Walter Barton - DIE VERLORENE UND DIE GEFUNDENE BIBLIOTHEK - Wolfgang Günther Fischers Briefwechsel mit Leipziger Freunden 1927 - 1954, FB Privatdruck 2018
Dr. Walter Barton kam Mitte der Fünfziger Jahre als DDR-Flüchtling an die Landesbibliothek Oldenburg, deren Direktor Wolfgang G. Fischer war. Viele Jahre später und nach weiteren Karriereschritten wertete Barton die im Familienbesitz erhaltene Korrespondenz seines früheren Chefs in Oldenburg aus, der bereits 1973 verstorben war. Hierüber erschließen sich dem Leser Glanz und Totalverlust der Stadtbibliothek Leipzig unter dem Direktor Johannes Hofmann, deren mühsamer Wiederbeginn nach dem Krieg unter Dr. Edith Rothe, dann aber auch der ebenfalls mühsame, letztendlich aber erfolgreiche Wiederaufbau der Landesbibliothek Oldenburg im ehemaligen Zeughaus an der Ofenerstraße. Das Manuskript wurde in enger Abstimmung mit Prof. Dr. Walter Barton durch den Herausgeber Burckhardt Fischer verfertigt, bebildert und ergänzt. Walter Barton ist mit 94 Jahren 2018 verstorben. Seine Nachlaßverwalterin Susanne Barton hat der Veröffentlichung zugestimmt.
Dr. Walter Barton kam Mitte der Fünfziger Jahre als DDR-Flüchtling an die Landesbibliothek Oldenburg, deren Direktor Wolfgang G. Fischer war. Viele Jahre später und nach weiteren Karriereschritten wertete Barton die im Familienbesitz erhaltene Korrespondenz seines früheren Chefs in Oldenburg aus, der bereits 1973 verstorben war.
Hierüber erschließen sich dem Leser Glanz und Totalverlust der Stadtbibliothek Leipzig unter dem Direktor Johannes Hofmann, deren mühsamer Wiederbeginn nach dem Krieg unter Dr. Edith Rothe, dann aber auch der ebenfalls mühsame, letztendlich aber erfolgreiche Wiederaufbau der Landesbibliothek Oldenburg im ehemaligen Zeughaus an der Ofenerstraße.
Das Manuskript wurde in enger Abstimmung mit Prof. Dr. Walter Barton durch den Herausgeber Burckhardt Fischer verfertigt, bebildert und ergänzt.
Walter Barton ist mit 94 Jahren 2018 verstorben. Seine Nachlaßverwalterin Susanne Barton hat der Veröffentlichung zugestimmt.
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DIE VERLORENE UND DIE GEFUNDENE BIBLIOTHEK
Wolfgang Günther Fischers Briefwechsel
mit Leipziger Freunden
1927 – 1954
Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von
Walter Barton
– Private Vervielfältigung des Manuskriptes –
Der Autor hat 2016 seine Einwilligung zur Veröffentlichung zurückgezogen
Die verlorene und die gefundene Bibliothek
Wolfgang Günther Fischers Briefwechsel
mit Leipziger Freunden
1927 – 1954
Ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von
Walter Barton
Das Titelbild gibt die Klischee-Vorlage mit den Schnitt-Angaben von Fischer
wieder für seinen Aufsatz über das Gebäude der Stadtbibliothek Leipzig, erschienen
1939 im Leipziger Jahrbuch: die mit „X“ bezeichneten und im Bild
auszumerzenden Teile sind so gleichsam ein Menetekel der kommenden Zeit
– aus seinem Nachlass –
Eingang der Landesbibliothek Oldenburg, Ofener Straße ( 1946 – 1987 )
Inhaltsverzeichnis
I. Vorwort 1994 und 2010
II.
III.
IV.
Wolfgang G. Fischer. Ein biographischer Abriss
Einführung in die Briefedition
Verloren: Stadtbibliothek Leipzig
Fischer in Leipzig Korr.-Nrn 1 - 18
Fischer im Felde Korr.-Nrn 19 - 45
Fischer in Oldenburg Korr.-Nrn 46 - 76
V. Verloren: Schlossbibliothek in Moritzburg.
Fischer in Leipzig Korr.-Nrn 77 - 90
VI.
Anmerkungen und Belege
VII. Nachworte 2010 und 2013 / 2015 Burckhardt Fischer
VIII.
Anhang
1. Abkürzungsverzeichnis
2. Korrespondenzregister
3. Bibliotheksspiegel StB Leipzig und LB Oldenburg im Jahrbuch
der Deutschen Bibliotheken
4. Nachrufe und Würdigungen
5. Abbildungsverzeichnis
6.1 Dokumente zu Dr. Edith Rothe
6.2 Dr. Johannes Hofmann, De monte veneris, Leipzig 1929
- 1 -
Für Burckhardt,
Wolfgang G. Fischers jüngsten Sohn,
der sich durch meine Zweifel nicht
in seiner Überzeugung erschüttern ließ,
das Zeughaus sei als wahre Schatztruhe
der ideale Standort für die Landesbibliothek
Oldenburg gewesen.
Diese meine Arbeit verstehe ich als
ein Bauelement zu seinem
„Weg zum Buch“
W.B.
- 2 -
Der
Treppenaufgang
zur Leipziger
Stadtbibliothek im
Alten Gewandhaus
Aus:
Wolfgang G.
Fischer,
Gewandhaus und
Stadtbibliothek und
der Mauermeister
Seltendorff
Leipzig, 1939
[Jahrbuch]
- 3 -
Karl Wilhelm August Rothe
* 20. Februar 1865 in Leipzig; † 20. Januar 1953 ebenda
Bankier und Kommunalpolitiker in Leipzig, von 1918 – 1930 Oberbürgermeister
- 4 -
Dr. Karl Rothe
- 5 -
Johannes Hofmann
* 1888 in Dresden; † 1954
Leiter der Stadtbibliothek Leipzig 1925 - 1945
- 6 -
Dr. Johannes Hofmann
- 7 -
Edith Rothe
* 11. November 1897 in Leipzig, † 26. Januar 1989 in Heidelberg
amtierte von 1945 bis 1951 als Leiterin der Stadtbibliothek Leipzig
- 8 -
Dr. Edith Rothe
- 9 -
Wolfgang G. Fischer
* 27. November 1905 in Dresden, † 09. Juli 1973 in Oldenburg
Direktor der Landesbibliothek Oldenburg (1946) 1949 - 1968
- 10 -
Dr. Wolfgang G. Fischer
- 11 -
- 12 -
I.a Vorwort 1994
Die Beschäftigung mit Fischers Briefwechsel in den ersten Jahren nach meiner
Pensionierung und der Rückkehr nach Oldenburg war bestimmt von dem Gefühl
aufrichtigen Dankes für die Jahre, die ich vordem in Oldenburg verleben durfte
(1954-65). Hier hatte mir, dem Heimatvertriebenen aus Jena, der gebürtige Dresdner
Wolfgang G. Fischer, der ein ähnliches Schicksal erlitten und die Schwierigkeiten
des Neubeginns aus dem wirtschaftlichen Nichts heraus am eigenen Leibe erfahren
hatte, eine berufliche Chance eröffnet. Sein Zutrauen in meine fachlichen Fähigkeiten
– damals keineswegs selbstverständlich bei der Unkenntnis von der Ausbildung
in der „Ostzone“ – und die Aufgaben, die er mir überließ, verschafften mir vielseitige
Bewährungsmöglichkeiten und somit auch schließlich weitere Karrierestufen
anderenorts, die er an seiner Landesbibliothek nicht bieten konnte. Er hat mein
manchmal recht selbständiges Arbeiten und auch mein Fortkommen mit freundlicher
Gelassenheit und viel Verständnis hingenommen, und dafür danke ich ihm
besonders.
In seiner Frau, Dr. Hilde Fischer, fand ich eine mütterliche Freundin für meine Frau,
die ich mit den beiden kleinen Söhnen erst nach mehr als einem Jahr der Trennung
aus Jena nachkommen lassen konnte. Und später, in den frühen 90er Jahren,
unterstützte sie meine Arbeit an der Briefedition mit Rat, sprich Hilfen aus ihrer
Erinnerung, und Tat, indem sie mir die erforderlichen Materialien aus dem Familienbesitz
überließ.
Ihr sehnlicher Wunsch, die Dokumentation einer Lebens- und Brieffreundschaft
gedruckt zu sehen, in deren Mittelpunkt ihr verstorbener Gatte stand, hat sich bisher
leider nicht erfüllt. Die beiden Bibliotheken, für die ich die Ergebnisse meiner Arbeit
bestimmt hatte, die wieder entstehende Stadtbibliothek Leipzig und die Sächsische
- 13 -
Landesbibliothek in Dresden (für den Teil „Moritzburg“), haben ihr Interesse an den
Originaldokumenten zwar lebhaft zum Ausdruck gebracht, dann aber, weil diese der
Landesbibliothek Oldenburg zugesagt waren, mich aus Mangel an Mitteln und daher
ohne absehbare Aussicht auf Drucklegung nur zeitlich hingehalten, bis ich meine
Typoskripte zurückzog.
Ich habe danach die beiden ursprünglich getrennten Teile zusammengefasst, indem
ich sie mit übergeordnetem Titel, der Kurzbiographie Fischers, ferner mit gemeinsamer
Einführung und durchlaufendem Anmerkungsapparat versah. In meinem
Schriftenverzeichnis, das Egbert Koolman 1994 zum meinem 70. Geburtstag als Nr.
8 der „Schriften der Landesbibliothek Oldenburg“ zusammen-stellte, sind sie noch
getrennt als „in Vorbereitung“ verzeichnet unter 2.187 und 6.24. Nun überlasse ich
das meinerseits abgeschlossene Werk der Landesbibliothek Oldenburg, der ich so
viel verdanke. Vielleicht ergibt sich für sie ja einmal der Anlass zur Drucklegung, bei
irgendeinem Jahrestag etwa des Lebens und Schaffens der zwei Oldenburger
Bibliothekare Fischer und Barton. Und wenn es nicht zum Druck kommt, so hätte das
jedenfalls Wolfgang G. Fischer nicht als schmerzlich empfunden, denn er vertrat
doch stets die Meinung, es werde ohnehin zu viel gedruckt. Das mag schon sein,
diese vom Zahn der Zeit schon sehr angenagten Briefe aber haben ihren bleibenden
Wert – als Zeitdokumente und als Spiegelbilder einer liebenswerten Persönlichkeit
unterwegs zwischen ihrer sächsischen Heimat und ihrer oldenburgischen
Wirkungsstätte.
Oldenburg, im Mai 1994. W. B.
- 14 -
I b. Vorwort 2010
Es war einmal, so beginnt mein Märchen, dass vor vielen, vielen Jahren ein Autor
zwei Arbeiten enttäuscht zurückzog, weil die potentiellen Empfänger nicht so
reagierten, wie er erwartete. Er fasste sie dann unter dem gemeinsamen Titel
Blühende, zerstörte und wiedererstehende Bibliothekskultur
in Sachsen und Oldenburg
zusammen und überließ sie schließlich unveröffentlicht dem Dornröschenschlaf im
Ablageschrank in der vagen Hoffnung, die Schlafenden würden irgendwann, an
einem Gedenktag oder zu einem besonderen Ereignis, schon wachgeküsst werden.
Das war Wunschdenken in doppeltem Sinne. Zunächst, was die Partizipien im Titel
angeht. Einst blühend und dann zerstört, das trifft tatsächlich auf die beiden
sächsischen Bibliotheken zu, mit Einschränkungen auch auf die Landesbibliothek
Oldenburg. Aber wiedererstehend, wiederauflebend wie in Oldenburg? Diese
Hoffnung, die in der Nach-Wendezeit kurz auflebte, hat sich nicht erfüllt. Beide,
deren finale Geschichte hier berichtet wird, die Stadtbibliothek Leipzig und die
Schlossbibliothek Moritzburg, existieren nicht mehr, die Erinnerung an ihre reichen
Sammlungen verblasst mehr und mehr.
Auch meine im damaligen Vorwort geäußerte Erwartung, der Wachkuss könnte
durch ein Jubiläum zum Gedenken an Fischer als die zentrale Person der
Korrespondenz erfolgen, hat sich nicht erfüllt. Es blieben z.B. die 100. Wiederkehr
seines Geburtstags, das 25. Jahr seines Todes oder des Ausscheidens aus dem
Dienst, auch jeder sonstige Anlass ohne Wiederbelebung solcher Erinnerung an ihn.
Ein langer Schlaf also.
- 15 -
Der Prinz kam überraschend aus Berlin. Es war Fischers jüngster Sohn Burckhardt,
der, inspiriert durch meinen Zeitungsbeitrag (Anhang 4, Ende), im Herbst 2009 den
Kontakt zu mir aufnahm und großes Interesse zeigte an – um im Bilde zu bleiben –
der schlafenden Schönen. Er arbeite an einem Lebensbild seines Vaters und
verspreche sich viel von der Wiederbelebung und meiner Mitwirkung daran. Das
Märchen könnte sein Ende damit finden, dass ich ihm meine Hilfe zugesagt und
geleistet habe.
Doch da gab es noch Probleme: Der Hauptteil Stadtbibliothek enthielt bei kritischer
Betrachtung für sächsische Abnehmer zu viel Oldenburgisches, für oldenburgische
zu viel Sächsisches. Dies ist ein Dilemma, das jetzt nur durch Konzentrierung auf die
Person Fischers als die Hauptfigur der Korrespondenz zu beseitigen war. Es musste
schon im Nachhinein der oldenburgische Gehalt verstärkt werden, der sächsische
sollte, weil Fischers Briefpartner ja dort zu Hause waren, erhalten bleiben.
Die Focussierung auf Fischer hätte auch nahelegen können, auf das Kapitel
Moritzburg zu verzichten, weil es zwar viel über Edith Rothe, aber nur wenig über
den Empfänger ihrer Schreiben sagt; seine Reaktionen auf ihre Nachrichten fehlen
ja. Und dennoch ist er nicht hinweg zu denken, ist als lebenslanger Vertrauter
vielmehr immer dabei. Über sie läuft zudem die Verbindung zwischen den beiden
Teilen Stadtbibliothek und Schlossbibliothek. Sie, die über alle Stationen ihres
unruhigen Lebensweges die Liebe zur Stadtbibliothek Leipzig bewahrte, sich sogar,
als alles verloren schien, noch in den Dienst einer aussichtslosen Sache stellte, sie,
die letzte Leiterin der Stadtbibliothek, ist aus der Geschichte dieser beiden Häuser
nicht wegzudenken. Dies, und die Verbundenheit zwischen Fischer und Edith Rothe,
gaben den Ausschlag für die Beibehaltung der Philippika aus Moritzburg.
Ich versuchte meine Aufgabe jetzt zu lösen, indem ich die originale Form der 90er
Jahre möglichst unverändert erhalten, sie aber durch Einfügungen und ein Nachwort
ergänzt habe. Diese Zusätze sind besonders deutlich da zu erkennen, wo ich, um
- 16 -
der gefälligen Gliederung willen längere blockartige Briefpartien durch Einfügungen
ergänzender und erklärender Art aufgelockert habe.
Eine an sich naheliegende Aufgabe, die Kapitel IV und V jetzt unter dem Aspekt der
Konzentrierung auf Fischer ineinander zu arbeiten, habe ich mir zu Beginn meines
87. Lebensjahres nicht mehr zumuten wollen. Mir schien die Erhaltung des erschlossenen
Materials in dieser Form vordringlicher als ein langwieriger Prozess, der unter
Umständen nicht zu Ende kommen könnte.
Ein Handikap aber wird bleiben: Zu dieser hier wiedergegebenen Korrespondenz
gehört eigentlich auch das, was Fischer seinen Partnern über Aufbau und Fortschritte
seiner Landesbibliothek mitteilte. Das aber ist nicht berücksichtigt, weil er
über seine mühevolle Aufgabe viel häufiger und ausführlicher in den Briefen an seine
Frau berichtete. Diese Auszüge liegen in der Festschrift der Landesbibliothek von
1992 schon im Druck vor (s. Anh. 4).
Ich habe als Bibliothekar und Wissenschaftler mehrfach über Bibliotheksgeschichte
gearbeitet; als unruhiger Ruheständler in Oldenburg, das mir zur zweiten Heimat
wurde, über die Universitätsbibliothek meiner Heimatstadt Jena (Schriftenverz. 1.9 u.
mehr), als Ltd. Bibliotheksdirektor in Siegen über die alte nassauische Hohe Schule
Herborn–Siegen (Schriftenverz. 2.132 u. 2.134). Es scheint mir aber schicksalhaft
bestimmt, dass diese meine wissenschaftliche Tätigkeit in Oldenburg mit Arbeiten zu
Fischers Landesbibliothek eröffnet (Schriftenverz. 2.4, 2.13 u. 2.14) und vermutlich
auch beschlossen wird. Ich habe ihr und ihm dankbar einiges zurückzuerstatten.
Oldenburg, im Juni 2010
W.B.
- 17 -
- 18 -
Arbeitszimmer des
Direktors in der
Landesbibliothek
Oldenburg, Ofener Straße,
1967
II.
Wolfgang G. Fischer. Ein biographischer Abriss
Es ist ihm im Leben eigentlich nichts glatt zugefallen; auch der Entschluss,
Bibliothekar zu werden - nein: zu bleiben, entsprang eher dem Scheitern anderer
Pläne als spontanem eigenem Entschluss. Und doch ist er bei allen äußeren
Einflüssen, die sein Leben und seinen Berufsweg bestimmten und veränderten, einer
inneren Linie immer treu geblieben. Sie wird erstmals deutlich, als er während der
Ausbildung für den Gehobenen Dienst 1925-27 an der Deutschen Bücherei in
Leipzig ein Praktikum am Buchmuseum unter Prof. Schramm absolvierte. Die
dadurch verstärkte Liebe zur Buchkunst hat ihn in mancherlei Gestalt von Kunst und
Buch das ganze Leben lang fasziniert. Sie führte zunächst zur Aufnahme des
Studiums der Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik neben der Tätigkeit als
Bibliothekssekretär, später Inspektor an der von Johannes Hofmann geleiteten
Stadtbibliothek Leipzig. Es entstand seine Dissertation „Die Blütezeit der Einbandkunst“,
gefördert von Prof. Theodor Hetzer, dem er stets treu verbunden blieb.
Dann eine Folge von Rückschlägen: Er wurde nicht zum Rigorosum zugelassen, weil
ein Prüfender noch einen belanglosen Seminarschein vermisste. Als 1931 die
Zulassung durch eine „Lex Fischer“ dennoch erfolgte, war das Stipendium für die
Hertziana in Rom inzwischen verfallen. So blieb er schweren Herzens an der
Stadtbibliothek Leipzig, er blieb es auch, als ihn Wilhelm Pinder aufforderte, ihn als
Assistent nach München zu begleiten. So gern er Hochschullehrer für Kunstgeschichte
geworden wäre, er musste ablehnen, weil nach Verlust des Familienvermögens
während der Inflation sein Lebensunterhalt dort nicht gesichert war. So
übernahm er 1935 die Vertretung des erkrankten Stadtbibliothekars und stellte sich
1937 der bibliothekarischen Staatsprüfung. Selbst Stadtbibliothekar, blieb er in
Leipzig bis zur Einberufung zum Wehrdienst (April 1942). Damit endet der erste, der
heimisch-sächsische Lebensabschnitt.
- 19 -
Die Hinwendung zum Oldenburger Land ist reiner Zufall oder höhere Gewalt: Der
Kriegsgefangene Fischer, stationiert in der Nähe von Wittmund, lässt sich nach
Jever abordnen, um dort die Bibliothek des Mariengymnasiums aus dem Keller zu
holen und einen Ausleihbetrieb zu organisieren. Zugleich tut er sich nach der
Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (Januar 1946) in den benachbarten
Städten, wo er kunstwissenschaftliche Vorträge hält, nach beruflichen Chancen um,
weil er sich noch nicht schlüssig ist, ob er nach Leipzig zurückkehren soll. Dabei hört
er in Oldenburg von der Situation an der Landesbibliothek (LB), spricht mit dem
kommissarischen Direktor, wird im Ministerium mit dem Abteilungsleiter Fritz Kästner
bekannt. Als Minister holt der ihn, zunächst im Angestelltenverhältnis, an die Landesbibliothek
(Mai 1946). Erst drei Jahre später wird WGF, wie ihn seine Mitarbeiter in
Respekt und Verbundenheit zugleich bezeichneten, Bibliotheksdirektor.
Es ist die einmalige, große Leistung Fischers, in schwerer Zeit unter extremen
Lebens- und Arbeitsbedingungen, bis Mai 1947 von seiner Familie in Leipzig
getrennt, das ehemalige Zeughaus als Ersatz für das ausgebombte Bibliotheksgebäude
am Damm erkämpft und ab Oktober 1946 die LB aus zunächst primitiven
Bedingungen in einem mehrjährigen Entwicklungsprozess, der erst 1959 mit den
letzten Umbaumaßnahmen abgeschlossen wurde, zu räumlicher und funktioneller
Qualität gebracht zu haben.
Die Ära Fischer bringt nach dem Ende des Provisoriums für die LB eine stetige
Ausweitung der Leistungen; sie wird zum großen Bücherreservoir zwischen Weser
und Ems, Leihverkehrszentrum und Leitbibliothek für Oldenburg, Ostfriesland und
das Osnabrücker Nordland. Die bald nach seinem Ausscheiden leider wieder gelöste
Verbindung von LB und – in Personalunion – Staatlicher Fachstelle für das
Büchereiwesen beseitigt nachhaltig und ertragreich die Schäden, die eben diese
Verbindung in nationalsozialistischer Zeit seit 1937 hervorgebracht hat. Unvergessen
ist der jährliche kleine „Oldenburger Bibliothekartag“, den die Fachstelle in der LB
veranstaltet. Es entstehen moderne Kataloge, die Sofortbedienung wird eingeführt,
- 20 -
die Bibliothek tritt mit Neuerwerbungslisten und Presseinformationen aktiv auf, nutzt
konsequent die Chancen des Pflichtexemplarrechts zum Ausbau und zur Vervollständigung
der regionalen Bestände. Mit steigendem Etat und durch Übernahme
bedeutender Sammlungen wachsen die vorwiegend wissenschaftlichen Bestände
auf 280.000 Bände an.
WGF war der ideale Landes-Bibliothekar: Ohne den Ehrgeiz, zu den Großen der
Bibliothekswissenschaft und –praxis zu zählen, errichtete er kein Lehrgebäude und
schuf keine spektakulären neuen Arbeitspraktiken, fühlte sich auch eigentlich nicht
als „gelehrter“ Bibliothekar, der sich in wissenschaftlichen und landeskundlichen
Publikationen manifestiert. Er vertrat eher die Meinung, dass sowieso schon viel zu
viel gedruckt würde, und so publiziert er schließlich nur, wenn es eben nicht zu
vermeiden war. Sein eigentliches und erklärtes Ziel, „sein“ Buch über die Darstellung
des Buches in der bildenden Kunst zu schreiben, hat er jahrzehntelang durch
Materialsammlung und Vortrag von Teilergebnissen verfolgt, aber eben doch nicht
im Zusammenhang ausformuliert, und so musste er es schließlich unvollendet aus
den Händen legen, eine späte Bestätigung seiner brieflichen Äußerung vom
September 1949, dass „ja doch die ungeschriebenen Werke die viel bedeutenderen“
sind. Was er unvollendet hinterlassen hat, ist an die Herzog-August-Bibliothek
Wolfenbüttel gelangt.
WGF war in besonderer Weise engagiert und nutzte uneigennützig die Schätze, die
ihm dienstlich zur Verfügung standen. „Wir sehen heute“, schrieb er 1963, „dass die
Arbeit des Bibliothekars nur durch das Buch sozusagen indirekt ist, dass die
Begegnung des einzelnen Lesers mit dem einzelnen Buch vielfach der Ergänzung
bedarf durch die Bildungserlebnisse in der Gemeinschaft." Zu solchen nachhaltigen
Erlebnissen verhalf er seinen Hörern in der Volkshochschule, deren Vorsitzender er
jahrelang war, Ehrenvorsitzender nach der Pensionierung. Er stand mitten im
öffentlichen Leben und repräsentierte sein Haus als einen Faktor, mit dem man
rechnen musste.
- 21 -
Als Vorgesetzter leitete er „am langen Zügel“ und drängte seine Autorität niemals
auf, war aber mit Rat und Tat immer bei der Hand, wenn es nötig war. Voll
menschlichen Verständnisses begleitete und förderte er den Dienstweg seiner
Mitarbeiter, von denen er sich nur räumlich und ohne Bitterkeit trennte, wenn sie
anderenorts eine Chance erhielten, die seine LB nicht hergab. Und ihre Benutzer
erinnern sich noch dankbar der nie versiegenden Auskünfte und Hilfen, die er ihnen
stets mit der Frage „Wie kann ich Ihnen helfen?“ anbot und erteilte.
WGF hat eigentlich niemals dienstlich „gute“ Zeiten erlebt. Zu primitiv waren
jahrelang die äußeren Bedingungen und Arbeitsverhältnisse im Zeughaus, zu
kümmerlich der Etat seines Hauses, zu lange dauerte die Epoche des Provisoriums.
Er hat dennoch immer das Beste daraus gemacht, hat auch das Risiko auf sich
genommen, zur Sicherung einer wissenschaftlichen Mindestausstattung die LB
verschulden zu lassen, bis schließlich doch Sondermittel aus Hannover kamen und
das Loch stopften. Er hat sich seine souveräne Kritik, seinen feinen Humor,
Verständnis für die Schwächen der Umwelt und seine Hilfsbereitschaft, vermischt mit
latentem Heimweh nach seiner verlorenen Heimatstadt Dresden und – seine Briefe
zeigen es deutlich - der sehnsuchtsvollen Erinnerung an die Stadtbibliothek Leipzig
in allen Lebenslagen erhalten. So bereicherte er seine Partner und Mitarbeiter in der
Landesbibliothek, im Arbeitskreis der oldenburgischen Kulturinstitute, im kulturellen
Leben Oldenburgs und im Niedersächsischen Beirat für das wissenschaftliche
Bibliothekswesen, brillierte er im geselligen Kollegenkreis bei Bibliothekartagen und
Kongressen, unvergessen für alle, die mit ihm zusammen sein durften.
Ende September 1968 gab WGF die Verantwortung für LB und Staatliche Fachstelle
ab. Doch er konnte sich nur wenige Jahre der ersehnten Muße im Ruhestand
erfreuen; nach monatelangem schwerem Leiden erlag er am 9. 7. 1973 einer unheilbaren
Krankheit. Er ruht auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg.
- 22 -
III.
Einführung in die Briefedition
Der Schriftwechsel, den Fischer in Leipzig und Oldenburg mit guten Freunden führte,
wurde zunächst von seiner Frau und schließlich von der LB Oldenburg erhalten. Er
ist bisher nur teilweise erschlossen 1 .
Im Familienbesitz geblieben sind die Briefe, die Fischer mit seiner Frau in der Zeit
seines Wehrdienstes und anschließend über die Zonengrenze hinweg wechselte.
Sie standen nur in dem Auszug zur Verfügung, den Hilde Fischer 2 nach seinem Tode
anfertigte, und erwiesen sich als originelle Quellen zur Geschichte der LB Oldenburg
in der Zeit des Provisoriums nach der Zerstörung 1943 bis zur Neueinrichtung im
Zeughaus.
Diese Briefe zwischen den Ehegatten wurden auf zusätzliche Informationen über die
Stadtbibliothek (StB) Leipzig und die Schlossbibliothek Moritzburg nicht geprüft, weil
darin – wenn überhaupt – nur ein Echo auf empfangene Nachrichten vernehmbar
wäre, ebenso wenig die Hetzer-Briefe aus Überlingen. Interessanter dagegen
könnten Informationen sein, die Frau Fischer ihrem Mann ins Feld und nach Oldenburg
schickte. Diese Briefe aber standen für die Untersuchung nicht zur Verfügung.
Die Schreiben der befreundeten Briefpartner Fischers, auch Postkarten und Billets,
sind erhalten, von ihm dagegen nur das, was er in Oldenburg selber (mit Durchschlag)
in die Maschine schrieb bzw. seiner Sekretärin diktierte. Ständige
Briefpartner waren
- 23 -
Dr. Johannes Hofmann 3 , Fischers Chef in der StB
Dr. Karl Rothe 4 , Oberbürgermeister von Leipzig
Dr. Edith Rothe 5 , dessen Tochter, Nachfolgerin Hofmanns an der StB
Charlotte Hetzer 6 , Witwe von Prof. Dr. Theodor Hetzer, Hochschullehrer
Fischers.
Dazu kam gelegentlich persönliche Korrespondenz mit anderen Angehörigen der
StB, den Geschwistern Edith Rothes und wenigen anderen Personen, die ihm etwas
bedeuteten.
Die Korrespondenz mit Edith Rothe bildet das Gros der Sammlung. Die Verbundenheit
beider, hergeleitet von der gemeinsamen bibliothekarischen Ausbildung
und gemeinsamen Interessen, hielt ihr Leben lang, führte aber nie zum vertraulichen
Du, so offen sie einander auch schrieben. In den späteren Jahren ließ die Schreibfreudigkeit
beider merklich nach; sie erteilten dann einander Bericht über längere
Zeiträume. So kam es auch dazu, dass Fischer Ediths 70. Geburtstag (1967)
„überdammelte“ und erst durch die Ehrung im Börsenblatt daran erinnert wurde. Sie
redete ihn vorwiegend mit Wo-Fi an (als Abkürzung von seiner Schwester
übernommen), gebrauchte aber auch weniger originell „Lieber Herr Fischer“, ja sogar
Doktor. Er nannte sie gleichbleibend Ditha, obwohl sie selbst und auch ihr Vater Dita
schrieben.
Nächstgroße Teilmenge bilden die Schreiben Hofmanns, seines alten Chefs, dann
seiner Witwe. Sie bestehen zur aktiven Zeit beider überwiegend aus sachlich
unergiebigen Grußpostkarten Hofmanns aus dem Urlaub und werden interessant
erst nach der Trennung Fischers von der StB. Anrede durchweg „Lieber Herr
Fischer“, seine Frau Hanna fügt Doktor hinzu, seinerseits „Sehr verehrter und lieber
Herr Direktor“ bzw. „Liebe verehrte gnädige Frau“.
- 24 -
Von und an Karl Rothe liegt nur wenig vor aus den 40er Jahren. Anrede „Lieber Herr
Doktor“ und umgekehrt „Lieber und sehr verehrter Herr Oberbürgermeister“ (in
Variationen).
Aus den erhaltenen Briefen, die sich bei z. T. minderer Papierqualität in schlechtem
Zustand befinden, wurden nur diejenigen Passagen ausgewählt, die sich auf die
Stadtbibliothek bzw. die Schlossbibliothek, ihre Angehörigen und die persönlichen
Arbeitsbedingungen beziehen. Die weitaus umfangreicheren Schilderungen persönlicher
Erlebnisse, Reiseeindrücke und Familiennachrichten wurden übergangen.
Derartige Auslassungen, von der Anrede abgesehen, sind durch [...] gekennzeichnet,
ebenso stehen kürzere Hinzufügungen in [ ]. Wird ein Brieftext zum Zweck
der Kommentierung unterbrochen, danach aber unverändert fortgeführt, machen die
Pünktchen ... die Trennung kenntlich.
Im übernommenen Text sind offensichtliche Schreibfehler (Buchstabenverdrehungen
und dergl.) und klare Verstöße gegen die Orthographie stillschweigend berichtigt.
Für Fischers Briefe ergibt sich die Berechtigung dazu aus der Erfahrung, dass er die
Durchschläge kaum verbesserte.
Als besonders schwierig habe ich es empfunden, von Oldenburg aus spezielle
Vorgänge in Leipzig zu bewerten und in Anmerkungen zu erklären, für die es hier
keine Unterlagen gab. Ich danke umso mehr Herrn Hans-Christian Mannschatz von
der Stadtbibliothek Leipzig für seine erklärte und bewährte Bereitschaft, mir bei der
Dokumentierung zu helfen. Er hat mir wertvolle Ergänzungen liefern können, musste
dann aber wegen des besonderen Arbeitsdrucks beim Wiederaufbau seine Mitarbeit
einstellen. Im Anmerkungsteil zur StB ist daher weniger zustande gekommen, als ich
gehofft hatte, aber immer noch genug, um mit einigem Ertrag abschließen zu
können. Die Stellen im Anmerkungsteil, zu denen ich Hilfen von Mannschatz genutzt
habe, sind mit (M) am Ende der Notiz gekennzeichnet.
- 25 -
Ich danke ferner Herrn Dr. Manfred Mühlner (LB Dresden) für wertvolle Hinweise zur
Geschichte der Moritzburger Schlossbibliothek um und nach 1945 und für Überlassung
zweier an ihn gerichteter Briefe Edith Rothes.
Ich hatte, wie Fischer ein Oldenburger aus Mitteldeutschland, die beiden Arbeiten
unter dem Eindruck der wiedererlangten deutschen Einheit für Institutionen geleistet,
deren Interesse an der (eigenen) Vergangenheit ich damals voraussetzte, ja sogar
ihre Wiederauferstehung bzw. Restituierung erwartete. Beim Interesse habe ich mich
nicht getäuscht, bei den anderen Umständen dagegen schon. Und so gelangte ich
schließlich zur Überzeugung, dass dieser Weg – wie die Verhältnisse nun einmal
lagen – nicht weiterführen würde.
- 26 -
Die verlorene und die gefundene Bibliothek
Wolfgang Günther Fischers Briefwechsel
mit Leipziger Freunden
1927 – 1954
- 27 -
Die Stadtbibliothek, Fassade
zur Universitätsstraße
- 28 -
IV.
Verloren: Stadtbibliothek Leipzig
Die Leipziger Stadtbibliothek 7 ist kurzzeitig zum Thema, fast sogar zum
Wiedergutmachungsprojekt geworden, nachdem sie einen doppelten Tod erlitten
hatte: den physischen durch die Bomben und den Brand am 4. Dezember 1943, den
geistigen durch den „barbarischen Akt ihrer Auflösung" im Juni 1951. Seitdem lebte
sie nur noch in der Erinnerung ihrer ehemaligen Angehörigen und Benutzer, und ihr
Bild verblasste, je mehr Zeitzeugen verstarben und Jahre vergingen, in denen allein
schon solches Erinnern als Kritik am sozialistischen Staat verstanden und geahndet
worden wäre, der die Liquidierung dieser Institution zugelassen, nein: bewirkt hatte.
Mit dem Ende dieses Staates ging folglich auch die Wiederbesinnung auf die
Geschichte und Blüte der Stadtbibliothek einher mit dem Ziel, sie neu zu begründen.
Zeugnisse dafür sind die an Offenheit zunehmende Publikationsfolge von Mannschatz
8 und der Hilferuf an die deutsche bibliothekarische Öffentlichkeit, gefolgt von
erster Selbstbesinnung 9 . Eine Form solcher Hilfe hätte auch darin bestehen können,
der Stadtbibliothek neue Quellen ihrer Geschichte zu erschließen, nachdem die alten
ja weitgehend verloren sind. Das wird gerade für die Zeit, in der die Stadtbibliothek
zweimal vernichtet wurde, möglich durch die Zeugnisse, die in Fischers Korrespondenz
erhalten sind.
Es beginnt für den „stud. phil. Wolfgang Fischer, Buchmuseum, Haus der Deutschen
Bücherei“ mit einem kurzen und nüchternen dienstlichen Schreiben, das ihn jedoch
sehr erleichtert:
- 29 -
1 Hofmann an Fischer
Leipzig, am 2. IV. 1927
Briefkopf: Der Direktor der Stadtbibliothek und des Ratsarchivs
Soeben wird mir vom Personalamt mitgeteilt, daß die neu zu begründende
Sekretärsstelle in unsere Stadtbibliothek mit Ihnen besetzt werden soll, vorausgesetzt,
daß Sie das Examen für den mittleren Bibliotheksdienst bestehen. Also
Glück auf!
- 30 -
Was das für ihn bedeutete und was sich daraus entwickelte, schildert Fischer sehr
viel später im Gedenken an seinen verstorbenen Chef:
2 Fischer an Frau Hanna Hofmann,
Witwe seines alten Chefs, nach dessen Tode
Oldenburg, den 4. Mai 1954
[...] Vom ersten Besuch an, den ich in der Stadtbibliothek auf Veranlassung von Dr.
Rothe machte, wobei mich die Atmosphäre einer so schönen alten Bibliothek
mächtig beeindruckte, [kann ich mich erinnern]. Ihr Herr Gemahl war damals gar
nicht so sonderlich erfreut über diesen Schützling des bibliophilen Oberbürgermeisters,
weil er fürchten mußte, daß ich nur für eine Übergangszeit in die Bibliothek
kommen würde. Und natürlich habe ich damals selber so etwas gedacht. Daß mir Ihr
Herr Gemahl dann doch sein Vertrauen geschenkt hat, das hat sich doch wohl
gelohnt. Ich kam damals in die Vorbereitung des Jubiläums 10 , und es war gleich
Hochbetrieb. Schon nach 14 Tagen hatte ich meine ersten Patzer gemacht, nämlich
ein paar unterschriebene Briefe bei Seite gelegt, so daß sie nicht rechtzeitig
abgeschickt waren. Und ich mußte dann einen Reuebesuch beim damaligen Rektor,
dem alten Siber 11 , machen, der reizend zu mir war und versprach, „mich nicht zu
verpetzen", was Ihren Herrn Gemahl, als ich es ihm erzählte, höchst amüsierte ...
Als Fischer dies schrieb, stand in der Woche nach Pfingsten der Bibliothekartag in
Bremen bevor. Dorthin hatte er einen jungen Mann zum Kennenlernen eingeladen,
der in ähnlicher Situation war wie er seinerzeit, nur als Flüchtling aus der DDR ohne
Protektion. Fischer hatte ihm beim Verein Deutscher Bibliothekare eine Reisebeihilfe
erwirkt und konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass dieser Bewerber
seine Erwartungen erfüllen und vom Herbst 1954 an fast 11 Jahre lang sein wissenschaftlicher
Mitarbeiter und Stellvertreter werden würde. Bisher war Fischer, als
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Direktor seit fünf Jahren, der einzige Beamte im Höheren Dienst der Landesbibliothek.
Und in Bremen hielt Fischer vor dem Plenum eine beeindruckende Gedenkrede auf
Hofmann, ungeachtet der schweren Vorwürfe, die Karl Rothe, bis 1930 Oberbürgermeister
von Leipzig, gegen ihn erhoben hatte (Nrn. 53 u. 55). Er erinnerte an die
verlorene Stadtbibliothek Leipzig und würdigte die Verdienste Hofmanns um die
Einbandforschung, nachdem er sich schon im Vorfeld der Tagung für ein ehrendes
Andenken der Fachkollegen an seinen verehrten damaligen Chef eingesetzt hatte
(Nr. 71). All dies insofern nicht selbstverständlich, als das Interesse der westdeutschen
Bibliothekare zu dieser Zeit noch nicht wieder derart spezieller Forschung
galt, zudem wegen gravierender eigener Sorgen kaum über die Zonengrenze hinweg
reichte. Es hatten auch nur wenige Gäste aus dem Osten Reiseerlaubnis erhalten. -
Weiter im Kondolenzschreiben:
Dann kam im nächsten Jahr schon der Vertrauensbeweis, daß ich die Handzeichnungsausstellung
12 sehr wesentlich vorbereiten konnte. Das ist eine meiner
schönsten Erinnerungen, weil es die erste selbständige Begegnung in wissenschaftlicher
Arbeit mit dem Werk eines großen Künstlers war. Es ist auch für meine
Entwicklung einer der wichtigsten Ausgangspunkte geworden. Und daran knüpft sich
die reizende kleine Geschichte.
Am 2. oder 3. Sonntag der Ausstellung durfte ich dann selber die Führung machen,
und per Zufall hörte ich dann am Montag früh durch die offen gebliebene Tür zur
Galerie den Bericht, den der Buchbinder Haake machte, das Entsetzen des Chefs
darüber, wie lange diese Führung gedauert hatte, und die klassisch schöne, im
herrlichsten Sächsisch gegebene Antwort Haakes: „Nee, nee, da hab’ch doch erscht
selwer mal gesähn, was an den Zeiche ieberhaubd dran is!“
Aber nicht immer ist es so heiter gewesen. Am meisten hat mich die Sorgenzeit der
schrecklichen Sparmaßnahmen Goerdelers 13 1931 mit dem verehrten Chef zusam-
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men gearbeitet [soll wohl heißen zusammengebracht], daß ich damals durch meine
Mitarbeit den Grund gelegt habe, später auch äußerlich zum ersten Mitarbeiter Ihres
Herrn Gemahls aufsteigen zu dürfen ...
Fischer musste hierbei sicher den Gedanken unterdrücken, dass seine Landesbibliothek
mit einem geradezu kümmerlichen Erwerbungsetat ausgestattet war, der
erst von der zweiten Hälfte der 50er Jahre an 30.000 DM pro Jahr auf Dauer
überstieg. Damit war nun wirklich nicht viel anzufangen. – Und weiter:
Sehr viele Gespräche vor dem wunderbaren Münzschrank 14 im Chefzimmer, viele
auch in der Mauernische im Goethe-Raum, wo man von der Ecke des Gebäudes
den schönen Blick über die Dächer nach St. Nicolai hatte, und auch wirklich bange
Stunden, etwa wie ich nach meinem mündlichen Examen angeblich durchgefallen
war 15 und das nun in der Bibliothek berichten mußte. Wie freundlich hatte er mir in
diesem Augenblick zugesprochen.
Ja, eigentlich müßte ich alle Ausstellungen 16 aufzählen, die gewesen sind. Die
großen Planungen in den späteren Jahren, wie man einen Umbau und eine
Erweiterung der Bibliothek im unter dem Saal liegenden Untergeschoß und in den
Läden an der Universitätsstraße erreichen könnte, schließlich die stürmischen Verhandlungen
um die Gutenberg-Ausstellung 17 . Die Sorgen und manchmal etwas
mühseligen Erfolgsberichte für die Einband-Kommission, wie wird das alles wieder
lebendig. Alles das war damals getragen von dem wunderbaren Bewußtsein der
großen und schönen Tradition. Welches Verdienst hatte Ihr Herr Gemahl, gerade
dieser Tradition nach außen hin Gesicht gegeben zu haben. Und welch tiefer
Schmerz ist es, daß alles „bloß noch Geschichte“ ist, daß diese Tradition nicht mehr
weitergegeben werden kann [...]
Alle Leipziger, die mit der Stadtbibliothek zu tun hatten, fühlten sich gleichermaßen
in die kulturelle Tradition der Stadt und der Bibliothek eingebunden. Sie zogen, wo
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auch immer sie sich aufhielten, ihre Vergleiche, und da kam der jeweilige Aufenthaltsort
oft schlecht weg. So erging es auch Edith Rothe, die seit Januar in der
Universitätsbibliothek Frankfurt a.M. arbeitete.
3 Edith Rothe an Fischer
Frankfurt a/Main, den 12. Jan. 1928 Pension Barth, Niederau 52
[...] Ich habe erst einmal gesehen, wie stark man mit einer Stadt, in der man bald 30
Jahre lebt, verwachsen ist. Hier will es mir noch gar nicht behagen, obgleich ich
täglich feststelle, daß die Stadt baulich schön, elegant und großzügig ist. Aber was
Sie vor einem Jahr bald in der Stadtbibliothek erlebten, was ich damals schon
begriff, jetzt aber ganz verstehe, diese Schwierigkeit sich einzuleben, das mache
auch ich jetzt durch. Ich habe oft über die U.B. in Leipzig geschimpft, daß es nicht
klappte, aber gegen hier war es ein Paradies. Man hält es nicht für möglich, daß im
20. Jahrhundert noch solche vorchristlichen Zustände herrschen wie hier. Ihre
Wendeltreppen 18 , auf denen man die Schöpsdrehe 19 kriegt, sind gar nichts. Hier geht
man mit Stallaternen ins Magazin, wo selbst die Bücher auf dem Boden liegen [...]
Dr. Edith Rothe, aus ihrem Lebenslauf, vor 1937
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Lang hält es Edith in Frankfurt nicht aus. Sie kehrt zurück und nimmt in Dresden eine
Anstellung als Bibliothekarin der Wettiner auf Schloss Moritzburg an. Was sie von
da, intelligent und kritisch, berichtet, rechtfertigt die separate Darstellung 20 . Hier zeigt
sie sich nun bemüht, Fischer auf die Promotion einzustimmen und ihm Mut zu
machen für die schriftliche Doktorarbeit.
4 Edith Rothe an Fischer
Dresden, den 12. Januar 1929
[...] Ich hoffe, daß Sie im neuen Jahr äußerlich und innerlich vorankommen. Vor dem
inneren Weiterkommen braucht man bei Ihnen keine Angst zu haben, das ist
selbstverständlich, aber das äußere wünsche ich Ihnen so sehr, daß Sie aus der
drückenden Lage und Stelle heraus kommen. Nicht daß ich Sie um einen Deut
anders einschätze, wenn Sie erst einmal diesen blöden Doktortitel haben, nur daß
ich Ihnen wünsche, daß Sie über die Zeit der dummen Formalitäten recht bald
hinweg kommen. [...]
Edith bevorzugt den vertraulich-kumpelhaften Ton, der vor drastischen Ausdrücken
nicht zurückschreckt. So auch weiterhin:
5 Edith Rothe an Fischer
Dresden, den 19. März 1929
[...] Bucheinband war ja schon bei Schramm 21 Ihr Steckenpferd, der nebenbei gesagt
auf dem Aussterbeetat angelangt zu sein scheint. Ich schrieb ihm letzte Woche, ob
er wohl schon überblicken könnte, wann sein Januarheft 22 erschiene, ganz ernst
natürlich, und er merkte nicht, dass ich ihn verknackte, sondern antwortete, dass er
zum Erscheinen alles in die Wege geleitet hätte. [...]
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Schreiber 23 kann ich mir gut vorstellen, vertrottelt er immer mehr? In jener für Sie
verhängnisvoll endenden Nacht (wie das klingt) war ich entgeistert von ihm 24 ... Und
jetzt ein weiteres Zeugnis dafür, dass die Rothes, Vater und Tochter, sich jederzeit
für Fischer einsetzten: Bitte sprechen Sie ja mit meinem Vater über Ihre Pläne, denn
er hat mir hundertmal gesagt: „Wenn Fischer mit seiner Arbeit anfängt, soll er mirs
sagen, daß ich ihm ein bißchen Erleichterung verschaffe.“
Sodann zum Spezialgebiet, das die beiden verbindet: [...] Ich bin ja in Bezug auf
Einbandkunde ein ganzer Neuling, weil unsere fabelhafte Ausbildung in der U.B.
auch in diesem Punkt ganz versagte, aber bei meiner Krause-Arbeit 25 [...] sah ich
doch, wie stark mich diese Dinge berühren und interessieren. [...] Da fällt mir meine
Blödigkeit ein, Ihnen mit meiner belanglosen [Krause-]Anfrage noch Mühe gemacht
zu haben. Vielen herzlichen Dank. Abgesehen davon, daß es mich interessierte,
wäre es mir ein Äpfelmüschen gewesen, kurz darauf einzugehen und in einer
Fußnote zu berichten: Wie mir Herr Wolf Fischer von der Stadtbibl. Leipzig
freundlicherweise mitteilte. Nicht etwa weil ich das für eine ganz besondere Leistung
hielte, sondern weil es die „Kollegen“ so gefuchst hätte. Was Sie mir über diesen
Punkt schreiben, hat mich höchlichst ergötzt. Wenn ich Sie nicht schon so sinnig
Wo-Fi anreden könnte, würde ich Sie künftig sicher mit Goldsohn betiteln.[...]
[Nachsatz:] Lassen Sie bitte den Brief nicht in der Bibliothek liegen.
Das Zitatende zeugt von Spannungen in der Stadtbibliothek, die – später vergessen
– in der Gegenwart jedenfalls bestehen. Kolleg(inn)en sind eifersüchtig, weil Fischer
mit dem Chef „so gut kann“, dass der ihn sogar Goldsohn genannt hat. Edith mokiert
sich darüber und redet ihn im nächsten Brief auch so an. Natürlich wäre ihr Brief für
die (damals so genannte) Bibliotheks-Belegschaft ein „gefundenes Fressen“!
