnstein<br />
oder die <strong>Wachau</strong>, 7 wenngleich die Bühnenbilder, die für spätere Auf-<br />
3 Den Anlass dafür bildete die Imperial Austrian Exhibition in London 1906, vgl. Wolfgang<br />
Krug: <strong>Wachau</strong>. Bilder aus dem Land der Romantik. Weitra 2020, S. 65.<br />
4 Elisabeth Loinig, Johannes Ramharter: „Bildende Kunst – Malerei und Skulptur. Ein Bildessay“,<br />
in: Niederösterreich im 19. Jahrhundert. Band 2: Gesellschaft und Gemeinschaft. Eine Regionalgeschichte<br />
der Moderne, hg. von Oliver Kühschelm, Elisabeth Loinig, Stefan Eminger<br />
und Willibald Rosner. St. Pölten 2021, S. 822.<br />
5 Siehe dazu zusammenfassend: Veit Wilhelm Jerger: „Die Gestalt Richards I. Löwenherz<br />
von England in Dichtung und Musik. Versuch einer Gliederung“, in: König Richard I. Löwenherz/Dürnstein,<br />
hg. von der Stadt Dürnstein. Wien 1966, S. 36–52; Gregor Kremser,<br />
Martina Scherz: „Richard Löwenherz in Dürnstein – Mythos und Wahrheit“, in: Draußen<br />
in der <strong>Wachau</strong>. Der etwas andere Reisebegleiter (Band 2), hg. von Walter Grond. Innsbruck,<br />
Wien 2012, S. 140–159.<br />
6 Siehe dazu: Wolfgang Osthoff: „Beethovens Grétry-Variationen WoO 72“, in: Revue belge<br />
de Musicologie / Belgisch Tijdschrift voor Muziekwetenschap, Vol. 47 (1993), S. 125–142.<br />
7 Sowohl Michael Klügl als auch Georges Sion nennen in ihren Ausführungen zur Oper<br />
„Linz“ bzw. ein „château fort de Lints“ als den im Libretto angegebenen Ort der Handlung,<br />
9
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Abb. 1: Einzelausgabe der Romanze „Une fièvre brûlante“ aus André-Ernest-Modeste Grétrys<br />
Richard Cœur-de-Lion, erschienen bei Bernard Latte, Paris 1841 (© Bibliothèque nationale de<br />
France, département Musique)<br />
10
Das Werden eines audiovisuellen Schauplatzes<br />
Abb. 2: Bühnenbildentwurf für die Aufführung von André-Ernest-Modeste Grétrys Richard<br />
Cœur-de-Lion am Darmstädter Hoftheater 1785 (© Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt,<br />
Theatergeschichtliche Sammlung, Mappe 6/2)<br />
führungen der Oper gefertigt wurden, in manchen Fällen zumindest Anspielungen<br />
auf den realen Schauplatz der Handlung mutmaßen lassen wie etwa<br />
jene einer Festaufführung im Darmstädter Hoftheater im Jahre 1785. Auch im<br />
Bühnenbild der Inszenierung von 1824 für das Pariser Théâtre de l’Odéon ist<br />
eine „Festung, die das Land beherrscht“ („forteresse dominant la campagne“)<br />
entworfen worden. In dieser Skizze kann ein Fluss ausgemacht werden, der<br />
sich als Donau erkennen lässt. Zudem ist ein Kirchturm zu sehen, der an die<br />
Dürnsteiner Stiftskirche erinnert. Diese wurde aber erst 1745 geweiht und<br />
hätte daher im Kontext der Handlung einen Anachronismus dargestellt. Mit<br />
höchster Wahrscheinlichkeit ist die Gestaltung der Bühnenbilder des Richard<br />
Cœur-de-Lion aber nicht von tatsächlicher Anschauung geleitet gewesen, sondern<br />
von generischen Vorstellungen mittelalterlicher Burgarchitektur, so wie<br />
sie für das 19. Jahrhundert typisch waren.<br />
vgl. Michael Klügl: „Richard Cœur de Lion“, in: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, hg.<br />
von Carl Dahlhaus und Sieghart Döhring. Band 2, München 1987, S. 574; Georges Simon:<br />
„Richard Cœur de Lion“, in: Booklet der CD/DVD Grétry: Richard Cœur de Lion, Château<br />
de Versailles 2019, S. 14. In der Partitur sowie im Klavierauszug ist dagegen undifferenziert<br />
angegeben: „Le theatre represente les environs d’un chateau fort“ (1. Akt) und „Le<br />
theatre represent l’interieur d’un chateau fort“ (2. Akt).<br />
11
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Dezidiert in der <strong>Wachau</strong> verortet war hingegen eine spätere Oper: Das Rosengärtlein<br />
(1923) des österreichischen Spätromantikers Julius Bittner. 8 Gegenüber<br />
dem musiktheatralisch oft bearbeiteten Löwenherz-Sujet wurde hier mit dem<br />
Mythos um die Burg Aggstein ein Stoff aufgegriffen, der bis dato noch nie eine<br />
entsprechende Darstellung gefunden hatte und deswegen als singulär gelten<br />
konnte. 9 Obwohl der Komponist den Schauplatz seiner Oper selbst nie besucht<br />
hat, 10 ist Das Rosengärtlein vom musikalischen und szenografischen Bestreben<br />
getragen, einen Ort und dessen Legende vorzuführen. Dies findet auch in den<br />
Bühnenbildern, die Robert Kautsky für die Premiere in der Wiener Staatsoper<br />
1924 gestaltet hat, seinen Ausdruck.<br />
