Januar_2023
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25. Jahrgang<br />
<strong>Januar</strong> <strong>2023</strong><br />
2,10 €, davon 1,- €<br />
für die VerkäuferInnen<br />
UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />
ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />
BÜRGERHARTZ<br />
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel<br />
OBDACHLOSIGKEIT<br />
Der Stress, nie in eigene vier Wände heimzukehren<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 23)
INHALT<br />
3<br />
VORWORT<br />
22<br />
VERKÄUFER MARTIN<br />
4<br />
RECHT AUF STADT<br />
23<br />
MITMACHSEITE<br />
6<br />
BÜRGERHARTZ<br />
24<br />
BUCHTIPPS<br />
8<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
25<br />
KOCHEN<br />
12<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
26<br />
SPORT<br />
14<br />
WER HAT AN DER UHR GEDREHT?<br />
28<br />
KRIMI 31. FOLGE<br />
18<br />
OBDACHLOSIGKEIT IST STRESS<br />
30<br />
RÄTSEL<br />
20<br />
MUH UND BUH?<br />
31<br />
ÜBER UNS<br />
OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />
GEHT ES NICHT<br />
Liebe LeserInnen,<br />
um weiterhin eine<br />
interessante Straßenzeitung<br />
produzieren und Menschen<br />
durch ihren Verkauf einen<br />
Zuverdienst ermöglichen<br />
zu können, benötigen<br />
wir Ihre Hilfe.<br />
Vielen Dank!<br />
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DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
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und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />
2<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Liebe LeserInnen,<br />
als Erstes möchten wir Ihnen ein frohes und gesundes<br />
neues Jahr wünschen! Nun weiß ich ja nicht, ob und welche<br />
guten Dinge Sie sich für das neue Jahr vorgenommen<br />
haben, aber auch dafür alle guten Wünsche. Ich persönlich<br />
wünsche mir für <strong>2023</strong> nur, dass alles ein bisschen wie<br />
früher wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das<br />
heißt: endlich wieder Frieden, humanere Preise, vor allem<br />
für Wohnen und für Lebensmittel, und weniger Streit,<br />
Neid und Hass in unserer Gesellschaft!<br />
Eigentlich sind das doch keine zu groß gefassten Wünsche,<br />
es sind völlig normale Dinge, die sich wahrscheinlich<br />
jeder Zweite wünschen würde. Warum ist es dann so<br />
schwer, wenigstens ein bisschen davon zu erfüllen?<br />
Warum haben einige wenige Menschen in dieser Welt die<br />
Macht, uns allen das Leben zu versauen? Warum können<br />
die einfach so über uns und unser Schicksal bestimmen?<br />
Ob das nun gewählte Regierungen, gierige KapitalistInnen<br />
oder einfach nur EgoistInnen sind, denen das Leben<br />
ihrer Mitmenschen herzlich egal ist... Keine Angst, ich bin<br />
über die Feiertage nicht etwa zum Verschwörer geworden,<br />
denn im Gegensatz zu denen stelle ich einfach nur<br />
Tatsachen fest.<br />
Und es ist nun mal eine Tatsache, dass ein Krieg immer<br />
nur für einen kleinen Personenkreis nützlich ist. Die große<br />
Masse einer Bevölkerung würde sich gegen einen Krieg<br />
entscheiden, wenn man sie denn fragen würde. So wird<br />
es auch in Russland sein, Putin und seine Handlanger im<br />
Kreml haben den Krieg mit erfundenen Gründen begonnen<br />
und führen ihn bis zum bitteren Ende fort, komme da<br />
was wolle. Was zählt da schon das eigene Volk? Oder das<br />
der Nachbarstaaten? Das kann man über Jahrtausende<br />
zurückverfolgen, es war nie der Wunsch der breiten<br />
Masse, in den Krieg zu ziehen, es waren immer einzelne<br />
politische oder religiöse Führer, die das Volk aufhetzten<br />
und schließlich in den Tod schickten.<br />
Doch warum hat ein Einzelner so viel Macht? Ist die<br />
Geschichte nicht dazu da, dass man aus ihr lernt? Oder<br />
warum nimmt man sie ihm nicht wieder weg, wenn es<br />
schiefläuft? Die letzten zehn Monate haben wohl gezeigt,<br />
dass man dem „russischen Zaren“ allein mit Sanktionen<br />
nicht beikommen kann. Man könnte ja höher angreifen,<br />
beim internationalen Ansehen, welches ja eh schon<br />
bröckelt. Die Russen sitzen z. B. immer noch als ständiges<br />
Mitglied im UN-Sicherheitsrat und haben dort sogar<br />
ein Vetorecht. Das heißt, wenn die UNO irgendwelche<br />
Maßnahmen gegen Putin und Russland beschließen will,<br />
legen die Russen ein Veto ein und dann ist es vom Tisch.<br />
Macht das Sinn? Da eine vernünftige Zusammenarbeit<br />
nicht möglich ist, kann man sie doch auch rauswerfen!<br />
Das wird den Krieg nicht auf der Stelle beenden, aber ich<br />
denke es wird Putin persönlich treffen und vielleicht zum<br />
Nachdenken bewegen. Natürlich muss man dafür erst<br />
rechtliche Grundlagen schaffen, aber hey, so was macht<br />
Putin doch jeden Tag!<br />
Doch das sind die Probleme im Großen und solange da<br />
bei den „Mächtigen“ kein Umdenken erfolgt, können wir<br />
uns die Köpfe heißreden und ändern trotzdem nichts.<br />
Also bleiben wir doch daheim, bei unseren Problemen.<br />
Wie wäre es denn mit dem Wohnen? Laut Grundgesetz,<br />
Mieterschutzbund und dem gesunden Menschenverstand<br />
ist das Wohnen ein Grundrecht des Menschen. Das<br />
kann man nachlesen. Und dennoch gibt es in unserer<br />
Stadt zwischen 600 und 800 Obdachlose! Wie kann das<br />
sein? Streng genommen verstößt da irgendwer gegen<br />
das Grundgesetz. Doch wer? Sind es die, die Wohnungen<br />
bauen, um sie dann so richtig teuer zu vermieten oder<br />
zu verkaufen? Oder sind es die, die lieber massenhaft<br />
Hotels und Büros bauen, ohne sich um die Wohnungsnot<br />
zu kümmern? Oder ist die Politik Schuld, die das Bauland<br />
schließlich vergibt oder verkauft?<br />
Es ist eigentlich auch egal, wer denn im Einzelnen welche<br />
Schuld trägt, entscheidend ist, dass alle diese maßgebenden<br />
Leute nicht genug tun, um die Obdachlosigkeit zu<br />
beseitigen. Denn sie nur zu mildern, kann nicht das Ziel<br />
sein, will man eine menschenwürdige Gesellschaft sein.<br />
Es gibt gerade sehr viele Bauvorhaben in der Stadt, unter<br />
anderem auch zwei Wohngebiete, also denkt doch dabei<br />
einfach mal an die Menschen ohne Wohnung!<br />
Genug Probleme für heute, eine alte Bauernregel besagt:<br />
Gib jedem neuen Jahr erst mal eine Chance!<br />
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen guten Start<br />
in das Jahr <strong>2023</strong> und natürlich auch viel Spaß mit dem<br />
FREIeBÜRGER!<br />
Carsten<br />
Anzeige<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 3
FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />
KEINE STRAFANZEIGEN BEIM „FAHREN OHNE<br />
FAHRSCHEIN“!<br />
Der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit erklärt in einer<br />
Antwort an die VAG: Der Straftatbestand des „Fahrens<br />
ohne Fahrschein“ muss gestrichen werden. Stattdessen<br />
braucht es ein Null-Euro-Sozialticket und den kostenlosen<br />
ÖPNV! Bis dahin fordern wir den Freiburger Gemeinderat<br />
auf: Weisen Sie die VAG an, keine Strafanzeigen beim<br />
„Fahren ohne Fahrschein“ zu stellen!<br />
Knapp 9.000 Menschen konnten im Jahr 2021 im Netz der<br />
VAG bei Kontrolle keinen Fahrschein vorlegen. In 1.900<br />
Fällen wurde eine Strafanzeige gestellt. Eine Strafanzeige<br />
sei laut Schreiben der VAG verpflichtend, wenn die Polizei<br />
zur Adressermittlung hinzugezogen wird – das heißt in<br />
Fällen, in denen die Person ohne Fahrschein kein Ausweisdokument<br />
vorlegen kann. Diese Fälle betreffen verstärkt<br />
Menschen in prekären Lebenslagen und ohne Geld. Denn<br />
gerade Menschen mit wenig Geld haben teilweise keine<br />
gültigen Ausweispapiere. Die Beantragung von Ausweispapieren<br />
kostet Geld, auf der Straße gehen Papiere<br />
verloren, manche sind überfordert mit der Bürokratie<br />
oder haben Fiktionsbescheinigungen, die nur wenige Zeit<br />
(1-3 Monate) gültig und schnell abgelaufen sind. Die VAG<br />
betont, dass im Falle einer Identitätsklärung durch die<br />
Polizei zwingend Anzeige gestellt werden müsse. Doch<br />
auch hier hat die VAG Handlungsspielräume: Die Entscheidung,<br />
die Adressermittlung zu verfolgen und die Polizei<br />
zu rufen – und damit der erste Anstoß – liegt immer<br />
noch bei der VAG. Eine Strafanzeige müsse auch gestellt<br />
werden, wenn die Polizei „zu brenzligen Situationen“<br />
hinzugezogen werde, heißt es weiter. Doch wie oft kommt<br />
es „auch mal zu brenzligen Situationen“, wie es in der<br />
Stellungnahme beschrieben wird? Und welchen Anteil<br />
machen diese tatsächlich an den gestellten Strafanzeigen<br />
aus? Auch im Wiederholungsfall – wenn noch offene<br />
Forderungen bestehen oder ein Fahrgast wiederholt<br />
erwischt wurde – werde Strafanzeige gestellt. Eine Person<br />
in Geldnot hat nach der ersten Kontrolle ohne Ticket aber<br />
nicht plötzlich mehr Geld für Tickets.<br />
Als Abschreckungs- oder „negative Signalwirkung“ ist<br />
eine Anzeige für armutsbetroffene Menschen also nicht<br />
wirksam. Sie treibt Menschen eher noch weiter in die<br />
Armut.<br />
RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />
Mit unserem RaS-Newsletter<br />
informieren wir einmal im Monat<br />
über „Recht auf Stadt“-Themen.<br />
Wer Infos will, einfach E-Mail an:<br />
info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Termine und Links<br />
- Aktuelle Termine: tacker.fr<br />
- Tipps für die sozialrechtliche Selbstverteidigung in<br />
Zeiten der Inflation gibt es bei der FAU:<br />
https://freiburg.fau.org<br />
In ihrem Schreiben betont die VAG, mit „‘Fingerspitzengefühl‘<br />
mit dem Instrument ‘Strafanzeige‘“ umzugehen. Erschwerend<br />
sei aber, dass „‘Armut‘ – glücklicherweise – in<br />
sehr vielen Fällen nicht ersichtlich ist“. Unglücklicherweise<br />
ist Armut damit aber auch unsichtbar. Aus diesem Grund<br />
kann es nur schiefgehen, wenn die Entscheidung gegen<br />
eine Strafanzeige von einer Art „Armuts-Bewertung“ des<br />
Prüfpersonals abhängig ist.<br />
LÜCKEN DES SOZIALTICKETS<br />
Die bisherigen Pläne, durch ein 49-Euro-Ticket Mobilität<br />
zugänglicher und den ÖPNV erschwinglicher zu machen,<br />
sehen für Menschen mit wenig Geld nicht wirklich<br />
vielversprechend aus. Das 49-Euro-Ticket soll nur im Abo<br />
bezogen werden können, personen-/ausweisgebunden<br />
gelten und auch nur online erhältlich sein. Das setzt ein<br />
Bankkonto und Internetzugang voraus, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungslosenhilfe kritisiert – aber<br />
auch einen Ausweis, ein funktionierendes mobiles Endgerät<br />
und finanzielle Stabilität. Zudem sind 49 Euro für viele<br />
schlichtweg zu teuer. Damit auch Menschen mit wenig<br />
Geld von einem bundesweiten Ticket profitieren und sich<br />
die Zwei-Klassen-Mobilität nicht weiter fortsetzt, braucht<br />
es zumindest ein verbilligtes bundesweites Sozialticket,<br />
welches für Null Euro erhältlich ist.<br />
Statt Armut zu kriminalisieren braucht es einen kostenlosen<br />
Nahverkehr! Das wäre wirklich nachhaltig wirksam –<br />
im ökologischen wie sozialen Sinne. Bis dahin fordern wir:<br />
Folgen Sie dem Beispiel von Bremerhaven! Keine Strafanzeigen<br />
beim „Fahren ohne Fahrschein“!<br />
4<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (RÜCKBLICK VOM 15. NOVEMBER BIS 15. DEZEMBER)<br />
[FR] MIETSPIEGEL STEIGT<br />
Der Freiburger Mietspiegel steigt um 2,2 %. Zuvor waren<br />
sogar 10 % befürchtet worden. Statt sich an den Verbraucherpreisen<br />
zu orientieren, wurde eine Stichprobe gemacht,<br />
um den Mieterhöhungsspiegel zu errechnen. Nur<br />
in den letzten Jahren veränderte und damit erhöhte Mieten<br />
fließen ein. Durch die enorm gestiegenen Energiepreise<br />
müssen die Menschen trotzdem deutlich mehr Geld<br />
fürs Wohnen ausgeben. Die Basismiete steigt auf über<br />
10 €/m 2 in Freiburg. Wieder gibt es je nach Ausstattung<br />
und Lage auch zahlreiche Ab-, aber vor allem Aufschläge.<br />
Das genaue Angucken des Mietspiegels kann sich lohnen.<br />
[FR] KÜNDIGUNGSVERBOT JETZT!<br />
In 13 Städten sind AktivistInnen symbolisch bei der FDP<br />
eingezogen, um für ein Kündigungsverbot für MieterInnen<br />
in Zahlungsschwierigkeiten zu protestieren. Zu Beginn<br />
der Coronapandemie hatte die große Koalition ein<br />
solches Kündigungsverbot erlassen. Der zuständige Bundesjustizminister<br />
Marco Buschmann (FDP) weigert sich<br />
aber, das Instrumentarium einzusetzen. In Freiburg protestierte<br />
dagegen das Mietenbündnis und zog symbolisch<br />
ins FDP-Büro in der Kaiser-Joseph-Str. ein, blieb aber ganz<br />
zahm draußen in der Kälte und beschränkte sich auf Symbolfotos.<br />
Reiner Wild, Vizepräsdident des Deutschen Mieterbundes,<br />
erklärte: „Vom Mietenanstieg sind besonders<br />
Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen betroffen.<br />
Es war und bleibt eine Fiktion, über Neubau eine<br />
Mietendämpfung für alle hinzubekommen, weil jedes<br />
Jahr zehntausende Wohnungen bei Wiedervermietung in<br />
das Höchstpreissegment wandern. Die Immobilienwirtschaft<br />
profitiert davon. Und die FDP ist ihr Handlager in<br />
Regierung und Parlament.“<br />
[FR] SCHWIERIGE BEDINGUNGEN FÜR SOZIALEN<br />
WOHNUNGSBAU<br />
Die Baukosten und hohe Tilgung bei Landesbankkrediten<br />
stehen auch in Freiburg neuen Mietshäuser Syndikatsprojekten<br />
im Weg. Der Bauverein Wem gehört die Stadt<br />
erklärt: „Wirtschaftlich tragfähiger Mietwohnungsbau ist<br />
derzeit nicht möglich.“ Er fordert auch von der Stadt Freiburg<br />
und dem Gemeinderat Einsatz für eine Änderung<br />
des Landeswohnungsbauprogramms, u. a. eine Herabsetzung<br />
der Tilgung bei Landesbankkrediten auf 1 %, sonst<br />
