BAUREPORT – das Magazin | neutral| Ausgabe 02-2023
23 24 WISSEN FÜR UNTERNEHMER Ohne Handwerk läuft’s nicht Das Werkzeug der Zukunft: KI im Handwerk Offen für neue Arbeitszeitmodelle
- Seite 2 und 3: „ Eine neue Generation von Däche
- Seite 4 und 5: TOP-THEMA 4 I BAUREPORT TOP-THEMA I
- Seite 6 und 7: » Reinhören Der Podcast zum Artik
- Seite 8 und 9: Vom Sanierungsmarkt profitieren Fit
- Seite 10 und 11: Lösungen und genießen hohes Vertr
- Seite 12 und 13: Im Altbau schlummern viele Potenzia
- Seite 14 und 15: Einrichtung - vor allem Umnutzung,
- Seite 16 und 17: gewonnen werden könnten. Vorgeschl
- Seite 18 und 19: Gut für den Klimaschutz Es grünt
- Seite 20 und 21: BRANCHE AKTUELL Die entscheidende R
- Seite 22 und 23: Das sind ineinandergreifende und in
- Seite 24 und 25: Das Werkzeug der Zukunft KI im Hand
- Seite 26 und 27: Vielleicht noch wichtiger für die
- Seite 28 und 29: BerufsAbitur als Anreiz für Azubis
- Seite 30 und 31: short news. © colourbox.com - Syda
- Seite 32 und 33: UNTERNEHMEN An die Wettbewerbsfähi
- Seite 34 und 35: Das Handwerk ist gefragt Wachstumsc
- Seite 36 und 37: estehen. Denn eine solche Installat
- Seite 38 und 39: Flexibilisierung im Handwerk Offen
- Seite 40 und 41: In vier Schritten zu flexiblen Arbe
- Seite 42 und 43: Professionell, kreativ und zielgeri
- Seite 44 und 45: 3. Diskriminierungsfrei ausschreibe
- Seite 46 und 47: Mängel vermeiden und professionell
- Seite 48 und 49: Gute Baustellenplanung ist das A un
- Seite 50 und 51: short news. © Photo by Stefan Stef
23 24<br />
WISSEN FÜR UNTERNEHMER<br />
Ohne Handwerk<br />
läuft’s nicht<br />
Das Werkzeug der Zukunft:<br />
KI im Handwerk<br />
Offen für neue Arbeitszeitmodelle
„ Eine neue Generation<br />
von Dächern. Verbessert<br />
in jedem Detail.“<br />
Tegalit Aerlox. Experte für schöne Dächer.<br />
Dr. Jennifer Scheydt, BMI Entwicklungs-Direktorin: „Die neue<br />
Aerlox-Technologie vereint gleich fünf Verbesserungen auf einem Dach.<br />
Material: robuster. Stein: trockener. Oberfläche: sauberer. Optik:<br />
schöner. Bilanz: CO 2 -neutraler. Mit Aerlox baut man Dächer fürs Leben.“<br />
Weitere Infos unter bmigroup.com/de/braas-tegalit-aerlox<br />
Alle Angaben sind im Vergleich zum Tegalit ohne Aerlox-Technologie<br />
Part of
<strong>Ausgabe</strong> 23 24<br />
INHALT<br />
EDITORIAL<br />
TOP-THEMA<br />
04<br />
08<br />
BRANCHE AKTUELL<br />
20<br />
24<br />
Bauen in Zeiten<br />
des Klimawandels<br />
Die entscheidende<br />
Rolle der Baubranche<br />
KI im Handwerk<br />
Das Werkzeug der Zukunft<br />
UNTERNEHMEN<br />
32<br />
Ohne Handwerk<br />
läuft’s nicht<br />
Traditionsbewahrer<br />
und Innovationstreiber<br />
Fit für die Energiewende<br />
Vom Sanierungsmarkt<br />
profitieren<br />
Von Reklamationsmanagement<br />
bis Kundenbindung<br />
An die Wettbewerbsfähigkeit<br />
denken<br />
12<br />
18<br />
28<br />
30<br />
42<br />
Bauen im Bestand<br />
Im Altbau schlummern<br />
viele Potenziale<br />
Es grünt auf Dächern<br />
und an Fassaden<br />
Gut für den Klimaschutz<br />
Beides in der Tasche<br />
BerufsAbitur als Anreiz<br />
für Azubis<br />
short news.<br />
Tipps für ein<br />
erfolgreiches Recruiting<br />
Professionell, kreativ<br />
und zielgerichtet<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
„ohne Handwerk läuft’s nicht“ <strong>–</strong> <strong>das</strong><br />
Leitthema unserer <strong>Ausgabe</strong> mag<br />
banal klingen, kann aber nicht oft<br />
genug wiederholt werden. Klimaziele,<br />
Wohnungsbau und Infrastruktur:<br />
Die Umsetzung wichtiger Ziele ist<br />
ohne Handwerk kaum möglich. Das<br />
machen wir an vielen Beispielen deutlich.<br />
Doch wie läuft’s bei Ihnen im derzeitigen<br />
Marktumfeld? Während viele<br />
Betriebe noch unter Volllast Aufträge<br />
abarbeiten, bereitet der rückläufige<br />
Neubau Sorgen. Da hilft nur eines:<br />
neue Geschäftschancen nutzen. Und<br />
es gibt sie! So bietet z. B. der Umbau<br />
von Gebäuden Schätzungen zufolge<br />
Potenzial für 235.000 Wohnungen.<br />
Zudem besteht ein großer Bedarf an<br />
energetischen Sanierungen, wenn<br />
man bedenkt, <strong>das</strong>s ein Großteil<br />
der Wohngebäude vor 1977 erbaut<br />
wurde. Nachhaltiges Bauen und erneuerbare<br />
Energien schaffen weitere<br />
Möglichkeiten. Nutzen wir die Krise<br />
als Chance <strong>–</strong> schließlich möchten wir<br />
ja, <strong>das</strong>s es auch morgen noch läuft!<br />
34<br />
Wachstumschance<br />
Smart Home<br />
Das Handwerk ist gefragt<br />
46<br />
Bauschäden: konstruktiv<br />
damit umgehen<br />
Mängel vermeiden<br />
und professionell managen<br />
Ihr regionaler Baustoffhandel,<br />
Partner des Handwerks<br />
38<br />
Offen für neue<br />
Arbeitszeitmodelle<br />
Flexibilisierung im Handwerk<br />
50<br />
short news.<br />
Auch als Podcast:<br />
Markierte Artikel können Sie im<br />
Podcast anhören. Mehr dazu auf<br />
der Rückseite des <strong>Magazin</strong>s!<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 3
TOP-THEMA<br />
4 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
Ohne<br />
Handwerk<br />
läuft’s<br />
nicht<br />
Traditionsbewahrer und Innovationstreiber<br />
Viele Innovationen kommen aus dem traditionellen<br />
Handwerk. Es liefert Lösungsansätze, mit denen wir<br />
den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft<br />
entgegentreten können. Oft wird deutlich, <strong>das</strong>s es<br />
ohne <strong>das</strong> Handwerk einfach nicht geht.<br />
Stellen Sie sich vor, es gäbe von heute auf morgen plötzlich kein<br />
Handwerk mehr. Dieses Szenario würde weitreichende Auswirkungen<br />
mit sich bringen. Schon die erste hätte fatale Folgen:<br />
Wenn es niemanden mehr gibt, der Dinge repariert oder instand<br />
hält, dauert es nicht lange, bis die ersten Gebäude in sich zusammenfallen<br />
würden. Denn wenn <strong>das</strong> Fachwissen fehlt, werden<br />
Wohnhäuser und Co. nicht lange Bestand haben. Schließlich wird<br />
<strong>das</strong> Handwerk mit hochwertigen und langlebigen Produkten in<br />
Verbindung gebracht <strong>–</strong> und <strong>das</strong> auch zu Recht!<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> Jelena <strong>BAUREPORT</strong> I 5
» Reinhören<br />
Der Podcast<br />
zum Artikel<br />
Reinhören in<br />
den <strong>BAUREPORT</strong><br />
Podcast Folge<br />
#26 „Ohne<br />
Handwerk läuft’s<br />
nicht“ bei Spotify<br />
und Apple.<br />
» Exklusiv<br />
im Podcast<br />
Im Interview<br />
spricht Ulla<br />
Basqué, Mitbegründerin<br />
von Architects<br />
4Future, über<br />
<strong>das</strong> Bauen im<br />
Bestand.<br />
Qualitätsverlust und Arbeitslosigkeit<br />
Aber nicht nur von der Qualität müsste man sich<br />
verabschieden. Denn maßgeschneiderte Lösungen<br />
und individuelle Kundenwünsche können nur qualifizierte<br />
Fachkräfte dank ihrer Kunstfertigkeit liefern.<br />
Die Individualität und Einzigartigkeit handgefertigter<br />
Produkte wären nicht mehr vorhanden, Vielfalt und<br />
Kreativität gingen verloren <strong>–</strong> ganz schön trist und<br />
langweilig.<br />
Der Wegfall des Handwerks hätte eine weitere<br />
massive Konsequenz: Schreiner, Maurer, Heizungsbauer<br />
<strong>–</strong> sie alle müssten sich nach einem neuen<br />
Job umsehen. Laut Zentralverband des Deutschen<br />
Handwerks (ZDH) zählen zum Handwerk etwa<br />
1 Million Betriebe mit rund 5,6 Millionen Beschäftigten.<br />
Etwa 350.000 Auszubildende machten<br />
2<strong>02</strong>3 eine qualifizierte Lehre. 12,3 Prozent aller<br />
Erwerbstätigen, also knapp jeder Achte, sind damit<br />
im Handwerk tätig, was es zum größten Beschäftigungsbereich<br />
in Deutschland macht. Brächen diese<br />
Stellen weg, würde <strong>das</strong> zu einer hohen Arbeitslosigkeit<br />
führen.<br />
Keine Zukunft ohne Handwerk<br />
Man muss gar kein fiktives Szenario ohne Handwerk<br />
heraufbeschwören, um zu realisieren, wie<br />
wichtig die verschiedenen Gewerke für unsere<br />
Gesellschaft und unsere Zukunft sind. Wir erfahren<br />
bereits, <strong>das</strong>s ohne <strong>das</strong> Handwerk einfach<br />
nichts läuft. Staatliche Vorgaben zu energetischer<br />
Sanierung, Digitalisierung, Wohnungsbau <strong>–</strong> da<br />
stellt man sich die Frage, wer <strong>das</strong> bewältigen soll.<br />
„Wer setzt <strong>das</strong> alles um?“ fragt deswegen auch<br />
„Das Handwerk“ berechtigterweise in seiner<br />
Kampagne „Keine Zukunft ohne Handwerk“.<br />
Darin wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, schon<br />
Kinder an Handwerksberufe heranzuführen und<br />
nicht nur theoretisches Wissen zu vermitteln,<br />
sondern auch den natürlichen Innovationsgeist zu<br />
fördern. Etwas mit den Händen zu erschaffen und<br />
handwerklich zu arbeiten, soll in Zukunft mehr geschätzt<br />
werden, denn ein Handwerksberuf ist nicht<br />
weniger wert als eine akademische Laufbahn. Ein<br />
erster Schritt in diese Richtung ist die Gleichstellung<br />
des Meistertitels mit einem Bachelorabschluss.<br />
6 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
© Photo by Jocke Wulcan on Unsplash<br />
dabei viele. Das Handwerk ist der Motor für Veränderung,<br />
ohne den vieles nicht möglich wäre. Die<br />
Innovationen entstehen direkt in den Werkstätten<br />
und auf den Baustellen, wenn Handwerker ihr Können<br />
einsetzen, um Probleme in der Praxis zu lösen.<br />
So liefert <strong>das</strong> Handwerk Lösungsansätze, um den<br />
komplexen Themen unserer Zeit zu begegnen.<br />
Das Handwerk fordert, <strong>das</strong>s mehr über die verschiedenen<br />
Karrierewege, Selbstständigkeit,<br />
Sicherheit und Erfüllung im Handwerk aufgeklärt<br />
wird. So soll den Schülerinnen und Schülern ein<br />
Studium nicht mehr als einziger erstrebenswerter<br />
Weg vermittelt werden. Denn auch <strong>das</strong> Handwerk<br />
bietet gute Karrierechancen und eine solide finanzielle<br />
Zukunft.<br />
Handwerk als Triebfeder<br />
Wer an <strong>das</strong> Handwerk denkt, denkt automatisch an<br />
Tradition. Als Traditionsbewahrer trägt <strong>das</strong> Handwerk<br />
klassische Fähigkeiten und Fertigkeiten von<br />
Generation zu Generation weiter, wodurch traditionelle<br />
Bauweisen, die auch für die Instand haltung<br />
denkmalgeschützter Bauten benötigt werden,<br />
erhalten bleiben. Dass aus dieser Tradition aber<br />
auch stets Innovationen wachsen, vergessen<br />
Klimaziele, Wohnungsbau, Infrastruktur, energetische<br />
Sanierung und, und, und: Ohne Handwerksbetriebe<br />
und ihre Beschäftigten geht definitiv nichts.<br />
Handwerkerinnen und Handwerker meistern diese<br />
Herausforderungen mit Bravour. In einer Zeit,<br />
die von ständigem Wandel und technologischem<br />
Fortschritt geprägt ist, spielt <strong>das</strong> Handwerk eine<br />
entscheidende Rolle. Denn die Umsetzung dieser<br />
komplexen Ziele erfordert handfeste, praktische<br />
Lösungen. So liegt es an ihnen, diese Aufgaben<br />
anzugehen und Lösungen umzusetzen: Der verantwortungsbewusste<br />
Umgang mit den vorhandenen<br />
Ressourcen ist eine Selbstverständlichkeit in Handwerksunternehmen.<br />
Trotz Lieferengpässen, steigender Kosten und<br />
Fachkräftemangel packen sie an, wo sie gebraucht<br />
werden, arbeiten an effektiven Lösungen und<br />
sichern so Zukunft und Wohlstand des Landes. Der<br />
Handel unterstützt dabei, wo er nur kann. Aufgrund<br />
der hohen Lagerhaltung sind die benötigten Baustoffe<br />
immer vorrätig und durch die unkomplizierte<br />
Lieferung schnell an Ort und Stelle. So kann <strong>das</strong><br />
Handwerk umsetzen, was gefordert ist und muss<br />
nicht fürchten, <strong>das</strong>s die benötigten Materialien<br />
fehlen. Das zu Beginn aufgezeigte Szenario macht<br />
deutlich, wie wichtig <strong>das</strong> Handwerk für Gesellschaft<br />
und Wirtschaft ist. Es sorgt für einen starken Mittelstand<br />
und dafür, <strong>das</strong>s auch kommende Generationen<br />
in einer sicheren Zukunft aufwachsen können.<br />
Ein Leben ohne Handwerk? Undenkbar!<br />
Egal ob Klimaziele, Wohnungsbau oder energetische Sanierung:<br />
Ohne <strong>das</strong> Handwerk wären diese Vorhaben nicht umsetzbar.<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 7
Vom Sanierungsmarkt profitieren<br />
Fit für die<br />
Energiewende<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> peterschreiber.media<br />
Wird am Ende doch noch alles gut? Diese<br />
Frage lässt sich noch nicht abschließend<br />
beantworten. Fest steht jedenfalls: Das<br />
Gebäudeenergiegesetz wird am 1. Januar<br />
2<strong>02</strong>4 in Kraft treten. Bei dem langen<br />
Gezerre darum ist ein entscheidender<br />
Faktor etwas aus dem Blick geraten: die<br />
energetische Qualität der Gebäudehülle.<br />
Sie ist schließlich die wichtigste Voraussetzung<br />
für mehr Energieeffizienz. Für <strong>das</strong><br />
Fachhandwerk bedeutet dies, <strong>das</strong>s der<br />
Sanierungsmarkt weiter stark zunehmen<br />
wird. Sich dafür jetzt zukunftsgerecht aufzustellen,<br />
verspricht langfristige Vorteile.<br />
Nie hat der Sanierungsmarkt mehr Potenzial geboten:<br />
Das Gebäudeenergiegesetz, besser bekannt<br />
als Heizungsgesetz, zwingt Immobilienbesitzer zum<br />
Handeln. Denn ob eine hochmoderne Heizung wirtschaftlich<br />
