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Interview<br />
So habt ihr<br />
<strong>we</strong>niger<br />
Stress in der<br />
Familie<br />
Mittendrin im Familienleben<br />
Fr. 14.−<br />
Mai – 20<strong>24</strong><br />
Ran an den Ball<br />
Egal ob Dorfverein oder Nachwuchsclub: Fussball begeistert<br />
die Kids. Was braucht es, damit die Spielfreude bleibt?
Editorial<br />
Lö<strong>we</strong>nmütter<br />
Cover<br />
Fotograf Andi Speck war<br />
für uns unter<strong>we</strong>gs und<br />
hat Fussballjunioren und<br />
ihre Trainer:innen<br />
begleitet. Aufs Titelbild<br />
geschafft haben es die<br />
Kicker des Sportclubs<br />
Wipkingen.<br />
Über Armut in der reichen Sch<strong>we</strong>iz wird gerade<br />
viel geschrieben. Wir alle bekommen zu spüren,<br />
dass der Franken nicht mehr so <strong>we</strong>it reicht.<br />
Dass man sich fragt, ob die Ferien noch drin liegen.<br />
Von Ferien können die drei alleinerziehenden<br />
Mütter, die unsere Reporterin Manuela von Ah<br />
getroffen hat, nur träumen. Bei jedem Einkauf<br />
rechnen sie, ob das Müesli, das ihre Kinder<br />
so lieben, noch drin liegt. Nadja, Khadijeh und<br />
Claudia leben am Existenzminimum.<br />
Weil die Väter sich aus dem Staub gemacht haben,<br />
<strong>we</strong>il die Bezahlung in ihren Berufen so schlecht<br />
und die Vereinbarkeit fast unmöglich ist.<br />
26,5 Prozent aller Einelternhaushalte in der<br />
Sch<strong>we</strong>iz gelten als armutsgefährdet, das ist seit<br />
Jahrzehnten ein Fakt. Das ist tragisch, <strong>we</strong>il<br />
meist kleine Kinder mitbetroffen sind. Frauen<br />
wie Nadja, Khadijeh und Claudia sind Lö<strong>we</strong>nmütter,<br />
die immer zuerst bei sich sparen. Sie<br />
verdienen unseren Respekt und Unterstützungen,<br />
die mehr als nur Almosen sind.<br />
Katja Fischer De Santi<br />
Chefredaktorin<br />
wir eltern 05–<strong>24</strong>
28<br />
Eine Zeiten<strong>we</strong>nde<br />
mit grossen Folgen<br />
Wunder geschehen! Wenn man ein<br />
Kleinkind zu Hause hat, das seine<br />
ersten Schritte tut, sogar noch sehr<br />
viel öfter.<br />
Jedes Mal, <strong>we</strong>nn ich in Neapel aus dem Zug steige, denke<br />
ich an Blut. An jenes des Heiligen San Gennaro, das sich<br />
am 19. September im Dom je<strong>we</strong>ils verflüssigt. Als das<br />
Wunder 1973 ausblieb, brach die Cholera aus, 1980 traf die<br />
Stadt ein sch<strong>we</strong>res Erdbeben, bei dem über 2000 Menschen<br />
ihr Leben lassen mussten. Es mag daran liegen, dass<br />
die Kirche beim Ansturm der vielen Leute etwas wärmer<br />
wird und sich auch das birnenförmige Gefäss, in dem die<br />
Reliquie sich befindet, erwärmt. Oder an irgendetwas anderem<br />
– aber die Geschichte bleibt merkwürdig.<br />
Als Luule, Luules Mami Tea und ich an einem Sonntag im<br />
Februar in Neapel aus dem Flugzeug stiegen, dachte ich<br />
allerdings an eine Begebenheit, die sich einen Tag zuvor<br />
abgespielt hatte. Luule machte am Samstagnachmittag<br />
ohne Hilfe so etwas wie mehr als z<strong>we</strong>i tappende Schritte.<br />
Aber da ich der einzige Zeuge war, konnte ich niemandem<br />