könne es schwer werden mit sozialem Wohnungsbau in<br />
den neuen Stadtteilen Kleineschholz und Dietenbach.<br />
[FR] BASISARBEIT STATT GROSSDEMO!<br />
Egal ob die Bündnisse „Preise Runter“ oder „Genug ist<br />
Genug“ heißen, eine relevante Zahl an Menschen kriegen<br />
sie aktuell in Freiburg nicht auf die Straße. Ein Kommentar<br />
bei Radio Dreyeckland lautet, dass das Mittel<br />
Demonstration, gerade wenn es sich um allgemeine Forderungen<br />
auf Bundesebene dreht, aktuell in Freiburg<br />
von linker Seite nicht das richtige Mittel sei. Statt „Großdemonstrationen“<br />
brauche es Basisarbeit, Stadtteilarbeit,<br />
Hilfe zur Selbsthilfe, um gemeinsam einen Weg<br />
durch die Zumutungen der aktuellen Krise zu finden, und<br />
Basisgewerkschaftsarbeit.<br />
[FR] WENIGER GELD FÜR DIE KULTUR<br />
In Freiburg soll im Doppelhaushalt <strong>2023</strong>/24 das Haushaltsvolumen<br />
um 200 Millionen € jährlich auf über 1,2<br />
Milliarden € steigen. Allerdings: Im Teilbudget für freie<br />
Träger in der Kultur sieht die Stadtverwaltung ein Minus<br />
von 100.000 € auf 8,368 Millionen € vor.<br />
[FR] RÜCKKEHR- UND BLEIBERECHT FÜR ZOUFINAR<br />
MURAD<br />
Mitte August wurde die Freiburger Pflegerin Zoufinar<br />
Murad abgeschoben, direkt von ihrem Arbeitsplatz, dem<br />
Altenpflegeheim Carolushaus. Sie sollte gerade einen Ausbildungsvertrag<br />
als Pflegehelferin erhalten. Die Syrerin,<br />
die aus Syrien geflohen war, wurde nach Armenien abgeschoben,<br />
wo sie entfernte Verwandte hat. Verschiedene<br />
Initiativen setzen sich für eine Rückkehr ein. Es kam heraus,<br />
dass die Freiburger Ausländerbehörde wohl noch den<br />
Pass von Frau Murad hat, was z. B. eine Visumsvergabe<br />
verhindert. Auf openpetition.de gibt es eine Petition mit<br />
dem Titel „Bleiberecht für Zoufinar Murad!“.<br />
MENSCHENWÜRDE IST NICHT RELATIVIERBAR!<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat am 24. November entschieden,<br />
dass die niedrigere „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende<br />
erwachsene AsylbewerberInnen in Sammelunterkünften<br />
verfassungswidrig ist. Um 10 % waren die<br />
Leistungen für diese Personengruppe gekürzt, mit der<br />
absurden Begründung, dass sie ja mit den anderen Personen<br />
der Unterkunft zusammen wirtschaften und so<br />
sparen könnten. Mit dem Gesetz, dessen Verfassungswidrigkeit<br />
von vornherein klar war, hat der Bund jahrelang<br />
zahlreichen Geflüchteten das Grundrecht auf ein menschenwürdiges<br />
Existenzminimum verwehrt und auf ihre<br />
Kosten viel Geld gespart. Nächstes Jahr gibt es bundesweit<br />
eine Kampagne zur Streichung des ausgrenzenden<br />
Asylbewerberleistungsgesetzes.<br />
[FR] RACIAL PROFILING<br />
Radio Dreyeckland berichtet über eine verstörende<br />
Festnahme im November mitten in der Freiburger Innenstadt.<br />
Die Polizei behauptete, dass die Betroffenen ihre<br />
Handys gestohlen hätten, obwohl sie gegenteilige Beweise<br />
vorlegten. Bei der mutmaßlich rassistisch motivierten<br />
Festnahme soll ein Polizist mit dem Fuß auf dem Rücken<br />
eines Betroffenen gestanden haben, trotzdem kam dem<br />
Bericht zufolge noch ein weiterer und kniete auf dem Nacken<br />
des Opfers, dem dadurch wohl Rippen gebrochen<br />
wurden.<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 5
BÜRGERHARTZ<br />
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel<br />
Nach langen politischen Auseinandersetzungen zwischen<br />
Regierungs- und Oppositionsparteien wurde zum Jahresbeginn<br />
das Bürgergeld eingeführt. Vom Bundesminister<br />
für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, als „größte Sozialstaatsreform<br />
seit 20 Jahren“ angepriesen, hofft die SPD,<br />
sich nun endlich von der Schande Hartz IV befreien zu<br />
können. Die Überwindung von Hartz IV und ein „Kulturwandel“<br />
wurden lauthals versprochen. Doch ob durch<br />
die Umbenennung samt geringfügiger Verbesserungen<br />
Hartz IV als endgültig überwunden gelten kann, wird von<br />
kritischen Fachleuten bezweifelt. Bei genauer Betrachtung<br />
entpuppt sich das Bürgergeld als Hartz V und wird<br />
deshalb bereits als „Bürgerhartz“ bezeichnet. Der Armutsforscher<br />
Christoph Butterwegge nennt diese Sozialreform<br />
eine „Reformruine“, mit der Hartz IV nicht überwunden,<br />
sondern nur abgeschwächt werde.<br />
Immerhin gibt es seit <strong>Januar</strong> etwas mehr Geld für die<br />
Leistungsberechtigten. In den sechs verschiedenen Regelbedarfsstufen<br />
für verschiedene Alters- und Personengruppen<br />
kommt es zu Erhöhungen des Regelsatzes, durch<br />
die Armut zwar nicht überwunden und soziokulturelle<br />
Teilhabe auch weiterhin nicht möglich ist, durch die<br />
aber teilweise die Inflation ausgeglichen wird. Durch die<br />
Anpassung der Regelsätze, die bereits spätestens im Juli<br />
2022 hätte erfolgen müssen, bleiben die Leistungsberechtigten<br />
jedoch weiterhin weit unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze,<br />
die für einen Single bei 1.250 € monatlich<br />
liegt.<br />
Über die Anpassung der Regelsätze wurde weder in der<br />
Koalition noch mit der Opposition groß gestritten. Zu<br />
heftigen Diskussionen führten allerdings die unterschiedlichen<br />
Positionen zu Sanktionen, Schonvermögen sowie<br />
Vertrauens- und Karenzzeiten. Die Debatte war ein von<br />
Falschinformationen geprägtes würdeloses Schauspiel,<br />
in dessen Schlussakt Friedrich Merz sich höchst erfreut<br />
über die Streichung der Vertrauenszeit zeigte. Es geht also<br />
weiter mit dem Bestrafungssystem, in dem bereits in den<br />
ersten sechs Monaten für NeukundInnen des Jobcenters<br />
auf Strafe statt Vertrauen gesetzt wird und Leistungskürzungen<br />
bis zu 30 % verhängt werden können.<br />
6<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Dabei kommen Sanktionen in der Praxis nur sehr selten<br />
vor, haben nachweislich keine zielführenden Effekte und<br />
können sich negativ auf die Gesundheit auswirken.<br />
Ein weiterer Streitpunkt betraf das Schonvermögen. Bisher<br />
durften Leistungsberechtigte 150 € pro Lebensjahr als<br />
Rücklage anrechnungsfrei behalten. Die Regierung wollte<br />
dieses Schonvermögen auf 60.000 € und auf 30.000 € für<br />
jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft erhöhen.<br />
Der im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss<br />
führte zu 40.000 € für die AntragstellerIn und 15.000 €<br />
für jedes weitere Haushaltsmitglied. Angesichts der Tatsache,<br />
dass laut Statistischem Bundesamt fast ein Drittel<br />
der BürgerInnen in diesem Land nicht in der Lage ist,<br />
unerwartete Ausgaben in Höhe von 1.150 € begleichen zu<br />
können, erscheint der Streit um das Schonvermögen als<br />
hochgradig absurd. Wenn die Menschen, die das Bürgerhartz<br />
beantragen müssen, eh keine Rücklagen haben,<br />
ist die Höhe eines fiktiven Schonvermögens definitiv<br />
unerheblich!<br />
Zumal dieses Schonvermögen nur in der Karenzzeit anrechnungsfrei<br />
bleibt. Die Regierungskoalition wollte eine<br />
Karenzzeit von zwei Jahren einführen, in der die tatsächlichen<br />
Kosten der Wohnung übernommen werden und<br />
das Schonvermögen bei der Leistungsberechnung unberücksichtigt<br />
bleiben sollte. Auf Drängen der CDU wurde<br />
diese Karenzzeit auf ein Jahr verkürzt. Nach Ablauf der Karenzzeit<br />
sinkt das anrechnungsfreie Schonvermögen auf<br />
15.000 € pro Person und die Miete unterliegt den regionalen<br />
Angemessenheitsgrenzen.<br />
Schauen wir nun auf die weiteren Änderungen. Die bereits<br />
erwähnte unzureichende Erhöhung der Regelsätze<br />
wird zwar die „soziale Hängematte“ nicht komfortabler<br />
machen, aber immerhin die Kostenexplosion der Stromkosten<br />
teilweise abfedern. Positiv zu bewerten ist die<br />
Einführung einer Bagatellgrenze bis zu 50 €, die bei monatlich<br />
schwankendem Einkommen nicht zu Rückforderungen<br />
und somit zur Reduzierung des bürokratischen<br />
Aufwandes führt. Ebenfalls positiv ist die Abschaffung<br />
des bisherigen Vermittlungsvorrangs zugunsten einer<br />
zukünftig nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt<br />
durch die Förderung von Weiterbildungen und Berufsabschlüssen.<br />
Bei dieser beruflichen „Bildungsoffensive“<br />
werden die Leistungsberechtigten ab Juli durch finanzielle<br />
Anreize wie Weiterbildungsgeld, Weiterbildungsprämie<br />
und Bürgergeldbonus belohnt. Was davon durch gleichbleibende<br />
oder sinkende Finanzierung tatsächlich realisierbar<br />
ist, bleibt jedoch höchst ungewiss.<br />
Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird schrittweise<br />
durch einen Kooperationsplan ersetzt. Auf die<br />
Unterschiede zwischen diesem und jenem darf man<br />
gespannt sein. Wenn bei der Erarbeitung des Kooperationsplans<br />
Meinungsverschiedenheiten auftreten, soll ein<br />
neues Schlichtungsverfahren weiterhelfen.<br />
Ab Juli gibt es außerdem höhere Freibeträge aus Erwerbstätigkeit.<br />
Für geringfügig Beschäftigte ändert sich nichts.<br />
Wer bis zu 520 € verdient, hat weiterhin den Grundfreibetrag<br />
von 100 € zuzüglich 20 % des restlichen Einkommens<br />
mehr im Geldbeutel. Bei Einkommen zwischen 520 € und<br />
1.000 € steigt der Freibetrag auf 30 %.<br />
Ebenfalls ab 1. Juli wird die „indirekte Kinderarbeit“ endlich<br />
abgeschafft. Junge Menschen, die in Bedarfsgemeinschaften<br />
leben, dürfen ihr Einkommen aus Schüler- und<br />
Studentenjobs, Ausbildung, Bundesfreiwilligendienst<br />
oder Freiwilligem Sozialen Jahr bis zu 520 € im Monat anrechnungsfrei<br />
behalten. Und das Einkommen von SchülerInnen,<br />
das durch Ferienjobs erarbeitet wird, bleibt ebenfalls<br />
anrechnungsfrei. Nun haben auch Jugendliche aus<br />
„Hartz IV-Familien“ endlich Möglichkeiten, durch eigene<br />
Kraft ihre Armut zu überwinden und für Dinge wie den<br />
Führerschein oder einen Computer oder Erlebnisse wie<br />
die Abitur-Party oder eine Reise arbeiten und sparen zu<br />
können.<br />
Es gibt zahlreiche weitere kleine Änderungen, deren Auswirkungen<br />
nicht absehbar sind. Wenn es beispielsweise<br />
heißt, „die Anforderungen an die Erreichbarkeit von Leistungsbeziehenden<br />
wird an die Möglichkeiten moderner<br />
Kommunikation angepasst“, bleibt völlig unklar, was das<br />
im Bürgerhartz-Alltag bedeuten soll. Und all jenen, die<br />
schon viele Jahre durch die Mühlen des Hartz-Systems<br />
zermürbt wurden, ist die Hoffnung auf Verbesserungen<br />
eh längst abhanden gekommen. Im Oktober 2022 waren<br />
5.331.000 Menschen, davon 1.541.000 Kinder, auf Leistungen<br />
vom Jobcenter angewiesen.<br />
Vielleicht handelt es sich bei der „Reformruine“ einfach<br />
nur um Politikergepolter mit viel Lärm um Nichts. Es werden<br />
große Worte um Dinge gemacht, die uns dann alle<br />
beschäftigen, während die wirklich wichtigen Dinge in<br />
den Hintergrund geraten und notwendige große Umwälzungen<br />
ausbleiben. Viele Diskussionsbeiträge scheinen<br />
nur der Profilierungssucht der politischen AkteurInnen<br />
zu dienen, behindern dadurch konstruktive Lösungen<br />
und führen zu faulen Kompromissen wie am Beispiel<br />
Bürgerhartz leicht erkennbar. Damit klarkommen müssen<br />
nun die MitarbeiterInnen in den Jobcentern und<br />
deren KundInnen. Und im Zweifelsfall entscheiden die<br />
Sozialgerichte.<br />
utasch<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 7
Abb.: Überfall auf ein Dorf (Bauernleid) von David Teniers der Jüngere (1610-1690)<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 23)<br />
Foto: Wikipedia<br />
In der letzten Ausgabe habe ich über Fortgang und das<br />
Ende des bis dahin größten europäischen Krieges und<br />
seine Auswirkungen auf Freiburg berichtet. In dieser<br />
Folge geht es nun um die Zeit nach dem Krieg. Wie und<br />
wann ist es den FreiburgerInnen gelungen, das Erlebte<br />
hinter sich zu lassen und Stadt und Land wieder aufzubauen?<br />
Und wie geht es mit dem Großen Spital und der<br />
Armenfürsorge in Freiburg weiter?<br />
FREIBURG UND DAS SPITAL NACH DEM KRIEG<br />
Im Dezember 1648 war der Dreißigjährige Krieg für Freiburg<br />
und den Breisgau beendet. Doch Ruhe und Frieden<br />
kamen deswegen noch lange nicht auf. Zwar schoss<br />
niemand mehr mit Kanonen auf die Stadt, keine Besatzer<br />
plünderten und mordeten und man konnte sich auch<br />
wieder auf die Straßen trauen. Doch überall im Reich, also<br />
auch im Breisgau, trieben sich noch marodierende Söldnertruppen<br />
herum, sodass man gut beraten war, innerhalb<br />
der Stadtmauern zu bleiben. Die Söldner hatten<br />
inzwischen fast überall die Ritter ersetzt und zogen für<br />
denjenigen in den Kampf, der ihnen am meisten bezahlte.<br />
So konnte es auch sein, dass Söldner während eines<br />
Krieges mehrmals ihren Herren wechselten. Mit der<br />
Verkündung des Friedens waren die Söldner nun meistens<br />
herren- und arbeitslos. Da viele nicht wieder nach<br />
Hause auf die Felder wollten, schlossen sie sich zusammen<br />
und zogen raubend, mordend und brandschatzend<br />
durchs Land. Doch die Söldner waren weder das einzige<br />
noch das wichtigste Problem, welches die FreiburgerInnen<br />
gerade hatten. Freiburg war ein Trümmerhaufen,<br />
von den Vorstädten stand so gut wie nichts mehr, in der<br />
Stadt selbst war ein Großteil der Häuser zerstört und ein<br />
hoher Anteil der Bevölkerung lebte nicht mehr. Die Überlebenden<br />
hatten nichts für den Neustart, Geld war in der<br />
gesamten Stadt kaum aufzutreiben, mit Nahrungsmitteln<br />
sah es nicht besser aus.<br />
Auch das Heiliggeistspital war vom Krieg gezeichnet.<br />