Ein paar Wochen später ist die angedeutete „Erleichterung“ schon erfolgt:
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6 Edith Rothe an Fischer
Dresden, den 5. Mai 1929
[...] Sie werden ja aufatmen, wenn endlich der blöde Dienst aufhört und Sie sich
ganz [auf Ihre Dissertation] konzentrieren können. Und noch eins. Sie schrieben
wegen Erschwerung des wissenschaftlichen Bibliotheksexamens 26 . Das kann
kommen, ist aber noch nicht heraus, hieß zu meiner Zeit schon immer so. Trotzdem
machen Sie sofort Glauning 27 einen Besuch und lassen Sie sich als wissenschaftlicher
Anwärter einschreiben. Nach Ihrer Praxis, nachdem Sie cand. phil. sind,
muß das gehen, denken Sie an Ziegler 28 , der hatte auch noch keinen Doktor. ...
Wie sich die Bilder gleichen: Auch Fischers späterer Stellvertreter trat 1950 in Jena
den Referendardienst an bei eingeleitetem, aber erst im folgenden Jahr vollzogenem
Promotionsverfahren. - Ediths weiterer Rat: Die nötigen Collegs haben Sie auch
schon gehört, also müßten Sie nächste Ostern zur Bibl. Prüfung zugelassen werden,
wenn Sie wollen. Sie brauchen ja nicht, nur müssen Sie gemeldet sein, weil sich
Änderungen in den Bestimmungen nie auf die beziehen, die in der Ausbildung
bereits begonnen haben. Ihr Chef steht doch gut mit Glauning, sie sind eben
Goldsohn (oder nicht mehr), der könnte sich in diesem Punkt auch einmal
anstrengen. Zumal er neulich an meinen Vater die dumme Frage gerichtet hat, was
ihm das nütze, wenn sie Doktor sind und was dann werden sollte. Beseligt in dem
Gedanken, daß Ihre jetzige Stelle dann vielleicht einmal in eine wissenschaftliche
umgewandelt werden könne, sah er der Zukunft gefasst ins Auge.
[Dazu erneut Randnotiz:] Bitte lassen Sie den Brief nicht aus Versehen liegen.
Ediths Brief macht deutlich, wie es bei Fischer inzwischen vorangegangen ist. Hatte
er ursprünglich nach dem Verlust des elterlichen Vermögens während der Inflation
zunächst den Mittleren (heute: Gehobenen) Bibliotheksdienst eingeschlagen, um
schnell ein bescheidenes Auskommen zu haben, so verstand er es dann doch,
daraus mehr zu machen. Er nahm das Studium neben dem Dienst auf, was sich
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wegen der Nähe von Universität und Stadtbibliothek mit Genehmigung des Chefs
(daher vielleicht auch der Neid auf den „Goldsohn“?) gut einrichten ließ. Und für die
Arbeit an der Dissertation stellte Hofmann ihn sogar frei und beseitigte dadurch
Fischers Befürchtung, er habe kein Interesse an seiner Promotion. Und die nun
könnte ihm ja weiter noch den Zugang zum Höheren Dienst eröffnen. Und es geht
anscheinend voran:
7 Edith Rothe an Fischer
Moritzburg, den 1. September 1929
[...] Ich sehe Ihrer Arbeit mit der höchsten Spannung entgegen und freue mich schon
jetzt auf den Moment, wo sie gedruckt und anderen Sterblichen zugänglich ist. Ich
glaube, es wird die grundlegende Abhandlung über Einbandstilgeschichte werden,
und was Sie mir da so von Ihren Problemen und von Ihrer Disposition erzählen, so
glaube ich, Sie sind ganz auf dem richtigen Weg. Auch daß Sie mitten drin angefangen
haben und immer das ausführen, was Ihnen gerade lebendig ist, halte ich für
zweckdienlich. […]
Edith Rothe berichtet am Schluss dieses Briefes, sie rechne eigentlich mit der
Kündigung. Daher habe sie den Vermittlungsvorschlag gemacht, mich im Winter ½
Jahr zu beurlauben, da man sich immer auf die fehlende Heizung versteift. Auf
dieser Basis wird Einigung hergestellt, und Edith kann sich freudetrunken und voller
überwältigender Eindrücke aus Rom melden. Doch sie unterlässt es nicht, sich um
Fischers Arbeit Gedanken zu machen.
8 Edith Rothe an Fischer
Roma, li 27. dicembre 1929
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[...] so frage ich mich manchmal, ob Sie wohl Ihre Arbeit im Conzept fertig haben, ob
Sie soweit zufrieden sind damit, wie es geworden ist? Ob Sie jetzt zu Weihnachten
einmal gründlich ausspannen, dann den mechanischen Teil, das Tippen, beginnen?
Es wäre doch fein, wenn Sie bis Ende Februar abliefern könnten, fürs Mündliche
können Sie sich gut neben dem Dienst vorbereiten. […]
Die Sorgen sind berechtigt, wie sich in Kürze zeigt, denn nun tritt das ein, was sie im
nächsten Brief als Katastrophe bezeichnet: Fischer wird von der mündlichen
Prüfung, dem Rigorosum, zurückgewiesen. Die war in der Wohnung von Prof.
Wittkowski 29 anberaumt, der erst dort in die Prüfungsakte Einsicht nahm und ihn
wegen Fehlens eines mittelhochdeutschen Seminarscheins abwies, was als
durchgefallen galt. Dass sich die Fakultät mit dieser harten Entscheidung schwertat,
zeigt die später ergangene, „Lex Fischer“ genannte, Korrektur, die die Prüfer anwies,
sich rechtzeitig von den Prüfungsvoraussetzungen zu überzeugen. Zunächst aber
steht Fischer erst einmal fassungslos vor den Scherben seiner Zukunftspläne.
9 Hofmann, Ansichtspostkarte an Fischer
Spindlermühle, 9. 8. 1930
[...] Sie Ärmster kommen aus den Sorgen gar nicht heraus. Aber, Kopf hoch, und es
wird schließlich noch so werden, wie Sie es sich wünschen. Wir werden am 19. alles
in Ruhe besprechen. […]
Auch Edith zeigt sich betroffen, aber eben auch hoffnungsvoll:
10 Edith Rothe an Fischer
Jagdschloß Moritzburg, den 13. August 1930
[...] Nun sind Sie mir doch mit Schreiben zuvorgekommen, denn Sie können sich
denken, daß ich gleich zur Feder greifen wollte, als ich durch meine Eltern Ihre
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Examenstragödie hörte. Mich darüber zu äußern, erlassen Sie mir bitte, da fehlen
die Worte. Nur dürfen Sie es selbst nicht tragisch nehmen und den Kopf hängen
lassen. Selig ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist. […] Wissen Sie, daß ich
Ihren hohen Chef zu Besuch hatte? Doch darüber einmal mündlich. Er riet mir die
Übersetzerei […]
Es ist nicht bekannt, was Edith mit Hofmann besprochen hat, beide aber waren sich
immer darin einig, Fischer nach besten Kräften zu fördern. Der ist still geworden in
seiner Enttäuschung. Nicht einmal seiner Mutter hat er die Zurückweisung mitgeteilt,
sondern nur von einer selbstveranlassten Verschiebung der Prüfung gesprochen.
Edith fasst nach:
11 Edith Rothe an Fischer
Paris, le 19. avril 1931
[...] Es sind 2 Monate ins Land gegangen seit den Ereignissen, die eine so
einschneidende Umwälzung in Ihr Leben gebracht haben, und ich ahne nicht, wie
Sie sich mit den Tatsachen abgefunden haben. Das soll nun nicht etwa heißen, daß
ich Sie irgendwie zum Schreiben veranlassen will. Im Gegenteil, ich kenne es zu gut,
daß es Zeiten im Leben gibt, wo einem jeder Mensch schon zu viel ist, wo man froh
ist, wenn man in Ruhe gelassen wird. Es könnte aber auch sein, daß Sie einmal das
Bedürfnis empfänden, mit irgend jemand ruhig zu plaudern, über sich, Ihr Leben,
Ihre Pläne, Ihre Gedanken. Daß Sie dabei bei mir immer Interesse finden, wissen
Sie, und wenn ich Ihnen in irgendeiner Kleinigkeit helfen kann, bin ich immer zu Ihrer
Verfügung. […]
Hier zeigt sich die mitfühlende und verständnisvolle, nicht die burschikose Edith.
Fischers Nöte gehen ihr wirklich nahe. Doch dann lichten sich die Nebel: Fischer
wird, nun mit den erforderlichen Scheinen versehen, endlich zum Rigorosum
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zugelassen und besteht. Er teilt es Edith mit, und sie jubelt ihm zu: Liebster Doktor!
(Wie das klingt! Glauben Sie nicht, daß ich Sie je anders nenne) – nicht ganz ernst
zu nehmen unter Trägern dieses Titels. Und schon stellt sie ihm ein weiteres Ziel vor
Augen.
12 Edith Rothe an Fischer
Kampen, den 8. VIII. 31
[...] und dabei soll dieser ganze Wortschwall ja gar nichts anderes sagen, als daß ich
mich freue, freue, freue, mit Ihnen freue, Sie beglückwünsche, froh bin, daß dieser
entsetzliche Druck von Ihnen herunter ist, daß Sie endlich aufatmen können. Passen
Sie einmal auf, jetzt fängt Ihr Leben, Ihre freie Entwicklung erst an. Das war Vorbereitung,
Frondienst für die äußere Existenz. Jetzt wird’s losgehen, daß Ihnen
Gedanken kommen, daß es Sie zum Schreiben drängt. So ganz sachte, ein bißchen
nebenbei! Und in ein paar Jahren dann zeigen Sie mir mal was, was man als
Habilitationsschrift bezeichnen könnte. Eilt gar nicht ...
Ein wenig überspannt wirkt diese Steigerung, aber solche Verheißung ist nicht ganz
unrealistisch. Da wäre ja zu bedenken, dass für Fischer in Leipzig auch weiterhin
etwas Wichtiges geblieben wäre, was ihm in Oldenburg so fehlte: Protektion und
wissenschaftliches Arbeiten auf der Basis eines speziellen Bestandes, wie ihn die
Stadtbibliothek, aber nicht die Landesbibliothek besaß. Da wäre tatsächlich vieles
möglich gewesen. - Dann aber kehrt Edith in die Realität zurück:
[…] Nur jetzt sich nicht auf was Festes stürzen. Alles in Ruhe sich entwickeln lassen.
Kommt schon alles von selbst. Sie sehen, ich bin auf dem besten Weg, Fatalist zu
werden, aber das ist auch das einzige, was man heute tun kann. Nun müssen Sie
sich nur noch um den Druck Ihrer Arbeit kümmern (Bockwitz 30 ? Klette 31 ?), dann sind
Sie über diesen Abschnitt Ihres Lebens weg. […]
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Ihre Beschreibung des Doktorexamens hat bei mir „alte“ Erinnerungen geweckt. Mai
1925 war das bei mir 32 . Mündliches am Tag der Geburt von Pinders 33 1. Kind v. der
2. Frau. Nervosität des Meisters entsprechend groß. Was man da noch alles für
Rosinen im Kopf hatte! Nach sechs Jahren ist die „glorreiche“ Laufbahn bereits zu
Ende!! Ich bin jetzt manchmal deprimiert, wie in meinem ganzen Leben noch nie. […]
Von grauen Gedanken keine Spur mehr in Paris, wo Edith am 30. Okt. 1932 eine
belanglose Karte an den Monsieur le Docteur Wolf Fischer in die Stadtbibliothek
schreibt mit der Anrede Lieber Herr Doktor, damit sich die Neider dort so recht von
Herzen ärgern können. Tatsächlich aber gebraucht sie, entgegen ihrer Ankündigung,
den Doktortitel doch sparsam, denn er ist ja noch nicht verliehen, solange die
Ablieferung der gedruckten Arbeit noch aussteht.
13 Edith Rothe an Fischer
Hornegg, d. 29. 1. 33
[...] Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen viel Gutes, auch beruflich. Wird denn der
Dr. nun bald so weit sein, dass wir ihn feiern können und man ihn auf Ihre Adresse
schreiben darf? […]
Fischers Chef sieht die Titelfrage nicht so eng. Seit 1931 schreibt er dem Herrn Dr.
Wolfgang Fischer per Adresse Stadtbibliothek Postkartengrüße aus dem Urlaub,
denen er seit 1934 auch Grüße an die Mitarbeiter anfügt. Edith weilt inzwischen in
Stettin bei Ackerknecht 34 , über den sie sich sehr lobend äußert, und bereitet sich auf
den neuen Beruf vor, den Dienst an öffentlichen Bibliotheken; das Examen dafür will
sie zu Ostern 1934 ablegen. Dann fährt sie fort zu berichten:
14 Edith Rothe an Fischer
Neuendorf, den 7. August 1933
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[...] Daß meine Schwester 35 nach England geht, das kommt mir sehr zu Paß,
wundern Sie sich nicht, wenn Sie einstmals hören, daß ich abgeschwommen bin.
Lange halte ich es in Deutschland nicht mehr aus, wenns nicht anders wird. Da ist
jeder gute Wille umsonst, alles Beschäftigen mit den Ideen hilft nichts. Ich finde
sogar, je mehr man sich damit beschäftigt, umso mehr lehnt man es ab. Bitte feixen
Sie nicht, wenn ich Ihnen von meiner letzten Tätigkeit berichte, das war ein System
für einen neuen Katalog von national-sozialistischer Literatur für die Stadtbibliothek
[Stettin] auszuarbeiten. Ausgerechnet ich!!! Einen Vortrag über das Thema: Die Frau
im nationalsozialistischen Staat zu halten, habe ich glatt abgelehnt. Das erschöpft
sich in 3 Worten: „Die fliegt raus“ 35a ...
Eine freimütig-offene Stellungnahme zum Nationalsozialismus, ganz im Geiste ihres
Vaters. Mehrdeutig ist nur der letzte Doppelsatz. Wer fliegt da raus? Edith selbst,
hätte sie den Vortrag so pointiert gehalten, oder sind generell Frauen im Staatsdienst
gemeint, die nicht dem neuen Ideal der Frau und Mutter als Hüterin der Familie
entsprechen?
Ich war nämlich jetzt 1 Monat in der Stadtbibliothek, da die Volksbüchereien den Juli
geschlossen waren. Ton und Organisation sehr nett, Bücherbestand trostlos. Keine
Handschrift, kaum eine Inkunabel. Es gibt allerdings auch in ganz Stettin keinen
Menschen, der sich das mal ansehen würde. Schließlich hat jede Bevölkerung das,
was sie braucht. Was macht die Druckaffäre? Doktorarbeit? [als Randnotiz]
Eigentlich ist das neue Ausbildungsziel Ediths eine verrückte Idee. Was hat eine
Frau, die dermaßen an Handschriften und seltenen Drucken hängt, vom Öffentlichen
Büchereiwesen denn erwartet? Dort gibt es doch solche Zimelien grundsätzlich
nicht.
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Es beginnt jetzt eine gute Zeit für Fischer: Seine Dissertation 36 erscheint endlich im
Druck, er hat nun seinen Titel rechtmäßig erworben. Zu Silvester 1935 heiratet er
seine Hilde und vollzieht damit einen Schritt, den er sich vor der Verlobung (Januar
1935) ganze sieben Jahre lang nicht zugetraut hatte, er besteht die bibliothekarische
Fachprüfung und wird nun in den Höheren Dienst übernommen. Die Zukunft sieht
hell und freundlich aus.
Fischer und seine Verlobte Hilde Reisig, 1935
Fischer teilt, wenigstens coram publico, offenbar nicht den politischen Pessimismus
Ediths, jedenfalls gibt er sich vorbildhaft zukunftsgläubig, als er – eine Folge der ihm
vom Chef angetragenen Mittlerrolle zur „Belegschaft“ – ein Glückwunschschreiben
zur Silberhochzeit der Hofmanns am 20. Sept. 1937 aufsetzt und alle mitunterschreiben
lässt:
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15 Fischer an das Ehepaar Hofmann
Leipzig, am 20. Sept. 1937
Alle, die wir unter Ihnen, sehr verehrter Herr Direktor, arbeiten dürfen, möchten
Ihnen zum Tage Ihrer silbernen Hochzeit die ergebensten und herzlichsten Glückwünsche
aussprechen. Da Sie den Tag frei von der Last des Dienstes verbringen,
bitten wir Sie, unsere freudige Anteilnahme in diesen Zeilen zu erkennen! Wir
wünschen Ihnen, daß es für Sie ein wahrer und schöner Festtag werde. Wir
empfinden mit Ihnen die Dankbarkeit, mit der Sie auf einen solchen Zeitraum Ihres
gemeinsamen Lebens zurückblicken können. Und wir hoffen für Sie, daß lange
Jahre zukünftigen Glückes Ihnen beschieden werden, in denen Sie die reichste
Ernte Ihrer eigenen Lebensarbeit genießen mögen, und in tätiger Kraft teilhaben an
der neuen Blüte unseres Vaterlandes!
Der Chef übernimmt seinerseits diese Praxis des Mitunterschreibens, als er mit den
anderen zusammen Frau Dr. Fischer zur Geburt ihres ersten Sohnes Thomas
(12.9.1937) unter dem 21. Sept. gratuliert. Fischer wiederum wählt die Geschenke
zum 50. Geburtstag seines Chefs am 13. Oktober 1938 aus und übermittelt die
Glückwünsche aus der Stadtbibliothek, offenbar so rechtzeitig, dass Hofmann noch
an seinem Ehrentag antworten kann. Tatsächlich tut er es, wie gestriger Tag verrät,
am nächsten.
16 Hofmann an Fischer
Leipzig am 13. 10. 1938
[...] Wie feinsinnig haben Sie alles geplant und ausgewählt, mein lieber Herr Fischer!
Beide Gaben werden mir eine bleibende, wertvolle Erinnerung sein an den gestrigen
Tag. Meine Gefolgschaft [!] konnte mich nicht mehr erfreuen als durch den edlen
Meisterdruck der Schlegel-Handschrift 37 unserer Stadtbibliothek, für deren Wachsen
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und Gedeihen wir uns gemeinsam mühen. Ich bitte Sie, meinen herzlichsten Dank
auch der ganzen Gefolgschaft der Stadtbibliothek vorläufig zu übermitteln. Die
Geburtstagsgabe ist mir vor allem auch ein sprechender Ausdruck der kameradschaftlichen
Zusammenarbeit für das Buch, die uns verbindet ...
Es gibt heute gewiss bessere, weil unverdächtigere Bezeichnungen für die
Gesamtheit der Mitarbeiter einer Bibliothek als den der militärisch und politisch
infizierten Gefolgschaft („Führer befiel! Wir folgen"). Hofmann genießt seine
Spitzenstellung und betont sie dadurch zusätzlich. Er zeigt sich stolz auf das, was er
bisher erreicht hat, ist aber auch klug genug, Fischer nicht als Gefolgschaftsmitglied
zu sehen, sondern expressis verbis als den Mitarbeiter, von dem er sich noch viel
verspricht.
Ebenso waren mir die gemeinschaftlichen Glückwünsche aller Mitglieder des
Ausschusses für Einband-Katalogisierung eine aufrichtige Freude. Die einstimmige
Anerkennung meines Strebens aus so berufenem Munde ist mir eine hohe Ehre und
ermutigt und verpflichtet mich gleichzeitig, auch in Zukunft mich mit allen Kräften für
unser Unternehmen einzusetzen. Auf unserem weiteren Weg vorwärts zu unserem
Ziel soll das mir von Ihnen geschenkte Sinnbild für unsere gemeinsame Arbeit, das
von der Hand eines hiesigen Buchhändlers – Herrn Bender mein ganz besonderer
Dank! – vollendet geschaffen wurde, ständiger Begleiter sein. Ich habe die Absicht,
dieses Signet unseres Ausschusses als unseren Stempel zu verwenden, und ich
hoffe, daß Sie mit dieser Absicht einverstanden sind. Für diese Gemeinschaftsgabe
danke ich Ihnen ebenfalls von Herzen. – Ich möchte Ihnen, lieber Herr Doktor, hier
noch einmal sagen, wie glücklich ich bin, daß ich in Ihnen den Mitarbeiter habe, der
meine Interessen und Sorgen teilt und daher mir eine wertvolle Hilfe ist, auf die ich
mich immer verlassen kann. […]
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Dr. W. Hofmann, Portrait, Ölgemälde, im Besitz der Familie
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Für die folgenden Jahre fehlen schriftliche Mitteilungen, abgesehen von den üblichen
Urlaubs-Postkartengrüßen des Chefs. Und da platzt in Hofmanns Urlaub jäh
Fischers Mitteilung vom 2.3.1942, seine Uk-[Unabkömmlichkeits]Stellung sei vom
Wehrbezirkskommando Leipzig 1 mit Schreiben vom 26.2.1942 aufgehoben, dem
wenig später der Gestellungsbefehl zum 7. April folgt. Dazu schreibt er dienstlich
seinem Chef:
17 Fischer an Hofmann
Leipziger Stadtbibliothek, am 13. März 1942
[...] und es muß ja etwas bedeuten, daß ich diesen Bescheid an einem Freitag den
13. bekomme, und für den Tag, an dem sich mein Dienstantritt in der Stadtbibliothek
zum 15. Male jähren wird. […]
Fischer etwa zur Zeit seiner Einberufung
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Erst nach der Rückkehr zieht Hofmann daraus die notwendigen Konsequenzen:
18 Hofmann an das Kultus-Amt
Leipziger Stadtbibliothek, am 24. März 1942
[...] Die Einberufung des bisher Uk-gestellten Bibliotheksrates Dr. Fischer bedeutet
für die Stadtbibliothek eine nicht tragbare Belastung. Da mir mitgeteilt wurde, daß
irgendwelcher Einspruch leider unmöglich ist, kann der Betrieb der Stadtbibliothek
vom Tage der Einberufung des Dr. Fischer zum Militär, vom 7. April d.J., nur mit gewissen
Einschränkungen der Öffnungszeiten aufrechterhalten werden. Ich beabsichtige
nach dem Grundsatz zu handeln: in der Stadtbibliothek nicht mehr gleichzeitig
Lesesaal und Ausleihe zu öffnen, mit Ausnahme der beiden Tage, an denen
die Städtische Musikbücherei geschlossen sein wird; es soll dabei die Ausleihe der
Stadtbibliothek voll aufrechterhalten, jedoch der Lesesaal eingeschränkt werden. Es
würden sich danach folgende Schließungen nötig machen: Lesesaal der Stadtbibliothek
am Montag 10-14, Dienstag 15-18, Donnerstag 10-14, Freitag 15-18 Uhr;
Musikbücherei Mittwoch 17-18 Uhr ...
Es scheint fast so, als habe Hofmann nur auf ein Signal dieser Art gewartet, um die
Leistungsbereitschaft der Stadtbibliothek endlich einschränken zu können. Dazu ist
der Fall Fischer aber eigentlich denkbar ungeeignet, denn für den Betrieb von
Ausleihe und Lesesaal ist ein Angehöriger des Höheren Dienstes weit überqualifiziert;
dort wären Mitarbeiter anderer Tarifgruppen am rechten Platze.
So die Theorie. Die Praxis ist manchmal anders. Auch Fischer hat seinen Vertreter
an der Landesbibliothek zeitweise an beiden Stellen eingesetzt, wobei der im
Lesesaal wenigstens einen Teil seiner wirklichen Aufgaben erledigen konnte: die
Durchsicht der laufenden Bibliographien für Anschaffungsvorschläge.
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Die Beibehaltung der Ausleihzeiten ist gut vertretbar, ihre Verkürzung vertrüge sich
auch nicht mit Hofmanns wenig später geäußertem Stolz auf steigende Ausleihzahlen
(Nrn. 29 Ende, 35, 36, 38). Mit den Einschränkungen aber baut er eine leichte
Drohkulisse auf. Und so entscheidet sich Hofmann nun konkret:
Die Öffnungszeiten würden in Zukunft folgende sein:
Ausleihe der Stadtbibliothek: Mo, Do, Sbd 11-13, Di, Mi, Fr 15-17 Uhr.
Lesesaal der Stadtbibliothek: Di, Fr 10-13, Mi 10-13 und 15-18, Sbd 10-14 Uhr.
Musikbücherei: Mo, Do 16-19, Di, Fr 11-13 Uhr.
Ich bitte, die Änderungen der Öffnungszeiten genehmigen zu wollen.
Gleichzeitig muß ich darauf hinweisen, daß die Stadtbibliothek mit den wenigen ihr
verbliebenden Kräften nur unter der größten Anspannung den laufenden
Dienstbetrieb annähernd abwickeln kann. Ich muß mir, wenn zuviel Katalogisierungsarbeiten
liegenbleiben sollten, weitere Einschränkungen vorbehalten. Die
Durchführung von Sonderaufträgen, wie aktive Beteiligung an Ausstellungen o.ä.,
wird allerdings in Zukunft leider ganz unmöglich. Für unvorhergesehene Fälle wie
Krankheit einzelner Beamter, oder für die Durchführung von Urlaub, wofür ja erst die
Sonderbestimmungen abzuwarten sind, muß ich mir kurzfristige weitere Einschränkungen
vorbehalten.
Ich bitte um möglichst sofortigen Bescheid, um rechtzeitig eine Bekanntmachung
dieser Schließungen als vorübergehender Kriegsmaßnahme an die Presse leiten zu
können.
Das alles am Fortfall von Fischers Arbeitskraft festzumachen, ist sicherlich stark
übertrieben. Aber den Versuch, sich gegen künftige Benutzerbeschwerden und
etwaige Sonderaufgaben abzusichern, ist die Sache schon wert.
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Von da an lebt der Schriftverkehr wieder auf, denn Fischer, seit 1940 Bibliotheksrat,
schreibt seinem Chef regelmäßig von der Truppe (davon ist in Oldenburg nichts
erhalten) und erhält von ihm Berichte über die Bibliothekssituation in Leipzig. Daraus
geht gleich auch hervor, dass der Maßnahmenkatalog Hofmanns offenbar nicht im
vollen Umfang so, wie von ihm beantragt, genehmigt wurde. Er schreibt darüber:
19 Hofmann an Fischer
Leipzig, 17. 4. 1942
Briefkopf: Der Direktor der Leipziger Stadtbibliothek
[...] und nun noch einen kurzen Bericht über den jetzigen Betrieb in der Stadtbibliothek.
Dieser ist, nachdem Richter 38 nicht zu halten war, natürlich nur durch
größte Anspannung aller Kräfte und durch genaueste Disposition reibungslos durchzuführen.
Dabei mußte natürlich die Musikbücherei 39 sofort geschlossen werden. Die
Bücherabgabe und die möglichst gute Verwendung der Etatmittel der Musikbücherei
ist eine besondere Belastung für uns. Ebenso macht uns die Erhöhung des Etats um
50%, wie ich das voraussah, auch eine nicht geringe Mehrarbeit …
Dass ein Bibliotheksdirektor die Erhöhung seiner Erwerbungsmittel als eher lästig
empfindet, ist schon verwunderlich; normalerweise beklagt er sich doch über unzureichenden
Etat. Hofmann aber zeigt Gefahren auf, wohl um zu beweisen, dass er
ihnen gewachsen ist:
Jedenfalls habe ich bereits schon über RM 3.000,-- ausgegeben, darunter für den
Dietrich 39a . Die Hauptsache ist, daß niemand krank wird. Dann hoffe ich, die
eingetretenen Schwierigkeiten zu meistern. Auf jeden Fall kann ich sagen, daß ich,
solange ich in der Stadtbibliothek tätig bin, schon wesentlich schwierigere Zeitläufte
- 51 -
erlebt habe. Das liegt zweifellos daran, daß ich mit Freuden feststellen kann, daß
alle meine Mitarbeiter bestrebt sind, die zahlreichen fehlenden, alten, bewährten
Kräfte nach Möglichkeit zu ersetzen...
Wachsende Benutzungszahlen sind für eine Bibliothek doch ein erfreuliches Resultat
ihrer Arbeit. Sieht Hofmann darin wirklich eine Bedrohung, wenn er schreibt: In der
Ausleihe übrigens nimmt der Betrieb, ich muß schon sagen leider, zusehends zu.
Vor allem haben sich noch vor Semesterbeginn sehr viele ganz neue Leser
eingefunden. Diese Entwicklung mußte bei dem Büchermangel ja unbedingt
eintreten. Aber ich sehe schon, wir müssen sicher bald den Versuch machen, die
überstarke Belastung einzudämmen. Ich bin mir vollständig bewußt, daß dies
praktisch nicht sehr leicht sein wird. [...]
Was nur veranlaßt Hoffmann, seine doch persönlichen Berichte so bramarbasierend
sieghaft zu gestalten? Alle Schwierigkeiten sind nur dazu da, um von ihm und seiner
„Gefolgschaft" überwunden zu werden! Das zeugt nicht nur von einer gewissen
Eitelkeit, sondern auch von einem Geist, wie er in der Zeit der frühen Kriegserfolge
herrschte. Die Selbstzufriedenheit hat Hofmann lange bewahrt, seine staatstragenden
Phrasen werden erst mit der verschlechterten militärischen Lage
allmählich schwächer.
Nicht pathetisch, sondern offen und im Plauderton, spricht eine andere Stimme aus
der Stadtbibliothek.
20 Liesbeth Weinhold 40 an Fischer
Leipzig, den 28. April 1942
Briefkopf: wie oben
- 52 -
Heute sind es genau 3 Wochen, daß Sie die Stadtbibliothek verlassen haben. Kaum
will man's glauben, denn die Zeit ist rasend schnell vergangen. Sie werden daraus
merken, daß wir keine Langeweile gehabt haben. Im Gegenteil haben wir uns in der
Ausleihe und auch sonst ganz schön die Stiefelsohlen abgelaufen.
Die Heimkehr von der Osterfahrt brachte ja für mich die große Überraschung von Dr.
Richters Einziehung. Wir hörten bald darauf, er sei in Norwegen gelandet und
stellten uns gleich ein Zusammentreffen mit Fräulein Marx 41 vor. Aber dann erfuhren
wir, daß er nicht zu den nach Norden Verfrachteten gehört, was auch sein eigener
Brief bald bestätigte. […]
Differenzierter als Hofmann sieht sie die Lage und Belastungen: An unangenehmen
Überraschungen in der Bibliothek hat es seitdem nichts gegeben. Aber das
Schicksal hat in unseren kleinen Kreis eingegriffen. Am Mittwoch kam Fräulein
Dahms Mutter mit der traurigen Nachricht vom Tode des Bruders, den sie auf sehr
brutale Weise erfahren hat. Fräulein Dahm ist daraufhin bis Sonntag mit nach Berlin
und kam gestern sehr gebrochen zurück. Unglücklicherweise war ich am selben
Tage zum Geburtstag meiner Mutter in Dresden, so daß die allgemeine Erregung
noch durch doppelten Personalmangel beeinträchtigt wurde. Und da immer alles
zusammenkommt, mußte der Oberbürgermeister grade an diesem Tage ein eiliges
Gutachten über Beyerlein 42 anfordern. Auch das ging vorüber, und die Bibliothekswogen
hätten sich soweit beruhigt, wenn nicht das Monatsende mit dem üblichen
Trubel von Buchbinder, Liste etc. bevorstände. Aber das sind wie gesagt kleine
Sorgen.
Kürzlich schickte Fräulein Marx einen Brief über die Neueröffnung ihres Ladens im
Bauernhausstil, der ganz nach Wunsch zu sein scheint und geradezu künstlerischen
Ansprüchen gerecht wird [...]
- 53 -
Inzwischen ist Fischer zu einer Wirtschaftseinheit in den Osten abkommandiert. Die
hat beim Ersatz-Bataillon einen Buchhalter angefordert, worauf der Hauptfeldwebel
Fischer bestimmt, weil der ja mit Büchern zu tun hatte!
21 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 11. 6. 1942
[...] Von der Stadtbibliothek ist nur zu melden, daß am 15.d.M. Fräulein Auenmüller 43
als Vertretung für die eingezogenen Kräfte ihren Dienst hier antreten wird. Auf diese
Weise können wir am 20. Juni beginnen, einzeln den Urlaub anzutreten, der ja
dieses Jahr auf 21 Kalendertage beschränkt ist. Übrigens gestern erschien hier
plötzlich Fräulein Marx auf der Bildfläche, die Erholungsurlaub hat. Wie sie mir sagte,
trägt sie sich mit der Absicht, den Norden mit dem Süden zu vertauschen,
Griechenland oder Tripolis. Sie wissen ja, sie hat kein Sitzefleisch und braucht
immer einmal Luftveränderung. Sie sah sehr gut aus und hat gleich Ihre Adresse
notiert. Übrigens auch Dr. Göpel, der jetzt in Holland sitzt, hat Ihre Adresse erfragt.
Sonst gibt es keine Neuigkeiten von der Stadtbibliothek. [...]
Und eben diese umtriebige Dame meldet sich jetzt:
22 Ruth Marx an Fischer
Auf der Fahrt nach Leipzig, Nyborg, 5. 6. 42
Feldpostbrief
[...] Mein Urlaub kam etwas plötzlich, das lag aber an mancherlei Gründen. Für den
Sommer, er dauert da oben ja nicht so lange, sind wegen der Frontbuchhandlung
einige Pläne in Vorbereitung, wo ich dabei sein muß. Wenn ich jetzt nicht gefahren
wäre, hätte es erst zum Herbst klappen können. [...] Nun möchte ich Ihnen vor allem
für Ihre beiden Briefe mit den Neuerwerbungslisten recht herzlich danken. Die Post
- 54 -
ist erst nach Drontheim an meine alte Nr. gegangen, sie wurde mir von dort nachgeschickt.
[...]
Tatsächlich hat die Wehrmachthelferin Ruth Marx, die vorher in der Stadtbibliothek
tätig war, zu diesem Zeitpunkt Fischer schon geschrieben, doch kommt der Brief
unerledigt an ihre Feldpostnummer zurück; sie legt ihn dann dem folgenden bei.
Dieser Brief ist ein erster Beweis dafür, dass die Stadtbibliothek ihren abwesenden
Angehörigen als gemeinsames Band die monatlichen Neuerwerbungslisten schickte.
Im Falle Marx hat es Fischer getan und dazu geschrieben, damals noch im Dienst.
Er selbst bekommt nun von Hofmann mit knappem Gruß die Listen zugesandt.
Erhalten sind sieben Nummern 44 von Mai bis August und Dezember 1942 sowie Jan.
und März 1943, hergestellt als Durchschläge und daher sehr schlecht lesbar.
Hofmann erwähnt die Zusendung erst in den Briefen Nr. 29 und 34.
Neuerwerbungslisten, als maschinengeschriebene Durchschläge hergestellt, sind als
Gruß aus der Heimat zwar gut gemeint, aber doch nicht gerade das, was ein Soldat
oder eine Wehrmachtshelferin sich von zu Hause erhoffen. Und als Instrument
bibliothekarischer Benutzer-Werbung und Information sind sie bei solcher
Herstellungsweise fast wirkungslos und somit verfehlt, weil neben dem Original, das
an geeigneter Stelle in der Bibliothek ausgehängt werden kann, nur noch wenige
Durchschläge bleiben.
Da brachte Fischers Stellvertreter in Oldenburg 1954 schon mehr Erfahrung mit
Neuerwerbungslisten ein, hatte er sie doch schon 1952 / 53 an der UB Jena
zusammengestellt. Sie erschienen als gedruckte Beilagen der „Wissenschaftlichen
Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena“. In Oldenburg führt er diese Praxis
fort, wenn auch weniger aufwendig geschrieben auf Farbmatrizen, an denen sogar
Tippfehler mittels Rasierklinge ausgeschnitten und die richtigen Buchstaben oder
Wörter in die Lücke mit Klebeband eingefügt werden konnten; sie ermöglichten
- 55 -
Dr. Walter Barton, zur Zeit seiner Bewerbung bei der Landesbibliothek 1954
- 56 -
genug Abzüge für den Bedarf der Landesbibliothek. Systematisch geordnet,
erschienen sie vierteljährlich, gelegentlich gab es auch längerfristige Zusammenstellungen
nur eines Wissenschaftsbereichs. Anfangs der 60er Jahre enthielten die
gedruckten „Oldenburgische(n) Anzeigen. Amtliche(n) Nachrichten" eine Spalte
„Neuerwerbungen der Landesbibliothek" für Pädagogik, Sport und Psychologie.
Dem Soldaten Dr. Fischer wären in der russischen Etappe gewiss ein paar Bücher
eher willkommen gewesen als nur Titellisten. Aber er wusste sich zu helfen und
regte eine ungewöhnliche Sendung aus der Heimat an:
23 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 22. 6. 1942
[...] Was nun Ihren Wunsch betrifft, Ihnen eine Kiste mit „lesbaren“ Büchern zu
schicken, so habe ich sofort das Nötige veranlaßt. Es war allerdings gar nicht so
einfach, da die Bücherhallen nach der neuesten Verordnung auf persönliche
Wünsche nicht eingehen dürfen. Ich mußte mich daher an den hiesigen Feldführer
des Roten Kreuzes wenden. Nachdem ich Ihre Wünsche vorgetragen hatte,
versprach er mir, sobald als möglich eine entsprechende Bücherkiste an Ihre
angegebene Feldpostnr. zu schicken. Hoffentlich kommt sie in Ihre Hände und wird
auch der Adjutant zufrieden gestellt. [...]
Ein solcher Wunsch kann von einem einfachen Soldaten nur geäußert werden, wenn
er dabei, wie geschehen, von höherer Stelle gedeckt wird. Fischer ist bei einer
Stabsabteilung in Orel stationiert, damals noch ein Etappenort mit Kino, Bühne usw.,
wo Fischer sogar eine Ausstellung einheimischer Kunst-Dilettanten veranstalten
kann 45 .Die Büchersendung geistert weiterhin durch die Korrespondenz (Nrn. 26 u.
28). Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, dass sie je angekommen ist. Der Krieg
fordert viel größere Opfer:
- 57 -
24 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 11. 7. 1942
[...] Daß vor 14 Tagen Heinrich Schreiber 46 an einer heimtückischen Lungensache
(die Folgen seines in Brüssel zugezogenen Leidens) verstorben ist, haben Sie wohl
gehört? Es ist wohl nicht zu viel gesagt, daß dieser viel zu frühe Tod Schreibers ein
wirklich großer Verlust für das deutsche Bibliothekswesen, insbesondere auch für die
Buchkunde bedeutet.
Dieser Tage schrieb mir Herr von Rath 47 , daß er seit 1.d.M. im Ruhestand lebt.
Obwohl er erst 60 Jahre alt ist, hat er sich körperlich infolge seiner schweren
Kriegsverletzung gar nicht wohl gefühlt, und außerdem war ihm der ganze Dienstbetrieb
durch das Fehlen von so vielen Arbeitskräften zu beschwerlich, so daß er es
vorgezogen hat, in Zukunft nur noch seiner eigenen schönen Bibliothek zu dienen,
wie er mir schrieb. Vor allem wollte er dieselbe noch katalogisieren, bevor sie von
englischen Bomben getroffen wird, wie es leider mit so vielen schönen Privatbibliotheken
in Köln der Fall gewesen ist ...
Ändert denn selbst die gewissenhafteste Katalogisierung etwas daran, dass die so
erfassten Objekte weiterhin aus der Luft bedroht bleiben? In Leipzig scheint man
sich darüber noch keine Sorgen zu machen. Hofmann verzeichnet Erfolge und
beweist damit unfreiwillig, dass er vor wenigen Monaten Scheinargumente vorgebracht
hatte (Nr. 18), um die Konsequenzen aus dem drohenden Abgang Fischers
aufzuzeigen.
In der Stadtbibliothek geht alles seinen gewohnten Gang. Seit einigen Wochen ist
die Urlaubszeit im Gange. In dieser Woche überschneidet sich sogar der Urlaub von
Fräulein Weinhold 48 und Francke 49 . Aber Gott sei Dank, wir haben es auch geschafft,
- 58 -
obwohl die Benutzung in der Ausleihe weiter stark anhält. Vom Bücheretat habe ich
bisher rund RM 9.500,-- ausgegeben und die wesentlichsten Lücken ausgefüllt.
[Handschriftliche Randnotiz:] Die Frl. Auenmüller, die seit 16.6 zur Vertretung da ist,
ist eine große Niete, aber besser als niemand! Frl. Weinhold u. Frl. Dahm machen
ihre Sache ausgezeichnet ...
Und dann zeigt er selbstzufrieden, wie wertvoll seine Verbindungen sind und was sie
einbringen:
Ein Dresdner Stabsarzt, Dr. Flade – übrigens der ehemalige Leibarzt vom Feldmarschall
von Reichenau 50 – hat unserer Stadtbibliothek das lebensgroße Ölbild des
im Jahre 1851 verstorbenen Leipziger Stadtrates Dr. Seeburg 51 , des Schwagers von
Hedwig von Holstein 52 , geschenkt. Ich war einen Tag in Dresden und habe das
wirklich gute Bild aus den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, das leider
unsigniert ist, selbst in Empfang genommen. Wegen seiner Größe konnte es nur mit
Hilfe der Staatlichen Gemäldegalerie hierher transportiert werden. Der Ihnen
bekannte Dr. Oertel 53 hat mich dabei sehr unterstützt. Er läßt Sie übrigens herzlich
grüßen. – Das Bild fügt sich gut in unsere Ratsherrengalerie ein. Wegen seiner
Größe können wir es allerdings nicht in die Bücherrepositorien hängen. Es soll
seinen Platz über dem Schrank für Tafelwerke links neben dem Himmelsglobus 54
finden. Sie sehen also, wir sorgen auch jetzt noch für unseren äußeren Schmuck [...]
Fischer kann sich dieser gediegenen Räumlichkeiten gut entsinnen und doch nicht
ahnen, wie bald all diese Zier vergehen wird.
25 Ruth Marx an Fischer
O.U. [Ortsunterkunft] 15. 7. 42
Feldpostbrief
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[...] Nach meinem Urlaub fand ich sehr viel Arbeit vor, da meine Kameradin noch vor
meiner Rückkehr in Urlaub fuhr. In L [eipzig] traf ich soweit alles mobil an, doch wäre
es wünschenswert, daß der Krieg bald ein Ende nähme. [...]
Dann tritt ein weiterer Mitwirkender an der Aktion „Bücherkiste" auf den Plan:
26 Hans Hofmann 55 an Fischer
Leipzig, den 15. August 1942
Briefkopf: Der Oberbürgermeister der Reichsmessestadt 56 Leipzig,
Bücherhallen
[...] Seinerzeit hatte sich meine Vertretung mit Ihrem Chef in Verbindung gesetzt, und
ich hoffe, daß Sie auf diese Weise in den Besitz einer Bücherei gelangt sind oder -
wenn diese Vorstellung zu optimistisch ist - daß die Angelegenheit wenigstens in
Gang gekommen ist. Wo mögen Sie jetzt stecken? Mit Herrn Dr. Hecker 57 werde ich
mich in den nächsten Tagen hoffentlich einmal treffen können.
Mit den beiden folgenden Schreiben ergeht sich Johannes Hofmann erst in
Andeutungen, ehe er sich dann endlich erklärt.
27 Hofmann an Dr. Hilde Fischer
Leipzig, 25. 8. 1942
[.. .] Augenblicklich gibt es auch genug Arbeit in der Stadtbibliothek und obendrein
ein ziemlich schwieriges und folgenreiches Problem - hoffentlich glücklich - zu lösen.
[...]
28 Hofmann an Fischer
Leipzig, 2. 9. 42
- 60 -
Wieder einmal ein Erinnerungszeichen von der Stabi, die weiter auf hoher Tour geht.
Der Etat von diesem Geschäftsjahr soll möglichst auch für das nächste Geschäftsjahr
eingesetzt werden. Also hatten sie zum richtigen Zeitpunkt erhöht. Sonst war
allerhand los. Darüber später. [...]
[Nachschrift:] Ist denn die Bücherkiste eingetroffen?
Dann endlich des Rätsels Lösung:
29 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 10. 9. 1942
[...] Wie ich Ihnen schon kürzlich bei Übersendung der Neuerwerbungslisten kurz
andeutete, ist hier einiges Bemerkenswertes vorgefallen. Ich hatte einen schweren
Kampf um unsere Musikabteilung auszukämpfen. Das Amt Rosenberg 58 hatte
nämlich den Plan, in Leipzig eine große deutsche Musikbibliothek zu gründen, in der
– wie in der Deutschen Bücherei – das deutsche Pflichtexemplar für Musikalien
gesammelt werden soll. Als Grundstock für diese neue Musikbibliothek war an die
Musikbibliothek Peters 59 und an die Musikabteilung der Stadtbibliothek gedacht. Sie
kennen ja nun meinen Plan; der neue ist gerade das Gegenteil von dem, was mir
vorschwebte. Aber der Oberbürgermeister ist natürlich von dem Plan des Amtes
Rosenberg sehr begeistert, und so war ich gezwungen, durch eingehendes
Gutachten dagegen Stellung zu nehmen. Ich mußte in diesem wohl oder übel auf die
Musikbibliothek Peters – zumal da sie Praesenzbibliothek ist – verzichten, aber nicht
verzichtet habe ich auf unsere Musikabteilung, deren Wegnahme ich als vollkommen
untragbar für die weitere Existenz unserer Stadtbibliothek bezeichnet habe. Ich
schlug vor, eine Abschrift des Kataloges unserer Musikabteilung ebenso wie von den
Katalogen der Musikabteilung der Universitätsbibliothek und des Archivs Breitkopf &
Haertel 60 in die geplante neue Musikbibliothek einzufügen und außerdem den
Direktor der Stadtbibliothek in den Verwaltungsrat der neuen Bibliothek zu wählen.
- 61 -
Und siehe da, mein sehr bestimmtes Auftreten – ich stellte sogar die Kabinettsfrage
61 – hat mir geholfen. Der Oberbürgermeister hat mein Gutachten, das Sie erst
später einmal in allen Einzelheiten lesen werden, vollständig gut geheißen. Die
ganze Angelegenheit ist zunächst vertraulich. Ich bin überhaupt gespannt, ob sie in
absehbarer Zeit sich verwirklichen lassen wird ...
Hofmanns Engagement nimmt sich geradezu anrührend aus vor dem schicksalsschweren
Hintergrund der Katastrophe, bei der er Ende des kommenden Jahres
alles verlieren wird, was sein Tun und Trachten bestimmt. Und was die Musikabteilung
der Stadtbibliothek angeht, so wäre sie wohl bei jeder anderen Unterbringung
in Leipzig sicherer gewesen als hier.
Dann etwas Erfreuliches. Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Abteilung
Bibliotheksschutz, hat an mich geschrieben, daß Besprechungen mit dem Administrateur
général der Bibliothèque Nationale geführt würden, um den Besitz an kostbaren
Bucheinbänden an den französischen Bibliotheken zu inventarisieren. Dabei
sollte das deutsche Muster zugrunde gelegt werden. Man erbat von mir die Richtlinien
und sonstige Drucksachen. Diese habe ich hingeschickt und erhielt darauf den
Bescheid aus Paris von dem Militärbefehlshaber, „ich habe dem Administrateur
général davon unterrichtet, daß Sie [gemeint Hofmann] sich für die in Frankreich
geplanten Arbeiten auf das stärkste interessieren und den Wunsch besitzen, über
die Verwirklichung dieser Arbeiten unterrichtet zu werden.“
Für Hofmann „erfreulich“, die Aussicht auf weiteres Studienmaterial für sein und
Fischers Interessengebiet, aber doch ein Zugriff auf fremden Besitz, der nur wenige
Jahre später mit dem Begriff „Raubgut“ verschmilzt und verurteilt wird.
Seit Ende vorigen Monats muß auch wieder in den Räumen der Bibliothek eine
Nachtwache persönlich anwesend sein. Der Ausstellungsraum ist jetzt mit Reform-
- 62 -
bett das reinste Hotelzimmer. Also durchaus zum Aushalten ... Das erscheint recht
verharmlosend oder gar fahrlässig salopp dahin gesagt.
.
Vom Etat hatte ich bis Ende voriger Woche bereits RM 12.000,-- verbraucht und
wirklich alle wesentlichen Lücken geschlossen.