laufen kann, hängt entscheidend vom Zustand<br />
der Gebäudehülle sowie von der Qualität von<br />
Fenstern und Türen ab. Zusätzlichen Druck erzeugt<br />
die geplante EU-Sanierungspflicht, nach der bis<br />
2030 alle Wohngebäude die Energieklasse E und<br />
bis 2033 sogar die Klasse D erreichen sollten. Auf<br />
der Energieklassen-Skala von A bis G wären damit<br />
die ineffizientesten Gebäude aus F, G und H zuerst<br />
an der Reihe und müssten mindestens so saniert<br />
werden, <strong>das</strong>s sie in die Klasse E eingestuft werden.<br />
Zieht man <strong>das</strong> Bild größer und blickt auf <strong>das</strong><br />
politische Fernziel eines klimaneutralen Gebäudebestands<br />
bis zum Jahr 2050, so liegt die Schlussfolgerung<br />
nahe, <strong>das</strong>s der Sanierungsmarkt mehrere<br />
Dekaden lang für volle Auftragsbücher beim Fachhandwerk<br />
sorgen kann. Allerdings ist <strong>das</strong> Thema<br />
energetische Sanierung einigermaßen komplex<br />
und für Immobilienbesitzer mit vielen Fragen und<br />
Entscheidungen verbunden. Deshalb gilt es für<br />
ausführende Unternehmen, jetzt die Weichen richtig<br />
zu stellen, um von diesem boomenden Markt profitieren<br />
zu können.<br />
Ganzheitlicher Blick<br />
Doch auf was kommt es dabei an? Vom handwerklichen<br />
Know-how einmal abgesehen, braucht es bei<br />
der energetischen Sanierung vor allem den Blick<br />
fürs Ganze. Zum einen, weil für die fachgerechte<br />
Planung und Durchführung von Sanierungen oft<br />
Hand in Hand mit anderen Gewerken gearbeitet<br />
werden muss und zum anderen, weil der Fachhandwerker<br />
in der Lage sein muss, Sanierungswillige<br />
zumindest in Grundzügen gewerkeüber<br />
8 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
greifend beraten zu können. Denn die möglichen<br />
Ansatzpunkte reichen von der Sanierung einzelner<br />
Bauteile wie Dach, Wände, Kellerdecken, Fenster<br />
und Türen über die Haus- und Gebäudetechnik<br />
bis hin zum Einsatz erneuerbarer Energien. Auch<br />
eine Aufklärung über Gesetze, Verordnungen<br />
und Erfüllungsmöglichkeiten gehört dazu sowie<br />
grundlegende Kenntnisse über den individuellen<br />
Sanierungsfahrplan (iSFP), um Kunden auf eine<br />
fungieren. Denn der Prozess von der Erstellung<br />
eines iSFP über die Fördermittelbeantragung bis<br />
hin zum Beginn der Ausführung ist relativ kompliziert,<br />
hat diverse Rückkopplungsschleifen und kann<br />
sich in die Länge ziehen. Für den ausführenden<br />
Betrieb bedeutet dies eine Entlastung, denn er<br />
kann dadurch seine Kapazitäten auf <strong>das</strong> Vorhaben<br />
konzentrieren. Und <strong>–</strong> wiederum vom politischen<br />
Ziel eines klimaneutralen Ge bäudebestands aus<br />
Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 wird<br />
in den nächsten Jahren für viele Aufträge sorgen. Dafür muss man<br />
sich aber schon jetzt gut aufstellen.<br />
entsprechende Beratung durch einen Energieeffizienz-<br />
Experten hinweisen zu können.<br />
Baufachhandel unterstützt<br />
Bei all diesen Themen steht der Baufachhandel<br />
dabei dem Handwerk als starker Partner zur Seite<br />
<strong>–</strong> nicht nur mit einschlägigen Sortimenten, sondern<br />
auch mit Expertise und vielen Dienstleistungen. Er<br />
kann z. B. auch als Koordinator zwischen Privatkunden,<br />
Energieeffizienz-Experten und Handwerk<br />
betrachtet: Gelingt es, die energetische Sanierung<br />
auf diese Art und Weise ein Stück weit zu systematisieren,<br />
sollte sich dadurch die Sanierungsrate<br />
steigern lassen.<br />
Fachhandwerk als Kümmerer<br />
und Kommunikator<br />
Ohne die „Kümmerfunktion“ der Fachhandwerksbetriebe<br />
wird es allerdings nicht gehen <strong>–</strong> denn sie<br />
haben die meiste Kundennähe, installieren die<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 9
Lösungen und genießen hohes Vertrauen. Genau<br />
diese Funktion ist auch ein nicht zu unterschätzender<br />
Erfolgsfaktor, wie es z. B. die Marktstudie der<br />
Bundesstelle für Energieeffizienz aus dem Jahr<br />
2<strong>02</strong>1 festgestellt hat: Sanierungsvorhaben werden<br />
am häufigsten deshalb nicht oder viel zu punktuell<br />
angegangen, weil sich Verbraucher von der Komplexität<br />
einer Sanierung überfordert fühlen. Eine<br />
umfassende Beratung durch <strong>das</strong> Fachhandwerk<br />
in Verbindung mit hoher Kommunikationskompetenz<br />
kann Sanierungswilligen diese Komplexität<br />
abnehmen und die Entscheidung vereinfachen.<br />
Auch kann durch eine professionelle Beratung verhindert<br />
werden, <strong>das</strong>s lediglich Einzelmaßnahmen<br />
umgesetzt werden und dadurch nicht die nötige<br />
Sanierungstiefe erreicht wird.<br />
Voraussetzung dafür ist, <strong>das</strong>s Kunden ein Beratungsangebot<br />
als vertrauenswürdig und kompetent<br />
einschätzen. Je mehr dies gegeben ist, desto<br />
umfangreicher und intensiver wird der Studie zufolge<br />
saniert. Das Fachhandwerk ist es auch, <strong>das</strong><br />
der im Zuge des Heizungsstreits entstandenen<br />
Verunsicherung am besten begegnen kann. Denn<br />
unabhängig davon, ob und wann in eine neue<br />
Heiztechnologie investiert werden muss, kann <strong>das</strong><br />
Fachhandwerk Kunden dazu animieren und sie<br />
dahingehend beraten, schon heute durch passende<br />
Sanierungsmaßnahmen für mehr Energie effizienz<br />
in den eigenen vier Wänden zu sorgen.<br />
Ältere Sanierer bevorzugen Komplettlösungen<br />
aus Profi-Hand<br />
Der Beratungs- und Umsetzungsbedarf durch <strong>das</strong><br />
Handwerk wird noch weiter zunehmen: Studien zufolge<br />
steigt der Altersdurchschnitt bei den Sanierern<br />
seit Jahren kontinuierlich an. Die älteren Sanierer<br />
setzen in höherem Maße als die jüngeren auf<br />
Beratung durch <strong>das</strong> Fachhandwerk. Außerdem erbringen<br />
sie wenig Eigenleistungen und entscheiden<br />
sich stattdessen häufig für Komplettleistungen aus<br />
Profi-Hand. Dies bietet Handwerksbetrieben die<br />
Möglichkeit, sich als zuverlässige und kompetente<br />
Partner im Sanierungsprozess zu positionieren.<br />
Ob die Wärmewende im Gebäudesektor gelingen<br />
wird, hängt also bei weitem nicht nur vom<br />
Heizungstausch ab, sondern auch von Energieeinsparungen<br />
durch tiefgreifende energetische<br />
Sanierungen. Es liegt auf der Hand, <strong>das</strong>s dabei<br />
dem Fachhandwerk und seiner Fähigkeit, den<br />
dynamischen Sanierungsmarkt richtig zu bespielen,<br />
eine entscheidende Rolle zukommt.<br />
10 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
Dem Fachhandwerk<br />
kommt bei der Ausführung<br />
der politischen<br />
Vorgaben eine<br />
besondere Rolle zu <strong>–</strong><br />
schließlich sind sie die<br />
Umsetzer und beraten<br />
den Endkunden.<br />
» Reinhören<br />
Der Podcast<br />
zum Artikel<br />
Reinhören in<br />
den <strong>BAUREPORT</strong><br />
Podcast Folge<br />
#27 „Fit für die<br />
Energiewende“<br />
bei Spotify und<br />
Apple.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> alphaspirit<br />
Energie sparen: Förderprogramme für Handwerker<br />
Handwerker treiben die Klimawende voran <strong>–</strong> nicht nur bei ihren Kunden, sondern auch in ihren<br />
eigenen Betrieben: Laut des Zentralverbands des Deutschen Handwerks haben 47 Prozent aller<br />
Betriebe in den letzten fünf Jahren ihren Energieverbrauch gesenkt oder planen entsprechende<br />
Investitionen. Für viele davon gibt es zinsgünstige Kredite und hohe Zuschüsse. Eine Übersicht<br />
über die Förderprogramme bietet die Deutsche Handwerkszeitung in ihrer Online-<strong>Ausgabe</strong>.<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 11
Im Altbau schlummern viele Potenziale<br />
Bauen im Bestand<br />
Deutschland steckt in einer Wohnbaukrise: Die Zahl der Baugenehmigungen ist in<br />
den ersten fünf Monaten 2<strong>02</strong>3 so stark eingebrochen wie seit 16 Jahren nicht mehr.<br />
Dem Rückgang im Neubau steht gleichzeitig eine immer höhere Nachfrage<br />
nach Wohnraum gegenüber. Die Belebung des Neubausektors ist <strong>das</strong> eine<br />
Gebot der Stunde <strong>–</strong> <strong>das</strong> zweite ist es, Bauen im Bestand stärker voranzutreiben.<br />
Auch aus Klimaschutzgründen spricht vieles dafür.<br />
Das Potenzial ist hoch, ebenso aber auch die Hürden.<br />
12 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
Über 10 Jahre befand sich der Wohnungsbau in<br />
Deutschland in stetigem Aufschwung <strong>–</strong> vor allem<br />
getragen von den günstigen Finanzierungsbedingungen.<br />
Der kriegsbedingte Energiepreisschock,<br />
steigende Materialkosten und Zinserhöhungen<br />
haben jedoch die Nachfrage zum Erliegen gebracht<br />
und zahlreiche geplante Vorhaben wurden storniert.<br />
Das politische Ziel von 400.000 Wohnungen pro<br />
Jahr ist damit in weite Ferne gerückt. Bau-, Immobilienwirtschaft<br />
und die Politik ringen um Lösungen.<br />
Anreize für Investitionen, ein besser funktionierendes<br />
Fördersystem für bezahlbaren Wohnungsbau,<br />
modulares und serielles Bauen stehen aktuell zur<br />
Debatte.<br />
Umbau statt Neubau<br />
Aber auch die Schaffung zusätzlicher Wohnungen<br />
im Bestand als Alternative zum Neubau gewinnt an<br />
Bedeutung. Allein die Menge an älteren Objekten<br />
erfordert es, den Bestand stärker in den Blick<br />
zu nehmen: Zwei Drittel der rund 42 Millionen<br />
Wohngebäude in Deutschland sind vor 1979 gebaut<br />
worden, während nur rund 5 Prozent nach<br />
2011 fertiggestellt wurden. Auch der zunehmende<br />
Flächenmangel und Nachhaltigkeitsanforderungen<br />
sprechen dafür, <strong>das</strong>s der Bestand eine neue<br />
Relevanz bekommt. Doch noch wird <strong>das</strong> vorhandene<br />
Potenzial kaum ausgeschöpft. Die etablierte<br />
Routine aus Abriss und Neubau lässt sich nicht so<br />
leicht überwinden. Baurecht, Bauverordnungen,<br />
Ausschreibungspraxis und auch die Stadtentwicklungspolitik<br />
sind darauf ausgerichtet.<br />
Doch die Baubranche hat längst erkannt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Ziel sowohl im Neu- als auch im Bestandsbau darin<br />
bestehen muss, Gebäude zu entwickeln, bei denen<br />
Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Funktionalität<br />
im Einklang stehen. Das heißt z. B., <strong>das</strong>s bereits<br />
bei der Planung eines neuen Gebäudes der spätere<br />
Rückbau mitgedacht wird <strong>–</strong> und es heißt auch,<br />
den vorhandenen Gebäudebestand <strong>–</strong> wo immer<br />
möglich <strong>–</strong> zu erhalten und umzunutzen.<br />
Umnutzung, Nachverdichtung<br />
und Aufstockung<br />
Doch was zählt eigentlich zum Bauen im Bestand?<br />
Laut Definition der HOAI, der Honorarordnung für<br />
Architekten und Ingenieure, fallen darunter alle<br />
werterhaltenden oder wertsteigernden Baumaßnahmen<br />
an bestehenden Gebäuden wie Instandhaltungen,<br />
Instandsetzungen, Umbauten, Erweiterungsbauten,<br />
Rekonstruktionen von Bauwerken<br />
oder Gebäudeteilen, Restaurierungen sowie Modernisierungen<br />
und energetische Sanierungen. Neben<br />
dem großen Komplex energetische Sanierung<br />
spielen laut Bundesstiftung Baukultur <strong>–</strong> einer vom<br />
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung<br />
und Bauwesen geförderten, unabhängigen<br />
Die Gebäude in Deutschland sind größtenteils älter als 25 Jahre<br />
und energetisch nicht auf dem neuesten Stand. Das birgt<br />
enormes Potenzial für die Schaffung von neuem Wohnraum.<br />
© colourbox.com <strong>–</strong> Serhii Mostovyi <strong>BAUREPORT</strong> I 13
Einrichtung <strong>–</strong> vor allem Umnutzung, Nachverdichtung<br />
und Aufstockung eine wichtige Rolle. Unter<br />
Umbau werden alle Maßnahmen gefasst, die mit<br />
wesentlichen Eingriffen in die Konstruktion einhergehen<br />
und die räumliche Struktur verändern. Davon<br />
abzugrenzen sind andere Eingriffe im Bestand, wie<br />
z. B. Restaurierungen, die auf die Wiederherstellung<br />
eines früheren Zustands abzielen, Renovierungen,<br />
die kleine Mängel ausbessern sowie auch energetische<br />
Sanierungen, deren Ziel eine höhere Energieeffizienz<br />
ist. Umbau und energetische Sanierung<br />
gehen in der Praxis jedoch oft Hand in Hand.<br />
Andere Herangehensweise erforderlich<br />
Aus den Besonderheiten des Baubestands ergeben<br />
sich neue Anforderungen für die Baubeteiligten.<br />
Bauabläufe, Baustoffe und Bauweisen unterscheiden<br />
sich in wesentlichen Teilen vom Neubau und<br />
erfordern spezifisches Know-how und eine andere<br />
Herangehensweise. Orientierungsgröße ist der Bestand,<br />
er definiert <strong>das</strong> Machbare. Am Anfang steht<br />
bei Umbauprojekten deshalb in der Regel eine umfassende<br />
Bestandsanalyse und -bewertung. Dazu<br />
gehört auch <strong>das</strong> Hinzuziehen von Fachplanern und<br />
Sonderfachleuten wie z. B. für <strong>das</strong> Tragwerk, für<br />
die Haustechnik oder auch für die Erstellung von<br />
Schadstoffgutachten. Die Bestandsbewertung dient<br />
als Grundlage für die weitere Planung, die Kalkulation,<br />
die Auswahl der richtigen Techniken und des<br />
passenden Baumaterials. Je besser und detaillierter<br />
diese Analyse ausfällt, desto zuverlässiger können<br />