Nicht unbedingt äußerlich, da hatten zwar einige Mauern<br />
etwas abgekriegt, aber im Großen und Ganzen stand<br />
8<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
die Einrichtung noch. Doch wirtschaftlich hatte der<br />
Krieg auch das Spital an den Rand des Ruins getrieben.<br />
Natürlich galt das Spital weiterhin als vermögend, doch<br />
das Vermögen existierte nur auf dem Papier. Dem Spital<br />
gehörten immer noch große Ländereien, etliche Bauernhöfe,<br />
Wälder, Vieh und vieles mehr. Doch davon wurde<br />
niemand satt. Die Felder waren im Krieg geplündert<br />
worden, das Vieh wurde von verschiedenen Söldnertruppen<br />
geraubt, die Weinberge waren zerstört, die Wälder<br />
waren kahl geschlagen und die Pächter der Höfe konnten<br />
keinen Pfennig ans Spital zahlen.<br />
Beispiele dafür kann man in den Jahresbüchern des<br />
Spitals viele finden. So schuldeten zum Kriegsende<br />
mehrere Menschen aus Freiburg und Umgebung dem<br />
Heiliggeistspital zusammen etwa 450 Gulden, was<br />
damals eine immens hohe Summe war. Auch wenn diese<br />
Leute nun im Frieden ihre Höfe wiederaufbauen konnten,<br />
um neu anzufangen, war es doch sehr unwahrscheinlich,<br />
dass sie diese Schulden je zurückzahlen können. Und das<br />
waren nur einige von vielen SchuldnerInnen insgesamt.<br />
Auch dem Spital war bewusst, dass es viele Jahre dauern<br />
würde, die gesamten Schulden bezahlt zu bekommen,<br />
zumal man immer damit rechnen musste, dass weitere<br />
Kriege oder Katastrophen die Schulden weiter in die Höhe<br />
treiben würden. Deshalb erließ das Spital etlichen Bauern<br />
einen Teil der Schuld oder verzichtete auf Zinszahlungen.<br />
Es soll aber auch Fälle gegeben haben, wo dem Schuldner<br />
die komplette Schuld erlassen wurde. Nach welchen<br />
Regeln dabei vorgegangen wurde, ist nicht überliefert.<br />
Doch da es irgendwie weitergehen musste, wurde erst<br />
einmal eine Bestandsaufnahme durchgeführt, um zu<br />
sehen, was von der Armenfürsorge übrig geblieben war.<br />
Wie gesagt war das Große Spital äußerlich ganz gut<br />
durch den Krieg gekommen, sodass hier nur einige Reparaturen<br />
nötig waren. Vor der Stadt sah das anders aus!<br />
Das Gutleuthaus und die Elendenherberge in Neuburg<br />
waren komplett zerstört, doch auch das Armenspital und<br />
das Blatternhaus waren schwer getroffen. Das Gutleuthaus,<br />
welches von den schwedischen Besatzungstruppen<br />
zerstört worden war, wurde nicht mehr aufgebaut. Einer<br />
der Gründe dafür war wohl, dass die Lepra zurückgegangen<br />
war und man eigens dafür kein extra Haus brauchte.<br />
Auch die Elendenherberge wurde nicht mehr neu aufgebaut,<br />
dafür sollte später aber das Armenspital erweitert<br />
werden.<br />
Die Stiftungen für beide Einrichtungen existierten<br />
allerdings weiter und wurden später mit der Heiliggeiststiftung<br />
zusammengeführt. Die armen und die kranken<br />
Menschen, die bisher in der Elendenherberge oder im<br />
Gutleuthaus lebten, kamen in anderen Einrichtungen<br />
unter. Wie genau die Armen aufgeteilt wurden, darüber<br />
Abb.: In der Wand der Lorettokapelle steckende Kanonenkugel,<br />
die Ludwig XV. auf seinem Beobachtungsposten<br />
während der Belagerung Freiburgs 1744 fast getroffen<br />
hätte<br />
gibt es keine exakten Angaben. Lange Zeit hielten sich<br />
Gerüchte, dass sämtliche Bedürftige, die zum Kriegsende<br />
ohne Obdach waren, im Heiliggeistspital unterkamen.<br />
Beweise dafür lassen sich allerdings nicht finden. Aus<br />
den Zugangslisten des Spitals sind für diese Zeit keine<br />
plötzlichen oder übermäßig großen Zunahmen an InsassInnen<br />
zu erkennen. Wahrscheinlich wäre das auch zu<br />
viel gewesen und hätte zu großen Problemen im Spital<br />
geführt. Überfüllung, zu wenige Kräfte für die Pflege der<br />
BewohnerInnen, aber auch soziale Probleme der Insassen<br />
untereinander würden auftreten, um nur einige zu<br />
nennen. Man kann eher sagen, die Bewohnerlisten des<br />
Spitals blieben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />
ziemlich konstant. Im Jahr 1660, also 12 Jahre nach dem<br />
Krieg, gab es im Heiliggeistspital 61 verpflegte Personen.<br />
Bis zum Jahre 1690 hielt sich diese Zahl in etwa. Aus<br />
dieser Zeit kann man dann auch wieder Näheres über die<br />
Zusammensetzung der SpitalbewohnerInnen erfahren.<br />
So gab es 1688/89 im Heiliggeistspital zwölf Herrenpfründner,<br />
fünf bis sechs Mittelpfründner, 27 bis 29<br />
Armenpfründner, acht Knechte bzw. Mägde und acht bis<br />
neun weitere Kostgänger. Ab 1690 tauchen dann weitere<br />
Arme in den Listen auf, „so auff dem Täffelin nicht begriffen.“<br />
Man darf annehmen, dass damit Personen gemeint<br />
waren, die unverpfründet aufgenommen worden sind.<br />
Foto: Joergens.mi / Wikipedia (CC BY-SA 3.0)<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 9
Abb.: Fronleichnamsprozession von Adolph Menzel<br />
Da laut Unterlagen nicht sehr viele Menschen neu im<br />
Spital aufgenommen wurden, musste es ähnliche Einrichtungen<br />
in Freiburg gegeben haben. Doch diese waren ja<br />
zerstört. Als Freiburg 1698 wieder unter die Herrschaft<br />
Vorderösterreichs kam, begann man mit den Planungen<br />
für den Neubau eines Armenspitals. Doch auch damals<br />
konnte es schon sehr langwierig sein, bis ein solches<br />
Bauprojekt dann umgesetzt wurde. 1709 wurde dann im<br />
Dorf Adelhausen, kurz vor den Stadtmauern, mit dem<br />
Bau begonnen und drei Jahre später konnten die Armen<br />
„ihr“ neues Spital beziehen. Auch diesmal sollte das<br />
Armenspital nicht lange stehen. Bereits ein Jahr später<br />
belagerten erneut französische Truppen die Stadt und<br />
wieder wurden die Vorstädte für Verteidigungsmaßnahmen<br />
zum größten Teil abgerissen. Auch das neu erbaute<br />
Armenspital fiel unter diese Maßnahmen. Die BewohnerInnen<br />
flüchteten wieder in die Stadt. Glück im Unglück<br />
war, dass der Freiburger Ratsherr Johann Baptist Brunner<br />
im Jahre 1709 sein Haus in der Gerberau Nr. 34 samt einer<br />
Scheuer in der Wolfshöhle der Stadt „zur ewigen Einkehr<br />
und Nachtherberge der Armen, Verlassenen und Vertriebenen“<br />
vermachte. Hier entstand dann 1716 das neue<br />
Armenspital, welches dann auch zur Krankenversorgung<br />
und -pflege genutzt wurde.<br />
Die Stadt Freiburg war bemüht, trotz des Dreißigjährigen<br />
Krieges und seiner schlimmen Folgen die Armen, Kranken<br />
und Schwachen der Stadt zu versorgen. Einfach war das<br />
nicht, denn in den Jahrzehnten nach dem großen Krieg<br />
wurde Freiburg immer wieder belagert und sogar von<br />
feindlichen Armeen eingenommen. Somit wechselte<br />
auch die Herrschaft über Stadt und Breisgau häufig, was<br />
eine konstante Armenversorgung sehr schwierig machte.<br />
Dennoch gelang es meistens.<br />
Foto: Wikimedia Commons<br />
DAS FREIBURGER HEILIGGEISTSPITAL IM 18. UND 19.<br />
JAHRHUNDERT<br />
Anhand einer Inventarliste aus dem Jahr 1682 kann man<br />
ersehen, wie das Freiburger Spital am Ende des 17. Jahrhunderts<br />
ausgestattet war und wie die InsassInnen dort<br />
lebten nach dem Dreißigjährigen Krieg. Als Erstes sind in<br />
diesem Inventar die sakralen Gegenstände der spitalseigenen<br />
Sakristei aufgeführt und die meisten davon waren<br />
sehr wertvoll. Das zeigt wiederum, dass während der<br />
Besatzungszeiten doch nicht alles geraubt wurde bzw.<br />
dass die Kirche ihre Wertsachen gut versteckt hatte. Denn<br />
Kirchen an sich stellten seit der Reformation kein größeres<br />
Hindernis mehr dar für Räuber.<br />
Bei den Stuben und Gemeinschaftsräumen hatte sich<br />
in den letzten hundert Jahren nicht viel geändert. Auch<br />
wurde weiterhin darauf geachtet, dass die unterschiedlichen<br />
Stände strikt voneinander getrennt blieben. Auch<br />
die Räume für das Personal, die Schreibstube, das Zimmer<br />
10<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
des Pfarrers und einige Lagerräume befanden sich noch<br />
zusammenhängend auf einer Etage. Zum ersten Mal<br />
erwähnt sind hier aber auch ein Waschhaus, eine Eisenkammer<br />
sowie ein Neubautrakt.<br />
Auch bei der Verpflegung für die Insassen hatte sich nicht<br />
viel geändert, außer dass sie in den ersten Jahren nach<br />
dem Krieg noch etwas geringer ausfiel als sonst. Doch im<br />
Allgemeinen war die Verköstigung im Spital zufriedenstellend<br />
und das nicht nur für die Herrenpfründner. Vor<br />
allem die Armen waren froh, im Spital Kost und Logis zu<br />
haben und nicht auf der Straße leben zu müssen.<br />
Besonders die Jahre während und kurz nach dem Krieg<br />
dürften auf der Straße sehr hart gewesen sein. Feiertage<br />
waren auch für die BewohnerInnen des Spitals etwas<br />
Besonderes, vor allem weil es dann besonders reichhaltige<br />
Kost gab, die sich deutlich vom sonstigen Spitalessen<br />
unterschied. An manchen Feiertagen bekamen die Insasen<br />
auch noch kleine Geschenke, die meist als Spenden<br />
im Spital ankamen. Am Neujahrstag verteilte der Spitalmeister<br />
traditionell Geldgeschenke an die Spitalarmen,<br />
die Pfleger, den Spitalpfarrer, an Findelkinder und andere.<br />
Die jedes Jahr verteilten Geldbeträge sind in den Jahrbüchern<br />
genauestens festgehalten.<br />
Auch die Fasnacht wurde im Spital festlich begangen,<br />
allerdings gibt es nur wenig Schriftliches darüber. Lediglich<br />
der Ankauf eines Kalbs für die Fasnacht ist über einige<br />
Jahre hinweg vermerkt. Pfingsten wurde als einer der<br />
höchsten kirchlichen Feiertage als großes Fest im Spital<br />
gefeiert. Die Feier wurde von 20 Musikern, von Choralbuben<br />
und Lichtstockträgern begleitet. Am Abend gab es ein<br />
Mahl aus Bratwürsten, Kalbfleisch, Salaten, Schinken, Brot<br />
und Wein.<br />
Eine besondere Bedeutung für das Spital und die gesamte<br />
Stadt Freiburg hatte das Fronleichnamsfest. Vor allem<br />
die gesellschaftliche Bedeutung des Festes war sehr<br />
hoch. Denn „Corporis Christi“ war eigentlich der einzige<br />
Anlass im Jahr, bei dem die gesamte Gemeinschaft<br />
des Spitals zusammen in der Öffentlichkeit auftrat. Die<br />
Standesgrenzen waren für einige Stunden aufgehoben.<br />
Aus alten Prozessionsordnungen kann man erfahren,<br />
dass BewohnerInnen und Angestellte des Spitals feierlich<br />
aufgestellt aus dem Spital auszogen und gleich nach<br />
den Augustinern am Anfang der Prozession würdig in<br />
Richtung Münster schritten. Voran schritt der Sigrist mit<br />
dem „höltzene Crüütz“. Danach kamen die SpitalbewohnerInnen<br />
mit verschiedenfarbigen Fähnlein und Stangen,<br />
einige trugen Heiligenbilder vor sich her. Doch diese<br />
traute Einigkeit hielt nur für den Feiertag an. War der<br />
vorbei, dann herrschten im Spital wieder die gehabten<br />
Standesunterschiede.<br />
Foto: Wikimedia Commons<br />
Abb.: Ein Bauer beim Schärfen einer Sense, Stich um 1700<br />
von (wahrsch.) Caspar Luyken (holl. Kupferstecher)<br />
War das Spital ursprünglich rein zur Armenversorgung<br />
erschaffen worden, drängte sich im Laufe der Jahrhunderte<br />
die Krankenpflege immer mehr in den Vordergrund.<br />
Vor allem am Anfang des 17. Jahrhunderts, nicht zuletzt<br />
durch den Krieg, entwickelte sich das Spital immer<br />
mehr in Richtung städtisches Krankenhaus. Es wurden<br />
inzwischen fremde Menschen zeitweilig im Spital aufgenommen,<br />
etwa um eine Krankheit behandeln zu lassen<br />
oder um sich einer Operation zu unterziehen. Nach ihrer<br />
Behandlung wurden sie ganz normal wieder entlassen.<br />
Wie die Krankenpflege sich weiterentwickelte und wie<br />
die neue Heiliggeiststiftung verwendet wurde, darüber<br />
schreibe ich in der nächsten Ausgabe.<br />
Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn<br />
Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach,<br />
Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 11
die Wohnungen so gut wie unbezahlbar, gerade wenn man<br />
obdachlos ist und keine Freunde oder Bekannte hat, wo<br />
man eine Weile unterkommen kann. Mich macht das traurig,<br />
dass das schon viele Jahre so ist und sich gefühlt immer<br />
verschlimmert statt verbessert. Wir hier in der Redaktion<br />
erleben das mitunter tagtäglich, dass es ein Teil unserer<br />
VerkäuferInnen quasi schon aufgegeben hat, irgendwann<br />
ein Leben in den eigenen vier Wänden in Freiburg zu finden.<br />
Gerade jetzt, in diesem Moment, zu dieser kalten Jahreszeit,<br />
möchte ich helfen, aber meine Mittel sind da beschränkt.<br />
Ja, ein offenes Ohr kann schon jemandem helfen,<br />
aber es muss jetzt sofort mehr von der Politik kommen. Ein<br />
Umdenken muss her! Ein neu erbauter Stadtteil in erst 20<br />
Jahren hilft den obdachlosen Menschen im Moment nicht!<br />
Ich bin z. B. ein Befürworter, dass man konstruktiv über ein<br />
bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren muss.<br />
Foto: Felix Groteloh<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Ekkehard Peters<br />
Ekkehard Peters (Ekki) ist seit Anfang 2012 ein Teil der Redaktion<br />
des FREIeBÜRGER. Aus anfänglich purer Neugier<br />
auf die Straßenzeitung wurde er schnell selbst zum FREIeBÜRGER-Verkäufer<br />
und ab dem Jahr 2013 ein Mitglied<br />
der FREIeBÜRGER-Redaktion als Redakteur. Zudem ist er<br />
seit fünf Jahren für das komplette Layout zuständig. Unter<br />
anderem knipst er auch regelmäßig die Fotos für unsere<br />
Kochseite.<br />
Hi Ekki, wie geht es Dir?<br />
Meistens gut, gesundheitlich habe ich zurzeit noch leicht<br />
mit einer Bronchitis zu kämpfen, aber sie ist langsam am<br />
abklingen. Ansonsten versuche ich, aus jedem Tag etwas<br />