Fräulein Gerade 62 teilte mir gestern mit, daß sie ihr Examen bestanden hat. Fräulein
Niedecken-Gebhardt wurde uns vom Reichsbeirat überwiesen. So wird also am
1.10. eine große „Wachablösung“ stattfinden. Fräulein Dahm geht zur Preußischen
Staatsbibliothek. Ich glaube, sie hat bei uns allerhand gelernt und wird unserer
Ausbildung dort alle Ehre machen.
Sie können sich denken, daß bei dem immer weiter anhaltenden starken Betrieb –
besonders in der Ausleihe und hauptsächlich während der abgelaufenen Urlaubszeit
– für die einzelnen allerhand zu tun war. Aber durch Organisation und
systematisches Arbeiten hat, soviel wie ich weiß, keiner große Überstunden machen
müssen. [...]
Die Bewältigung des stark steigenden Ausleihdruckes ist von nun an der eigentliche
Stolz Hofmanns. Hat er dabei etwa die notwendige Bestandssicherung vernachlässigt?
30 G. Francke an Fischer
Leipzig, den 19. 10. 1942
Herr Direktor läßt Ihnen folgendes mitteilen: Das Amt für Wehrmachtsangelegenheiten
der Reichsmessestadt wünscht Zulassungsmarken 63 für die Weihnachtspäckchen
an eingezogene Gefolgschaftsmitglieder. Ich bitte Sie, uns eine solche
Zulassungsmarke zu senden, damit wir dieselbe bis spätestens 10. Nov. d. J. an das
Amt für Wehrmachtsangelegenheiten einreichen können.
- 63 -
Fischers handschriftlicher Vermerk „erl. 21. XI. 42“ zeigt, dass er die Zulassungsmarke
erst nach dem gestellten Termin abschicken konnte. Zu Weihnachten hat er
also sicher kein Päckchen mehr erhalten. Denselben Erledigungsvermerk trägt auch
das folgende Schreiben.
31 G. Francke an Fischer
Leipzig, den 14. 11. 1942
Im Auftrag vom Herrn Direktor habe ich heute eine Anfrage, und zwar handelt es
sich um die Dubletten des Hochbauamtes. Im Bodenmagazin stehen Hochbauamtsdubletten
mit den Nummern 1-200. Existiert dazu ein Verzeichnis, wie sieht es
aus (Kartei- oder Listenform?) und wo befindet es sich? Hier in der Bibliothek und
auf [falsch für: auch] im Hochbauamt ist keins zu finden, und da Sie und Fräulein
Marx diese Dubletten bearbeitet haben, weiß leider hier niemand darüber Bescheid.
Damit Sie nicht soviel Ihrer knappen Zeit mit der Beantwortung verlieren, habe ich
Ihnen schon eine Karte vorgeschrieben, die Sie nur auszufüllen brauchen. Wir wären
Ihnen dankbar, wenn wir bald Antwort bekommen könnten.
Hier in der Bibliothek gibt es viel zu tun. Erstens dadurch, daß sich die Leute in die
Bibliothek stürzen, weil die Bücher so knapp geworden sind, und außerdem durch
Vertretungsarbeiten in Folge von Krankheitsfällen in der Belegschaft. [...]
Schon merkwürdig: Alle berichten von Arbeitsdruck in der Stadtbibliothek, aber
keiner erwähnt dabei die Verpackung und Auslagerung wertvoller Bestände. Es sieht
ganz so aus, als wären trotz vorsorgender Nachtwachen im Hause (Nr. 29) noch
keine konkreten Maßnahmen getroffen worden zur Bestandssicherung, und das zu
einer Zeit, als man der Landesbibliothek Oldenburg schon die Auslagerung
schützenswerten Gutes vorbereitete und noch rechtzeitig genug ausführte, bevor die
Bibliothek am 22. Sept. 1943 durch eine Luftmine schwer beschädigt und
unbenutzbar wurde.
- 64 -
Inzwischen ist Fischer zum Gefreiten befördert worden, wozu der Chef gratuliert und
fortfährt:
32 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 28. Januar 1943
[...] Ich schicke Ihnen beifolgend den Verwaltungsbericht 64 des Jahres 1942 mit, aus
dem Sie alles Nähere ersehen. Soeben habe ich wieder eine sehr schöne
Erwerbung für die Stadtbibliothek machen können: Die bedeutsame Werther-
Sammlung (rund 450 Bände) von Dr. Paul Schumann / Leipzig 65 , die für 10.000,--
RM angekauft wurde.
Der tapfere Sohn von Herrn Haacke ist nun leider auch vor Stalingrad gefallen. Sie
können sich denken, daß der Vater durch diesen Verlust sehr gebrochen ist.
Kürzlich schickte übrigens Kästner 66 sein neuestes im Auftrag des Oberkommandos
einer Armee verfaßtes Griechenland-Buch 67 , das übrigens sowohl stilistisch als
auch nach den Kenntnissen sehr kultiviert geschrieben ist. Es liest sich fast wie eine
Dichtung. [...]
Aus dem Felde drückt Fischer seinem alten Gönner, dem Oberbürgermeister a.D.
Dr. Rothe, sein Beileid zum Tode seiner Frau (Anf. 1943) aus. Und erhält dafür Dank
und nachfolgenden kritisch offenen Bericht.
33 Karl Rothe an Fischer
Leipzig, den 9. März 43
[...] Aber Sie werden, wie es mir auch immer ging, nie heimisch beim Militär werden
und den Tag segnen, wo Sie wieder in die Stadtbibliothek Ihren Einzug halten. Dort
herrscht immer, wenn ich hinkomme, Hochbetrieb, und immer wieder sieht man im
Personal neue Gesichter. Da man bei den Buchhändlern nichts mehr kaufen kann,
wenden sich immer weitere Kreise der Stadtbibliothek zu. Hier im Lande ist die
- 65 -
Stimmung, wo die letzten Arbeitskräfte herangezogen werden, nicht gerade rosig,
und ich höre, daß sie an der Front erheblich besser sei als im Lande. Ich habe mich
meinem Amtsnachfolger 68 schon Anfang Februar zur Übernahme irgendeines
Dezernats in der städtischen Verwaltung bei täglich 5stündiger Arbeit, die ich noch
leisten kann, zur Verfügung gestellt, aber keine Antwort erhalten. Also scheint bei
der Behörde noch genügend Personal vorhanden zu sein. Oder sollten andere
Gründe vorliegen? [...]
Natürlich gibt es andere Gründe! Die nationalsozialistische Stadtverwaltung will den
beliebten Oberbürgermeister, nach dem bei seinem Ausscheiden 1930 eine Straße
benannt worden war, in keiner Position mehr zurückkehren lassen. Anders handelt
wenig später die Leipziger Nachkriegsverwaltung, die seine Hilfe akzeptierte (Nr.
53).
Und Hofmann? Er rafft geradezu hektisch private Spezialbibliotheken für die
Stadtbibliothek zusammen (Nr. 32), jetzt da das Jahr voranschreitet, wieder eine (Nr.
34). Und nun ist endlich auch von ersten Schutzmaßnahmen die Rede. Die aber sind
unzureichend, weil sie zunächst nicht über das Haus hinaus führen. Noch wären
acht Monate Zeit dafür.
34 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 1. 4. 1943
[…] In d. Bibliothek weiter Mordsbetrieb. Nach der Werthersammlung steht
voraussichtlich eine ganz große Erwerbung bevor!! Und dabei verfrachten wir immer
mehr i.d. Keller. Die verdammten Flieger sind doch eine Sorge! – Haben Sie d.
Jahresbericht von 1942 erhalten, und was sagen Sie zu Gruppe A Ib für d. Direktor
u. Einweisung in eine freie, planmäßige Stelle dieser Besoldungsgruppe?! -
Beiliegend die Neuerwerbungsliste. - […]
- 66 -
Die stolze Frage lässt vermuten, dass Fischer bisher offenbar noch nicht gratuliert
hat. Und was die erneute Andeutung seines Chefs angeht, so erhält er erst im
nächsten Brief Aufschluss.
35 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 6. 5. 1943
[…] In der Biblio. ist viel zu tun. Die Benutzung steigt weiter trotz hemmender
Bestimmungen. Wie ich höre, packen die an der Bibliothek „nur“ noch ein, während
ich das nur „nebenbei“ tue 68 . Übrigens die Stummesche Faustsammlung 70 habe ich
auch für uns gesichert. Nach dem Kriege will Stumme 71 erst verkaufen. Ob man das
noch erlebt? […] (Frl. Marx ist jetzt aus N[orwegen] auf Urlaub hier – sieht gut aus!)
[…]
Man kann es drehen, wie man will: Hofmanns unklare und mehrdeutige Aussage von
„die nur“ und „ich…nebenbei“ zeigt, dass er die Sicherungsmaßnahmen nicht mit der
nötigen Konsequenz verfolgt, sondern – wenn man zurückhaltend urteilt – die Lage
noch nicht als bedrohlich einschätzt. Wertet man aber kritisch, dann muss er sich, da
er die Dinge treiben lässt, unverantwortliches Handeln vorwerfen lassen. Und genau
das wird auch geschehen (Nr.55).
Hofmann beglückwünscht Fischer zur Geburt des dritten Sohnes Christoph (6. 7.
1943, der zweite Sohn Ludwig, für den Karl Rothe die Patenschaft übernahm, war
schon am 28. 5. 1939 geboren worden) und berichtet dann aus der Stadtbibliothek.
36 Hofmann an Fischer
Leipzig, am 13. 7.1943 Briefkopf: Der Direktor der Stadtbibliothek und des
Ratsarchivs
- 67 -
[…] Hier hat sich nichts Wesentliches ereignet. Die Benutzung im Juni hat gegen
voriges Jahr 33% zugenommen! Übrigens habe ich noch 30 große Kisten mit
Büchern verpacken lassen und in den Keller transportiert: Wiegendrucke, Goethe-
Slg 72 , Bibliothek d. Gohliser Schlößchen 73 , Bibliothek d. Deutschen Gesellschaft 74
u.a. Die Luftgefahr wird doch immer größer! – […]
Nur ein paar Etagen tiefer, aber nicht ausgelagert. Reicht das aus? Noch bleiben
knapp fünf Monate, das zu ändern.
37 Ruth Marx an Fischer
O.U. [Ortsunterkunft] am 22. 8. 1943
Feldpostbrief
[…] Der Anlaß zu diesem Brief ist folgender: Ich habe die Absicht, Norwegen zu
verlassen, um in Rußland eine Frontbuchhandlung zu übernehmen oder neu aufzubauen.
Im Mai habe ich mich bei der zuständigen Stelle in Berlin schon erkundigt,
da hieß es, daß im Laufe der Zeit die Frontbuchhändler durch weibliche Kräfte
ersetzt werden sollten. Bisher gab es weibliche Kräfte in den Frontbuchhandlungen
nur in Norwegen und Finnland. Wie weit die Aktion nun schon vorgeschritten ist,
weiß ich nicht. Die Änderungen an der Ostfront werden da auch einen großen
Einfluß haben. Bestand eigentlich in O[rel] eine Frontbuchhandlung? Was können
Sie mir eigentlich von der Frontbuchhandlung auf Grund Ihrer persönlichen
Erfahrungen berichten? Ich wäre sehr dankbar, wenn ich recht bald von Ihnen hören
würde...
Es zeugt schon von Abenteurertum und Leichtsinn oder von naiver Führergläubigkeit,
sich als Frau vom ruhigen Norwegen hinter die in Bewegung geratene
Ostfront versetzt zu wünschen! Es ist vermutlich nicht dazu gekommen.
- 68 -
In kurzen Worten werde ich Ihnen noch ein wenig von meiner Arbeit erzählen, die
mir nach wie vor Freude bereitet, wenn es auch manche Schwierigkeiten und Ärger
gibt. Der Büchernachschub ist recht gut, die Auswahl im großen und ganzen
zufriedenstellend, allerdings könnte da noch manches geändert werden, doch liegt
das nicht an den Auslieferungslagern noch an der Zentrale in Berlin, sondern an der
Lenkung des Schrifttums im allgemeinen. Die Auswahl des geförderten Schrifttums
liegt hart an der Durchschnittsgrenze, wenn nicht darunter. Freilich sind die Bücher
für die Masse der Soldaten gedacht, wirkliche Bücherliebhaber und Interessenten
sind verhältnismäßig wenig vertreten, für die meisten Käufer spielen leider nur
äußere Gesichtspunkte eine Rolle (Einbandart, also etwas für den Bücherschrank),
Hauptsache ist, daß das Geld angelegt werden kann. Das sind alles Erscheinungen,
die einem sehr weh tun ...
Sie berichtet da über eine nahezu unbekannte Seite der deutschen Kulturoffensive
im besetzten Ausland unter dem Schirm der Wehrmacht, und deshalb ist dieser Brief
interessant. Was aber die Bezeichnung „Frontbuchhändler“ angeht, so wirkt der
heroisiert und übertrieben. Welcher Frontsoldat hat je einen von ihnen gesehen,
geschweige denn eine solche Buchhändlerin? In diesem ungewöhnlichen Brief, der
auf Soldaten, natürlich nicht an der Front, sondern in der Etappe, hinzielt, passen
Abenteurertum und Vermittlung literarischer Hochkultur schlecht zusammen, wie sie
selbst bemerkt. Der Landser sucht Unterhaltung, auch im „ruhigen“ Norwegen.
Was die Marx aber darüber hinaus in Oslo veranstaltet, ist schon bemerkenswert.
Neben meinem täglichen Verkauf habe ich noch 22 Nebenstellen zu beliefern, dazu
kommen noch zahlreiche Einheiten, für die von Fall zu Fall Büchersendungen
zusammengestellt werden. Das ist natürlich sehr viel Arbeit. Aber seit Januar
arbeiten wir zu Dritt, und seit ein paar Tagen ist die vierte Kraft eingetroffen. Das
Weihnachtsgeschäft voriges Jahr habe ich mit meiner Kameradin allein bewältigt,
allerdings kamen wir vor 1 Uhr nicht aus dem Laden, es wurde auch ½ 2 Uhr.
- 69 -
Im vergangenen Winterhalbjahr habe ich auch literarische und musikalische Abende
für einen kleineren Kreis (ca. 175 Personen) veranstaltet, was mir sehr viel Freude
gemacht hat. Wir haben hier in N. einen sehr guten Musikerstab […]. In der Kirche
wurden auch schon sehr schöne Konzerte gegeben.
In diesem Rahmen bewegt sich ungefähr meine Arbeit. Nun würde es mich reizen,
im Osten etwas Ähnliches aufzuziehen. […]
Dabei täuscht sie sich aber gewaltig, denn es ist etwas grundsätzlich anderes, im
kulturell unversehrten Norwegen solche Arbeit zu leisten als in einem Gebiet, dem
der Krieg schwere menschliche und materielle Wunden geschlagen hat.
Es wird mir ja sehr schwer fallen, von hier wegzugehen, aber für meine Arbeit halte
ich es für sehr wertvoll, mal unter anderen Bedingungen zu arbeiten. Sie kennen ja
meinen Standpunkt. Mit den Dienststellen stehe ich mich sehr gut, ich finde überall
Unterstützung bis hinauf zum Gen.Kdo. Meine vorgesetzte Dienststelle in O[slo] war
bisher der Wehrmacht-Propaganda-Offizier, doch nun sind wir dem OKW –
Außenstelle angegliedert. […]
Inzwischen hat Hofmann durch Feldpost-Briefe vom 30 .7 und 8. 8. erfahren, dass
Fischer nicht mehr in Orel stationiert ist; die Stadt wurde am 5. August von den
Sowjets eingenommen. So berichtet er zunächst „ins Blaue“ hinein.
38 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 31. August 1943
[…] Wie es uns hier in Leipzig geht, werden Sie ja durch Ihre Frau wissen. Die
angespannte Luftlage hat mich veranlaßt, weitere Bestände der Bibliothek in Kisten
verpackt sicherzustellen. Augenblicklich ist die Becker-Sammlung 75 geborgen
worden. Bei meinen bescheidenen Kräften, von denen öfters auch noch die Hälfte
krank ist, und dem weiteren starken Dienstbetrieb, besonders in der Ausleihe,
- 70 -
Luftbild Oldenburg / Ausschnitt – 21.03.1945: einzig das Bibliotheksgebäude mit Notdach
- 71 -
1. Altes Bibliotheksgebäude am Damm, 1943
2. Schloß (Landesmuseum), als Übergangsquartier
3. Markt
4. Zeughaus an der Ofener Straße, die Landesbibliothek 1946 - 1987
5. Pferdemarkt mit Kaserne: die heutige Landebibliothek
Straßenansicht des
Bibliotheksgebäudes
am Damm, vor 1943
Die „Gauhauptstadt“
Oldenburg blieb von
einem systematischen
Bombenkrieg weitgehend
verschont.
Auch die Zerstörung der
Bibliothek ist auf einen
eher singulären Treffer
hinter dem Gebäude
zurückzuführen.
Die Ruine von der Hofseite
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1
2
3
5
Luftbild Oldenburg, 23.03.1943, vor der Zerstörung des alten Bibliotheksgebäudes am Damm
4
- 73 -
bedeutet die dauernde Packerei für unsere Bibliothek eine ziemliche Belastung.
Unsere Luftschutzkräfte sind jetzt durch die Gefolgschaft des Stadtarchivs verstärkt
worden. Bei einem starken, massierten Angriff auf das Stadtzentrum muß man allerdings
das Schlimmste befürchten. […]
Hat Hofmann aus dieser Erkenntnis die notwendigen Konsequenzen gezogen? Karl
Rothes späteres Urteil (Nr. 55) verneint diese Frage. Bisher erwähnt Hofmann als
verpackt nur Spezialsammlungen. Und was ist mit den sonstigen wertvollen Beständen?
Der Hauptsaal der Stadtbibliothek Leipzig
- 74 -
Es bleibt nur noch ein Vierteljahr.
Seine Weihnachtsgrüße hat Hofmann – ohne Datum – ganz frühzeitig aufgegeben,
wahrscheinlich unmittelbar vor der Katastrophe des 4. Dezember. Noch ist seine
dienstliche Welt einigermaßen in Ordnung.
39 Hofmann an Fischer
Leipzig, vor Weihnachten 1943
[…] Lassen Sie mich Ihnen herzlichste Weihnachtsgrüße senden, auch von meiner
Frau und auch von allen Mitarbeitern in Bibliothek und Archiv. Es war nicht leicht, ein
paar Bücher zu finden, die Ihnen eine kleine Freude bereiten. Ich hoffe, daß mir dies
gelungen ist. […] Wenn Sie einmal einen geeigneten Bericht für die Zeitung „Von
Front zu Front" 76 haben, der sehr erwünscht ist, schicken Sie ihn. […]
Also auch da hat Hofmann seine Hand im Spiel: bei der Mitarbeit an einer Front und
Heimat verbindenden Zeitschrift.
Nach dem großen Brand vom 4. Dez. 1943 tritt eine mehrwöchige Schreibpause ein,
die nur so zu erklären ist, dass entweder Post, eben der authentische Bericht über
die Katastrophe, verloren gegangen oder aber Hofmann so gelähmt ist, dass er sich
nicht zu einem Brief aufraffen kann. So gibt es also aus dem Fischer-Kreis keine
Schilderung des so verhängnisvollen Geschehens. Auch Frau Fischer, damals nicht
in Leipzig weilend, kann ihrem Mann nichts mitteilen, vielmehr äußert sie noch die
Hoffnung, dass – ziemlich unwahrscheinlich – bei der Vernichtung des Leipziger
Zentrums die Stadtbibliothek noch einmal davongekommen ist. Erst später erfährt
sie, dass das Feuer auf das Bibliotheksgebäude übergriff und dass selbst im Hof
noch für die Auslagerung bereitgestellte Kisten mit Büchern verbrannten.
- 75 -
Die Innenstadt von Leipzig in einer Aufnahme der alliierten Luftaufklärung 30.10.1943.
Aufnahme der alliierten Luftaufklärung am 30.10.1943,
5 Wochen vor dem Angriff.
Ausschnitt aus der Teil-Aufnahme rechts mit der
Stadtbibliothek am unteren Blockrand in Bildmitte.
Aufnahme der alliierten Luftaufklärung am 20.02.1944,
nach der Katastrophe.
Ausschnitt aus der nachfolgenden Luftaufnahme.
Der große Saal ist vollständig leer, die Galerien sind
verschwunden. Erhalten ist noch die Decke zum
Zwischengeschoß am Treppenraum (links).
Innenaufnahme der Ruine mit dem
Renaissance-Gitter im Großen Saal
- 76 -
- 77 -
Nun ist also eingetreten, wenn auch anders, als Frau Fischer es befürchtete, was ihr
Mann vorhersagte, als er zum Militärdienst einberufen wurde: Ich kehre nicht mehr
an die Stadtbibliothek zurück. Der Flammentod bedeutete das abrupte Ende einer
Entwicklungsphase, in der – unabhängig vom politischen Treiben – die Stadtbibliothek
im Lichte der Öffentlichkeit stand, was auch aus ihren Veröffentlichungen
abzulesen ist 77 . Auch für Fischer war nun eine fruchtbare Periode gehaltvoller Publikationen
endgültig beendet, an die er in seiner Oldenburger Zeit nie mehr hat
anknüpfen können 78 . Fast scheint es, als habe der Brand in Leipzig auch ihn leergebrannt.
Er drückt das Dita Rothe gegenüber am 8. 12. 1967 in seinem nachträglichen
Glückwunschbrief so aus:
40 Fischer an Dita Rothe
Glückwunschbrief zum 70. Geburtstag
Voller Neid sehe ich die literarische Ernte Ihres bibliothekarischen Lebens und fühle
mich beschämt, wie gering an Zahl und Gewicht das ist, was ich habe beibringen
können, und daß ich nun noch immer von der Hoffnung auf die Zukunft leben muß,
um mich endlich „meinem Buch" zuzuwenden.
Doch auch das ist über eine umfangreiche Materialsammlung 79 und ein paar
Teilabschnitte, die Fischer u.a. als Vorträge für den „Literarisch-geselligen Verein zu
Oldenburg" ausarbeitete 80 , nicht hinausgekommen. Nach außen hin überspielte er
seine für einen Bibliotheksleiter ungewöhnliche Abstinenz mit der Erklärung, er
werde ohnehin viel zuviel gedruckt, da müsse er sich nicht auch noch beteiligen. Er
hätte es dennoch gern getan. Aber als er dann endlich im Ruhestand die Zeit dazu
hatte, machten seine schwere Krankheit, sein viel zu früher Tod die Hoffnung, das
Werk zu vollenden, abrupt zunichte.
- 78 -
Die ausgebrannte Ruine der Stadtbibliothek: das große, leere Gebäude in Bildmitte
- 79 -
Nun zurück in das zerstörte Leipzig. Von dort kommen erst spät wieder Stimmen,
aber so seltsam gedämpft und im Falle Hofmann so ungewöhnlich sachlich, dass
man den Eindruck gewinnt, ihm sei der Verlust noch gar nicht bewusst geworden.
Als erster nimmt Karl Rothe den Kontakt wieder auf.
41 Karl Rothe an Dr. Hilde Fischer
Leipzig, den 8. Januar 44
[…] Daß er [Ihr Mann] sein schönes Arbeitsgebiet in unserer geliebten Stadtbibliothek
für immer verloren hat, ist sehr schmerzlich, und er wird sich um seine
Zukunft Sorgen machen. Aber in Sorgen leben wir ja alle. Ich werde nun im Februar
zu Dita nach Moritzburg übersiedeln, nachdem die Wirtschafterin sich entschlossen
hat, mitzugehen. […] So sehr ich mich auf ein Zusammenleben mit Dita freue, so ist
doch die große Veränderung in meinem Leben bei meinem Alter nicht leicht zu
tragen […].
Erst Ende Januar hat Hofmann einen Entschluss gefasst und geht nun daran, ihn zu
verwirklichen: Fischer muss ihm helfen. Also schreibt er zunächst seiner Frau.
42 Hofmann an Dr. Hilde Fischer
Leipziger Stadtbibliothek 27. 1. 1944 z. Zt Stadthaus, Archiv I, Zi 632
[…] Heute komme ich mit einer Anfrage zu Ihnen: Welches ist die jetzige
Feldpostadresse Ihres Mannes und welche militärische Funktion hat er
augenblicklich? Dies ist nämlich wichtig für mich zu wissen, da ich soeben mit dem
Stadtkämmerer verabredet habe, einen Antrag auf ca. 6 Wochen Arbeitsurlaub für
Ihren Mann zu stellen. Dies erscheint mir notwendig, da wir durch die Planung des
Wiederaufbaus vor einer so schwierigen Aufgabe stehen, daß ich dazu den Rat Ihres
Mannes auf Grund seiner langjährigen Erfahrung in unserer Bibliothek einholen
- 80 -
möchte. Aber auch sonst ist mein Beamtenkörper [!] für die Durchführung des
Wiederaufbaus so bescheiden, daß jeder meiner Kollegen mir sagt, daß ich mich in
ein schwieriges Unternehmen stürze. Hoffentlich hat auch das Militär dasselbe
Einsehen wie der Stadtkämmerer. Jedenfalls soll alles versucht werden, Ihren Mann
einmal hereinzuholen. […]
Die Antwort erfolgt prompt. Fischer, jetzt Unteroffizier, hat noch die alte Feldpost-
Nummer 47 037. So wendet Hofmann sich nun direkt, ohne auf die Ereignisse und
die Situation in Leipzig einzugehen, an ihn. Und er wirkt sonderbar unberührt von der
Katastrophe und kommt gleich zur Sache:
43 Hofmann an Fischer
Leipzig, den 10. Februar 1944
[…] Sie haben wohl schon erfahren, wie stark überlastet ich bin, sowohl mit den
Abwicklungsgeschäften, insbesondere der sehr schwierigen Schadenfeststellung
und gleichzeitig mit der angeordneten Wiederaufbauarbeit. Für diese
außergewöhnliche Aufgabe ist im Grunde mein jetziger Beamtenkörper viel zu klein,
vor allem fehlen Sie mir natürlich sehr. Wie denken Sie über die Möglichkeit, Sie für
wenigstens 6 Wochen zu einem Arbeitsurlaub reklamieren zu können? Allerdings
müßte ich wissen, ob Sie – wie früher – einen Etappenposten haben, denn wie mir
Stadtdirektor Dr. Seidel 81 sagte, ist sonst wenig Aussicht vorhanden, daß der
Oberbürgermeister im jetzigen Zeitraum ein Reklamationsgesuch unterschreibt. Wie
mir Ihre Frau schrieb, würde im Falle einer Reklamation Ihre Unterbringung und
Verpflegung in Leipzig ein schwieriges Problem sein, da die Wohnungen aller Ihrer
Verwandten und Freunde durch Einquartierung voll belegt sind und Ihre Frau Sie
nicht betreuen kann 82 . Da ich selbst keine Wohnung mehr habe, weiß ich im
Augenblick da auch keinen Rat, aber dieses Problem würde sich vielleicht auch
lösen lassen. Zunächst muß ich erst einmal Ihren Bescheid haben auf meine
- 81 -
Anfrage, und ob Sie meinen, daß in unserem Falle eine Reklamation – allerdings
nicht bloß auf 14 Tage – Erfolg haben würde …
Für einen Frontsoldaten wäre das ein überaus lockendes Angebot: Sechs Wochen
raus aus der Sch….., Fischer aber dient in einer rückwärtigen Einheit, ist an seinen
Einsatzorten womöglich weniger gefährdet als derzeit die Einwohner von Leipzig.
Auch die ungewissen Umstände seiner Unterbringung und Versorgung dort sind,
verglichen mit den gesicherten Verhältnissen seines Militärdienstes, wenig reizvoll.
Andererseits werden ihm mehrere Wochen Kontakt mit Frau und Kindern in Aussicht
gestellt. Welcher Lösung neigt er zu? Aber er hat ja nichts zu entscheiden.
Was aber denkt sich Hofmann bei dieser Sache? Ist das ein echter Hilfeschrei in Not
und Verzweiflung (solchen Eindruck erweckte er bisher nicht) oder soll, so seine
Berechnung, die zu erwartende Ablehnung des Antrages ihm nur als Alibi dienen
angesichts der sich auftürmenden Schwierigkeiten vor Ort? Jedenfalls kann Hofmann
doch nicht ernsthaft erwarten, dass sich gerade jetzt, da der Krieg fast überall
an der „Heimatfront“ Tod und Verderben bringt, wo Mangel herrscht an allem außer
Geld, eine neue Stadtbibliothek sich aufbauen lassen würde. Was kann, was darf er
eigentlich von Fischer erwarten? Bei solcher Lage und in so kurzer Zeit? – Nun
schildert Hofmann, wieder voll im Zeug, die dienstliche Situation:
Die Arbeitsbedingungen in der jetzigen Ausweichstelle, im Stadtarchiv, sind allerdings
sehr bescheiden, der Mangel an Raum ist sehr erdrückend und erhöht die
übrigen Schwierigkeiten. Den ersten größeren Bücherposten für den Wiederaufbau
habe ich à conto eines Überbrückungskredits der Stadt in Höhe von 18.000 RM vor
einigen Tagen bei Hiersemann 83 gekauft. Zunächst werden die Bücher hier im
Accessionskatalog festgehalten, um dann nach dem Schloß Belgershain, wo ich
einen Saal gemietet habe, aus Sicherheitsgründen transportiert zu werden ...
- 82 -
Jetzt endlich, zu spät, wird konsequent ausgelagert, aber notgedrungen nur aus
Raummangel. Und weiter: Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau gibt es eine
große Zahl Fragen, die ich gern mit Ihnen einmal besprochen hätte, vor allem ist der
Entschluß für mich nicht einfach in Bezug auf die neue Aufstellung. Die Frage ist, ob
man in Zukunft den numerus currens 84 einführen soll und von der früheren systematischen
Aufstellung ganz abgehen oder ob man einige Fachgruppen beibehalten und
innerhalb dieser Gruppe den numerus currens wählen soll. Ich neige sehr zu
letzterem. Bei der großen Tragweite dieses Entschlusses für die zukünftige
Gestaltung der Bibliothek wäre ich Ihnen dankbar für eine Äußerung ...
Da ist er wieder, trotz aller Erschöpfung, der alte Hofmann: Geschäftig, wichtig,
scheinbar unerschütterlich baut er sich eine neue Stadtbibliothek zusammen, ohne
einen Gedanken daran zu verschwenden, dass alle Mühe vergeblich sein könnte.
Wie sollte seine Neuschöpfung die Substanz und Pracht der alten Stadtbibliothek je
erreichen? Übrigens stellt er hier genau die Frage, die Fischer Jahre später auch in
seiner Landesbibliothek beantworten musste: Lässt sich die systematische
Aufstellung, nach Fachgruppen also, in Zukunft noch beibehalten?
Leider bin ich physisch und seelisch ziemlich verbraucht, und wollte mein Arzt mich
schon längst in Urlaub schicken, aber zunächst ist bei der Fülle der dringenden
Arbeiten gar nicht daran zu denken.
Also, lieber Herr Fischer, überlegen Sie sich die Angelegenheit einmal und geben
Sie mir recht bald Bescheid. Sie können sich denken, daß ich kein vergebliches
Reklamationsgesuch loslassen will. Vielleicht schreiben Sie mir auch, welche
Begründung notwendig ist, um einen längeren Arbeitsurlaub für Sie zu erreichen. […]
Die Antwort Fischers, wenn er denn überhaupt eine hätte erteilen können, wäre
interessant. Es kommt jedenfalls nicht zur gewünschten Abstellung. Die Gründe
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dafür sind nicht mehr fassbar, liegen aber wahrscheinlich doch in der Entscheidung
seiner Einheit, die, in ständiger Bewegung, über Dresden in den Raum Rouen
verlegt wird.
Hofmann muss, um späterhin mit Fischer Kontakt wiederaufnehmen zu können,
zunächst erneut bei seiner Frau anfragen.
44 Hofmann an Dr. Hilde Fischer
Leipziger Stadtbibliothek, den 18. Oktober 1944
[…] Ich wäre Ihnen dankbar für eine kurze Mitteilung, wo Ihr Mann jetzt steckt und
ob, wie ich hoffe, er gut aus dem Schlamassel herausgekommen ist. Ich würde ihm
gern einmal schreiben. Es wird ihn sicher interessieren, daß uns vom Reichsbeirat
für Bibliotheksangelegenheiten ein sehr günstiger Bescheid zur Heilung unseres
großen Buchschadens zugegangen ist. Geld haben wir jetzt wie Heu. Hoffentlich
können wir dafür auch die nötigen Bücher kaufen. […]
Die Antwort lautet: Fischer ist gerade mit seiner Einheit aus Antwerpen vertrieben
worden.
45 Hofmann an Fischer
Leipzig, 25. 10. 44 Stadthaus, Stadtarchiv, Zi. 632
[…] Hier ist das Kulturleben bis auf das kriegswichtige [?] Bibliothekswesen
vollständig eingeschlafen. Trotz des starken Abbaus bei allen Verwaltungsstellen ist
es mir geglückt, unseren Personalbestand nicht nur vollständig zu halten, sondern
auch noch um zwei mittlere weibliche Kräfte, darunter eine sehr brauchbare
Anwärterin, die schon lange in Aussicht genommene Fräulein von Lossow, zu
vermehren. Da der Wiederaufbau der Stadtbibliothek auch sehr rüstig fortschreitet,
können wir diesen vermehrten Personalbestand auch gebrauchen …
- 84 -
Die Fenster der Stadtbibliothek
Leipzig zum Gewandgäßchen,
im Alten Gewandhaus
Aus:
Wolfgang G. Fischer,
Gewandhaus und
Stadtbibliothek und der
Mauermeister Seltendorff,
Leipzig, 1939
[Leipziger Jahrbuch]
- 85 -
Der große Saal der Stadtbibliothek Leipzig als Baustelle, vermutlich Dreißiger Jahre
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Der große Saal der Stadtbibliothek Leipzig
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Saal der Stadtbibliothek Leipzig als Baustelle, von der Galerie aus
- 88 -
Saal der Stadtbibliothek Leipzig, von der Galerie aus
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Man muss es ihm lassen: Hofmann, dieser Sisyphus, versucht den Felsbrocken
unermüdlich den Berg hinauf zu wuchten, in der trügerischen Hoffnung auf eine
Wiederauferstehung seiner Stadtbibliothek. Dabei verdrängt er jeden Gedanken
daran, dass noch so viel Geld die verlorenen Werke nicht mehr ersetzen kann. Und
Geld gibt es jetzt reichlich:
Sehr verständnisvoll werden wir von dem Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten
unterstützt. Von diesem erhielt ich kürzlich den Bescheid, daß
wegen der anormalen Lage auf dem Büchermarkt zur Zeit eine endgültige
Abschätzung des entstandenen Bücherschadens nicht möglich sei. Aus diesem
Grunde hat der Reichsbeirat auf Grund vorläufiger Schätzung den Schaden unter
Vorbehalt späterer endgültiger Festsetzung in Höhe von 3 Millionen vorläufig
anerkannt. Gleichzeitig hat der Reichsbeirat die Ermächtigung erteilt, Rechnungen
bis zur Gesamthöhe von 1½ Millionen noch vor Entscheidung der Feststellungsbehörde
zur Zahlung bei der Reichstauschstelle einzusenden. Die bisher mit Hilfe
eines städtischen Vorschusses bezahlten Bücherrechnungen sind auf diese Weise
bereits an die Stadtkasse zurückerstattet worden…
Was nützt schon all das viele Geld, wenn man dafür kaum noch das bekommt, was
man braucht? Jetzt gegen Kriegsende erscheinen ja kaum noch neue Bücher von
bleibendem Interesse. Und woher soll Ersatz für die verlorenen alten kommen?
Dafür versucht er einiges:
Da neue Bücher verhältnismäßig nur noch in geringer Zahl erscheinen, erstrecken
sich unsere Bücherankäufe hauptsächlich auf antiquarische Erwerbungen. Nebenher
gehen z.T. sehr hübsche Geschenke. Anfang November werde ich durch einen
Aufruf der Stadtbibliothek mich an alle Leipziger wenden mit der Bitte, altes und
neues Schrifttum über Leipzig und Werke Leipziger Schriftsteller der Stadtbibliothek
als Geschenk oder zum Kauf anzubieten 85 . Sie sehen also, lieber Herr Fischer, daß
wir uns Mühe geben, trotz der für den Wiederaufbau sehr schwierigen Zeiten
- 90 -
wenigstens einen ansehnlichen Grundstein hierfür zu legen, auf dem, wenn uns das
Geschick günstig gesinnt ist, in Friedenszeiten weiter gebaut werden kann. Im
Stadtarchiv versuchen wir noch zu bergen, was bei dem starken Mangel an
Treibstoff noch zu bergen ist. […]
Die nun wieder betonte Betriebsamkeit Hofmanns und der Stolz auf die verfügbaren,
aber eigentlich doch sinnlosen Geldmittel verlieren rasch ihre Grundlage. Nur
Monate danach ist der Krieg zu Ende. Fischer gerät in Holland in Kriegsgefangenschaft
und wird mit seiner Einheit in Ostfriesland interniert, wo sich die
Soldaten im Gebiet nördlich des Ems-Jade-Kanals relativ frei bewegen können.
Dabei findet er über Jever Kontakte zu Oldenburg, die ihm ab 10. 5. 1946 ein
Unterkommen bei der Landesbibliothek ermöglichen.
Fischer im Winter 1944, noch im Uniformmantel mit Schulterklappen
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Ehemaliges Zeughaus in Oldenburg, Ofener Straße, ab 1946 Domizil der Landesbibliothek
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Von hier berichtet Fischer zunächst nur seiner Frau in Leipzig von den Schwierigkeiten,
in Oldenburg Fuß zu fassen und erfolgreich zu arbeiten. Was er da vom
Kampf um eine neue Unterkunft für die ausgebombte Landesbibliothek und von den
Mühen beim Umzug der geretteten Bestände und bei der provisorischen Einrichtung
im ehemaligen Zeughaus mitteilt, ist an anderer Stelle (Schriftenverz. Barton 6.23
und hier T. VIII, 4) wiedergegeben. Diese so aufschlussreiche Korrespondenz endet,
als er, endlich in leidlich gesicherter Stellung, seiner Familie Wohnung und Unterhalt
in Oldenburg verschaffen kann. Der Umzug von Frau und drei Jungen erfolgt im Mai
1947.
Im Vorstellungsschreiben bei einer Landesbehörde, deren Arbeit er sich verbunden
fühlt, fasst Fischer seine Situation kurz zusammen:
46 Fischer an Landeskonservator Dr. Deckert 84 , Celle
Oldenburg, den 23. Oktober 1947
[…] Vorher [vor Krieg und Gefangenschaft] war ich in Leipzig hängen geblieben, da
ich an der Stadtbibliothek ein immerhin würdiges Dasein fand. In dem schönen
Barockbau und bei den herrlichen Schätzen dieses Institutes konnte ich, der ich als
Kunsthistoriker doch schmerzlich vom eigentlichen Pulsieren des Faches abgedrängt
wurde, wenigstens für mich genießen und reifen und ein Weniges forschen. Diese
Bibliothek ist 1943 niedergebrannt, und das Schicksal der s. Zt. gesicherten
Kostbarkeiten unklar. Und ich hielt es nicht für richtig, in Verhältnisse zurückzutreten,
die einen immer nur ans Verlorene erinnern müßten, sondern mir schien es besser,
ganz von vorne anzufangen. […]
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Mit dieser scheinbar so selbstsicheren Aussage macht Fischer allerdings aus der
Not eine Tugend. In Wirklichkeit kommt er über den Verlust Leipzigs – die Briefe
zeigen es – viele Jahre, ja eigentlich sein ganzes Leben lang nicht hinweg.
47 Fischer an Hofmann
Oldenburg, den 30. Dez. 1947
[…] Studien zur Bucheinbandgeschichte habe ich selber noch nicht wieder
aufgenommen. Daß ich später hier in der Bibliothek einen Kurzkatalog dazu anlege,
ist sicher. Es wird lohnen, wenn mir auch scheint, daß außerordentliche Stücke
dabei nicht zu erwarten sind. Im Augenblick kann man ja noch nirgends an die
Kostbarkeiten heran, etwa zur Untersuchung der Diebold Lauber Handschriften 87a .
[…]
Nach den Schätzen der Handschriftenabteilung der STABI ist mir doch oft bange. Ich
habe jetzt ein Exemplar der Festschrift 88 von 1927 hier angeschafft. Was sind das für
feierliche Zeiten gewesen, wo man so etwas machen konnte! Diesmal wird es wohl
länger als zehn Jahre dauern mit der Erholung vom Sturz in die Tiefe, denn die
Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse ringt einem ja einen Seufzer nach dem
anderen ab. […]
Beim nun wiederaufgenommenen Briefverkehr mit den alten Freunden in Leipzig ist
zu berücksichtigen, dass Fischer stets in zwei Zeitstufen lebt, im Heute und im Einst.
Was er da von seiner dienstlichen Arbeit der Gegenwart berichtet, steht in der
Festschrift der Landesbibliothek, in welchem Maße er aber der Erinnerung an die
verlorene Stadtbibliothek nachhängt, ist erstmalig hier zu finden. Die Vergangenheit
erscheint ihm besonnt, die Gegenwart grau und drückend, auch hier:
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48 Fischer an Karl Rothe
Oldenburg, den 5. Januar 1948
[…] Aber ich werde wohl nach Leipzig kommen müssen, um meiner Schwiegermutter
bei der Nachlaßregelung behilflich zu sein 89 . An dieser Aussicht ist freilich hübsch,
soviele alte Freunde wiedersehen zu können. Dann hoffe ich auch, Ihnen wieder
meinen Besuch machen zu dürfen, und von Ihrer Fräulein Tochter Ditha will ich dann
in die Geschichte der Stadtbibliothek genauestens eingeweiht werden. Denn um der
Wahrheit willen ist mir oft nach dem alten Institut bange.
Welch wehmütige Vorstellung! Die kostbaren Stücke, die ich mit so viel Liebe betreut
habe, nie wieder in die Hand nehmen zu können.
Tatsächlich hat diese Reise nicht stattgefunden (Nr. 58). Wäre sie erfolgt, hätte die in
Aussicht genommene Einführung in das Leipziger Provisorium durch Edith eigentlich
bewirken müssen, dass für Fischer der Vergleich von Stadt- und Landesbibliothek
eindeutig zu Gunsten Oldenburgs ausfällt. Und tatsächlich scheint er ja so
empfunden zu haben, nennt er doch im Disput mit Rothe (Nr. 54 Anf.) einen durchaus
plausiblen Grund gegen die Rückkehr nach Leipzig. Eine verstandesmäßig klare
Entscheidung, der das Gefühl noch lange nicht folgen kann. Es bricht sich immer
wieder Bahn.
[…] Per Zufall fand ich jetzt eine Notiz, daß Fanny Cleve 90 jetzt in Amerika, soviel ich
verstand in New York, jedoch nur als Gesangslehrerin lebt. Ich mußte daran denken,
wie ich ihr in Ihrem Hause begegnete. Wie gern denke ich überhaupt daran zurück,
was ich in Ihrem Hause finden durfte. […]
49 Fischer an Karl Rothe
Oldenburg, den 5. Februar 1948
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Der Lesesaal in der im Stadtarchiv wieder eröffneten Leipziger Stadtbibliothek
[…] Von Herrn Hofmann hörte ich jetzt, daß der Lesesaal im neuen Heim der
Stadtbibliothek eröffnet sei 91 . Ich kann mir vorstellen, wieviele Arbeit Ihr Fräulein
Tochter dafür noch gehabt hat. Vielleicht wird es jetzt ein wenig besser, und sie
findet einmal die Zeit, mir ein wenig darüber zu berichten? Ich selber habe […] auch
meinen Lesesaal neu ausgestattet. […]
Der hier erwähnte Lesesaal der Landesbibliothek im 2. Stock des Zeughauses war
relativ klein und noch schlicht eingerichtet, nicht zu vergleichen mit dem im Okt. 1955
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Der provisorische Lesesaal im neuen Domizil der Landesbibliothek Oldenburg
im 1. Stock eröffneten großen Lesesaal mit seiner gediegenen Bestuhlung, dem
fachlich gegliederten Präsenzbestand an grundlegenden Nachschlagewerken entlang
den Seitenwänden, der über Wendeltreppen erreichbaren Galerie für das sofort
ausleihbare Freihandangebot und dem Nebenraum für die Zeitschriftenablage.
Und Dita berichtet, aber nicht – wie erwartet – über den neuen Lesesaal oder über
andere Fortschritte bei der Stadtbibliothek, sondern ganz erstaunlich, ja gefährlich
offen über die vergiftete Atmosphäre, in der sie arbeiten muss.
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50 Edith Rothe an Fischer
Leipzig, den 19. März 1948 Karl-Rothe-Str. 1
[…] Natürlich ist es falsch, sich jetzt über Ihre Entschließung, nach Oldenburg zu
gehen, Vorwürfe zu machen. In großen Zeiträumen gedacht, haben Sie natürlich das
bessere Teil erwählt, denn ich kann mir vorstellen, daß für uns alle noch einmal der
Tag kommt, wo wir mit dem letzten Reiseköfferchen in der Hand auswandern. Aber
im Moment werfen wir die Flinte noch nicht ins Korn, solange man sein Leben hier
noch vor seinem eigenen Gewissen verantworten kann. Äußerlich geht es uns
bestimmt besser als Ihnen […]
Worauf mag sich dieser letzte Satz beziehen? Ganz sicher nicht auf die allgemeine
politisch-gesellschaftliche Situation, sondern auf die äußeren Lebensumstände.
Fischer war ja lange vergeblich bemüht, seine Familie nach der Übersiedlung unter
einem Dach zu vereinigen. Er selbst hauste mit Frau und Sohn Christoph in einer
Dachstube in der Alexanderstraße, Thomas und Lutz wurden ins „Heideheim" nach
Ahlhorn gegeben. Die Rothes dagegen bewohnten ein repräsentatives Haus in der
nach ihm benannten Straße.
Was die geistige Freiheit anbelangt, so habe ich mich bisher zurückhalten können,
überall die Hände aus dem Spiel gehalten und ganz unbekümmert sachlich
weitergearbeitet, mich weder um Anerkennung noch Mißbilligung bekümmert, und
das ist bisher gegangen. Allerdings bin ich stündlich bereit, mein Amt zur Verfügung
zu stellen, wenn sich das mal ändern sollte...
Das ist die alte Edith wie vor 15 Jahren! So wie sie den Nationalsozialismus und die
geistige Unterdrückung abgelehnt hat (Nr. 14), so entschieden verurteilt sie, die
derzeitige Leiterin, aber nicht Direktorin der Stadtbibliothek, die herrschende Ideologie
und die Zustände in der SBZ, ohne Rücksicht auf die eigene Karriere und
Sicherheit. Und weiter:
- 98 -
Es wird Sie interessieren zu hören, daß auch hier die Direktorenstelle noch nicht
besetzt ist 92 und man es mit mir wie mit Ihnen macht. Ein neuer Betrieb soll aus dem
Nichts entstehen, aber dazu kann Gehalt und Stellung gedrückt werden. Nun, auch
das bekümmert mich nicht, da ich nicht für eine fünfköpfige Familie aufzukommen
habe. Ich habe mich außerdem in den 2½ Jahren, die ich nun hier den Karren aus
dem Dreck ziehen soll, so ermüdet, daß ich anfange, recht gleichgültig zu werden.
Vor allem wo es immer fragwürdiger wird, für wen man eigentlich die Riesenarbeit
macht, denn der Bedarf nach geistiger Arbeit ist nicht mehr vorhanden. Ich habe eine
wunderbare französische Abteilung aufgebaut 93 mit dem Knalleffekt, daß kein
Mensch, auch die Studenten nicht, französisch lesen können. Da wird man langsam
sehr nachdenklich gestimmt.
Die Verwunderung darüber erscheint etwas naiv; sie kennt doch die Verhältnisse
und weiß, womit sich Studenten dort beschäftigen müssen. Ausgerechnet
Französisch! Das kann ihr „gesellschaftlich" doch nur zum Nachteil gereichen. Ja hat
sie denn keine Russisch-Sammlung vorzuweisen? Hat sie sicherlich, weil die unvermeidlich
ist, doch hält sie das nicht für erwähnenswert.