Abb. 3: Robert Kautsky, Bühnenbildentwurf zum 1. Akt von Julius Bittners Das Rosengärtlein,<br />
1924 (© Wien, KHM-Museumsverband, Theatermuseum Wien, Sign. HZ_HOpU5633)<br />
8 Waltraud Zauner: „Studien zu den musikalischen Bühnenwerken von Julius Bittner I und<br />
II“, in: Studien zur Musikwissenschaft. Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich.<br />
39. Band. Tutzing 1988, S. 334–348.<br />
9 Walter Pass: „Julius Bittner oder das musikalische Nachleben der Kuenringer“, in: Die<br />
Kuenringer. Das Werden des Landes Niederösterreich, hg. vom Amt der Niederösterreichischen<br />
Landesregierung. Bad Vöslau, Baden 1981, S. 337.<br />
10 Ebenda, S. 336.<br />
12
Das Werden eines audiovisuellen Schauplatzes<br />
Abb. 4: Robert Kautsky, Bühnenbildentwurf zum 3. Akt von Julius Bittners Das Rosengärtlein,<br />
1924 (© Wien, KHM-Museumsverband, Theatermuseum Wien, Sign. HZ_HOpU5635)<br />
13
14<br />
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong>
Stummfilme und Tonfilme der 1930er Jahre<br />
STUMM- UND TONFILME DER<br />
1930ER JAHRE<br />
Die genannten Opern können als Vorformen des <strong>Wachau</strong>films gelten, aber nur<br />
bedingt, da ihnen historisch-legendäre Geschehnisse zugrunde gelegt waren.<br />
Im jungen Medium Film wurde der Geschichtlichkeit bzw. der mythischen<br />
Aufladung der Region nämlich zunächst keine Rolle eingeräumt. So zeigte<br />
Die <strong>Wachau</strong> (A 1913) – eine in zwei Teilen aufgeführte Produktion der Sascha-<br />
Filmindustrie AG 11 – die Fahrt mit dem Raddampfer „Franz Josef“ auf der<br />
Donau als Aneinanderreihung visueller Sensationen ohne Bezugnahme auf<br />
deren Vergangenheit. Diesem schlichten Konzept folgten nach dem Ersten<br />
Weltkrieg mehrere österreichische, französische und deutsche Kurzfilme, u. a.:<br />
Eine Reise durch Österreich (F ~1920), Bilder aus der <strong>Wachau</strong> (A 1927), Im Faltboot<br />
durch die <strong>Wachau</strong> (A 1929), Durch die <strong>Wachau</strong> nach Wien (D 1930), Eine Donaufahrt<br />
durch die <strong>Wachau</strong> nach Wien (A 1930), Durch die <strong>Wachau</strong> (D 1931) und Im Postkraftwagen<br />
durch Österreichs Alpenwelt. <strong>Wachau</strong> (A 1931). Unter dem Gesichtspunkt<br />
touristischer Bewerbung wurden Bewegungen durch den Raum der <strong>Wachau</strong><br />
vorgeführt, jedoch keine Handlungen. 12 Als Erzählkino erscheint die Region<br />
erstmals in Das Mädel aus der <strong>Wachau</strong> (A 1928). 13 In dieser Produktion wurde<br />
auch zum ersten Mal neue Musik signifikant eingesetzt, die der Wiener Operettenkomponist<br />
Edmund Eysler schrieb und auch simultan zu Aufführungen<br />
des Stummfilms dirigierte. 14<br />
Das Mädel aus der <strong>Wachau</strong> leitete über in die Ära des Tonfilms, in der die Region<br />
zwar als Drehort verwendet, aber nicht identifiziert wurde. Vier Spielfilme<br />
stehen für diese Praxis: Leise flehen meine Lieder (A 1933), Frühlingsstimmen (A<br />
1933), Zirkus Saran (A 1935) und Lumpazivagabundus (A 1937). 15 Für die letztere<br />
Verfilmung von Johann Nestroys Posse unter der Regie von Géza von Bolváry<br />
komponierte Hans Lang die Filmmusik.<br />
11 <strong>Wachau</strong>, in zwei Teilen (5. und 12. Dezember 1913), Kinematographische Rundschau, Nr. 302,<br />
21. Dezember 1913, S. 88.<br />
12 Vgl. Karin Moser: Der österreichische Werbefilm. Die Genese eines Genres von seinen Anfängen<br />
bis 1938 (Werbung – Konsum – Geschichte, Band 1). Berlin, Boston 2019, S. 189; Elisabeth<br />
Büttner: „Natur, Kultur, Physiognomie. Annäherungen an das Verhältnis von Landschaft<br />
und frühem Kino“, in: moving landscapes. Landschaft und Film, hg. von Barbara Pichler und<br />
Andrea Pollach. Wien 2006, S. 48 f.<br />
13 Das Handlungskonzept der früheren Produktion Die <strong>Wachau</strong> – drei Tage im Tale der Reben<br />
(A 1922) ist eher allegorischer Natur; vgl. Nunzig: Die <strong>Wachau</strong> als (telegene) Filmlandschaft,<br />
S. 57.<br />
14 Einschließlich der zwei Gesangsnummern „Wenn i amal gut aufg’legt bin“ und „Wenn<br />
mi’ mei’ Mann net hätt“. Eysler ließ das Sujet des Films später von den Librettisten Julius<br />
Brammer und Emil Marboth zur eigenständigen Operette Donauliebchen (1932) adaptieren.<br />
15 Nunzer: „Die <strong>Wachau</strong> als Filmlandschaft“, S. 110–112.<br />
15
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Abb. 5: Werbeschaltung für den Stummfilm Das Mädel aus der <strong>Wachau</strong> (A 1928) in: Das Kino-<br />