Positives zu ziehen, auch wenn das aktuelle Weltgeschehen<br />
und die politische Einstellung mancher Menschen in<br />
Deutschland mich manchmal sehr traurig stimmen, um<br />
nicht zu sagen sehr wütend machen.<br />
Was genau macht Dich wütend?<br />
Na ja, jetzt mal abgesehen vom Weltgeschehen, den Querdenkern,<br />
Populisten und Rattenfängern, schauen wir uns<br />
doch einfach mal Freiburgs Wohnungsmarkt an. Hier sind<br />
Warst Du selbst auch schon mal obdachlos?<br />
Nein, aber seit 30 Jahren bin ich von Obdachlosigkeit bedroht.<br />
Durch einen privaten Tipp einer Bekannten habe ich<br />
seit acht Jahren das Glück, in einer kleinen Dachgeschosswohnung<br />
in Freiburg leben zu dürfen. Ich habe mich damals,<br />
vor mehr als 30 Jahren, von einer Couch zur anderen<br />
bewegt und nicht selten knurrte mir abends der Magen,<br />
da mein Geld begrenzt war. Obdachlosigkeit ist nicht billig,<br />
man hat z. B. keinen Kühlschrank, damit man auf Vorrat<br />
billig einkaufen kann. Damals wohnte ich noch in Schleswig-Holstein.<br />
Vor etwa 20 Jahren hat mich ein guter Freund<br />
aus Freiburg gefragt, ob ich nicht mit ihm nach Freiburg<br />
auf einen Wagenplatz kommen möchte. Auf sein Angebot<br />
hin, bei ihm unterzukommen, überlegte ich nicht lange,<br />
nahm sein Angebot an und packte meine Siebensachen. Ich<br />
gebe zurzeit etwa 70 % meines kleinen Einkommens vom<br />
FREIeBÜRGER und der Aufstockung vom Arbeitsamt für die<br />
Miete aus. Käme eine Mieterhöhung ins Haus, müsste ich<br />
mich umgucken bzw. vielleicht Freiburg verlassen. Davor<br />
habe ich Angst! Wie vielen Menschen muss es in Freiburg<br />
ähnlich und schlimmer gehen, frage ich mich oft. Aus vielen<br />
Gesprächen weiß ich: sehr vielen!<br />
Wie hast Du damals den FREIeBÜRGER kennengelernt?<br />
Kennengelernt habe ich ihn vor ca. 20 Jahren auf dem Bauwagenplatz<br />
Biohum in Freiburg. Der damalige Chefredakteur<br />
Uli Herrmann wohnte einen Wagenplatz neben mir.<br />
Wir verstanden uns auf Anhieb und eine schöne Freundschaft<br />
entstand. Mich hat es sofort fasziniert, dass viele<br />
vom Platz auch die Straßenzeitung verkauften und das hatte<br />
meine Neugier geweckt. Wie jetzt, wenn man kein Geld<br />
mehr hat, kann man so einfach die Zeitung verkaufen?<br />
Also fing ich auch an, Straßenzeitungsverkäufer zu werden.<br />
Auch, dass man für den Stellplatz nur etwa 70 € für Pacht<br />
und Strom bezahlen musste, hat mich dazu bewegt, dort<br />
zu bleiben. Zehn schöne Jahre meines Lebens verbrachte ich<br />
dort und ich bereue (fast) keinen einzigen Tag.<br />
12<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Wie war es für Dich, die Straßenzeitung in Freiburg zu<br />
verkaufen? Du kamst ja eher aus einer kleinen Stadt mit<br />
nur etwa 15.000 EinwohnerInnen. Freiburg ist da ja jetzt<br />
etwas größer...<br />
Ich habe mich sofort in Freiburg verliebt. Es war für mich<br />
immer klar, dass ich nicht Zeit meines Lebens in meiner Heimat<br />
verbringen möchte. Hamburg war für mich zu groß,<br />
auch die umliegenden Städte wie Lübeck oder Kiel waren<br />
für mich keine Option. Freiburg kam mir da gelegen. Die<br />
Stadt war überschaubar. Auch die Nähe zur Schweiz und<br />
Frankreich war für mich Neuland und ich fühlte mich fast<br />
international. Mir tat der Verkauf immer gut. Ich lernte<br />
auf eine andere und neue Art Menschen kennen und hatte<br />
oft witzige, aber auch so manches Mal traurige Gespräche.<br />
Z. B. hatte ich oft das Gefühl, dass dieser Mensch gerade<br />
sonst niemanden zum Reden hat. Das hat mich immer<br />
sehr ins Grübeln gebracht, dass es sehr viele Menschen gibt,<br />
die alleine sind und keinen haben, wo sie sich öffnen können<br />
oder über Ihre Gefühle auf eine „quasi“ anonyme Art<br />
reden können. Dabei habe ich mich oft an die Worte von Uli<br />
Herrmann erinnern müssen, wenn er über die Anfänge der<br />
Zeitung und die vielen Krisen, die gemeistert worden sind,<br />
erzählte und für wie wichtig er es hielt, dass eine Straßenzeitung<br />
für BürgerInnen und VerkäuferInnen angeboten<br />
wird, die sich damit etwas Geld hinzu verdienen können<br />
und dabei einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen.<br />
Seit wann arbeitest Du als Redakteur bei der Freiburger<br />
Straßenzeitung?<br />
Alle VerkäuferInnen arbeiten ja quasi selbstständig durch<br />
den Verkauf für der Straßenzeitung. Ohne VerkäuferInnen<br />
gäbe es die Zeitung nicht. Aber wenn wir jetzt mal meine<br />
Zeit als Verkäufer abziehen, arbeite ich hier seit mehr als<br />
zehn Jahren. Angefangen habe ich 2012 mit einem 2-Euro-Job<br />
und seit August 2013 als Redakteur. Mit meinem ersten<br />
Tag in der Redaktion habe ich festgestellt, wie viel Arbeit<br />
die Produktion einer Zeitung mit sich bringt, dass es<br />
eine große Herausforderung für alle ist, Monat für Monat<br />
die nächste Ausgabe pünktlich zum Druck fertigzustellen.<br />
Es gibt aber auch Tage, an denen ich mir die Zeit als Verkäufer<br />
zurücksehne. Vielleicht fange ich bald wieder an zu verkaufen.<br />
Etwas mehr wieder an der Basis zu sein, täte mir<br />
manchmal ganz gut. Außerdem könnte ich mir mit dem<br />
verdienten Geld etwas für schwere Zeiten zurücklegen.<br />
Was sind Deine Aufgaben in der Redaktion?<br />
Seit fünf Jahren habe ich nun das Layout übernommen.<br />
Mir macht meine Arbeit sehr viel Spaß. Hier kann man sehr<br />
kreativ sein, was mich immer wieder antreibt.<br />
Was machst Du in der Freizeit?<br />
Ich versuche, viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen.<br />
Wenn ich richtig viel Zeit habe, bin ich aber auch gerne<br />
mal faul. Faul sein zu können, empfinde ich für mich als<br />
existenziell und als Luxus. Einfach mal versuchen, an nichts<br />
zu denken oder zu grübeln, mit Couching, Gamen, Netflixen<br />
usw. Und das mit einem gut gefüllten Kühlschrank.<br />
Und was ist mit Sport, bleibt Dir dafür noch Zeit? Wir wissen,<br />
dass Du früher aktiv im Fußball unterwegs warst<br />
und sogar Fußballnationalspieler für Deutschland warst.<br />
Kannst Du uns dazu etwas erzählen?<br />
Sportlich gesehen war ich früher mal ein talentierter Fußballer,<br />
so sagte man mir nach. Meine Karriere, besser gesagt<br />
meine Fußballschuhe, musste ich aber wegen einer Lungenkrankheit<br />
schon früh an den Nagel hängen. Dem FREIe-<br />
BÜRGER habe ich es zu verdanken, dass ich mein Comeback<br />
beim Homeless World Cup feiern konnte, einem Streetsoccer-Turnier,<br />
das von UNO und UEFA unterstützt und vom<br />
International Network of Street Papers ausgetragen wird.<br />
Dies soll seit 2003 Obdachlosen bei der Reintegration in die<br />
Gesellschaft unterstützen. 2004 war ich in Göteborg und<br />
2005 sogar als Kapitän in Edinburgh. Das war sportlich<br />
eine meiner schönsten Erfahrungen. Das war ein wahnsinniges<br />
und schönes Erlebnis für mich! 2006 wäre es für mich<br />
als Co-Trainer nach Kapstadt gegangen, aber da habe ich<br />
auf ganzer Linie versagt (sagte man mir nach...).<br />
Was wünschst Du der Straßenzeitung FREIeBÜRGER?<br />
Wir verstehen uns als Mitmach-Zeitung. Jede(r) kann bei<br />
uns Artikel einreichen. Das würde uns sehr entlasten, da<br />
wir nur ein sehr kleines Team sind und uns mit diesem Einbringen<br />
mehr um z. B. die Öffentlichkeitsarbeit kümmern<br />
könnten. Durch höhere Verkaufszahlen könnten wir z. B.<br />
auch neue Arbeitsplätze schaffen und unsere VerkäuferInnen<br />
mehr unterstützen. Wir wären einfach unabhängiger<br />
und das Projekt wäre nicht größtenteils auf Spenden angewiesen<br />
– das wäre mein Wunsch für das nächste Jahr. Vielen<br />
herzlichen Dank an dieser Stelle an alle da draußen, die<br />
uns, in welcher Form auch immer, unterstützen!<br />
Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />
Und welcher der hässlichste?<br />
Der schönste Ort ist für mich bei Sonnenschein auf einer<br />
Parkbank mit Freunden, über das Leben philosophierend<br />
und dabei ein kühles Bier nach Feierabend trinkend.<br />
Der hässlichste Ort ist für mich eine überfüllte Freiburger<br />
Straßenbahn.<br />
Was wünschst Du Freiburg?<br />
Dass zeitig für jede(r) erschwinglicher Wohnraum zur Verfügung<br />
steht.<br />
Lieber Ekki, vielen Dank für das Interview. Wir hoffen<br />
sehr, dass Du uns noch ganz arg lange erhalten bleibst &<br />
wünschen Dir nur das Beste!<br />
Conny & Oliver<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 13
WER HAT AN DER UHR GEDREHT?<br />
Ist es wirklich schon so spät...?<br />
Foto: Archiv FREIeBÜRGER<br />
In der letzten Ausgabe habe ich begonnen, über unsere<br />
sportlichen Aktivitäten zu berichten, also über das<br />
FREIeBÜRGER-Fußballteam. Natürlich war es ziemlich<br />
eigenartig, wie unsere Mannschaft entstanden ist, doch<br />
da sie nun einmal da war, kickten wir halt auch noch ein<br />
paar Jahre in Freiburg und in der Weltgeschichte herum.<br />
Es hat ja auch Spaß gemacht und schließlich brachte<br />
fast jeder von uns auch ein bisschen Erfahrung aus einer<br />
längst vergangenen Karriere mit...<br />
Anfangs meldeten wir uns auf Dörfern in der Umgebung<br />
zu kleineren Fußballturnieren an, wir waren der Meinung,<br />
mit den „Bauern“ können wir allemal mithalten. Das stellte<br />
sich schnell als Irrtum heraus! Das lag vor allem daran,<br />
dass keiner von uns mehr wusste, wie schnell dieses Spiel<br />
sein kann und vor allem wie viel man laufen muss. Bier<br />
und Zigaretten forderten schon bald ihren Tribut, sodass<br />
wahrscheinlich jeder unserer Kicker mindestens so viel<br />
Spielzeit hinter dem Tor verbrachte, wie er insgesamt auf<br />
dem Spielfeld stand. Ich weiß gar nicht mehr so genau,<br />
ob wir jemals eines dieser Spiele gewannen, aber Spaß<br />
hat es uns trotzdem gemacht. Manche der Turnierveranstalter<br />
ließen sich für uns sogar etwas einfallen<br />
und so bekamen wir mal eine Urkunde für die besten<br />
und lautesten Fans oder ein anderes Mal eine für den<br />
bestgekleideten Torwart. Letztere dafür, das unser Keeper<br />
Ingo im Schottenrock spielte. Böse Zungen haben damals<br />
behauptet, er hätte nix drunter gehabt, keine Ahnung,<br />
ich wollte es damals nicht überprüfen! Zwar wurden<br />
wir durch den Fußball nicht irgendwie besser, mit dem<br />
Rauchen und Saufen haben wir damals auch nicht<br />
aufgehört, aber die Blicke der Leute an den bekannten<br />
Trinkertreffpunkten, wenn man sagte man geht am<br />
Wochenende kicken, waren unbezahlbar. Und es sollte<br />
noch besser kommen!<br />
Bei einem Treffen der deutschen Straßenzeitungen in<br />
der Nähe von Münster war der Vorsitzende und Gründer<br />
des Weltverbandes der Straßenzeitungen, Mel Young,<br />
zu Gast. In geselliger Runde bei einem Bierchen erzählte<br />
er von seiner Idee, eine Fußball-Weltmeisterschaft für<br />
Obdachlose zu veranstalten. Ich war sofort begeistert, die<br />
Regensburger auch, doch der Rest tat das eher als lustige<br />
Spinnerei ab. Doch die nahm dann ziemlich schnell Konturen<br />
an. Bereits ein Jahr später fand in Graz in Österreich<br />
die erste WM statt. Da die deutschen Zeitungen, vor<br />
allem die großen, das immer noch nicht so richtig ernst<br />
genommen hatten, bestand das Gros der Mannschaft aus<br />
Spielern des Regensburger Donaustrudl und des FREIe-<br />
BÜRGER. Ein Spieler aus Stuttgart und zwei aus Hamburg<br />
14<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
kamen noch dazu, das war es aber auch schon. Wir trafen<br />
uns an einem Abend in Regensburg und am nächsten<br />
Morgen ging es dann über die Alpen. Zeit und Geld für<br />
ein vernünftiges Trainingslager hatten wir natürlich nicht<br />
und so fand unser erstes gemeinsames Training an einer<br />
Autobahnraststätte statt. Mit viel Optimismus kamen wir<br />
in Graz an und der hielt sich auch bis zum Eröffnungsspiel.<br />
Das hieß Deutschland gegen Niederlande und wir<br />
verloren zweistellig. Zu unserer Ehrenrettung kann man<br />
allerdings vorbringen, dass Streetsoccer gespielt wurde,<br />
auf Steinboden und mit Bande. Keiner unserer Leute hat<br />
das jemals gespielt und die Holländer hatten eine Liga<br />
dafür, waren also Profis. Egal, wir gewannen auch ein<br />
paar Spiele und wurden nicht Letzter.<br />
Doch noch wichtiger als der Fußball war in diesen Tagen<br />
das Interesse der Öffentlichkeit an der Veranstaltung<br />
und am normalen Leben der Obdachlosen. Aus aller<br />
Welt waren Fernsehteams da und haben die WM zu<br />
den Menschen in die Wohnzimmer gebracht. In vielen<br />
Gesprächen mit Einheimischen habe ich gemerkt, wie<br />
sie Vorurteile gegenüber Obdachlosen über Bord warfen,<br />
wie sie die Menschen „in der Schublade“ entdeckten.<br />
Doch auch wir selbst konnten lernen im Gespräch mit<br />
Obdachlosen aus anderen Ländern oder Kontinenten. Wir<br />
hatten sehr schnell kapiert, dass unser Sozialsystem nicht<br />
unbedingt so schlecht ist, wie wir es selbst darstellen.<br />
Als ich hörte, wie Obdachlose in den USA, in asiatischen<br />
oder afrikanischen Staaten oder aber auch in Russland<br />
oder Polen leben mussten, wollte ich um keinen Preis mit<br />
denen tauschen. Entgegen aller Unkenrufe wurde diese<br />
Weltmeisterschaft ein voller Erfolg. Nicht kommerziell,<br />
sondern in der öffentlichen Wahrnehmung!<br />
Den Homeless World Cup gibt es bis heute und nach<br />
der Premiere nahm unser Team noch zwei weitere Male<br />
daran teil. Heute hat sich das Thema (aktiver) Fußball bei<br />
uns erledigt. Die Mannschaft gibt es schon einige Jahre<br />
nicht mehr, was aber ganz natürlich ist. Ein paar unserer<br />
Leute sind inzwischen zu alt, ein paar sind zu krank und<br />