auch (teure) Planungsfehler vermieden werden.<br />
Das meiste Umbau-Potenzial steckt nach Angaben<br />
des Lageberichts in der Umwandlung von Büro- zu<br />
Wohnflächen, in Aufstockungen und im altersgerechten<br />
Umbau. Allein durch die erste Maßnahme<br />
sollen bis 2<strong>02</strong>5 ca. 235.000 Wohnungen und bis<br />
2040 ca. 1,86 Millionen Wohnungen gewonnen<br />
werden können. In die Prognose wurden Parameter<br />
wie z. B. die zu erwartende Homeoffice-Quote<br />
sowie der Anteil an Nutzungsflächen, die mit geringem<br />
bis mittleren baulichen Aufwand umgebaut<br />
14 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
werden können, einbezogen. Auch kostentechnisch<br />
schneidet der Umbau in diesem Fall besser ab als<br />
der Neubau. So würden laut Bundesstiftung bei<br />
der Umwandlung von Büroflächen in zeitgemäße<br />
Wohnungen gut 1.000 € / m 2 Wohnfläche anfallen,<br />
beim Neubau hingegen knapp 3.000 € / m 2 . Wird im<br />
Zuge des Umbaus auch noch energetisch saniert,<br />
lassen sich zudem bis 2040 ca. 9,2 Mio. Tonnen<br />
CO 2<br />
einsparen.<br />
Altersgerechter Umbau entlastet<br />
Wohnungs markt<br />
Eine weitere vielversprechende Maßnahme ist die<br />
Aufstockung. Vor allem der Wohnungsmangel in<br />
den Städten kann dem Lagebericht zufolge dadurch<br />
gelindert werden <strong>–</strong> und <strong>das</strong>, ohne neue Flächen zu<br />
versiegeln und relativ kostengünstig, weil weder Erschließungs-<br />
noch zusätzliche Grundstückskosten<br />
anfallen. Mit dieser Maßnahme sollen bundesweit<br />
2,35 bis 2,82 Millionen Wohnungen geschaffen werden<br />
können. Als geeignet gelten insbesondere die<br />
Wohnungsbestände der 1950er- bis 1970er-Jahre <strong>–</strong><br />
weil sie ohnehin sanierungsbedürtfig sind und deshalb<br />
Aufstockung und Sanierung kostensparend in<br />
einem Zuge realisiert werden kann.<br />
Auch im altersgerechten Umbau steckt viel ungenutztes<br />
Potenzial <strong>–</strong> und großer Handlungsdruck.<br />
Aktuell fehlen laut dem Bundesverband Deutscher<br />
Baustoff-Fachhandel (BDB) rund 2,2 Millionen<br />
altersgerechte Wohnungen. Und <strong>das</strong> Problem wird<br />
sich aufgrund der demografischen Entwicklung<br />
noch deutlich verschärfen. In einer Studie vom<br />
Frühjahr 2<strong>02</strong>3 hat sich <strong>das</strong> Pestel-Institut im Auftrag<br />
des BDB unter anderem mit der Frage befasst,<br />
wie altersgerechte Wohnungen im Bestand<br />
Viele Kunden entscheiden sich<br />
gegen den Neubau und für <strong>das</strong> Bauen<br />
im Bestand, was auch dem Handwerk<br />
neue Chancen eröffnet.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> Halfpoint <strong>BAUREPORT</strong> I 15
gewonnen werden könnten. Vorgeschlagen wird<br />
darin beispielsweise, Einfamilienhäuser aufzuteilen,<br />
da Senioren oft ungewollt in zu großen Häusern<br />
bzw. Wohnungen leben. Außerdem liegt der Studie<br />
zufolge die zweite Wohnung in Zweifamilienhäusern<br />
häufig leer und wird nicht vermietet. Deshalb solle<br />
die Modernisierung der zweiten Wohnung in Zweifamilienhäusern<br />
gefördert werden. Aber auch der<br />
Umbau von Stufen, Schwellen und Bädern <strong>–</strong> die<br />
typischen Schwachstellen <strong>–</strong> solle stärker gefördert<br />
werden. Dies trage nicht nur dazu bei, <strong>das</strong>s Senioren<br />
in ihrer Wohnung bleiben können, sondern<br />
erhöhe <strong>das</strong> Angebot an barrierefreien Wohnflächen.<br />
Auf diese Weise könne der Wohnungsmarkt insgesamt<br />
entlastet werden.<br />
Bestandsaufnahme spielt wichtige Rolle<br />
Das Bauen im Bestand birgt also viel Potenzial,<br />
stellt <strong>das</strong> Baugewerbe aber auch vor andere bzw.<br />
größere Herausforderungen als der Neubau. Das<br />
liegt vor allem daran, <strong>das</strong>s bei Letzterem die Planungs-<br />
und Bauabläufe eingespielt sind, Normen<br />
ein strenges Korsett bilden und sich die Baubeteiligten<br />
in ihrer Vorgehensweise sicher sind. Im<br />
Bestandsbau hingegen ist die Realität ein andere.<br />
Die Akteure sind dabei sozusagen mit dem „großen<br />
Unbekannten“ konfrontiert. Baupläne, falls<br />
überhaupt vorhanden, stimmen beispielsweise<br />
oft nicht mit den Gegebenheiten überein, denn<br />
seit dem Erst bezug könnten Sanierungen oder<br />
Umbaumaßnahmen stattgefunden haben. Das<br />
Gebäude und seine Teile sind oft unterschiedlich<br />
gealtert, bei manchen war die Bausubstanz von<br />
Anfang an schlecht.<br />
Es liegt auf der Hand, <strong>das</strong>s die Vielzahl von Einflussfaktoren<br />
<strong>das</strong> Bauen im Bestand zunächst als<br />
sehr aufwendig erscheinen lässt. Eine der ersten<br />
und wichtigsten Aufgaben bei einem solchen<br />
Projekt besteht deshalb in einer gründlichen Bestandsaufnahme.<br />
Sie ist auch die Basis für eine<br />
realistische Kostenschätzung. Je sorgfältiger<br />
dieser Schritt erledigt wird, desto größer sind<br />
16 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
Kosten- und Planungssicherheit. Bei der Bestandsaufnahme<br />
werden sämtliche Gegebenheiten<br />
der Immobilie genau beleuchtet. In welchem Gesamtzustand<br />
ist sie? Welche Materialien wurden<br />
verwendet? Wie ist es um die Statik bestellt?<br />
Welche Mängel liegen vor? Gibt es Schadstoffe?<br />
Falls ja <strong>–</strong> wie sind sie zu bewerten und können<br />
sie beseitigt werden?<br />
Traditionelle handwerkliche<br />
Fertigkeiten gefragt<br />
Für Projektentwickler stellt sich zudem die Grundsatzfrage<br />
nach der neuen Nutzung bzw. Funktion,<br />
die der Altbau bekommen soll. Auch dabei ist ein<br />
anderes Denken als bei einem Neubau gefragt:<br />
Einem Bestandsgebäude kann kein fertiges Nutzungskonzept<br />
übergestülpt werden. Vielmehr gibt<br />
<strong>das</strong> Gebäude vor, was aus ihm gemacht werden<br />
kann. Dazu müssen Lage und umgebende Infrastruktur<br />
unter die Lupe genommen und der Bedarf<br />
der Menschen vor Ort festgestellt werden. Das verlangt<br />
von allen Beteiligten ein lösungsorientiertes,<br />
ergebnisoffenes Vorgehen.<br />
Das Bauen im Bestand fordert auch <strong>das</strong> Fachhandwerk<br />
auf eine andere Art und Weise als der Neubau.<br />
So sind dabei traditionelle Fertigungsmethoden<br />
und Handarbeit wieder stärker gefragt, die aber<br />
entsprechend gelehrt und geschult werden müssen.<br />
Eine weitere Herausforderung ist, <strong>das</strong>s aktuelle<br />
Baugesetze und Bauordnungen in Deutschland<br />
überwiegend auf Neubauten ausgerichtet sind. Die<br />
Notwendigkeit einer speziellen Umbauordnung wird<br />
allerdings in der Branche breit diskutiert, ebenso<br />
steuerliche Anreize und andere Unterstützungsmaßnahmen.<br />
Es tut sich was <strong>–</strong> die Bedeutung des Bauens im<br />
Bestand ist erkannt und wird weiter zunehmen.<br />
Sich darauf einzulassen und einschlägiges Knowhow<br />
aufzubauen verspricht neue Geschäftschancen<br />
und lohnt sich auch mit Blick auf den Neubau:<br />
Umbau fähigkeit wird dabei künftig ein entscheidendes<br />
Kriterium sein.<br />
BIB 276<br />
zum Download<br />
Kosten beim Bauen im Bestand transparent<br />
und nachvollziehbar zu machen<br />
<strong>–</strong> <strong>das</strong> ist die Idee hinter der BIB 276. Sie<br />
ist eine Art Übersetzung der bestehenden<br />
Kostengliederung DIN 276 für den Bestandsneubau.<br />
Ziel ist es, sie durch den<br />
praktischen Einsatz kontinuierlich weiterzuentwickeln.<br />
Unter folgender Website<br />
des Verbandes für Bauen im Bestand e. V<br />
steht sie als Download zur Verfügung:<br />
www.fuerbauenimbestand.de/bib-276<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> by-studio <strong>BAUREPORT</strong> I 17
Gut für den Klimaschutz<br />
Es grünt<br />
auf Dächern<br />
und an Fassaden<br />
» Reinhören<br />
Der Podcast<br />
zum Artikel<br />
Reinhören in<br />
den <strong>BAUREPORT</strong><br />
Podcast Folge<br />
#28 „Es grünt<br />
auf Dächern und<br />
an Fassaden“<br />
bei Spotify und<br />
Apple.<br />
„Man wird sich schwer vorstellen können,<br />
<strong>das</strong>s es einmal eine Zeit gab, wo die<br />
Dächer tot waren, ohne Leben und ohne<br />
Vegetation“, sagte der österreichische<br />
Künstler Friedrich Hundertwasser in<br />
einer Rede vor über 50 Jahren. Er war<br />
mit dieser Vision seiner Zeit weit voraus.<br />
Doch inzwischen ist es immerhin kein Nischenthema<br />
mehr <strong>–</strong> es grünt auf Dächern<br />
und an Fassaden. Vor allem die Städte<br />
versprechen sich davon Schutz vor dem<br />
Klimawandel. Der Markt wächst stetig.<br />
Denn ihre positiven Effekte für <strong>das</strong> Klima sind vielfältig:<br />
Begrünungen binden CO 2<br />
, reduzieren durch<br />
ihre Dämmwirkung den Energiebedarf und halten<br />
Regenwasser zurück, welches sie gereinigt und<br />
mit Verzögerung wieder abfließen lassen. Auch<br />
sind Gebäudebegrünungen in der Lage, Temperaturschwankungen<br />
auszugleichen und dadurch<br />
Bauwerke vor Rissen zu schützen. Während sich<br />
z. B. Kiesdächer auf über 80 °C erhitzen können,<br />
erreichen extensiv bepflanzte Gründächer nur etwa<br />
20 °C bis 25 °C. Im Winter kühlen begrünte Dächer<br />
auf kaum unter 0 °C ab.<br />
» Exklusiv<br />
im Podcast<br />
Im Sommer wird der Wärmeinsel-Effekt, also die<br />
Überwärmung der Luft durch hitzespeichernde<br />
Baukörper und Verkehrsflächen, ein immer größeres<br />
Problem. Unbegrünte Gebäude wandeln ca.<br />
95 Prozent der Sonneneinstrahlung in Wärme um<br />
und heizen die Stadt auf. Gleichzeitig muss viel<br />
Kühlenergie eingesetzt werden. Begrünte Dächer<br />
und Fassaden reduzieren diesen Effekt und fungie<br />
Dachdeckermeister<br />
Moritz<br />
Geigenmüller berichtet<br />
über seine<br />
Erfahrungen<br />
mit dem Projekt<br />
„Schwammdach“.<br />
Deutschland muss bis 2045 klimaneutral werden<br />
und nach 2050 sogar mehr CO 2<br />
-Emissionen binden<br />
als ausstoßen. Zudem sind die Städte gezwungen,<br />
sich an die Auswirkungen des Klimawandels<br />
anzupassen. Gleichzeitig beschränkt der Wohnraummangel<br />
die Möglichkeiten, neue Grünflächen<br />
auszuweisen und macht Nachverdichtungen erforderlich.<br />
Begrünte Dächer und Fassaden können<br />
diese komplexen Herausforderungen natürlich nicht<br />
alleine lösen <strong>–</strong> aber einen wichtigen Beitrag leisten.<br />
Effektive Kühlung für die Städte<br />
18 I <strong>BAUREPORT</strong> TOP-THEMA I OHNE HANDWERK LÄUFT’S NICHT
© stock.adobe.com<br />
<strong>–</strong> Tomasz Zajda<br />
ren außerdem als Sonnenschutz. Ein eindrucksvolles<br />
Beispiel aus Wien: In einem Bürogebäude<br />
wurde mit einer Fassadenbegrünung auf einer rund<br />
850 m 2 großen Fläche eine Kühlleistung erzielt, die<br />
75 Klimageräten mit 3.000 Watt und acht Stunden<br />
Betriebsdauer entspricht.<br />
In städtischen Bereichen kann die Gebäudebegrünung<br />
auch neue Lebensräume für Pflanzen und<br />
Tiere schaffen und so zum Erhalt der Biodiversität<br />
beitragen. Untersuchungen zufolge ziehen begrünte<br />
Dächer z. B. viele Arten von Wildbienen an. Doch<br />
nicht nur <strong>das</strong> Ökosystem profitiert <strong>–</strong> Begrünungen<br />
haben auch positive soziale und gesundheitliche<br />
Auswirkungen: Sie sind Gestaltungselemente, verbessern<br />
die Wohn- und Arbeitsbedingungen und<br />
fördern <strong>das</strong> menschliche Wohlbefinden.<br />
Aus diesem Grund werden vor allem auf kommunaler<br />
Ebene Gebäudebegrünungen gefördert.<br />
Die Programme adressieren in der Regel Privatpersonen<br />
sowie kleine und mittelständische Unternehmen.<br />
Außerdem können Städtebauförderungen<br />
Dach- oder Fassadenbegrünungen bezuschussen<br />
und auch die Länder bieten Förderprogramme.<br />
Markt bietet Potenzial für viele Gewerke<br />
Der Begrünungsmarkt, dessen wichtigstes Segment<br />
der Dachbereich ist, entwickelt sich positiv. Allein<br />
2<strong>02</strong>1 kamen in Deutschland ca. 9 Mio. m 2 Gründachfläche<br />
dazu. Das ist die höchste Zuwachsrate<br />
seit 2008. Bei den Dachbegrünungen ist Deutschland<br />
sogar Weltmarktführer. Erhoben wurden<br />
die Marktzahlen und -daten vom Bundesverband<br />
GebäudeGrün e.V. (BuGG). Deren Marktreport<br />
zufolge beträgt die durchschnittliche jährliche<br />
Wachstumsrate des Gründachmarkts ca. 7,5 Prozent,<br />
von 2008 bis 2<strong>02</strong>1 ist er um 141 Prozent<br />
gewachsen. Noch überwiegen dabei pflegeleichte<br />
Extensivbegrünungen mit gut 80 Prozent deutlich,<br />
aber laut BuGG zeichnet sich eine Trendumkehr<br />
hin zu Intensivbegrünungen ab, also begehbaren<br />
Dachgärten, die als erweiterte Wohnräume genutzt<br />
werden. Die meisten grünen Dächer gibt<br />
es übrigens in München.<br />
Auch <strong>das</strong> jüngere und kleinere Marktsegment der<br />
Grünfassaden verzeichnet ein Plus, allerdings sind<br />
die Daten dafür laut BuGG schwer zu erheben.<br />
Herausgefunden werden konnte, <strong>das</strong>s von 2<strong>02</strong>0 auf<br />
2<strong>02</strong>1 gut 30.000 m 2 begrünte Fassadenflächen in<br />
Deutschland dazugekommen sind.<br />
Es tut sich also etwas bei der Begrünung <strong>–</strong> wenn<br />
auch die Vision eines Friedrich Hundertwassers<br />
noch in der Ferne liegt. Denn blickt man beispielsweise<br />