Journal, 26. Mai 1928 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO)<br />
16
Stummfilme und Tonfilme der 1930er Jahre<br />
Lang sollte der in der Nachkriegszeit vorrangig mit dem Genre <strong>Wachau</strong>film<br />
assoziierte Komponist werden. In Lumpazavagabundus gelang ihm bereits ein<br />
erster Erfolgsschlager, „Wozu ist die Straße da, zum Marschieren!“ Dieser<br />
Schlager erklingt erstmals, als ihn die drei Handwerksburschen Knieriem (Paul<br />
Hörbiger), Leim (Hans Holt) und Zwirn (Heinz Rühmann) auf dem Dürnsteiner<br />
Treppelweg, bildlich hinterfangen von der Donauinsel Pritzenau, anstimmen.<br />
Der Name des <strong>Wachau</strong>er Schauplatzes fällt dabei nicht, obwohl in Der<br />
Wiener Film am 22. September 1936 über die Drehorte von Lumpazivagabundus<br />
berichtet wurde: „Die Außenaufnahmen in der <strong>Wachau</strong> verliefen bei wunderbarem<br />
Wetter programmgemäß. Es wurden Aufnahmen in Melk, Dürnstein<br />
und Herzogenburg, sowie schließlich noch am Riederberg gemacht.“ 16<br />
DAS MÄDEL AUS DER WACHAU<br />
A 1928<br />
Regie: Franz Hoffermann<br />
Buch: Maurice Hans Heger, Franz Hoffermann<br />
Musik: Edmund Eysler<br />
Mit: Karl Kneidinger, Mizzi Griebl, Annie Kloss, Fery Lukacs<br />
Uraufführung: 27. Juli 1928, Wien<br />
16 Der Wiener Film. Zentralorgan der österreichischen Filmproduktion, 1. Jahrgang, Nummer 20,<br />
22. September 1936, S. 2.<br />
17
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Abb. 6: Das Glück wohnt nebenan (D 1939), Maria Andergast als Franzi und Wolf Albach-Retty<br />
als Rudi Handl vor der Burgruine Dürnstein (Archiv des Autors)<br />
18
Das Glück wohnt nebenan (D 1939)<br />
Das Glück wohnt nebenan (D 1939):<br />
Ein <strong>Wachau</strong>-Intermezzo<br />
Im Dienst der Tobis-Filmkunst und der mit der Produktion beauftragten Allgemeinen<br />
Film-Aufnahme und Vertriebs GmbH (Algefa), einer von Paul Hörbiger<br />
mitbegründeten Produktionsfirma mit Sitz in Berlin, 17 drehte der Operettentenor<br />
und Regisseur Hubert Marischka im Jahr 1939 Das Glück wohnt nebenan. Diese<br />
Komödie spiegelt die Übergangsphase, in der sich die österreichische Filmindustrie<br />
seit dem „Anschluss“ befand. In einem Handlungsabschnitt offenbart sie aber<br />
auch die damals neue Realität. Dabei handelt es sich um eine Szenenfolge, die<br />
in der <strong>Wachau</strong> situiert ist. In der Vorlage des Drehbuchs, dem Lustspiel gleichen<br />
Namens (1935) von Franz Gribitz, findet sich diese Sequenz bezeichnenderweise<br />
nicht. 18 Sie wurde demnach vermutlich eigens aus dem Grund eingefügt, um einen<br />
„Kraft-durch-Freude“-Ausflug zeigen zu können. Im Zuge dieses Programms<br />
waren bereits 1938 Donauschifffahrten veranstaltet worden. 19 So erinnert der<br />
Besuch eines Trachtenfestes in der <strong>Wachau</strong>, zu dem der Kunstmaler Rudi Handl<br />
(Wolf Albach-Retty) zwei junge Schneiderinnen einlädt, an eine solche „KdF-<br />
Fahrt“, wenn auch keine Hakenkreuz-Embleme oder -Fähnchen zu sehen sind.<br />
Der Ausflug erfolgt auf dem Dampfschiff „Johann Strauss“, das klanglich mit<br />
An der schönen blauen Donau gekoppelt wird. Alsbald wird der Walzer aber von<br />
martialischer Marschmusik abgelöst, als die heftig winkenden Passagiere bei<br />
Dürnstein an Land gehen. Die Masse der Fahrgäste zeigt in Verbindung mit<br />
der Gleichförmigkeit ihrer Bewegungen bereits die Erholung suchende „Volksgemeinschaft“.<br />
Sie wird von Marischka mit leichter Ironie inszeniert. Dies ist<br />
jedoch nicht als kritischer Blick des Regisseurs zu verstehen.<br />
Erst etwas später kommt es zur Ablösung der vier Charaktere vom Kollektiv<br />
und zu einer individuellen Pastorale beim Blumenpflücken mit Ausblick auf<br />
das Kummerstal und die Dürnsteiner Donauschlinge („Also so schön hätt’ ich<br />
mir unsern Ausflug gar net vorg’stellt. Herrlich ist es hier.“). Die <strong>Wachau</strong>-Idylle<br />
findet mit dem Läuten, das zur Rückfahrt auf das Schiff ruft, ein abruptes Ende.<br />
Im Zusammenhang der Sequenzgestaltung erscheint es beachtenswert, dass ausgerechnet<br />
auf die Verwendung des bekannten Wienerlieds „Da draußen in der<br />
<strong>Wachau</strong>“ (1921) von Ernst Arnold verzichtet wurde, da derselbe Komponist mit<br />
seinem ebenso populären „Wenn der Herrgott net will“ im Vorspann des Films<br />
sehr wohl prägnant vertreten war. Die fatalistische Botschaft des „Herrgott“-<br />
Liedes scheint – trotz der christlichen Ausrichtung – der Tendenz der „neuen<br />