die jungen Kicker gehen nur noch dahin, wo es das meiste<br />
Geld gibt. Aber an manchen Abenden, mit Tee vor dem<br />
Ofen, erinnern wir uns schon noch an diese Zeit, als der<br />
FREIeBÜRGER zur WM fuhr!<br />
Doch nicht nur sportlich waren wir unterwegs, Kultur<br />
gab es bei uns auch. Schon in den ersten Jahren unseres<br />
Bestehens fanden sich ein paar Bands, die Soli-Konzerte<br />
für uns veranstalteten. Dass es Punkkonzerte waren, wird<br />
bei der damaligen Besetzung unserer Redaktion wohl niemanden<br />
wundern. Die fanden mal in der „KTS“ oder auch<br />
im „Walfisch“ statt. Ob die jetzt finanziell etwas gebracht<br />
haben, weiß ich gar nicht mehr, was ich aber noch weiß<br />
ist, es hat jedes Mal einen Riesenspaß gemacht.<br />
Foto: Archiv FREIeBÜRGER<br />
Abb.: Torwart Flo, einer der Spieler beim Homeless World<br />
Cup in Graz, nach einer harten Trainingseinheit<br />
Eigentlich hätten sich unsere kulturellen Aktivitäten<br />
darauf beschränkt, wenn es nicht den Zufall gäbe. Dieser<br />
Zufall hieß Barbara Mundel und war Intendantin des<br />
Stadttheaters. Es war wieder der erste Mittwoch im Monat<br />
und wir sollten den neuen FREIeBÜRGER im Mittagsmagazin<br />
bei Radio Dreyeckland vorstellen. Ebenfalls zu<br />
Gast war eben Frau Mundel und sie stellte die Idee einer<br />
Neuinszenierung der „Bettleroper“ vor. Dabei sollten die<br />
echten Schauspieler nur eine Art Korsett bilden, während<br />
das Gros der DarstellerInnen Betroffene sein sollten, also<br />
Obdachlose und Bettler. Auf ihre Frage nach der Machbarkeit<br />
war ich etwas verwundert, allerdings auch genauso<br />
schnell begeistert. Ich berichtete in der Redaktion und<br />
in Anlaufstellen davon und eine Reihe von Betroffenen<br />
meldete sich begeistert. Bald kam es zum ersten Treffen<br />
mit Intendantin, Regisseur und „echten Schauspielern“<br />
und die Idee entwickelte sich weiter. Jetzt gab es ein<br />
paar Wochen lang fast täglich Proben und da es auch<br />
einen extra „Bettlerchor“ geben sollte, kamen auch noch<br />
Chorproben dazu. Das war natürlich für viele der „Neukünstler“<br />
eine gravierende Umstellung des Tagesablaufes,<br />
aber es hat funktioniert. Unser „Chefchen“ Uli, auch er<br />
war begeistert dabei, musste ein paar seiner Aufgaben<br />
umdelegieren, damit er keine Probe verpasste. Ich selbst<br />
konnte mich vor einer Rolle drücken, einer musste ja alles<br />
aufschreiben...<br />
Wie es weiterging, ob das Stück es ans Theater schaffte<br />
und wie es ankam, das können Sie in einer der nächsten<br />
Ausgaben lesen.<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 15
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Tel 07664 962096<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 17
Abb.: Auch defensive Architektur ist ein Beispiel für (strukturelle) Gewalt –<br />
diese Blöcke hier in Stuttgart sollen Obdachlose abhalten, sich einen Platz im Trockenen zu suchen<br />
OBDACHLOSE ZU DEN<br />
STUTTGARTER FARBANGRIFFEN:<br />
Wovor haben obdachlose Menschen Angst?<br />
Foto: Daniel Knaus<br />
Farbangriffe auf Obdachlose – diese entsetzten in der<br />
ersten September-Hälfte nicht nur Stuttgart, sondern das<br />
ganze Land. Schlafende Notleidende wurden mit Farbe<br />
übergossen, bis am 20. September ein mutmaßlicher<br />
Täter gefasst wurde und die Serie vorerst endete. Doch<br />
endet auch der Schrecken auf der Straße? Wie nehmen<br />
Obdachlose die Angriffe wahr?<br />
„Haben Sie Angst vor den Farbangriffen?“, frage ich im<br />
September verschiedene obdachlose Menschen (Namen<br />
redaktionell geändert). Die erste Antwort ist meist gleich<br />
und kann Bürgerinnen und Bürger aus der sogenannten<br />
Mehrheitsgesellschaft verblüffen: „Welche Farbangriffe?“<br />
Fast allen meiner Kontakte sind die Angriffe auch nach<br />
zwei Wochen regelmäßiger Wiederholung noch unbekannt.<br />
Meine erste Einsicht lautet: Obdachlose sind durch<br />
materiellen Mangel, Sprachbarrieren oder kognitive Einschränkungen<br />
medial derart benachteiligt, dass sie viele<br />
Themen gar nicht miterleben – auch nicht eine Serie von<br />
Gewaltverbrechen, die sie scheinbar in Angst versetzt.<br />
BRANDSPUREN VOM GESCHMOLZENEN KUNSTSTOFF<br />
DES SCHLAFSACKS<br />
Die bekannten Fakten zu den Angriffen interessieren fast<br />
alle meiner Kontakte; doch auch ihre weiteren Reaktionen<br />
entsprechen kaum den verbreiteten Erwartungen. Angst<br />
vor einer drohenden Beschmutzung mit Farbe höre ich<br />
nämlich von keiner einzigen Person – nicht von Markus:<br />
„Ängste habe ich doch schon genug; Leute treten mich<br />
oder meine Dose weg, spucken mich an und drohen mir<br />
alles Mögliche an“ – und nicht von Harald: „Farbe klingt ja<br />
demütigend, aber ich wurde schon mal angezündet! Das<br />
war unter einer Brücke; die Jungs kamen von beiden Seiten<br />
und ich hätte keinen Fluchtweg gehabt, selbst wenn<br />
ich rechtzeitig aufgewacht wäre. Auf dem Beton waren<br />
dann Brandspuren wie im Krieg – vom geschmolzenen<br />
Kunststoff des Schlafsacks.“<br />
Manche Reaktionen Obdachloser zu den Farbangriffen<br />
dürften viele Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft<br />
sogar irritieren. Justus lebt schon zwanzig Jahre auf der<br />
Straße und prustet los: „Farbe? Was für eine Clownerei!<br />
18<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Wer das tut, gehört doch in den Zirkus!“ Wütend macht<br />
ihn nur ein Gedanke: „Farbe ist doch teuer. Das Geld<br />
könnte ich für ein Mittagessen brauchen.“ Gewalt zu<br />
erleben und dabei jeden Tag um ein warmes Essen zu<br />
bangen, scheint für Justus so normal, dass ihn die Nachrichten<br />
wenig berühren. Ähnlich geht es Sabine; sie leidet<br />
als obdachlose Frau aber unter einer besonderen Gefährdung.<br />
„Sitze ich beim Schnorren, drücken sich Typen an<br />
mich ran oder setzen sich mir gegenüber, wobei ihnen<br />
der Sabber aus dem Mund läuft. Und hinter mir her sind<br />
die Kerle, selbst wenn ich in Bewegung bin, sobald ich nur<br />
ein bisschen obdachlos aussehe; was bei geschlossenen<br />
Toiletten schnell passiert. Obdachlose Frauen sind halt<br />
Freiwild.“<br />
TRAURIGER TRICK ZUR ABSCHRECKUNG<br />
Mögliche Mittel zur Selbstverteidigung kennt Sabine viele;<br />
praktisch funktioniert auf der Straße aber alles anders<br />
als gedacht. „Pfefferspray weht Dir auch mal ins Gesicht<br />
zurück. Auf das vertraue ich nie wieder. Als ich noch auf<br />
Heroin war, haben mir Freunde aber einen Trick verraten<br />
– um Angreifer abzuschrecken. Bewahre eine Spritze auf,<br />
die noch blutig ist! Alle Leute haben so eine Angst vor<br />
HIV, dass bei gezeigter Spritze auch wütende junge Typen<br />
einen Bogen um Dich machen.“ Eine Lösung für mehr<br />
Sicherheit? „Natürlich nicht, eigentlich absurd; die Drogen<br />
machen Dich kaputt. Süchtig leidest Du ganz eigene<br />
Ängste, zum Beispiel vor einem Entzug auf der Straße<br />
ohne medizinische Hilfe; der ist leicht tödlich. Letztlich<br />
hast Du hier draußen nie gute Abwehrchancen. Willst Du<br />
denn eine Machete mit Dir im Rucksack herumtragen?<br />
Wer das größere Messer hat, wird vielleicht seltener angegriffen.<br />
So einen Spezialisten kannte ich mal – den hat<br />
aber irgendwann die Polizei kontrolliert und dann war er<br />
dran.“<br />
Worüber sprechen Obdachlose also? Über die Beklemmung<br />
gegenüber fremden Passanten. Carlos: „Du liegst<br />
da und siehst all die Schuhe; und Du weißt, dass die Leute<br />
auch moralisch auf Dich hinabblicken.“ Über die Angst,<br />
von Ordnungskräften ungerecht behandelt zu werden.<br />
Nadine: „Die haben mich auf dem Schirm, weil ich anders<br />
aussehe.“ Über die Furcht vor Ausbeutern und Betrügern,<br />
zum Beispiel vor Anwerbern für Schwarzarbeit (etwa<br />
im Bausektor). Tarek: „Da gibt es Typen, die machen uns<br />
Versprechungen, brechen uns aber eher die Knochen, als<br />
uns zu bezahlen.“ Über die häufige Panik, wenn irgendwo<br />
im Dunkeln laute Schritte näher kommen. Alan:<br />
„Bist Du allein, darfst Du nie mehrmals am selben Ort<br />
schlafen. Sonst erwartet Dich jemand. Wenn Du aber<br />
irgendwo neu bist, weißt Du auch nicht, wen Du hier<br />
provozierst an Ladenbesitzern, Anwohnern oder Psychos<br />
– und was für einen Ärger Du bald sprichwörtlich am Hals<br />
hast.“<br />
DER STRESS, NIE IN EIGENE VIER WÄNDE<br />
HEIMZUKEHREN<br />
Und natürlich sprechen Obdachlose auch über den Stress,<br />
nie in eigene vier Wände heimzukehren und ständig um<br />
die schiere Existenz zu kämpfen. Dunja: „Wo gibt es ein<br />
warmes Essen? Wo ist die nächste Toilette, überfällt mich<br />
da einer? Ich bin krank, wie kuriere ich meine Erkältung<br />
aus, bevor sie auf die Lunge schlägt? Wo wasche ich<br />
meine Unterwäsche, da ich nicht mehr zu meiner Anlaufstelle<br />
will, weil mich dort eine Stärkere anfeindet? Seh ich<br />
meine Familie wieder und nimmt sie mich auf?“<br />
Auf der Straße gehen also viele Ängste um. Oft bleiben sie<br />
im Dunkelfeld – wie viele obdachlose Menschen selbst.<br />
Wahrscheinlich schaffen es die meisten Sorgen Betroffener<br />
gar nicht ins Fernsehen und bestenfalls hier in unsere<br />
Straßenzeitung. Nun war der Tatverdächtige der Farbangriffe<br />
allerdings selbst obdachlos. Dazu Sabine: „Machen<br />
mich andere arme Leute fertig, dann fehlt die Solidarität.<br />
Aber es wundert mich nicht; das Leben auf der Straße<br />
kann einen brechen. Kranke werden hier noch kränker,<br />
manche stumpfen ab oder knallen durch. Wenn neben<br />
den Opfern auch der Täter obdachlos war, hat die Gesellschaft<br />
gleich zwei Gründe, uns mehr zu helfen.“<br />
Daniel Knaus<br />
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Trott-war e. V.<br />
/ International Network of Street Papers<br />
In eigener Sache<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 19
Foto: Annie Spratt / Pixabay<br />
MUH UND BUH?<br />
Über Kuhmilch und deren pflanzliche Alternativen<br />
Ohne sie können sich die meisten von uns ihren Kakao,<br />
Kaffee oder Tee nicht vorstellen: Milch. Egal ob heiß oder<br />
kalt getrunken. In den letzten Jahren jedoch werden<br />
Milchalternativen wie Soja-, Hafer-, Mandel-, Kokosnuss-,<br />
Cashew- und Reisdrinks immer beliebter. Laut einer<br />
EU-Verordnung dürfen ausschließlich tierische Produkte<br />
den Namen „Milch“ tragen. Den pflanzlichen Alternativen<br />
ist die Bezeichnung „Drink“ vorbehalten.<br />
Die Auswahl an pflanzlichen Alternativen ist groß, es gibt<br />
die Pflanzendrinks mit und ohne Zucker. In Deutschland<br />
belegt der Sojadrink Platz drei der Milchalternativen, auf<br />
Platz zwei landet der Mandeldrink. Der erste Platz gehört<br />
dem Haferdrink, dem Lieblingsdrink der Deutschen. Das<br />
steigende Interesse an der pflanzlichen Alternative stellt<br />
die Hersteller vor große Herausforderungen. Im Jahr 2020<br />
wuchs der Umsatz der Branche um 40 %. Die Tendenz ist<br />
ein weiterer Wachstumsanstieg, auch wenn auf Pflanzendrinks<br />
19 % Mehrwertsteuer fallen, auf die Kuhmilch<br />
lediglich 7 %.<br />
VerbraucherInnen ist Nachhaltigkeit und Regionalität<br />
wichtig. Durchaus gibt es Hersteller, die ihre Sojabohnen<br />
in Europa, zum Beispiel in Frankreich, anbauen. Im<br />
Jahr 2019 lag der Verbrauch an Kuhmilch in Deutschland<br />
erstmals unter 50 Litern pro Kopf, nämlich bei 49,5<br />
Litern. Inzwischen gibt es Anti-Milch-Kampagnen, die der<br />
Meinung sind, Milch sei unethisch und ungesund. Eine<br />
Studie aus Schweden untersuchte 100.000 MilchtrinkerInnen.<br />
Je höher der Milchkonsum war, desto höher die<br />
Sterblichkeit. Jedoch ist diese Studie hoch umstritten,<br />
da diese irreführende und fehlende Faktoren enthielt,<br />
wie der exakte Verzehr von Milch- und Fleischprodukten<br />
sowie das Gewicht und sportliche Aktivität. Eine seriöse<br />
Studie minimiert diese Störfaktoren weitgehend.<br />
Kuhmilch ist ein Grundnahrungsmittel und enthält<br />
verdauliche Fette, Eiweiße, Vitamine und Calcium. Hier<br />
lautet die Empfehlung 1.000 mg pro Tag. In manchen<br />
Pflanzendrinks ist Calcium zugesetzt worden. Prof. Walter<br />
C. Willet, Ernährungswissenschaftler in Boston, ist der<br />
20<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Ansicht, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass ein 3 x<br />
täglicher Konsum von Kuhmilch einen Schutz vor Knochenbrüchen<br />
liefere. Hoher Milchkonsum sei ein Wachstumsbeschleuniger,<br />
den Jungtiere brauchen, um schnell<br />
zu wachsen. Auch wir Menschen sind Säugetiere und deshalb<br />
sei es unnormal, im Erwachsenenalter noch tierische<br />
Milch zu trinken und wachsen zu wollen. In der Medizin<br />
wird diskutiert, ob Prostatakrebs durch übermäßigen<br />
Milchgenuss ab über 1,2 Litern am Tag ausgelöst werden<br />
kann. Wer erhöhte Cholesterinwerte hat, sollte auf jeden<br />
Fall den Genuss von tierischen Milch- und Fleischprodukten<br />
einschränken und öfter zur pflanzlichen Alternative<br />
greifen. Denn pflanzliche Fette beeinflussen den Cholesterinspiegel<br />
nicht. Milch hat zuletzt eine kulturelle<br />
Prägung. Umso fremdartiger wirkt es da, dass die „Formo<br />
GmbH“ in Berlin für die Zukunft Milchprodukte mittels<br />
Hightech entwickeln möchte.<br />
Bei den Pflanzendrinks sind die Nährwerte sehr unterschiedlich.<br />
Hier lohnt sich immer ein Blick auf die Zutatenliste.<br />
Je kürzer diese ist, umso weniger Zusatzstoffe<br />
sind enthalten. Am wenigsten Kalorien hat der ungesüßte<br />
Mandeldrink, dafür im Durchschnitt mehr gesunde Fette.<br />
Kohlenhydratreich sind der Hafer- und der Reisdrink. Mit<br />