darauf, <strong>das</strong>s 2<strong>02</strong>1 knapp 10 Prozent der neu<br />
gebauten Dächer begrünt wurden, heißt <strong>das</strong> auch:<br />
90 Prozent der neuen Flachdächer „sind tot“. Es<br />
bleibt also noch viel zu tun für viele Spezialisten<br />
und Gewerke wie u. a. Landschaftsgärtner, Architekten,<br />
Bauphysiker, Zimmerer, Dachdecker und<br />
Spengler. Auch hier wird einmal mehr deutlich: Das<br />
Handwerk spielt eine Schlüssel rolle dabei, die Gebäudebegrünung<br />
flächendeckend voranzubringen.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> mrwinn <strong>BAUREPORT</strong> I 19
BRANCHE AKTUELL<br />
Die entscheidende Rolle der Baubranche<br />
Bauen<br />
in Zeiten des<br />
Klimawandels<br />
Die futuristischste Vision des Bauens<br />
kommt ausgerechnet aus Saudi-Arabien:<br />
Neom, die nachhaltigste aller Smart<br />
Cities, soll hier aus dem Wüstenboden<br />
wachsen und in scheibenartigen, verspiegelten<br />
und CO 2<br />
-neutralen Wolkenkratzern<br />
Wohnraum für 9 Millionen Menschen bieten.<br />
Ob die Zukunft des Bauens im saudischen<br />
Utopia liegt, erscheint wohl eher<br />
fraglich. Fest steht aber: Die Bauwelt<br />
muss sich an den Klimawandel anpassen.<br />
Eine große Herausforderung, die aber<br />
auch viele Chancen bietet.<br />
Was heute gebaut wird, prägt die kommenden Jahrzehnte.<br />
Das Bauwesen ist deshalb ein wesentlicher<br />
Schlüssel für eine lebenswerte Umwelt. Die sich<br />
verändernden klimatischen Bedingungen machen<br />
es jedoch notwendig, die Bauweise so anzupassen,<br />
<strong>das</strong>s Gebäude und Infrastrukturen Extremwetterlagen<br />
standhalten oder zumindest die Schäden<br />
minimiert werden können. Veränderungsdruck<br />
resultiert aber auch aus der Tatsache, <strong>das</strong>s der<br />
Bausektor selbst von den Auswirkungen des sich<br />
wandelnden Klimas betroffen ist <strong>–</strong> und gleichzeitig<br />
zu diesem beiträgt.<br />
Extremwetterlagen verändern<br />
die Situation<br />
Starkregen, Sturm oder Hitze beeinträchtigen<br />
immer mehr die Bauabläufe. Sie führen zu Verzögerungen,<br />
Schäden am Bau und an der Baustelleneinrichtung<br />
<strong>–</strong> und nicht zuletzt auch zu gesundheitlichen<br />
Problemen bei den Beschäftigten. Auch<br />
neue Risiken gehen mit Extremwetterlagen einher.<br />
So können starke Regenfälle z. B. den Aushub sehr<br />
gefährlich machen, ebenso wie Sturmböen Arbeiten<br />
auf dem Gerüst. Darüber hinaus können die Klimaveränderungen<br />
Baumaterialien wie Holz und Beton<br />
verknappen. Hinzu kommt, <strong>das</strong>s künftig mit regulatorischen<br />
Veränderungen sowie mit Veränderungen<br />
in der Versicherungslandschaft als Reaktion auf<br />
den Klimawandel zu rechnen ist. Kurzum <strong>–</strong> die sich<br />
ändernde Risikosituation macht eine Anpassung<br />
des Bauwesens erforderlich.<br />
20 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
BRANCHE AKTUELL
Doch was heißt überhaupt Bauen in Zeiten des<br />
Klimawandels? Das Bundesinstitut für Bau-, Stadtund<br />
Raumforschung (BBSR) hat 2<strong>02</strong>3 eine umfassende<br />
Handlungsempfehlung herausgegeben, in<br />
der klimagerechtes Bauen als Konzept beschrieben<br />
wird, <strong>das</strong> Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander<br />
vereint. Während Klimaschutz darauf abzielt,<br />
durch eine geeignete Gestaltung des Gebäudes,<br />
ein angepasstes Energiekonzept und die richtige<br />
Auswahl der Baustoffe Treibhausgasemissionen<br />
zu reduzieren, zielt die Klimaanpassung darauf ab,<br />
durch bauliche Maßnahmen Gebäude und Infrastrukturen<br />
vor den Folgen des Klimawandels zu<br />
schützen.<br />
Städte, Quartiere und Gebäude<br />
an <strong>das</strong> Klima anpassen<br />
Klimagerechtes Bauen geht allerdings über <strong>das</strong><br />
Bauen an sich hinaus. Andere gesellschaftliche Veränderungstreiber<br />
wie z. B. Mobilität, Digitalisierung,<br />
demografische Entwicklung, neue Arbeits- und<br />
Lebensformen sowie Konzepte nachhaltiger Quartiersentwicklung<br />
stehen mit der Art und Weise des<br />
Bauens in Wechselwirkung. Die Vision dahinter ist<br />
letztendlich, Gebäude, Quartiere und Städte hin zu<br />
einer zukunftsfähigen, klimaresilienten Umwelt zu<br />
entwickeln. Ob es um ein Einfamilienhaus oder um<br />
ein Bürogebäude geht <strong>–</strong> die Frage, wie es klimagerecht<br />
gebaut oder saniert werden kann, wird deshalb<br />
eine immer wichtigere Rolle spielen. Akteure<br />
wie Architekten, Planer, ausführende Unternehmen<br />
und der Fachhandel sind deshalb gefragt, mit ihrer<br />
Expertise und ihren Lösungen zur Bewältigung<br />
dieser komplexen Aufgabe beizutragen.<br />
Klimagerechtes Bauen setzt laut BBSR im Außenraum<br />
und am Äußeren eines Gebäudes an. So wird<br />
beispielsweise zur Anpassung an Hitze empfohlen,<br />
helle Oberflächen mit hoher Albedo zu wählen, also<br />
ein Material, <strong>das</strong> einen Großteil des einfallenden<br />
Sonnenlichts reflektiert. Hagel- und Sturmschäden<br />
können durch den Einsatz von hagelwiderstandsfähigen<br />
Oberflächenmaterialien minimiert werden.<br />
Vor Starkregen und Hochwasser schützt ein integrales<br />
Regenwassermanagement.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> Melinda Nagy <strong>BAUREPORT</strong> I 21
Das sind ineinandergreifende und in Kooperation<br />
mit den Kommunen vor Ort umgesetzte Maßnahmen<br />
zur Versickerung, Speicherung und Ableitung<br />
von Regenwasser. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit<br />
im Außenraum bietet die Vegetation.<br />
Pflanzen, vor allem Bäume, sowie grüne Dächer<br />
und Fassaden mildern Klimaauswirkungen,<br />
schützen den Boden und reinigen die Luft.<br />
Fassadenbauteile gezielt<br />
als Wärme speicher nutzen<br />
Sind diese Möglichkeiten ausgeschöpft,<br />
spielen die bauphysikalischen<br />
Maßnahmen<br />
Wärmedämmung, Wärmespeicherung,<br />
Lüftung,<br />
Sonnenschutz und Regenschutz eine entscheidende<br />
Rolle beim klimagerechten Bauen. Für eine gute<br />
Wärmedämmung sorgen Baustoffe, die eine niedrige<br />
Wärmeleitfähigkeit, also einen niedrigen U-Wert,<br />
aufweisen. Dadurch wird der Wärmetransport durch<br />
Bauteile reduziert. Ein weiteres Kriterium bei den<br />
Bauteilen ist ihre Fähigkeit, Wärme zu speichern.<br />
Gezielt für die Wärmespeicherung genutzt werden<br />
können vor allem opake, also undurchsichtige und<br />
lichtundurchlässige Fassadenbauteile, die tagsüber<br />
Wärme aufnehmen und bei Bedarf abgeben können,<br />
um Temperaturschwankungen auszugleichen.<br />
Materialien wie Beton oder Mauerwerk können<br />
ebenfalls dazu beitragen, Temperaturspitzen im<br />
Inneren des Gebäudes zu reduzieren. Auch schwerere,<br />
kompakte Bauteile speichern mehr Wärme,<br />
als sie abgeben.<br />
Lebenszyklusanalyse (LCA)<br />
Um bereits im Planungsprozess unterschiedliche Entwurfsansätze hinsichtlich<br />
ihrer Umwelt wirkungen und Energiebilanz vergleichen bzw. optimieren zu können,<br />
ist die Lebenszyklusanalyse ein wirkungsvolles Tool. Digital unterstützt kann diese<br />
mithilfe des eLCA (Bauteileditor) erstellt werden <strong>–</strong> ein Angebot der Plattform<br />
„Gebäudeforum klimaneutral“ der Deutschen Energie-Agentur.<br />
Auch die Lüftung ist eine bauphysikalische<br />
Maßnahme, um den Energieverbrauch und<br />
Umweltauswirkungen zu reduzieren. Durch<br />
eine luftdichte Gebäudehülle sowie durch<br />
eine sorgfältige Abdichtung von Türen,<br />
Fenstern und anderen Öffnungen kann<br />
unerwünschter Luftaustausch minimiert<br />
werden. Der sommerliche Wärmeeintrag<br />
ins Gebäude lässt sich mithilfe<br />
des richtigen Sonnenschutzes, vor<br />
allem bei verglasten Flächen,<br />
22 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
BRANCHE AKTUELL
stark reduzieren. Für die nach Süden orientierte<br />
Fassade gilt aufgrund des Sonnenverlaufs in<br />
Deutschland ein horizontal montierter Sonnenschutz<br />
oberhalb der Verglasung als besonders<br />
effizient. Er hält die hoch am Zenit stehende<br />
Sommersonne gut ab, während er die tiefstehende<br />
Wintersonne leicht hereinlässt. Auch sollte bevorzugt<br />
auf außen liegende Sonnenschutzvorrichtungen<br />
gesetzt werden, da diese die Sonnenstrahlung<br />
blockieren, bevor sie die Gebäudehülle erreichen.<br />
Durch die Wahl von Materialien mit niedrigem Absorptionsgrad<br />
kann die Sonneneinstrahlung zusätzlich<br />
reduziert werden.<br />
Klimagerechtes Bauen<br />
trägt zu gutem Wohnkomfort bei<br />
Ein effektiver Regen- bzw. Feuchteschutz ist entscheidend,<br />
um die Funktionen von Bauteilen und<br />
Gebäude aufrechtzuerhalten. Feuchtigkeit kann<br />
z. B. die Wärmedämmwirkung reduzieren und bei<br />
Holzkonstruktionen sogar zum Quellen und zu<br />
Fäulnis führen. Bauteile und Fassaden sollten deshalb<br />
wasserabweisend gestaltet werden, beispielsweise<br />
durch den Einsatz von wasserabweisenden<br />
Materialien, Abdichtungen und speziellen Beschichtungen.<br />
Wichtig sind außerdem Rückstauklappen<br />
und gute Drainagesysteme, die überschüssiges<br />
Regenwasser schnell und effizient ableiten. Aber<br />
auch eine Dachbegrünung kann dazu beitragen,<br />
die Auswirkungen von Starkregen zu reduzieren,<br />
indem sie den Wasserabfluss verzögert und somit<br />
auch die Abwassersysteme entlastet. Der Baustoffhandel<br />
stellt unkompliziert die passenden<br />
Baustoffe, Materialien und auch Systemlösungen<br />
zur Verfügung. Profikunden finden hier außerdem<br />
fachkundige Beratung nach neuestem Wissensstand<br />
sowie viele Serviceleistungen, wie z. B. den<br />
Transport zur Baustelle.<br />
Die zielgerichtete Anwendung und Kombination der<br />
geschilderten baulichen bzw. bauphysikalischen<br />
Maßnahmen ist laut BBSR der Schlüssel für klimagerechtes<br />
Bauen. Für den Neubau empfohlene<br />
Maßnahmen können dabei grundsätzlich auch<br />
bei Bestandsgebäuden umgesetzt werden. Der<br />
finanzielle und technische Aufwand ist dabei jedoch<br />
oft erheblich höher. Ein positiver Nebeneffekt: Bauliche<br />
Maßnahmen unter dem Fokus Klimaschutz<br />
und Klimaanpassung tragen häufig auch zu mehr<br />
Wohnkomfort bei.<br />
„Urban Mining“ <strong>–</strong><br />
die Stadt als Rohstofflager<br />
Ein weiterer Aspekt des klimagerechten Bauens<br />
betrifft die Baustoffe selbst. Hier werden Langlebigkeit,<br />
CO 2<br />
-arme Herstellung und Recycling eine<br />
zunehmend wichtige Rolle spielen. Ist ein Abriss<br />
unumgänglich, sollen künftig verstärkt Strategien<br />
der Kreislaufwirtschaft ins Spiel kommen. Sie zielen<br />
darauf ab, durch eine hochwertige Wiederverwendung<br />
von Rohstoffen den Ressourcenverbrauch zu<br />
minimieren. Dieses Konzept wird auch als „Urban<br />
Mining“ bezeichnet <strong>–</strong> die Nutzung der Stadt bzw.<br />
ihrer Gebäude als „Material-Bergwerk“.<br />
Klimagerechtes Bauen ist ein Ansatz, der versucht,<br />
alle relevanten Bereiche zu berücksichtigen, um die<br />
Ökobilanz eines Gebäudes über seinen gesamten<br />
Lebenszyklus hinweg optimal zu gestalten und<br />
es an die klimatischen Herausforderungen anzupassen.<br />
Die Vielzahl der Gestaltungsfelder und die<br />
Komplexität der Rahmenbedingungen machen aber<br />
auch deutlich, <strong>das</strong>s ein Umdenken beim Planen<br />
und Bauen ein Prozess ist, der weder schnell noch<br />
reibungslos vonstattengehen wird. Denn nicht nur<br />
die gängige Praxis, sondern auch Ausbildung,<br />
Gesetzgebung und Regularien sind davon betroffen.<br />
Aber Politik, Wissenschaft und Bauwirtschaft<br />
haben sich auf den Weg gemacht, an vielen Orten<br />
entstehen bereits Best-Practice-Lösungen <strong>–</strong> und<br />
digitale Technologien bieten neue Möglichkeiten,<br />
ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu bauen.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> Melinda Nagy <strong>BAUREPORT</strong> I 23
Das Werkzeug der Zukunft<br />
KI im<br />
Handwerk<br />
Künstliche Intelligenz (KI) gilt schon<br />
länger als einer der wichtigsten Zukunftstrends.<br />
Der Hype um ChatGPT hat <strong>das</strong><br />
Thema erneut ins Rampenlicht gerückt.<br />
Längst beschäftigen sich nicht nur große<br />
Tech-Konzerne mit der KI, sondern auch<br />
Mittelstand und Handwerk. Technologien<br />
zur Bedarfsvorausplanung sowie digitales<br />
Aufmaß oder Chatbots sind bereits produktiv<br />
im Einsatz. Und die Entwicklung<br />
steht noch am Anfang. Wie wird die KI<br />
<strong>das</strong> Geschäft der Handwerker ändern?<br />
Und wie lässt sich <strong>das</strong> KI-Potenzial im<br />
eigenen Betrieb heben?<br />
Intelligente Roboter, die selbstständig Mauern<br />
errichten, Rohre verlegen oder gar ganze Häuser<br />
renovieren <strong>–</strong> solche Szenarien sind in nächster Zeit<br />
zwar eher unwahrscheinlich, aber die KI hält auch<br />
ins traditionsreiche Handwerk Einzug. Das passt zu<br />
einer Branche, die sich stets den Herausforderun<br />
Die KI-basierte, digitale Aufmaßtechnik hat in<br />
seinem Betrieb <strong>das</strong> Messen mit dem Meterstab<br />
überflüssig gemacht. Damit kann z. B. auch ermittelt<br />
werden, wo Löcher in Platten gebohrt oder<br />
Befestigungen angebracht werden müssen. Aber:<br />