[…] Z.Z. herrscht ganz außergewöhnliche Ruhe, da mein Vater verreist ist, und ich
daher im Haushalt stark entlastet bin. Man stelle sich meine Vorgänger, Wustmann 94
und Kroker 95 , vor, die nach Dienstschluß mit fliegenden Rockschößen nach 50 gr.
Leberwurst rannten und ihre Abende anstatt am Schreibtisch in der Küche verbrachten.
Ja, da kann man wirklich nicht mehr von geistigem Leben und Kultur sprechen.
Gewisse Gegebenheiten müssen eben da sein, sonst kann nichts werden. Übrigens
zählt der Enkel Wustmann 96 jetzt zu meinen Mitarbeitern, ich habe mit ihm einen
guten Griff getan. […]
Von Hofmann kommt mit Datum 26. 4. 1948 eine Postkarte, deren Absenderstempel
seine neue Tätigkeit nennt:
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51 Dr. Johannes Hofmann
Schätzer und wissenschaftlicher Begutachter
für Antiquariat und Bibliotheken
Leipzig S 3
Kurt-Eisner-Straße 71, II
Kann man davon leben? So wird Fischer sich gefragt haben. Sein alter Chef ist also
entlassen worden wegen seiner Nähe zum Nazi-Regime und als Parteigenosse,
Mitglied der NSDAP.
Aus Leipzig erhält Fischer auf seine Anforderung hin dieses Zeugnis, das seine
Beamtung in Oldenburg voranbringen soll:
52 Der Oberbürgermeister der Reichsmessestadt Leipzig
Der Rat der Stadt Leipzig
Personalamt
Z e u g n i s
Herr
Dr. Wolfgang Günther F i s c h e r
geboren am 27. November 1905 in Dresden,
war von 7. April 1927 bis 7. Mai 1945 bei der Leipziger Stadtbibliothek tätig.
Er begann seine Arbeit als Bibliothekssekretär, bis er am 27. November 1930 zum
Bibliotheksobersekretär ernannt und gleichzeitig in das Beamtenverhältnis
übernommen wurde. Nach Ablegung der Prüfung für den höheren Dienst wurde Dr.
Fischer am 1. April 1937 zum Stadtbibliothekar und später zum Bibliotheksrat
befördert.
Während seiner Tätigkeit hat sich Dr. Fischer durch Fachkenntnisreichtum und
Vielseitigkeit als Mitarbeiter erwiesen, dessen Leistungen weit über dem
Durchschnitt standen. Durch seine intensive Arbeit war er eng mit den Beständen
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und den besonderen Aufgaben der Stadtbibliothek vertraut. Seine Doktorarbeit war
den Forschungen auf dem Gebiet des Bucheinbandes gewidmet. Infolgedessen
wurde Dr. Fischer 1937 Mitglied des Ausschusses für die Katalogisierung kostbarer
Bucheinbände in den deutschen und österreichischen Bibliotheken, dessen
Zentralstelle die Stadtbibliothek war.
In den Jahren 1938/39 fiel auf ihn die Wahl als Mitglied des Arbeitsausschusses für
die historische Abteilung der von der Stadt Leipzig geplanten Gutenberg-Ausstellung.
Innerhalb der Stadtbibliothek betreute er die kostbarsten und schwierigsten
Abteilungen, die Handschriften- und Inkunabel-Sammlung. Bei der Aufstellung des
Haushaltsplanes und der Statistiken sowie bei anderen Verwaltungs-aufgaben war
er maßgeblich beteiligt, und auch die Ausbildung des bibliothekarischen Nachwuchses
lag teilweise in seinen Händen.
Herr Dr. Fischer hat sich durch intensive, gewissenhafte und zuverlässige Arbeit
ausgezeichnet. Zu seinen Mitarbeitern verband ihn ein gutes Verhältnis. Seine
Führung war einwandfrei.
Herr Dr. Fischer ist aus städtischen Diensten ausgeschieden, da er nach der Entlassung
aus der Kriegsgefangenschaft eine Berufung als Direktor an die Landesbibliothek
Oldenburg angenommen hat.
Leipzig, am 30. April 1947
Im Auftrage
(gez.) Pientka
Stadtdirektor
Pers.A. IIa
He.
Da er aber weitere Zeugnisse beibringen soll, wendet er sich im Bemühen, seine
hiesige Position auch beamtenrechtlich zu klären, mit entsprechender Bitte an Karl
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Rothe (Schr. v. 5. 2. 1948). Der nahm – bei aller Freundschaft – die Angelegenheit
sehr ernst, zog Erkundigungen ein und fragte dann bei Fischer zurück.
53 Karl Rothe an Fischer
Leipzig, den 1. Mai 48
[…] Ich habe bei Herrn Direktor Dr. Hofmann, dem ich ein ähnliches Zeugnis im
November 45 ausgestellt habe, die Erfahrung gemacht, daß seine Einstellung mir
gegenüber während der Nazizeit nicht übereinstimmt mit dem, wie er dienstlich in
verschiedenen Fällen gehandelt hat, so daß mein Zeugnis mit meinem heutigen
Urteil nicht mehr übereinstimmt. Um solche Widersprüche zu vermeiden, habe ich
mit verschiedenen Leuten gesprochen […] und es wird behauptet, daß Sie sich um
den Direktorposten bei der Stadtbibliothek nicht ernsthaft bemüht und Ihre hübsche
Familienwohnung hier aufgegeben hätten, weil Sie hätten fürchten müssen, bei
Wohnsitznahme in der Russischen Zone mit der SMA [Sowjet. Militär-Administration]
in Konflikt zu kommen.
[…] ich habe [mir] für mein Alter mit einem Stadtverordnetenmandat und einem
Stadtrechtsratposten etwas viel aufgeladen […]
Dita ist eben zum Maimarsch abmarschiert, die Freiwilligkeit der Teilnahme erinnert
sehr an Vorbilder in der Nazizeit. […]
Da ist auf einmal ein neuer Ton bei Rothe zu vernehmen. Schlägt jetzt seine
Enttäuschung über Hofmann in Zweifel auch an Fischers Argumentation um? Es gibt
in Leipzig offenbar Stimmen, die für Fischers Entscheidung, nicht an die Stadtbibliothek
zurückzukehren, ihre eigenen zeittypischen Erklärungen haben. Dass man
dabei sogar unterstellt, er werde bei der Besatzungsmacht Schwierigkeiten
bekommen, zeigt zunächst nur, dass man ihn gar nicht zurück haben will; es kann
aber darüber hinaus auf etwas hindeuten, was Rothe nicht weiter ausführen will.
- 102 -
Aber worauf? Das bleibt im Moment noch unausgesprochen, wird aber bald
deutlicher.
Fischer machen diese Vorhaltungen betroffen, was sich schon daran zeigt, dass er
erst nach vier Wochen antwortet. Da gibt er für seine Nicht-Rückkehr die schon
erwähnte sachlich-fachliche Begründung:
54 Fischer an Karl Rothe
Oldenburg, i.O., den 30. 5. 1948
[…] Ich bin von Leipzig weggegangen, besser nicht dahin zurückgekommen, weil ich
nicht an einer Stelle tätig sein wollte, wo jeder Augenblick mich daran erinnern
mußte, was einstmals war, weiterhin, weil ich den Wiederaufbau des Institutes
zwischen den großen anderen Bibliotheken nicht für richtig halte. Dies war eine
Überlegung, die z.B. Hofmann und ich in voller Verantwortung aufgestellt hatten –
entweder man führt die Tradition weiter, so lange es eben geht, oder die Stellung der
Bibliothek, die doch wesentlich mit auf der Tradition beruht, ist vertan – diese
Überlegung war ja gerade bestimmend für das Eingehen des Risikos, die Arbeit der
Bibliothek so lange weiterzuführen. Wir glaubten nicht einen Augenblick an einen
kurzen Krieg, und schon die langen Jahre eines Krieges mußten automatisch damit
die Stellung der Bibliothek abschneiden, da die Umstellung auf die Fundierung von
der Seite der Musikalien her eben doch noch nicht weit genug gediehen war ...
Fischer sieht das ganz richtig. Genau diese auf wohlhabendem Bürgertum
beruhende Tradition ist es doch, die, im Osten als fortschritthemmend betrachtet, der
Stadtbibliothek den zweiten Tod bringt; derartige Wurzeln sind jetzt unerwünscht.
- 103 -
Sodann sucht Fischer seinen Chef in Schutz zu nehmen, wobei ihm mit der Bezeichnung
„Sache" für Nazi-Bewegung eine merkwürdig verklausulierte Formulierung
unterläuft:
In diesem Zusammenhang tut es mir leid, von Ihnen zu hören, daß Sie Hofmann
offenbar den schlimmen Ausgang – entschuldigen Sie – vielleicht doch über Gebühr
anrechnen. Vielleicht hätte er im Laufe des Jahres 43 schneller handeln müssen, als
die Hamburger Ereignisse zeigten, was nun begänne. Aber ich wage, da ich damals
ja nicht mehr in Leipzig war, die Widerstände und Hemmnisse, mit denen er bei
einem Abtransport zu kämpfen hatte, nicht zu gering einzuschätzen – die anderen
Leipziger Bibliotheken waren zum gleichen Zeitpunkte nicht weiter mit der Bergung
als er, sie hatten nur das Glück, damals noch nicht getroffen zu werden. Daß
Hofmann […] auch mal sehr oberflächlich und kurzsichtig daherreden konnte, weiß
ich auch, daß er stets der Sache abgeneigt war z.B. niemals an einen guten
Ausgang des Krieges geglaubt hat, weiß ich gewiß ...
Undatiertes Foto von Hofmann, im Leipziger Stadtarchiv
- 104 -
So bleibt dann noch der Vorhalt, die Bewerbung sei zu lässig betrieben worden.
Dazu:
Daß ich mich nicht ernsthaft um den Direktor-Posten beworben hätte, wie Sie fragen,
hängt mit Hofmann zusammen: Meine Frau hat, noch ehe sie Nachricht von mir
hatte, eine Bewerbung für mich eingereicht – und die hat Hofmann in irgend einer
Form unterschlagen – das ist vielleicht zuviel gesagt, jedenfalls scheint sie nie bis an
die entscheidenden Stellen gelangt zu sein, und er hat sie später mit sehr
merkwürdigen Begründungen einmal meiner Frau zurückgegeben, daß er damals ja
gerade gar nicht entlassen gewesen wäre o.ä. und deshalb die Bewerbung doch
hätte nicht weitergeben können. Meine Frau hat zwar mal mit Becker 97 gesprochen,
aber offenbar ist die eigentliche Sachlage nicht zutage getreten ...
Was Fischer da vorbringt, ist im Grunde wenig geeignet, den Eindruck einer Nur-Pro-
Forma-Bewerbung zu beseitigen. Es scheint sich zudem einiges gegen Fischer
gewendet zu haben. Sogar der verehrte Chef hätte demnach die Bewerbung
fahrlässig oder absichtlich zurückgehalten. Kann Rothe das glauben? Dagegen kann
das folgende Argument den Eindruck auf Rothe nicht verfehlt haben:
Als ich dann selber auftauchte, war Ihr Fräulein Tochter längst beauftragt. Sie hat
mir damals sofort gesagt, daß sie selbstverständlich vor meinen älteren Rechten und
gerne zurücktreten würde, aber verstehen Sie nicht, daß mich das nur um so mehr
davon abgehalten hat, mit Ditha „in Konkurrenz“ zu treten. Ich habe nicht einen
Augenblick vergessen, was ich der freundlichen Zugetanheit Ihrer Tochter und Ihrer
großherzigen Förderung verdanke. Und da sich nun diese Oldenburger Aufgabe mir
durch den Zufall eigentlich richtig aufdrängte, habe ich damals leichteren Herzens
entschieden, als ich es heute tun würde. […]
- 105 -
Fischer weiß, was die veränderte Einschätzung der Vergangenheit Hofmanns durch
Rothe für ihn selbst bedeuten könnte, hatte der doch ihm gegenüber vom Hörensagen
darauf angespielt, daß Sie der SA angehört hätten oder wenigstens bei
Übungen der SA gesehen worden waren. Das erklärt er nun kurz mit einer
Schießausbildung, zweimal monatlich an Sonntagen, der er sich wegen seiner
Zugehörigkeit zur „Wehrmannschaft“ nicht entziehen konnte, verwendet aber viel
mehr Argumentationsaufwand darauf, seine zögerliche Bewerbungshaltung begreiflich
zu machen.
Hier deutet sich eine kurze Krise in der Beziehung an. Was hatte Rothe veranlasst,
Fischers Anliegen nicht ohne Rückfragen zu erledigen? Wen hat er in Leipzig
befragt, und was hat er da zu hören bekommen? Und worin sieht er sich von
Hofmann getäuscht? Die letzte Frage ist wohl am ehesten zu beantworten: Es kann
sich nur um die Mitgliedschaft Hofmanns in der NSDAP und sein Verhalten als
Parteigenosse gegenüber dem Nazi-Gegner und -Opfer Rothe gehandelt haben.
Aber das hat doch nichts mit Fischer zu tun. Oder fürchtet er eine weitere
Enttäuschung?
Rothes mögliche Sorge: Man hat Fischer in Leipzig bei der SA, einer Gliederung der
Nazi-Partei, gesehen. Könnte er etwa unter dem Einfluss des verehrten Chefs und in
der Erwartung eines Karrierevorteils vielleicht der NSDAP beigetreten sein? War es
dann diese Mitgliedschaft, die Fischer bestimmte, lieber nicht nach Leipzig
zurückzukehren? Solcher Rückschluss wäre nicht ganz abwegig, zumal Fischer sich
doch im Glückwunschschreiben (Nr. 15) die Partei-Diktion seines Chefs (neue Blüte
unseres Vaterlandes) zu Eigen gemacht hatte. Und was sonst noch so in Leipzig
getuschelt wurde: zu erwartende Schwierigkeiten für Fischer mit der russischen
Besatzungsmacht. Warum denn?
- 106 -
Es gab in Leipzig sicher Kräfte, denen die Rückkehr des Favoriten Rothes suspekt
war und die Gerüchte, auch über die Partei-Mitgliedschaft, in Umlauf brachten, um
das zu verhindern. Das stärkste Argument aber gegen alle solche Vermutungen im
Nachhinein stellt die lebenslange Freundschaft Fischers mit der erklärten Nazi-
Gegnerin Edith dar. Sie hätte ihm solche Täuschung nicht verziehen. Das wusste
doch auch Rothe von seiner Tochter, und so gab er sich denn mit Fischers Erklärungen
zufrieden, selbst wenn sie ihm nicht in allen Punkten eingeleuchtet hätten. Im
übrigen aber nimmt er die sachliche Auseinandersetzung an und widerspricht
Fischer in seiner Beurteilung Hofmanns ganz entschieden.
55 Karl Rothe an Fischer
Leipzig, den 6. Juni 48
[…] Über Schuld oder Nichtschuld von Hofmann an dem schrecklichen Verlust von
ca. 170.000 Bänden der herrlichen Bibliothek gehen unsere Ansichten auseinander
98 . Ich würde, wenn ich noch im Amt wäre, ein Disciplinarverfahren eröffnet und
durchgeführt haben, um die Schuldfrage zu klären. Es ist nicht richtig, daß vor dem
4. 12. 43 keine Leipziger Bibliothek ausgelagert habe. Von glaubhafter Seite wird mir
versichert, daß zwar die Deutsche Bücherei erst nachher ausgelagert habe, die
Universitätsbibliothek aber vorher und dadurch nicht entfernt die Verluste wie die
Stadtb. zu verzeichnen habe. Auch hat sie nicht in so entfernte Orte wie Bautzen
geborgen, wo die Stadtb. alles dort untergebrachte verloren hat. Bei der Stadtb. sind
Incunabeln, kostbare Erstausgaben und seltene Einbände, die zum fortlaufenden
Ausleihdienst nicht benötigt wurden, mit verbrannt. Alles das würde ich als grobe
Fahrlässigkeit ansehen, für die der Direktor haftbar ist …
Das ist, von Fischer so nicht erwartet, ein geradezu vernichtendes Urteil aus
berufenem Munde. Die Verluste, hier erstmalig beziffert, sind tatsächlich unglaublich
hoch. Besonders schwer wiegt der Vorwurf, dass nicht einmal Wertstücke, die
- 107 -
ohnehin nicht der üblichen Benutzung unterliegen, in Sicherheit gebracht wurden.
Unverzeihlich!
Und auch die Deutung, die Fischer vermutlich aus Hofmanns Bekenntnis, er sei
erschöpft (Nr. 43), abgeleitet hat, dazu die Tatsache, dass er ihn bei einem
Heimaturlaub tatsächlich mutlos antraf (Nr. 71 Ende), lässt Rothe nicht gelten,
obwohl eine solche Phase nach dem Zusammenbruch des Lebenswerkes und der
Zukunftsperspektive eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Sie endet früher oder
später, das weiß mittlerweile auch Fischer, hält er doch den geschäftigen Tätigkeitsbericht
Hofmanns (Nr. 45) in Händen.
Auch Ihre Meinung, daß Hofmann nach der Zerstörung den Gedanken eines
Wiederaufbaus von sich gewiesen und sich in das „Schicksal“ gefügt habe, kann ich
nicht teilen. Denn er hat alsbald wieder angefangen, jedes erreichbare Buch aus den
früheren Sammelgebieten zu kaufen, und hat sich bei verschiedenen Bibl. Direktoren
erkundigt, wie der Wiederaufbau am zweckmäßigsten durchzuführen wäre ...
Dann geht Rothe auf Fischers Andeutungen und Vermutungen über die
Bewerbungssituation in Leipzig ein und lässt keine Zweifel mehr:
Wegen der Wiederbesetzung der leitenden Stelle bin ich folgendermaßen
unterrichtet worden: Hofmann mußte als Parteimitglied und auch wegen seiner
passiven Stellungnahme zum Schutz der Bücher natürlich ausscheiden. Die Stelle
wurde ausgeschrieben, und Ihre Gattin bewarb sich für Sie darum. Heinrich Becker
hatte die Bewerber zu beurteilen. Dita wußte von der Ausschreibung nichts, weil
Leipziger Blätter in Moritzburg nicht zu erhalten waren. Sie erhielt aber eines Tages
von Becker, der sie und mich genau kannte, die Anfrage, warum sie sich auf die
Ausschreibung nicht bewerbe. Da inzwischen das Schloß Moritzburg und dessen
Bibli. zerstört waren, riet ich zu einer Bewerbung, aber auch zu einer Rücksprache
- 108 -
mit Becker, weil wir beide nicht wünschten, Ihnen, dem Abwesenden, die Stelle
wegzunehmen. Das Gesuch Ihrer Gattin war wohl an die richtige Stelle, nämlich
Becker, gekommen, aber Becker zog Dita vielleicht deshalb vor, weil sie sofort
antreten konnte, während Ihre Rückkehr ungewiß war und weil er Dita genau kannte
und für geeignet hielt. So ist es dann gekommen, daß sie gewählt wurde und man
von Ihrer Wahl Abstand nahm, obwohl man sich Ihrer Tätigkeit in der Bibl. genau
erinnerte ...
Schließlich wird der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt, in der die Deutsche
Bücherei die Funktion einer Nationalbibliothek erfüllte, die jetzt in der Deutschen
Bibliothek in Frankfurt eine Konkurrentin erhielt, ganz politisch:
Daß zur Bibliothekartagung 99 die Bibl. der Ostzone gar nicht eingeladen worden sind,
hat uns gewundert, erklärt sich wohl daraus, daß man in der Bizone leider die
Ostzone schon abgeschrieben hat. Es wäre fraglich gewesen, ob die Russen die
Interzonenpässe bewilligt hätten. Wir beobachten die Entwicklung von Frankfurt 100
auf den Gebieten des Büchereiwesens und des graphischen Gewerbes mit Sorgen.
Die Konkurrenz mit der Deutschen Bücherei und mit dem alten Börsenverein 101
gefällt uns gar nicht. Aber wir sitzen hinter dem eisernen Vorhang. […]
Gegen Rothes Erklärungen gibt es für Fischer (fast) keine Einwände mehr, er muss
sie akzeptieren. Nur auf den bibliothekspolitischen Vorhalt geht er noch ein:
56 Fischer an Karl Rothe
Oldenburg i.O., den 8. 8. 48
[…] Zu dem Passus Ihres lieben Briefes über „die Abschreibung“ der Ostzone, daß
z.B. die Bibliothekare nicht eingeladen wurden etc., klingt es fast so, als ob Sie an
eine Schuld glaubten. Nein, nein, da gilt cuius [regio] – [eius] religio, und zwar
ziemlich robust. Tatsächlich waren i. ü. die großen Bibliotheken doch eingeladen
- 109 -
worden, z.B. Berlin, aber es waren nur Schwarzreisende hier – Uhlendahl 102 hatte
ein umfangreiches Ms. geschickt, das verlesen wurde. – Und auch sachlich ist es
leider wirklich so, daß man beinahe nur noch zonenweise verhandeln kann. Auch
hier im Westen sind die beherrschenden Fragen in der französischen Zone z.B.
grundlegend anders. Und bis man geklärt hat, wie man die Schwierigkeiten umgehen
kann, sind schon wieder Veränderungen der Bestimmungen. Z.B. habe ich jetzt noch
keinen Bescheid, wie wir mit Buchhändlern hinüber und herüber verrechnen […].
Natürlich muss Fischer auch zur Gründung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt
Stellung nehmen. Er sieht darin eine Notreaktion auf die drohende Gefahr für die
Buchproduktion im Westen, von der Arbeit der bisherigen Nationalbibliothek
abgeschnitten zu werden. Was allerdings seine Vorhersage betrifft, so hat ihm die
Geschichte nach 1990 nicht recht gegeben; beide Bibliotheken, Leipzig und
Frankfurt, arbeiten heute mit- und nebeneinander.
Zur Frage der Eppelsheimer’schen Gründung 103 habe ich mich seinerzeit – da ich
Herrn Uhlendahl nicht traf – mit Herrn Diesch 104 unterhalten. Natürlich sollte das
Ganze unnötig sein, aber Herr Diesch mußte mir auch zugeben, daß im Falle des
endgültigen Vorhang-Falls ohne Frankfurt ein irreparabler Schaden entstünde,
während umgekehrt die Bedeutung Frankfurts automatisch wieder absinken wird,
wenn die Grenzen fallen. Und über diese Grundbedingung werden wir leider nicht
gefragt! ...
Und noch einmal sein Einsatz für Hofmann: Aber ein gutes Wort für Herrn Hofmann
lege ich doch noch mal ein. Sie wissen, daß ich nicht aus purer menschlicher
Sympathie unter ihm gedient habe… Ich weiß, daß er die Dinge sich hatte sauer
werden lassen und sehr um den richtigen Entschluß rang, was doch gar nicht immer
seine Sache war …
- 110 -
[…] Manchmal denke ich doch auch mit ein bißchen Wehmut an Leipzig zurück, und
höre gerne von dort!
Und dabei bleibt es auch, denn die Bindungen bestehen weiterhin zu Hofmann und
Edith Rothe; ihr Vater aber zählt nicht mehr dazu.
57 Edith Rothe an Fischer
Leipzig, Karl-Rothe Str. 1 ohne Datum von Ende 1948,
.
Heute nur die kurze dienstliche Anfrage, ob Sie trotz Personalabbaues Bedarf an
einer jungen Kraft des mittleren Dienstes haben. Selbige ist von mir ein
geschlagenes Jahr gedrillt worden, ging dann nach Stuttgart und hat jetzt beim
gewaltigen Leyh 105 ein gutes Examen gemacht. Ich gebe nichts auf Zensuren, aber
in diesem Falle hat es mich doch gefreut, daß die beiden in Leipzig Ausgebildeten
mit gut durchs Examen gingen, während die Stuttgarter und Tübinger nur mit
genügend bestanden. Menschlich ist Frl. Metz 106 die netteste meiner bisherigen
Praktikantinnen. […]
Über unser aller Ergehen ist nichts auszusagen, die Schwierigkeiten wachsen von
Tag zu Tag. Man fragt sich vergeblich, ob es richtig war, seine Arbeitskraft vor 3
Jahren zur Verfügung zu stellen. Daß wir keine rosige Entwicklung vor uns hatten,
wußte jeder, daß alles katastrophal werden würde, glaubte man damals nicht. Wohl
dem, der allem diesen rechtzeitig aus dem Weg gegangen ist. […]
Was Dita Rothe, wie immer ganz offen, als Bestätigung und Ermunterung für ihn da
schreibt, kann Fischer nicht überzeugen, zu groß sind noch immer seine Zweifel und
seine Schwierigkeiten, er ist in Oldenburg noch nicht vollständig „zu Hause“.
58 Fischer an Edith Rothe
Oldenburg i.O., den 12. 11. 48
- 111 -
[…] Zuerst also kann ich Ihnen für Erika Metz nicht helfen und nicht einmal den
geringsten Tip geben, wo sie es noch versuchen könnte. Es scheint allgemein seit
der Währungsreform bei den staatlichen Verwaltungen vollkommene Einstellungssperre
[zu herrschen].
Mir kommen also die hiesigen Verhältnisse schlecht genug vor, auch ich habe mich
schon oft gefragt, ob es richtig war. Daß Ihr Stoßseufzer nun noch trüber klingt,
überrascht mich nicht, aber es tut mir herzlich leid. Doch man kann sich ja nicht
einmal irgendeinen faden Trost auf eine bessere Zukunft einreden wollen.
[…] Daß ich Sie in Leipzig wieder einmal besuchen könnte, scheint mir nun doch
weiter ab zu liegen als bisher. Ich habe zwar noch keinen Urlaub genommen seit der
Übersiedlung der Meinen hierher, ich hatte gedacht, bei der Auflösung des
schwiegerelterlichen Haushalts helfen zu sollen, das hat aber meine Schwägerin
alles allein fertiggebracht. Dabei sehne ich mich recht nach manchen alten
Freunden. Nun, ich darf nichts sagen, ich hab’s selber gewählt. […]
Mit Hofmanns freiberuflicher Tätigkeit steht es nicht zum besten, doch treten
diesbezügliche Sorgen zunächst hinter die überwältigenden Eindrücke zurück, die er
aus der Feier seines 60. Geburtstages gewinnt.
59 Hofmann an Fischer
Leipzig, am 9. 12. 1948
[…] Geschäftlich muß ich natürlich viele vergebliche Wege machen.
Die Geldknappheit wirkt sich naturgemäß auf das Geschäft hemmend aus.
Man muß aber immer noch zufrieden sein. Kürzlich entdeckte ich in einer
Privatbibliothek einen unbekannten Prachteinband von Jakob Krause 107 , der aus
dem Höhepunkt des Schaffens in Krauses Kunst (um 1575) stammt. Er liegt jetzt in
der Landesbibliothek (Dresden). […]
- 112 -
Am 13. Oktober habe ich bei meinen Kindern in [Chemnitz-] Rabenstein meinen 60.
Geburtstag – eine etwas schmerzliche Grenze im Leben! – in ganz unvergeßlicher
Weise begangen. Die Kinder hatten tatsächlich alle großen Künste herangezogen,
um diesen Tag mir leicht und festlich zu gestalten. U.a. erschienen auch 9
verschiedene „dankbare“ ehemalige Benutzer der Stabi (in Versen von meinem
Sohn eingeführt und ausgezeichnet von meiner Schwiegertochter und Freundin in
Maske und Kostüm dargestellt) […] als Gratulanten. Prof. A. Soergel 108 , der
bekannte Literarhistoriker, der neben den Kindern in einer Villa wohnt, hielt eine
Rede auf den Bibliophilen Hofmann […] Meine Frau hielt unter dem Motto „Trotz
alledem“ eine schöne Tischrede. Alles war getragen von Harmonie und Schönheit.
Ich habe erlebt, daß der Herbst des Lebens doch auch noch bunt und sonnig sein
kann! […]
Hofmann niedergeschlagen? Keine Spur mehr davon. Er leidet nicht an der „neuen
Zeit“, genießt den Augenblick und ist offenbar selbstgewiss der Meinung, dass mit
ihm der rechte Mann gefeiert wird. Ganz anders dagegen Edith. Bedrückt von den
Zeitumständen und den Arbeitsbedingungen, versichert sie dem heimwehgeplagten
Freund immer wieder, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.
60 Edith Rothe an Fischer
Leipzig, den 30. Januar 1949 Karl-Rothe-Str. 1
Der seltsame Zufall, daß in dem eben erschienen Zentralblättchen 109 Ihr
Rechenschaftsbericht direkt an meinem anschließt, hat mich ordentlich in die Höhe
gewippt, daß ich mir die Schreibmaschine holte, um Ihnen endlich zu danken. […]
Aber sonst müßten Sie doch aus allem, was Sie vernehmen, davon überzeugt sein,
daß Sie seinerzeit richtig gehandelt haben. Sie haben das Schwerste hinter sich,
während wir es vor uns haben. Und wir sind doch schon so mürbe und kaputt. Für
- 113 -
uns bedeutet ja die Zonentrennung noch viel mehr als für Sie. Wir fühlen uns von
aller Welt verlassen. Alles Notwendige ist in unerreichbarer Ferne. Und keine
Hoffnung, daß es je noch anders wird, es sei denn, durch Ereignisse, denen wir
selbst zum Opfer fallen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie niedergeschlagen
wir alle sind. 1945 sind wir alle im ehrlichen Glauben gekommen, daß nun noch
einmal etwas anfängt, und nun fängt gar nichts mehr an. Die ewige Wiederholung
der Dinge; die Schlange beißt sich stets von Neuem in den Schwanz. Wir drehen
uns im Kreis, nur daß sich Menschen und Ereignisse in ihren Gewalttaten gesteigert
haben.
Mein Vater hat sich aus dem öffentlichen Leben ganz zurückgezogen, da jegliches
sachliche Arbeiten aufgehört hat. Ich vermute, daß ich die längste Zeit hier gewesen
bin, es war eine kapitale Dummheit, diese Stelle anzunehmen. Ich schaue nach
einem stillen, untergeordneten Pöstchen in der U.B. aus ...
Dann der entscheidende Satz, der Fischer sagen soll, dass es das Ziel seines
Denkens und Trachtens, die Stadt-Bibliothek Leipzig, eigentlich schon nicht mehr
gibt, dass sie zumindest ihren Namen nicht mehr zu Recht trägt, dass vielleicht
sogar ihr Ende naht.
Wir werden ab 1. April vom Staat bezahlt und den Bücherhallen unterstellt.
Kommentar erübrigt sich. Ich bin jetzt damit beschäftigt, eine hübsche Ausstellung:
Leipzig zu Goethes Studienzeit 110 aufzubauen, dann nehme ich mir nichts mehr vor
und warte ab. Ich bin sehr abgehetzt durch Beruf und Haushalt. […] Wir machen uns
übrigens keine falschen Vorstellungen von den „paradiesischen“ Zuständen in der
Westzone. Aber eine gewisse geistige Freiheit werden Sie nicht leugnen wollen. […]
Und dann meldet sich überraschend eine Kollegin aus der gemeinsamen
bibliothekarischen Ausbildung in Leipzig, von Fischer jetzt „die Schmiddn“ genannt,
und erklärt ihm frisch und ohne jede Spur von Reue ihren Sprung in den Westen.
- 114 -
61 Helene Schmidt geb. Krug 111 an Fischer
Stuttgart-Sonnenberg, 28. 12. 49, Degerlocher Str. 7
[…] Wie Du weißt, tummelte ich mich ja in der Abt. Buch- und Bibliothekswesen des
Dezernats Volksbildung. Ich avancierte dort am 1.4.49 sogar zur kommissar. Abt.-
Leiterin (ohne Genossin geworden zu sein, was immerhin merkwürdig war) und
erschlich mir unter fadenscheinigsten Vorwänden (noch heute verstehe ich nicht, wie
das möglich war!) einen Interzonenpaß, mit dem ich im Juli 3 Wochen durch die
Westzone gondelte […]. In Stuttgart traf ich einen alten Freund von mir wieder, den
ich 4 Jahre nicht gesehen hatte und den ich 1942 in Berlin kennenlernte, wo er an
das RLM [Reichsluftfahrtministerium] dienstverpflichtet war. […] Ich sah keinen
vernünftigen Grund, seinen Vorschlag abzulehnen, mit ihm hier seine entzückende
[…] Wohnung zu teilen […].
Zurückgekehrt, verschob ich eilends meinen irdischen Besitz, vor allem meine in 4
Jahren aus dem Leipziger Buchhandel herausgepreßte Bibliothek, eine ererbte
Barockkommode und 4 Kisten und 2 Koffer über Berlin hierher und folgte selber am
2. 10., dem guten kommunistischen Weltfeiertag (vielmehr Friedenstag), an dem ich
schwarz über die grüne Grenze huschte, da mir die Ostpolizei keinen Interzonenpaß,
überhaupt keine Ausreisegenehmigung für hier zum Zwecke der Eheschließung
erteilte. […]
So leichthin sieht Fischer die Dinge nicht. Immerhin zieht er seine Lehren aus einem
Besuch „drüben“, freilich ohne auf Dauer überzeugt zu sein.
62 Fischer an Frau Charlotte Hetzer, Überlingen
Oldenburg i.O., den 13. 7. 1950
- 115 -
[…] Vor Pfingsten war ich in der Ostzone, zu einer Volkshochschultagung in
Halle/Saale, wobei ein Wiedersehen […] mit meinen Verwandten in Leipzig möglich
war, freilich alles recht kurz, so daß ich in Leipzig außerdem nur Ditha Rothe und
meinen alten Chef, Dr. Hofmann, sehen konnte. […]
Es war sehr interessant, sich selber zu überzeugen, wie wenig man auf die
Zeitungsinformationen bauen darf – und daß im Grunde alles noch verlogener ist. Ich
war zu dem Kongreß im Gästehaus der Landesregierung untergebracht, mittags
Fleisch und abends Fleisch usw., aber dann spricht man jemanden, der – obwohl es
doch keine Arbeitslosen gibt – seit dreiviertel Jahr stempeln geht, dabei aber eben
„Arbeitssuchender“ heißt und ohne Unterstützung bleibt, dann sieht man die Läden,
die einen an die Zeit um die Währungsreform erinnern, und erfährt, was andererseits
nach Rußland geliefert wird. Und wie alle diese Menschen schon damals völlig unter
der Angst vor dem Kriege leben mußten, so steuert die Propaganda drüben! […]
Inzwischen ist Edith Rothe weiter unter Druck geraten. Jetzt verlangt man von Ihr
unter dem Eindruck des Korea-Krieges, eine von der DDR verordnete Friedensinitiative
offensiv in Schreiben an westliche Partner zu unterstützen. Wie sie das tut,
ohne sich selbst untreu zu werden, ist ein Lehrstück über Ediths Charakterstärke.
Zunächst gibt sie ihrer Schwester, die als Besuch aus England in Leipzig weilt, einen
Brief an Fischer mit.
63 Edith Rothe an Fischer
Leipzig, den 4. September 1950
[…] Wenn in nächster Zeit ein offizielles Friedensschreiben an Sie und Ihre
Bibliothek eintrifft, so halten Sie mich bitte nicht für total verrückt. Unsere
Willensfreiheit hat aufgehört, es wird uns alles vorgeschrieben. Ich habe schon lange
in meiner Bibliothek nicht das Geringste mehr zu sagen, bin degradiert auch
- 116 -
gehaltlich, da bei uns die Analphabeten die geistigen Belange bestimmen. Ich denke,
daß sich mein Laden in 2 Monaten auflöst, da sich bis dahin meine letzten guten
Mitarbeiter nach dem Westen „abgesetzt“ haben ...
Schlechte Aussichten für die Noch-Stadtbibliothek! Im übrigen kann man sich nur
wundern, wie freimütig und furchtlos Edith ihre Meinung zur persönlichen und zur
allgemeinen Lage kundtut.
Ich wundere mich manchmal über mich selbst, daß sowohl mein Vater als auch ich
uns im Sommer 1945 so gründlich irren konnten, denn wir sind beide in voller
Überzeugung an die Arbeit herangegangen, daß nun etwas anderes kommen
müsse. Daß das Vergangene noch in Steigerung wiederkehren könne, das ist
niemand eingefallen. Jedenfalls werden Sie seit langem die Überzeugung haben,
daß Sie es richtig gemacht haben, wenn auch der Anfang so sehr schwer war ...
Kann sie sich wirklich so sicher sein, dass Fischer nicht mehr innerlich hin- und
hergerissen wird zwischen Stadt- und Landesbibliothek, dass er seiner Entscheidung
gewiss ist und in der jetzigen Aufgabe Befriedigung findet? Falls er tatsächlich so
empfindet, kann es jedenfalls nicht schon „seit langem“ so sein.
Natürlich ist nicht aller Tage Abend, und wir wissen, was Sie befürchten. Aber
langsam wird man fatalistisch, daß man die Gegebenheiten hinnimmt. Nur vor einem
müssen wir uns hüten, daß West- und Ostzone sich fremd werden. Schuld daran
sind wie immer beide Teile und die Umstände. Natürlich wirkt sich die Lebensweise
auch auf den Charakter aus. Es wird ja auch alles getan, daß wir verdummen. Immer
kann man nicht aus sich schöpfen, und wenn man jahrzehntelang von jeglicher
geistigen Anregung abgesperrt ist, so macht sich das erschreckend bemerkbar.
Ihnen dagegen ist alles zugänglich, so daß Sie sich unsere Lebensumstände nicht
mehr vorstellen können. […]
- 117 -
Daraufhin kommt das angekündigte offizielle Schreiben:
64 Leipziger Stadtbibliothek an Landesbibliothek Oldenburg
Leipzig, den 14. 9. 1950
Als Vorsitzende des Friedens-Komitees des Amtes Kunst und Literatur der Stadtverwaltung
Leipzig habe ich die Aufgabe [!], westdeutsche Bibliotheken zu bitten,
sich an unserer gemeinsamen Friedensarbeit zu beteiligen.
Es folgen Allgemeinplätze über die völkerverbindende Funktion des Buches und die
Verpflichtung gerade des Bibliothekars, sich für den Frieden einzusetzen. Der
Schluss lautet: Es würde mich freuen, von Ihnen zu hören, daß Sie unseren Appell
begrüßen und an verantwortliche Menschen unseres Berufsstandes weitergeben
wollen.
Fischer bestätigte ebenso offiziell am 28. 9. 1950 dieses Schreiben, bekennt sein
Interesse am Frieden und hofft, daß diese Friedensarbeit, von hier wie von dort, uns
schließlich wieder zusammenzuführen hilft. Und so fasst er seine Eindrücke
zusammen:
65 Fischer an Frau Charlotte Hetzer, Überlingen
Oldenburg i. O., den 27. 12. 1950
[…] Von den letzten Freunden aus Leipzig klingen die Nachrichten immer müder; seit
meinem Besuch um Pfingsten dieses Jahres muß sich alles weiter verschärft haben,
man weiß nicht mehr, wo es hinaus soll. Aber weiß man das bei uns im „goldenen
Westen“? […]
- 118 -
So ist er eben: Jetzt endlich einigermaßen davon überzeugt, dass er mit der Entscheidung
für Leipzig auf den Holzweg geraten wäre, sieht er auch die westliche
Welt in düsteren Farben. Wo hinaus es im Osten geht, das erfährt Fischer schon im
folgenden Jahr von der hart geschlagenen Edith.
66 Edith Rothe an Fischer
Überlingen am Bodensee, Barbelgängle 27 bei Frau Häusle, den 2. Sept.
1951
[…] Aber nicht um Ihnen dieses „weltbewegende“ [Familien-] Treffen zu schildern,
habe ich die Feder ergriffen, sondern um Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß
unsere gute alte Stabi aufgehört hat zu existieren. Nachdem Sie so lange Jahre dort
gearbeitet haben, glaube ich, Ihnen das schuldig zu sein, und es ist mir lieber, Sie
bekommen von mir eine sachliche, als von anderer Seite eine entstellte
Darstellung 112 ...
Man spürt, wie ihr in mehrjähriger Arbeit das ans Herz gewachsen ist, was von der
einstigen Stadtbibliothek übrigblieb, besonders aber das, was sie selber an
Neuzugängen beschafft hat. Und doch: Die „gute alte Stadtbibliothek“ gibt es
eigentlich schon seit Jahren nicht mehr, sie ist in Flammen aufgegangen. Was blieb
und dazukam, so berichtet sie, ist durch systemtypisch betriebene personelle
Auszehrung entwertet worden.
Die Zustände in der russischen Zone haben sich in den letzten 2 Jahren so
verschlechtert, daß es kein Wunder ist, daß das gesamte geistige und künstlerische
Leben aufhört. Infolge dessen braucht man auch keine wissenschaftlichen
Bibliotheken mehr, in die sowieso keine Neuerscheinungen mehr kamen. Denn
Westbücher zu ergattern, hörte auch langsam auf. Wir schafften noch viel durch
Leihverkehr, und wer von uns bekam, lieh uns auch etwas. Um es kurz zu machen:
- 119 -
Seit einem Jahr ist das Kesseltreiben gegen mich, man versuchte erst, den Betrieb
zum Stillstand zu bringen, indem man die Planstellen nicht wieder besetzte. Meine
besten Mitarbeiter wie Marx und Grellmann 113 türmten in die Westzone. Ich verstehe
das durchaus, aber es brachte mich in große Schwierigkeiten ...
Und so rigoros, wie man mit der Institution verfährt, tut man es auch mit der Leiterin:
Zum Schluß habe ich Ausleihe und Lesesaaldienst mitgemacht, und das Gebäude
stürzte erst zusammen, als ich fristlos entlassen wurde mit Weinhold zusammen. Sie
werden fragen warum? Ja, das verstehe ich bis heute nicht. Weil ich den großen
Brockhaus von 1926 anschaffte, im Anhang gibt’s 1½ Spalte Hitler, weil ich die
Leipziger Kalender 114 von 1933-45 nicht vernichtete, sondern im Keller verschloß.
Daß das alles keine Gründe sind, ist klar. Man wollte eben aus unserer guten, alten
Stabi eine kommunistische Bücherhalle machen, wo es nur noch die Werke von
Marx, Engels, Lenin und Stalin gibt. Was habe ich mir die Beine abgelaufen, um in
den 5 Jahren 70.000 Bände neu zu beschaffen, und nun höre ich nur, daß man
makuliert. Und ob es der U.B., die ich scharf gemacht habe, gelingen wird, die Hss.,
Inkunabeln, Einbände für sich zu retten und vor dem Untergang zu bewahren, ist
noch nicht sicher. Was der Krieg nicht vernichtet hat, muß jetzt draufgehen. Sind die
Menschen nicht wahnsinnig geworden? Mir persönlich haben die „Helden“ auch
noch eins ausgewischt, indem sie mich „fristlos“ entlassen haben 115 , so daß alle
Türen, wo es Arbeit gäbe, für mich verschlossen sind ...
Wie soll es nun weitergehen? Für Edith sieht es ganz düster aus: Was werden soll,
ich weiß es nicht, wo ich meines Vaters wegen noch nicht aus der Ostzone fort
komme. Und hier ist alles überfüllt. Mein Nachfolger 116 ist ein 150% Kommunist, der
bisher Etiketten beschriftete und mit der Orthographie auf Kriegsfuß steht. Mein
Markthelfer 117 hat es auch zum Bibliotheksdirektor an anderer Stelle gebracht. Sie
sehen, es wird buchstäblich alles auf den Kopf gestellt, und es dauert nicht mehr
lang, daß die letzten Fachleute abgewürgt sind. Wie klug sind Sie gewesen, daß Sie
- 120 -
die ganze Entwicklung 1945 bereits vorausgesehen und sich danach eingerichtet
haben. […]
Wie zutreffend der Titel des Festbeitrags „Tapferes Darüberstehen“ war, Edith Rothe
am 70. Geburtstag zu Ehren, wird hier überzeugend deutlich: Knapp ein Vierteljahr
nach der dienstlichen und persönlichen Katastrophe, die ihr Leben zutiefst
veränderte, steht Edith bereits tapfer über dem Geschehen. Trotz ihrer
Perspektivlosigkeit klagt sie eigentlich nicht; fast scheint sie erleichtert, daß nun
auch für sie persönlich das eingetroffen ist, was sie immer schon hat kommen
sehen. Von nun an gibt es die Stadtbibliothek nicht mehr, der Korrespondenz fehlt
seitdem die gemeinsame Mitte. Noch aber leben die Menschen, die ihr so eng
verbunden sind. Ihnen bleibt jetzt nur, sich über ihr persönliches Ergehen zu äußern,
und das läßt nun wirklich noch sehr zu wünschen übrig.
67 Fischer an Frau Charlotte Hetzer, Überlingen
Oldenburg i.O., den 14. 7. 1952
[…] Von Leipzig her nichts Erfreuliches….höchstens, daß es dem alten Herrn Rothe
wieder besser ginge! […] Nein, da hat Fischer sich getäuscht. Ein halbes Jahr später
ist Karl Rothe tot. Edith, die tapfere, bricht nun körperlich zusammen, hat aber im
Bericht darüber einen klaren Kopf bewahrt.
68 Edith Rothe an Fischer
Leipzig, Diakonissenhaus Gundorferstr. 49-53, den 1. Mai 1953
[…] Ich glaube, Sie haben ihn [meinen Vater] richtig gesehen, er hatte ein selten
erfülltes Leben bis auf die letzten 12 Jahre, die ihn in seiner Bewegungsfreiheit
hinderten. Seine letzte Krankheit hat ihm dann mehr zugesetzt, als er wahr haben
wollte, und für mich war nicht die äußerlich schwere Pflege anstrengend, sondern
- 121 -
der unglückliche Mensch, dem nicht mehr zu helfen war. Ich konnte ihm wenigstens
den einen Wunsch erfüllen, daß er nicht im Krankenhaus, sondern in seinem geliebten
Haus gestorben ist. Die vollständige Auflösung seines Körpers durch eine
Leberzersetzung ist ihm erspart geblieben. Eines Tages ist er ganz still, ohne etwas
zu merken, eingeschlafen. […]
Und dann wurde ich krank und habe jetzt noch keine Aussicht, aus dem
Krankenhaus wieder entlassen zu werden (Leberentzündung und Gallensteine). Ich
habe wohl die letzten 8 Jahre so viel Widerwärtigkeiten geschluckt, daß mein Körper
nun nicht mehr mitmachte. Das ist insofern sehr dumm, als ich vor wichtigen
Entscheidungen meines künftigen Lebens stehe und alles, was ich im Frühjahr
mühsam einfädelte, inzwischen wieder zum Teufel gegangen ist 118 . Nun vertrödele
ich meine Zeit im Krankenhaus, anstatt die notwendigsten Dinge zu regeln. Wenn ich
bloß das Grundstück nicht noch am Bein hätte! Jeglicher Besitz ist heute wirklich
Ballast geworden! […]
Fischer, dem Edith Rothe immer wieder die Richtigkeit seines Entschlusses, in
Oldenburg zu bleiben, bestätigte, hat zu dieser Zeit, als sie physisch zusammengebrochen
war, die schlimmsten Strapazen seiner Oldenburger Aufbauzeit schon
hinter sich, hat der 1943 zerstörten Landesbibliothek ein neues Haus und Innenausstattung
erkämpft und leistet anerkannt erfolgreiche Arbeit, hätte also durchaus
etwas von der Selbstzufriedenheit Hofmanns empfinden können – und doch: Sein
Herz hängt an Leipzig und der verlorenen Stadtbibliothek. Sie bot ihm ja wissenschaftliche
Arbeitsmöglichkeiten, die seine Landesbibliothek nicht gleichermaßen
hergab.
69 Fischer an Hofmann
Oldenburg, den 10. Okt. 53
- 122 -
[…] Meine Frau und ich sprechen oft genug von den vergangenen Leipziger Zeiten.
Manches werden wir hier nie wieder so schön bekommen, wie es einmal gewesen ist
– weder ist die hiesige Bibliothek so schön, wie es die alte Stabi war, noch können
wir so etwas wie unser Haus in Marienbrunn wiederfinden.[…]
Fischer mit Ehefrau Hilde und den vier Söhnen, Oldenburg ~ 1951
Noch immer misst Fischer sein Leben in Oldenburg, das dienstliche und das private,
an den Leipziger Bedingungen von ehedem. Und ganz gewiss kann er sich nicht
vorstellen, dass seine Landesbibliothek sich 34 Jahre später stolz im neuen Domizil
präsentieren und er sogar schon in zehn Jahren hier ein schönes, geräumiges
- 123 -
Eigenheim beziehen wird. Hofmanns Selbstbildnis dagegen erhält durch die Ehrung
aus Anlass seines 65. Geburtstages und die neue Tätigkeit wieder einmal hellere
Farben.