reichlich viel Eiweiß punktet der Sojadrink.<br />
Die Produktion von Kuhmilch benötigt vier- bis sechsmal<br />
mehr Land als pflanzliche Alternativen. Kuhmilch verbraucht<br />
in Europa 200-300 Liter Wasser pro Liter, sowie<br />
zweieinhalb Kilo CO 2<br />
pro Liter Kuhmilch.<br />
Das wird allerdings noch von der Mandeldrinkproduktion<br />
getoppt. Die Mandel ist eine Steinfrucht und wächst an<br />
einem Mandelbaum. Die Mandel wird seit 4.000 Jahren<br />
von den Menschen kultiviert. Der Mandeldrink verbraucht<br />
unfassbare 400 Liter Wasser pro Liter. Mandeln werden<br />
zum Großteil auf Plantagen in Kalifornien angebaut, wo<br />
es zunehmend zu Dürre und Bränden kommt. Dagegen<br />
verbraucht der Sojadrink ein Drittel weniger als die Produktion<br />
von herkömmlicher Kuhmilch. VerbraucherInnen<br />
sollten lediglich Sojadrinks und Sojaprodukte aus Europa<br />
kaufen, zum Schutze des Regenwaldes. Die Sojabohne<br />
enthält 40 % Eiweiß und stammt ursprünglich aus Nordchina<br />
und Japan. Sie ist eng mit Erbse, Linse und Bohne<br />
verwandt. Ihre Blätter sind dreiteilig gefiedert, die Blüten<br />
sind weiß oder zartviolett.<br />
Ökologisch am besten schneidet der Haferdrink ab. Hafer,<br />
lateinisch „Avena sativa“, ist eine robuste Getreideart,<br />
wächst einjährig und wurde bereits vor 4.000 Jahren<br />
von Kelten und Germanen angebaut. Im 12. Jahrhundert<br />
empfahl Hildegard von Bingen Haferspeisen für „einen<br />
heiteren Geist, reinen und hellen Verstand“, sowie bei<br />
Schwächezuständen und Ernährungsstörungen.<br />
Hafer wächst in unseren Breitengraden, gedeiht ohne<br />
Dünger problemlos, hemmt durch schnelles Wachstum<br />
das Sprießen von Unkraut und gilt als „Gesundungsfrucht“<br />
für den Boden. Haferdrinks können zudem zuhause<br />
selbst hergestellt werden. Über Geschmack lässt sich<br />
immer streiten, am besten schmeckt Haferdrink als Heiße<br />
Schokolade und wenn anfangs gewöhnungsbedürftig im<br />
Kaffee. Inzwischen gibt es im Handel glutenfreie Haferdrinks<br />
zu kaufen.<br />
Bei einer Glutenunverträglichkeit eignen sich neben dem<br />
Sojadrink der Reis- und Kokosnussdrink. Die Heimat der<br />
Reispflanze ist Asien. Reis ist glutenfrei und wird das<br />
„Korn des Lebens“ genannt. Von ihr gibt es 24 Arten. Unterdessen<br />
ist die Reispflanze eine Kulturpflanze, denn sie<br />
wird von der Menschheit seit rund 7.000 Jahren angebaut<br />
und verzehrt. Die Kokosnuss ist eine Steinfrucht und die<br />
Frucht der tropischen Kokospalme. Diese wächst unter<br />
anderem in Indonesien, auf den Philippinen oder in Brasilien.<br />
Nicht nur als erfrischender, gluten- und laktosefreier<br />
Drink findet die vielseitige Kokosnuss Verwendung. Ihre<br />
Fasern werden zu Seilen oder Kokosfaser verarbeitet, die<br />
Blüten zu Palmzucker. Das weiße und feste Fruchtfleisch<br />
findet als Kokosfett Verwendung. Hersteller von Pflanzendrinks<br />
lassen sich immer wieder Neues einfallen, wie<br />
die neue Barista-Edition für Hafer- und Sojadrinks zum<br />
perfekten Aufschäumen.<br />
Ob Kuhmilch oder pflanzliche Alternative: Letztendlich<br />
entscheidet jeder Konsument selbst darüber. Bei manch<br />
einem ist es der Geschmack, bei jemand anderem hat es<br />
ökologische, ethische oder gesundheitliche Gründe.<br />
Darauf eine Heiße Schokolade mit Haferdrink und einen<br />
Latte Macchiato mit Kuhmilch, bitte.<br />
Quellenangaben<br />
ZDF Doku planet e. (Kokos oder Kuh) 09.05.2021<br />
www.plantura-garden.de<br />
www.klexikon.de<br />
Extra: Haferdrink selbst herstellen<br />
Haferdrink ist laktosefrei, reich an Zink, kohlenhydratreich<br />
und fördert den Schlaf, da die Aminosäure<br />
L-Tryptophan Serotonin in Melatonin umwandelt.<br />
Rose Blue<br />
Rezept: 80 g feine Haferflocken mit 1 L Wasser und<br />
1 EL Agavendicksaft gründlich pürieren. Flüssigkeit<br />
durch Seihtuch gießen, feste Reste kräftig ausdrücken,<br />
in eine saubere Flasche abfüllen. 3 Tage haltbar. Tipp:<br />
Feste Reste trocken lassen und für Müsli verwerten.<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 21
Engagiert für<br />
wohnungslose Menschen<br />
Sonntagstreffs<br />
im <strong>Januar</strong> <strong>2023</strong><br />
Foto: E. Peters<br />
08.01.<strong>2023</strong><br />
13 Uhr<br />
22.01.<strong>2023</strong><br />
13 Uhr<br />
29.01.<strong>2023</strong><br />
12:30 Uhr<br />
Kath. Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit<br />
Hansjakobstraße 88 a<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Littenweiler<br />
Halt Hasemannstraße<br />
Einladung zum gemeinsamen Mittagessen<br />
Collegium Borromaeum (CB)<br />
Schoferstraße 1<br />
Straßenbahnlinien 1, 2, 3, oder 4 bis<br />
Bertoldsbrunnen oder Linie 1 bis Oberlinden<br />
Einladung zum gemeinsamen Mittagessen<br />
Kath. Gemeinde Petrus Canisius Landwasser<br />
Pfarrsaal hinter der Kirche<br />
Auwaldstraße 94<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Landwasser<br />
Halt Diakoniekrankenhaus<br />
Einladung zum gemeinsamen Mittagessen<br />
Es wird eine Kleiderausgabe angeboten<br />
VERKÄUFER MARTIN<br />
Hallo, ich heiße Martin und bin seit vier Jahren Verkäufer<br />
beim FREIeBÜRGER. Geboren bin ich in Berlin, aufgewachsen<br />
in Bremen und vor fünfeinhalb Jahren über Umwege<br />
in Freiburg gelandet. Beruflich bin ich gelernter Elektroniker<br />
mit dem Schwerpunkt Energieanlagen. Ich war vor<br />
längerer Zeit zehn Jahre lang selbstständig als Veranstaltungstechniker.<br />
Das war eine sehr schöne Zeit, da habe ich<br />
viele tolle Menschen kennengelernt. Irgendwann zeigte<br />
mir jedoch mein Körper durch einen Burnout, dass zu viele<br />
Arbeitsstunden und schlechte Arbeitszeiten ungesund<br />
sind. Heute führe ich ein asketisches Leben ohne Smartphone,<br />
Internet oder Fernseher und freue mich, wenn ich<br />
den FREIeBÜRGER verkaufe und über die Gespräche an<br />
meinem Verkaufsplatz Kajo/Ecke Rathausgasse, Richtung<br />
Rathausplatz. Da bin ich meist von Mo. bis Sa. ab ca. 14<br />
Uhr mit meinen beiden Hündinnen Yuma und Wanda anzutreffen.<br />
Ich liebe meine Hunde und die Natur. Das einzige,<br />
was uns noch fehlt, ist eine kleine Wohnung, gerne<br />
auch mit guter Anbindung etwas außerhalb von Freiburg.<br />
Ein ruhiger Rückzugsort, um sich von dem lauten und<br />
hektischen Treiben in der Stadt zu erholen, wäre toll.<br />
JANUAR <strong>2023</strong><br />
SLOW CLUB METAL KNEIPE<br />
SA, 7. I 21 H I METAL<br />
WHAT ARE PEOPLE FOR?<br />
FR, 13. I 21 H I NEW-WAVE, POP, DYSTOPIC DANCE SOUND<br />
SCHEISSEDIEBULLEN RELEASEKONZERT<br />
SA, 14. I 21 H I I DEUTSCHPUNK<br />
FREIBURG.PHILCLUB<br />
WITCH‘N‘MONK UND DAS PHILHAR-<br />
MONISCHE ORCHESTER FREIBURG<br />
DI, 17. I 21 H I IM JAZZHAUS<br />
ALEXANDER GRIMM +<br />
FINISSAGE ROLF HAMBRECHT<br />
SA, 21. I 19 H I AUSSTELLUNG + LESUNG<br />
Anzeige<br />
Ich sage jetzt erst mal Danke an meine Kundschaft für die<br />
Unterstützung und die vielen schönen Gespräche. Bleiben<br />
Sie alle gesund und haben Sie einen guten Start ins neue<br />
Jahr.<br />
Ihr Martin<br />
VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />
HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />
WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />
22<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
MITMACHSEITE<br />
Lernen Sie uns kennen...<br />
• Diskutieren Sie mit uns<br />
• Erzählen Sie uns Ihre Geschichte<br />
• Schreiben Sie einen Artikel<br />
• Unterstützen Sie unsere Aktivitäten<br />
• Kommen Sie auf ein Käffchen vorbei<br />
Machen Sie mit!<br />
Sagen Sie es weiter!<br />
Wir freuen uns auf Sie...<br />
Ihr FREIeBÜRGER-Team<br />
Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 23
Mareice Kaiser<br />
„Wie viel“<br />
Rowohlt Verlag<br />
ISBN: 978-3-499-01027-9<br />
208 Seiten | 17 €<br />
Marlene Engelhorn<br />
„Geld“<br />
Kremayr & Scheriau<br />
ISBN 978-3-218-01327-7<br />
176 Seiten | 20 €<br />
GELD REGIERT DIE WELT<br />
Buchtipps von utasch<br />
Mareice Kaiser schreibt in „Wie viel“ darüber, was wir mit<br />
Geld machen und was Geld mit uns macht. Was ist Geld<br />
und welche Gefühle verbinden wir damit? Kaiser schildert<br />
ihr eigenes zwiespältiges Verhältnis zu Geld, das von<br />
Mangelerfahrung in der Kindheit geprägt ist. Geld bedeutet<br />
Freiheit und Sicherheit für die, die ausreichend darüber<br />
verfügen. Und es führt zu ständiger Angst und Sorge<br />
bei denen, die zu wenig davon haben. Wie viel Geld ist<br />
also genug und wie viel ist zu wenig? Was ist Armut und<br />
was Reichtum? Und wie kann ein simples Tauschmittel so<br />
komplexe Gefühle wie Scham und Wut, Neid und Angst<br />
auslösen? Kaiser trifft acht Menschen, um mit ihnen über<br />
Geld zu reden und schildert deren Arbeits- und Lebensbedingungen.<br />
Sie redet mit dem Rentner Erwin, der<br />
Haushaltshilfe Sara und dem Essenslieferanten António,<br />
deren finanzielle Lage prekär ist, ebenso wie mit ihrem<br />
Papa, der Beamtin Elisa, dem Multimillionär Sven und der<br />
Millionenerbin Marlene. Diese Begegnungen ermöglichen<br />
Einblicke in sehr unterschiedliche Lebenssituationen.<br />
Während die von relativer Armut betroffenen Menschen<br />
sich sehr bescheiden zeigen, definieren sich die Wohlhabenden<br />
stark über ihre Statussymbole. Diese Schere<br />
zwischen Arm und Reich verursacht für die Armen einen<br />
Schmerz, der weit über das wirtschaftliche Leiden hinausgeht.<br />
Kaiser plädiert für eine sozialpolitische Zeitenwende,<br />
statt kleiner Trostpflaster auf großen Wunden. Und<br />
sie empfiehlt allen MillionärInnen und MilliardärInnen,<br />
ihr Geld zur Förderung des Gemeinwohls mit anderen<br />
Menschen zu teilen. Das Buch ist ein sehr persönlicher,<br />
umfassend recherchierter und lesenswerter Beitrag zum<br />
Thema Geld.<br />
Auch Marlene Engelhorn hat ein sehr persönliches Buch<br />
geschrieben. In „Geld“ fragt auch sie danach, was Geld<br />
ist, wer warum Zugang zu Geld hat und was es mit<br />
Menschen macht. Engelhorn schreibt jedoch aus der<br />
Perspektive einer Erbin, die zum reichsten Prozent in<br />
Österreich gehört. Ihre eigene Geldgeschichte ist keine<br />
Geschichte über Unvermögen und Ohnmacht. Engelhorn<br />
ist klar, dass ihre Privilegien und ihr Überreichtum nur<br />
durch Unterdrückung und Armut unterprivilegierter<br />
Menschen möglich sind. Beim Versuch, das Wesen des<br />
Geldes und das durch Geld geprägte gesellschaftliche<br />
Beziehungsgefüge zu ergründen, gerät die Autorin auf<br />
verschlungene Gedankenpfade, die zu unmissverständlichen<br />
Resultaten führen: „Private Interessen, die über<br />
öffentlichen stehen, beschreiben einen Machtmissbrauch.<br />
Geld ist das Mittel, das diesen ermöglicht.“ Deshalb hält<br />
sie Überreichtum für undemokratisch und fragt: „Wie<br />
lässt sich Geld so rückverteilen, dass es respektvoll in die<br />
Gesellschaft gelangt, aus der es kommt, wenn es keine<br />
Steuern darauf gibt?“ Für Engelhorn ist die Frage nach der<br />
„Rückverteilung“ wichtig, weil sie 90 % ihres Vermögens<br />
verschenken möchte. Das bedeutet für Engelhorn ein<br />
Dilemma, denn „es wird bewundert, wenn Vermögende<br />
freiwillig etwas abgeben“ und „auf der individuellen<br />
Ebene ein strukturelles Problem lösen zu wollen, muss<br />
schiefgehen“. Engelhorn gebührt Respekt für ihr aufrichtiges<br />
Streben nach Gerechtigkeit und den Mut, den es<br />
erfordert, sich als Über-Reiche dem öffentlichen Diskurs<br />
über Verteilungsfragen zu stellen. Ihr Buch eröffnet neue<br />
Perspektiven auf ein Thema, an dem unsere Gesellschaft<br />
zu zerbrechen droht.<br />
24<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
SAUSAGE ROLLS MIT TOMATEN-CHUTNEY<br />
Foto: E. Peters<br />
Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />
Das britische Musiker-Duo „LadBaby“ hat vor einem Jahr<br />
den Weihnachts-Song „Sausage Rolls for Everyone“ veröffentlicht.<br />
Da wir Weihnachten überstanden haben,<br />
dachten wir vom FREIeBÜRGER, wir bereiten für Sie die<br />
herzhafte englische Fingerfood-Leckerei zu und beweisen<br />
Ihnen: Man kann über „Sausage Rolls“ singen, besser<br />
aber, man isst sie. Sausage Rolls ist leckeres Würstchenbrät<br />
in einer Blätterteigrolle, was Sie schnell und einfach<br />
zubereiten können. Besonders in England sind die gefüllten<br />
Blätterteig-Röllchen ein sehr beliebter Snack. Wir servieren<br />
sie mit einer selbstgemachten Tomaten-Chutney.<br />
Übrigens, das Chutney ist eine würzige, teils süß-saure,<br />
mitunter auch scharf-pikante Sauce der indischen Küche.<br />
Chutneys basieren auf Früchten und Gemüse und enthalten<br />
Zucker für die Süße sowie Essig und Gewürze.<br />
Zutaten für 4 Personen / 14 Stück:<br />
500 g reife Tomaten, 2 große Zwiebeln, 30 g frischer Ingwer,<br />
1 rote Chilischote, 50 g brauner Zucker, 2 EL Tomatenmark,<br />
Salz, Cayennepfeffer, Kreuzkümmel, 1-2 EL Weißweinessig,<br />
1 Rolle Blätterteig (270 g) aus dem Kühlregal,<br />
4 Stiele Salbei, 1 EL Öl, 4 grobe ungebrühte Bratwürste<br />
(ca. 400 g), 1 EL Semmelbrösel, Pfeffer, Muskat, 1 Ei, 100 g<br />
Cheddarkäse<br />
Zubereitung:<br />
Für das Chutney Tomaten würfeln. Die Zwiebeln schälen<br />
und fein würfeln. Den Ingwer schälen und fein reiben, die<br />
Chilischote fein hacken. Zucker in einem Topf leicht karamellisieren.<br />
Die Tomaten, die Hälfte der Zwiebeln, Ingwer,<br />
Chili und Tomatenmark hinzugeben. Unter Rühren<br />
bei mittlerer Hitze ca. 15 Minuten köcheln lassen. Mit Salz,<br />
Cayennepfeffer, Kreuzkümmel und Essig abschmecken<br />
und abkühlen lassen. Für die Sausage Rolls die Salbeiblätter<br />