Zeit“ besser entgegengekommen zu sein als das hedonistische <strong>Wachau</strong>-Lied.<br />
17 Armin Loacker: Anschluß im ¾-Takt. Filmproduktion und Filmpolitik in Österreich 1930–1938.<br />
Trier 1999, S. 85.<br />
18 Vgl. Franz Gribitz: Das Glück wohnt nebenan. Lustspiel in drei Akten, München 1935.<br />
19 Stefan Schmidl: „Symphonische Musik und die Konstitution von Landschaft. Das Beispiel<br />
der <strong>Wachau</strong>“, in: Studien und Forschungen aus dem NÖ Institut für Landeskunde, Band 60, hg.<br />
von Christian Fastl und Peter Gretzel. St. Pölten 2017, S. 172.<br />
19
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Abb. 7: Bericht über die Dreharbeiten von Das Glück wohnt nebenan (D 1939) in der Zeitschrift Tonfilm<br />
Theater Tanz, VII. Jahrgang, Heft 8, Wien 1939 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek)<br />
20
Das Glück wohnt nebenan (D 1939)<br />
DAS GLÜCK WOHNT NEBENAN<br />
D 1939<br />
Regie: Hubert Marischka<br />
Buch: Aldo von Pinelli, Hubert Marischka nach dem Bühnenstück von Franz<br />
Gribitz<br />
Musik: Fred Raymond<br />
Kamera: Eduard Hoesch, Günther L. Arko<br />
Bauten: Heinrich Richter, Gabriel Pellon<br />
Schnitt: Reinhold Steinborn, Margarete Steinborn<br />
Ton: Emil Versbach<br />
Mit: Willy Kaufmann, Maria Andergast, Wolf Albach-Retty, Olly Holzmann,<br />
Hans Olden, Hilde Hildebrand, Ralph Arthur Roberts, Grethe Weiser, Annie<br />
Rosar, Hans Marr<br />
Produzenten/Produktionsleitung: Paul Hörbiger, Kurt Künzel / Friedrich Wilhelm<br />
Gaik, Kurt Ulrich<br />
Produktion: Allgemeine Film-Aufnahme und Vertriebs GmbH (Berlin) für die<br />
Tobis-Filmkunst GmbH (Berlin)<br />
Uraufführung: 28. Dezember 1939, Berlin<br />
„‚Wenn der Herrgott net will, nutzt das gar nichts…!‘ so singen zwei Straßensänger<br />
im Hof des Alt-Wiener Wohnhauses in der Kahlenbergstraße [sic!] …<br />
ganz draußen schon an der Grenze des Wiener Waldes …. – Und: ‚Wenn der<br />
Herrgott net will …‘ meinen auch resignierend die zwei Schneidermädel Franzi<br />
Gruber und Mizzi Pichler, die in einer Dachstube dieses Hauses mit Humor über<br />
die Schwierigkeiten des Alltags hinwegzukommen suchen. – Bis sich eines Tages<br />
– wenigstens das kleine Glück über die winkligen Treppen in ihr bescheidenes<br />
Heim verirrt – aber ganz unpoetisch – in der Gestalt eines eifersüchtigen Ehemannes,<br />
der seine Frau dort bei einem Stelldichein zu überraschen glaubte, sie<br />
aber zu seiner größten Freude nur in der harmlosen Situation einer Kleideranprobe<br />
antraf. – Daß aber die Kleideranprobe von der klugen Frau Gerda nur<br />
improvisiert war, wird ihm wohl ewig ein Geheimnis bleiben! Denn wäre Frau<br />
Gerda Trojan nur ein bißchen weniger klug, und Herr Stefan Trojan nur ein<br />
wenig gescheiter – er wäre bald dahintergekommen, daß seine Frau ja eigentlich<br />
den jungen Rudi Handl nebenan in seinem Maleratelier besuchen wollte…! Aber<br />
glücklich darüber, nicht unglücklich sein zu müssen, bestellt er gleich mehrere<br />
Toiletten für seine Frau und bekräftigt diesen ihm so günstig erscheinenden<br />
Geschäftsabschluß mit einem ausgiebigen Vorschuß, der die beiden Schneidermädels<br />
in die Lage versetzt, ihre kleine Werkstatt in einen Salon für vornehme<br />
Kundschaft umzuwandeln. Aber noch eine andere schwerwiegende Umwandlung<br />
gelingt ihnen – – Als Rudi bei ihnen erscheint, um sich für die Rettung<br />
der kritischen Situation zu bedanken, bekommt er von Franzi eine Moralpredigt<br />
zu hören, die ihn sehr nachdenklich stimmt. So nachdenklich sogar, daß er sich<br />
21
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
auch lange nachher noch viel in Gedanken mit ihr beschäftigt. Aber eigentlich<br />
nur zum kleineren Teil mit der Predigt – – mehr eigentlich mit Franzi, die sie<br />
ihm gehalten hat . . . Und bald beginnen sich neben den unsichtbaren Verbindungen<br />
durch die Telefonleitung im Modesalon Gruber & Pichler auch noch<br />
unsichtbare Verbindungen zwischen den beiden Nachbarwohnungen zu spinnen…!<br />
Allerdings sehr zum Verdruß des Herrn Karli Weißenböck, Fleischhauer<br />
und Hausbesitzer, der seit langem schon den unausgesprochenen Wunsch mit<br />
sich herumträgt, Franzi zur wohlbestallten Hausbesitzerin und Mutter seiner<br />
späteren Kinder zu machen. Ein gemeinsamer Ausflug zu einem Kirchweihfest<br />
in der <strong>Wachau</strong> sollte ihm Gelegenheit geben, diesem, seinem geheimen Wunsche<br />
in deutlicher Form Ausdruck zu geben – doch dem weltgewandten Rudi gelingt<br />