Wo Kreativität gefragt ist oder es um Einzelanfertigungen<br />
geht, stoße die KI noch schnell an ihre<br />
Grenzen, sagt Hierbeck.<br />
Viele Systeme sind schon praxis tauglich<br />
Doch die KI-Entwicklung schreitet derzeit rasanter<br />
voran denn je. Zwischen überzogenen Erwartungen<br />
auf der einen und Betonung der Risiken auf der<br />
anderen Seite entstehen viele praxistaugliche KI-<br />
Systeme, die zunehmend auch im Handwerk eine<br />
Rolle spielen. Schon jetzt verbreitet sind Automatisierungslösungen<br />
für sich wiederholende Aufgaben<br />
wie Terminplanung, Kundenkommunikation und<br />
Buchhaltung. Auch die KI-gestützte Bedarfsvorausplanung<br />
entwickelt sich rasant <strong>–</strong> von der Vorher<br />
Kollege Roboter erleichtert bereits viele Arbeitsschritte. In Zukunft<br />
werden immer mehr KI-basierte Lösungen zum Einsatz kommen.<br />
gen der Zeit gestellt und innovative Technologien<br />
übernommen hat. Prototypisch dafür steht die<br />
Schreinerei Hierbeck in Schöllnach, Landkreis Deggendorf.<br />
KI werde inzwischen bei allem angewendet,<br />
was standardisiert ist, wie z. B. beim Küchenbau,<br />
erklärt Geschäftsführer Thomas Hierbeck.<br />
sage der Kundennachfrage bis hin zur effizienten<br />
Verwaltung von Materialien und Werkzeugen. Ein<br />
weiteres Feld ist die KI-gesteuerte Personalisierung<br />
von Dienstleistungen. Damit können Handwerker<br />
künftig personalisierte Empfehlungen geben sowie<br />
passgenaue Einzelfertigungen vorschlagen.<br />
24 I <strong>BAUREPORT</strong> © stock.adobe.com <strong>–</strong> Alfan Subekti<br />
BRANCHE AKTUELL
Rohstoffe<br />
werden Baustoffe<br />
werden Rohstoffe.<br />
Das erste recyclingfähige<br />
Wärmedämm-Verbundsystem:<br />
weber.therm circle<br />
www.de.weber
Vielleicht noch wichtiger für die Branche könnte die<br />
KI im Bereich Qualitätsverbesserung und Fehlervermeidung<br />
werden. KI-basierte Systeme können<br />
z. B. Bilder von fertigen Produkten oder Projekten<br />
analysieren, um Fehler zu erkennen und frühzeitig<br />
zu beheben. Auch Konstruktionspläne können<br />
mit KI-Bildauswertung auf mögliche Probleme hin<br />
überprüft werden. Enormes Potenzial verspricht<br />
außerdem die Prozessoptimierung mit KI. Neben<br />
den universell einsetzbaren Lösungen entstehen<br />
spezifische, für bestimmte Handwerksberufe<br />
relevanten Anwendungen. So läuft z. B. gerade ein<br />
Forschungsprojekt der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz<br />
und der Technischen Hochschule<br />
Deggendorf (THD) zum Einsatz von 5G auf Baustellen.<br />
Das neue Mobilfunknetz und KI ergänzen<br />
sich gegenseitig: Während 5G die Infrastruktur<br />
und die großen Datenmengen zur Verfügung stellt,<br />
die KI-Lösungen benötigen, ist KI in der Lage, die<br />
Komplexität eines 5G-Netzwerks zu „verstehen“<br />
und zu steuern.<br />
In vier Phasen Anwendungsfälle ermitteln<br />
arbeiten sollen. In der zweiten Phase geht es<br />
um die konkrete Ideenfindung. Mithilfe von Brainstorming<br />
und anderen Methoden werden dabei<br />
Anwendungsfälle entwickelt und priorisiert. In<br />
Phase drei erfolgt die Ausarbeitung einiger ausgewählter<br />
Fälle. Dabei werden z. B. der erforderliche<br />
Kompetenzaufbau und die Datenverfügbarkeit in<br />
den Blick genommen. Schließlich steht in Phase<br />
vier die Bewertung der ausgearbeiteten Szenarien<br />
an <strong>–</strong> sowie die Entscheidung über ihre Einführung.<br />
Experten unterstützen interessierte<br />
Betriebe<br />
Sich mit einem doch einigermaßen aufwendigen KI-<br />
Projekt zeitlich und fachlich überfordert zu fühlen, ist<br />
kaum verwunderlich. Es gibt deshalb für interessierte<br />
Handwerksbetriebe viele Unterstützungsmöglichkeiten<br />
wie z. B. die bundesweit vertretenen Mittelstand-Digital<br />
Zentren, die kostenfrei bei der Planung<br />
und Umsetzung von KI begleiten. Aber auch die<br />
Digitalisierungsberater der Handwerkskammern und<br />
andere KI-Beratungsstellen helfen weiter.<br />
Um für <strong>das</strong> eigene Unternehmen geeignete Anwendungsfälle<br />
zu erkennen, haben sich vier Phasen<br />
bewährt: In der Analysephase wird unter anderem<br />
geklärt, wer aus dem Team dabei sein soll, wie es<br />
um die digitalen Voraussetzungen im Unternehmen<br />
bestellt ist und welche Optimierungsmöglichkeiten<br />
es entlang der Wertschöpfungskette grundsätzlich<br />
gibt. Besonders wichtig ist es, diejenigen von Anfang<br />
an einzubinden, die später mit der KI-Lösung<br />
Das breit gefächerte KI-Beratungsangebot zeigt<br />
auch, <strong>das</strong>s immer mehr Handwerksbetriebe die KI<br />
als Chance begreifen und davon profitieren möchten.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Dorner, der an der THD zu<br />
KI im Handwerk forscht und <strong>das</strong> 5G-Projekt leitet,<br />
sieht <strong>das</strong> Handwerk in Sachen KI sogar in einer<br />
Vorreiterrolle: „Das sind kleine, inhaberbetriebene<br />
Unternehmen, die flexibel und agil reagieren und so<br />
KI-Lösungen schnell adaptieren können“, so Dorner.<br />
KI-Readiness-Check<br />
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz hat einen<br />
kostenlosen Online-Test entwickelt, mit dem ermittelt werden kann,<br />
welches ungenutzte KI-Potenzial im Betrieb schlummert und was noch<br />
zu tun ist, bevor eine KI-Lösung sinnvoll eingesetzt werden kann.<br />
26 I <strong>BAUREPORT</strong> © stock.adobe.com <strong>–</strong> Alfan Subekti<br />
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BerufsAbitur als Anreiz für Azubis<br />
Beides<br />
in der Tasche<br />
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen<br />
<strong>–</strong> <strong>das</strong> können Auszubildende mit dem<br />
Berufs Abitur. Neben dem Gesellenabschluss<br />
haben sie nach drei bzw. vier<br />
Jahren auch die Fachhochschulreife in<br />
der Tasche.<br />
Immer wieder tun sich neue Wege und Möglichkeiten<br />
auf, eine Ausbildung zu gestalten und Handwerksberufe<br />
für junge Menschen attraktiv zu machen.<br />
Das BerufsAbitur vereint eine handwerkliche<br />
Berufsausbildung mit der Fach- bzw. allgemeinen<br />
Hochschulreife. Einzige Voraussetzung für die Teilnahme<br />
an diesem Modell ist ein mittlerer Schulabschluss.<br />
Parallel zur betrieblichen Ausbildung findet<br />
der Unterricht an der Berufsschule statt. Das bedeutet<br />
für die Absolventen: Gesellenbrief und Abitur. Ab<br />
diesem Moment haben die BerufsAbiturienten verschiedene<br />
Optionen: als Geselle im Betrieb bleiben,<br />
weiter an die Berufsoberschule, Meisterprüfung oder<br />
doch gleich ein Studium an einer Fachhochschule.<br />
Die doppelte Qualifikation spornt junge Menschen<br />
an, einen handwerklichen Beruf zu erlernen und<br />
macht die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt noch<br />
wertvoller. Schulabgänger müssen sich nach der<br />
mittleren Reife nicht auf einen bestimmten Karriereweg<br />
festlegen, sondern können sich weiterhin frei<br />
entscheiden <strong>–</strong> <strong>das</strong> eröffnet viele Chancen für weitere<br />
berufliche und wissenschaftliche Disziplinen.<br />
Länderspezifische Unterschiede<br />
Das BerufsAbitur ist Teil der bildungspolitischen<br />
Initiative „Höhere Berufsbildung“, die der Zentralverband<br />
des Deutschen Handwerks (ZDH) mit<br />
der Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen<br />
hat. Seit dem Schuljahr 2017/2018 haben Schulabgänger<br />
die Möglichkeit, sich für <strong>das</strong> BerufsAbitur<br />
zu entscheiden. Durch den simultanen Erwerb von<br />
Gesellenabschluss und Abitur will man dem Fachkräftemangel<br />
entgegenwirken und leistungsstarke<br />
junge Menschen für <strong>das</strong> Handwerk gewinnen. Dadurch<br />
wird die Attraktivität einer Berufsausbildung<br />
gesteigert.<br />
Aber <strong>das</strong> BerufsAbitur hat sich noch nicht in ganz<br />
Deutschland etabliert. Erst in neun Bundesländern<br />
können sich Jugendliche aktuell für diesen Weg<br />
entscheiden. Wie bei so vielen Themen gibt es<br />
auch hier länderspezifische Varianten, die sich in<br />
manchen Punkten unterscheiden: So erreicht man<br />
z. B. in Bayern und Hessen nach drei Jahren Ausbildung<br />
mit ergänzendem Unterricht am Abend und<br />
am Wochenende die Fachhochschulreife, während<br />
in Berlin <strong>das</strong> BerufsAbitur auf vier Jahre ausgelegt<br />
ist, von denen man 26 Wochen pro Jahr an einem<br />
beruflichen Gymnasium verbringt, um die allgemeine<br />
Hochschulreife zu erreichen. Der genaue Aufbau<br />
der BerufsAbitur-Modelle ist auf den Online-Auftritten<br />
der jeweiligen Handwerkskammern zu finden.<br />
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mehr Aufträge im Hauptbaugewerbe<br />
Im Juli 2<strong>02</strong>3 konnte im Vergleich zum<br />
Vormonat ein deutlicher Anstieg des Auftragseingangs<br />
verzeichnet werden.<br />
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7 %<br />
Mehrwertsteuer<br />
Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Baustoffe<br />
und -leistungen wird gefordert, um den gestiegenen<br />
Baukosten entgegenzutreten.<br />
© colourbox.com <strong>–</strong> Andie_Alpion<br />
63 %<br />
der Häuser vor 1979 errichtet<br />
Knapp zwei Drittel der Wohngebäude in<br />
Deutschland wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung<br />
1979 errichtet. Das lässt<br />
auf hohen Sanierungsbedarf schließen.<br />
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An die Wettbewerbsfähigkeit denken<br />
Von Reklamationsmanagement<br />
bis Kundenbindung<br />
» Reinhören<br />
Der Podcast<br />
zum Artikel<br />
Reinhören in<br />
den <strong>BAUREPORT</strong><br />
Podcast Folge<br />
#29 „Von<br />
Reklamationsmanagement<br />
bis<br />
Kundenbindung“<br />
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im Podcast<br />
Handwerkstrainer<br />
Udo Herrmann<br />
beleuchtet<br />
im Interview <strong>das</strong><br />
Thema qualitativ<br />
hochwertiger<br />
Kundenanfragen.<br />
Selbst wenn die Auftragsbücher noch<br />
prall gefüllt sind und <strong>das</strong> Tagesgeschäft<br />
floriert, sollte man die langfristige Wettbewerbsfähigkeit<br />
nicht aus den Augen<br />
verlieren. Um dauerhaft am Markt bestehen<br />
zu können, ist beispielsweise ein<br />
Alleinstellungsmerkmal ein wichtiger<br />
Faktor. So hebt man sich von der Konkurrenz<br />
ab und entgeht Preisvergleichen.<br />
Aber auch mit einem exzellenten Service<br />
<strong>–</strong> von der Kommunikation bis hin zum Umgang<br />
mit Reklamationen <strong>–</strong> kann man sich<br />
eine loyale Kundenbasis aufbauen und<br />
sichern.<br />
Fest steht: Ein Unternehmen, <strong>das</strong> weiß, worin es<br />
einzigartig ist, entzieht sich in diesem Bereich dem<br />
Wettbewerb und braucht auch den Preisvergleich<br />
nicht scheuen. Ein solches Alleinstellungsmerkmal<br />
<strong>–</strong> ein Unique Selling Point (USP) <strong>–</strong> macht in gewisser<br />
Weise unwiderstehlich. Denn es ist nicht nur<br />
ein effektives Marketinginstrument, sondern erzeugt<br />
auch eine hohe Kundenbindung. Ganz nebenbei<br />
zahlt es auch auf die Arbeitgeberattraktivität ein.<br />
Doch was tun, wenn es keinen offensichtlichen<br />
USP gibt? Marketing-Experte Christian Seigwasser<br />
schlägt zwei grundsätzliche Wege vor,<br />
um aktiv nach einem solchen zu suchen.<br />
Die Leitfrage des ersten Weges lautet: Was macht<br />
mir besonders viel Spaß? In der Reflexion über<br />
diese Frage entdeckt man idealerweise Themen,<br />
aus denen sich ein Alleinstellungsmerkmal ableiten<br />
lässt. Ein anderer Weg zum USP führt laut<br />
Seigwasser über die Frage „Welche Probleme kann<br />
ich besonders gut lösen?“ Um der Antwort auf die<br />
Spur zu kommen, hilft eine Blick auf vergangene<br />
Aufträge und Kundenbeschwerden. Entdeckt man<br />
dabei ein Muster, also ein ständig wiederkehrendes<br />
Problem, für <strong>das</strong> man eine besondere Lösung gefunden<br />
hat, könnte genau dies zum Alleinstellungsmerkmal<br />
werden.<br />
Kundenservice auf Top-Niveau bringen<br />
Darüber hinaus gibt es viele weitere Bereiche mit<br />
„USP-Potenzial“, wie z. B. eine besondere Firmengeschichte,<br />
Einzelfertigung, zertifizierte oder ausgezeichnete<br />
Qualität, Nachhaltigkeit, eine spezielle<br />
Zielgruppe, soziales Engagement oder auch eine<br />
32 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
UNTERNEHMEN
Innovation. Hat man sein Alleinstellungsmerkmal<br />
gefunden, sollte man es untermauern und ausbauen,<br />
beispielsweise durch einschlägige Weiterbildungen<br />
oder die Anschaffung spezieller Werkzeuge.<br />
Außerdem muss der USP nach außen kommuniziert<br />
werden <strong>–</strong> auf der Website, via Social Media und im<br />
Rahmen von Marketingaktivitäten aller Art.<br />
Neben einem starken USP bietet auch die Qualität<br />
des Kundenservices eine ausgezeichnete<br />
Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben.<br />
Denn was auf den ersten Blick selbstverständlich<br />
erscheint bzw. Anspruch einer jeden Firma ist,<br />
erweist sich in der Realität oft als gar nicht so einfach:<br />
Es ist z. B. niemand telefonisch erreichbar,<br />
E-Mails werden tagelang nicht beantwortet oder die<br />
Website funktioniert nicht richtig. Natürlich kann ein<br />