fein hacken, Öl in einer Pfanne erhitzen und die restlichen<br />
Zwiebeln darin bei mittlerer Hitze goldbraun braten.<br />
Den Salbei kurz mitbraten und abkühlen lassen. Das Brät<br />
der Würste aus der Haut drücken, mit Zwiebeln, Salbei<br />
und Semmelbröseln verkneten und mit Pfeffer und Muskat<br />
würzen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen und<br />
den Ofen auf 200 °C Umluft vorheizen. Den Blätterteig<br />
entrollen und der Länge nach halbieren. Jeweils die halbe<br />
Brätmasse als Strang über die längere Teigseite legen, einrollen<br />
und in 3 cm große Stücke schneiden. Das Ei verquirlen<br />
und den Teig damit bestreichen. Käse grob reiben, die<br />
Sausage Rolls damit bestreuen und ca. 20 Minuten goldbraun<br />
backen. Anschließend die Rolls warm oder kalt mit<br />
dem Chutney servieren.<br />
Guten Appetit!<br />
Oliver & Ekki<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 25
schließlich ist der Papst ein Argentinier und Maradona<br />
noch immer die Hand Gottes!<br />
Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />
ein frohes neues Jahr Euch allen, bleibt gesund und munter<br />
und lasst Euch von den Krisen nicht unterkriegen!<br />
Sportlich gesehen wird das Jahr <strong>2023</strong> wohl etwas ruhiger<br />
als das vergangene, es gibt kein Olympia und abgesehen<br />
von der Handball-WM in ein paar Wochen gibt es auch bei<br />
den Ballspielern nix Großes. Im Wintersport gibt es einige<br />
Weltmeisterschaften, doch da die ja fast im Jahresrhythmus<br />
stattfinden, sind sie kein so großes oder seltenes<br />
Ereignis, für das man gleich alles andere vergisst.<br />
Lange nicht vergessen wird man wohl die Fußball-Weltmeisterschaft<br />
in der Wüste, die vor Kurzem zu Ende<br />
gegangen ist. Vor allem das Endspiel zwischen Argentinien<br />
und Frankreich bleibt sicher in Erinnerung. Mir wird es<br />
auf jeden Fall so gehen, denn ich muss sehr lange zurückdenken,<br />
bis mir ein Fußballspiel einfällt, welches besser<br />
war als dieses Finale. Und wenn, dann kann es eigentlich<br />
nur ein Schalke-Spiel gewesen sein... Messi hat mit Argentinien<br />
gewonnen und hat sich damit selbst gekrönt,<br />
so viel will ich Euch schon mal verraten. Nachdem der<br />
unvergessene Diego Maradona 1986 den Titel letztmalig<br />
nach Buenos Aires gebracht hat, hat sich Lionel Messi<br />
bei dieser WM als würdiger Nachfolger erwiesen und es<br />
Maradona gleich getan. Es wird ja immer so viel geredet<br />
und geschrieben über die Superstars im Sport, mal sind<br />
sie arrogant, mal sind sie ihr Geld nicht wert, und, und,<br />
und... Doch was Lionel Messi bei dieser Weltmeisterschaft<br />
gezeigt hat, die Leichtigkeit und seine Spielfreude, mit der<br />
er die Mannschaft immer wieder mitriss und natürlich<br />
die genialen Ideen, die er im Spiel hatte, lassen nur ein<br />
Prädikat zu: Weltklasse! Natürlich hatten die Südamerikaner<br />
schon von Beginn an einen Vorteil auf ihrer Seite,<br />
Eigentlich war das Spiel schon früh entschieden, denn<br />
nach einer halben Stunde lag Argentinien mit 2:0 vorn<br />
und hielt diesen Vorsprung bis 10 Minuten vor Schluss der<br />
regulären Spielzeit. Dann wachte der Superstar auf französischer<br />
Seite auf, Kylian Mbappé. Innerhalb von zwei<br />
Minuten glich der Franzose aus und es ging in die Verlängerung,<br />
wo mit Messi und zum dritten Mal Mbappé<br />
die beiden Stars noch einmal trafen. Das anschließende<br />
Elfmeterschießen machte das Fußballspektakel perfekt!<br />
Als Erstes trat für Argentinien Lionel Messi an den Punkt<br />
und er verwandelte seinen Elfer mit Präzision, aber auch<br />
mit Frechheit und Kaltschnäuzigkeit, wie ich es noch<br />
nicht gesehen habe. Für mich sah es so aus, als würde<br />
Messi beim Anlaufen noch den Torwart beobachten und<br />
sich erst dann für eine Ecke entscheiden. Es war schon<br />
grandios, wie er den Ball locker am französischen Keeper<br />
vorbeischob. Auf jeden Fall sind die Südamerikaner ein<br />
verdienter Weltmeister und im Nachhinein darf Deutschland<br />
froh sein, dass Messi im Finale 2014 nicht so überragend<br />
gespielt hat wie bei dieser WM.<br />
Was hat die umstrittene Weltmeisterschaft sonst gebracht?<br />
Als Erstes die Tatsache, dass in der Wüste doch<br />
Fußball gespielt werden kann, zumindest wenn man mit<br />
viel Geld die Voraussetzungen dafür schaffen kann. 200<br />
Mrd. Euro soll die WM gekostet haben und wenn man bedenkt,<br />
dass die meisten Stadien gleich wieder abgerissen<br />
werden sollen, muss die Frage erlaubt sein: War es das<br />
wert? Ich meine, Nachhaltigkeit sieht anders aus! Fußball<br />
wird weiterhin eine Randsportart in den arabischen Ländern<br />
bleiben, zu der die gewöhnliche Bevölkerung kaum<br />
Zugang hat. Einige reiche Emire oder Scheichs werden<br />
sich weiterhin prestigeträchtige Spieler oder gleich ganze<br />
Clubs kaufen, um in ihrer Welt damit zu prahlen.<br />
Weiter haben wir gelernt, dass die FIFA am Ende ist und<br />
dringend eine Grunderneuerung braucht. Doch wenn<br />
im Frühjahr ein neuer FIFA-Boss gewählt wird, ist nur ein<br />
Name im Hut: Gianni Infantino. Da komme ich dann nicht<br />
mehr mit, fast alle Länder kritisieren ihn und seinen Führungsstil,<br />
kaum jemand möchte in der Öffentlichkeit mit<br />
ihm gesehen werden, doch trotzdem findet sich in keinem<br />
Fußballland der Welt einer, der ihm den Job wegnimmt.<br />
Unglaublich!<br />
Gut, an der Vergabe der WM nach Katar ist er wohl nicht<br />
schuld, zumindest nicht allein. Aber er ist so ziemlich der<br />
Einzige, der sie bis zum letzten Tag als prächtigste Idee<br />
aller Zeiten verteidigt hat. Vor, während und nach der WM<br />
hat er sie als die beste WM ever bezeichnet. Da habe ich<br />
wohl das falsche Programm geschaut. Bei sonstigen Weltmeisterschaften<br />
hat man immer farbenfrohe Bilder von<br />
26<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Abb.: Argentiniens Lionel Messi feiert mit seiner Mannschaft den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2022<br />
Foto: Dylan Martinez / REUTERS<br />
Fans aus allen Ländern gesehen, die fröhlich miteinander<br />
feierten. Das hat es diesmal nicht gegeben und das lag<br />
sicher nicht an der Wüste. Über die fehlende Fankultur in<br />
den Stadien habe ich mich ja schon letztes Mal ausgelassen.<br />
Doch Infantino hat dann noch einen oben draufgesetzt,<br />
indem er behauptete, die WM war gut für die Welt,<br />
der Fußball hat vier Wochen lang die Völker vereint. Reicht<br />
es ihm nicht, dass er hartnäckig die unmenschlichen Arbeitsbedingungen<br />
und die toten Bauarbeiter leugnet, die<br />
die Stadien bauen mussten? Hat er den Krieg in der Ukraine<br />
einfach ignoriert? Oder die Wirtschaftskrisen, die die<br />
ganze Welt erfasst haben? Wenn sich in einer Person so<br />
viel Arroganz, Dummheit, Weltfremdheit und Unvermögen<br />
vereinen, dann darf man dieser Person keinen wichtigen<br />
Posten geben. Das ist in der Geschichte schon immer<br />
schiefgegangen. Vor lauter WM ist ja Infantinos neuester<br />
Plan fast untergegangen. Die Klub-WM, die bisher immer<br />
mit den sieben Kontinentalmeistern ausgespielt wurde,<br />
soll demnächst als Turnier mit 32 Mannschaften stattfinden.<br />
Bisher war es schön einfach, alle Kontinentalmeister<br />
spielen gegeneinander und im Finale spielen dann der<br />
europäische Champions League Sieger gegen den von<br />
Südamerika und wer gewinnt, hat den Pott. Warum sollen<br />
es jetzt 32 Teams sein und wo kommen die her? Über<br />
die zusätzliche Belastung der Spieler hat er sich wahrscheinlich<br />
keine Gedanken gemacht, warum auch? Das<br />
bringt viel Geld und verbindet die Welt!<br />
Aber natürlich gab es auch ein paar positive Aspekte<br />
dieser WM. Da kommt als Erstes natürlich Marokko, das<br />
als erstes afrikanisches Land das Halbfinale einer WM<br />
erreichte und am Ende Vierter wurde. Nun haben die<br />
Nordafrikaner zwar keinen Jubelfußball gespielt, mit<br />
einer Torchance nach der anderen, aber so etwas sieht<br />
man ja bei den großen Nationen auch nur noch selten.<br />
Die meisten kommen aus einer stabilen Abwehr zum<br />
Erfolg, nur so haben z. B. die Italiener fast alle ihrer Erfolge<br />
gefeiert. Und das Verteidigen haben die Marokkaner beherrscht,<br />
bis zum verlorenen Halbfinale gegen Frankreich<br />
hatten sie erst ein einziges Gegentor kassiert und das war<br />
auch noch ein Eigentor. Jedenfalls gibt es die „Kleinen“<br />
im Fußball nicht mehr, das sieht man auch daran, dass es<br />
keiner Mannschaft gelungen ist, alle drei Gruppenspiele<br />
zu gewinnen.<br />
Über Deutschland möchte ich nichts mehr sagen, außer,<br />
dass dieses Jahr Kinder eingeschult werden, die noch<br />
nie erlebt haben, dass Deutschland die WM-Vorrunde<br />
übersteht!<br />
Für heute war es das mal wieder, beim nächsten Mal gibt<br />
es dann Wintersport!<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 27
Kontakt: www.schemske.com<br />
FOLGE 31<br />
Wolf Hammer erwachte. Für einen Moment wusste er<br />
nicht, ob er in der realen Welt war, so wirklichkeitsgetreu<br />
war sein Traum gewesen. Ob es ein Alptraum war, konnte<br />
er so auf die Schnelle nicht bestimmen. Aber sein Kopfkissen<br />
war nass, und als er sein Gesicht berührte, fielen<br />
Schweißtropfen herunter.<br />
In seinem Traum war er erwacht, aufgestanden und ans<br />
Fenster gegangen. Eine hohe, dünne Stimme hatte ihn<br />
angepiepst. Sie schien direkt aus dem Fensterglas zu<br />
kommen. Als er näher fokussierte, erkannte er, dass die<br />
Stimme aus einem Wassertropfen an der Glasscheibe<br />
stammte. Noch näher heran, und er erblickte die winzige<br />
Figur eines Wesens, das er kannte. Früher hatte er es<br />
mangels eines anderen Namens einfach Golem genannt.<br />
Es war nicht etwa harmlos, Zwerge sind da ja auch nicht,<br />
nein, dieses Wesen war eine Tötungsmaschine. In einem<br />
Tunnel bei Waldkirch, nahe Freiburg, hatte es früher einmal<br />
versucht, ihn umzubringen.<br />
Wolf erinnerte sich an die dünnen Arme und nadelfeinen<br />
Finger, glitzernd wie Diamantfäden, die damals<br />
so schmerzhaft in sein Gehirn geschnitten hatten. Nur<br />
knapp war er in New York dem Tode entronnen. Es war<br />
ihm nicht wohl, das Ungeheuer so nahe zu wissen. Jetzt<br />
wirkte es klein, aber in Wirklichkeit war der Golem so<br />
groß wie ein Kühlschrank, glibberig wie eine Qualle und<br />
lärmend wie eine Klimaanlage, dabei so intelligent wie<br />
ein Staubsauger-Roboter.<br />
Der Wassergeist sprach: „Ich bin eigentlich nicht geneigt,<br />
die Zukunft zu verändern, obwohl ich sie manchmal recht<br />
klar sehe. Aber wir haben uns kennengelernt und wir<br />
respektieren einander. Deine Nichte – ich habe sie einmal<br />
aus dem Wasser gerettet – ist in Gefahr.“ Wolf wusste<br />
das. Bei dem letzten Anschlag war sie gerade noch einmal<br />
davongekommen. Wegen ihrer Vergangenheit bei den<br />
Diensten war sie normalerweise vorsichtig. Da unterbrach<br />
ihn der Golem: „Es ist nichts Dienstliches, sondern es ist<br />
privat. Die Mary hat Miriam angerufen, sie wollen auf ein<br />
Konzert gehen, und da sehe ich Unheil. Weil ich es nicht<br />
selbst verhindern kann, dass Miriam verletzt oder gar<br />
getötet wird, musst du das tun. Beschütze sie!“<br />
Wolf griff zum Handy und tippte eine Nummer ein, die<br />
er auswendig wusste. „Miriam?“, fragte er. „Weißt du,<br />
wie spät es ist?“, fragte sie. „Was gibts?“ Wolf seufzte. Da<br />
musste er durch. Es war nicht so einfach, denn wegen<br />
des damaligen Falles, an dem sie zusammengearbeitet<br />
hatten, hatte sie ein schweres Trauma erlitten. Sie war<br />
gezwungen gewesen, den Staatsdienst zu quittieren.<br />
Konnte er ihr von dem Golem erzählen? Er versuchte,<br />
allgemein zu bleiben.<br />
„Ich habe eine Warnung erhalten, wegen des heutigen<br />
Konzertes. Hast du eine Security dafür eingeplant?“ Wolf<br />
wusste, dass sie sehr empfindlich auf die Einmischungen<br />
ihres Lieblings-Onkels reagierte. „Nein, es ist privat. Wer<br />
hat dich gewarnt?“<br />
„Dein Wassergeist, derselbe, der dich gerettet hat.“<br />
Miriam spuckte fast vor plötzlich aufwallendem Zorn:<br />
„Der war es auch, der dich zweimal fast getötet hätte!“<br />
Wolf sagte: „Ich nehme seine Warnung ernst. Kann ich dir<br />
Bescheid geben, wenn ich eine Security organisiert habe?“<br />
Miriams Stimme war bereits ein wenig ruhiger, als sie<br />
widerstrebend zusagte.<br />
28<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
Im Foyer des Jazzhauses tummelten sich die Konzertbesucher,<br />
und immer neue kamen die breite Treppe herab,<br />
die von der Straße gegenüber dem Freiburger Bahnhof ins<br />
Jazzhaus führte. An der Kasse hielten sie sich kurz auf und<br />
verschwanden dann durch die mit schweren Samtvorhängen<br />
gegen jeglichen Lärm geschützten Eingangstüren.<br />
Dieser Schallschutz war auch nötig, denn neben<br />
Motorradgeräuschen und heulenden Poser-Sportwagen,<br />
die vorüberbrausten, gab es auch Konzertbesucher aus<br />
dem Hotzenwald. Eine ganze Gruppe von Anzugträgern<br />
– Geschäftsleuten, die ihre Besucherausweise noch am<br />
Hosenbund oder am Blusenaufschlag trugen – torkelte<br />
lautstark die Treppe herab. Ihre Gesichter waren gerötet,<br />
vielleicht hatten sie die Betriebsbesichtigung in einem<br />
übermäßigen Ausmaß genossen.<br />
Zwei der Feiernden waren Frauen. Eine davon war Miriam.<br />
Auch sie trug neben einem fröhlichen Gesicht ihren<br />
Besucherausweis. Der Anführer der Gruppe, wahrscheinlich<br />
der Firmenchef, verlangte lautstark Einlass. „Wir stehen<br />