vom Wunder der gehenden Luule erzählen.<br />
Kaum durch den Zoll gekommen, hatte ich sowieso andere<br />
Sorgen. Luule im Kinderwagen, z<strong>we</strong>i grosse Koffer<br />
an den Händen und mit einem Rucksack galt es, mit dem<br />
Flughafenbus und der Metro in unsere Wohnung zu kommen.<br />
Kaum da, warfen wir alles in die eine Ecke und gingen<br />
los, knurrten doch die Mägen. Da vor der ausgewählten<br />
Pizzeria eine lange Schlange war, gingen wir in jene<br />
nebenan, assen Pizza fritta und Luule war glücklich. Dann<br />
passierte es.<br />
Wir waren zurück in der Wohnung, hatten Luule die Schuhe<br />
ausgezogen und . . . sie ging los in die Welt. Nicht z<strong>we</strong>i<br />
Schritte, nicht drei, sondern, so schien es, so viele sie wollte.<br />
Sie durchschritt jedenfalls das Wohnzimmer bis zum<br />
Kinderbett, kam zum Sofa zurück und lachte. Sie bot der<br />
staunenden Welt auch gleich eine Wiederholung des Kunststückes<br />
an, damit es per Video festgehalten und zu den<br />
Grosseltern nach Estland geschickt <strong>we</strong>rden konnte.<br />
«Neapel sehen und gehen», murmelte ich ergriffen und<br />
dachte an die Pizza, anstatt daran, dass sich mit dieser Tat<br />
nicht nur Luules, sondern auch mein Leben dramatisch<br />
verändert hatte. Noch hatte ich davon keine Ahnung,<br />
stiess am Abend in der Küche gutgelaunt mit Tea an mit<br />
einem neapolitanischen Wein aus der Lacryma-Christi-<br />
Traube (Tränen Christi). Flüssiges Heiligenblut, Tränen<br />
Christian Berzins, 53,<br />
ist Autor bei den Zeitungen von<br />
CH Media. Er schreibt über Opern,<br />
Reisen und Konzerte sowie Essen<br />
und ist im Oktober 2022<br />
Vater einer Tochter geworden.<br />
von Jesus . . . Wunder allüberall und mittendrin die Pizza.<br />
Hatte sie Luule Flügel verliehen?<br />
«Weiter so », dachte ich : auf zu den Pizzafestspielen ! Vielleicht<br />
passieren ja noch mehrere Wunder, vielleicht würde<br />
Luule nach einer Margherita zu sprechen beginnen. Wie<br />
klug, hatte ich bereits vor Wochen für Montagmittag in<br />
der angeblich besten Pizzeria der Welt reserviert.<br />
Kaum waren wir am nächsten Morgen gegen 10 Uhr<br />
draussen, Luule wie gewohnt im Wagen, begann ich zu<br />
merken, wie das Leben <strong>we</strong>itergehen würde : So, wie Luule<br />
ging. Luule wollte nun nämlich bald nicht mehr im Wagen<br />
sitzen.<br />
Ab in eine Bar ! Doch der Ruhemoment Bar war nun eine<br />
Viertelstunde des Aktivismus. Luule wollte nicht einfach<br />
mehr am Tisch bei Papa und Mama sitzen und ein Rustico<br />
kauen, sondern zum Banco oder zum Getränkeautomat<br />
tappen. Und klar, nun konnte sie sich vor andere Tische<br />
stellen und sich die Komplimente und Kusshände ohne<br />
Papas Hilfe abholen. Das machte ihr offensichtlich sehr<br />
viel Spass.<br />
Als wir endlich auf der Piazza del Plebiscito angekommen<br />
waren, die so gross ist wie vier Zürcher Bellevues, und uns<br />
nur noch fünf Minuten von der Pizzeria entfernt befanden,<br />
gab es kein Halten mehr: Luule musste den Platz durchschreiten.<br />
Das dauerte. Doch wir schafften es in die Pizzeria<br />