kleiner oder auch mittelständischer Handwerksbetrieb<br />
keinen „24/7-Service“ anbieten, aber ein gutes<br />
Niveau ist erreichbar <strong>–</strong> und lohnt sich langfristig.<br />
Digitale Lösungen können dabei helfen.<br />
Verschiedene Kommunikationskanäle<br />
nutzen<br />
Das beginnt schon beim Thema Erreichbarkeit: Betriebe<br />
sollten hier nicht nur auf <strong>das</strong> Telefon setzen,<br />
sondern unterschiedliche Wege nutzen <strong>–</strong> von Kontaktformularen<br />
über WhatsApp bis hin zu Terminen<br />
per Videochat. Und auch die Reaktionsgeschwindigkeit<br />
ist ein wichtiger Aspekt. Innerhalb von ein<br />
paar Stunden zu antworten wäre optimal, ist aber<br />
kaum zu schaffen. Automatisierte Rückmeldungen<br />
sind hier ein guter Kompromiss. Um Kunden über<br />
die Öffnungszeiten hinaus unterstützen zu können,<br />
bieten sich außerdem Selfservice-Angebote auf der<br />
Website wie FAQs oder Tutorial-Videos an.<br />
Ein weiterer wichtiger Baustein eines guten<br />
Services ist, Informationen rund um einen Auftrag<br />
bzw. Kunden, also die Kundenhistorie, zentral<br />
<strong>–</strong> mithilfe passender Softwarelösungen <strong>–</strong> zu<br />
speichern, um sie bei einer Kundenanfrage sofort<br />
und im Überblick abrufen zu können. Das spart<br />
beiden Seiten viel Zeit und stärkt die Kundenbeziehung.<br />
Und nicht nur <strong>das</strong>: Ist man über einen<br />
Kunden gut im Bilde, kennt seine Auftragshistorie<br />
und seine aktuellen Bedürfnisse, lässt sich auch<br />
oft spontan ein Folgeauftrag oder ein Zusatzverkauf<br />
generieren.<br />
Reklamationen als Chance begreifen<br />
Ein etwas unangenehmeres Thema, <strong>das</strong> aber<br />
ganz entscheidend zu einem guten Kundenservice<br />
dazugehört, ist der Umgang mit Reklamationen.<br />
Oft wird die Bearbeitung von Beschwerden verschleppt<br />
oder man geht intuitiv in eine Abwehrhaltung.<br />
So menschlich <strong>das</strong> auch ist, sollte es<br />
doch keinesfalls passieren. Richtig ist vielmehr die<br />
gegenteilige Reaktion, nämlich die Reklamation<br />
als Chance zu begreifen. Die Grundregel lautet:<br />
dem Kunden gut zuhören und Verständnis zeigen,<br />
auch wenn er aufgebracht ist. „Ich kann verstehen,<br />
<strong>das</strong>s Sie sich ärgern“ oder „Ich kann mich gut in<br />
Ihre Lage versetzen“ <strong>–</strong> mit Reaktionen dieser Art<br />
fühlt sich der Kunde mit seinen Problemen ernstgenommen.<br />
Im nächsten Schritt gilt es, eine konkrete Lösung<br />
vorzuschlagen oder <strong>–</strong> falls diese nicht gleich auf<br />
der Hand liegt <strong>–</strong> eine schnelle Lösung zu versprechen<br />
und zeitnah darüber zu informieren. Auch<br />
Großzügigkeit ist bei Beschwerden eine wichtige<br />
Tugend: Gewährt man z. B. einen kleinen Nachlass,<br />
verraucht der Ärger oft schnell und die Angelegenheit<br />
bleibt positiv im Gedächtnis. Zusagen<br />
müssen dann natürlich auch eingehalten, also Reparaturen<br />
oder andere vereinbarte Regulierungen<br />
zuverlässig umgesetzt werden. Wenn man zum<br />
Abschluss einer Reklamationsbearbeitung noch<br />
mit einem kleinen Präsent überrascht, kann man<br />
fast sicher sein, den Kunden langfristig für sich gewonnen<br />
zu haben.<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 33
Das Handwerk ist gefragt<br />
Wachstumschance<br />
Smart<br />
Home<br />
Über 20 Jahre lang wurde der milchbestellende<br />
Kühlschrank belächelt, aber<br />
nun könnte es ernst damit werden: Fast<br />
7 Millionen Menschen planen laut „Smart<br />
Home Monitor 2<strong>02</strong>3“ in den nächsten<br />
12 Monaten die Anschaffung ihres ersten<br />
smarten Geräts. Und über 70 Prozent<br />
der 30 Millionen Menschen, die bereits<br />
mindestens eines im Haushalt haben,<br />
möchten weitere dazu nehmen. Smart<br />
Home kommt im Mainstream an <strong>–</strong> und<br />
Handwerksbetriebe sind als Ansprechpartner<br />
und Umsetzer gefragt.<br />
Das Licht wird per App gesteuert, die Rollläden<br />
fahren per Sprachbefehl herunter und <strong>das</strong> smarte<br />
Thermostat schaltet die Heizung bei offenem<br />
Fenster automatisch ab: 44 Prozent der Menschen<br />
in Deutschland nutzen Smart-Home-Anwendungen.<br />
Das entspricht einer absoluten Anzahl von rund<br />
30 Millionen Menschen <strong>–</strong> Tendenz steigend. Das<br />
sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung<br />
des Digitalverbandes Bitkom. Dabei fällt auf:<br />
Die meisten Smart-Home-Technologien werden im<br />
Bereich Energie eingesetzt. Auf Platz eins liegen<br />
dabei Lichtsysteme, gefolgt von Heizkörperthermostaten<br />
und smarten Steckdosen. Energiesparen<br />
ist demzufolge <strong>das</strong> Hauptziel der Nutzer, aber auch<br />
Komfort und Sicherheit sind wichtige Kaufgründe.<br />
Auch wenn man bei Smart Home fast unwillkürlich<br />
an ein neues, hochmodernes Haus denkt <strong>–</strong> smarte<br />
Technologien eignen sich hervorragend auch für<br />
ältere Häuser. Bei der (energetischen) Sanierung<br />
smarte Anwendungen zu integrieren ist sinnvoll<br />
und effizient. So kann noch mehr Energie gespart<br />
und gleichzeitig der Komfort erhöht werden. Große<br />
Hebel sind beispielsweise Energiemanagementsysteme,<br />
die stromerzeugende Anlagen im Haushalt<br />
mit den Stromverbrauchern vernetzen, Heizsysteme<br />
mit Einzelraumtemperaturregelung oder<br />
eine automatisierte Wohnraumlüftung.<br />
Smart-Home-Projekte sind gewerkeübergreifend<br />
Für <strong>das</strong> Handwerk bedeutet der Smart-Home-Trend<br />
Wachstumspotenzial und neue Geschäftsfelder.<br />
Zum einen, weil die technische Integration fachliches<br />
Know-how erfordert, zum anderen aber auch, weil<br />
Verbraucher dem Handwerk am meisten vertrauen.<br />
„Die Gewerke in diesem Bereich sollten sich unter<br />
anderem mit Installation und Wartung von komplexeren<br />
Smart-Home-Lösungen befassen“, betont Klaas<br />
Moltrecht, Bitkom-Experte für Smart Home.<br />
In erster Linie profitieren Elektrotechniker, Anlagenmechaniker<br />
für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik<br />
sowie Kälteanlagenbauer von den Potenzialen,<br />
34 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
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<strong>BAUREPORT</strong> I 35
estehen. Denn eine solche Installation ist nur von<br />
Fachleuten realisierbar. Spezialisierten Handwerksbetrieben<br />
eröffnet dies die Chance, neue Lösungen<br />
anzubieten, z. B. Komplettpakete von der Planung<br />
über die Installation der verschiedensten Komponenten<br />
bis hin zur Automatisierung.<br />
Smart-Home-Projekte dieser Art werden darüber<br />
hinaus auch eine langfristige Begleitung erforderlich<br />
machen, um beispielsweise <strong>das</strong> System laufend zu<br />
aktualisieren und zu erweitern. Auch gewerke übergreifende<br />
Handwerksservices werden eine wichtige<br />
Rolle spielen. Um <strong>das</strong> Marktpotenzial ausschöpfen<br />
zu können, sind in der Regel einschlägige (Weiter-)<br />
Qualifikationen erforderlich, wie sie z. B. der TÜV<br />
anbietet. Dies ist natürlich ein nicht unerheblicher<br />
Aufwand, verschafft aber auch Wettbewerbsvorteile.<br />
Einheitlicher Standard soll den<br />
Durchbruch bringen<br />
» Reinhören<br />
Der Podcast<br />
zum Artikel<br />
Reinhören in<br />
den <strong>BAUREPORT</strong><br />
Podcast Folge<br />
#30 „Wachstumschance<br />
Smart<br />
Home“ bei Spotify<br />
und Apple.<br />
da sie in der Regel Planung und Installation vornehmen.<br />
Bei Smart-Home-Projekten werden jedoch<br />
die unterschiedlichsten Gewerke zusammengeführt.<br />
Neben den Spezialisten sind auch viele Bau- und<br />
Ausbaugewerke an der Umsetzung beteiligt.<br />
Grundkompetenzen sind deshalb auch in diesen<br />
Handwerksberufen wichtig. Außerdem wird sich <strong>das</strong><br />
Geschäft künftig nicht allein auf den Einbau von Lösungen<br />
konzentrieren, sondern auch Beratung, Konfiguration,<br />
Überwachung und Wartung umfassen.<br />
Doch was spricht eigentlich dafür, <strong>das</strong>s Smart<br />
Home ausgerechnet jetzt <strong>–</strong> nachdem dies schon<br />
seit Jahren angekündigt wird <strong>–</strong> an der Schwelle<br />
zum Massenmarkt steht? Zum einen weisen die<br />
Zahlen diverser Verbraucherbefragungen darauf<br />
hin. Zum anderen soll ein großes Hindernis bald<br />
aus dem Weg geräumt sein: die Nicht-Kompatibilität<br />
der vielen unterschiedlichen Systeme. Ein neuer<br />
Standard namens Matter <strong>–</strong> offiziell gestartet im<br />
Oktober 2<strong>02</strong>2 <strong>–</strong> könnte nun zum Gamechanger<br />
werden. Matter ist ein Verbindungsprotokoll, <strong>das</strong><br />
Smart-Home-Geräte über Hersteller- und Softwaregrenzen<br />
hinweg kompatibel macht. Dieser Standard<br />
kommt jedoch bislang nur langsam in der Praxis an<br />
<strong>–</strong> es hakt noch an der Zertifizierung der Geräte.<br />
Wettbewerbsvorteil durch Smart-Home-<br />
Kompetenz<br />
Das Mittelstandszentrum Digital geht davon aus,<br />
<strong>das</strong>s sich der Smart-Home-Markt in drei Bereiche<br />
aufteilen wird: Einzelne, kleine Komponenten wie<br />
z. B. intelligente Thermostate werden als günstige<br />
Massenware zur Selbstmontage verkauft. Daneben<br />
wird es auch aufwendigere Lösungen, die z. B.<br />
mehrere Komponenten zu teilautomatisierten Systemen<br />
vernetzen, zur Eigenmontage geben. Der<br />
kleinste <strong>–</strong> aber für <strong>das</strong> Handwerk interessanteste<br />
<strong>–</strong> Teil des Marktes wird aus Angeboten zur weitgehend<br />
vollständigen Automatisierung von Häusern<br />
Einen weiteren Treiber von Smart Home sehen<br />
Experten auch im „Ambient Assistent Living (AAL)“.<br />
AAL steht für Geräte und Dienstleistungen, die Senioren<br />
und Menschen mit Handicap dabei unterstützen,<br />
möglichst selbstbestimmt in ihren eigenen vier<br />
Wänden zu leben. Die Bedeutung dieses Bereichs<br />
hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen<br />
<strong>–</strong> vorangetrieben durch die älter werdende Gesellschaft,<br />
die Zunahme chronischer Erkrankungen<br />
und den Fachkräftemangel in der Pflege. Von den<br />
Ältesten zu den Jüngsten: Spätestens dann, wenn<br />
die mit dem Smartphone aufwachsende Generation<br />
Alpha ihre eigenen Häuser bezieht, sollte <strong>das</strong><br />
Smart Home auf breiter Fläche angekommen sein.<br />
36 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
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<strong>BAUREPORT</strong> I 37
Flexibilisierung im Handwerk<br />
Offen für neue<br />
Arbeitszeitmodelle<br />
Die IG Metall hat kürzlich die weitreichendste<br />
Forderung in Sachen Viertagewoche<br />
gemacht: Die Gewerkschaft<br />
verhandelt darüber, <strong>das</strong>s Stahlarbeiter<br />
nur noch 32 Stunden arbeiten sollen <strong>–</strong> für<br />
<strong>das</strong> gleiche Geld. Das hat einerseits für<br />
einen Aufschrei gesorgt, andererseits<br />
einen gesellschaftlichen Nerv getroffen.<br />
Denn die Viertagewoche und andere neue<br />
Arbeitszeitmodelle werden in vielen Branchen<br />
diskutiert und ausprobiert <strong>–</strong> auch<br />
<strong>das</strong> Handwerk zeigt sich offen. Kann <strong>das</strong><br />
wirklich funktionieren? Und welche Modelle<br />
gibt es überhaupt?<br />
Die Schreinerei und Möbelmanufaktur Mayr in<br />
Ingolstadt hat 2<strong>02</strong>2 die Viertagewoche eingeführt<br />
<strong>–</strong> und gute Erfahrungen damit gemacht. Für<br />
Geschäftsführer Andreas Mayr ist dieses Arbeitszeitmodell<br />
eine Reaktion auf die sich ändernden<br />
Anforderungen in der Arbeitswelt. Sein Konzept<br />
<strong>–</strong> er nennt es „modifizierte Viertagewoche“ <strong>–</strong> sieht<br />
keine Kürzung der Stundenleistung vor, allerdings<br />
werden in Produktion und Montage die Kapazitäten<br />
ressourcenschonend gebündelt. Für die Mitarbeiter<br />
entfällt jeweils eine An- und Abfahrt und auch die<br />
Montagetage werden entsprechend reduziert. Der<br />
Output bleibt gleich. Durch den zusätzlichen freien<br />
Tag möchte der Chef seinen Mitarbeitern mehr Freiraum<br />
zur Verwirklichung einer echten Work-Life-<br />
Balance geben. Auch geht es ihm um eine höhere<br />
Attraktivität als Arbeitgeber. Die Rechnung scheint<br />
für Andreas Mayr bislang aufzugehen: Er hat heute<br />
mehr Bewerbungen als freie Stellen und der Umsatz<br />
leidet nicht.<br />
Work-Life-Balance steht hoch im Kurs<br />
Bereits seit 2<strong>02</strong>1 gibt es bei der Metallbaufirma<br />
Franz Rönnau die Viertagewoche. Wie Inhaberin<br />
Marie-Antoinette Schleicher berichtet, entstand diese<br />
im Konsens mit den Beschäftigten. Man einigte<br />
sich auf 36 Stunden an vier Tagen <strong>–</strong> bei 24 Tagen<br />
Urlaub im Jahr. „Nach einer drei monatigen Testphase<br />
haben wir geschaut, ob sich alle damit<br />
wohlfühlen und was letztlich die Zahlen sagen.<br />
Niemand konnte sich mehr vorstellen, an fünf<br />
Tagen zu arbeiten <strong>–</strong> und somit war die Viertagewoche<br />
beschlossene Sache“, sagt Schleier. Die<br />
Kunden werden im Vorfeld darüber informiert, <strong>das</strong>s<br />
die Baustellen freitags nicht angefahren werden.<br />
