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In Europa trinken die Menschen seit<br />

mindestens 400 vor Christus Bier.<br />

Das belegt ein Zufallsfund: Bei<br />

Straßenbauarbeiten im englischen<br />

Cambridgeshire wurden Rückstände<br />

gerösteter Gerste entdeckt. Das damalige<br />

Getränk würde heute jedoch<br />

kaum als Bier durchgehen. Es war<br />

schaumiger, nur schwach alkoholisch<br />

– und mit weitaus mehr festen Bestandteilen.<br />

Der kalorienhaltige<br />

Trunk war gerade für die Stadtbevölkerung,<br />

die nur wenig Zugang zu<br />

sauberem Trinkwasser hatte, eine<br />

gesunde Alternative und Grundnahrungsmittel<br />

für Jung und Alt.<br />

Bei den Europäern hatte es das<br />

Bier allerdings erst schwer. Die antiken<br />

Griechen und Römer verstanden<br />

sich als kultivierte Weintrinker. Verächtlich<br />

schauten sie auf die jenseits<br />

der Alpen wohnenden »Barbaren«,<br />

die in germanischer Tradition dem<br />

»kulturlosen« Gerstensaft frönten.<br />

Doch welch Fehlschluss! Das Volk<br />

der Nubier, das im heutigen Sudan<br />

lebte, verwendete Bier bereits 400 nach<br />

Christus als eine Art Antibiotikum. Dabei<br />

machten sie sich das Bakterium Streptomyces<br />

zunutze, das im Getreide enthalten war, und<br />

heilten damit Zahnfleischerkrankungen<br />

und Knocheninfektionen.<br />

Nun, das Römische Reich ging unter,<br />

die Biertrinker blieben. Doch erst die Mönche<br />

und Nonnen brachten Ende des 1. Jahrtausends<br />

die Bierkultur voran. Sie verfeinerten<br />

das Bier, um es stärker und nahrhafter zu<br />

machen. Ihr Ziel: die harten Fastenregeln<br />

erträglicher machen – schließlich durften<br />

die Gläubigen während der Fastenzeit zwar<br />

nicht essen, aber durchaus trinken. Damals<br />

entstanden auch die ersten Hopfenfelder.<br />

Vorher wurde Bier mit Grut gewürzt, einer<br />

Kräutermischung aus Gagel, Wacholder,<br />

Kümmel, Heidekraut, Schafgarbe und anderen<br />

Kräutern. In Deutschland waren es<br />

Hamburgs Brauer, die als Erste Hopfen<br />

statt Grut ins Bier mischten. Es wurde dadurch<br />

länger haltbar und war für den Handel<br />

geeignet – wobei auf Qualität und<br />

Gerechtigkeit gleichermaßen geachtet wurde.<br />

Als Friedrich I. Barbarossa, der Kaiser des<br />

römisch-deutschen Reiches, um 1150 immer<br />

mehr Städten das Stadtrecht verlieh,<br />

lautete eine Rechtsverordnung: »Wenn ein<br />

Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes<br />

Maß gibt, soll er gestraft werden.«<br />

Bier wurde vom Grundnahrungsmittel<br />

zum Exportschlager – und Hamburg zur<br />

Biermetropole Europas. 1374 brauten dortige<br />

Brauereien erstmals aus Gersten- und<br />

Weizenmalz ihr »Schiffsbier«, das Grundlage<br />

für das heutige Weizenbier ist. Hamburg<br />

exportierte es bis nach Russland, Indien und<br />

Skandinavien. Kaum zu glauben: Norddeutsche<br />

Biere hatten zu dieser Zeit einen<br />

weitaus besseren Ruf als die bayerischen.<br />

Erst einige Hungersnöte machten der<br />

Bierblüte ein Ende. Und brachten das bayerische<br />

Reinheitsgebot: Am 23. April 1516<br />

verabschiedeten die Herzöge Ludwig X. und<br />

Wilhelm IV. im oberbayerischen Ingolstadt<br />

eine Landesverordnung, dass »zu kainem<br />

Pier merer Stuckh dann allain Gersten<br />

Hopfen und Wasser genomen unnd<br />

gepraucht sölle werden«. Dahinter<br />

standen gleich mehrere Interessen:<br />

Zum einen wollten die Herzöge verhindern,<br />

dass zum Brotbacken taugliches<br />

Getreide für Bier verplempert<br />

wird. Nur niedere Gerste durfte fortan<br />

verwendet werden. Zum anderen<br />

spielte der Schutz vor Panschern und<br />

die Sicherung der Qualität eine Rolle.<br />

Und zuletzt ging es den Herzögen<br />

um wirtschaftliche Interessen: Sie<br />

setzten für das Bier einen Preis fest<br />

und schützten ihre Brauer ganz nebenbei<br />

vor der norddeutschen Konkurrenz,<br />

die Kräuter in das Bier<br />

mischte, welche in Bayern nicht<br />

wuchsen. Denn auch Mitte des 16.<br />

Jahrhunderts noch hatte die Hansestadt<br />

beim Bierbrauen die Nase vorn.<br />

Mehr als 500 Brauereien zählte die<br />

Stadt, 60 Prozent ihres Außenhandels<br />

beruhten auf dem Bierexport.<br />

Doch das bayerische Reinheitsgebot<br />

(das damals noch nicht so hieß) hatte<br />

nicht lange Bestand. 1548 erwarb<br />

Freiherr von Degenberg das Privileg, auch<br />

aus Weizen Bier herzustellen – das Weizenbiermonopol<br />

hielt fast 250 Jahre an und<br />

war äußerst profitabel. Ohnehin weichten<br />

die bayerischen Landesherren den Erlass<br />

bereits 1551 wieder auf. Fortan durften<br />

auch Koriander und Lorbeer ins Bier, später<br />

auch Kümmel, Wacholder und Salz. Getrieben<br />

waren die Gesetzesvorschriften im<br />

römisch-deutschen Kaiserreich von Steuereinnahmen:<br />

Vor allem im Spätmittelalter<br />

wurde viel Bier konsumiert, und Biergeld<br />

war eine der wichtigsten Einnahmequellen.<br />

Und so gab es bald innerhalb Deutschlands<br />

eine große Biervielfalt. Der Geograf<br />

Johann Gottfried Gregorii beschrieb 1744<br />

die 35 bekanntesten deutschen Biersorten,<br />

darunter Duckstein, Kastrum, Gose oder<br />

Schluntz. Am weitesten verbreitet war zu<br />

dieser Zeit ein Bierstil, der heute auch »Ale«<br />

heißt, ein obergäriges Bier. Wenn sich obergärige<br />

Hefen teilen, bleiben sie im Verbund<br />

kleben und schwimmen mit der entstehenden<br />

Kohlensäure an die Oberfläche, daher<br />

Im Mittelalter hatten norddeutsche Biere einen besseren Ruf als die<br />

bayerischen. Also ersannen die Herzöge dort ein Gebot, das ihnen half<br />

Fotos Christopher T. Stein / Getty Images; Westend61 / Getty Images

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