– und siehe da : Das radgrosse Ungetüm konnte sie von<br />
ihrer neugewonnenen Kunst ablenken.<br />
Bild: Sandra Ardizzone<br />
Mamaversum<br />
Bild: Mirjam Kluka<br />
Ach, damals<br />
als Single!<br />
Liebes altes Leben,<br />
40 Jahre gingen wir zusammen durch<br />
ganz tolle und ganz schlechte Zeiten.<br />
Wir meisterten Trennungen, zelebrierten<br />
erste Küsse, Online-Dating,<br />
Ausland-Jobs, verschiedene Wohnformen<br />
und gingen lustigen Jobs nach.<br />
Weisst du noch damals als Reiseleiterin<br />
in der Türkei? Wenig zu tun und<br />
viel Spass on the Beach? Oder meine<br />
erste eigene Wohnung? Läck, was ich<br />
Schiss hatte zu vereinsamen und wie<br />
sehr ich nicht vereinsamt bin. Wobei,<br />
Moment, man setzt ja gerne mal<br />
die pinke Brille auf. Da waren schon<br />
Sonntage, an denen es zwar lässig<br />
war, ewig im Bett zu liegen und Serien<br />
zu bingen. Aber so nach z<strong>we</strong>i, drei<br />
Stunden wars doof. Das Herz irgendwie<br />
nicht berührt. Die Seele gelang<strong>we</strong>ilt.<br />
Der Tag noch lang, die Einsamkeit<br />
gross. Da habe ich mir gewünscht,<br />
ich hätte einen Mann. Und viele Kinder.<br />
Ein grosses Haus mit Garten und<br />
viel Leben drin. Ich war mir sicher,<br />
dass wir draussen Kuchen essen und<br />
Drachen steigen lassen würden. Alles<br />
wäre perfekt. Mit dir, liebes altes Leben,<br />
war aber bei Weitem nicht jeder<br />
Sonntag trist. Die Sommerwochenenden<br />
waren fabelhaft. Genauso wie der<br />
Fakt, dass ich jederzeit überall hinreisen<br />
konnte. Im Dezember New York,<br />
im März Vietnam, im Juli Berlin. Ich<br />
Maja Zivadinovic, 44,<br />
ist freischaffende Kolumnistin<br />
und Teil des SRF-Podcasts<br />
«Zivadiliring». Sie lebt<br />
mit ihrem Freund und dem<br />
gemeinsamen Sohn, 3,<br />
in Zürich.<br />
Kolumnen<br />
Unsere Kolumnistin blickt auf ihr altes Leben<br />
zurück. Und hat gemischte Gefühle. Online-<br />
Dating vermisst sie nicht, ihre eigene Wohnung<br />
und die Sonntage im Bett hingegen schon.<br />
war überall und überall war Leichtigkeit.<br />
Ich war mit Freundinnen <strong>we</strong>llnessen,<br />
mit meiner Sch<strong>we</strong>ster reisen,<br />
mit Mister-Right-nows an irgend<strong>we</strong>lchen<br />
Stränden und in Chalets, und<br />
ich war alleine in Städten, die ich<br />
auf eigene Faust genau so erkunden<br />
konnte, wie ich es wünschte. Du und<br />
ich, liebe Vergangenheit, wir waren<br />
echt ein gutes Team. Zumindest bis<br />
ich auf die 40 zuraste. Ich wohnte im<br />
Zürcher Rotlichtmilieu, hatte keinen<br />
Freund, keine Perspektive und ziemliche<br />
Torschlusspanik. Da hat es bei<br />
uns gekriselt. Aus lauter Schiss vor<br />
der Zukunft vergass ich, die Gegenwart<br />
zu geniessen. Weisst du was?<br />
Das tut mir heute besonders leid. Mit<br />
einem knapp Vierjährigen daheim<br />
sind Sonntage im Bett Geschichte.<br />
Genau wie spontane Trips nach Irgendwo.<br />
Und auch die Abende, an<br />
denen man auf dem Sofa fläzen und<br />
zappen kann, sind <strong>we</strong>it, <strong>we</strong>it <strong>we</strong>g. Ja,<br />
manchmal vermisse ich dich, Good<br />