70 Hofmann an Fischer
Leipzig, am 19. 10. 1953
[…] Wir haben den 65. wohl harmonisch und festlich verbracht. Mein Hauptgeschenk
war ideell und materiell, denn ich erhielt von der historischen Kommission bei der
Akademie der Wissenschaften einen Forschungsauftrag (Historische Bibliographie
der Stadt Leipzig), der mich 2-3 Jahre bis zum druckfertigen Manuscript beschäftigen
wird 119 . In der hiesigen Universitätsbibliothek erhielt ich einen schönen Arbeitsraum
zur Verfügung gestellt. Auch eine Diplom-Bibliothekarin, die lange in der Deutschen
Bücherei arbeitete und Specialistin für bibliographische Arbeiten ist und gut
Schreibmaschine schreibt, wurde mir von der Kommission gestellt. Wir sind sehr froh
und dankbar, daß ich wieder die Freude und den Segen befriedigender Arbeit erleben
darf. Natürlich wurde mir auch die übliche Altersrente verordnet. Eine Pension
gibt es ja nicht. […]
Übrigens schrieb mir auch Frl. Weinhold. Ich hatte den Eindruck, daß sie sich
eingelebt hat in München. […]
Seine letzte Nachricht – eine Weihnachtspostkarte vom 3. Advent 1953 – enthält den
Satz Meine Arbeit schreitet gut fort und befriedigt mich. Und dann endet plötzlich
auch dieses Leben. Fischer schreibt der Witwe Hofmanns einen langen Brief, der
viel mehr ist als nur ein Kondolenzschreiben, nämlich eine verklärte Rückschau auf
die in der Stadtbibliothek unter Hofmann verbrachten Jahre und ein Abschied von
Leipzig. Daher sind die rückwärts gerichteten Passagen dieses Briefes an den
Anfang dieser Sammlung vorgezogen worden (Nr. 1). Doch es gibt neben
Erinnerungen noch andere Gedanken, die Hanna Hofmann trösten und in Grenzen
auch erfreuen sollen.
- 124 -
71 Fischer an Frau Hanna Hofmann, geb. Hempel, Witwe seines alten Chefs
Oldenburg, den 4. Mai 1954
Als ich die Anzeige vom Tode Ihres lieben Herrn Gemahls in die Hand bekam, war
die Trauerfeier schon vorüber. Die Nachricht hat mich tief betroffen. Ich habe so
lange Jahre unter Ihrem Herrn Gemahl arbeiten dürfen, bin unter ihm zu seinem
ersten Mitarbeiter aufgestiegen. Ich weiß genau, wieviel ich ihm verdanke. Die
Katastrophe des Krieges hat dann die Geschichte unserer geliebten alten
Stadtbibliothek grausam beendet und die scheinbar so fest gefügten Verhältnisse
unseres Lebens völlig verändert […]
Schließlich habe ich danach gesucht, wie ich nun auf meine Weise das Andenken
des verehrten Mannes ehren könne und darf und welche Zeichen der Trauer für
mich angemessen sind. Heute bekomme ich nun einige Schreiben, die mir zeigen,
welche Gestalt meine Absichten annehmen können. Davon möchte ich Ihnen
berichten, Sie fragen, ob sie Ihnen so recht sein würden ...
Fischer konzentriert sich jetzt ganz auf Hofmanns Verdienste um die Einbandforschung,
die auch Rothe trotz seiner schwerwiegenden Kritik (Nr. 55) nicht
bestreiten konnte und wollte, und führt dazu aus:
[…] Er [Dr. Schmidt-Künsemüller 120 ] wird auf dem Bibliothekartag, der traditionell
nach Pfingsten dieses Jahres (in Bremen) stattfindet, wahrscheinlich einen Bericht
der Kommission [für Einbandkatalogisierung] geben müssen. Er wird bei dieser
Gelegenheit Ihres Herrn Gemahls als des Begründers der Kommissionsarbeit für die
Einbandkatalogisierung gedenken und bittet mich, ihn dabei zu unterstützen, indem
ich ihm Unterlagen über die gedruckte Literatur hinaus zur Verfügung stelle.
Außerdem hoffen wir, einen Nachruf in der neuen bibliothekarischen Zeitschrift […]
zu drucken 121 , den ich verfassen soll. Herr Kyriss 122 in Stuttgart wird in der
Mainummer des Archivs für Buchbindereien 123 einen Nachruf auf Johannes Hofmann
- 125 -
bringen. Schwieriger ist es für mich zu übersehen, wie bei Ihnen in Ostdeutschland
ein Nachruf unterzubringen sei. Ich werde an Herrn Kunze 124 nach Berlin schreiben
und ihm anbieten, auch für das Zentralblatt 125 etwas zu schreiben […].
Hofmann bleibt für Fischer eine Leitfigur im dienstlichem Leben, zu der er sich immer
wieder bekennt, ebenso wie ihm die Stadtbibliothek ständig vor Augen steht.
Ich war froh, daß meine Glückwünsche zum 65. Geburtstag Herrn Hofmann offenbar
gefreut hatten und daß er mir damals so gute und hoffnungsfroh klingende
Nachrichten schrieb. Die Arbeit für die Bibliographie zur Geschichte Leipzigs machte
ihm ganz offensichtlichen Spaß […] und ich habe sehr oft bei diesen Dingen [bei
meiner Arbeit hier in Oldenburg] daran zurückgedacht, wie er in solchen Fällen die
verschiedenen Gesichtspunkte koordinierte und abstimmte. Ich habe es oft hier
ausgesprochen, daß ich ohne diese Lehre der Jahre in der Leipziger Stadtbibliothek
meine Sache hier in Oldenburg nicht hätte gewinnen können.
Freilich ist hier manches anders. Die Bibliothek ist längst nicht so schön und wertvoll
in ihren Handschriften und Kunstbeständen, wie es die alte Stadtbibliothek gewesen
ist. Und ich habe Sehnsucht nach dem alten Haus. Es hat mich in diesem Winter
deshalb auch einmal furchtbar aufgeregt, als ich einen Artikel sah, der elfenbeinerne
Skt. Michael 126 befinde sich jetzt im Kunstgewerbemuseum in Leipzig. Wie hatte ich
mich schon seinerzeit geärgert, daß die schönen Bronzen 127 dorthin abgewandert
waren. Nun ja, es gibt die alte Stadtbibliothek nicht mehr.
Es stimmt schon, was Fischer anfangs empfunden und Rothe bestritten hat (Nr. 55),
dass Hofmann, vom Verlust seiner Stadtbibliothek schwer getroffen, zunächst mutund
energielos war. Er hat ihn ja so erlebt:
[…] Ich denke auch noch an jenen Besuch in Ihrer ersten Notunterkunft in Schleußig,
wo ich dem verehrten Chef so tröstend zureden mußte. Als Soldat auf Urlaub und
- 126 -
insofern schon an Katastrophen gewöhnt, um ihm Mut zuzusprechen, über das
Unglück unserer geliebten Bibliothek hinwegzukommen, neue Entschlüsse zu
fassen. Und er hat ja dann in bewundernswerter Energie in den schweren veränderten
Verhältnissen wieder Ihnen und sich eine Existenz geschaffen. […]
Und noch am selben Tage löst er sein Frau Hofmann gegebenes Versprechen durch
einen Brief an Kunze ein. Der Wunsch allerdings wird ihm nicht erfüllt, eine Antwort
findet sich nicht.
72 Fischer an Prof. Dr. Horst Kunze, Hauptdirektor der Öffentlichen
Wissenschaftlichen Bibliothek, der späteren Deutschen Staatsbibliothek in
Berlin
Oldenburg, den 4. Mai 1954
[…] So tragisch seine [Hofmanns] Wirksamkeit für unsere schöne alte Stadtbibliothek
ausgegangen ist, und insofern seine Verdienste um das Institut reine Historie
geworden sind, so hat er durch die Begründung der Kommission für die
Katalogisierung bemerkenswerter Bucheinbände ein noch heute praktisch weiterwirkendes
Verdienst. Und da ich so lange Jahre mit ihm zusammen gearbeitet habe,
viel bei ihm gelernt und ihn dabei wirklich schätzen gelernt habe, liegt es mir sehr am
Herzen, ihm den Ehrendienst eines würdigen Nachrufes erwiesen zu sehen.
[…] Mich hat der Tod von Herrn Hofmann natürlich tief berührt, und schmerzlich ist
mir bewußt geworden, wie sehr man von den alten Wurzeln schon gelöst ist. Freilich
ist es müßig, darüber lange Betrachtungen anstellen zu wollen. Jeder von uns muß
seinen Teil hinnehmen. Und ich habe durch meine neue Wirksamkeit so viele neue
und lohnende Aufgaben vor mir, daß es mir nicht ansteht zu klagen. […]
- 127 -
Fast scheint es, als habe der Tod Hofmanns Fischers Bindung an Leipzig gelockert
und seinen Blick mehr denn je auf die Oldenburger Zukunft gelenkt. Wer bleibt ihm
nun noch in Leipzig?
73 Hanna Hofmann an Fischer
Leipzig, 22. 5. 54
[…] Er [mein Mann] hatte sich in den letzten Jahren hier ja so ganz bescheiden
zurückgezogen und hatte wohl selbst beinahe ganz vergessen, was er in seinen
Schaffensjahren geleistet hatte. Und nun, wo er nicht mehr hier auf Erden ist, habe
ich das von so vielen hören können, und Sie, lieber Herr Doktor, haben mir mit Ihren
Worten so ganz besonders wohlgetan. Alte schöne Erinnerungen wurden wach, die
Zeit, als mein Mann sehr glücklich in seinem Beruf war! Die letzten Jahre waren ja
oft nicht leicht für uns, vor allem für meinen Mann. Wie hat er sich gemüht, eine
Anstellung zu bekommen, da die antiquarische Sache nicht mehr ging. Und all die
Sorgen und Enttäuschungen haben mit der Zeit wohl auch sein Herz ruiniert. […]
Und nun hatte er ja auch wieder eine ganz nette Aufgabe, die ihn allerdings nicht
restlos interessierte, aber die er gern machte, schon da sie uns wieder sorglos leben
ließ ...
Und so kam das Ende für Hofmann: Nach Weihnachten, als die große Kälte
einsetzte, bekam er Asthma und fuhr jeden Morgen mit einem Auto in die Ubi., da
das Laufen ihn sehr anstrengte. Mein Mann war dann bei einem Internisten in
Behandlung, der starke Arterienverkalkung feststellte, aber es nicht so ernst nahm.
Sowie so ein Anfall mit Atembeschwerden vorbei war, war er auch sofort wieder
ganz vergnügt und keineswegs deprimiert. Bis dann 8 Tage vor seinem Tode nachts
ein ganz schwerer Herzanfall kam, wo wir 3 Ärzte hatten, um ihm zu helfen, die mir
aber alle keine Hoffnung machten. Mein guter Mann lebte dann noch 8 Tage, sie
- 128 -
waren sehr schwer, er selbst hat wohl nicht gemerkt, wie schwer es um ihn stand,
und schlief am 4. April ganz ruhig ein. […]
Was jetzt noch folgt, bedeutet für Fischer Freude und Schmerz zugleich. Gerade
dieses Lob aus dem Munde seines Lehrers und Vorbildes macht ihm doch auch
deutlich, dass er in Oldenburg zu diesem seinem früheren Spezialgebiet keinen
Zugang mehr gefunden hat.
Aber ich muß Ihnen doch noch erzählen, daß mein Mann sich ungefähr vor einem
Jahr an einen längeren Aufsatz über Bucheinbände gewagt hatte. Er verzweifelte
manchmal dabei und sagte: So gut wie Fischer bringe [nein: weiß] ich es „eben nicht
auszudrücken“ und gab mir dann Ihre Aufsätze zu lesen 128 . Wenn ich mal mehr
Muße habe, suche ich mir den Aufsatz oder Vortrag hervor und sehe, ob es sich
lohnt, ihn Ihnen mal zu schicken. […]
Fischer und Edith Rothe schreiben sich weiterhin, aber unregelmäßig. Sie berichtet
vom Leben in der Zone (gebraucht auch nicht einmal den offiziellen Staatsnamen)
und von ihren wissenschaftlichen Arbeiten. Im Zusammenhang mit ihrem Buch über
die kostbarsten Handschriften in unserem Land im Hinblick auf Buchmalerei
berichtet sie am 3. Febr. 1965: Unsere gute Stabi kommt [dabei] kräftig zu Wort. Die
Handschriftenbestände werden jetzt in der U-B. gut betreut.
So soll denn den natürlichen Abschluss des Themas Stadtbibliothek die Bescheinigung
bilden, die Fischer im Bestreben ausstellt, Hofmanns Witwe Hanna zur
Erhöhung ihrer Rente bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Prof.
Theodor Frings 129 ) zu verhelfen. Sie lautet:
74 Oldenburg den 23. 3. 1960 Landesbibliothek, Ofener Str. 15
- 129 -
B e s c h e i n i g u n g
Betr.: Bibliotheksdirektor Dr. Johannes H o f m a n n,
geboren am 13. 10. 1888 zu Dresden, gestorben 4. April 1954 in Leipzig
Dr. H o f m a n n, der Geschichte und Germanistik studiert hatte, wurde Volontär an
der Universitätsbibliothek Leipzig am 1. 1. 1914, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an
der Leipziger Stadt-Bibliothek am 15. 10. 1915, nachdem er durch schwere
Verwundung in der Marneschlacht nicht mehr wehrdienstfähig war. Zum
Stadtbibliothekar wurde er am 1. 10. 1916 in der gleichen Bibliothek ernannt und
zum Bibliotheksdirektor am 1. 1. 1925.
Dieses Amt hat er bis nach dem Ende des 2. Weltkrieges innegehabt.
Dr. H. hat zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Führung des systematischen
Katalogs, die Überwachung des alphabetischen Katalogs, die Leitung der Ausleihe
etc. übernommen und ist infolgedessen völlig mit den kostbaren hochinteressanten
Beständen der Bibliothek verwachsen.
Neben seinem Dienst wandte er sich stadtgeschichtlichen Studien sowie auch
buchgeschichtlichen Studien, spez. zur Geschichte der Einbandkunst, zu.
Entsprechende Titelverzeichnisse finden sich in den jeweiligen Jahrgängen von
Kürschners Gelehrten-Kalender.
Nachdem er die Leitung der Bibliothek übernommen hatte, reformierte er die
Grundsätze der alphabetischen Katalogisierung und wandte sich mit großer Energie
der Erschließung der kostbaren Bestände, vornehmlich auch der Ausstellungstätigkeit
der Bibliothek, zu. Er übernahm gleichzeitig die Leitung des
Stadtarchivs in Leipzig, dessen innere Umgestaltung er durch Einrichtung eines
eigenen wissenschaftlichen Beamtenapparates einleitete.
- 130 -
Über den Rahmen seiner eigenen Bibliothek hinaus regte er die planmäßige
wissenschaftliche Katalogisierung der kostbaren älteren Bucheinbände an und
wurde auf dem deutschen Bibliothekartag in Wien, 1925, zum Vorsitzendender
entsprechenden Kommission des Vereins Deutscher Bibliothekare gewählt, deren
Gründung er angeregt hatte. Den Vorsitz dieser Kommission hat er bis nach dem
Ende des 2. Weltkrieges innegehabt. Durch die Arbeit der Kommission ist erreicht
worden, daß ein wissenschaftlicher Einbandkatalog zu den unabdingbaren
Erschließungskatalogen wissenschaftlicher Bibliotheken gerechnet wird. Auch eine
entsprechende internationale Empfehlung konnte H. auf dem internationalen
Bibliotheks-Kongreß in Rom, 1929, erreichen ...
Eine späte Parallele: Fischers Stellvertreter regte, noch von Oldenburg aus,
aufgrund seiner eigenen Erfahrungen mit der Zeitungssammlung der
Landesbibliothek die Gründung einer „Kommission für Zeitungsfragen" beim Verein
Deutscher Bibliothekare an, deren Leitung er von 1963 bis 1969 innehatte.
Dr. Hofmann gelang es durch seine tätige Energie, seine Bibliothek zu einem rasch
funktionierenden und stets gepflegten und tadellos wirkenden Institut zu gestalten
und es stets auf der Höhe dieses Zustandes zu halten. Darinnen und in der
Ausstellungsarbeit der Bibliothek wurde er in der Öffentlichkeit seiner Stadt wie in
der bibliothekarischen Fachwelt bekannt und anerkannt. Für die Erweiterung der
Bestände, besonders auch durch den Ankauf wichtiger Privatsammlungen: zur
Geschichte Leipzigs, zur Musikgeschichte (Musikautographen etc. u.a.) sowie durch
eine aufgeschlossene und aktuelle laufende Anschaffungspolitik, hat er sich
besonders eingesetzt und dadurch viel für seine Bibliothek erreicht.
Da ich selber nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr an die Stadtbibliothek zurückgekehrt
war (ich war dort seit dem 7. 4. 1927 tätig, zuletzt als Stadtbibliothekar bzw.
Bibliotheksrat der Reichsmessestadt Leipzig), kann ich über den Zeitpunkt des
- 131 -
Der Ende 1955 neu eröffnete Lesesaal der Landesbibliothek Oldenburg
- 132 -
offiziellen Ausscheidens aus dem Dienst, zu der darauf folgenden Tätigkeit des Dr.
H. im Buchhandel und Antiquariat, schließlich zur Übernahme des Akademie-
Auftrages der Erstellung einer wissenschaftlichen Bibliographie zur Geschichte
Leipzigs, keine genaueren Daten eruieren. Für letztere wissenschaftliche Aufgaben
brachte Dr. H. die allerbesten Voraussetzungen mit, er hat bis zu seinem Tode daran
gewirkt, die Aufgaben aber nicht mehr selber vollenden können.
Durch die Zerstörung der altehrwürdigen und schönen Stadtbibliothek durch das
Übergreifen des Brandes nach dem großen Bombenangriff [im] Dez. 1943 wurde das
eigentliche Lebenswerk Dr. H.‘s zerstört. Auch die Wirksamkeit der Kommission für
Einbandkatalogisierung wurde durch die Not der Nachkriegszeit für Jahre lahmgelegt,
und dann übernahm Bibliotheksdirektor Dr. Schmidt-Künsemüller deren
Vorsitz.
Ich selber darf mich -– als praktischer Bibliothekar – mit Stolz als Schüler Dr.
Hofmanns bezeichnen.
Der Bibliotheksdirektor
gez. Fischer
Dies die letzte Verbeugung Fischers vor Hofmann und seinem Lebenswerk. Als er
die Bescheinigung ausstellte, war er mit seiner Landesbibliothek aus dem Gröbsten
heraus, hatte seit 5 1 / 2 Jahren einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und mittlerweile
Arbeitsbedingungen erreicht, die die primitiven Anfänge vor 15 Jahren vergessen
machten. Unvergesslich aber blieben ihm, wenn schließlich auch in der Gewissheit,
nach dem Kriege die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, die frühen,
hoffnungsvollen Jahre in der schönen alten Stadtbibliothek.
Die Korrespondenz des Fischer-Kreises hielt an, bis der Tod sie von Fall zu Fall
abschnitt, am frühesten bei Karl Rothe (20. 1. 1953), dann Hofmann (4. 4. 1954), mit
- 133 -
dessen Witwe Fischer gelegentlich Briefe wechselte bis 1965. An Frau Hetzer
schrieb er i.d.R. jährlich zweimal, im Sommer im Gedenken an Theodor Hetzers
Geburtstag (16. 7) und im Winter zu Weihnachten, zugleich seinem Todestag (27.
12.), bis er von Dr. Gertrude Berthold, der wohl letzten Studentin Prof. Hetzers, die
jetzt als Bearbeiterin seines Nachlasses ebenfalls in Überlingen wohnte, vom Tode
Charlotte Hetzers am 30. 1. 1967 erfuhr.
Nun blieben nur noch Edith Rothe und Fischer. Sie berichtete ihm weiter von ihrer
wissenschaftlichen Arbeit, der mehrbändigen „Bibliographie zur Geschichte der Stadt
Leipzig“ für die Sächsische Akademie der Wissenschaften und dem bibliophilen
Band „Buchmalerei aus zwölf Jahrhunderten“ im Union-Verlag, ihrer Übersiedlung
nach Wilhelmsfeld bei Heidelberg (Okt. 1966), ihren Buchbesprechungen für das
Börsenblatt, um dann anlässlich des öffentlichen Gedenkens zu ihrem 70.
Geburtstag Fischer am 16.1.1968 überrascht zu bekennen:
Ich bin jetzt hinterher recht erstaunt, daß ich so viel publiziert habe. Wenn ich nicht
so oft rausgeflogen wäre, hätte ich es nicht machen können. Neben dem Dienst
abends können nur kleine Aufsätze entstehen.
Auch diese Bemerkung ist als Ermunterung für Fischer zu verstehen, aus dem
Dienst auszuscheiden und sich „seinem“ Buch zuzuwenden, mit dem er schon seit
langem umging. Der Tod hat ihn am 9. 7. 1973 nach so wenigen Jahren des
Ruhestandes hinweggerafft, den er doch so vielseitig nutzen wollte.
Und so hat Dita Rothe, die wahre Freundin und Vertraute Fischers, sie alle überlebt
und – wie auch eine ihrer ehemaligen Mitarbeiterinnen in der Stadtbibliothek – einen
Beitrag zur Fischer-Gedenkschrift geleistet, die die Landesbibliothek Oldenburg und
seine Witwe herausgaben 130 .
Nicht alle Jahre aus der Geschichte der Stadtbibliothek sind hier brieflich
dokumentiert, was insoweit begreiflich ist, als es zur Zeit, da man in Leipzig
- 134 -
beisammen war, keine Notwendigkeit zur referierenden Korrespondenz gab. Da
genügten Karten und Billets zu besonderen Anlässen. Die Hauptereignisse im Leben
und Sterben der Stadtbibliothek aber sind deshalb recht gut belegt, weil zu dieser
Zeit Fischer bei der Wehrmacht bzw. in Oldenburg Dienst tat und von seinen
Briefpartnern entsprechend informiert wurde.
All diesen im Wesen so verschiedenartigen Menschen – Fischer, der beredt und
einfühlsam lange Briefe schrieb und diktierte, sich viel zu viele Aufgaben auflastete
und dann unter diesem Druck litt und diese seine Stimmung auch brieflich
ausdrückte, der seine Trennung von Leipzig nur schwer verwand, erst nach vielen
harten Jahren in Oldenburg Wurzeln schlug und seiner Familie schließlich ein
schönes Eigenheim errichtete. Hofmann, der selbstsicher, ja auch selbstgefällig
auftrat, sich stark gab und nur nach dem Verlust seiner Wirkungsstätte kurzzeitig
Schwäche zeigte; Karl Rothe, der auch heikle Fragen nüchtern anging und seine
Meinung unverblümt zum Ausdruck brachte; Edith, seine Tochter, die weder dem
Nationalsozialismus noch dem Kommunismus Zugeständnisse machte und aus dem
Scheitern an diesen Gewalten für sich das beste machte, die ohne eigenen Ehrgeiz
Fischer immer wie einen jüngeren Bruder zur Karriere drängte – all denen war die
Verbundenheit, ja die Liebe zur Stadtbibliothek Leipzig ihr Leben lang gemeinsam.
Die Freude darüber, dort arbeiten zu dürfen, bzw. das Pflichtgefühl, trotz veränderter
Umstände (eigentlich) in ihr oder für sie wirken zu sollen, war ebenso bewegend und
dauerhaft wie der Schmerz, sie endgültig verloren zu haben.
75 Fischer verleiht diesem Geist im Brief an Edith Rothe vom 8. 12. 1967 so
Ausdruck:
Es ist wahr, die Leben von Bibliotheken früherer Jahrhunderte scheinen ruhiger,
konzentrierter, stetiger; wie sind wir alle in der Welt herumgeworfen und wie haben
wir mit Schrecken erkennen müssen, daß die Existenz der Bibliotheken, in denen wir
gearbeitet haben und die uns doch während der Zeit der Tätigkeit wie für die
- 135 -
Ewigkeit erschienen, daß diese Bibliotheken so bedroht, so verletzlich, so hinfällig
sind wie alles Irdische auch.
Je zeitloser, desto verletzlicher, wie das Beispiel der Leipziger Stadtbibliothek zeigt.
Fischer bei der Verabschiedung von seinen Mitarbeitern
in der Landesbibliothek Oldenburg 1968
- 136 -
V. Verloren: Schlossbibliothek Moritzburg
Bibliotheken sind - heute ganz selbstverständlich - Einsatz- und Bewährungsfelder
für Frauen, nicht nur des Gehobenen Dienstes. Für die 20er Jahre dagegen gilt
diese Feststellung noch durchaus nicht – und schon gar nicht trifft sie für den
Höheren Dienst zu. Eine Frau, die sich hier in der damaligen Männergesellschaft
durchsetzen wollte, musste „besser“ sein als ihre Konkurrenten oder einen starken
Schutzherrn haben.
Edith Rothe 131 hat, obwohl sie Ehrgeiz und ausgezeichnete Fähigkeiten besaß, keine
Karriere gemacht, und der Schutz, unter dem sie sich wähnen mochte, hat sich eher
in das Gegenteil verkehrt, denn ihr Vater, Dr. Karl Rothe 132 , Oberbürgermeister von
Leipzig, wollte und konnte sich nicht für seine Tochter mit Nachdruck einsetzen. Bei
schwieriger Wirtschaftslage und steigender Arbeitslosigkeit wurde so von ihr stets
Verständnis dafür erwartet, dass sie hinter einem männlichen Bewerber mit Familie
zurückstehen musste. Und als sie endlich 1945 als Leiterin der Stadtbibliothek
Leipzig doch noch eine vermeintliche Karriere, spät genug, antrat, da war es zur
falschen Zeit am falschen Ort.
Zurück in die 20er: Was tut also eine junge Frau, die die bibliothekarische
Ausbildung im September 1927 abgeschlossen und mit der Promotion auch die
Voraussetzungen für den Höheren Dienst erworben hat? Sie geht als
wissenschaftliche Hilfskraft weit weg aus dem doch nicht tauglichen Einflussbereich
des Vaters. Edith Rothe will sich an der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt
am Main allein durchbeißen. Doch es gefällt ihr dort überhaupt nicht. Sie kritisiert die
dienstlichen Zustände brieflich recht drastisch und schildert dann, wie sie als Frau
dort aufgenommen wurde.
- 137 -
77 Frankfurt a/Main, den 12. Jan. 1928
Pension Barth, Niederau 52
[…] Mit welchem Mißtrauen ich behandelt werde, können Sie sich denken. Von
auswärts und eine Frau. Wie ich den Canzleimenschen fragte, ob ich meinen Umzug
vergütet bekäme, sagte er, daß jemand von auswärts gekommen ist, das ist noch
nicht vorgekommen, solange die Bibliothek existiere. Gelernte Kräfte gibt’s
überhaupt nicht, und öffentlich in meiner Gegenwart wird verhandelt, daß man sich
jahrelang aufgeopfert habe und nun von Fremden, die nichts verstünden, aber so ein
dummes Examen hätten, vertrieben würde. […]
Das war keine Umgebung, in der es Edith hätte aushalten können. Vielleicht hat die
Position ihres Vaters dann ja auch dazu beigetragen, dass sie in Sachsen eine
Chance erhielt als Bibliothekarin in der Bibliothek der Sekundogenitur des Hauses
Wettin. Wie auch immer – sie verlässt Frankfurt und beginnt ihren neuen Dienst im
September 1928 in Dresden, wo die Bibliothek mit dem ungewöhnlichen Namen
noch ihren Sitz hatte. Dieser Name blieb auch nach dem Umzug ins Schloss
Moritzburg noch auf Jahre hin erhalten; die Bezeichnung Schlossbibliothek hat es
offiziell nicht gegeben.
Alle hier wiedergegebenen Briefe Ediths sind bis auf die beiden von 1984 (s. Anm.
135 u. 144) an Fischer gerichtet. Er und seine Frau haben sie aufbewahrt, bis sie in
den Besitz der Landesbibliothek Oldenburg übergingen. Von Fischer selbst sind aus
seiner Leipziger Zeit keine Briefe erhalten. Die hier vorgelegten Briefauszüge, bei
denen nur die dienstlich-sachlichen Nachrichten ausgewählt, sonstige persönliche
und familiäre Aussagen aber übergangen wurden, zeugen auch bei dieser
thematischen Verengung vom großen Vertrauensverhältnis zwischen den beiden
Partnern, das allerdings nie zum ganz persönlichen Du geführt hat.
- 138 -
Ediths brieflich abgegebene Urteile, so subjektiv und krass übertrieben wie sie sind,
bedürfen einiger einschränkender Erläuterungen. Sie klagt das Haus Wettin und
ganz besonders ihren Chef im dienstlichen und menschlichen Bereich geradezu
inquisitorisch an, ohne den Ursachen für die von ihr kritisierten Umstände
nachzugehen. So lässt sie unerwähnt, dass die 1929 beginnende Weltwirtschaftskrise,
die beispielsweise in Ediths Heimatstadt Leipzig zu
einschneidenden Sparmaßnahmen Goerdelers 133 , des Oberbürgermeisters und
Nachfolgers von Ediths Vater, führten, alle öffentlichen Haushalte gefährdeten. Es ist
also nur zu begreiflich, dass auch an Ediths Arbeitsplatz, der Bibliothek der
Sekundogenitur, Bemühungen angestellt wurden, die laufenden Kosten für Personal
und Erwerbung durch Verkäufe aus dem Bibliotheksbesitz zu subventionieren. Wo
Edith ausschließlich Böswilligkeit voraussetzt, sind doch wohl wirtschaftliche Zwänge
der Anlass für Notverkäufe 134 , die die engagierte Bibliothekarin schmerzen. Nicht nur
in dieser Frage bewahrte Edith Rothe ihr hartes Urteil bis ins hohe Alter. Noch 1984
schrieb sie an Mühlner 135 :
78 […] In diesen ungünstigen Räumen [von Moritzburg] sollte nun eine Bibliothek
von 100.000 Bänden untergebracht werden. Das ging natürlich nicht, und man verfiel
auf den unglücklichen Gedanken zu verkaufen. Die Firma Hiersemann war gleich zur
Stelle und sah zu, wie sie ihr Schäfchen ins trockene brachte. Was damals
verschleudert worden ist, dürfte unverantwortlich sein … Sehr beeindruckt haben
mich seinerzeit die Katalogkästen aus Holz mit handgeschriebenen Zetteln. Es war
alles meisterhaft festgelegt. Die Zettel für den reduzierten Bestand zusammenzustellen,
war eine größere Arbeit. Aber es herrschte Ordnung. Es konnten auch
rätselhaft verschwundene Kostbarkeiten einwandfrei festgestellt werden. Aber wenn
der Chef sich daran vergreift, kommt der Angestellte in eine mißliche Lage. Das
führte 1930 zu meiner Entlassung. […]
- 139 -
Innenräume der Schloss-
Bibliothek Moritzburg,
veröffentlicht 1928 in
Illustrierte Zeitung
Nr. 4363, 25.10.1928
- 140 -
Mühlner wiederum vertritt die Meinung, es seien „in erster Linie die reichlich
vorhandenen Dubletten“ verkauft worden, was angesichts der von Edith
angedeuteten Raumknappheit ja auch eher verständlich ist.
Die Bibliothek war also im Umbruch, räumlich und strukturell. Kurz nach Ediths
Dienstantritt fand der Umzug von Dresden nach dem Jagdschloss Moritzburg statt,
der ebenfalls Kosten verursachte. Dort stand die Vereinigung mit der Privatbibliothek
des ehemaligen Königshauses bevor 136 , ein Prozess, der Ende 1930 zur Schließung
führte und zum Vermerk im Jahrbuch 137 : „…außer dem Direktor kein Personal mehr“.
Und auch die Stelle des Direktors blieb nach seinem frühen Tod (15. 8. 1935)
jahrelang unbesetzt, bis Edith Rothe vom neuen Träger, dem Verein „ Haus Wettin“,
zum 1. 3. 1939 als Bibliothekarin – nicht Direktorin! – nach Moritzburg zurückgerufen
wurde.
Die Gefahren, die Edith Ende der zwanziger Jahre für die Bibliothek heraufziehen
sah, gab es unter ihrer Leitung – natürlich – nicht mehr. Bestanden sie denn
überhaupt? Interessant ist doch, dass sich Ediths briefliche Äußerungen Fischer
gegenüber von ihrem gedruckten Wort meilenweit unterscheiden. Zu ihm spricht sie
von ihrem Chef als von einem dunklen Ehrenmann und hängt ihm alle möglichen
schlechten Eigenschaften an; sogar Veruntreuung von Bibliotheksgut traut sie ihm
zu. In ihrem gleichzeitigen Aufsatz über diese Bibliothek 138 kann sie derartiges zwar
nicht schreiben, braucht dann aber auch nicht gerade die Verdienste des Direktors
herauszustreichen, wenn es ihr ernst ist mit ihren Schlussfolgerungen.
Dieses so gründlich verdorbene Verhältnis Ediths zu ihrem Vorgesetzten ist
eigentlich unbegreiflich, denn Prinz Ernst Heinrich schätzte „Museumsdirektor“ Dr.
Hensler 139 als erfahrenen Sachkenner und Mentor für das gesamte Gebiet der Kunst,
dem er viel verdanke 140 . Er schrieb ihm sogar die Gabe des zweiten Gesichts zu, das
- 141 -
den Untergang Dresdens und den frühen eigenen Tod ankündigte. Lag Ediths
Aversion vielleicht darin begründet, dass er, der weder Kunstgeschichte als
Hauptfach studiert noch eine bibliothekarische Ausbildung genossen hatte, ihr
gegenüber auf seinen Rang pochte? Einige Andeutungen in ihren Briefen legen
diesen Schluss nahe. Das wiederum ändert nichts an der Erkenntnis, dass Edith
offenbar eine sehr eigenwillige Mitarbeiterin war.
Fischer gegenüber gibt sie sich jedenfalls so, sie übertreibt die Kritik, fast möchte
man sagen: sie „macht sich wichtig“. Es ist dies eine Beobachtung, die sich auch aus
ihrem Gastspiel in Paris (Anfang 1931) ergibt: Fischer schreibt sie, sie habe in Paris
eigentlich nur gelernt, wie man eine Bibliothek nicht organisieren soll. Ganz anders
klingt es dann in ihrem Bericht für die bibliothekarische Zeitschrift 141 ; da enthält sie
sich ausdrücklich jeder Kritik und verzichtet darauf, den eigenen Maßstab bei
anderen Völkern anzulegen, ja begeistert sich geradezu für die dortige
Zimeliensammlung.
Es besteht eine tiefe Tragik darin, dass die Bibliothek, die Edith beisammen halten
und vor Schaden bewahren wollte, unter ihren Augen ein schlimmes Ende nahm. Ihr
Vater Karl Rothe beschreibt in seinen Lebenserinnerungen 142 , wie es 1945 beim
Einzug der Russen in Moritzburg zuging, und zieht das bittere Fazit, dass damals die
Bibliothek, die Edith so liebte, vernichtet wurde. Diese Meinung verfestigt sich auch
bei Edith Rothe, die noch im hohen Alter nach Dresden schrieb 143 :
79 Vernichtet wurde alles, als 1945 die Russen das Schloß zum Hauptquartier
machten. Da dienten dann die Bücher des 18. Jahrhunderts nur noch als
Klosettpapier.
Und sie gibt auch im folgenden Brief 144
Ausdruck;
dieser ihrer großen Betroffenheit weiter
- 142 -
80 Es gab [in Moritzburg] nur einen von Petzholdt 145 selbst geschriebenen
Sachkatalog, keinen alphabetischen und keinen Standortkatalog. Ich habe dann auf
kleinen Karten mit der Schreibmaschine angefangen, Titel aufzunehmen. Von
diesem Katalog wird nichts übriggeblieben sein, dazu war der Moritzburger Teich zu
nahe. Nun, um die Zettel geht es nicht, aber daß die Bücher vernichtet wurden, das
war schlimm. Die Verwüstung, die damals stattgefunden hat, ist mein letzter
Eindruck von Moritzburg. Ich hüte mich, jemals wieder dorthin zu kommen.
Diese Aussagen der Rothes, schreibt Mühlner, der Empfänger beider Briefe, treffen
nicht zu. Er habe selber über die Geschichte der Sekundogenitur-Bibliothek
gearbeitet 146 , wenn auch intensiv nur bis etwa 1890, und wisse es besser. Er urteilt
differenziert und schildert brieflich 147 die Situation so:
Nach der Erinnerung von Prinz Ernst Heinrich wurden außer dem Privatarchiv der
Wettiner auch wertvolle Handschriften und Inkunabeln aus Moritzburg in den Keller
der königlichen Villa in Dresden ausgelagert. Dort sind sie beim Angriff auf Dresden
am 13. Febr.45 verbrannt 148 . Ebenfalls nachweislich ist das Schloß Moritzburg,
nachdem die Wettiner es verlassen hatten, von der Bevölkerung geplündert und von
den sowjetischen Truppen verwüstet worden. Als Stimmungsbild sind die Schilderungen
Edith Rothes und ihres Vaters sicher richtig, tatsächlich ist aber der
größere und wahrscheinlich auch wertvollere Teil der Bibliothek dadurch nicht
zerstört worden. Die noch im Frühjahr eintreffende Trophäenkommission der Roten
Armee hat den Bestand gesichtet und, was ihr wertvoll erschien, abtransportieren
lassen. Leiterin der Aktion war die inzwischen verstorbene Germanistin und
Bibliothekarin Rudomino. Der verbliebene Rest der Sammlung wurde 1947 der
Sächsischen Landesbibliothek überwiesen. Bei den ca. 10.000 Bänden handelt es
sich vorwiegend um ephemere Schriften, Erbauungsliteratur und Belletristik und um
einige Handschriften, letztere durchweg von minderem Rang.
- 143 -
Man darf daher davon ausgehen, daß große Teile der Moritzburger Bibliothek,
darunter die berühmte Dante-Sammlung, noch existieren und ihre Rückführung in
Verbindung mit dem in diesem Jahr geschlossenen Vertrag mit der Sowjetunion als
möglich erscheint.
Es bestand damals also noch Hoffnung!
*
So weit der Vorspann. Und nun die Mitteilungen Ediths in chronologischer Abfolge,
wobei zu beachten ist, dass in neun Fällen Partien dieser Schreiben, bei denen es
um die Stadtbibliothek Leipzig geht, im Teil IV enthalten sind (Nachweis s. Anh. VIII,
2).
81 Dresden, den 29. Nov. 1928 Briefkarte
[…] Jeden Morgen, wenn ich nach der Terrasse 149 trotte, mache ich mir klar, welche
Bevorzugung das ist, in einer so schönen Stadt leben zu dürfen. Die Götter haben es
diesmal gut mit mir gemeint. Ich bin noch nie in meinem Leben so glücklich gewesen
wie hier. Natürlich fehlt’s nicht an Ärger und skandalösen Zuständen, aber mich
kümmert’s nicht. Wo in aller Welt gäbe es einmal einen Chef, zu dem man restlos
bewundernd aufblicken könnte. Diese Gattung Mensch habe ich nun so ziemlich
mitgekriegt; ich habe nur immer Angst vor meinem Temperament, das mir da erhebliche
Unannehmlichkeiten schaffen könnte. Aber bis jetzt ging alles gut, und ich
werde alles dran setzen, daß es so weitergeht. […]
Dieser schöne und lebenskluge Vorsatz, der für ihre Selbsterkenntnis spricht, wird
schon früh wieder vergessen und gebrochen, zumindest Fischer gegenüber. Das,
was Edith Rothe im Hinblick auf die politische Entwicklung und die persönlichen
- 144 -
Folgen daraus auszeichnete, ihr „tapferes Darüberstehen“, ihre Kompromisslosigkeit
gegenüber Nationalsozialismus und Kommunismus, fehlt ihr im frühen Berufsalltag
noch völlig. Sie reagiert gefühlsbestimmt mit sehr großer Schwankungsbreite, und
aus ihren Briefen ist deutlich abzulesen, dass die negativen Eindrücke immer
größeren Raum einnehmen. Zunächst bilden jedoch die äußere Welt, ihr geliebtes
Dresden, und die innere Welt des Dienstes eine nahezu deckungsgleiche positive
Einheit. Das aber ändert sich bald.
82 Dresden, den 12. Januar 1929
[…] Ich genieße, wie das so meine Art ist, Dresden und Umgebung. Wenn ich nicht
so viele Schwierigkeiten mit meinem Chef 150 hätte, der ein recht dunkler Ehrenmann
ist, so würden die Bäume in den Himmel wachsen. Aber oft moquiere ich mich auch
herzlich, so heute morgen, wo ohne mein Zutun das Zimmer meines Chefs als erstes
geräumt wurde, wo er sich [doch] mit Händen und Füßen dagegen wehrt, die
Terrasse zu verlassen. Und wissen Sie warum? Weil er dann seinen Schreibtisch
mal aufräumen muß, der sieht aus, da ist ein Schweinestall nichts dagegen. Daß nur
der Zeitvertreib nicht in Arbeit ausartet, ist seine größte Angst. Wenn man den hohen
Herrn dienstlich sprechen muß u. nach 12 Uhr mittags versucht, geruhen er noch zu
schlafen. Und zwischen 2 u. 5 Uhr ist Mittagsschlaf, da ist auch nichts zu wollen. Na,
ich kann mich trösten, ich frage um nichts mehr, mache alles über seinen Kopf weg.
Augenblicklich bin ich sehr beschäftigt mit meinen Krausebänden 151 , das macht mir
wirklich Spaß. Wenn ich nur nicht einen so schlechten Stil hätte! Heute las ich die
Korrektur von dem Aufsatz 152 , der bei Schramm 153 erscheint, und war entgeistert
über meine schlechte Leistung 154 . Wie ich drin stack [!], merkte ich es nicht. […]
Der offenbar drückende Mangel an fachlicher Anleitung, klarer Planung und
vorbildlicher Pflichterfüllung ihres Vorgesetzten hat Edith, isoliert wie sie hier arbeitet,
dazu gebracht, sich ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechend zu beschäftigen.
Das versöhnt sie zunächst noch mit ihrer sonst freudlosen Tätigkeit. Allerdings
- 145 -
kommen ihr dabei Zweifel, ob sie – anders als Fischer – die rechten Voraussetzungen
zum wissenschaftlichen Publizieren mitbringt.
83 Dresden, den 19. März 1929
[…] Sie glauben ja gar nicht, wie isoliert ich hier sitze in meinem verwunschenen
Schloß 155 , zu dem niemand Zutritt hat, der nicht unser Klatschzeichen kennt. So
etwas wie menschliche oder geistige Anregung, das kenne ich nicht mehr, da ich
täglich nur mit meinem Stab, bestehend aus einem Hoflakaien, einer gewesenen
Schneiderin und einem Mädchen zum Reinemachen zusammen bin. […]
Ich schrieb ihm [Schramm] letzte Woche, ob er wohl schon überblicken könnte, wann
sein Januarheft erschiene, ganz ernst natürlich, und er merkte nicht, daß ich ihn
verknackte, sondern antwortete, daß er zum Erscheinen alles in die Wege geleitet
hätte. In dieser selben hochwohllöblichen Zeitschrift sollte in der ersten Januarwoche
mein Höhere-Töchteraufsatz über Moritzburg erscheinen 156 , ward aber seitdem nicht
mehr gesehen. […]
Ich bin ja in Bezug auf Einbandkunde ein ganzer Neuling, weil unsere fabelhafte
Ausbildung in der U.B. auch in diesem Punkt ganz versagte, aber bei meiner Krause-
Arbeit, die nur eine rohe, äußerliche Beschreibung des Materials bringt, mehr konnte
ich als Anfänger nicht geben, sah ich doch, wie stark mich diese Dinge berühren und
interessieren. Aber das ist mal wieder typisch Frau bei mir, ich brauche immer
Anregung, aus mir selbst kommt gar nichts. Eben völlig unproduktiv, nur nachempfindend.
[…]
Sie, die bereits jetzt und auch später noch Fischer in kritischen Situationen seines
Lebens Helferin und Stütze ist, braucht hier ihrerseits Hilfe und sendet entsprechende
Signale aus. Ihre Haltung und Argumentation – ein Greuel heute für jede
- 146 -
überzeugte Feministin – mochten Fischer vielleicht zum Widerspruch aufrufen und
so zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins beitragen. Ihrem Chef gegenüber fehlt es
daran aber nicht, ihm fühlt sie sich in jeder Hinsicht überlegen:
Mit meinem Chef erlebe ich die ergötzlichsten Geschichten, d.h. manchmal fürchte
ich, ich könnte mich mal vergessen in meiner Wut, was mit einer fürchterlichen
Szene und meiner fristlosen Entlassung endigen könnte. Sie wissen doch, daß bei
uns Theuerdanks 157 und alles Kostbare gegen hohe Provision verkloppt wird.
Neulich hatte ich mir in meinem jugendlichen Übermut erlaubt, ein Buch über das
Stottern und eines über Haarschwund auf die Verkaufsseite zu stellen. Ich bekam
daraufhin einen schweren Verweis, wie ich so leichtsinnig mit dem mir anvertrauten
Gut umgehen und so grundlegende Werke uns aus den Händen gehen lassen
könne. So hält denn das Stottern und der Haarschwund seinen Einzug auf Schloß
Moritzburg, eine Vorstellung, die bei mir immer die heiterste Stimmung auslöst. Aber
Scherz beiseite, manchmal könnte ich Tränen weinen über das, was ich hier so
täglich miterlebe …
Das Verhältnis zu ihrem Chef, so viel wird deutlich, ist von ihrer Seite her
hoffnungslos zerrüttet. Nun aber nimmt sie sich auch die „hohen Herrschaften“ vor:
Der Erni (Prinz Ernst Heinrich) ist eben da 158 . Glauben Sie, daß der in die Bibliothek
kommen und mit mir zusammentreffen darf? Der wird mit allem Raffinement
ferngehalten, in der Angst, ich könnte plaudern. Nun, mir ist es jetzt gleich, wenn die
Leute so borniert sind, daß sie sich ihr Hab und Gut unter den Händen einfach
wegstehlen lassen, das kann mir gleich sein. Nur ein Rechenfehler war bei diesem
Exempel: Wenn man die Bücher beliebig fortnahm, mußte man auch die
verhängnisvollen Katalogzettel vernichten, aber das wurde aus Bequemlichkeit
übersehen. Und diese Zeugnisse habe ich in Händen und versteckt. Neulich ist er,
mein Chef, extra nach Moritzburg ohne mich gefahren, um die belastenden
Dokumente zu vernichten, und hat sie nicht gefunden. Kochend vor Wut kam er
- 147 -
zurück und hat nichts herausgekriegt. Und ich werde bei erster bester Gelegenheit
das ganze belastende Material in der Verwaltung deponieren, da gehört es hin ...
Was soll, was kann Fischer eigentlich zu all dem sagen? Er steht, geborgen in der
soliden Stadtbibliothek, außerhalb solcher Turbulenzen und kennt die Neigung
seiner Freundin zu Übertreibungen. Wie ist er auf diese Verdächtigungen eingegangen?
Man wüsste es gerne. Und sie schürt weiter:
Sie glauben gar nicht, wie spannend das ist. Eben tobt der Kampf um des großen
Philalethes einzigartige Dantebibliothek 159 . Er nahm den ganzen Katalog weg, sicher
in schlechter Absicht, so daß ich nur schnell noch ein Signaturenverzeichnis anlegen
konnte. O, wenn ich den Lump anhand von Tatsachen unschädlich machen könnte.
Aber ich bin der festen Überzeugung, daß auch die hohen Herrschaften ihren
Liebling in Schutz nehmen und mich wegjagen würden. Eigentlich ein
menschenunwürdiger Zustand, wenn die Angestellte aufpassen muß, daß der Chef
nicht lange Finger macht. […]
Sie fragen, wie ich Dresden finde? Na göttlich natürlich. Sie sollten jetzt bloß mal die
phantastischen Eisschollen auf der Elbe sehen, ein herrliches Naturschauspiel. […]
Ediths Aversionen liegen offen zutage. Was hält sie eigentlich noch in Moritzburg?