auf der Gästeliste!“, behauptete er, aber leider hatte<br />
er seinen Firmennamen vergessen. Man fand die Gruppe<br />
und führte sie an ihre reservierten Tische.<br />
Das Jazzhaus war nicht sehr voll. Etwa zweihundert Gäste,<br />
alle an ihren Tischen, warteten auf ein besonderes Konzert.<br />
Angekündigt war die Saturnus Revival Band. Eingefädelt<br />
hatte das Konzert der ungarische Keyboarder Gustav<br />
Off, der mit Mary Sylvester und Wolf Hammer an einem<br />
der vordersten Tische saß.<br />
Nebenan nahmen die angeblichen Geschäftsleute Platz.<br />
Wolf bekam kurz Blickkontakt mit Miriam, dann schaute<br />
er nach dem vermeintlichen Firmenchef. Es war der Kopf<br />
der Bewachungsfriedel, die in Wolfs Esoterik-Vorträgen<br />
für die Security verantwortlich war. Wolf hatte sämtliche<br />
Mitarbeiter der Firma für die Bewachung von Miriam<br />
angefordert. Sie sollten aber nicht in den typischen Security-Monturen<br />
erscheinen, sondern im schwarzen Anzug.<br />
Miriam hatte sie noch zusätzlich mit nachgemachten<br />
Besucherausweisen ausgestattet.<br />
Das Konzert war kurzfristig angekündigt worden. Saturnus,<br />
eine dänische Band, wäre niemals spontan im Jazzhaus<br />
aufgetreten, das wussten die Zuschauer aber nicht,<br />
die den Zusatz ‚Revival Band‘ auf den Plakaten entweder<br />
überlesen oder nicht beachtet hatten.<br />
Musikmanager, und möchte ihnen vorher noch eine<br />
kleine Geschichte erzählen. Es war in den 1980er Jahren,<br />
als ich in Mössingen, am Fuße der Schwäbischen Alb,<br />
eine Gastwirtschaft betrat. Das Plakat mit der Aufschrift<br />
‚Saturnus‘ las ich nur flüchtig, denn ich musste aufs Klo.<br />
Die Musik, die bis auf die Straße schallte, hatte gerade<br />
aufgehört, und ein Mann betrat eilig die Toilette. Ich frage<br />
ihn: „Wie ist die Musik?“, und er antwortete kurz: „Weiß<br />
nicht, ich bin nur der Schlagzeuger“.<br />
Dieser Musiker ist heute hier, und aus der Band Saturnus<br />
ist das Imre Kőszegi-Trio geworden. Der Schlagzeuger<br />
Imre Kőszegi hat mit dem Pianisten Kalman Olah die<br />
Songs des heutigen Abends komponiert, und Janos Egri<br />
begleitet die beiden am Bass.“<br />
Wolf deutete auf die Musiker, das Publikum applaudierte<br />
und das Konzert begann. Die Biertische und Bänke waren<br />
alle auf die Bühne ausgerichtet, und einige der angeheiterten<br />
Geschäftsleute saßen um Miriam herum. Die<br />
anderen hatten sich im Saal verteilt. Zwei saßen an der<br />
Bar, zwei standen am Mischpult, zwei drückten sich im<br />
Foyer herum und zwei lehnten sich ans Mischpult, das<br />
nahe beim Eingang stand.<br />
Wolf Hammer hatte als Mitch, der Musikmanager, beim<br />
Soundcheck vor dem Konzert den Saal überprüft. Er hatte<br />
die Warnung des Wassergeistes ernst genommen, aber<br />
es fand sich nichts Ungewöhnliches. Jetzt, in der Pause,<br />
drängten viele Besucher ins Foyer, und andere drängten<br />
sich zur Bar, wo es Butterbrezeln sowie Bier und andere<br />
Getränke gab.<br />
Mit dem Song ‚Waltz for D. G.‘ begann der zweite Teil,<br />
und gerade als die Besucher sich wieder an ihre Plätze<br />
setzten, gab es einen lauten Knall. Wolf dachte zunächst,<br />
die Lautsprecher wären kaputt, aber unter den Tischen<br />
breitete sich schnell ein fetter, schwarzer Rauch aus. Das<br />
war nicht der Bühnenzauber aus den Nebelmaschinen,<br />
das war echt.<br />
- Fortsetzung folgt -<br />
Langsam verdunkelte sich das Licht im Jazzhauskeller. Das<br />
Bühnenlicht erstrahlte und ein großes, silbern glänzendes<br />
Schlagzeug glitzerte wie kaltes Feuer. Wolf stand auf und<br />
betrat die Bühne.<br />
„Ich begrüße Sie alle herzlich zu diesem Konzert mit<br />
der Saturnus Revival Band. Ich bin Mitchell Zerek,<br />
NEU!<br />
www.schemske.de<br />
Wolf-Hammer-Krimi<br />
als Audiobook<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 29
WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />
WORTSPIELRÄTSEL<br />
von Carina<br />
Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />
Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />
Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />
Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />
Mahlzeit, liebe Zeitgenossen!<br />
Viele haben sie nicht, gehen mit ihr oder man ist am Puls von ihr, manche schlagen sie tot,<br />
andere nehmen sie sich oder verschwenden bzw. verplempern sie. Manchmal ist sie reif,<br />
dann wieder abgelaufen, stets relativ oder häufig auch mal Geld. Mit ihr kommt Rat und<br />
sie heilt alle Wunden. Mal ist sie gut und alt, häufig sogar kostbar. Man kann sie sich aber<br />
auch um die Ohren schlagen, manchmal ist sie gekommen und dann vergeht sie wieder wie<br />
im Flug, sie ist auch mal höchst oder allerhöchst, hat einen Raffer oder einen Punkt. Es geht<br />
ums Thema: ZEIT – auf geht's!<br />
1. Ein Pflanzenteil mit Zahlen<br />
2. Tageszeit für direkte Vorfahren<br />
3. Bezirk für bestimmte Dauer<br />
4. Rhythmus einer kurzen Zeiteinheit<br />
5. Entsetzen zu Tagesbeginn<br />
6. Jemand der die dunkle Tageszeit knickt<br />
7. Zeitmesser mit kleinsten Steinchen<br />
8. Dickes Seil für den kommenden Tag<br />
9. Backwarendauer<br />
10. Vergrößerungsglas für eine physikalische Einheit<br />
Lösungswort:<br />
Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />
1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />
Einsendeschluss<br />
ist der 30. <strong>Januar</strong> <strong>2023</strong><br />
(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />
Jahreshauptgewinner 2022<br />
S. Rude, Freiburg<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
E-Mails NUR mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift finden Sie<br />
im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />
Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />
Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Lösungswort der letzten Ausgabe: SOZIALFALL<br />
bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />
1. KREDITWESEN 2. PORTOKASSE<br />
3. BOERSENSTURZ 4. FINANZSPRITZE 5. SCHWARZGELD<br />
6. GELDQUELLE 7. KOSTENFALLE<br />
8. OBERARM 9. GOLDESEL 10. LOHNSTEUER<br />
Gewonnen haben (aus 73 korrekten Einsendungen):<br />
C. Pollmann, Freiburg<br />
J. Sprich, Freiburg<br />
C. Wolf, Auggen<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />
30<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong>
ÜBER UNS<br />
Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />
Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />
Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />
wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />
steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />
mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />
längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />
Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />
Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />
immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />
im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />
Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />
ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />
eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />
In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />
welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />
gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />
zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />
die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />
einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />
und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />
Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />
Presselandschaft bei.<br />
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />
Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />
MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />
VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />
Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />
hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />
strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />
können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />
unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />
Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />
aufzubessern. 1 Euro (Verkaufspreis 2,10 Euro) pro Ausgabe<br />
und das Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />
Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />
Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />
Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />
Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />
in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />
(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />
RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />
Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />
besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />
unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />
unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />
Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />
HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />
die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />
unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />
auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />
SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />
• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />
die Schaltung einer Werbeanzeige<br />
• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />
• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />
• durch Schreiben eines Artikels<br />
• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />
Sozialprojekt rühren<br />
Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />
auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />
anderen Menschen helfen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />
Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />
Titelbild: Jonas Brandt<br />
Layout: Ekkehard Peters<br />
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:<br />
Carsten, Carina, Conny, Ekki, H. M. Schemske,<br />
Jonas, Karsten, Oliver, Recht auf Stadt, Rose Blue,<br />
utasch und Gastschreiber<br />
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />
Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />
Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />
Kontakt:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
Engelbergerstraße 3<br />
79106 Freiburg<br />
Tel.: 0761 / 319 65 25<br />
E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />
Website: www.frei-e-buerger.de<br />
Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 12 - 16 Uhr<br />
Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen<br />
Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />
die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />
und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder.<br />
Die nächste Ausgabe des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />
01.02.<strong>2023</strong><br />
1. und 2. Mittwoch im Monat um 14 Uhr:<br />
Öffentliche Redaktionssitzung<br />
FREIeBÜRGER 01 | <strong>2023</strong> 31
Bezahlbarer Wohnraum in den<br />
neuen Baugebieten?<br />
Im <strong>Januar</strong> steht mal wieder der neue Stadtteil<br />
Dietenbach auf der Tagesordnung des Freiburger<br />
Gemeinderats. Angesichts der aktuellen<br />
Baukosten und der Zinsentwicklung stellt sich<br />
die Frage, ob in den neuen Baugebieten wirklich<br />
bezahlbarer sozialer Mietwohnungsbau entstehen<br />
wird oder ob, wie viele Kritiker:innen des<br />
neuen Stadtteils argumentiert hatten, wertvolle<br />
landwirtschaftliche Fläche für Wohnungen zerstört<br />
wird, die für ein Großteil der Freiburger<br />
:innen viel zu teuer sind. Diese Frage stellt sich<br />
auch für das Baugebiet Kleineschholz im Stühlinger,<br />
bei dem Oberbürgermeister Martin Horn<br />
angekündigt hatte, ausschließlich auf gemeinwohlorientierte<br />
Akteure zu setzen. Was macht<br />
die Stadt, um z.B. das MietshäuserSyndikat zu<br />
unterstützen, damit es trotz Preisexplosion dauerhaft<br />
sozial gebundenen Mietwohnungsbau errichten<br />
kann? Wir bleiben an diesen Fragen<br />
dran:<br />
rdl.de/tag/freiburger-kommunalpolitik<br />
RWE und Ampelkoalition wollen<br />
mit der Kohle unter Lützerath<br />
Klimakatastrophe weiter anfeuern<br />
Zahlreiche Umweltverbände, Klimagruppen und<br />
lokale Initiativen rufen für den 14. <strong>Januar</strong> zu<br />
einer Großdemonstration in das von der Abbaggerung<br />
bedrohte Dorf Lützerath auf. Die Räumung<br />
wird schon ab dem 10. <strong>Januar</strong> erwartet.<br />
Das rheinische Braunkohlerevier ist die größte<br />
CO2Quelle Europas. Im Tagebau Garzweiler<br />
plant RWE noch weitere 280 Millionen Tonnen<br />
Braunkohle zu fördern. Damit verabschiedet<br />
verabschidet sich<br />
die Ampelkoalition auch von ihrem Beitrag zur<br />
Einhaltung der 1,5 GradGrenze aus dem Pariser<br />
Klimaabkommen. Kriminalisiert werden aber<br />
diejenigen, die gegen diesen Skandal protestieren.<br />
Die mögliche Räumung und der Widerstand<br />
dagegen wird bei uns immer wieder im in Programm<br />
auftauchen. Selbstverständlich begleiten<br />
wir auch Solidaritätsaktionen in Freiburg und<br />
schauen auf die verfehlte Klimapolitik in Freiburg.<br />
Im Verkehrssektor gab es in den letzten 12<br />
Jahren keinerlei Reduktion des CO2Verbrauchs.<br />
Der Anteil der erneuerbaren Energien, z.B. bei<br />
der Badenova , ist extrem gering.<br />
rdl.de/tag/l-tzerath<br />
Jeden 1. Mittwoch des<br />
Monats: 12-13 Uhr<br />
im Mittagsmagazin<br />
'Punkt 12'<br />
Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live - 0761/31028