es bald, Karli dort im Gedränge zu verlieren. Mangels einer besseren Verwendungsmöglichkeit<br />
muß dieser nun das seiner geliebten Franzi zugedachte Lebzelterherz<br />
der Trösterin Mizzi schenken und sich dafür an dem guten <strong>Wachau</strong>er<br />
Wein schadlos halten! Aber noch einmal ergibt sich die Möglichkeit, Franzi zu<br />
gewinnen …! Rudis Vater ist mit seinem großen Unternehmen in finanzielle<br />
Schwierigkeiten geraten und würde es daher gerne sehen, wenn sein Sohn durch<br />
eine Heirat mit der ebenso reichen, wie mondänen Bankierstochter Irma Keller<br />
eine Flottmachung des Unternehmens ermöglichen würde. Eine Soiree im Hause<br />
Trojan sollte die Voraussetzung dazu schaffen. Dorthin liefert eben an diesem<br />
Abend Franzi ein dringend bestelltes Abendkleid für Frau Gerda ab und kommt<br />
gerade in einem Augenblick, der es ihr glaubhaft erscheinen läßt, daß Rudi seine<br />
Beziehungen zu Gerda doch nicht abgebrochen und sie belogen hat…! Sie glaubt<br />
nicht an das Mißverständnis, das Rudi, der sie wirklich liebt, aufzuklären sucht,<br />
und erst ein Frühlingsfest in Schönbrunn mit seinem Maienzauber zerreißt,<br />
nach anfänglich neuerlichen Wirrnissen, die düsteren Nebel, in denen sich zwei<br />
Liebende zu verlieren drohten… Und obendrein hat dann auch Karli erkannt,<br />
um wieviel besser noch sich Mizzi eignen würde – – ergibt als happy end, oder<br />
wenn man es noch besser sagen will – als Moral von der Geschichte den Fingerzeig<br />
des Schicksals: Daß man das Glück nicht auf Umwegen suchen soll – denn:<br />
das Glück wohnt nebenan … ‚Aber wenn der Herrgot net will – nutzt das gar<br />
nichts!‘“ (Illustrierter Film-Kurier, Nr. 3014)<br />
22
Die deutsche <strong>Wachau</strong> (D 1939)<br />
Die deutsche <strong>Wachau</strong> (D 1939):<br />
Die ideologisierte Region<br />
Da die <strong>Wachau</strong> schon lange vor dem „Anschluss“ den Gegenstand deutschnationaler<br />
Agitation gebildet hatte, lag nach der Eingliederung Österreichs<br />
in das Deutsche Reich die Produktion eines übereinstimmenden Films nahe,<br />
zumal die nunmehr zur Wien-Film geformte Filmproduktion am Rosenhügel<br />
aufgerufen war, „die Ostmarkgauen in bewegten Bildern einzufangen“. 20 Die<br />
Wien-Film erfüllte diese Vorgabe mit Die deutsche <strong>Wachau</strong>, dem zweiten sogenannten<br />
„Kulturfilm“ des Studios. 21<br />
Entstanden unter der Regie von Heinz Wilzek, erfüllte Die deutsche <strong>Wachau</strong><br />
zwei Agenden: Die <strong>Wachau</strong> gemäß der nationalsozialistischen Lesart als<br />
„ein deutsches Bollwerk“ 22 zu interpretieren und sie gleichzeitig als „eines<br />
der schönsten Reiseziele des Großdeutschen Reiches“ 23 zu bewerben. In der<br />
Einleitung des Films sind diese beiden Agenden vereint. Zunächst wird die<br />
Geschichtlichkeit der Region betont: „Dichter haben Dich besungen, <strong>Wachau</strong><br />
im Donautal. Aus uralten Zeiten ragen Deine steinernen Zeugen in die Gegenwart.“<br />
Hierzu ist die Burgruine Aggstein zu sehen, unmittelbar darauf wird<br />
freilich dem Freizeit-Aspekt Genüge getan, indem der Film ein Ausflugsschiff<br />
mit wehenden Hakenkreuzfahnen zeigt, das in dieser Art ebenso auf dem Plakat<br />
Deutscher Frühling in der <strong>Wachau</strong> (1938) zu finden ist. 24<br />
Am Ende des Kulturfilms wird wieder zur Idee einer nationalen Geschichtlichkeit<br />
zurückgekehrt. So heißt es bei der Ansicht von Krems: „Uralter Siedlungsboden<br />
ist es, geheiligt durch deutsches Blut, das in vielen Kämpfen hier geflossen. Im<br />
starken Glauben an den Sieg der Ostmark-Deutschen klang immer wieder durch<br />
den Gau das Trutzlied: Wach auf, deutsche <strong>Wachau</strong>!“ Worauf jene Komposition<br />
Heinrich Streckers aus dem Jahre 1934 („Was rauscht so bang der Donaustrom<br />
durchs weite, deutsche Land?“) erklingt, die der Produktion ihren Namen gegeben<br />
hat. 25 In den Bildern, die das Absingen des Liedes begleiten, wird versucht,<br />
die ideologische Botschaft zuerst mit baulicher Evidenz, dann mit Stimmung zu<br />
vereinen: Es sind Aussichten auf die Burgruine Dürnstein, dann auf das Licht der<br />
untergehenden Sonne in der fließenden Donau, die den Film beschließen.<br />
20 Kulturfilmakt der Wien-Film, zit. nach Günter Krenn: Die Kulturfilme der Wien-Film<br />
1938–1945. Wien 1992, S. 4.<br />
21 Krenn: Die Kulturfilme der Wien-Film, S. 10.<br />
22 Völkischer Beobachter, 10. April 1938, Beilage, S. 10.<br />