Warum geht sie nicht?
84 Dresden, den 5. Mai 1929
[…] Eben ist es wieder furchtbar dramatisch. Ich habe an das erlauchte Haus Wettin
ein Ultimatum gestellt. Entweder Zusicherung, daß die notwendige
Bestandsaufnahme, die 3-5 Jahre dauert, wirklich durchgeführt wird, oder ich
bewerbe mich umgehend um eine der beiden freien Stellen an der Landesbibliothek.
- 148 -
Ich bin nämlich in der angenehmen Lage, daß ich jeden 1. des Monats meinen
Fußtritt bekommen kann. Bewahre mich der Himmel vor der Tretmühle des Staatsdienstes,
so denke ich täglich, aber es geschieht ja immer das, was man nicht gern
möchte. Mein hoher Chef läßt alle Minen springen, daß ich auffliege, meine Lage ist
verzweifelt und ziemlich aussichtslos. Ich sehe ja durchaus ein, daß eine so
gefährliche Person wie ich, die das ganze verfängliche Beweismaterial von verschwundenen
Büchern in Händen hat, unter allen Umständen kaltgestellt werden
muß. Morgen kommt der Prinz, da wird alles entschieden. Ich habe mir vorgenommen,
mich weder über etwas zu wundern noch aufzuregen. Aber interessant
wird’s doch, wie der Fußtritt verabfolgt wird. […]
Ein merkwürdiger Widerspruch: Sie, die auch jetzt nicht weiß, was sie will, die die
Unsicherheit ihres Zustandes dem Staatsdienst allerdings deutlich vorzieht, gibt
Fischer gleichzeitig absolut sichere und höchst vernünftige Hinweise und Ratschläge
zur Planung seiner Dissertation und der mündlichen Abschlussprüfung. Sie braucht
ihn, weil sie mit niemandem sonst – und sei es nur brieflich – reden kann.
85 Moritzburg, den 1. September 1929
[…] Sie müssen bedenken, ich sitze hier in einer Isoliertheit, daß manchmal Wochen
und Monate vergehen, ohne daß ich ein Wort mit einem gebildeten Menschen
wechseln kann; berufliche Anregung, nun diese Nummer fällt gleich ganz aus. […]
Übrigens fand ich es sehr nett, daß Sie auf meinen Höheren Töchteraufsatz
eingegangen sind 160 , Sie sind der einzige Mensch, der mir etwas Positives darüber
gesagt hat und mich natürlich dadurch enorm gefördert hat. Sie haben ganz recht,
meine Begeisterung für Einbände ist durchaus eine künstliche. Aber Sie müssen
bedenken, damals dachte ich doch noch, ich könnte etwas hier aus der Geschichte
machen, und ich übernahm die Arbeit nur aus Reklamezwecken. Jetzt ist ja
inzwischen alles in sich zusammengesunken, daß jede Anstrengung aussichtslos ist.
- 149 -
Der Prinz ist 6 Wochen hier und war noch nicht einmal in der Bibliothek, das sagt
alles. Aus, alles aus, die Laune vorbei, nun kommt ein neues Spielzeug. Taktik, mich
mürbe zu machen, ist die, daß ich auf keine Frage, die ich betreffs meiner Zukunft
Ansichtskarte ~ 1930, Verlag Carl Platz, Moritzburg
- 150 -
stelle, eine Antwort bekomme. Das geht jetzt seit April. Der ganze Sommer ist
nutzlos vergeudet worden, ohne mit den nötigsten Arbeiten zu beginnen. Alles, was
ich vorschlage, wird abgelehnt, so hofft man, daß ich endlich kündige. Nun, in
diesem Punkt bin ich ja nun schwerhörig ...
Ediths Inkonsequenz ist, gemessen an ihrer in wenigen Jahren völlig veränderten
Haltung, nahezu unbegreiflich. Sie klammert sich fest an Moritzburg, obwohl sie
doch spüren müßte, daß das – zugegeben reizvolle – Ambiente die Nachteile ihrer
Tätigkeit nicht mehr wettmachen kann. Daß sie von sich aus nicht kündigen will, mag
ja noch zu verstehen sein – jetzt aber fürchtet sie ja sogar, entlassen zu werden.
Sie glauben gar nicht, wie ich mit allen Fasern meines Lebens hier an dem
Schlößchen, meiner Bibliothek, den Teichen, Wäldern, jedem Weg und Steg hänge.
Ich fürchte, das wird schwere Tränen geben, wenn es in einem Monat mal heißt,
Schluß der Vorstellung. […]
Da nimmt man gerne in Kauf, daß man sonst wie ein Hund behandelt wird. 6
Wochen ist die Prinzeß da 161 , ich wohne im Haus, ich arbeite den ganzen Tag im
Haus, glauben Sie, daß die Leute die einfachsten Höflichkeitsformeln wahrten, daß
ich wenigstens vorgestellt würde? Ich habe mich hintenherum zu schleichen, daß ich
ja niemandem begegne, man behandelt mich wie Luft 162 , als ob ich silberne Löffel
gestohlen hätte. Und trotz alledem versuche ich immer noch, die ganze Sache vorm
Verkauf zu retten. Erstens erzähle ich niemandem, was ich an Kostbarkeiten finde,
zweitens wird alles aufgenommen und geordnet, daß es ohne mein Wissen
unmöglich wird, daß die schönsten Bücher verschwinden. Zudem versuche ich, die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf uns zu ziehen, indem ich immer mal was
veröffentliche, das kann man dann nicht gleich verkloppen. Eben habe ich eine
fabelhafte Biblia pauperum 163 entdeckt und sitze seit 4 Wochen emsig über der
Entzifferung. […]
- 151 -
Glaubt Edith wirklich, was sie da schreibt? Wenn sie über ein seltenes Buch forscht
und publiziert, was ja durchaus zu ihrem Beruf als Wissenschaftliche Bibliothekarin
gehört, dann erhöht sie damit vielleicht sogar den Verkaufspreis des Objektes, was
dem Verkäufer nur lieb sein kann, verhindert aber doch nicht den Verkauf. Sie bleibt
verbohrt nach innen, den dienstlichen Angelegenheiten, gleichzeitig aber verliebt in
das äußere Ambiente. Wie soll das enden?
Ich sitze hier draußen wie auf dem Mond, und je länger es dauert, um so schwerer
fasse ich den Entschluß, in die Stadt zu fahren. Was soll man jetzt da bei dem
herrlichen Wetter? Sie sollten wirklich noch einmal kommen, solange ich da bin, es
ist zu schön. […]
Wie lange es hier noch dauert, wissen die Götter, nur ich nicht. Morgen ist wieder ein
aufregender Tag, wo der Kündigungsbrief eintreffen kann. Ich habe jetzt noch einen
Vermittlungsvorschlag gemacht, mich im Winter ½ Jahr zu beurlauben, da man sich
immer auf die fehlende Heizung versteift. Seit 3 Wochen warte ich nun wieder
deswegen auf Antwort. Schließlich möchte man sich im Fall der Beurlaubung etwas
einfädeln. Ungewißheit und Warten sind so die schlimmsten Zustände, in denen man
stecken kann. […]
Und dann gelingt es Edith doch, das eine zu erreichen, ohne das andere zu
verlieren: Ihrem Antrag wird stattgegeben, und sie meldet sich überwältigt von neuen
Eindrücken aus Rom, berichtet von ihren Studien, findet dort aber auch Widerstände,
die sie kurzfristig milder über Moritzburg urteilen lassen.
86 Roma, li 27.dicembre 1929
[…] Daß ich jemals Bibliothekarin auf Schloß Moritzburg war, kommt mir jetzt wie
eine Legende vor. In 2 Monaten durchlebt man hier mehr als in 2 Jahren üblichen
Lebens. […]
- 152 -
Nach Neujahr will ich mich von allem deutschen Verkehr freimachen. Auch Herrn
Steinmann 164 werde ich nicht wieder beehren, den ich ganz besonders in mein Herz
geschlossen habe. Als ich ihn das erste Mal besuchte, erging er sich in heftigen
Schmähungen, junge Mädchen, die sich in Rom amüsieren wollten, empfangen zu
müssen. Worauf ich ihm erklärte, daß ich manchmal auch ernst sein könnte.
Außerdem hatte er die äußerst taktvolle Art, meine Einführung bei der Vatikana nur
auf das Amt meines Vaters zurückzuführen, worauf ich ihm bedeutete, daß selbige
ausgerechnet mit meiner Stellung beim Haus Wettin zusammenhinge. […]
Mit der Rückkehr stellt sich die alte Misere wieder ein. Dabei mag verwundern, daß
das, was Edith vordem immer gefordert hatte, die Bestandsaufnahme über Jahre
hin, sie jetzt, da die Katalogisierung begann, förmlich anwidert. Wer anders eigentlich
hätte denn diese Arbeit ausführen sollen als sie?
87 Jagdschloß Moritzburg, den 13. August 1930
[…] Owê war sint verswunden alliu miniu jar,
ist mir min leben getroumet oder ist es war?... 165
Das könnte ich jetzt auch manchmal sagen, wenn ich mir verzweifelt an den Kopf
fasse, weil die Tage wie nichts zerrinnen. Sie fragen, was ich tue. Gar nichts. Genügt
Ihnen die Antwort? Ich bin so unproduktiv und arbeitsmüde wie noch nie in meinem
Leben. Ich habe zu nichts Lust, zu rein gar nichts.
Mein Dienst ist momentan von einer Langweile, die unerträglich ist. Täglich von früh
bis spät Katalogaufnahme von Büchern des 17. Jahrh. von einer geradezu himmelschreienden
Öde. Mit einem Personal, das kaum das deutsche ABC, geschweige
eine fremde Sprache kann. Glauben Sie, daß, wenn ich vom Dienst komme, ich mich
zu lesen, arbeiten, irgend etwas Vernünftigem noch aufschwingen kann? Ich tue gar
nichts, bummele und träume. Der Himmel erlöse mich aus diesem qualvollen
Zustand und lasse mich in irgend einem anderen Erdteil, möglichst weit fort, wieder
- 153 -
aufwachen. Ich habe Deutschland so satt, daß ich es gar nicht beschreiben kann.
[…]
Ediths doppelter Widerwille, gegen das Deutschland des aufkommenden Nationalsozialismus
und gegen ihre Arbeit, ist durch das bewährte Rezept nicht noch einmal
zu überdecken. Sie scheidet aus dem Dienst aus, ob von sich aus oder – wie schon
lange erwartet – nach erfolgter Kündigung, darüber äußert sie sich schriftlich Fischer
gegenüber nicht, in dem oben zitierten Brief (Nr. 78) aber spricht sie klar von
Entlassung. Bei Fischer meldet sie sich erst am 19. April 1931 wieder und teilt ihm
ihre Eindrücke aus Paris mit. - Und was dann? Aus ihrem Sommerurlaub äußert sie
sich in größerer Resignation denn je, denn auch von Leipzig verspricht sie sich
eigentlich nichts.
88 Kampen, den 8. VII. 31
[…] Was man da noch alles für Rosinen im Kopf hatte! Nach sechs Jahren ist die
„glorreiche“ Laufbahn bereits zu Ende! Ich bin jetzt manchmal deprimiert, wie in
meinem ganzen Leben noch nie. […]
Ich darf gar nicht daran denken, daß ich bald hier abreisen muß, die Moneten sind
zu Ende. Ich habe eine geradezu krankhafte Angst vor Leipzig. Heino!!! 166 Und auch
sonst das ganze Leben, was man hoffte, nun endlich hinter sich zu haben. Nun geht
alles von neuem los u. zwar auf unabsehbare Zeit. Das ist nun mal so! […]
Merkt Edith jetzt, was sie mit Moritzburg verloren hat? Seit Oktober 1931 ist sie als
freiwillige wissenschaftliche Hilfskraft an der Universitätsbibliothek Leipzig tätig. Bald
darauf wechselt sie den Arbeitsbereich und bereitet, von der Bibliothek beurlaubt,
von Januar bis August 1932 die Faust-Ausstellung des Rates der Stadt Leipzig
vor 167 . Als diese Aufgabe erledigt ist, steht Edith wieder vor der großen Leere und
Perspektivlosigkeit. Immer nur freiwillige, also unbezahlte Tätigkeit? Fischer trifft sie
ja in Leipzig, also schreibt sie nur noch aus dem Urlaub, am 30. Okt. 1932 eine
- 154 -
Ansichtspostkarte aus Paris, dann am 23. Jan. 1933, kaputt und krank, einen Brief
aus Schloss Hornegg bei Gundelsheim am Neckar, schließlich am 5. Apr. 1933 eine
Ansichtskarte aus Wien.
Und dann bricht sie erneut aus. Sie geht nach Stettin, um dort ein Ausbildungspraktikum
abzuleisten an der als Einheitsbücherei konzipierten Stadtbibliothek, die
Erwin Ackerknecht 168 leitet. Die Prüfung für den Dienst an öffentlichen Bibliotheken
ist für Ostern 1934 vorgesehen. Hier zieht sie Fischer gegenüber ein Zwischenfazit
ihres bisherigen dienstlichen Lebens.
89 Neuendorf, den 7. August 1933
[…] Ich komme auch langsam dazu, mich endlich vom Alltag zu lösen, die
Unwichtigkeiten des äußeren Lebens, vor allem wie es sich im Beruf spiegelt,
abzustreifen. Ich habe immer viel zu viel Gewicht auf Stellung und „Tüchtigkeit“ u.
den ganzen Quatsch gelegt. Hier bin ich noch einmal mit dem Kopf gegen die
verschlossenen Türen gerannt, nun hat sich’s aber. […]
Kaum vorstellbar, aber wahr: Edith übermittelt solch bittere Gedanken aus dem
Strandkorb an der Ostsee und fügt ihre Stettiner Erfahrungen hinzu. Sie findet die
Stadtbibliothek in Ton und Organisation sehr nett, Bücherbestand trostlos. Keine
Handschrift, kaum eine Inkunabel (Nr. 14). Also doch noch die Sicht der Wissenschaftlichen
Bibliothekarin? Und auch sonst verraten ihre Gedanken nicht gerade
frohe Hinwendung auf ein neues Ziel. Wieso auch? Es ergibt sich daraus ja keine
Chance; sie lässt sich im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken weiterhin als
„freiwillige wissenschaftliche Hilfskraft Stettin Stadtbibliothek“ registrieren, obwohl sie
nachweislich anderenorts Gelegenheitsarbeiten erledigt, so in München, wo sie für
die Alpenvereinsbücherei den Katalognachtrag fertigstellt 169 .
- 155 -
Ansichtskarte ~ 1930,
Verlag Otto
Fleischmann, Dresden
Eine Vorahnung
düsterer Zeiten!
- 156 -
Und nun greift sie zu, als zum 1. März 1939 für die in neuer Rechtsform geführte
Bibliothek des Vereins „Haus Wettin“ in Moritzburg eine Bibliothekarin – von
Direktorin ist nicht mehr die Rede! – gesucht wird. „Sie besaß das unbegrenzte
Vertrauen des letzten dort lebenden Wettiner[s] und hatte für seine Kunstschätze
größtes Verständnis“ 170 . Nun ist sie also wieder da angekommen, wo sie vor Jahren
voller Hoffnung begann. Diesmal aber unterbleiben die Gefühlsschwankungen; sie
hat aus Erfahrung gelernt und sieht die Dinge so, wie sie sind, ganz und gar
unromantisch.
Jagdschloß Moritzburg, 10. 1. 40
Ansichtspostkarte vom Fasanenschlösschen
90 […] Ich erfriere hier fast in meinem Sommeridyll, auch ist abwechselnd
Wasserleitung und Klo eingefroren. […]
*
Edith Rothes weiteres Schicksal ist rasch erzählt. Mit den Scherben der mutwillig
zerstörten Porzellansammlung 171 muß sie 1945 in Moritzburg auch die Scherben
ihrer eigenen beruflichen Hoffnungen zusammenfegen. Sie verläßt Dresden und
kehrt mit ihrem Vater nach Leipzig zurück. Dort übernimmt sie im November 1945
die Leitung der Stadtbibliothek, die am 4. Dez. 1943 zerstört und ausgebrannt war.
Sie tut diesen Schritt aus Pflichtgefühl ihrer Heimatstadt gegenüber, voll guten
Willens, aber eigentlich ohne Hoffnung und mit wachsender Erkenntnis, dass unter
dem herrschenden Regime ein Wiederaufbau unmöglich, eine Wiederbelebung der
traditionellen Funktion sogar unerwünscht ist. Ihre Bemühungen werden jäh
abgeschnitten, als sie am 11. Juni 1951 aus fadenscheinigen Gründen fristlos
entlassen wird 172 .
- 157 -
Luftbild Dresden 16. April 1945 / Ausschnitt – Ruine des Palais Kap-herr in Bildmitte
- 158 -
Schloss Moritzburg, Aufnahme der allierten Luftaufklärung (Ausschnitt) Feb.1945
Am 11.02.1945 brachte Edith Rothe wesentliche Bestände der Bibliothek in die Wettinische
Verwaltung im Palais Kap-herr nach Dresden, wo sie am 13.02.1945 verbrannten.
- 159 -
Sie bleibt weiterhin in Leipzig, wo sie für die „Historische Kommission der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften“ an der mehrbändigen „Bibliographie zur
Geschichte der Stadt Leipzig“ 173 arbeitet. Dann wendet sie sich einem bibliophilen
Band „Buchmalerei aus zwölf Jahrhunderten“ 174 zu. Erst im Oktober 1966 verläßt sie
Leipzig und siedelt nach Wilhelmsfeld bei Heidelberg über, wo sie ein Jahr später
ihren 70. Geburtstag begeht. Aus Kontakten zur Universitätsbibliothek Heidelberg
ergeben sich für sie weitere geistige Anregungen, auch gibt sie die von ihr
überarbeitete Autobiographie ihres Vaters im Selbstverlag heraus, doch nimmt ihr
Fischers Tod am 9. 7. 1973 die zuletzt seltener genutzte Möglichkeit, sich brieflich in
alter Vertrautheit auszusprechen. Sie überlebt ihn um mehr als 16 Jahre und stirbt
91-jährig am 26. 1. 1989 in Heidelberg.
Edith Rothe, die „Höhere Tochter“, die in ihrer frühen Dresdner Zeit von
Selbstzweifeln und wechselnden Stimmungen gequält wird, die den Ausbruch aus
den ihr gezogenen Schranken versucht und dann doch wieder nach Sachsen
zurückkehrt, sie hat in der zweiten Hälfte ihres Lebens „in der Unruhe der Zeit und
den Wechselfällen des Berufs die Kraft zum Überstehen, ja zum Darüberstehen“ 175
gefunden. So schreibt sie am 16.1.1968 ihrem treuen Briefpartner Fischer, der den
Umfang ihres hinterlassenen Oeuvres bewundert, heiter überlegen:
Ich bin jetzt hinterher recht erstaunt, daß ich so viel publiziert habe. Wenn ich nicht
so oft rausgeflogen wäre, hätte ich es nicht machen können.
- 160 -
Dr. Edith Rothe an Ihrem Schreibtisch in Heidelberg, um 1980
- 161 -
VI. Anmerkungen und Belege
1 Aus der Fischer-Korrespondenz war vor den hier vorliegenden Teilveröffentlichungen
noch ein Auszug aus seinen Oldenburger Briefen der
frühen Aufbauzeit entstanden, der zurückgeht auf eine Erinnerungsgabe für
Freunde und ehemalige Kollegen, veranstaltet von seiner Frau: Dr. Wolfgang
G. Fischer. Aus persönlichen Briefen zur Bibliothekssituation Oldenburgs
1945-1954. 1974, 39 Bl. [masch. vervielf.].
2 Dr. Hilde Fischer geb. Reisig, geb. am 15. 1. 1908, gest. 25. 5. 1995, stud.
1927-33 in Heidelberg, Leipzig, München; Prom. 1933 mit Diss. „ Die Rolle
der Bildung für die Befreiung des Proletariats im politischen Denken der
deutschen Arbeiterbewegung von den 40er Jahren bis zum Weltkrieg“
(U 33.4123). Im freiwill. Arbeitsdienst 1934/35, Eheschließung 31. 12. 1935,
Lehrberuf 1935 – 68 mit Unterbrechungen, danach bis 1978 Volkshochschul-
Dozentin.
3 Hofmann, geb. 13. 10. 1888 in Dresden, gest. 4. 4. 1954 in Leipzig, Dir. d.
Leipziger StB und des Stadtarchivs 1925-45. Zu Person und Werk: LDB 2, S.
131 f. Nachruf s. Anm. 123, ein weiterer in: BBl Jg. 10.1954, S. 310. Ein von
Fischer angebotener biograph. Abriß für die NDB kam bis zum Erscheinen
von Bd. 9 (1972) nicht mehr zustande. Seine einbandkundl. Veröffentlichungen
bei Schmidt-Künsemüller (s.T.VIII, 4), über Autorenreg.
Weiteres dort Anm. 17, 88, 114, 119, 121, 123, 126.– BGSL Sdbd 4 1967,
S.194.– LBG 2, Bd. 3, S.506 f.
4 Rothe, Dr. jur., geb. 20. 2. 1865, gest. 20. 1. 1953, Oberbürgermeister von
Leipzig 1918 – 30. Über ihn: Dr. Rothes Abschied vom Ratskollegium: die
Stadt benennt e. Straße nach ihm. In: Neue Leipziger Zeitung v. 7.7.1930.-
Adolf Enke: Herrn OBM Dr. Rothe zum Abschied.In: Leipziger Bürgerbund.
- 162 -
6.1929/30, S. 301-303.- Seine Autobiographie: 50 Jahre im Dienste einer
Großstadt. Hrsg. v. Edith Rothe. Heidelberg [Selbstverl. 1979]. (M)
5 Hier die letzte Eintragung im JDB Jg. 34.1950, S. 216: Edith Rothe, Dr. phil.,
geb. 11. 11. 97 Leipzig, ev.-luth., stud. German., Kunstgesch. u. Gesch.,
Prom. 23. 6. 29 [richtig: 25], Vol. Leipzig UB 1. 10. 25, Fachpr. 20. 9. 27,
Wiss. HArb. Frankfurt a. M. StuUB 1. 1. 28, Bibl. Dresden Secundogenitur B
(SchloßB Moritzburg) 1. 9. 28 bis 1930, Austauschbibl. Paris NB 1.1. bis 15.
5. 31, freiw. Wiss. Hilfskraft Leipzig UB 1. 10. 31, Stettin StB 1. 4. 33, Bibl. d.
Vereins „Haus Wettin“ 1. 3. 39, Leiterin Leipzig StB 1. 11. 45.- Dazu Nachtrag:
Entlassen 11. 6. 51, danach wiss. Autorin, gest. 26. 1. 1989 in Heidelberg.
Über sie: A[nnemarie] M[einer]: Tapferes Darüberstehen. Dr. Edith Rothe zum
11. 1. 1967. In: BBI Jg. 23.1967, S. 2561-2563.- Nachruf v. Harald Schieckel
in: Sächsische Heimat. Mitteilungen der Bundeslandsmannschaft Sachsen...
Jg. 35.1989, S. 242.- Ihre einbandkundl. Veröff. bei Schmidt-Künsemüller (s.
T. VIII,4), über Autorenreg. Weiteres dort Anm. 4, 22, 25, 32, 70, 109, 110,
119,127, 130, 138, 141, 146, 159, 163, 175.- Mannschatz (wie Anm. 8).-
Ders. „...immer rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“. Der Lebensweg
d. Leipziger Bibliothekarin Edith Rothe (1897–1989) In: BIS. Das Magazin der
Bibliotheken in Sachsen 2.2009, Nr.2, S. 108-111.
6 Hetzer geb. Medenwaldt, geb. ca. 1876, gest. 30.1.1967, Gattin des Leipziger
Kunsthistorikers Prof. Dr. Theodor Hetzer (1890-1946, s. NDB Bd. 9.1972, S.
36 f.), im Kriege aus Leipzig fortgezogen, lebte(n) in Überlingen.
7 Die Angehörigen dieses Instituts sagten Stabi und schrieben auch so bzw.
Stadtbi. oder ähnlich; da sich diese Kurzbezeichnung aber für Staatsbibliothek
(SB) durchgesetzt hat, wird hier abgekürzt StB geschrieben.
8 Hans-Christian Mannschatz: Huldrich Großens Testament und
Verlassenschaft. Die Geschichte d. Stadtbibl. In: Leipziger Blätter. H.16.1990.
- 163 -
Der Autor ließ den T. 1 (S. 38-41) praktisch mit dem Bombentod der StB
enden in der Absicht, die „Umwandlung“ der StB, von ihm zunächst so
erwähnt, und die sie auslösenden und begleitenden Umstände des politischen
Todes in einer späteren Folge darzustellen. Der Teil 2, zur Veröffentlichung
im folgenden Jahr eingereicht, ist nicht erschienen; noch gab es Kräfte, die
das zu verhindern wussten.- Ders.: Stadt und Bibliothek. Die Entstehung einer
städt. Bibliothekslandschaft in Leipzig. Beucha 1996.
9 Wenn es um Leipzig geht – die Stadtbibliothek gehört dazu. In: Buch und
Bibliothek. Jg. 42.1990, S. 422-424. Mit Abriß ihrer Geschichte seit 1945.-
Heike Kirchhof: Die Geschichte der Leipziger Stadtbibliothek unter
besonderer Berücksichtigung der Entwicklung ihres Bestandes.
Diplomarbeit Berlin 1991.
10 Das 250jähr. Stiftungsjubiläum der Ratsbibliothek (gegr. 1677), aus der sich
die StB entwickelte. Dazu Festschrift s. Anm. 88.
11 Heinrich Siber (1870-1951), Prof. Dr. jur., seit 1914 in Leipzig, Rektor 1926/27
u. 1945-50; s. Wer 9.1928, S. 1464; KGK 4.1931, Sp.2786; BGSL Sdbd.
2.1961, S. 324.
12 Während der Künstlerhilfewoche vom 28.4. bis 6.5.1928 veranstaltete die StB
eine Sonderausstellung „Handzeichnungen berühmter Meister des
Hochbarocks aus eigenem Besitz“. Darin wurden zum ersten Male die
Hauptblätter der schon 1714 erworbenen Sammlung von Handzeichnungen
des Priors Rensi in Rom der Öffentlichkeit vorgeführt, die in 27 Klebebänden
rd. 2500 Zeichnungen der Barockzeit umfaßt. Darunter sind zahlreiche erste
Entwürfe zu Werken von G. L. Bernini, Salvator Rosa, Nicolas Poussin und
anderer von großer Qualität. Den stilgemäßen Rahmen dazu bildeten
plastische Werke von Giovanni da Bologna [Giambologna], Adriaen de Vries,
François Duquesnoy, Balthasar Permoser und Paul Heermann, die 1735 aus
- 164 -
der Sammlung des Grafen Wackerbarth, Feldmarschalls Augusts des
Starken, in Dresden von der StB angekauft wurden. Ein gedruckter Katalog
(StB Signatur Sax.lips. 8879) der Ausstellung, der die wesentlichen
Erklärungen gab, wurde zum Besten bedürftiger Künstler verkauft (s.
Verwaltungsbericht der Stadt Leipzig für das Rechnungsjahr 1928. Leipzig
1929). Die Handzeichnungen und Skulpturen wurden in den 50er und 60er
Jahren an das Museum der bildenden Künste und an das Museum für
Kunsthandwerk (Grassi-Museum) abgegeben; s. Handzeichnungen
berühmter Meister des Hochbarocks. Sonderausst. 1928. Katalog. 11 S.-
Wolfgang G. Fischer: Die Handzeichnungen aus dem römischen Barock in
der Leipziger StB. In: Zs f. bild. Kunst (Beil. Kunstchronik. Jg. 62.1928, H. 3,
S. 25-28. (M)
13 Carl Goerdeler (1884-1945), Oberbürgermeister von Leipzig 1930-37, dazu
1931/32 und 1934/35 Reichskommissar für Preisüberwachung. Mit einem
rigorosen Sparprogramm, mit Sondersteuern, durch Straffung der Verwaltung
und durch Modernisierung städtischer Verwaltungseinrichtungen führte er die
Stadt Leipzig aus der wirtschaftlichen Talsohle, in der sie sich Ende der 20er
Jahre befand. Nach seinem Rücktritt 1936 wurde er Finanzberater der Firma
Bosch in Stuttgart. Gemeinsam mit Robert Bosch im Widerstand gegen das
NS-Regime, sollte nach dem Staatsstreich vom 20. 7. 1944 das Amt des
Reichskanzlers übernehmen. Nach dem Scheitern am 8. 9. 1944 zum Tode
verurteilt und am 2. 2. 1945 hingerichtet; s. Gustav Giese: C.G. In: Männer
der deutschen Verwaltung. Köln/Berlin 1963, S. 349-365.- Erich Schmahl:
Rückblick auf das Jahr 1936/37. In: Leipziger Kalender. Jg. 11.1938, S. 237.-
K. Rothe (s. Anm. 4) S. 87-95 äußerte sich kritisch über seinen Vorgänger.
(M)
14 Das „Münzkabinett“ der StB wurde 1853 zum „Besten“ der Bücheranschaffungen
versteigert; Nettoerlös: 15 553 Taler. Vermutlich stammt der
- 165 -
genannte Münzschrank aus diesem Kabinett; s. Otto Pelka: Das
Münzkabinet der Leipziger Stadtbibliothek. In: Leipziger Konzert- ... und
Verkehrsblatt. Jg. 3.1927, S. 403- 405. (M)
15 Dazu s. die Erklärung im Anschluss an den Brief Nr. 8.
16 Nachweise s. BGSL Sdbd. 4.1967, S. 192 f.
17 Gemeint sind die Koordinierungsbesprechungen im Gutenbergausschuss
1938/39, der die Gutenberg-Reichsausstellung, Leipzig 1940, vorbereitete (s.
das Zeugnis für Fischer Nr. 52), die dann wegen der Kriegsereignisse
abgesetzt wurde. Statt der internationalen Veranstaltung kam es zu den
Leipziger Gutenbergtagen (21.-24.6.1940). Die StB beteiligte sich mit einer
Einbandausstellung unter dem Titel „Das schöne Kleid des Buches“; s. Erhart
Kästner: Die Gutenberg-Reichsausstellung. Ein Vorbericht. In: LJb 1939, S.
29-37.- Carl Wagner: Die Gutenbergtage in Leipzig ... und das Deutsche
Buchmuseum. Ebda 1941, S. 41-56.- Wolfgang G. Fischer: Die Ausstellung
der Leipziger StB zur Ehrung Gutenbergs 1940. In: AfB Jg. 40.1940, S. 49-52.
Von ihm auch ein kurzer Hinweis unter „ Umschau aus Bibliotheken“ in : ZfB
Jg. 57.1940, S. 488.- Zum Gutenbergjahr erschienen: Kostbare
Bucheinbände der Leipziger Stadtbibliothek und ihre Katalogisierung. Hrsg. v.
Joh. Hofmann. Leipzig: Harrassowitz 1940, 46 S.
18 Die Wendeltreppe der StB führte von der Ausleihe zu den Arbeitsräumen im
Halbgeschoss darüber.
19 Schöpsdrehe: Eigentl. eine ansteckende Drehkrankheit der Schafe, also
Schafskoller (Schaf = Schöps), aber häufig auch übertragen: Schwindelgefühl
beim Menschen; „Vom Tanzen hatt’ch beinah de Schepsdrehe“; s. Gunter
Bergmann: Kleines sächsisches Wörterbuch. Leipzig 1986, S. 178. (M)
20 Im Teil V; ursprünglich separat.
- 166 -
21 Albert Schramm (1880-1937), Prof. Dr. phil., Dir. d. Leipziger Buchgewerbemuseums,
später Museum für Buch und Schrift, Gründer u. Leiter d. Dt.
Bibliothekarschule in Leipzig 1925; s. LDB 2, S. 310 f.- BGSL Sdbd. 2.1961,
S. 318 f.
22 Es handelt sich um das „Archiv für Schreib- und Buchwesen“, wo im ersten
Jahresheft 1929 auf S. 1-6 Ediths (von ihr so genannter) „Höherer
Töchteraufsatz“ über „Die Bibliothek auf Schloß Moritzburg“ erschien, s. Anm.
138.
23 Heinrich Schreiber (1900-1942), Dr. phil., an der UB Leipzig seit 1927,
Kriegsverwaltungsrat in Brüssel 1940/41; s. LDB 2, S. 311.
24 Die Anspielung ist nicht mehr zuverlässig deutbar. Sie könnte, so Frau
Fischer, damit zusammenhängen, daß Fischer von Schreiber Rat und
Fürsprache für Promotion und Aufnahme in den wiss. Vorbereitungsdienst
erbat, was Schr. möglicherweise verweigerte, wie es zunächst auch
Glauning tat mit der Begründung, Fischer habe ja schon seinen
bibliothekarischen Beruf.
25 Edith Rothe: Die Jakob-Krause- und Caspar-Meuser-Einbände der Bibliothek
auf Schloß Moritzburg. In: AfB Jg. 39.1932, S. 39-43 u. 140 f.
26 Die „Ordnung für die Annahme, Ausbildung und Prüfung der Anwärter für den
wissenschaftlichen Bibliotheksdienst“ (in: ZfB Jg. 45.1928, S. 695-700)
brachte aus der Sicht von Richard Fick (ebda Jg. 46.1929, S. 389) als
„bemerkenswerte“ Neuerungen: „Erweiterung des Anwärterkreises durch
Diplomingenieure, Diplomvolkswirte, Diplomkaufleute und Diplomlandwirte ...
Als wichtiger neuer Prüfungsbestandteil ist ... noch die Vorschrift einer
größeren schriftlichen Arbeit aus dem Bereich des Bibliothekswesens
anzuführen.“
- 167 -
27 Otto Glauning (1876 – 1941), Prof. Dr. phil., Dir. d. UB Leipzig 1921-37; s.
LDB 2, S. 93 f.- LGB 2, Bd. 3, S. 185
28 Otto Ziegler, geb. 9. 6. 1901, Theologe mit Staatsexamen v. 27. 7. 1924,
Volontär an der UB Leipzig seit 1. 10. 1926; s. JDB Jg. 19.1928, S. 256.
Danach nicht mehr aufgeführt, ist also nicht in den BDienst übernommen
worden.
29 Georg Witkowski (1863-1939), Prof. Dr. phil., bedeutender Germanist in
Leipzig seit den 90er Jahren, Verf. u.a. der „Geschichte des literarischen
Lebens in Leipzig“, 1909. Versetzung in den Ruhestand 1933, als Jude
emigriert nach Amsterdam; s. Wer 9.1928, S. 1710.- KGK 4.1931, Sp. 3305 f.-
BGSL Sdbd. 2.1961, S. 353. (M)
30 Fischer soll sich Rat holen bei Hans Heinrich Bockwitz (1884-1954), Prof. Dr.
phil., Leiter des Dt. Buch- und Schriftmuseums an der DB Leipzig; s. LDB 2,
S. 26 f.- BGSL Sdbd. 4.1967, S. 208 f.- LGB 2, Bd. 1, S. 477.
31 Erhard Klette (1895- ? ), Dr. phil., Einbandforscher in Leipzig, Hrsg. „Archiv für
Buchbinderei“ und „Jahrbuch der Einbandkunst“. Nach dem Kriege in
Hamburg-Othmarschen, Fischer korrespondierte mit ihm; s. KGK 5.1935, Sp.
685.- Seine einbandkundl. Veröffentl. bei Schmidt-Künsemüller (s. T. VIII, 4)
über Autorenreg.- LGB 2, Bd. 4, S. 237.
32 Edith Rothes Dissertation: Die Stellung des Kaufmanns und Bürgers in der
mittelhochdeutschen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts [msch.]. III, 88 S.
Phil. Diss. Leipzig (U 25.6697).
33 Wilhelm Pinder (1878-1947), Prof. Dr. phil., Kunsthistoriker in Leipzig 1920-
27; s. Lexikon der Kunst, Leipzig, Bd. 3.1975, S. 860.- BGSL Sdbd. 2.1961,
S. 291.
- 168 -
34 Erwin Ackerknecht (1880-1960), Prof. Dr. phil., Dir. d. StB Stettin seit 1907;
hier befanden sich als Einheitsbücherei StB u. Volksbücherei unter einem
Dach. 1945-53 Kulturreferent in Ludwigsburg, 1946-54 zusätzl. Leiter d.
Schiller-Nationalmuseums in Marbach und Vors. d. Dt. Schillergesellschaft; s.
LDB 2, S. 2 f.- LGB 2, Bd. 1, S. 16 f.
35 Es handelt sich um Ediths jüngere Schwester Gabriele, genannt Meusch, die
nach England heiratete, seitdem „die Engländerin“ genannt.
35a
Dieser Passus, von mir mitgeteilt, ist in den Vortrag eingegangen, den
Dagmar Jank am 9.12.2009 zum Thema „Wissenschaftl. Bibliothekarinnen im
Nationalsozialismus“ auf der Tagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für
Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte in Weimar hielt. Der zusammenfassende
Berichtsband steht noch aus.
36 Wolfgang G. Fischer: Die Blütezeit der Einbandkunst. Studien über den Stil
des 15. bis 18. Jahrhunderts. Leipzig 1935: Stein, 73 S. Phil. Diss. Leipzig
(U 35.2465).
37 August Wilhelm Schlegel: Über Shakespeares Romeo und Julia. An Goethe.
Manuskript, 2 S.- Nach einer Randnotiz von Joh. Hofmann im Verzeichnis der
„Manuscripte aus dem Besitz von Friedrich Zarncke“ handelt es sich dabei
vermutlich um das Widmungsvorwort zu Schlegels Aufsatz in den Horen
(1797, 6, S. 18 ff.). Das Ms. gelangte zusammen mit der Sammlung von
Bildnissen und Büsten Goethes aus dem Besitz des Leipzigers Germanisten
Friedrich Zarncke (s. Anm. 72) in die StB. Die Bildnisse wurden beim
Bombenangriff 1943 vernichtet, das Ms. befindet sich noch im Besitz der StB.
(M)
38 Johannes Richter (1902 - ?), Dr. phil., an der DB Leipzig 1930 – 33; s. JDB
Jg. 23/24.1933, S. 25. Nach 1933 nicht mehr aufgeführt.
- 169 -
39 Mit der Übernahme der Musikalien- und Musikliteratursammlung des
Leipziger Organisten Carl Ferdinand Becker im Jahre 1856 wurde die
Musikabteilung der StB gegründet, s. Liesbeth Weinhold: Die Musikabteilung
der Leipziger StB. Ihre Entstehung u. ihre Bestände. In: ZfB Jg. 57.1940, S.
152–164.- Daraus, aus der 1912 gegr. Musikalischen Volksbibl. und der 1894
gegr. Musikbibl. Peters wurde 1954 die Musikbibl. der Stadt Leipzig gebildet;
sie wurde 1973 an die Stadt- u. Bezirksbibl. Leipzig angegliedert, 1991 wieder
mit der StB vereint; s.a. Anm. 97. (M)
39a Es geht um die Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur. Begr. v.
Felix Dietrich / fortgef. v. Reinhard Dietrich, daher „der Dietrich“ genannt.
Erschienen damals in 3 Reihen: A. Bibliographie der deutschen
Zeitschriftenliteratur.1896 ff. B. Bibliographie der fremdsprachigen
Zeitschriftenliteratur. 1911 ff. C. Bibliographie der deutschen Rezensionen.
1900 ff.
40 Liesbeth Weinhold (1902-1985), Wiss. Hilfsarb. an d. StB Leipzig, Leiterin d.
Musikabt., 1947 BRätin u. Stellv. Leiterin d. StB, fristlos entlassen 1951 (s.
Brief Nr. 66), im Westen freiberufl. tätig, Leiterin der westdt. Arbeitsgruppe d.
Répertoire International des Sources Musicales an d. BSB München seit
1953; s. JDB Jg. 39.1961, S. 223. Ihre Veröff. s. BGSL Sdbd. 4.1967, S.192.
Außerdem s. Anm. 39, 114, 130.
41 Ruth Marx, Bibliothekarin der StB, im Kriege Wehrmachtsbuchhändlerin in
Norwegen.
42 Franz Adam Beyerlein (1871-1949), Schriftsteller, überwieg. Belletristik; s.
KLK 48.1937/38, Sp. 58.
43 Annemarie Auenmüller (1906-?), Mitarbeiterin d. StB, Vater: Leo A. , Oberst
a.D. (M); s.a. Brief Nr. 24.
- 170 -
44 Leipziger Stadtbibliothek (Gegründet 1677) / Universitätsstr. 16 / Neuerwerbungen
vom ...1942 in Auswahl. Jeweils 6 Bl. [masch.].
45 6 Aquarelle davon sind noch im Besitz der Familie Fischer.
46 Schreiber s. Anm. 23
47 Erich von Rath (1881-1948), Prof. Dr. jur., Dir. d. Bibl. d. Reichsgerichts,
Leipzig, seit 1917, der UB Bonn seit 1921; s. LDB 2, S. 263 ff.
48 Weinhold s. Anm. 40.
49 Hofmann schreibt den Namen mit ck; es handelt sich also nicht um Dr.
Annedore Franke (1905-?), die Vertreterin von Dr. Vogel (im Felde) beim
Stadtarchiv, sondern um (die Sekretärin?) G. Francke der StB; ihr Name in
der Briefunterschrift.
50 Walter von Reichenau (1884-1942), Generalfeldmarschall, führte 1941 die 6.
Armee, zuletzt Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd; BrE 17, Aufl.,
Bd. 15.1972, S. 571.- Helmut Jahn in: LJb 1942, S. 9 f.
51 Moritz Seeburg (1796-1851), Stadtrat, Vorsteher des Johannishospitals und
der Ratsfreischule. (M)
52 Hedwig von Holstein, geborene Hedwig Antonie Wilhelmine Salomon (1819-
1897), Ehefrau von Friedrich Franz von Holstein (1826-1878), Komponist von
Opern, Liedern, Balladen und Kammermusik. Hedwig begründete nach dem
Tode ihres Mannes auf ihrem Grundstück eine Stiftung: ein Künstlerhaus als
Zuflucht für unbemittelte junge Musiker während ihres Studiums am Leipziger
Konservatorium; s. ADB Bd. 13.1881, S 1 f.- Biograph. Jahrbuch u. Dt.
Nekrolog. Bd. 4.1900, S. 99*.(M)
53 Robert Oertel (1907-1981), Prof. Dr. phil., 1939 Kustos d. Staatl. Gemäldegalerie
Dresden, 1959 Landeskonservator d. Bayer. Staatsgemäldesamml.
- 171 -
München, 1964 Dir. d. Gemäldesamml. d. Staatl. Museen d. Stiftung Preuß.
Kulturbesitz; Wer 16.1970, Bd. 1, S. 934.- KGK 11.1971, S. 2163.
54 Die StB besaß aus ihrer musealen Phase im 17./18. Jhdt. mehrere Erd- und
Himmelsgloben, die von Ratsherren und anderen gern und meist paarweise
geschenkt worden waren. Welcher Globus hier konkret gemeint ist, bleibt
offen. Alle Globen wurden 1943 vernichtet. (M)
55 Das Adressbuch von 1940 nennt einen Bibliothekar Hans Hofmann, wohnhaft
in Markkleeberg b. Leipzig, Auenstr. 2. (M) Seine Veröff. in: BGSL Sdbd.
4.1967, S. 293. Ein weiterer Hofmann: Sein Chef, Leiter der Städtischen
Bücherhallen, ist Walter Hofmann.
56 Die Bezeichnung Reichsmessestadt wurde vom Reichsstatthalter und Gauleiter
von Sachsen, Martin Mutschmann, am 20. 12. 1937 verliehen; s. LJb
1939, S. 89.- Zur Leipziger Messe s. BGSL Sdbd. 1, bearb. v. Edith Rothe.
57 Konrad Hecker, Dr. phil., Referent (nach Adressbuch 1940). (M)
58 Es handelt sich um die Dienststelle des Beauftragten des „Führers“ für die
Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und
Erziehung der NSDAP, im allg. Sprachgebrauch „Amt Rosenberg“ genannt;
von geringer Bedeutung innerhalb des nationalsozialist. Herrschaftssystems.
Geleitet von Alfred Rosenberg (1893-1946), Reichsleiter, ab 1941 auch
Reichsminister für die besetzten Ostgebiete; s. Reinhard Bollmus: Das Amt
Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialist.
Herrschaftssystem. Stuttgart 1970.
59 Der Musikverleger Max Abraham, Inhaber der Firma C.F. Peters, kaufte 1894
die Leihanstalt für musikalische Literatur des Dr. Alfred Dörffel und gründete
die Musikbibl. Peters als öffentl. Musikbibl. Testamentarisch wurde verfügt,
- 172 -
daß die Musikbibl. P. nach Abrahams Tod in den Besitz der Stadt Leipzig
übergehen sollte; Lit. s. BGSL Sdbd. 4.1967, S. 211 f. (M)
60 Leipziger Musikalienverlag, gegr. 1719; s. BGSL Sdbd. 4.1967, S. 134.
61 d.h.: habe mein Verbleiben im Amt von der Regulierung abhängig gemacht,
die ich vorgeschlagen habe.
62 Frl. Gerade, Mitarbeiterin der StB im und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.
Sonst nichts mehr bekannt. (M)
63 Jeder Soldat erhielt nur eine dieser Marken, die seine Angehörigen dann auf
das Weihnachtspäckchen kleben mussten. Ohne diese Zulassungsmarke
beförderte die Feldpost nicht.
64 Stadtbibliothek mit Musikbücherei. Verwaltungsbericht 1942 (Kalenderjahr). 5
Bl. [masch.].
65 Dr. Paul Schumann (1871-1943) Taubstummenlehrer, Leiter des Dt.
Museums f. Taubstummenbildung, Mitgl. d. Dt. Gesellschaft zu Leipzig. Über
den Erwerb der genannten Werther-Sammlung ist nichts bekannt; vermutlich
wurde sie beim Bombenangriff 1943 vernichtet, ohne vorher in den Bestand
eingearbeitet worden zu sein; s. Wer 9.1928, S. 1433.- KGK 6.1941, Sp. 733.
(M)
66 Erhart Kästner (1904-1974), Dr. phil., damals noch Wiss. Hilfsarb. an der LB
Dresden, 1950-68 Dir. d. HAB Wolfenbüttel; s. LDB 2, S. 150.- LGB 2, Bd. 4,
S. 124.
67 Erhart Kästner: Griechenland. Ein Buch aus dem Kriege. Zeichn.: Helmut
Kaulbach. 1943, 268 S.- Sonderausg. 1943, 270 S. [nicht im Handel].
68 Unmittelbarer Amtsnachfolger war Carl Goerdeler (s. Anm. 13). Hier aber ist
Alfred Freyberg gemeint. „Oberbürgermeister Staatsminister Freyberg, der am
- 173 -
21. August 1939 durch den Reichstatthalter und Gauleiter Martin Mutschmann
im Festsaal des Neuen Rathauses in den Posten des Oberbürgermeisters der
Reichsmessestadt feierlich eingewiesen worden war, schied am Ende des
Jahres aus seinem Amt als Staatsminister von Anhalt aus. Als Chef der
anhaltischen Staatsregierung hat Staatsminister Freyberg eine lange und
erfolgreiche Tätigkeit ausgeübt. Im Hinblick auf seine Verdienste und im
Hinblick darauf, daß er der erste nationalsozialistische Ministerpräsident in
Deutschland gewesen ist, hat der Reichsminister des Innern ihm die
Erlaubnis erteilt, künftig die Bezeichnung Ministerpräsident a.D. zu führen“, so
steht es im LJb 1941, S. 191. Bisher galt nach Hermann Lübbing
(Oldenburgische Landesgeschichte. 1953), dass Oldenburg die erste
nationalsozialist. Regierung im Reich hatte. Das stimmt nicht: Die Wahlen in
Oldenburg fanden am 29. 5. 1932 statt, die Regierungsbildung erfolgte am 16.
