TAK Minimag_1_screen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
«Spielt, spielt, sonst<br />
sind wir verloren.»<br />
Liebes Publikum<br />
Die Choreografin Pina Bausch erzählte folgende<br />
Geschichte: Sie war in Griechenland bei ein paar<br />
Roma-Familien zum Fest eingeladen. Man sass zusammen,<br />
ass und erzählte. Irgendwann begannen<br />
die Menschen zu Tanzen. Pina, die berühmte Tänzerin,<br />
hatte Hemmungen, mitzutanzen. Sie glaubte,<br />
die Tänze nicht zu kennen, fürchtete, sich zu blamieren.<br />
Da trat ein junges Mädchen auf sie zu und<br />
sprach: «Dance, dance, otherwise we are lost.»<br />
«Tanz, tanz, sonst sind wir verloren.»<br />
Sich unsicher fühlen angesichts einer Herausforderung,<br />
die grösser erscheint, als das, was man über<br />
sich selbst bereits wusste. Dieses Thema erscheint<br />
auf verschiedenen Ebenen wie ein Leitmotiv in unserem<br />
Programm.<br />
Existenziell wird die Unsicherheit für Hamlet angesichts<br />
einer aus dem Lot geratenen Welt. Er fühlt<br />
sich aufgerufen zu handeln, doch er zögert, zaudert<br />
und wirft räsonierend ein Fragenspektrum über das<br />
Mensch-Sein auf, das den modernen Menschen<br />
seit Jahrhunderten begleitet.<br />
Weniger existenziell aber als Gefühl tief bedrohlich<br />
kann die Auftrittsangst wirken, die Künstler und<br />
Künstlerinnen wie Martha Argerich oder Kenny Barron<br />
beschreiben. Konzertdramaturg Martin Wett-<br />
stein und unser Ensemble berichten vom Umgang<br />
mit diesem Gefühl (S. 16).<br />
Und nun soll Spielen die Lösung sein? «Einfach mittanzen»,<br />
wie das Mädchen zu Pina sagen würde?<br />
Unser Ensemble, Martha Argerich und Kenny<br />
Barron wagen jedenfalls jedes Mal aufs Neue den<br />
Schritt auf die Bühne und wagen die Kunst, Kunst<br />
zu machen. Unsere Ausstattungsassistentin Rebekka<br />
Kaiser tritt der Unsicherheit der eigenen<br />
beruflichen Zukunft entgegen, in dem sie selbst<br />
mitspielt und sich hineinwirft in die Wirklichkeit des<br />
Theaters (S. 18).<br />
Hamlet greift zu einem bemerkenswerten Mittel,<br />
um seiner Unsicherheit zu begegnen: Er engagiert<br />
Schauspieler, die der verrotteten Gesellschaft den<br />
Spiegel vorhalten sollen. So betritt die Schauspielkunst<br />
selbst die Bühne und mit ihr die Frage, was<br />
Kunst in einer Gesellschaft vermag und welchen<br />
Stellenwert wir ihr in unserem Leben einräumen.<br />
Hierauf antwortet die Philosophin Carolin Emcke,<br />
die entschieden dafür plädiert, den Wert des Spiels<br />
im Spiel selbst zu sehen (S. 13).<br />
Viel Vergnügen bei der Lektüre – und für diese<br />
Spielzeit wünschen wir Ihnen Beständigkeit in der<br />
Überraschung und Spass im Spiel im <strong>TAK</strong>.<br />
Inhalt 04 Hamlet | 06 Shakespeare übersetzen | 07 Helmut Krausser | 08 POV: Das Ensemble<br />
13 Carolin Emcke | 16 Darüber sollten wir öfter sprechen | 18 Theaterwege | 20 Hören | 21 Formen<br />
22 Lesen | 23 Rätsel