23 Freizeit. Monatsprogrammheft der NSG. Kraft durch Freude, Gau Niederdonau. Folge 7<br />
(7/1940), S. 3.<br />
24 Christian Maryška: „‚Die österreichische Rüstungsindustrie heißt Fremdenverkehrspolitik‘.<br />
Zur Entwicklung des Sommertourismus in Österreich“, in: Willkommen in Österreich. Eine<br />
sommerliche Reise in Bildern, hg. von Christian Maryška und Michaela Pfundner. Wien 2012, S. 31.<br />
25 Siehe dazu: Monika Kornberger: „Heinrich Strecker und Mauriz Hans Heger, zwei ‚Vorkämpfer<br />
des nationalen Liedes‘“, in: Studien und Forschungen aus dem NÖ Institut für Landeskunde,<br />
Band 60, hg. von Christian Fastl und Peter Gretzel. St. Pölten 2017, S. 156–160.<br />
23
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
Abgesehen von der finalen Intonation des Titelliedes wurde von Strecker, der<br />
auch die eigentliche Filmmusik für Die deutsche <strong>Wachau</strong> komponierte, vor allem<br />
sein Lied „<strong>Wachau</strong>er Mädel, <strong>Wachau</strong>er Wein“ eingesetzt, das – zusammen mit der<br />
Lyrik von Bruno Hardt-Warden – die „liebliche“ Seite der Region beschwor: 26<br />
„<strong>Wachau</strong>er Mädel, <strong>Wachau</strong>er Wein,<br />
die müssen heimlich ein Liebespaar sein,<br />
denn beide sind blumig und beide blond,<br />
und wenn sie sich küssen,<br />
dann freut sich der Mond.<br />
<strong>Wachau</strong>er Mädel, <strong>Wachau</strong>er Wein,<br />
da möcht’ ich im Bunde<br />
der Dritte sein<br />
und singen und trinken und küssen dazu<br />
und ich bin mit der ganzen <strong>Wachau</strong> auf Du.“ 27<br />
DIE DEUTSCHE WACHAU<br />
D 1939<br />
Regie: Heinz Wilzek<br />
Buch: Heinz Wilzek<br />
Musik: Heinrich Strecker<br />
Liedtexte: Hans Heger, Heinrich<br />
Strecker, Bruno Hardt-Warden<br />
Kamera: Adi Mayer, Hans Gessl<br />
Mit: Karl von Zieglmayer (Sprecher)<br />
Produzent/Produktionsleitung:<br />
Heinz Wilzek<br />
Produktion: Wien-Film<br />
Prädikat: Volksbildend<br />
Uraufführung: 1. Dezember 1939,<br />
Wien, als Beiprogramm zu Anton der<br />
Letzte (D 1939)<br />
26 Der Komponist gab dieser Nummer die Opuszahl 321, der Filmmusik selbst die Opuszahl<br />
318. Vgl. Raimar Wieder, Peter Ziegler: ,Liebes Wien, du Stadt der Lieder.‘ Heinrich Strecker<br />
und seine Zeit. Wien, München 1997, S. 282.<br />
27 Heinrich Strecker: <strong>Wachau</strong>er Mädel, <strong>Wachau</strong>er Wein. Lied aus dem Kulturfilm: Deutsche<br />
<strong>Wachau</strong>. Worte von Bruno Hardt-Warden, veröffentlicht in: Tonfilm Theater Tanz, VII.<br />
Jahrgang 1939, Heft 12, S. 11.<br />
24
Weinhauer unter dem Hüterstern (D 1944)<br />
Weinhauer unter dem Hüterstern (D 1944):<br />
Blut, Boden, Wein<br />
1942 gab die Wien-Film einen zweiten Kulturfilm über die <strong>Wachau</strong> in Auftrag,<br />
der im darauffolgenden Jahr fertiggestellt und im Dezember 1944 uraufgeführt<br />
wurde. Die neuerliche Hinwendung zur Region erfolgte nach der<br />
Thematisierung von Wien 28 und dem Wiener Umland, 29 dem Waldviertel, 30<br />
der Steiermark, 31 dem Salzburgerland 32 und Hallstatt, 33 den Ötztaler Alpen, 34<br />
von Kärnten 35 und vom Bregenzerwald. 36 Daneben wurde auch mehrfach der<br />
Lauf der Donau thematisiert, allerdings nicht jener in der <strong>Wachau</strong>. 37<br />
Der Titel der neuen Produktion war Weinhauer unter dem Hüterstern (zunächst<br />
Ein Tag in der <strong>Wachau</strong>, 38 dann Ein Film aus der <strong>Wachau</strong> untertitelt) und umriss damit<br />
den Inhalt des Filmes: Den Gegenstand bildete die von Weingartenhütern<br />
bewachte Traubenlese in der <strong>Wachau</strong>, gefilmt in Melk, Aggstein, Willendorf,<br />
Spitz, St. Michael und Dürnstein. 39<br />
Drei Jahre vor der Entstehung von Dreyers Kulturfilm war diese Praxis bereits<br />
das Thema einer Abhandlung des Kremser Lokalhistorikers Hans Plöckinger<br />
gewesen. In seiner Studie hat Plöckinger das Weinhüten in akribischer<br />
Weise beschrieben und die Aufmerksamkeit besonders auf das Emblem des<br />
Hütersterns gelenkt (den auch der „<strong>Wachau</strong>-Professor“, der Maler Maximilian<br />
Suppantschitsch, in seinem <strong>Wachau</strong> Wanderbüchlein Jahre zuvor in einer<br />
meisterhaften Zeichnung festgehalten hat 40 ). Über den Hüterstern führte<br />
Plöckinger aus: „Er besteht fast immer aus zwölf strahlenförmig von einem<br />
roten Herzschild ausgehenden, etwa 1 m langen Holzstäben, auf welchen je<br />
vier bis fünf kleine Sechssterne aus zugespitzten Holzspänen befestigt sind [...].<br />