Old Life. Trotzdem bin ich heute die<br />
glücklichste Version meiner selbst.<br />
Mit Garten, Mann, Kind. Und Augenringen,<br />
ein paar Schwangerschaftskilos<br />
zu viel und gefühlt null Me-Time.<br />
Ob ich dich zurückwill ? Hie und da.<br />
Was schön ist. Du und ich war schön.<br />
Jetzt ists einfach noch etwas schöner.<br />
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wir eltern 05–<strong>24</strong><br />
wir eltern 05–<strong>24</strong>
30<br />
Monatsgespräch<br />
«Dann ziehe ich<br />
die rote Karte»<br />
Wie schafft man das: seine Kinder bindungsorientiert<br />
begleiten und dabei selbst nicht ausbrennen?<br />
Nora Imlau gibt Tipps, wie Eltern im Familienalltag immer<br />
wieder Leichtigkeit und Kraft schöpfen können.<br />
Interview Ann-Kathrin Schäfer // Bild Maria Herzog<br />
Nora Imlau: Ein Kapitel deines neuen<br />
Buches beginnt mit dem Satz: « Bevor ich<br />
Mutter wurde, hatte ich keine Vorstellung<br />
davon, wie abgrundtief Erschöpfung sein<br />
kann.»<br />
Richtig erschöpft bin ich in Momenten, in<br />
denen unser sorgfältig gebastelter Betreuungsplan<br />
nicht hinhaut. In denen es einem<br />
meiner Kinder schlecht geht. In denen ich<br />
krank bin. Oder viele Stunden mit den Kindern<br />
allein zu Hause. Was ich mir nicht vorstellen<br />
konnte, bevor ich Mutter wurde: Wie<br />
sehr man sich ein Kind wünschen kann und<br />
wie sehr einen doch die Fremdbestimmung<br />
und die Einsamkeit, die mit dem Muttersein<br />
teil<strong>we</strong>ise einhergeht, belasten kann.<br />
Ich persönlich finde das etwas vom<br />
Erschöpfendsten mit Kindern: Krank sein.<br />
Wie gehts dir damit ?<br />
Mein Mann und ich haben die Regel eingeführt:<br />
Wenn von uns Eltern jemand krank ist,<br />
muss der andere Elternteil einspringen. Eine<br />
kranke Person darf nicht <strong>we</strong>iter funktionieren<br />
müssen. Wir haben eine rote Karte, die wir<br />
jederzeit ziehen können und die jede wichtige<br />
berufliche Verpflichtung sticht. Auch <strong>we</strong>nn es<br />
natürlich berufliche Termine gibt, die einem<br />
sehr wichtig sind. Umso besser, <strong>we</strong>nn dann<br />
noch andere Bezugspersonen der Kinder helfen.<br />
Und <strong>we</strong>nn die ganze Familie krank ist ?<br />
Oh, ist das furchtbar. Wir versuchen dann,<br />
ohne Aufwand durch den Tag zu kommen.<br />
Wir räumen nicht auf, ernähren uns von Tiefkühlkost,<br />
sprengen jegliche Medienempfehlungen.<br />
Bei uns ist dann alles erlaubt. Als wir<br />
alle Corona hatten, lief von morgens bis<br />
abends Kinderkanal. Aber das hängt auch mit<br />
dem Alter der Kinder zusammen. Mit einem<br />
Baby kann man das nicht machen – und das<br />
ist hart.<br />
Du empfiehlst den Eltern, mehrmals<br />
täglich in sich zu spüren – und sich den<br />
Füllstand der eigenen Kraftreserven in<br />
den Farbabstufungen einer Ampel<br />
vorzustellen. Welche Farbe hat deine<br />
Energieampel momentan?<br />
Orange. Weil ich gesundheitlich angeschlagen<br />
bin und dadurch alles zehnmal so anstrengend<br />
ist wie sonst. Und <strong>we</strong>il die letzten Wochen<br />
rund um den Buchstart sehr intensiv waren.<br />
