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Shakespeare übersetzen Shakespeare war in deutschen Landen lange ein Outlaw. Seine Stücke hielten sich nicht an die einst gepriesenen aristotelischen Einheiten von Ort, Zeit und Handlung, und so wurde er auf dem Kontinent ignoriert, bis die Romantik ihn entdeckte. Aber zwischen ihr und heute liegen 200 Jahre. Liest man Shakespeare im Original, so ist sein Ton meistens sehr direkt, in manchen Szenen auch derb, und klingt anders, als in der romantischen Sprache des frühen 19. Jahrhunderts. Von Caroline Schlegel weiss man, wie sie in ihrem Haus in Jena mit einem Stock auf dem Tisch den Rhythmus ihrer Versübertragungen überprüfte. Kein Holpern und Stolpern wurde im Blankvers verziehen. Die Schlegel-Tieck-Übersetzungen, die massgeblich von ihr verfasst wurden, gelten bis heute als Referenzpunkte. Heutige Übersetzungen suchen eine Annäherung in einer Sprache von heute an diesen schmalen Grad zwischen dem Volkstheater im Wooden-O von London und der gestochenen Gedankenwelt eines Hamlet im Räsonieren über den Tod und die Vergänglichkeit. Zwischen diesen beiden Polen liegt die ganze Welt Shakespeares. «A good moral, my lord: it is not enough to speak, but to speak true.» Shakespeare, Sommernachtstraum Matinée mit Helmut Krausser TAK So 17.09.23, 11 Uhr 06
Helmut Krausser lesen Ich lese Helmut Krausser überaus gern. Er ist für mich ein Meister in allen Genres. Seine Gedichte sind grossartige Destillate, jedes Wort abgewogen und rhythmisch komponiert. Er scheut sich nicht, klassische Gedichtformen zu benutzen, schreibt aber genauso in freier Form. In seinen frühen Gedichtbänden, in „Strom“, „Plasma“ und der Übersetzung von Shakespeares „Sonette“ sind wahre Schätze enthalten. Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und komponiert Musik. Von ihm erschienen u.a. «Fette Welt» (1992), «Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter» (1993), «Der große Bagarozy» (1997), «Eros» (2006), «Einsamkeit und Sex und Mitleid» (2009), «Alles ist gut» (2015) und zuletzt «Wann das mit Jeanne begann». Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt und seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Sein Theaterstück «Lederfresse» gehört weltweit zu den meistgespielten Theatertexten der Gegenwart. Krausser übersetzte bereits Shakespeares Sonette, «Die Tragödie vom Leben und Sterben des Julius Cäsar» (im TAK 2021/22) und arbeitet derzeit an «Macbeth». Ich wünschte mir, Krausser würde mehr Gedichte schreiben. Seine Bühnentexte haben ihn zuerst berühmt gemacht, „Lederfresse“ spielte in den 90er Jahren auf den Bühnen fast aller Kontinente, „Unser Lied“ ist für mich eine geniale Adaptation des Nibelungenstoffs. Seine Romane packen mich als Leser regelmässig und ziehen mich in seine Welten hinein. Dabei geht es seinen Figuren immer um alles – pralle Welt, pralles Erleben und nie einseitig, nie oberflächlich. „Für die Ewigkeit“ oder „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ wären Leseempfehlungen von mir. Eine herausragende Lektüre sind für mich aber auch seine Tagebücher. Ungeschönte, mal amüsante, mal bösartige Gedanken über die Literatur und die Welt des Helmut Krausser. „Substanz“, „Tagebücher“ und „Deutschlandreisen“ haben mir grosses Lesevergnügen bereitet. «Werke wie der Roman „Melodien“, das Theaterstück «Lederfresse» oder die von Bernd Eichinger verfilmte Erzählung «Der große Bagarozy» haben die deutsche Literatur geprägt.» (SWR) Thomas Spieckermann --> Lektüre-tipps - Seite 22 07
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Helmut Krausser lesen<br />
Ich lese Helmut Krausser überaus gern. Er ist für<br />
mich ein Meister in allen Genres. Seine Gedichte<br />
sind grossartige Destillate, jedes Wort abgewogen<br />
und rhythmisch komponiert. Er scheut sich<br />
nicht, klassische Gedichtformen zu benutzen,<br />
schreibt aber genauso in freier Form. In seinen<br />
frühen Gedichtbänden, in „Strom“, „Plasma“ und<br />
der Übersetzung von Shakespeares „Sonette“<br />
sind wahre Schätze enthalten.<br />
Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen,<br />
schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher,<br />
Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und<br />
komponiert Musik. Von ihm erschienen u.a. «Fette<br />
Welt» (1992), «Melodien oder Nachträge zum<br />
quecksilbernen Zeitalter» (1993), «Der große Bagarozy»<br />
(1997), «Eros» (2006), «Einsamkeit und<br />
Sex und Mitleid» (2009), «Alles ist gut» (2015) und<br />
zuletzt «Wann das mit Jeanne begann». Mehrere<br />
seiner Bücher wurden verfilmt und seine Werke<br />
wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Sein<br />
Theaterstück «Lederfresse» gehört weltweit zu<br />
den meistgespielten Theatertexten der Gegenwart.<br />
Krausser übersetzte bereits Shakespeares Sonette,<br />
«Die Tragödie vom Leben und Sterben des Julius<br />
Cäsar» (im <strong>TAK</strong> 2021/22) und arbeitet derzeit<br />
an «Macbeth».<br />
Ich wünschte mir, Krausser würde mehr Gedichte<br />
schreiben. Seine Bühnentexte haben ihn zuerst<br />
berühmt gemacht, „Lederfresse“ spielte in den<br />
90er Jahren auf den Bühnen fast aller Kontinente,<br />
„Unser Lied“ ist für mich eine geniale Adaptation<br />
des Nibelungenstoffs. Seine Romane packen<br />
mich als Leser regelmässig und ziehen mich in<br />
seine Welten hinein. Dabei geht es seinen Figuren<br />
immer um alles – pralle Welt, pralles Erleben und<br />
nie einseitig, nie oberflächlich. „Für die Ewigkeit“<br />
oder „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ wären Leseempfehlungen<br />
von mir.<br />
Eine herausragende Lektüre sind für mich aber<br />
auch seine Tagebücher. Ungeschönte, mal amüsante,<br />
mal bösartige Gedanken über die Literatur<br />
und die Welt des Helmut Krausser. „Substanz“,<br />
„Tagebücher“ und „Deutschlandreisen“ haben mir<br />
grosses Lesevergnügen bereitet.<br />
«Werke wie der Roman „Melodien“, das Theaterstück<br />
«Lederfresse» oder die von Bernd Eichinger<br />
verfilmte Erzählung «Der große Bagarozy» haben die<br />
deutsche Literatur geprägt.» (SWR)<br />
Thomas Spieckermann<br />
--> Lektüre-tipps - Seite 22<br />
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