Damit ist im Bereiche von Groß=Krems sowie in der <strong>Wachau</strong> der Hüterbaum<br />
28 Ein Tag in Schönbrunn (D 1941), Rund um Wien (D 1943).<br />
29 Carnuntum, ein Pompeji in Niederdonau? (D 1941).<br />
30 Das Waldviertel (D 1940).<br />
31 Aus Rüstkammern deutscher Vergangenheit (D 1939), Der eiserne Berg (D 1943), Peter Roseggers<br />
Waldheimat (D 1944).<br />
32 Goldene Hochzeit im Salzburgerland (D 1943), Holzfäller (D 1943).<br />
33 Salz der Berge (D 1943).<br />
34 Heimat am Steilhang (D 1944).<br />
35 Wehrhaftes Kärnten (D 1941).<br />
36 Das wandernde Dorf (D 1944).<br />
37 Donauabwärts von Wien bis zum Schwarzen Meer (D 1940), Strom im Delta (D 1943/47), Fischerparadies<br />
Donaudelta (D 1944), Begegnung mit Pelikanen (D 1945); diese Filme sollten dem<br />
Publikum besonders das mit Hitlerdeutschland verbündete Rumänien nahebringen, vgl.<br />
Krenn: Die Kulturfilme der Wien-Film, S. 7.<br />
38 Weinhüter unter dem Hüterstern, Filmarchiv Austria, Sign. WIFI-Do-1-2954.<br />
39 Krenn: Die Kulturfilme der Wien-Film, S. 61.<br />
40 Wolfgang Krug: „<strong>Wachau</strong> Wanderbüchlein“. Das „Brevier“ des Maximilian Suppantschitsch.<br />
Weitra 2022, S. 330.<br />
25
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
geschmückt, der zu Beginn der Tätigkeit der Weinhüter, also im August, an<br />
weithin sichtbaren Stellen aufgerichtet wird.“ 41<br />
Im Vorspann und in der Schlusseinstellung des Films wird der Hüterstern in all<br />
seinem Detailreichtum im Gegenlicht, vor einem wolkendurchzogenen Himmel<br />
gezeigt. Das Pathos dieser Präsentation bleibt jedoch unkommentiert – ungleich<br />
Plöckingers Ausführungen von 1940, in denen ideologisch motivierte Mutmaßungen<br />
über die Form des Hütersterns angestellt wurden: „[...] staunend ersah<br />
ich das Bestreben all der zahlreichen Handwerker, welche bei den Weinhauern<br />
Beschäftigung finden, die für diese hergestellten Gegenstände, soferne es nur<br />
irgendwie möglich war, zu verzieren. Das geschah nach eigenem Erinnern oder<br />
nach altererbten Vorbildern. Selbst altgermanische Symbole finden sich darunter.<br />
[...] Damit ist uns ein wichtiges Beweisglied für die Annahme gegeben, daß der<br />
Weinbau von Niederdonau nicht unmittelbar aus dem Süden eingeführt worden<br />
ist, sondern ebenso wie Bewohner der Weingebiete unseres Gaues aus den<br />
Rhein- und Maingegenden kam, wo ihn Franken und andere Germanenstämme<br />
von den Römern zu einer Zeit übernommen haben, da bei ihnen noch die<br />
ursprünglichen Glaubenssymbole voll in Geltung standen.“ 42 Dass in Weinhauer<br />
unter dem Hüterstern auf Spekulationen und Zuschreibungen wie bei Plöckinger<br />
verzichtet wurde, ist eine typische Strategie der Wien-Film aus ihrer Spätzeit,<br />
die auch Reichsminister Joseph Goebbels, an dessen Weisungen das Studio gebunden<br />
war, nicht entging. Zur Entstehungszeit des Films bemängelte er, dass<br />
„das Wiener Kollektiv“ [...] mehr und mehr in eine falsche Bahn“ 43 gerate. Zwar<br />
bezog sich Goebbels mit seiner Kritik auf einen Spielfilm des Studios, 44 dennoch<br />
lässt sich auch anhand von Weinhauer unter dem Hüterstern eine ansatzweise Ambivalenz<br />
aus Umgehung und Erfüllung weltanschaulicher Vorgaben feststellen. So<br />
wird der Vorgang des Weingartenhütens in erster Linie als Tradition gezeigt, die<br />
Anlass für eine erheiternde Episode bietet: Junge Mädchen stehlen sich „verbotene“<br />
reife Trauben und werden ertappt. Seine weltanschauliche „Schuldigkeit“ tat<br />
die Produktion dann in der zweiten Hälfte der Laufzeit, insofern zumindest die<br />
Arbeit der Weinlese in Blut-und-Boden-Ästhetik inszeniert wird.<br />
Archaische Arbeit im Weinberg<br />
Der Komponist Karl von Pauspertl, ein Routinier auf dem Gebiet des Kulturfilms,<br />
schrieb die Musik für die Produktion Weinhauer unter dem Hüterstern. Eine<br />
Pressemeldung der Wien-Film charakterisierte Pauspertls Musik zusammen-<br />
41 Hans Plöckinger: Volkskunde und Brauchtum der Winzer in Niederdonau. Nach den Beständen<br />
des Kremser Weinmuseums (Niederdonau / Natur und Kultur, hg. vom Reichsstatthalter in<br />
Niederdonau, Gauselbstverwaltung, 3. Heft). Wien, Leipzig 1940, S. 3–4.<br />
42 Plöckinger: Volkskunde und Brauchtum der Winzer in Niederdonau, S. 3.<br />
43 Eintrag vom 24. Oktober 1943, in: Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil II, Band 10, hg.<br />
von Elke Fröhlich. München, New Providence, London, Paris 1996, S. 160.<br />
44 Gustav Ucickys Am Ende der Welt (D 1943).<br />
26
