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Kultur kann nicht allein danach beurteilt werden, totale Zustimmung geben muss, sondern Kunst<br />
ob es ihr gelingt, AfD-Wähler oder Querdenker zu und Kultur sind eine Übung in Differenzierung. Sie<br />
erreichen und umzustimmen. Das ist eine neoliberale<br />
Unverantwortlichkeit, die den Kulturinstitutio-<br />
fühlen, genauer hören, genauer sehen, genau-<br />
halten die Räume offen, in denen sich genauer<br />
nen und den Künstlerinnen aufträgt, was vorher er denken lässt. Sie halten die Räume offen, in<br />
vernachlässigt wurde. Sie kann nicht die soziale denen sich aus der eigenen Zeit treten lässt, in<br />
Arbeit, die politische Bildung, die anti-faschistische<br />
Demokratieförderung ersetzen, die andern-<br />
nach etwas, das hoffen lässt. Vielleicht hält uns<br />
denen sich rückwärts oder vorwärts suchen lässt<br />
orts eingespart und ignoriert wurden. Schon allein die Kunst nur einen kurzen Moment in ihrem<br />
deshalb nicht, weil ihr dafür die Expertise fehlt. Bann, vielleicht verändert sie uns auf immer. Vielleicht<br />
verzaubert sie nur ein einziges Mal, bei einer<br />
Die Kultur bleibt der Raum, in dem es uns möglich einzigen Aufführung ein Publikum, vielleicht wirkt<br />
ist, etwas anderes zu entdecken, etwas anderes sie über Generationen und Kulturen hinweg. Aber<br />
zu verstehen als zuvor gedacht oder gefühlt, die sie ist und bleibt autark und wertvoll.<br />
Kultur bleibt der Raum, in dem wir uns ausliefern<br />
können den Wahrnehmungen und Erfahrungen<br />
anderer, die Literatur, die Musik, der Tanz, die bil-<br />
Der Text erschien am 28.7.23 in der Süddeutschen<br />
dende Kunst bleiben der Raum, in dem wir uns<br />
Familie.<br />
angstfrei verstören oder entführen lassen.<br />
Wo uns etwas zugemutet wird, wo wir überfordert<br />
werden, wo wir lernen, dass es etwas zu lernen<br />
gibt, dass es sich lohnt, sich einzulassen auf eine<br />
lange Reise des Verstehens. Kultur bleibt der<br />
Raum, in dem es nicht eilige Satisfaktion, nicht<br />
Zeitung, der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung<br />
der SZ.<br />
Foto: Andreas Labisch<br />
Carolin Emcke<br />
geboren 1967, studierte Philosophie in London,<br />
Frankfurt/Main und Harvard und wurde<br />
1998 über den Begriff »kollektiver Identitäten«<br />
promoviert. Von 1998 bis 2013 bereiste sie<br />
weltweit Krisenregionen und berichtete darüber.<br />
2003/04 war sie Visiting Lecturer für Politische<br />
Theorie an der Yale University. Für ihr<br />
Schaffen wurde die Philosophin und Publizistin<br />
vielfach ausgezeichnet, u.a. 2016 mit dem<br />
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels,<br />
und dem Carl-von-Ossietzky-Preis. Zu ihren<br />
Veröffentlichungen zählen «Von den Kriegen»,<br />
«Wie wir begehren», «Ja heisst Ja und …» und<br />
«Gegen den Hass».<br />
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