Die Reaktionen seien bislang durchwegs positiv<br />
gewesen, so Schleicher. Auch Wartezeiten würden<br />
sich dadurch nicht ergeben, diese entstünden eher<br />
durch Materialengpässe oder nicht rechtzeitig erteilte<br />
Genehmigungen.<br />
38 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
UNTERNEHMEN
Die beiden Beispiele zeigen, <strong>das</strong>s so manche Vorurteile<br />
unbegründet sind <strong>–</strong> sie machen aber auch<br />
deutlich, <strong>das</strong>s es bei der Viertagewoche auf die<br />
Ausgestaltung und Planung ankommt. Fest steht<br />
jedenfalls, <strong>das</strong>s in den deutschen Handwerksbetrieben<br />
gut 250.000 Fachkräfte fehlen. Es ist also<br />
Kreativität gefragt, um Personal zu finden und zu<br />
binden <strong>–</strong> auch weil sie in dieser Hinsicht in Konkurrenz<br />
zu Großunternehmen und Industrie stehen.<br />
Die Arbeitszeitgestaltung ist dabei ein wichtiger Ansatzpunkt.<br />
Zumal der Arbeitsmarkt sich gewandelt<br />
und eine gute Work-Life-Balance bei jungen Leuten<br />
noch höher im Kurs steht als ein attraktives Gehalt.<br />
Arbeitsmenge und Arbeitsabläufe<br />
gut austarieren<br />
In einer aktuellen Befragung der Hans Böckler<br />
Stiftung haben sich rund 81 Prozent der Voll zeiterwerbs<br />
tätigen für eine Viertagwoche ausgesprochen<br />
<strong>–</strong> allerdings mit entsprechend niedrigerer<br />
Wochenarbeitszeit. Knapp 73 Prozent sagen, <strong>das</strong>s<br />
sie eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem<br />
Lohn möchten. Fast alle Befragten, die sich eine<br />
Viertagewoche wünschen, möchten dadurch mehr<br />
Zeit für sich und ihre Familie sowie für Sport und<br />
Hobbys haben. Zwischenergebnisse von Pilotprojekten<br />
in Großbritannien unterstreichen, <strong>das</strong>s<br />
mehr „Zeit für Muße“ tatsächlich positive Auswirkungen<br />
hat: Beschäftigte mit verkürzter Arbeitszeit erwiesen<br />
sich als produktiver, motivierter und weniger<br />
gestresst. Sie waren auch seltener krank. Doch<br />
Arbeitsmarktexperten weisen auch auf die Gefahren<br />
hin: Zu lange tägliche Arbeitszeiten könnten<br />
auch die Produktivität senken und der Gesundheit<br />
schaden. „Bei gleichem Lohn müssten Arbeitnehmer<br />
die gleiche Arbeit in vier Tagen schaffen und<br />
ihre Produktivität um 25 Prozent steigern. Nur dann<br />
würde <strong>das</strong> Unternehmen keine Verluste einfahren.<br />
Das ist nicht realistisch“, sagt beispielsweise Enzo<br />
Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
in Nürnberg.<br />
Die Praxiserfahrungen und Studien zeigen: Letztendlich<br />
kommt es bei der erfolgreichen Umsetzung<br />
neuer Arbeitszeitmodelle darauf an, die Wünsche<br />
der Mitarbeiter mit dem Wohl des Betriebes in Einklang<br />
zu bringen. Das bedeutet, die Arbeits menge<br />
und -abläufe so auszutarieren, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong><br />
Arbeitszeitmodell nicht negativ auf die Gesundheit<br />
der Beschäftigten auswirkt, gleichzeitig aber die<br />
Produktivität nicht leidet. Automatisierungsprozesse<br />
können dazu beitragen, <strong>das</strong>s die Arbeit immer effizienter<br />
erledigt werden kann und damit die Arbeitsleistung<br />
ein Stück weit von den Arbeitsstunden<br />
entkoppelt wird.<br />
© colourbox.com <strong>–</strong> Peopleimages.com <strong>BAUREPORT</strong> I 39
In vier Schritten zu<br />
flexiblen Arbeitszeiten<br />
Neue Arbeitsmodelle sind erfolgreich,<br />
wenn sie auf die betrieblichen Umstände<br />
abgestimmt sind und gleichzeitig die Bedürfnisse<br />
der Mitarbeiter berücksichtigen.<br />
Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung<br />
empfiehlt eine strukturierte<br />
Einführung in vier Schritten:<br />
1. Am Anfang steht die Analyse der<br />
Anforderungen des Unternehmens und<br />
der Beschäftigten. Dabei spielen z. B.<br />
Öffnungs- und Servicezeiten sowie Auftragsprognosen<br />
eine Rolle. Die Mitarbeiter<br />
werden nach ihren Wünschen befragt.<br />
2. Im nächsten Schritt werden die Verantwortlichkeiten<br />
für die Einführung neuer<br />
Arbeitszeitmodelle definiert <strong>–</strong> idealerweise<br />
übernimmt dies eine Projektgruppe aus<br />
Vertretern beider Seiten.<br />
3. Die neuen Arbeitszeitmodelle werden<br />
gemäß Analyse und im Einklang mit geltenden<br />
Rechtsvorschriften eingeführt.<br />
4. Schließlich gilt es, die neuen Modelle<br />
regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin zu<br />
überprüfen und bei Bedarf zu verändern.<br />
Viele Organisationsmodelle möglich<br />
Wahrscheinlich ist nicht die Viertagewoche die<br />
Lösung schlechthin, sondern vielmehr eine Flexibilisierung<br />
der Arbeitszeiten. Allein für die Viertagewoche<br />
gibt es verschiedene Organisationsmodelle<br />
<strong>–</strong> zwei davon sind aktuell am weitesten verbreitet:<br />
Beim ersten Modell werden 40 Regelstunden auf<br />
vier Tage verteilt, die Beschäftigten arbeiten also<br />
jeweils 10 Stunden. Das Gehalt bleibt gleich. Beim<br />
zweiten Modell wird die Arbeitszeit um 20 Prozent<br />
reduziert, die Beschäftigten erhalten ebenfalls<br />
<strong>das</strong> volle Gehalt. Allerdings wird von ihnen eine<br />
genauso hohe Produktivität erwartet wie bei einer<br />
40-Stunden-Woche an fünf Tagen. Es gibt aber<br />
noch viele weitere Möglichkeiten zur flexiblen<br />
Gestaltung der Arbeitszeiten <strong>–</strong> so kann jedes Unternehmen<br />
die für sich richtige Lösung finden.<br />
Eine Reduktion der Arbeitstage, ohne dabei die<br />
Stunden zu reduzieren, kann z. B. auch über individuelle<br />
vertragliche Sondervereinbarungen erreicht<br />
werden. Ein Mitarbeiter könnte beispielsweise<br />
38,5 Stunden in einer Viertagewoche leisten. Auch<br />
<strong>das</strong> ist eine Vollzeitstelle, bietet aber einen zusätzlichen<br />
freien Tag in der Woche. Dieses Modell wird<br />
bereits von einigen Betrieben erfolgreich umgesetzt.<br />
Wenn es um eine reduzierte Stundenanzahl<br />
40 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
UNTERNEHMEN
geht, ist zunächst die klassische Teilzeitstelle zu<br />
nennen. Obwohl diese statistisch betrachtet eher<br />
bei Frauen und in anderen Branchen beliebt ist,<br />
kann es auch im Handwerksbetrieb sinnvoll sein,<br />
sie anzubieten <strong>–</strong> beispielsweise wenn ein Mitarbeiter<br />
alleinerziehend ist oder jemand aus gesundheitlichen<br />
Gründen kürzer treten will oder muss.<br />
Arbeitszeitkonten und Blockarbeitszeit<br />
Arbeitszeitkonten sind ein mögliches Modell. Gerade<br />
für den Bau ist diese Art der Flexibilisierung<br />
sinnvoll, da sie es ermöglicht, Flauten und Wellen<br />
von Mehrarbeit gut managen zu können. Bei<br />
diesem Modell wird gearbeitet, wenn wirklich Arbeit<br />
da ist. Mangelt es an Aufträgen oder gibt es einen<br />
Baustellenstopp, bleiben Mitarbeitende zu Hause.<br />
Aber auch für Mehrarbeit, die bei Bedarf flexibel<br />
angeordnet wird, müssen sie bereit sein. Die Überstunden<br />
landen auf einem Arbeitszeitkonto, einer<br />
Art „Sparkonto“ für Arbeitszeit, die dann bei Bedarf<br />
bzw. nach betrieblicher Möglichkeit „abgebucht“<br />
werden. Arbeitszeitkonten können auf ein Jahr hin<br />
oder sogar lebenslang angelegt sein.<br />
Ein weiteres flexibles Arbeitszeitmodell, mit dem<br />
ebenfalls Arbeitsspitzen und Flautephasen gut<br />
austariert werden können, ist die Blockarbeitszeit:<br />
Dabei werden für verschiedene Phasen im Jahr<br />
unterschiedliche Wochenarbeitsstunden vereinbart.<br />
So könnte ein Handwerker beispielsweise in den<br />
Monaten von April bis Oktober eine vertraglich vereinbarte<br />
Wochenarbeitszeit von 40 Stunden haben,<br />
während er von November bis März nur 30 Stunden<br />
pro Wochen arbeitet.<br />
Win-win-Situation<br />
Für Hilfskräfte auf dem Bau kann auch <strong>das</strong> Modell<br />
„Arbeit auf Abruf“ in Frage kommen. Dabei wird vertraglich<br />
vereinbart, <strong>das</strong>s ein Mitarbeiter nur dann in<br />
den Betrieb kommt, wenn Arbeit für ihn anfällt. Der<br />
Arbeitgeber muss jedoch vier Tage vorher Bescheid<br />
geben. Die Vergütung kann nach Stunden oder pauschal<br />
erfolgen <strong>–</strong> bei Letzterem dann in der Regel in<br />
Verbindung mit einem Arbeitszeitkonto. Für größere<br />
Handwerksbetriebe kann außerdem Schichtarbeit<br />
eine Option sein, um ihren Beschäftigten mehr Flexibilität<br />
zu ermöglichen. Vor allem ein Zwei-Schicht-<br />
Modell ist in vielen größeren Betrieben umsetzbar.<br />
Die klassische Vollzeitwoche bewegt sich also <strong>–</strong><br />
auch im Handwerk. Das kann bei guter Umsetzung<br />
ein Vorteil für beide Seiten sein. Welches flexible<br />
Arbeitszeitmodell allerdings <strong>das</strong> richtige ist, hängt<br />
vom Betrieb und seinen Anforderungen ab.<br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> Gorodenkoff <strong>BAUREPORT</strong> I 41
Professionell, kreativ und zielgerichtet<br />
Tipps für<br />
ein erfolgreiches<br />
Recruiting<br />
Der Fachkräftemangel ist weiterhin ein<br />
großes Thema, mit dem sich Handwerksbetriebe<br />
auseinandersetzen müssen <strong>–</strong><br />
und wird es wohl auch in Zukunft bleiben.<br />
Zahlreiche Ausbildungsplätze und Stellen<br />
für Fachpersonal wollen schnellstmöglich<br />
besetzt werden. Das A und O, um neue<br />
Mitarbeiter für sich zu gewinnen, ist nicht<br />
nur eine positive Außenwirkung, sondern<br />
auch ein hervorragendes Recruiting. Dieses<br />
beginnt bei ansprechenden Inseraten<br />
und reicht bis hin zur Aktivierung von Mitarbeitern<br />
als Markenbotschafter.<br />
1. W-Fragen beantworten<br />
Das Wichtigste zuerst: Wer wird gesucht? Welche<br />
Fähigkeiten sollte der Bewerber mitbringen? Wo ist<br />
der Einsatzort? Was ist <strong>das</strong> überhaupt für ein Betrieb?<br />
Wie ist <strong>das</strong> Arbeitsklima? Welche Art Unternehmen<br />
ist es? Wer ist mein Ansprechpartner? Die<br />
brennendsten Fragen sollten schnellstmöglich beantwortet<br />
werden. Denn der potenzielle Bewerber<br />
muss unkompliziert erfassen können, um welche<br />
Stelle es sich handelt und welcher Betrieb diese<br />
sucht. So kann er schnell für sich entscheiden,<br />
ob ihm die Stelle zusagt.<br />
2. Ansprechende Formulierungen<br />
Schon die ersten Sätze entscheiden darüber, ob<br />
sich jemand auf eine Stellenanzeige bewerben wird<br />
oder nicht. Eine aussagekräftige Überschrift und<br />
klare Formulierungen mit kurzen Sätzen sind deswegen<br />
unerlässlich. Schnell soll klar werden, welche<br />
Stelle ausgeschrieben ist, welche Fähigkeiten<br />
gesucht werden, was <strong>das</strong> Unternehmen ausmacht<br />
und was es bietet. Die direkte Ansprache des Bewerbers<br />
mit „Du“ oder „Sie“ schafft eine persönliche<br />
Verbindung. Gerne dürfen in der Ausschreibung<br />
auch amüsante und charmante Formulierungen<br />
vorkommen. Dabei gilt aber: Weniger ist mehr.<br />
Schließlich will man als Unternehmen weiterhin<br />
ernst genommen werden.<br />
42 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> emojoez UNTERNEHMEN
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(GEG) mühelos. Die plan verlegte Dampfbremse<br />
zwischen den Dämmschichten lässt sich zeitsparend verlegen<br />
und verkleben.<br />
<strong>BAUREPORT</strong> I 43
3. Diskriminierungsfrei ausschreiben<br />
Um juristische Konsequenzen zu vermeiden, müssen<br />
Arbeitgeber bei Stellenanzeigen auf inklusive<br />
Sprache achten. Grundsätzlich dürfen Bewerber<br />
nicht aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht,<br />
Religion oder Weltanschauung, Behinderung,<br />
Alter oder sexueller Identität benachteiligt werden<br />
(§ 1 AGG). Dies bedeutet z. B., <strong>das</strong>s auf Altersangaben<br />
verzichtet werden sollte <strong>–</strong> auch auf indirekte<br />
wie „Junges Team sucht“. Seit Ende 2018 gilt<br />
außerdem ein Gesetz, <strong>das</strong> offiziell ein drittes Geschlecht<br />
neben Mann und Frau bestätigt <strong>–</strong> betitelt<br />
mit der Bezeichnung „divers“. Für Stellenanzeigen<br />
heißt dies, <strong>das</strong>s der Zusatz (m/w/d) zwingend erforderlich<br />
ist.<br />
4. Attraktive Benefits<br />
Sonderzahlungen, Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
oder sogar die Viertagewoche? Was wird den<br />
zukünftigen Mitarbeitern geboten, wenn sie hier<br />
anfangen zu arbeiten? Als Unternehmen sollte man<br />
damit nicht hinter dem Berg halten. So wirkt man<br />
attraktiv für neue Mitarbeiter und hebt sich von der<br />
Konkurrenz ab. Denn gerade ansprechende Sonderleistungen<br />
sind oft <strong>das</strong> Zünglein an der Waage<br />
und der Bewerber fällt eine Entscheidung.<br />
Unternehmen und Bewerber auch unkompliziert<br />
und schnell interagieren <strong>–</strong> <strong>das</strong> kann den Auswahlprozess<br />
beflügeln. Auch Internetstellenbörsen<br />
sollten für <strong>das</strong> Recruiting genutzt werden.<br />
6. Mitarbeiter werben Mitarbeiter<br />
Eines der vielleicht besten „Recruitinginstrumente“<br />
ist allerdings bereits im Haus: Mitarbeiter. Ein<br />
Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programm ist eine<br />
effektive Methode, um neue Talente zu finden. Das<br />
Konzept ist relativ einfach: Unternehmen fordern<br />