Wie tankst du wieder Kraft ?<br />
Ich gehe früh schlafen und baue Ruhezeiten im<br />
Alltag ein. Ich mache eine Social-Media-Pause<br />
und verbringe viel Zeit mit meinen Kindern.<br />
Und ich spanne Hilfe ein: Mein Mann und ich<br />
haben das Privileg, pensionierte, hilfsbereite<br />
Eltern zu haben – und ein Gästezimmer.<br />
Du schreibst aber auch, dass dir<br />
manchmal alles wahnsinnig leicht<br />
als Mutter falle. Was ist in solchen<br />
Momenten anders?<br />
Dann ist unser Familienleben im Flow. In diesen<br />
Phasen bin ich mit mir und unserem Leben<br />
im Reinen und sehr glücklich mit den Kindern.<br />
Faktoren dafür sind: Alle sind gesund. Den<br />
Kindern geht es gut. Kita und Schule funktionieren,<br />
wie sie sollen. Mein Mann und ich sind<br />
beide oft zu Hause. Und unsere Kinder sind entwicklungsmässig<br />
an einem guten Ort – grenzen<br />
sich gerade <strong>we</strong>niger ab und haben ein neues<br />
Level von Kooperation freigeschaltet.<br />
Ihr habt vier Kinder, die 4, 7, 14 und 17<br />
Jahre alt sind. Wie schafft ihr es, die<br />
verschiedenen Bedürfnisse abzudecken<br />
und die eigenen dabei nicht aus den<br />
Augen zu verlieren?<br />
Das ist die grosse Herausforderung ! Vieles ist<br />
eine Frage der Prioritätensetzung: Was ist uns<br />
wirklich wichtig ? Was lassen wir bleiben ?<br />
Ein <strong>we</strong>iterer Schlüssel ist der relativ grosse<br />
Altersabstand: Wir haben mit unseren z<strong>we</strong>i<br />
grösseren Kindern Jugendliche im Haus, die<br />
gerne mal als Babysitter für unsere z<strong>we</strong>i Kleinen<br />
einspringen. Aber klar, mein Mann und<br />
ich machen seit der Geburt unseres ersten<br />
Kindes mehr oder <strong>we</strong>niger durchgängig →<br />
« Eltern haben zu <strong>we</strong>nig<br />
Luft für Unvorgesehenes<br />
oder Pausen .»<br />
wir eltern 05–<strong>24</strong><br />
wir eltern 05–<strong>24</strong>
32<br />
Monatsgespräch<br />
« Es gibt bei uns nicht<br />
diesen Automatismus,<br />
dass eigentlich immer<br />
ich zuständig bin.»<br />
Einschlafbegleitung – Bald sind es 20 Jahre !<br />
Nicht zu unterschätzen ist übrigens auch ein<br />
gleichberechtigtes Rollenverständnis in der<br />
Partnerschaft.<br />
Erzähl mehr ...<br />
Ich <strong>we</strong>rde ständig gefragt, wie ich das schaffe,<br />
Autorin mit vier Kindern zu sein. Eine valide<br />
Frage. Aber mein Mann, der ja ebenfalls vier<br />
Kinder hat und beruflich viel reist, wird nie<br />
gefragt, wie er das schafft. Mir ist sehr wichtig,<br />
dass ich alles darf, was er darf – und umgekehrt.<br />
Wenn mein Mann mit grosser<br />
Selbstverständlichkeit eine Woche auf<br />
Dienstreise ist, habe ich das gleiche Recht,<br />
eine Woche danach auf Lesereise zu gehen.<br />
Natürlich sprechen wir uns ab. Aber es gibt<br />
bei uns nicht diesen Automatismus, dass eigentlich<br />
immer ich zuständig bin. Wir teilen<br />
uns die Verantwortung für die Care-Arbeit<br />
gleichberechtigt auf.<br />
Und wie pflegt man dabei noch eine gute<br />
Paarbeziehung ?<br />
Mein Mann und ich haben ein allabendliches<br />
Feierabenddate. Wir versuchen alles zu schaffen,<br />