6.; in Anhalt dagegen war die Wahl schon am 24. 4., die Regierungsbildung
am 21. 5.; s. Droste Geschichts-Kalendarium. Chronik dt. Zeitgesch. 1982.-
Walter Barton; Oldenburger Landtagswahlen von 1932 … In: Nordwest-
Heimat. Beil. d. Nordwest-Zeitung, Oldenburg, Nr. 67 v. 20. 3. 1993.- Über
Freytag s. Kosch: Biograph. Staatshandbuch Bd. 1.1963, S. 352.
69 Das ergibt, von der Ausdrucksweise „die an der Bibl.“ ganz abgesehen,
keinen Sinn; „die“ und „ich“, wer soll das sein? Die StB etwa und er mit seiner
privaten Sammlung? Oder ist hier die StB mit dem Stadtarchiv verglichen? Da
dieser Satz aber im direkten Zusammenhang mit der Benutzung fällt, für die
Hofmann alles tut, ist ein anderer Sinn wahrscheinlich: „...packen die
ander[en] Bibliothek[en] nur noch ein, während ich [an der StB] das nebenbei
tue.“ Diese Haltung ist es ja, die Rothes massive Kritik herausforderte (s. Brief
Nr. 55).
70 Darüber Edith Rothe: Die Faustsammlung Stumme in Leipzig. In: Jahrbuch dt.
Bibliophilen u. Literaturfreunde. Jg. 18/19. 1932/33, S. 71-85.- Dies.: Die
- 174 -
Ausstellung „Faust und seine Welt“ der Dr. Stumme’schen Faustsammlung im
Grassimuseum zu Leipzig. In: Archiv f. Buchgewerbe. Jg. 69.1932, S. 242.
Weitere Lit. s. BGSL Sdbd. 4. 1967, S. 308 f. Der Kauf durch die StB kam
nach dem Kriege nicht mehr zustande. Die Samml. Stumme steht heute im
Weimarer Schloss.
71 Gerhard Stumme (1871-1955); Dr. med., Chirurg u. Bibliophile; s. Karl
Markert: Dr. med. G.St. +. In: Der Bibliophile, Beil. zu: Das Antiquariat. Jg.
7.1956, S.33/5.
72 Wahrscheinlich die Sammlung des Leipziger Germanisten Friedrich Zarncke
(1825-1891), die 1892 an die StB kam; s. E. Lehmann: Goethe’s Bildnisse
und die Zarncke’sche Sammlung. In: Zs f. bildende Kunst. N.F. Jg. 5.1894, S.
249-258.- BGSL Sdbd. 4.1967, S. 191.
73 Es handelt sich um die 455 einheitlich gebundenen Bände, die Johann
Gottlob Böhme (1717-1780), Prof. f. Geschichte und mehrfach Rektor der
Universität Leipzig, als Schloss- und Gutsherr von Gohlis dort einbrachte; s.
Elfriede Leskien: J.G. Böhme, ein Leipziger Bücherfreund des 18. Jhdts. In:
Die Bibliothek und ihre Kleinodien (s. Anm. 88), S. 69-79.- BGSL Sdbd.
2.1951, S. 181 f.
74 Die Bibliothek der Deutschen Gesellschaft kam 1827 an die StB lt.
Mitteilungen der dt. Gesellschaft zur Erforschung vaterländ. Sprache und
Altertümer 10,3. 1910, S. 5-9.
75 Die Becker-Sammlung kam 1856 an die StB; s. Karl Ferdinand Becker:
Alphabetisch und chronologisch geordnetes Verzeichnis einer Sammlung von
musikalischen Schriften. 2. verm. Ausg. Leipzig 1846.
- 175 -
76 Von Front zu Front. Werkzeitung zur Aussprache unter den Mitarb. d. Oberbürgermeisters
d. Reichsmessestadt Leipzig. Schriftw.: VerwOInsp. Karl
Diehm. Jg. 1.1940.
77 In den einschlägigen Zeitschriften und im Leipziger Kalender/Jahrbuch war
die StB in dieser Zeit regelmäßig mit wiss. Abhandlungen und Ausstellungsberichten
vertreten, vorwiegend aus der Feder von Hofmann; daneben auch
Fischer und Weinhold (s. Anm. 114); s. BGSL Sdbd. 4.1967, S. 185-193.
78 In Oldenburg entstand außer dem im LDB 2 genannten Beitrag lediglich der
Kurzbericht von 1948 (s. Anm. 109).
79 Die Geschichte der künstlerischen Darstellung des Buches. Die Fragmente
[masch.] liegen in je einem Exemplar in der HAB Wolfenbüttel und der LB
Oldenburg.
80 Literarisch-geselliger Verein zu Oldenburg. 1839-1989. Festschrift. Bearb. v.
Egbert Koolman. Oldenburg 1989. Darin von Fischer u.a. erwähnt Vortrag Nr.
1579: Zur Geschichte der künstlerischen Darstellung des Buches (mit
Lichtbildern), gehalten am 13.4.1957 u. Nr. 1653; Die Darstellung des Buches
in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jhdts (mit Lichtbildern), gehalten am
24.3.1962.
81 1944 Leiter des Hauptverwaltungsamtes, entspricht Stadtdirektor. (M)
82 Sie war ja mit den Kindern nach Langhennersdorf gezogen.
83 Die Leipziger Verleger Karl Wilhelm Hiersemann (1854-1929) und Anton H.
(1892-1969), der nach Stuttgart übersiedelte; s. BGSL Sdbd. 4.1967, S. 64-
66.- NDB Bd. 9.1972, S. 113 f.- LGB 2, Bd. 3, S. 468.
- 176 -
84 Die Aufstellung nach dem laufenden Zugang im Gegensatz zur systematischen
Aufstellung. Es ist auch unter E. Rothe bei der systemat.
Aufstellung geblieben, so ihr Aufbaubericht 1948 (s. Anm. 109), S. 307.
85 Als erfolgreich erwähnt in E. Rothes Aufbaubericht (s. Anm. 109), S.306.
86 Hermann Deckert (1899-1955), Prof. Dr. phil., Niedersächs. Landeskonservator
seit 1938; s. KGK 7.1950, Sp. 322.
87 Er hat nichts Derartiges hinterlassen. Bücher mit interessanten Einbänden
aber hat er in seinem Dienstzimmer aufgestellt. Nach seinem Ausscheiden
wurden davon 27 Titel in einer Auflistung festgehalten.
87a
Lauber, 15. Jhdt, Schreiber, Handschriftenhändler und Miniaturenmaler in
Hagenau (Elsass), Inhaber einer Schreiberwerkstatt; s. ADB Bd. 18.1883, S.
22 ff., dort unter Diebold wie bei Fischer.- NDB Bd. 13.1982, S. 694 f. u. LGB
1, Bd. 2, S. 299, dort Diebolt.
88 Die Bibliothek und ihre Kleinodien. Festschrift z. 250jähr. Jubiläum der
Leipziger Stadtbibliothek. Hrsg. v. Johannes Hofmann. Leipzig: Hiersemann
1927, 112 S., XII Taf.
89 Fischers Schwiegervater Richard Reisig, Dozent am Pädagog. Institut
Leipzig, geb. 15. 6. 1876, war am 16. 12. 1947 gestorben; s. Brief Nr. 58.
90 Fanny Cleve (1893–1971, dramatischer Sopran) war 1925-1932 an der
Leipziger Oper engagiert (M) und lebte nach ihrer Emigration als
Gesangslehrerin in New York. 1923/24 war sie kurzzeitig mit dem
nachmaligen Verleger Peter Suhrkamp verheiratet.
Sie wurde 1931 von dem spätimpressionistischen Maler Karl Walther (1905-
1981) porträtiert, das Gemälde befindet sich in der Städtischen Galerie
Würzburg. DAVID, Jüdische Kulturzeitschrift, Heft 84, 04/2010.
- 177 -
91 Der Lesesaal wurde am 6.1.1948 eröffnet, so E. Rothe im Aufbaubericht 1948
(s. Anm. 109), S. 307.
92 Dass die Direktorenstelle überhaupt wiederbesetzt werden sollte, ist
unwahrscheinlich. E. Rothe zeichnet im Gegensatz zu Hofmann als Leiterin,
ihr widerfuhr also dieselbe Behandlung wie 1939 schon bei der Besetzung der
ehem. Direktorstelle in Moritzburg. In Leipzig fanden sich bisher (Stand 1994)
keinerlei Akten zur Entlassung Hofmanns und zur Einstellung E. Rothes.
Entsprechend vorsichtig drückt sich Kirchhof (s. Anm. 9) S. 77 aus: „Ab Nov.
1945 wurde durch Empfehlung Beckers (s. Anm. 97) Dr. Edith Rothe zur
neuen Leiterin der StB benannt"(!). (M) Kurze Erwähnung mit Abb. E. Rothes
bei Mannschatz (s. Anm. 8) S. 60, u. Mannschatz (s. Anm. 5 u. 8).
93 Über diese Sammlung ist nichts bekannt. Sie kann nur ein kurzes Leben
geführt haben, denn sie passte nicht in die politische Landschaft. Im
Aufbaubericht von 1948 (s. Anm. 109) findet sich eine Spur davon in dieser
Bemerkung auf S. 308: „Da es hier nicht möglich ist, ausländische Bücher
(außer russischen und französischen) zu beziehen..."
94 Gustav Wustmann (1844-1910), Prof. Dr. phil., 1870 Sekretär, 1881 Leiter der
StB Leipzig; s. LDB 1, S. 291.- BGSL Sdbd. 4.1967, S. 196 f.- LGB 1, Bd. 3,
S. 602.
95 Ernst Kroker (1859-1927), Prof. Dr. phil. u. theol. h.c., an der StB Leipzig
1899-1924; s. LDB 2, S. 172 f.- BGSL Sdbd. 4.1967, S. 194.
96 Felix Wustmann (1907-1985), Bibliothekar an der StB Leipzig, später an der
DB und bis 1985 an der UB Leipzig tätig. (M)
97 Heinrich Becker (1891-1971), Dr. h.c., als Min. Rat im Preuß. Min. f. Volksbild.
1933 entlassen, Prokurist in Leipzig, Sept. 1945 Leiter d. Zentralstelle f. Buchu.
Bibliothekswesen im Volksbildungs- und Kulturamt der Stadt, der ab 1946
- 178 -
auch die städt. Bücherhallen, die StB und die Musikbibl. unterstellt wurden.
Vorsteher des Börsenvereins Dt. Buchhändler in Leipzig, Stadtverordneter; s.
Wer SBZ S. 19.
98 Besonders kritisch äußerte sich K. Rothe auch in seiner Autobiographie (s.
Anm. 4) über Hofmann. S. 96: „Sämtliche Bücherbestände, außer den
Handschriften und Inkunabeln, wurden wegen ungenügender Auslagerung
vernichtet." S. 110 f.: „Die Buchbestände konnten nicht ausgelagert werden,
weil der Betrieb während des Krieges weitergeführt werden sollte. In der
Schreckensnacht war der Direktor mit seinen eigenen Habseligkeiten
beschäftigt, niemand kümmerte sich um die StB. Bei richtigem Einsatz hätte
noch eine Menge gerettet werden können."
99 Der Bibliothekartag der britischen und amerikanischen Doppelzone fand vom
18. bis 20. Mai in Hannover statt. Bericht in: ZfB Jg. 62.1948, S.175-186.
100 Gemeint ist hier und in der Antwort Fischers die Deutsche Bibliothek in
Frankfurt a.M. als politisch bedingte Gegengründung (am 13.12.1946) gegen
die Deutsche Bücherei in Leipzig.
101 Fortan gibt es den (alten) Börsenverein des Deutschen Buchhandels in
Leipzig und den (neuen) in Frankfurt, jeder gibt ein eigenes Börsenblatt für
den deutschen Buchhandel heraus = Leipziger und Frankfurter Ausgabe.
102 Heinrich Uhlendahl (1886-1954), Dr. phil., Generaldirektor der DB Leipzig seit
1938; s. LDB 2, S. 357 f.
103 Hans Wilhelm Eppelsheimer (1890-1972), Prof. Dr. phil., Dir. LB Darmstadt
1929-33, 1946 StuUB Frankfurt, Gründer u. 1. Dir. der Dt. Bibliothek,
Frankfurt, 1946-59; s. LDB 2, S. 69 ff.- LGB 2, Bd. 2, S. 475 f.
- 179 -
104 Karl Hermann (Kaulfuß-)Diesch (1880-1957), Prof. Dr. phil., an der DB Leipzig
1945-47, vorher an der Preuß. SB in Berlin u. ab 1927 SuUB Königsberg; s.
LDB 2, S. 58 f.- LGB 2, Bd. 2, S. 308 f.
105 Georg Leyh (1877-1968), Prof. Dr. phil., Dir.d. UB Tübingen 1921-47.
„Gewaltig", weil die beherrschende bibliothekarische Persönlichkeit der
Epoche; s. LBD 2, S. 193 f.
106 Über Erika Metz, so schreibt Fischer den Namen in seiner Antwort, war nichts
zu ermitteln. (M)
107 Jakob Krause (1531-1586), der bedeutendste Buchbinder, 1566 Hofbuchbinder
des Kurf. August von Sachsen mit Werkstatt im Dresdner Schloss.
Schafft Schweinslederbände mit figürl. Rollen und Platten, auch Kalbslederbände
mit Gold verziert; s. LGB 2, Bd. 4, S. 336.- E. Rothes Arbeit s. Anm.
25.
108 Albert Soergel (1880-1953), Prof. Dr. phil., Mitgl. d. Staatl. Akademie der
Technik; s. KGK 8, 1954, Sp. 2252.
109 ZfB Jg. 62.1948. Darin S. 306-309 v. E. Rothe: Bericht über den Aufbau der
Leipziger Stadtbibl.; S. 309-311 v. Fischer: Oldenburg, Landesbibliothek.
Kriegsschäden u. Wiederaufbau.
110 Darüber E. Rothe: Goethe-Andenken in der Leipziger Stadtbibl. In: Leipziger
Kalender 1949, Okt./Nov. sowie der Teil StB in: Leipzig und Goethe. Führer
durch die Goethe-Ausstellungen der Stadt Leipzig im Jubiläumsjahr 1949 vom
15.5 bis 11.9. Leipzig: Kulturbund 1949, S. 23-27.
111 „Leni“ war zusammen mit Fischer an der DB zur Ausbildung und später dort
Bibliothekarin, Patin von Fischers 3. Sohn Christoph, gestorben ca. 50-jährig
Ende der 50er Jahre.
- 180 -
112 Der folgende Bericht entspricht voll und ganz der späteren Darstellung von
Mannschatz 1990 (s. Anm. 8), der darüber hinaus nur noch einen Namen
nennt: Horst Bunke, Leiter der Leipziger Volksbüchereien, später ltd.
Mitarbeiter der DB , war die treibende Kraft. Deutlicher noch äußert sich M.
2009 (s. Anm. 5), allerdings ohne generellen Nachweis seiner Quellen, über
höchst willkommene Anlässe, die zur Auflösung der StB und zur Entlassung
ihrer Leiterin führten. Was Edith selbst über die „Kellerfunde" berichtet, ist erst
die Folge weiteren Nachsuchens, nachdem die vorher gegebene Begründung
für die fristlose Entlassung Ediths, nämlich die antiquarische Anschaffung
eines „antisowjetischen Machwerks", dem Ministerium für Volksbildung noch
nicht ausreichte. Es ging da um ein angeblich kommunistisch inspiriertes
Attentat auf den bulgarischen König, unzweifelhaft eine unter den gegebenen
Zeitumständen fahrlässige Akquisition. Erst weitere Nachforschungen
lieferten dann die gewünschten Belege für hartes Einschreiten.
113 Gottfried Grellmann, geb. um 1923, ging zunächst nach West-Berlin, studierte
an der FU und später in Hamburg Germanistik, ist verstorben. (M)
114 Im Leipziger Kalender/Leipziger Jahrbuch standen neben zeitpolitischem
Mumpitz auch wertvolle kulturelle Beiträge, viele auch aus der StB bzw. über
sie (von Hofmann, Fischer, Weinhold). Es war also vernünftig, diese Stücke
separiert aufzubewahren.
Darin von H o f m a n n:
Kulturelles Leipziger Allerlei aus der Mitte des vorigen Jhdts. Ein Brief Gustav
Freytags an Heinrich Laube i. J. 1853. 1938, S. 113-117.
Über ein Widmungsexemplar des Weinbrennerschen Entwurfs zu einem
Völkerschlachtsdenkmal. 1939, S. 122-129.
Der junge Nietzsche und die Leipziger Bibliotheken. 1940, S. 52-54.
Die älteste in Leipzig gedruckte Abc-Tafel. 1941, S. 123-125.
Von F i s c h e r:
- 181 -
Über die Leipziger Hauptkirchen im 18. Jhdt. 1938, S. 123-129.
Gewandhaus und Stadtbibliothek und der Mauermeister Seltendorff. 1939, S.
57-60.
Vom alten Gewandhaussaale und seinem Fortleben im kleinen Saale des
Konzerthauses. 1941, S. 105-112.
Von W e i n h o l d:
Geschäftsbriefe von großen Musikern, persönlich und historisch betrachtet.
1940, S. 55-62.
Berühmte Notendrucke in Leipziger Bibliotheken. 1941, S. 119-122.
Neue Handschriftenschätze in der LeipzigerStadtbibliothek. 1943, S. 133-139.
115 Die fristlose Entlassung wurde (so der Bericht einer älteren Kollegin) nach
dem Einspruch Edith Rothes in eine befristete umgewandelt. (M)
116 Das ist Georg Anders (1901-1971), Versicherungskaufmann. Soll aktiver Nazi
gewesen sein, bevor er Kommunist wurde. Nachruf in: Der Bibliothekar. Jg.
26.1972, S. 120. (M)
117 Gemeint ist Herbert Pfitzmann, leitete um 1950 die Bibliothek der DHfK in
Leipzig. (M)
118 Betrifft wahrscheinlich ihre Bemühungen um Übernahme bei der UB Leipzig
bzw. die Mitarbeit an der Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig.
119 Gemeint ist die Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Sdbd. 4, Das
Buch. 1967. Erwähnung Hofmanns u. E. Rothes im Vorwort S. XIII f., Dank an
E. Rothe S. XVI.
120 Friedrich-Adolf Schmidt-Künsemüller (1910-1993), Prof. Dr. phil., Dir. UB Kiel
1959-75; s. JDB Jg. 45.1973, S. 443.
- 182 -
121 In der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie ist kein Nachruf auf
Hofmann erschienen. Fischer hat das Gedenken an seinen alten Chef in
Bremen selber mündlich vorgetragen.
122 Ernst Kyriss (1881-1974), Prof. Dr. phil., Reg.-Baurat a.D., Ehrenmitglied des
Vereins Dt. Bibliothekare wegen seiner einbandkundl. Forschungen; diese bei
Schmidt-Künsemüller (s.T. VIII, 4), über Autorenreg.; s. NDB Bd. 13.1982, S.
357.- LGB 2, Bd. 4, S. 377 f.
123 Das Archiv für Buchbinderei, hrsg. v. E. Klette, hat sein Erscheinen 1944
eingestellt. Fischer irrte sich; der Nachruf steht in: Allg. Anzeiger für
Buchbindereien . Jg. 67.1954, S. 165.
124 Horst Kunze (1909-2000), Prof. Dr. phil., 1949 Dir. UB Halle, Hauptdir. d. Dt.
Staatsbibl. Berlin 1950, Nationalpreisträger der DDR; s. Günther Buch:
Namen und Daten. Biogr. Wichtiger Personen in d. DDR. Bonn 1973, S. 163.
125 Das Zentralblatt für Bibliothekswesen brachte im Jg. 68.1954 auf S. 54 nur
die Todesnachricht, aber keinen Nachruf.
126 Der Erzengel Michael als Sieger über den Drachen. Karolingisch, um 800.-
„Ein Elfenbeinrelief ist das kostbarste Kunstwerk, das die StB besitzt…“, so
Joh. Hofmann: Die StB als Kunstkammer. Leipzig 1937, S. 57. (M)
127 1 kleine Bronzefigur: Hymen auf Weltkugel stehend. 20 cm hoch, vermutlich
Florenz, um 1600. - 1 kleine Bronzebüste: Augustus. 10 cm hoch, dunkel
patin., Italien um 1600, beschädigt. - Die Bronzen (außerdem zwei kleine
Elfenbeinfiguren) wurden dem Städt. Museum für Kunsthandwerk (Grassi-
Museum) 1948 von Edith Rothe als Tauschobjekte gegen Bücher angeboten,
an denen die StB interessiert war. Der Tausch erfolgte mit Zustimmung des
Oberbürgermeisters Dr. Zeigner und nach vorher erfolgter Schätzung durch
Sachverständige. (M)
- 183 -
128 Etwa „Stilanalysen am Einband“ in: Jahrbuch der Einbandkunst. Bd. 4.1937,
S. 95-114. Darin S. 131-145 auch von Fischer: Die Stellung der dt. wiss.
Bibliotheken zur Einbandforschung.
129 Frings war als Sekretär der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst
Präsidiumsmitgl. d. Akademie, Prof. in Leipzig seit 1927, Nationalpreisträger
der DDR; s. BGSL Sdbd. 2.1961, S. 217 f.- Wer SBZ S. 67.
130 In Memoriam (s. T. VIII, 4). Darin S. 5-9 Edith Rothe: Wolfgang Fischer als
Famulus bei Albert Schramm. S. 10-19 Liesbeth Weinhold: Wolfgang G.
Fischer und die alte Leipziger Stadtbibliothek.
131 s. Anm. 5.
132 s. Anm. 4.
133 s. Anm. 13.
134 Bestätigt durch die Feststellung: „Versteigerung eines Teils der bei den
Abfindungsverhandlungen erlangten Kunstgegenstände dienten nun zum
Beschaffen der für den Umbau benötigten Mittel“, in: Hans-Günther
Hartmann: Moritzburg. Schloß u. Umgebung in Geschichte u. Gegenwart. 2.,
überarb. Aufl., Weimar 1990, S. 243. Über die Bibliothek sagt dieses reich
ausgestattete Werk außer wenigen Zeilen auf S. 245 nichts aus, und schon
gar nichts im Kapitel „Moritzburg am Ende des Hitlerfaschismus“.
135 Heidelberg, den 12. Jan 1984, masch.; jetzt in der LB Oldenburg.
136 Die Bibliothek der Sekundogenitur geht auf eine Stiftung (1767) der Kurfürstin
Maria Antonia zurück, Tochter des Kaisers Karl VII. Die vereinigten
Bibliotheken wiesen nach einer vorsichtigen Schätzung Edith Rothes (s. Anm.
138, S. 6) 50- 60.000 Bände auf. Daraus, dass vor der Vereinigung 65.000 +
35.000 Bände vorhanden sein sollten, ist das Ausmaß der Bestands-
- 184 -
reduzierung erkennbar, für die es – dies eine indirekte Ableitung aus E.
Rothes Bericht – eben auch räumliche Gründe gegeben hat. Im JDB werden,
nur für den Teil Sekundogenitur, zwischen 1929 und 1939 „rd. 60.000“
genannt, „davon (1931) rd. 15.000 katalogisiert“, danach „rd. 70.000“.
137 JDB Jg. 21/22.1931, S. 52.
138 Edith Rothe: Die Bibliothek auf Schloß Moritzburg. In: Archiv f. Schreib- u.
Buchwesen. Jg. 3.1929, S. 1-6 mit 4 Abb. Dieser Aufsatz ist (zu Recht), da
Moritzburg betreffend, nicht in das Literaturverzeichnis zur Bibl. der
Sekundogenitur eingegangen in: Bibliographie zur Geschichte der Stadt
Dresden. Hrsg. v. d. Histor. Kommission d. Sächs. Akademie d. Wiss. Bd. 3,
Dresden 1981 S. 82. Er fehlt aber auch unter Moritzburg bei
Bemmann/Jatzwauk: Bibliographie zur sächsischen Geschichte. Bd. 3, T.2,
Leipzig 1932. Weitere Lit. z. Bibl. der Sekundogen. bei Julius Petzholdt
[Hrsg.]: Handbuch deutscher Bibliotheken 1853, S. 105 f.- Ders. Hrsg.:
Adreßbuch der Bibliotheken in Deutschland… Neu hrsg. 1875, S. 113.
139 Erwin Hensler (1882-1935), Dr. phil., Dir. d. Bibl. d. Sekundogenitur u. d.
Kunstsammlungen d. Sächs. Königshauses seit 1924; s. LDB 2, S. 121.-
Hartmann (s. Anm. 134), S. 293 Reg.
140 Ernst Heinrich Prinz von Sachsen: Mein Lebensweg vom Königsschloß zum
Bauernhof. München 1968, S. 191 ff.
141 Edith Rothe: Beobachtungen während einer viermonatlichen [nein: viermonatigen]
Volontärzeit an der Bibliothèque Nationale in Paris. In: ZfB Jg.
48.1931, S. 551-563
142 s. Anm. 4.
143 Brief s. Anm. 135.
- 185 -
144 Heidelberg, den 26. März 1984, masch.; jetzt in der LB Oldenburg.
145 Julius Petzholdt (1812-1891), Dr. phil., Bibliothekar des Königs Johann von
Sachsen (s. Anm. 159) u. Berater bei dessen Danteforschung 1839-53,
Bibliograph; s. LDB 1, S. 191.- LGB 1 Bd. 3, S. 3. Vgl. auch Anm. 146, 159.
146 In Zusammenhang mit seiner Arbeit über Julius Petzholdt, die zunächst als
Diss. Berlin 1984 u.d.T. „J.P. 1812-1891: sein Beitrag zur Entwicklung von
Bibliographie, Bibliothekswissenschaft u. Bibliothekswesen in Deutschland“
erschien, dann 1987 in Leipzig gedruckt als „J.P. Wegbereiter für
Bibliographie u. Bibliothekswesen im 19. Jhdt“ (ZfB Beih. 95). Über P. waren
Mühlner und E. Rothe in Kontakt gekommen, denn auch sie hatte ja über ihn
gearbeitet, in: ZfB Jg. 68. 1954, S. 194-202.
147 Mühlner an Barton v. 29.12.1990.
148 Ernst Heinrich Prinz v. Sachsen (s. Anm. 140), S. 273 f.
149 Die Adresse der Bibliothek der Sekundogenitur lautete (s. JDB Jg. 19.1929)
Brühlsche Terrasse 3, Dresden. Es handelte sich um das Gebäude der alten
Akademie, das Ende des 19. Jhdts vom Staat dem Königshaus zur Verfügung
gestellt und nun nach Auseinandersetzungen zurückgefordert wurde.
150 Erwin Hensler, s. Anm. 139.
151 Diese Beschäftigung führte zum Beitrag d. Anm. 25.
152 s. Anm. 138.
153 s. Anm. 21.
154 Edith schreibt tatsächlich einen nicht gerade sicheren und ausgefeilten Stil.
Das mag für Briefe zwar hingehen, für wissenschaftliche Publikationen aber
wäre eine Anhebung wünschenswert. In diesem Punkte ist Fischer ihr stark
- 186 -
überlegen, und er kann sie, falls sie von ihm gelinden Widerspruch erwartet
haben sollte, eigentlich nicht getröstet haben. Hinzu kommen bei Edith
mundartliche Absonderlichkeiten und Fehler in Rechtschreibung und
Zeichensetzung.
155 Die vereinigte Bibliothek war auf Schloß Moritzburg in drei Stockwerken des
hinteren linken, des sogenannten Backturms, untergebracht, so Edith (s.
Anm. 138), S. 1.
156 s. Anm. 138.
157 Theuerdank = die allegorische Schilderung der Brautfahrt und Werbung des
Kaisers Maximilian I. um Maria von Burgund; an der Abfassung waren außer
dem Kaiser auch Siegmund von Dietrichstein und Marx von Treytzsauerwein
vornehmlich beteiligt. Die Pergamentausgabe (Nürnberg 1517) gehört zu den
schönsten und kostbarsten Büchern, die je in Deutschland entstanden.
Weitere Ausgaben 1519 und 1537; s. LGB 1, Bd. 2.1936 s.v. Maximilian I.
158 Prinz Ernst Heinrich, geb. 9.12.1896, Sohn des Königs Friedrich August III.;
W.K. Prinz von Isenburg: Stammtafeln zur Geschichte europäischer Staaten.
2., verb. Aufl. Bd. 1.2.1960, Taf. 56. Nach seinen Memoiren (s. Anm. 140)
scheint er für die Bibliothek tatsächlich kein großes Interesse gehabt zu
haben, denn sie erfährt auf S. 233 (Umzug 1929), 273 (Verlust der
Handschriften und Inkunabeln) und indirekt S. 289 (Plünderung in Moritzburg)
jeweils nur kurze Erwähnung.
159 Philalethes. Das ist König Johann von Sachsen (1801-1873), der die Divina
Commedia Dantes metrisch übersetzte und mit kritischen und historischen
Erläuterungen versah. Dreibändiges Werk, Leipzig und Dresden, in mehreren
Ausgaben; die erste von 1839 kam nicht in den Buchhandel. Für diese seine
wissenschaftliche Liebhaberei hatte sich der Monarch mit Hilfe seines
Bibliothekars Petzholdt (s. Anm. 145) seine umfassende Dante-Spezial-
- 187 -
sammlung aufgebaut; darüber auch Edith Rothe (s. Anm. 138), S. 4. Diese
Dante-Sammlung wurde damals nicht, wie Edith befürchtete, verkauft. Sie
selbst erarbeitete und veröffentlichte (Weimar 1942) auch den „Katalog der
Dante-Bibliothek des Königs Johann von Sachsen“ (Schriften der Dante-
Gesellschaft. 7). Eine frühere Titelaufnahme war erfolgt durch Julius
Petzholdt: Catalogus bibliothecae Danteae … Lipsiae 1882.
160 s. Anm. 138.
161 Sofie (Sophie), Tochter des Großherzogs Wilhelm von Luxemburg, geb. 14. 2.
1902, verh. mit Prinz Ernst Heinrich von Sachsen (s. Anm. 158) am 12.4.1921
(Isenburg ebda), gest. 24.5.1941.
162 Diese von Edith als verletzend empfundene Behandlung ist eigentlich
unerklärlich, es sei denn, man nähme an, dass irgendein Hofbeamter dem
Prinzenpaar und Edith Verlegenheit ersparen wollte, aber welche und warum?
Steckt da vielleicht der von Edith verachtete und vom Königshaus geschätzte
Bibliotheksdirektor Hensler (s. Anm. 139) dahinter? Unfreundliches Verhalten
passt auch ganz und gar nicht zum Erscheinungsbild eines Prinzen, der in
seinen Lebenserinnerungen an seinem Vater, dem König, joviales und
undistanziertes Verhältnis zu seinen Landeskindern rühmte. Sollte er selbst
so weit davon abgewichen sein? Es ist wohl eher – wie schon festgestellt –
so, dass er an der Bibliothek kein Interesse hatte. Warum sollte er dann eine
„aufsässige“ Bibliothekarin aufsuchen?
163 Armenbibel: 1. Volkstümliche Bezeichnung für verschiedene im 14./15. Jhdt.
kursierende Bücher mit Auszügen aus der Bibel und Erklärungen zu ihr,
gedacht sowohl für arme Geistliche, die sich keine Bibel kaufen konnten, wie
auch für die „Armen im Geiste"… als bildlich-lehrhafte Zusammenstellung der
biblischen Geschichte; 2. Spezielle Bezeichnung (lat. "Biblia pauperum") für
das vermutliche Ende 13. Jh. in Klosterkreisen entwickelte beliebteste
- 188 -
typologische Erbauungsbuch des späten Mittelalters (Lexikon der Kunst,
Leipzig, Bd. 1.1968, S. 134 f). Hier handelte es sich um den Typ 2:
Typologisches Bilderbuch, in dem je einer Szene aus dem Leben Christi zwei
entsprechende Motive aus dem Alten Testament gegenübergestellt werden.
Der Name B.P. ist nicht ganz angemessen, statt dessen ist biblia picta oder
biblia parabolica vorgeschlagen worden; LGB 2, Bd. 1, S. 563 f.). Darüber
schrieb Edith Rothe: Eine unbekannte Biblia Pauperum der Schloßbibliothek
Moritzburg. In: Archiv für Schreib- und Buchwesen. Jg. 3.1929, S. 160-173.
164 Ernst Steinmann (1866-1934), Prof. Dr. phil., Dir. der Bibl. Hertziana in Rom,
Kunstwissenschaftler; s. LDB 2, S. 336 f.
165 Anfang eines Gedichts von Walther von der Vogelweide. In der Ausgabe von
Peter Wapnewski, Frankfurt: Fischer 1984 die Nr. 33/I, von Hubert Witt,
Berlin: Rütten & Loening 1979 auf S. 304. Die Akzentsetzung Edith Rothes ist
von anderen Vorbildern bestimmt.
166 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, was dieser Name hier bedeutet. Nur der
Zusammenhang legt nahe, in Heino einen besonderen Grund für Ediths Angst
vor der Rückkehr nach Leipzig zu sehen. War er ein unangenehmer Kollege
oder ein zudringlicher Verehrer? Das JDB führt in Leipzig keinen Bibliothekar
mit dem Vornamen Heino auf, mit Heinrich dagegen viele. Es wäre reine
Spekulation, ihn etwa in Heinrich Needon (LDB 2, S. 230) zu sehen, in einer
Abkürzungsform ähnlich der, die Edith für Fischer („Wo-Fi") gebrauchte.
167 Die Ausstellung wurde gespeist aus der Sammlung Stumme; s. Anm. 70+71.
168 s. Anm. 34.
169 Bücherverzeichnis der Alpenvereinsbücherei. Nachtrag (bis 1930). Bearb. v.
Edith Rothe unter Leitung v. Herm. Bühler. München 1939.
170 Annemarie Meiner (s. Anm. 5), S. 2561.
- 189 -
171 Annemarie Meiner (s. Anm. 5), S. 2562.
172 Mannschatz, nicht erschienen als T. 2 von „Großens Testament“, sondern in
anderer Form (Anm. 8 Ende u. Anm. 5 Ende).
173 Sonderbd. 1-4. Leipzig: Verl. f. Buch- u. Bibliothekswesen 1957-67.
174 Berlin: Union Verl. 1966, 300 S. Bildaufn. v. K.G. Beyer.
175 Annemarie Meiner (s. Anm. 5), S. 2561.
- 190 -
VII. Nachwort 2010
Es ist unbestreitbar: Wer mit der alten Stadtbibliothek Leipzig zu tun hatte, zeigte
sich tief beeindruckt, ja geradezu für sein Leben geprägt von ihrer Solidität und
Schönheit, und das um so mehr, je weiter entfernt er von Leipzig lebte. Bei Fischer
war dieses Gefühl mehr als Nostalgie. Es äußerte sich in langjährigen Zweifeln, ob
er recht damit tat, nicht dorthin zurückzukehren. Dieses quälende Hin und Her zog
sich durch den gesamten Briefwechsel der frühen Oldenburger Jahre und wurde
auch durch die entschiedene Gegenargumentation Edith Rothes nicht nachhaltig
beeinflusst, jedenfalls nicht in der brieflichen Ausprägung.
Bei der Korrespondenz unter ehemaligen Leipzigern mag da wohl in der Erinnerung
ein Übermaß an Verlustempfinden entstanden sein, das die Magyaren so ausdrückten:
Extra Hungariam non est vita.
Si est vita, non est ita.
(Außerhalb Ungarns gibt‘s kein Leben. Wenn doch, ist‘s nicht so = ist’s ganz anders.)
Dieselbe Übertreibung scheint auch hier zu herrschen; man gibt sich rückblickend
nostalgisch-sentimental in der Erwartung, dass auch der Empfänger so empfindet.
Dieses Gefühl offenbart sich eben besonders auffällig im Briefverkehr; im
dienstlichen Alltag Fischers fand es nur wenig Ausdruck, oder mehr allgemein im
Lob der „guten alten Zeit“, mit der verglichen die Gegenwart immer schlecht abschneidet,
gerade in den Nachkriegsjahren.
Man spürt solche Anhänglichkeit in den liebevollen Bezeichnungen für die
Stadtbibliothek Leipzig: Unsere gute alte (Edith R., Nr. 66), schöne alte (Fischer Nr.
2 u. 72), geliebte alte (Fischer, Nr. 71), wobei „alt“ eben nicht nur als reich an Jahren
zu verstehen ist, sondern auch als vertraut.
- 191 -
Keine derartig liebevolle Bezeichnung findet sich bei Fischer für die Landesbibliothek,
dafür die sachliche Beurteilung längst nicht so schön und wertvoll (Nr. 71
Ende, ähnlich auch Nr. 69). Sie war ihm noch nicht im selben Maße ans Herz
gewachsen, schon deshalb nicht, weil sie ihm nicht Geborgenheit und Fortsetzung
seiner wissenschaftlichen Arbeit der Leipziger Zeit ermöglichte. Seine Hoffnung,
auch in Oldenburg wertvolle Bucheinbände vorzufinden, die er zunächst provisorisch
erfassen und beschreiben wollte (Nr. 47), erfüllte sich nicht. Er musste sich also ein
anderes Arbeitsziel setzen, aber auch das, „sein Buch“, entglitt ihm über Jahre hin.
In der Zeit dieses Briefwechsels musste die Landesbibliothek gegenüber dem
idealisierten Erinnerungsbild der Stadtbibliothek Leipzig schlechter abschneiden.
Hier ein zweckmäßiges, aber schmuckloses Gebäude, bislang ohne die volle
Nutzungshoheit, ein Provisorium mit zurechtgezimmerter Nachkriegseinrichtung,
zugigen Klappfenstern mit Schiebearmen im Stahlrahmen. Dort eine in städtischem
Wohlstand über Jahrhunderte gewachsene Schönheit äußer- und innerlich.
Doch die Schönheit ist verglüht, unwiederbringlich verloren. Bei allem Schmerz über
den Verlust hielt Fischer den Versuch, die Stadtbibliothek zu neuem Leben zu
erwecken, für falsch (Nr. 54 Anf.), und der scheiterte ja auch zwangsläufig. Dass
dieser Untergang kulturpolitisch gewollt war, ist unbestreitbar. Andererseits hat auch
Hofmann mit seiner Überbetonung der Ausleihfunktion bis in die letzten Wochen vor
der Katastrophe hinein folgenschwer dazu beigetragen. Was danach wieder
beschafft und den Benutzern angeboten werden konnte, war Ausleihliteratur. Der
eigentliche historisch-überzeitliche Bestand, der eine wissenschaftliche Stadtbibliothek
ausmacht, war verloren. Unter diesen Umständen kann man sogar
Verständnis dafür finden, dass der Versuch einer Neubelebung abgebrochen wurde
und die Überführung in eine anders strukturierte städtische Einrichtung erfolgte.
Fischer und seine Freunde mochten für die Konsequenz vielleicht Verständnis
finden, nicht jedoch für die Umstände, unter denen das geschah (Nr. 66).
- 192 -
Für die emotionale Bindung an die alte Stadtbibliothek gab es Gründe, besonders für
Fischer. In Leipzig fand er eine geordnete Institution vor, die reichlich Objekte und
Zeit für wissenschaftliches Arbeiten bot. In Oldenburg traf er zunächst auf nur
schwaches dienstliches Leben, musste als Verantwortlicher erst die Voraussetzungen
für eine Neubelebung schaffen und improvisieren. Und das zog sich über
Jahre hin.
In Leipzig schien ihm nicht nur vieles besser, es war tatsächlich so. Dafür diese
Beispiele: Die Stadtbibliothek veranstaltete regelmäßig Ausstellungen, an denen
Fischer sich gern beteiligte. An der Landesbibliothek fand er keinen Zugang mehr
dazu. Am Eingang zur Ausleihe stand eine Schrankvitrine, in die er ein paar
Folianten gestellt hatte, ohne Erläuterungen dazu. Und die bildeten nun, Jahr um
Jahr unverändert, eine Art Dekoration. Ausstellung ist etwas ganz anderes.
Sodann die Sekretärinnen: Fischer selbst war in Leipzig Bibliotheks-Sekretär, wusste
also, was man in dieser Funktion leisten kann und muss. Solch gediegenes Niveau
konnten seine Helferinnen nicht bieten. Sie fabrizierten als reine Schreibkräfte
Tippfehler über das übliche Maß hinaus, die er dann, mit Hand verbessert,
hinausgehen ließ, wobei der Durchschlag oft unverändert blieb – für einen Ästheten
wie Fischer eine schmerzliche Notwendigkeit.
Sodann die Freuden geistig-wissenschaftlicher Arbeit, in Leipzig die Quelle seiner
Zufriedenheit, warum versiegte sie in Oldenburg? Dass er hier seine früheren
Einbandforschungen nicht würde fortführen können, weil in der Landesbibliothek
entsprechende Objekte fehlten, merkte er bald. Aber wieso hat er wohlwollend
verfolgt, dass sein Stellvertreter sich eigene Interessenbereiche suchte
(Bibliotheksgeschichte, Pressebibliographie) und Ergebnisse publizierte, während er
selbst für sich dienstlich nur wenige Domänen reklamierte: die direktoriale
Außenvertretung der Bibliothek, Personal- und Haushaltsplanung, Leitung der
- 193 -
Staatlichen Fachstelle für das Büchereiwesen, Anschaffungsentscheidung nach den
wöchentlichen Kaufsitzungen zu dritt. Dazu kam als liebgewordene Gewohnheit der
von Zeit zu Zeit eingenommene Nachmittagstee beim Buchhändler Ebel.
Von seiner Herzensangelegenheit, „seinem Buch“ über die Darstellung des Buches
in der Bildenden Kunst, sprach er viel, kam aber über all die Jahre hin damit nicht
entscheidend voran. Alle Mitarbeiter wussten, was er vorhatte, alle warteten auf ein
gutes Ende und glaubten schließlich, je mehr Zeit verging, doch nicht mehr so recht
daran. Sie wussten, dass eine Sekretärin in temporärem Irresein Unterlagen und
Sammelmappen von ihm verbrannt hatte, darunter auch Notizen und Belege für sein
Buch. Dieser Schlag hat ihn schwer getroffen und zurückgeworfen; dennoch hat er
weitergemacht und einzelne Teile konzipiert und in seinen Volkshochschulkursen
vorgetragen. Die Kraft zum Abschluss aber hat er nicht mehr gefunden.
Es besteht eine gewisse Tragik darin, dass Fischer den Möglichkeiten, die er in
Leipzig – vielleicht – gehabt hätte, so lange nachhing, dann aber, als sich solche
Gedanken als Utopie erwiesen, es nicht mehr schaffte, aus seiner Landesbibliothek
mehr Ertrag für seine wissenschaftliche Arbeit zu ziehen. Um es deutlicher zu sagen:
Der Wissenschaftliche Bibliothekar Dr. Fischer hat als Bibliothekar all das getan und
erreicht, was man von einem Bibliotheksdirektor erwarten kann, als Wissenschaftler
hat er die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht.
Was bleibt nun? Da steht noch, jetzt fremdgenutzt, das Zeughaus in der Ofener
Straße, das der schwer angeschlagenen Landesbibliothek über vier Jahrzehnte
Unterkunft bot. Da lebt, nachdem die Stadtbibliothek Leipzig nur noch langsam
schwindende Erinnerung darstellt, die Landesbibliothek Oldenburg aktiver denn je im
größeren Domizil am Pferdemarkt. Nur wenige der Mitarbeiter waren noch im
Zeughaus tätig, keine(r) von ihnen aber hat die primitiven Anfänge dort mitgemacht.
- 194 -
Um so mehr gilt festzuhalten: Wie die Stadtbibliothek Leipzig war auch die
Landesbibliothek Oldenburg durch die Kriegsereignisse im Fortbestand gefährdet,
wenn auch nicht im selben Maße. Aber es gab Begehrlichkeiten und Zugriffswünsche
auf die geretteten Bestände oder Teile davon. Dass es nicht dazu kam, ist
dem Manne zu verdanken, der die auf verschiedene Notunterkünfte verstreuten
Bestände im Zeughaus zusammenführte, der mit zunächst dürftigem Etat und unter
vielen Einschränkungen einen effizienten Bibliotheksbetrieb schuf, der eine geliebte
Bibliothek verlor, aber eine andere, in harter Arbeit wieder zum Leben erweckt,
gewonnen hat.
Diese Bibliothek, die er durch den Zufall seiner letzten Stationierung am Kriegsende,
man kann auch sagen schicksalhaft fand, hatte nicht denselben Charakter wie die
verlorene schöne Stadtbibliothek, war auch nicht so gediegen ausgestattet wie die,
war weder so alt noch so museal ausgerichtet, aber eines hatten sie gemeinsam: Sie
waren beide vorübergehend im Zeughaus untergebracht. Fischer wird sich in
Oldenburg gewiss an das erinnert haben, was er selber als Stadtbibliothekar in
Leipzig aus Akten eruiert und publiziert hatte 1 : Die Stadtbibliothek war von 1711 bis
1744 „im Zeughaus am alten Neumarkt“ untergebracht, bevor sie ihren würdigen
Platz im Gewandhaus erhielt. Und er selbst konnte ja Unterkunft und Asyl in der
Ofener Straße erstreiten und ausbauen. Auch solche Gemeinsamkeit verbindet ein
Leben lang.
Dr. Wolfgang Günther Fischer hat in Leipzig gern und mit wissenschaftlichem Ertrag
am Leben einer schönen alten Bibliothek teilgenommen. Die in Oldenburg hat er ins
Leben zurückgeführt, aber um den Preis des Verzichts auf eigenen wissenschaftlichen
Ertrag. Auf seine Leistung konnte er stolz sein. Befriedigende Arbeit im
schönen, angenehmen Ambiente hinterlässt, wie in Leipzig, nachhaltigen Eindruck.
Harte Arbeit unter schwierigen Umständen, wenn sie denn zum Erfolg führt,
- 195 -
verbindet Mensch und Sache mindestens ebenso stark. Und so fand Fischer
schließlich seinen Frieden in und mit der guten alten Landesbibliothek.
WGF ~ 1962
In Leipzig aber hat man Fischer die tiefe Verbundenheit mit der Stadtbibliothek nicht
gedankt; nicht nach dem Kriege, als Gerüchte über vermeintliche Gründe für eine
fehlende Rückkehrbereitschaft gestreut wurden; und auch heute nicht, so der
Eindruck, den man aus einer reich ausgestatteten Publikation gewinnen kann, die
aus Anlass der 2008 erfolgten Übergabe der geretteten Sonderbestände der alten
- 196 -
Stadtbibliothek an die Universitätsbibliothek Leipzig und einer daraus resultierenden
Ausstellung entstand 2 . Im Literaturverzeichnis werden Arbeiten u.a. von Johannes
Hofmann und Liesbeth Weinhold aufgeführt, die einbandkundlichen und baugeschichtlichen
Studien von Fischer, die doch ebenso für die Stadtbibliothek zeugen,
aber nicht genannt.
Von diesem Versäumnis abgesehen, betrachte ich den geschmackvoll gestalteten
und instruktiven Band, der zur Hälfte einen Abriss der Lebensgeschichte der
Stadtbibliothek bildet und zur anderen Hälfte eine Überschau über die geretteten
Pretiosen, als maß- und stilgebend in der Frage nach Illustrierung jeder weiteren
Arbeit zum Thema Stadtbibliothek, auch dieser meiner eigenen. Von nun an könnte
jeder Versuch solcher Art nur noch Wiederholung von dort vorgegebenem bedeuten,
abgesehen vielleicht von noch möglichen Fundstücken aus dem Familienbesitz
Fischer und dem Nachlass Edith Rothes in der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Im 4. Kapitel von Teil I dieses schönen Bandes fasst Hans-Christian Mannschatz
seine bisherigen Studien über die letzten Jahre der Stadtbibliothek zusammen und
ergänzt sie durch weitere Forschungsergebnisse 3 , bedient sich dabei auch reichlich
aus meinem Grundentwurf von 1994, wobei er den Nachweis dafür in einer
klitzekleinen Randnotiz (S. 85) geradezu versteckt. Und dann überrascht er – nicht
nur im Titel – mit der These, die Stadtbibliothek lebe noch oder wieder. Ganz im
Sinne Fischers sehe ich das anders: „Leipziger Städtische Bibliotheken“, so der
Name des kommunalen Nachfolgers und Herausgebers neben der staatlichen
Universitätsbibliothek, sind eben nicht mehr die „Leipziger Stadtbibliothek“ von
ehedem. Und so bedeutet die offizielle Übergabe ihrer verbliebenen Schätze an die
Universitätsbibliothek eher die späte, aber doch endgültige Bestätigung des
Untergangs dieser einmaligen Institution, und die reiche Bebilderung zeigt ebenso
nur den Abglanz einer vergangenen Herrlichkeit, an der Fischers Herz so treu und
beständig hing.
