Chor im Gespräch FOLGE 38
Chor im Gespräch (c) Walter Dohr - alle Rechte vorbehalten; Vervielfältigung oder auszugsweise Wiedergabe nur nach Autorisierung des Autors gestattet
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6 CHOR IM GESPRÄCH<br />
verinnerlicht haben muss. Doch das konnte sich der<br />
Dirigent des ambitionierten und inspirierten Orchesters<br />
wirklich sicher sein. Der Klangteppich wies an<br />
keiner Stelle Blindflecken auf und so wurde das Ganze<br />
zu einer eine zutiefst berührende und aufwühlende<br />
Interpretation, die auch Benjamin Britten gefallen<br />
hätte. Dieser hat die geniale Komposition <strong>im</strong> Jahre<br />
1961 vertont. Der offizielle Anlass dafür war die Wiedereinweihung<br />
der von deutschen Bomben <strong>im</strong> 2.<br />
Weltkrieg zerstörten Kathedrale <strong>im</strong> englischen<br />
Coventry. Die Überreste der Kathedrale existieren<br />
noch, während man in unmittelbarer Nähe eine moderne<br />
Kathedrale erbaut, die durch eine in der Kirchenmitte<br />
hängende Orgel und die riesigen bunten<br />
Kirchenfenster besticht. Der Komponist selbst war ein<br />
unerschütterlicher Pazifist, der mit seiner beeindruckenden<br />
Tonschöpfung ein musikalisches Mahnmal<br />
schaffen wollte, was ihm auch wirklich gelungen ist.<br />
Darüber hinaus sollte das „War Requiem“ (in der auch<br />
Klavier- und Orgelparts vertont sind) eine Aufforderung<br />
und Herausforderung zur Versöhnung sein. Daher<br />
ist der lateinische Pro-Defunctis-Text oratorienhaft<br />
eingewoben. Außerdem ist das fürchterliche<br />
Grauen des Krieges anhand von Gedichten von Wilfred<br />
Owens apostrophiert. Natürlich hat Britten nicht<br />
auf gewaltige Tutti-Ausbrüche verzichtet. Aber dennoch<br />
kommt das Requiem nicht als pompöses musikalisches<br />
Gebilde daher. Der Dirigent wusste das<br />
Werk stets dynamisch auszuloten, wobei ihm die Mitwirkenden<br />
in glänzender Weise folgten. In der Kritik<br />
war die Rede von einer erlesenen Klangrede und von<br />
einer Textverständlichkeit, die selbst in den leisesten<br />
<strong>Chor</strong>passagen jederzeit garantiert blieb. In höchsten<br />
Tönen wurde auch das Soloterzett gelobt. Es hatte<br />
entscheidenden Anteil an der eindringlichen Wirkung<br />
der Totenklage. Diese hatte etwas Apokalyptisches;<br />
aber zugleich auch Empfindsames und Menschliches.<br />
Als wüsste der promovierte Historiker und Tenorsänger<br />
Bostridge, was er zu verkünden hat. Das tat er<br />
facettenreich und mit gleichsam jeder Faser seines<br />
Körpers artikulierend. Das verlieh den schmerzlichen<br />
Solopartien eine tiefe Wahrhaftigkeit.