Mitarbeiter auf, Personen aus ihrem privaten Umfeld<br />
für eine freie Stelle zu empfehlen. Kommt es<br />
auf diese Weise zu einer Einstellung, erhält der<br />
empfehlende Mitarbeiter eine Prämie. Wenn es<br />
dann noch gelingt, Teammitglieder als Markenbotschafter<br />
zu aktivieren, also Kollegen, die sich positiv<br />
über ihren Betrieb in den sozialen Medien äußern<br />
und eine gewisse Reichweite haben, kann dies dem<br />
Recruiting einen zusätzlichen Schub verleihen.<br />
Letztendlich ist es <strong>das</strong> Zusammenspiel aus Kreativität,<br />
zielgruppengerechter Ansprache, Arbeitgeberattraktivität<br />
und der Nutzung passender Kanäle<br />
und Wege, <strong>das</strong> über den Erfolg des Recruitings entscheidet.<br />
Wichtig ist dabei auch: einfach mal neue<br />
Wege ausprobieren!<br />
5. Ungewöhnliche Wege gehen<br />
Die klassische Zeitungsanzeige und der Karrierebereich<br />
auf der Unternehmens-Website sind<br />
längst nicht mehr die einzigen Wege, um neue<br />
Mitarbeiter zu werben. Eine wichtige Rolle spielen<br />
inzwischen Social-Media-Kanäle, über die kreative<br />
Job-Postings für Aufmerksamkeit bei potenziellen<br />
Bewerbern sorgen können. Anders als bei den klassischen<br />
Stellenanzeigen können via Social Media<br />
44 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
© stock.adobe.com <strong>–</strong> emojoez<br />
UNTERNEHMEN
Wohnkomfort mit Energiespareffekt<br />
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Einbauphase zeigen sich die Vorteile des modernen Systems: Der patentierte Konstruktionsaufbau inklusive der Verbundentkopplung<br />
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benötigt der Keramik-Klimaboden deutlich weniger Estrich <strong>–</strong> ein nicht zu verachtender Kostenfaktor.<br />
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Oberfläche an. Dadurch ist BEKOTEC-THERM optimal für den Betrieb mit regenerativen Energiequellen <strong>–</strong> beispielsweise mit<br />
Wärme pumpen oder PV-Anlagen <strong>–</strong> geeignet. Und auch Allergikerinnen und Allergiker profitieren: Im Vergleich zu Radiatoren<br />
sind die Luft bewegungen sehr gering, so<strong>das</strong>s kaum Staub aufgewirbelt wird. Dazu sind Fliesen und Natursteinplatten leicht zu<br />
reinigen <strong>–</strong> so entsteht eine hygienische und gesunde Wohnatmosphäre.<br />
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<strong>BAUREPORT</strong> I 45
Mängel vermeiden und professionell managen<br />
Bauschäden:<br />
konstruktiv<br />
damit<br />
umgehen<br />
Die Bauqualität in Deutschland wird im<br />
Allgemeinen als hoch angesehen. Strenge<br />
Bauvorschriften, Normen und Qualitätskontrollen<br />
tragen zum guten Ruf des<br />
deutschen Baugewerbes bei. Aber natürlich<br />
läuft am Bau nicht immer alles reibungslos<br />
ab, Fehler sind schnell passiert.<br />
Woran liegt <strong>das</strong>, welche präventiven Maßnahmen<br />
können Handwerker ergreifen<br />
und wie sieht ein professioneller Umgang<br />
mit Baumängeln und daraus resultierenden<br />
Schäden aus?<br />
Geradezu symbolisch für die Herausforderungen<br />
großer Bauprojekte stehen Stuttgart 21, der Berliner<br />
Flughafen BER und die Hamburger Elbphilharmonie:<br />
Verzögerungen um Jahre, Kostenexplosion und<br />
Baumängel haben diesen Prestigevorhaben einen<br />
negativen Stempel aufgedrückt. Aber auch<br />
im Kleinen läuft nicht alles glatt. Laut einer Studie<br />
des Instituts für Bauforschung von 2<strong>02</strong>2 weisen<br />
drei Viertel aller privaten Neubauvorhaben Mängel<br />
in der Gewährleistungszeit auf. Die gute Nachricht<br />
ist allerdings: Die Schadenszahlen befinden sich<br />
seit über 20 Jahren auf relativ gleichbleibendem<br />
Niveau <strong>–</strong> mit leichter Tendenz nach unten. Der<br />
Bauherren-Schutzbund e.V., der in seinem Bauschadenbericht<br />
die Mängelhäufigkeit regelmäßig<br />
analysiert, wertet dies vor dem Hintergrund der in<br />
diesem Zeitraum stetig gestiegenen Bautätigkeit,<br />
der zunehmenden Komplexität der Bauvorhaben<br />
und dem Fachkräftemangel als positives Zeichen.<br />
Dennoch <strong>–</strong> jeder Baumangel kann teure Folgeschäden<br />
nach sich ziehen. Es ist im Interesse von<br />
Handwerkern, Auftraggebern, Planern und Architekten,<br />
sie möglichst zu vermeiden.<br />
46 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
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<strong>BAUREPORT</strong> I 47
Gute Baustellenplanung ist <strong>das</strong> A und O<br />
Planer und Bauausführende sind verpflichtet, ein<br />
mangelfreies, den anerkannten Regeln der Technik<br />
und der vereinbarten Beschaffenheit entsprechendes<br />
Werk zu planen und zu bauen. Als Hauptgründe<br />
dafür, warum dies nicht immer gelingt, gelten der<br />
große Zeitdruck, eine (zu) hohe Erwartungshaltung<br />
von Planern und Architekten sowie organisatorische<br />
Probleme auf der Baustelle. Nicht alles hat die<br />
ausführende Firma in der Hand, aber sie kann<br />
vieles tun, um ihre eigenen Leistungen qualitativ<br />
abzusichern. Olaf Ringeisen, Experte für Baustellenorganisation,<br />
empfiehlt als ersten Schritt, eine<br />
detaillierte Ablaufplanung zu erstellen, also den<br />
gesamten Verlauf des Vorhabens zeitlich durchzuplanen<br />
und dabei allen Arbeitsschritten die Anzahl<br />
der jeweils benötigten Mitarbeiter zuzuordnen.<br />
Läuft es trotzdem nicht nach Plan, sollten Handwerker<br />
dies sofort kundtun und beispielsweise aktiv<br />
von Architekten oder anderen Gewerken benötigte<br />
Infos einfordern oder Behinderungen, die den Zeitplan<br />
gefährden, ansprechen. In manchen Fällen<br />
besteht sogar eine Verpflichtung dazu: War ein Gewerk<br />
tätig, so muss <strong>das</strong> folgende Gewerk dessen<br />
Arbeit prüfen. Auch wenn dies unangenehm sei und<br />
Unruhe auf die Baustelle bringen könne, sollten<br />
Bedenken immer schriftlich angemeldet werden,<br />
sagt Ringeisen. Denn auf diese Weise ist die ausführende<br />
Firma rechtlich abgesichert, zudem besteht<br />
dadurch die Chance, einen Baumangel noch<br />
zu verhindern.<br />
Erfolgsfaktoren Kommunikation<br />
und Dokumentation<br />
Organisationsexperte Ringeisen hat noch einen<br />
weiteren Tipp, um Baumängel zu vermeiden:<br />
Firmen sollten sich möglichst nicht auf Eigenleistungen<br />
des Kunden einlassen. Denn für ein mangelfreies<br />
Werk muss am Ende der Handwerker geradestehen<br />
<strong>–</strong> auch für nicht fachgerecht ausgeführte<br />
Vorarbeiten des Kunden. Komme es in solchen<br />
Fällen zu einem Rechtsstreit, verliere diesen in der<br />
Regel der Handwerker, so der Experte.<br />
Viele Mängel entstehen aber auch durch unzureichende<br />
Kommunikation zwischen Handwerkern<br />
auf der einen und Bauleitern sowie Planern auf der<br />
anderen Seite. Dabei geht es auch um die alltägliche,<br />
mündliche Verständigung, aber mehr noch<br />
um die Baudokumentation. Sie spielt eine zentrale<br />
Rolle in der Verständigung unter den Beteiligten,<br />
da sie ihnen <strong>das</strong> erforderliche Wissen strukturiert<br />
aufbereitet zur Verfügung stellt. Heute gibt es für die<br />
Baudokumentation diverse praxistaugliche digitale<br />
Instrumente, die auch mobil genutzt werden können.<br />
Eine gute, ordnungsgemäße Baudokumentation<br />
erleichtert auch <strong>das</strong> Mängelmanagement, <strong>das</strong><br />
wiederum essenziell für einen konstruktiven, professionellen<br />
und rechtssicheren Umgang mit Baumängeln<br />
ist. Denn es erleichtert die Abnahme von<br />
Bauleistungen und ist auch die Basis für mögliche<br />
Gewährleistungsansprüche.<br />
Optische Bau-Forensik<br />
Detektivarbeit auf der Baustelle: Mit den Werkzeugen der Kriminaltechnik Schäden auf<br />
Baustellen sichtbar machen ist <strong>das</strong> Ziel der optischen Bau-Forensik <strong>–</strong> ein junges Forschungsgebiet<br />
am Institut für Berufswissenschaften im Bauwesen an der Uni Hannover.<br />
48 I <strong>BAUREPORT</strong><br />
UNTERNEHMEN
Mängel und Abweichungen dokumentieren<br />
Baubegleitende Qualitätskontrolle<br />
Außerdem ermöglicht ein systematisches Mängelmanagement,<br />
frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen,<br />
um späteren Bauschäden vorbeugen zu können.<br />
Denn Auftraggeber haben gemäß der Vergabe- und<br />
Vertragsordnung für Bauleistungen einen Rechtsanspruch<br />
auf die Beseitigung von Mängeln. Festgestellt<br />
werden diese in der Regel bei der Abnahme<br />
oder bei einer baubegleitenden Qualitätskontrolle,<br />
nicht selten aber auch erst nach Inbetriebnahme<br />
des Gebäudes. Deshalb wird auch für einen gewissen<br />
Zeitraum nach der Abnahme eine Gewährleistungsfrist<br />
eingeräumt. Mängel und Abweichungen<br />
vom Ablaufplan detailliert zu erfassen, ist deshalb<br />
unerlässlich und liegt im Interesse aller Beteiligten.<br />
Wichtig für Betriebe ist auch ein ausreichender<br />
Versicherungsschutz. Es gibt zahlreiche Haftungsgründe,<br />
weshalb je nach individueller Risikosituation<br />
verschiedene Bauversicherungen notwendig sind.<br />
Schutz vor den finanziellen Belastungen einer Mängelbeseitigung<br />
bietet eine Baugewährleistungsversicherung.<br />
Gleichzeitig ist sie ein wichtiges Signal an<br />
den Auftraggeber, da er dadurch sichergehen kann,<br />
<strong>das</strong>s die Kosten einer Mängelbeseitigung innerhalb<br />
der Gewährleistungsfrist übernommen werden.<br />
Ein wichtiger Bestandteil des Bauprozesses ist<br />
die baubegleitende Qualitätskontrolle, durch die<br />
sichergestellt werden soll, <strong>das</strong>s ein Gebäude den<br />
geltenden Vorschriften entspricht. Die Verantwortung<br />
dafür trägt der Auftraggeber, der jedoch selten<br />
über die nötige Fachkenntnis verfügt. So landet<br />
diese Aufgabe meist beim Bauleiter <strong>–</strong> es können<br />
jedoch auch andere Fachpersonen, insbesondere<br />
unabhängige Sachverständige, beauftragt werden.<br />
Studien zufolge wird die Ausführungsqualität<br />
tatsächlich besser, wenn bekannt ist, <strong>das</strong>s eine<br />
baubegleitende Qualitätskontrolle durch einen unabhängigen<br />
Sachverständigen stattfindet.<br />
Übrigens: Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige<br />
im Handwerk sind rar, aktuell stehen<br />
viele kurz vor dem Ruhestand. Eine Sachverständigen-Tätigkeit<br />
kann deshalb ein attraktives<br />
Zusatzgeschäft darstellen. Voraussetzungen sind<br />
überdurchschnittliches Fachwissen, langjährige Berufserfahrung<br />
und persönliche Eignung. Neben der<br />
Vorlage entsprechender Qualifikationen müssen<br />
sich Anwärter einem umfangreichen Prüfungsverfahren<br />
unterziehen. Informationen dazu gibt es bei<br />
den Handwerkskammern.<br />
Bauschäden sind ein Ärgernis für alle Beteiligten. Es gilt, professionell<br />
damit umzugehen und unkomplizierte Lösungen anzubieten.<br />
Die Methode basiert auf der Fluoreszenz, also der Emission von Licht als eine Reaktion auf die<br />
Anregung durch Licht. Mit Tatortlampen, Filterbrillen und Forensikkameras können dadurch Schäden,<br />
die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, aufgedeckt werden. So können Anwendungsfehler identifiziert<br />
oder auch widerlegt werden. Für Interessierte bietet Prof. Andreas Rapp, der diese Methode<br />
entwickelt hat, bundesweit Seminare an. Weitere Informationen unter www.bau-forensik.eu .<br />
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Online<br />
Erste Online-Meisterschule<br />
Im September startete die erste Online-Meisterschule<br />
für Maurer und Betonbauer <strong>–</strong> initiiert von<br />
der HWK Düsseldorf und den Bildungszentren<br />
des Baugewerbes.<br />
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Bildnachweis: Titel: stock.adobe.com <strong>–</strong> chokniti | S. 3 Kopfhörer-Icon: stock.adobe.com <strong>–</strong> robert6666 | S. 52 Kopfhörer: stock.adobe.com <strong>–</strong> Ivan<br />
Haftungsausschuss: Herausgeber, Verlag und Redaktion übernehmen keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit und Qualität der bereitgestellten<br />
Informationen. Haftungsansprüche gegen Herausgeber, Verlag oder Redaktion, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die<br />
durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden,<br />
sind <strong>–</strong> soweit gesetzlich zulässig <strong>–</strong> ausgeschlossen, sofern seitens Herausgeber, Verlag oder Redaktion kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges<br />
Verschulden vorliegt. Nachdruck sowie Wieder gaben, auch auszugsweise, sind nicht gestattet.<br />
Herausgeber: EUROBAUSTOFF Handelsgesellschaft mbH & Co. KG | Auf dem Hohenstein 2 | 61231 Bad Nauheim |<br />
Tel. +49 6032 805-0 | Fax +49 6032 805-265 | kontakt@eurobaustoff.de | www.eurobaustoff.com<br />
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63110 Rodgau<br />
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<strong>BAUREPORT</strong> <strong>–</strong><br />
der Podcast<br />
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Für alle, die den<br />
<strong>BAUREPORT</strong> auch während<br />
der Arbeit, beim Fahren oder<br />
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genießen wollen.<br />
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