- 197 -
1 Wolfg. G. Fischer: Gewandhaus und Stadtbibliothek und der Mauermeister
Seltendorff. In: Leipziger Jahrbuch 1939, S. 57-60.
2 Leipziger, Eure Bücher! 12 Kapitel zur Bestandsgeschichte der Leipziger
Stadtbibliothek. Hrsg. V. Thomas Fuchs u. Christoph Mackert. Leipzig 2009. -
Der Untertitel bezieht sich auf die Gliederung des Ausstellungsteils.
3 Hanns-Christian Mannschatz: Wie viele Leben hat eine Bibliothek?
Die Leipziger Stadtbibliothek 1943 bis 1964. In Leipziger... (wie Anm. 2),
S. 84 - 105.
- 198 -
VII.b Nachwort 2013
Wenn sich ein Schaffensprozess durch persönlich oder beruflich bedingte
Unterbrechungen über Jahre hinzieht, „droht Erschlaffung“, bei mir – nach Hermann
Hesse („Stufen“) – wegen fortschreitender „lähmender Gewöhnung“ an die nun
schon fast zwei Jahrzehnte und doch unvollendbar scheinende Arbeit an der
Fischer-Korrespondenz. Zwischendurch ein hoffnungsvolles Zwischenhoch, das
2010 wieder einer gewissen Resignation Platz gab, weil ich beim gedanklichen
Austausch mit meinem Partner nicht schnell genug voranzukommen schien. Da aber
war er es, der mich wieder „bereit zum Aufbruch“ brachte.
Jetzt, da die „Reise“ endlich gesichert scheint, gebe ich meiner Freude darüber
Ausdruck durch den besonderen Dank an den Gefährten, der mich über die
vergangenen vier Jahre hin auf dem Weg begleitete, den ich fast schon für einen
Holzweg gehalten und mich anderen Zielen zugewandt hatte.
Burckhardt Fischer, den ich nur als kleinen Jungen kannte und erst später wirklich
kennen und schätzen lernte; der in treuem Gedenken an seinen Vater dessen
Lebensgeschichte zu schreiben begonnen hatte und diesen „Weg zum Buch“
zunächst unterbrach, um mich in sein Anliegen einzubinden; der vielleicht noch mehr
von mir erwartete, als ich in meinem hohen Alter noch geben konnte, und der
trotzdem auf mich setzte; der mich während meiner Arbeit nicht bedrängte und nur
gelegentlich andere Sichtweise andeutete.
Ihm danke ich aufrichtig dafür, dass er, selbst in hohem Maße gestresst, mich über
die Hürden brachte, indem er Vorschläge machte, Erinnerungen beisteuerte,
Abbildungen und Dokumente beschaffte oder eigene zur Verfügung stellte; der das
Angebot zur Ko-Autorschaft ausschlug und dennoch an Bebilderung und
Dokumenten-Anhang engagiert mitarbeitete. Ohne ihn wäre ich wohl stecken
geblieben.
- 199 -
Geleitwort des secretarius, nebst ergänzenden Hinweisen
Das vorstehende Schlusswort des Autors habe ich um seine Danksagung gekürzt,
da uns wiederum fast zwei Jahre lang eine neuerliche Bearbeitung des Vorliegenden
nicht möglich war.
Dieses Buch entspringt der Feder von Professor Walter Barton. Seine Enttäuschung
schmerzt mich, dass ich eine Erwähnung als Ko-Autor unangemessen finde. Wie
könnte ich aber, als sozusagen Handwerker an Bildern nur, neben den Geisteswissenschaftler
und Mann des Wortes treten.
Zweifellos hätte ich mir noch Ergänzungen und weitere Forschungen zu im Text
angerissen Themen vorstellen können: zu den Erwerbungen der Leipziger
Stadtbibliothek während des Krieges, insbesondere aus jüdischem Besitz.
War dieses zur Entstehungszeit der Texte kurz erst nach der Wiedervereinigung
schon aufgrund nur schwer erschließbarer Quellen im Rahmen dieser Arbeit
schlechterdings kaum leistbar, so liegen inzwischen einige Arbeiten hierzu vor, und
es kann, muss auf diese verwiesen werden. 1
1
Neben anderen z. B.: Stadtgeschichte Jahrbuch 2007, Mitteilungen des Leipziger
Geschichtsvereins e.V., Hrsg. Markus Cottin, Detlef Döring, Cathrin Friedrich, darin
- Monika Gibas, „Arisierung“ in Leipzig: Verdrängt. Beraubt. Ermordet.
- Irene Lawford-Hinrichsen, Die „Arisierung“ des Musikverlages C. F. Peters Leipzig und
seine Folgen für die Hinrichsen-Familie.
- Cornelia Briel, Die Reichstauschstelle und der Wiederaufbau der Leipziger Stadtbibliothek
nach dem Luftangriff auf Leipzig am 3. Dezember 1943.
- 200 -
Auch wäre vielleicht denkbar gewesen, stärker auf den Nachlass von Dr. Edith Rothe
einzugehen, zum Beispiel auf ihren besonderen Bildungsweg u.a. an der Freien
Schule Wickersdorf 2 bei Saalfeld, aus dem heraus vielleicht ein Teil ihrer Biographie
verständlicher würde, war diese Anstalt doch – in wahrhaft mehrfacher Hinsicht – die
„Odenwaldschule“ der Weimarer Republik, und gab es für die Tochter des
Oberbürgermeisters sicherlich Gründe, gerade dorthin zu gehen.
Umso dankbarer bin ich dem Autor für sein Verständnis zur Ergänzung seiner Arbeit
mit einigen, in solchem Zusammenhang noch nicht erschlossenen Abbildungen der
„Bomberfotos“ zum Schicksal aller 3 beschriebenen Bibliotheken.
Nicht aufnehmen durfte ich den Vorschlag zu dem von ihm geforderten Hochzeitsfoto
meiner Eltern, wiewohl aus meiner Sicht prägnant: immer knapp in der Zeit,
doch mit Anstand die Feste gefeiert, wie sie fielen. Zusammen, mit Stil.
Lieber Herr Barton: ich danke Ihnen für dieses Buch und für Ihr Zutrauen.
Weihnachten 2015
Burckhardt Fischer
2
Zitiert nach Wikipedia:
Die Freie Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld am östlichen Rande des Thüringer
Waldes war eines der wichtigsten reformpädagogischen Schulprojekte in Deutschland. Im Herbst
1906 von einer Gruppe „Pädagogischer Rebellen“ um Paul Geheeb, August Halm, Martin
Luserke und Gustav Wyneken gegründet, bestand die Internatsschule bis 1991.
- 201 -
Anhand verschiedener Nachfragen ergänzende Anmerkungen zu WGF (B. Fischer)
Stellung W. G. Fischer´s zum Nationalsozialismus [vgl. 53, Rothe, S. 102]
Irgendwelche Aussagen oder Dokumente mit konkreten Hinweisen zu Fischers
politischer Einstellung oder gar Bindungen konnten trotz intensiver Recherche
bislang nicht gefunden werden.
Die Bewertung Rothes hinsichtlich einer völlig fehlenden Eignung Fischers für alles
„Militärische“ dürfte weitgehend geteilt werden, für seine Kinder war auch eine
zumindest große Distanz ihrer Eltern zum Nazi-Regime völlig unstreitig.
Letztere Wahrnehmung beruht aber natürlich auf den klaren und eindeutigen
Erfahrungen der Nachkriegszeit. Konkret und objektiv zu fassen sind hierbei neben
den relativ intensiven politischen Diskussionen im Familienkreis insbesondere zwei
für Fischer tief bewegende Erlebnisse, die zu lebenslangen Freundschaften und
recht lebhaftem Austausch führten:
- Sein Aufenthalt in der britischen Tagungsstätte – zunächst „Umerziehungs-
Lager“ – Wilton Park wahrscheinlich etwa 1950/51.
Von dem geistigen Austausch und der Aufbruchserfahrung dort erzählte der
ansonsten recht schweigsame Vater noch Jahrzehnte danach.
- Seine Rundreise zu Bibliotheken in den USA im Rahmen einer Fachtagung
1952, mit entsprechenden Eindrücken und insbesondere einem neuen
Interesse an der modernen amerikanischen Architektur.
Ein gewisser Druck auf Fischer, sich nach der Machtergreifung vielleicht nicht offen
gegen nationalsozialistisches Gedankengut zu positionieren, könnte nicht nur von
Seiten seines Vorgesetzten und Mentors an der Stadtbibliothek bestanden haben:
sein Vater war bei aller familiärer Liberalität letztendlich deutsch-national verortet,
sein älterer Bruder, der ihn nach dem frühen Tod des Vaters 1922 unter seine
- 202 -
Fittiche genommen und geleitet hatte, wurde neben seiner Stelle als Fabrikdirektor
SS-Offizier und nach dem Krieg in der DDR zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe
verurteilt, die er in Bautzen verbüßte – ein konkreter Grund ist nicht mehr bekannt.
Aus den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ existieren noch einige dienstliche
Briefe, in denen Fischer mit dem Zusatz „Heil Hitler“ unterzeichnet, aus späteren
Jahren sind solche zurzeit nicht bekannt.
Spätestens mit seiner Heirat dürfte nach den mündlichen Berichten seiner Frau
seine „innere Emigration“ während der Diktatur aber unzweifelhaft geworden sein:
Hildegard Fischer, geb. Reisig hatte 1932/33 3 über „sozialistische Arbeiterbildung“ 4
promoviert und wurde wohl auch aufgrund ihrer sozialdemokratischen Überzeugungen
nicht in den seit Anfang 1933 erhofften Schuldienst übernommen.
Die Entscheidung W. G. Fischer´s gegen eine Rückkehr nach Leipzig
beziehungsweise an die Stadtbibliothek [vgl. u.a. 53, Rothe, S. 102, wie vor]
Familiär kolportiert wird die Unfähigkeit Fischers, mit dem Verlust nicht nur der Stadtbibliothek,
dem alten Gewandhaus und zahlreicher ihm wichtiger Leipziger Bauwerke,
sondern auch seiner Vaterstand Dresden irgendwie „umzugehen“ – dem
entspricht trotz sonst durchaus intensiver und offener Diskussionen im Familienkreis
seine fast völlige Versagung eines Gesprächs mit seinen Kindern hierzu und zu
seiner in mehrfacher Hinsicht wohl als traumatisch empfundenen „Geschichte“.
Dieses wurde ausschließlich von seiner Frau gepflegt.
3
Rigorosum am 27. Januar 1933: letzter Arbeitstag vor der „Machtergreifung“ (30.01.1933)
Verlobung und Heirat mit WGF erfolgten 1936.
4
Reisig, Hildegard, Die Lehren vom politischen Sinn der Arbeiterbildung, Trier, 1934.
Wiederaufgelegt 1975: Hilde Reisig, Der politische Sinn der Arbeiterbildung, VSA-Verlag Berlin.
- 203 -
Allerdings war der Vater aufgrund seiner vielen Tätigkeiten und Interessen auch
selten zu Hause, die Gelegenheit zu einem Gespräch damit auch rar. 5
Seine Frau berichtete, dass für sie die Entscheidung, aus Leipzig weg zu gehen,
trotz der Entscheidung von WGF, in Oldenburg an der Landesbibliothek zu bleiben,
keineswegs klar war und von ihr lange hinaus gezögert wurde. Ausschlaggebend
war dann letztendlich ein Hinweis aus dem Kolleginnenkreis, dass sie aufgrund ihres
sozialen und politischen Engagements unmittelbar bevorstehend mit Konsequenzen
rechnen müsse.
Ihre Flucht aus der Sowjetisch besetzten Zone mit 3 kleinen Kindern musste überwiegend
zu Fuß von statten gehen. Der Neubeginn in Oldenburg war in mehrfacher
Hinsicht – sicherlich auch wegen der außerordentlich vielen Flüchtlinge in der Stadt
– schwierig und für die Kinder traumatisch.
Soziale und politische Überzeugungen der Eheleute Fischer
Trotz der konventionell erscheinenden „Arbeitsteilung“ zwischen den Eheleuten mit
einem durch das berufliche und wissenschaftliche Engagement absorbierten Mann
und der Frau, die die Familie „managte“, lebten Wolf und Hilde Fischer sehr bewusst
ihren Überzeugungen, und diese waren keineswegs konventionell.
Das „Missverständnis“ des Hochzeitsbildes Fischers zwischen Autor und Herausgeber
dieses Bändchens mag dafür stehen: die Hochzeit „in Weiß“ war den
Forderungen des Schwiegervaters geschuldet, auf dessen Finanzierung man
angewiesen war. Fischer und seine Frau haben es wohl eher belustigt zelebriert.
5
Langjähriger Präsident sowie Dozent der Volkshochschule Oldenburg, Fachstelle für Öffentliches
Büchereiwesen, „Filmclub“ in der Brücke, Literarisch-geselliger Verein „Literaria“, regelmäßige
Geistesarbeiter- und Buchhändlertreffen (Buchhandlung & Galerie Rudolf Ebel, mit weiteren
Beteiligten), Mitwirkung in zahlreichen Gremien und Fachausschüssen, Kunsthistorische
Vorträge.
- 204 -
Beide führten in ihrer Beziehung eine kritische Auseinandersetzung nicht nur mit
ihren jeweiligen Elternhäusern, sondern mit allen Entwicklungen der Zeit, und zogen
daraus zumeist einvernehmlich ihre Lehren und Schlüsse, lebten diese mit einiger
Konsequenz, insbesondere aber behutsam und mit Augenmaß: nach Möglichkeit auf
geräuschlose Verständigung abzielend auf Grund von Erkenntnissen, Einsichten:
gerade in Erziehungsfragen, aber auch in einer aufmerksamen Alltags-Kultur mit
großer Offenheit für moderne Inhalte und Formen 6 einerseits, einem Beharren auf
offenem geistigem Austausch und dem diskursiven Gespräch andererseits 7 .
Solches entspricht auch noch heute eher nicht der Norm, war modern im besten
Sinne, sicherlich anstrengend, und im Ergebnis doch nicht ohne Risiko.
WGF hat sich durchaus am Haushalt beteiligt – die Aufgaben wurden entsprechend
den zeitlichen Gegebenheiten und nach persönlicher Eignung einvernehmlich
verteilt, die Regie auch der Finanzen weitgehend von Hilde Fischer übernommen.
Hilde Fischer war schon bald nach der Geburt des jüngsten Sohnes wiederum als
Gymnasiallehrerin und bis ins hohe Alter als Volkshochschul-Dozentin tätig.
Diese geistigen und lebenspraktischen Positionen standen keineswegs typisch für
weder die „Adenauer-Zeit“, noch gar den Nationalsozialismus, und sind wesentlich
sicher zurückzuführen auf die jeweils prägenden Schulerfahrungen beider Eheleute:
6
Burckhardt und Hilde Fischer, Alltagskultur im Hause Fischer, Oldenburg, o.J. (~ 1985),
Bestand in der Landesbibliothek Oldenburg
7
Nichts weniger als aufgrund fehlender Aufgeschlossenheit, sondern in Anbetracht knapper
zeitlicher und materieller Ressourcen dafür bewusst zurückgestellt: Auto, Radio, Fernsehen.
Nicht jedoch Geselligkeit und gutes Essen, und Bücher.
Aus Überzeugung nicht verfolgt wurde die bibliophile Leidenschaft: die mögliche persönliche
Konkurrenz zum beruflichen Auftrag wurde als illegitim verstanden.
- 205 -
Hilde Reisig zunächst auf einer Montessori-Schule, dann in einer der in Leipzig
ersten Gymnasialklassen für Mädchen.
WGF besuchte in Dresden das Reform-orientierte Prinz-Georg-Gymnasium 8 , das vor
und nach dem 1. Weltkrieg von einer Reihe außerordentlich progressiver
Pädagogen insbesondere auch im künstlerischen Bereich geprägt wurde und bereits
nicht nur über eine „unabhängige“ Schülerzeitschrift, sondern auch über
stimmberechtigte Teilnahme der Schülerschaft an Zensurenkonferenzen verfügte.
Die außerordentliche Solidarität der Eheleute für einander und für das gegenseitige
Tun mag durch folgenden Vorgang beleuchtet werden:
Das Land Niedersachsen sah sich im Jahre 1950 zunächst nicht in der Lage, den
Beschaffungsetat der Landesbibliothek Oldenburg entsprechend den Zusagen zu
erhöhen. Um den wissenschaftlichen Wert der an der LBO besonders wichtigen
periodica zu retten, vereinbarte WGF mit drei Oldenburger Buchhändlern 9 , die
Bibliothek während dieser Zeit weiter zu beliefern, die Schulden wurden dann nach
Aufhebung der Haushaltssperre beglichen.
Dieser eindeutige Dienstrechtliche Verstoß bewirkte zwar nicht die Entlassung von
WGF, hatte aber hinsichtlich Beförderung und Gehalt doch nachhaltige Folgen mit
erheblichen familiären Konsequenzen. In vollem Bewusstsein dessen hat seine
Ehefrau dieses Vorgehen Fischers mit ihm besprochen und mitgetragen.
8
Als WGF´s größten Eindruck schilderte Hilde Fischer seine Beteiligung an einer öffentlichen
Theateraufführung der Schülerschaft in den Dresdner Elbauen, die durch seinen damaligen
Lehrer initiiert und begleitet wurde: Will(y) Grohmann, 1887 - 1968, Sprach- und Kunstpädagoge,
1933 entlassen: Kunsthistoriker und Kunstkritiker, Verfechter der Moderne (wikipedia).
9
Buchhandlung & Galerie Rudolf Ebel, Schüttingstraße, Buchhandlung und Verlag Heinz Holzberg,
Haarenstraße, Buchhandlung Anna Thye, Damm – alle Oldenburg.
- 206 -
Das Buch-Vorhaben Fischers (VII – Nachwort 2010)
Das umfangreiche und weitgehend fertiggestellte Manuskript zu „seinem“ Thema
Buch im Bild wurde 1948 von der Sekretärin in der LBO verfeuert. Fischer hatte
aufgrund der häuslichen Enge 10 nach Dienstschluss in seinem Arbeitszimmer in der
Bibliothek daran gearbeitet – ein Duplikat existierte nicht. Damit ist Fischer als Autor
verstummt 11 .
10
Die inzwischen sechsköpfige Familie lebte noch in 3 Zimmern, mit Gemeinschaftsküche, ohne
Bad.
11
In den Jahrzehnten danach gedieh die Arbeit an seinem Thema weitgehend zu einer neuerlichen
Materialsammlung und einer deutlichen thematischen Ausweitung, die jedoch nur noch – wie von
Barton beschrieben – zu einigen kunsthistorischen Vorträgen zum Beispiel im Rahmen der
„Literaria“ führte.
Es war dies – über den zunächst vielleicht eher ikonographischen Ansatz hinaus – insbesondere
Fischers Beschäftigung mit der Wirkung, dem Gebrauch des Bildes als „virtueller Raum“:
- in den Fresken und den Bildtapeten schon der frühen Neuzeit
- in der illusionistischen Malerei
- in Panoramen und Dioramen, insbesondere bei „Grenzüberschreitungen“ in diesem
Metier zum Beispiel durch Daguerre und durch Feuerbach: Mit Versuchen zu Tag- &
Nachtbildern, Geruchsszenarien, räumlich installierten Bühnen-Vordergründe.
Fischer führte damit seine empfundene Berufung als [...“klassischer“...] Kunsthistoriker
zusammen mit seiner Leidenschaft für Bewegte Bilder („Filmclub“) und auch der Architektur.
Seinem jüngsten Sohn hatte er abgerungen, vor der gewünschten Ausbildung zum Film-
Kameramann einen verlässlich erscheinenderen Broterwerb zu erlernen. Als Dank für jene in
Aussicht gestellte weitere Lehrzeit bot ihm dieser an, ihm nach Absolvierung seines
Architekturstudiums zunächst bei „seinem Buch“ als secretarius zur Hand zu gehen.
Wenige Tage nach der letzten Diplomprüfung seines filius als Architekt starb WGF.
So blieb jene versprochene Funktion, Jahrzehnte später, für dieses Büchlein des langjährigen
Stellvertreters von WGF. Der Traum vom Film blieb unerfüllt.
- 207 -
VIII.
Anhang
1. A b k ü r z u n g s v e r z e i c h n i s
In den Fußnoten werden diese A b k ü r z u n g e n verwendet:
ADB = Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig 1875 – 1912
AfB = Archiv für Buchbinderei
BBl = Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausg.
BGSL = Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Sdbd. 1-4.
Leipzig 1957-67
BrE = Brockhaus Enzyklopädie [Forts. von Der Große Brockhaus]
JDB = Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Hrsg. v. Verein Dt.
Bibliothekare
LGB 1 = Lexikon des gesamten Buchwesens. Bd. 1-3. 1935-37
LGB 2 = Lexikon des gesamten Buchwesens. 2., völl. neubearb. Aufl.
1987 ff.
KGK = Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender
KLK = Kürschners Deutscher Literatur-Kalender
LDB 1 = Karl Bader: Lexikon deutscher Bibliothekare. Leipzig 1925;
Nachdr. 1968 (ZfB Beih. 55)
LDB 2 = Alexandra Habermann, Rainer Klemmt, Frauke Siefkes:
Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980.
- 208 -
LJb = Leipziger Jahrbuch
Frankfurt 1985 (Zs f. Bibliothekswesen u. Bibliographie. Sdh.
42)
NDB = Neue Deutsche Biographie, Berlin 1953 ff.
Wer = Wer ist’s? Biographien… [später:] Wer ist wer?
Wer SBZ = Wer ist wer in der SBZ? Ein biograph. Handbuch. Berlin 1958
ZfB = Zentralblatt für Bibliothekswesen
Zs = Zeitschrift
Die bei Bibliotheksnamen verwendeten Abkürzungen werden in allen Bänden des
JDB erklärt
- 209 -
VIII, 2
K o r r e s p o n d e n z r e g i s t e r
Name / Datum Empfänger
Korresp.-Nr.
F I S C H E R, W. Günther
20.09.1937 Hofmann 15
13.03.1942 Hofmann 17
23.10.1947 Deckert 46
30.12.1947 Hofmann 47
05.01.1948 K. Rothe 48
05.02.1948 K. Rothe 49
30.05.1948 K. Rothe 54
08.08.1948 K. Rothe 56
12.11.1948 E. Rothe 58
13.07.1950 Ch. Hetzer 62
28.09.1950 StB / E. Rothe 64
27.12.1950 Ch. Hetzer 65
14.07.1952 Ch. Hetzer 67
10.10.1953 Hofmann 69
04.05.1954 Hanna Hofmann 2 71
04.05.1954 Kunze 72
23.03.1960 Hanna Hofmann 74
08.12.1967 E. Rothe 40 76
F R A N C K E, G.
19.10.1942 Fischer 30
14.11.1942 Fischer 31
- 210 -
H O F M A N N, Hanna
22.05.1954 Fischer 73
H O F M A N N, Hans
15.08.1942 Fischer 26
H O F M A N N, Johannes
02.04.1927 Fischer 1
09.08.1930 Fischer 9
13.10.1938 Fischer 16
24.03.1942 Kulturamt 18
17.04.1942 Fischer 19
11.06.1942 Fischer 21
22.06.1942 Fischer 23
17.07.1942 Fischer 24
25.08.1942 Hilde Fischer 27
02.09.1942 Fischer 28
10.09.1942 Fischer 29
28.01.1943 Fischer 32
01.04.1943 Fischer 34
08.05.1943 Fischer 35
13.07.1943 Fischer 36
31.08.1943 Fischer 38
Dez. 1943 Fischer 39
27.01.1944 Hilde Fischer 42
10.02.1944 Fischer 43
18.10.1944 Hilde Fischer 44
- 211 -
25.10.1944 Fischer 45
26.04.1948 Fischer 51
09.12.1948 Fischer 59
19.10.1953 Fischer 70
M A R X, Ruth
05.06.1942 Fischer 22
15.07.1942 Fischer 25
22.08.1943 Fischer 37
O B E R B Ü R G E R M E I S T E R L E I P Z I G
30.04.1947 Fischer 52
R O T H E , Edith
12.01.1928 Fischer 3 77
29.11.1928 Fischer 81
12.01.1929 Fischer 4 82
19.03.1929 Fischer 5 83
05.05.1929 Fischer 6 84
01.09.1929 Fischer 7 85
27.12.1929 Fischer 8 86
13.08.1930 Fischer 10 87
19.04.1931 Fischer 11
08.07.1931 Fischer 12 88
29.01.1933 Fischer 13
07.08.1933 Fischer 14 89
10.01.1940 Fischer 90
- 212 -
19.03.1948 Fischer 50
Ende 1948 Fischer 57
30.01.1949 Fischer 60
04.09.1950 Fischer 63
14.09.1950 Fischer 64
02.09.1951 Fischer 66
01.05.1953 Fischer 68
03.02.1965 Fischer nach 73
16.01.1968 Fischer 75
12.01.1984 Mühlner 78 79
26.03.1984 Mühlner 80
R O T H E, Karl
09.03.1943 Fischer 33
08.01.1944 Hilde Fischer 41
01.05.1948 Fischer 53
06.06.1948 Fischer 55
S C H M I D T, Helene
28.12.1949 Fischer 61
S T A D T B I B L I O T H E K L E I P Z I G
14.09.1950 LB Oldenburg 64
W E I N H O L D, Liesbeth
28.04.1942 Fischer 20
- 213 -
VIII, 3. B i b l i o t h e k s s p i e g e l
Die Stadtbibliothek Leipzig
im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken
A
a JDB 18.1927, S. 83 Zur Zeit von Fischers Dienstantritt
- 214 -
B
b JDB 33.1942, S. 83 Letzte Eintragung vor der Zerstörung im Kriege
C
c JDB 34.1950, S. 87 Letzter Eintrag vor dem politisch bedingten Ende
- 215 -
D
d JDB 55.193
Die Situation heute:
Stadtbibliothek als Abteilung (s. vorletzter Absatz)
der Leipziger Städtischen Bibliotheken
- 216 -
Die Landesbibliothek Oldenburg
Im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken
E
e JDB 34.1950, S. 119 Nach dem Beginn der Ära Fischer
f Jg. 41.1965, S. 165 f. Gegen Ende der Ära Fischer
- 217 -
F
- 218 -
VIII, 4. N a c h r u f e u n d W ü r d i g u n g e n
Karl-Heinz S c h u l z e: Lieber Dr. Fischer [offener Brief anlässlich seines
Ausscheidens aus dem Amt]. In: Mitteilungsblatt des öffentlichen Büchereiwesens in
Niedersachsen. H. 14/1968, S. 2.
Nachruf von Walter B a r t o n in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie.
Jg. 20.1973, S. 512-514 (die jetzige Vita ist eine umgearbeitete und erweiterte
Fassung davon).
Armin D i e t z e l: Gedenken an Dr. Wolfgang G. Fischer. In: Mitteilungsblatt der
Bibliotheken in Niedersachsen. H. 25/1973, S. 3-6. – Ders.: Wolfgang G. Fischer. In:
DFW. Dokumentation, Fachbibliothek, Werksbücherei. Jg. 22. 1973/74, H.1, S. XII.
In Memoriam Wolfgang G. Fischer. Oldenburg 1974 (Schriften der Landesbibliothek
Oldenburg. 1.). 6 Erinnerungen und Nachrufe.
Artikel Fischer, Wolfgang (Günther) in: Alexandra H a b e r m a n n, Rainer Klemmt
und Frauke Siefkes: Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980.
Frankfurt 1985, S. 80 f. (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderh.
42).
Paul R a a b e: Autobiographisches Nachwort zu Raabe: Wie Shakespeare durch
Oldenburg reiste. Skizzen und Bilder... Oldenburg 1968, S. 350 f.
Aus persönlichen Briefen Wolfgang Günther Fischers zur Bibliothekssituation in
Oldenburg 1945-1954. Eingel. und komment. von Walter B a r t o n. In Ex Bibliotheca
Oldenburgensi. Untersuchungen aus Anlass des 200jähr. Bestehens der
Landesbibliothek Oldenburg. Oldenburg 1992 (Schriften der Landesbibliothek
Oldenburg. 26.), S. 323-360.
- 219 -
Walter B a r t o n: Staatliche Büchereiarbeit im Lande Oldenburg. Landesbibliothek
und Volksbüchereistelle 1934-1949. T. II. Ebda S. 296-303.
Fischers einbandkundliche Veröffentlichungen bei Friedrich-Adolf S c h m i d t –
K ü n s e m ü l l er: Bibliographie zur Geschichte der Einbandkunst von den
Anfängen bis 1985. Wiesbaden 1985; über das Register zu erschließen. Weiteres s.
Anm. 12, 17, 36, 79, 80, 109, 114, 128.
Walter B a r t o n: Langes Provisorium für Bücher. Bibliotheksdirektor Dr. Fischer u.
die Landesbibliothek im Zeughaus. In: Nordwest-Heimat. Beil. d. Nordwest-Zeitung,
Oldenburg, Nr. v. 19.9.2009.
- 220 -
VIII, 5. A b b i l d u n g s n a c h w e i s
Titel Altes Gewandhaus Leipzig: Risalit / Giebel, 1939 Nachlass Drs. Fischer
Seite 3 Altes Gewandhaus Leipzig, Treppenaufgang, 1939 Nachlass Drs. Fischer
Seite 5 Leipzigs Oberbürgermeister Dr. Karl Rothe Universitätsbibliothek Leipzig
Seite 7 Dr. Johannes Hofmann Reichshandbuch d. dtsch. Gesellschaft, Berlin 1930
Seite 9 Dr. Edith Rothe Jahrbuch der Staatl. Schlösser...in Sachsen, Dresden 1993
Seite 11 Dr. Wolfgang G. Fischer Nachlass Drs. Fischer
Seite 18 Arbeitszimmer von Fischer in der Landesbibliothek Nachlass Drs. Fischer
Seite 28 Stadtbibliothek Stadtarchiv Leipzig
Seite 30 Studentenausweis Fischer Nachlass Drs. Fischer
Seite 34
Dr. Edith Rothe - Nachlass Rothe in der Universitätsbibliothek Heidelberg
Seite 44 Fischer und Hilde Reisig Nachlass Drs. Fischer
Seite 47
Dr. Johannes Hofmann: Ölgemälde, Familienbesitz, jetzt Nationalbibl. Leipzig
Seite 48 Fischer, Passfoto Nachlass Drs. Fischer
Seite 56 Dr. Walter Barton Prof. Dr. Barton
Seite 71 Luftaufnahme Oldenburg 21.03.1945 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 72 Alte Bibliothek Oldenburg, Damm NordWestZeitung Oldenburg
Seite 73 Luftaufnahme Oldenburg 23.03.1943 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 74 Stadtbibliothek Leipzig, Saal, Gitter Stadtarchiv Leipzig
Seite 76 Ruine Stadtbibliothek Leipzig Stadtarchiv Leipzig
- 221 -
Seite 77 Luftbild Leipzig 30.10.1943 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 79 Luftbild Leipzig 20.02.1944 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 85 Stadtbibliothek Leipzig, Fensterfront, 1939 Nachlass Drs. Fischer
Seiten 86-89 Innenräume Stadtbibliothek Leipzig Stadtarchiv Leipzig
Seite 91 Fischer, Passfoto Nachlass Drs. Fischer
Seite 92 Landesbibliothek Oldenburg NordWestZeitung Oldenburg
Seite 96 Stadtbibliothek Leipzig, Lesesaal Stadtarchiv Leipzig
Seite 97 Landesbibliothek Oldenburg, prov. Lesesaal NordWestZeitung Oldenburg
Seite 104 Ruheständler Dr. Johannes Hofmann, undat. Stadtarchiv Leipzig
Seite 123 Familie Dr. Fischer Nachlass Drs. Fischer
Seite 132 Landesbibliothek Oldenburg, neuer Lesesaal NordWestZeitung Oldenburg
Seite 136 Fischer, Verabschiedung (Ausschnitt) Nachlass Drs. Fischer
Seite 140 Schlossbibliothek Moritzburg Illustrierte Zeitung 4363, Leipzig 25.20.1928
Seite 150+156 Schloss Moritzburg, Ansichtskarten 1930
Nachlass Drs. Fischer
Seite 158 Luftbild Dresden 16.04.1945 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 159 Luftbild Moritzburg Feb.1945 (Ausschnitt) Luftbilddatenbank Carls
Seite 161
Dr. Edith Rothe - Nachlass Rothe in der Universitätsbibliothek Heidelberg
Seite 196 Fischer Nachlass Drs. Fischer
Seite 201 Hochzeitsbild Drs. Fischer, Leipzig, 31.12.1936 Nachlass Drs. Fischer
Rückseite Landesbibliothek Oldenburg: Nachlass Drs. Fischer, Burckhardt Fischer
- 222 -
VIII, 6. 1 D o k u m e n t e z u E d I t h R o t h e,
in der Heidelberger Universitätsbibliothek
- 223 -
- 224 -
- 225 -
- 226 -
- 227 -
- 228 -
- 229 -
- 230 -
- 231 -
- 232 -
VIII, 6. 2 N a c h t r a g ( B. Fischer )
Dr. Johannes Hofmann, De monte veneris, Leipzig, 1929
Hofmanns Bild mag in der vorliegenden Schrift nicht in den hellsten Farben leuchten.
Und doch hatte er sich bereits Meriten erworben als Wissenschaftler und als
Bibliothekar, bevor er sich verstrickte in 1000 Jahren Finsternis.
Mein Vater dankte ihm nicht nur sein breites Betätigungsfeld an und mit den
Schätzen der Leipziger Stadtbibliothek, weit über den vielleicht eher trockenen
Bibliothekars-Dienst hinaus, sondern auch den Elan, dieses Institut, seine Bücher,
Geistesgrößen und Gedanken zu repräsentieren, ihre Beachtung einzufordern und
zu fördern, mit einer gewissen Opulenz in die Stadt hinauszutragen.
In einem schmalen Bändchen 12 , das nach dem Tode meines Vaters erschien, wird
diese Besonderheit an der Stadtbibliothek „zwischen den Kriegen“, sowie die
Förderung Hofmanns für meinen Vater bei seiner Tätigkeit für Ausstellungen,
Veröffentlichungen, dem Versuch einer Art corporate identity der Bibliothek kurz
beschrieben, dies hat ihn nachhaltig geprägt.
Hofmann selbst hatte nach Antritt seines Direktorenpostens an der Stadtbibliothek
relativ intensiv publiziert und es gelang ihm – unter anderem und in schwierigen
Zeiten – 1927 zum 250jährigen Jubiläum der Leipziger Stadtbibliothek eine
Festschrift in reicher Ausstattung herauszugeben.
12
IN MEMORIAM WOLFGANG G. FISCHER, Schriften der Landesbibliothek Oldenburg 1,
Redaktion Paul Raabe, Oldenburg, 1974
– hierin: Liesbeth Weinhold, Wolfgang G. Fischer und die alte Leipziger Stadtbibliothek
- 233 -
- 234 -
Im gleichen Bändchen beschreibt Professor Wolfgang Barton, der Verfasser dieser
Schrift, seine erste Begegnung mit meinem Vater:
Ich lernte Sie auf den Bibliothekartag in Bremen 1954 kennen. […]
Aber nicht diese für mich sehr wichtigen Kontakte sind das, was sich mir von damals
unvergeßlich eingeprägt hat, sondern etwas anderes: Wie Sie in der Vollversammlung
aufstanden und einen Nachruf auf Johannes Hofmann ausbrachten, Ihren
früheren Chef an der Stadtbibliothek Leipzig. […]
Barton fährt fort und bedauert sein einstmals geringeres Verständnis für das
Beharren meines Vaters, seiner damals nach der verlorenen Stadtbibliothek Leipzig
neu gefundenen Landesbibliothek Oldenburg eine angemessene Stellung in Stadt
und Land zu erstreiten, und er sinniert über seinen feinen, verständnisvollen Humor.
Man darf vermuten, dass dieser zu Teilen auch ein Vermächtnis ist seines alten
Chefs, Johannes Hofmann.
Mir wurde durch den Kunsthandel angeboten ein Bogen, verfasst von Johannes
Hofmann 1929 als Beitrag für eine Festschrift der Leipziger 99, einer Bibliophilen
Gesellschaft.
Der Einband umfasst die Entschuldigung des Buchbinders für „den vergessenen
Bogen“. Man wird jedoch nicht fehlgehen in der Annahme meines Händlers, dass
das Werk zu wagemutig gewesen für die Sammlung älterer Herren, und dass
Hofmann seiner Zeit voraus gewesen, an dieser besonderen Stelle.
- 235 -
- 236 -
- 237 -
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- 240 -
Die reiche publizistische Tätigkeit Hofmanns gipfelte zweifellos in seinen wissenschaftlichen
und zum Teil opulenten Werken zur Einbandkunst und zu den Schätzen
der Leipziger Stadtbibliothek zu Zeiten, als er dort Direktor war.
Sein Wirken als Autor beginnt jedoch bereits viel früher und bestreicht ein breites
Spektrum, das zu Teilen ein wenig dem jeweiligen Zeitgeist verbunden schien.
Als zweifellos etwas willkürliche Beispiele seien angeführt:
1914
Hofmann, Johannes: Die Kursächsische Armee 1769 bis zum Beginn des
Bayrischen Erbfolgekrieges. Verlag: Leipzig, Hirzel, 1914 (Dissertation)
1923
Dr. Johannes Hofmann, Das Herz der deutschen sozialen Bewegung im
19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Emanzipationsbewegung.
Verlag: Walter Bielefeld, Leipzig 1923
Hofmann referiert mit Emphase die Beiträge Leipzigs und von Leipzigern zur
Entstehung von Arbeiterbildung, Sozialdemokratie und sozialistischer Theorie, sowie
zur Frauenbildung und Frauen-Emanzipation bis ins frühe 20. Jahrhundert.
Einen besonderen Schwerpunkt bilden die frühen Bemühungen Leipziger Schriftsteller
und auch sozial engagierter Verleger hinsichtlich politischer und sozialer
Fragen, auch um berufsständische Vereinigungen und Versorgungseinrichtungen,
sowie um deren Unterdrückung und Ausschaltung nach 1848 – bis hin zu einem
literarischen Denkmal für den Wirt des „Goldenen Hahn“ in der Hainstraße als
selbstlosem Herbergsvater verfolgter Demokraten - und z. B. Bakunin.
Der spätere stramme „Parteigenosse“ Hofmann bricht hier eine Lanze für Lassalle,
Bebel, Liebknecht, die theoretischen und politischen Beiträge von Marx und Engels,
und er grenzt sich scharf ab von dem nationalkonservativen Reformer Schulze-
Delitsch, Besondere Erwähnung findet unter Anderen die jüdische Bildungspolitikerin
und Frauenrechtlerin Henriette Goldschmidt.
Den Abschluss des Büchleins bildet der wörtliche Abdruck der „Rede des Arbeiters
Julius Ludwig [...] am 8. April 1848“.
- 241 -
Bei aller Beschwörung aufklärerischer Vernunft deutet sich Hofmanns letztendlich
sozialromantisches Gesellschaftsideal an.
Sein Text schließt: [...] Leipzig war zugleich Ausgangs- und Mittelpunkt für die von
triebhaftem Streben nach Zentralisation erfüllte Kopf-, Handarbeiter- und
Frauenbewegung [...] In Leipzig fanden sich die Führerpersönlichkeiten, die den
schwachen um Freiheit ringenden Einzelindividuen durch das neue Mittel der
Organisation die ersehnte Hilfe brachten. Leipzig wurde der Sitz der Vereine, die die
Quellen bilden, aus denen nacheinander mit elementarer Gewalt die immer mehr
anschwellenden sozialen Einzelströme entsprangen, um sich zu dem heute so
mächtigen Strom der deutschen sozialen Bewegung zu vereinigen, und schließlich
mit der sozialen Weltbewegung ineinanderzufließen. Von hier aus trat der soziale
Gedanke in Deutschland seinen Siegeszug an und erfüllte mehr und mehr auch das
Leben des modernen deutschen Staates.
1926
Dr. Johannes Hofmann, Ein Stammbuch aus 4 Jahrhunderten – limitierte und
nummerierte Vorzugsausgabe in Saffianleder, Leipzig, J. J. Weber, 1926., 1926
90 Bl., 64 Textseiten, 1 Bl. Grüner Original-Ganzlederband im Querformat 16 x 22
cm mit reicher goldgeprägter Ornamentik auf Buchrücken und beiden Buchdeckeln
sowie Innenkantenvergoldung; dreiseitiger Goldschnitt; farbig illustrierte Vorsätze;
Seiten in handgeschöpftem Büttenpapier der Firma J. W. Zanders, Papierfabrik in
Bergisch-Gladbach. Hommage an das Stammbuch als Teil und Ausdrucksform
deutscher Kulturgeschichte. Im Textteil des Bandes heißt es dazu: "Beim Blättern in
diesen handlichen, dicken Büchern, meist in Queroktav., gehüllt in mehr oder
weniger geschmackvoll gearbeitete Holz-, Leder- oder Pergamenteinbände, erwacht
die Vergangenheit zu neuem Leben. Ihre kurzen, oft so ursprünglichen Sprüche,
Gedichte und Lieder, ihre bunten Wappen-, Porträt-, Kostüm-, Landschafts- und
Blumenmalereien, ihre allegorischen und humoristischen Darstellungen, ihre
Silhouetten, ihre reizenden Stickereien, ihre Papierschnitt- und Klebearbeiten geben
ein getreues Bild deutscher Sitte, deutschen Geistes und deutschen Gemütes."
- 242 -
- 243 -
- 244 -
Leipziger Neueste Nachrichten vom 07.12.1943
Nach dem verheerenden Luftangriff vom 04.12.1943 erscheinen am 5. und 6.
Dezember keine Ausgaben der Leipziger Neuesten Nachrichten.
Die erste Ausgabe nach den Zerstörungen wird beherrscht von Bekanntmachungen
und organisatorischen Mitteilungen, mit denen das Leben in der getroffenen Stadt,
das Überleben geregelt werden soll.
Die zahlreichen Appelle sind vergleichsweise gemessen. Beschworen wird die
GEMEINSCHAFT der „Volksgenossen“, und gegenseitig Mut zugesprochen. Noch
fehlen die späteren Durchhalteparolen, der Endsieg steht hier noch nicht in Frage.
Auffällig, wenn auch vor diesem Hintergrund mit
einer gewissen Konsequenz, ist die Betonung, das
Versprechen des Wieder-Aufbaus, wenn auch im
Artikel gepaart mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit,
sich mit dem VERSCHWINDEN des
Bisherigen vertraut zu machen.
Der Schock nicht nur über die menschlichen und
die materiellen, sondern auch über die kulturellen
Verluste steht zwischen vielen Zeilen der ja
jeweils nur 4-seitigen Zeitung. Bereits am
17.12.1943 – offenkundig ist das alltägliche Leben
noch lange nicht wieder hinreichend geregelt –
erscheint die erste konkrete Meldung zu Bauten
beziehungsweise Denkmalschutz und ab dem
22.12.1943 erscheinen in lockerer Folge Berichte
zu verlorenen Baudenkmalen, beginnend mit dem
Rathaus. Stadtbibliothek und Altes Gewandhaus
werden darin auch nachfolgend nicht erwähnt.
- 245 -
Erste Zeitungsausgabe in Leipzig nach dem Fliegerbombenangriff vom 4.12.1943 am 7.12.1943
- 246 -
Ausschnitt aus den Leipziger Neueste Nachrichten vom 22.12.1943 mit dem ersten Artikel einer
Serie zu in Leipzig am 04.12.1943 verlorenen Baudenkmalen, beginnend mit dem Leipziger
Rathaus. Zahlreiche kulturelle, merkantile und auch zeitgeschichtlich wichtig erscheinende
Gebäude werden nachfolgend behandelt, Stadtbibliothek und Altes Gewandhaus nicht.
- 247 -
Oldenburgische Staatszeitung nach dem Luftangriff auf Oldenburg am 22.09.1943
Bereits vor Leipzig hatte auch Oldenburg in der Nacht vom 22. auf den 23. September
1943 Bombenschäden erlitten, wenn auch weitaus geringeren Umfangs und
wahrscheinlich nicht unbedingt gezielt.
Betroffen war insbesondere die Landesbibliothek am Damm, aber es hatte offenkundig
auch Todesopfer gegeben, und eine Ausgabe der „Staatszeitung“ vom 24.
September fehlt in allen Archiven, konnte also wohl nicht erscheinen.
Am 25. September 1943 beherrschen bereits neue Themen die Schlagzeilen, die
Bombentreffer werden nur vergleichsweise beiläufig auf hinteren Seiten erwähnt.
Ausschnitt aus „Oldenburgische Staatszeitung“ vom Samstag, 25.09.1943
- 248 -
Auch die Berichte zur
zentralen Trauerfeier
für die Bombenopfer in
Oldenburg am
29.09.1943 geraten auf
die hinteren Seiten:
Die Schlagzeilen an
diesem und den
folgenden Tagen
werden bestimmt von
einer Propagandaschlacht
wegen zahlreicher
Toter, darunter
vieler Kinder, bei
Bombentreffern im
ostfriesischen Raum.
Es handelte sich auch
hierbei um eher ungezielte
Abwürfe abgedrängter
Verbände und
könnte so mittelbar eine
Folge gewesen sein der
in den Zeitungsmeldungen
dieser Wochen
behaupteten größeren
Erfolge der Luftabwehr.
Ausschnitt aus der „Staatszeitung“
vom 29.09.1943
- 249 -
Schlagzeilen der „Oldenburgische Staatszeitung am 29.09. und 01.10.1943
- 250 -
Beim Untergang Dresdens am 13. Februar 1945 erfährt die Öffentlichkeit vom
Verlust auch der Pretiosen der Wettinischen Bibliothek im Palais Kap-herr natürlich
nichts angesichts der allumfassenden Vernichtung. Wer sollte auch von der
unglücklich versuchten Rettung aus Schloss Moritzburg schon wissen.
In der verbliebenen national-sozialistischen Kampfpresse ist die Fortführung des
Krieges alleiniges und bestimmendes Thema. Hierzu liegen Veröffentlichungen vor,
zum Beispiel Johannes Wolff, Katrin Nitschke, Dresden gedenkt der Opfer des 13.
Februar vor 70 Jahren auf der website der Sächsischen Landesbibliothek – Staatsund
Universitätsbibliothek Dresden (SLUB).
Mitte der Neunziger Jahre werden auch die Buchverluste aus der Bibliothek auf
Schloss Moritzburg am Rande thematisiert in Veröffentlichungen zu der Suche nach
dem Wettinischen Silberschatz beziehungsweise dem Fund einiger der am 10.
Februar 1945 – parallel zu der versuchten Rettung der Bibliothek durch Edith Rothe
– im Wald beim Schloss vergrabenen Kisten.
Vgl. z. B. Kretschmann, Georg, Syndram, Dirk, Der Schatz der Wettiner, 1997
- 251 -
Bildnachweise des Zeitungsanhangs:
Leipzig:
Oldenburg:
Zeitschriften online
Landesbibliothek Oldenburg
Die Auszüge wurden durch Thomas Fischer, Oldenburg,
erarbeitet – herzlichen Dank!
Dresden:
SLUB Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und
Universitätsbibliothek Dresden
SZ - Photothek
Herausgeber und redaktionelle Verantwortung:
B. Fischer, Pommersche Straße 11, 10707 Berlin, info@fischer-architekt-berlin.de
- 252 -
Die Landesbibliothek
Oldenburg, von 1946 –
1987 im ehemaligen
Zeughaus des Großherzoglich
Oldenburgischen
Militärs an der
Ofener Straße.
Eingangssituation der
Bibliothek im Herbstschmuck
wilden Weins.
Die gläserne Türanlage
ist der einzige sichtbare
Eingriff am Denkmal.
Vor dem Tor früher
rechts und links je eine
Pyramide aus eisernen
Kanonenkugeln.