Weinhauer unter dem Hüterstern (D 1944)<br />
fassend darin, dass sie sich durch „eine Fülle gemütvoll-urwüchsiger Themen“ 45<br />
auszeichne. Das Kernmotiv seiner Partitur wird im Vorspann eingeführt und<br />
erscheint danach wieder in der Sequenz der Weinlese. Zusammengesetzt ist<br />
es aus zwei Idiomen: Einerseits weist die einleitende Wechselnotenfigur eine<br />
unverkennbar lokale Färbung auf, andererseits ist das Motiv in seinen Intervallen<br />
und seiner Periodik als „heroisch“ zu verstehen. Im späteren Verlauf der<br />
Weinlese wird es abgelöst von einem Motiv, das einen vollkommen anderen<br />
Charakter besitzt. Über einem monotonen, quasi-maschinellen Rhythmus setzen<br />
Flöten und Klarinetten pentatonische Akzente. Dabei handelt es sich um<br />
eine damalige filmmusikalische Praxis, Assoziationen des Archaischen zu vermitteln:<br />
In der Musik zu Leni Riefenstahls Olympia (D 1938) ist etwa ebenso<br />
verfahren worden. Dort hatte die Pentatonik die Welt der griechischen Antike<br />
bedeutet, 46 in Weinhauer unter dem Hüterstern repräsentiert sie eine überlieferte,<br />
seit Vorzeiten scheinbar unveränderte Arbeitspraxis.<br />
Im selben Jahr wie Weinhauer unter dem Hüterstern entstand außerdem Von den<br />
Karawanken zur <strong>Wachau</strong> (D 1943), produziert von der Berliner Urania, Institut<br />
für volkstümliche Naturkunde. Die letzten zwei Jahre des Zweiten Weltkrieges<br />
sowie die ersten zwei Jahre der Nachkriegszeit bildeten anschließend eine<br />
Zäsur in der filmischen Beschäftigung mit der <strong>Wachau</strong>.<br />
WEINHAUER UNTER DEM HÜTERSTERN. EIN FILM AUS DER<br />
WACHAU<br />
D 1944<br />
Regie: Clarissa Patrix-Dreyer, Herbert Dreyer<br />
Buch: Clarissa Patrix-Dreyer, Herbert Dreyer<br />
Musik: Karl von Pauspertl<br />
Kamera: Wolfgang Müller-Sehn<br />
Mit: Karl von Zieglmayer (Sprecher)<br />
Produzent/Produktionsleitung: Clarissa Patrix-Dreyer, Herbert Dreyer<br />
Produktion: Wien-Film, Herbert Dreyer-Kulturfilme<br />
Prädikat: Anerkennenswert, volksbildend<br />
Uraufführung: 19. Dezember 1944, Wien, als Beiprogramm zu Das Herz muß<br />
schweigen (D 1944)<br />
45 Weinhüter unter dem Hüterstern, Filmarchiv Austria, Sign. WIFI-Do-1-2954.<br />
46 Michael Walter: Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1919–1945. Stuttgart, Weimar<br />
1995, S. 304.<br />
27
<strong>Filmmythos</strong> <strong>Wachau</strong><br />
„Noch ‚kocht‘ in diesen Tagen der Wein in der Traube, die süss wird, wie schon<br />
lange nicht. Dies ist in fast allen Weingauen so, auch in einem der verborgensten<br />
Weingebiete, der <strong>Wachau</strong> in Niederdonau. Der Fleiss vieler Weinhauer-Generationen<br />
haben auf dem sanft zur Donau abfallenden Hängen zwischen Melk und<br />
Krems ein Heer von Rebstöcken gepflanzt und gehegt, ob deren goldigen Saftes<br />
der lokale Weingott sich erdreisten darf, zu seinem grossen Bruder am Rhein<br />
hinüberzuschielen und ihm ein kordiales ‚Servus, du‘ zuzurufen.<br />
Man muss einmal einen Herbsttag in dem Weinstädtchen Dürnstein erlebt<br />
haben! Mit jedem Septembertag werden die Farben satter und kräftiger wie<br />
nirgendwo. Da geht ein seliges Rumoren durch die sonnenbeschienen traulichen<br />
Gässchen und das Winkelwerk der alten Häuser. Alles, was Hände hat, putzt,<br />
scheuert, reibt und bürstet die hölzenen Gefässe, Bottiche, Fässer, Butten und<br />
Kübel, und Jung und Alt wartet darauf, bis das ‚Weingebirg‘ aufgesperrt wird,<br />
denn Wochen zuvor hatten die Weinbergwächter den ‚Hüterstern‘ aufgestellt,<br />
als Warnung, dass das Weingebirg für unerwünschtes, genäschiges, kleines<br />
Landvolk ‚zuag’sperrt is‘.<br />
Nach der Weinprobe bestimmt der Bürgermeister den Beginn der Lese. Die<br />
Hüter setzen kleine Wermutbuschen auf die Wegkreuze, was andeuten soll, dass<br />
der Weinberg nun aufgesperrt ist und mit der Lese begonnen werden kann. Und<br />
nun füllen flinke Hände Schaff um Schaff, tragen rasche Füsse den reichen Segen<br />
zu den Butten, die zum Maischbottich gebracht werden. Ist er voll, zerstampfen<br />
Holzklöppel die reifen Beeren zu goldglitzernden Brei, auf dem sich die gewaltigen<br />
Arme des Pressbaumes niedersenken, auf dass sich das edle Nass schäumend<br />
in den Bauch der mächtigen Weinfässer ergiesst. Die Hüter nehmen nun den<br />
Hüterstern ab und gehen mit ihrem Erntekranz dem Dorf zu, wo eine Kostprobe<br />
des frischen Mostes ihrer harrt.“ (Pressetext der Wien-Film)<br />
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