bis die Kinder schlafen – alles andere<br />
kann bis zum nächsten Tag warten. Wenn wir<br />
die Kinder einschlafbegleitet haben, treffen<br />
wir uns. Dann reflektieren wir den Tag,<br />
schauen einen Film oder setzen uns zusammen<br />
in den Garten.<br />
Viele Eltern sind abends müde, vor allem<br />
<strong>we</strong>nn die Kinder noch nicht durchschlafen.<br />
Ich finde krass, dass die Arbeit die besten<br />
Stunden des Tages frisst. Man sieht sich müde<br />
am Morgen und müde am Abend. Mein Mann<br />
und ich planen deshalb zusätzlich mal eine<br />
verlängerte Mittagspause oder einen Brunch<br />
zu z<strong>we</strong>it ein, <strong>we</strong>nn die Kinder betreut sind.<br />
Eine gute Paarbeziehung ist eine wichtige<br />
Ressource und Burn-out-Prophylaxe. Man<br />
kann sich tagsüber auch <strong>we</strong>rtschätzende<br />
Nachrichten schicken, zum Beispiel: «Hey, du<br />
hast heute einen langen Tag mit den Kindern,<br />
ich bewundere dich, du machst das so gut !<br />
Was kann ich dir heute Abend Gutes tun ?» So<br />
setzt man der ungesehenen Care-Arbeit zumindest<br />
innerhalb der Familie etwas entgegen.<br />
Viele Eltern, meist Mütter, aber auch Väter,<br />
empfinden es als belastend, den Spagat<br />
zwischen Beruf und Familie zu schaffen.<br />
Wie kommt man damit besser klar?<br />
Ich kenne viele Eltern, bei denen die Kinder<br />
ziemlich exakt so lange betreut sind, wie die<br />
Arbeitszeit der Eltern dauert. Sobald die Eltern<br />
von der Arbeit kommen, betreuen sie die<br />
Kinder und führen parallel den Haushalt. Die<br />
Planung ist eng getaktet und basiert darauf,<br />
dass Kinder niemals krank <strong>we</strong>rden, Kitas<br />
immer offen haben, Jobs sich immer in der<br />
vorgesehenen Zeit erledigen lassen und der<br />
Haushalt nicht überhandnimmt. Da ist über-<br />
haupt keine Luft für Unvorhergesehenes, Hobbys,<br />
Entspannung. Ganz oft laufen natürlich<br />
tausend Dinge anders als geplant. Und insbesondere<br />
Mütter arbeiten hundert Stunden und<br />
mehr in der Woche, um das alles hinzukriegen<br />
und laufen in eine völlige Überforderung.<br />
Dabei betonst du im Buch: Um die Kraft<br />
zu haben, seine Kinder feinfühlig zu<br />
begleiten, brauchen Eltern unbedingt<br />
Pausen. Auch eine Studie von Remo<br />
Largo bekräftigt, dass Kinder unsichere<br />
Bindungserfahrungen machen, <strong>we</strong>nn<br />
sie die Eltern ständig überlastet erleben.<br />
Welche Lösungen siehst du ?<br />
Die Lösungen auf individueller Ebene haben<br />
mit Privilegien und Outsourcen von Arbeit zu<br />
tun: Familien leisten sich eine Haushaltshilfe,<br />
eine Babysitterin, eine Nanny. Das ist auf individueller<br />
Ebene entlastend, aber strukturell<br />
nicht hilfreich. Wir bräuchten ein familienfreundlicheres<br />
System.<br />
Was müsste sich deiner Meinung nach am<br />
System ändern ?<br />
Wir bräuchten ein System, in dem Familien<br />
mit ihrer Zeit und ihrem Geld wieder hinkommen.<br />
Die Autorin Teresa Bücker plädiert in<br />
ihrem Buch « Alle Zeit » für eine neue Zeitverteilung.<br />
Wenn eine Person in der Lage ist, insgesamt<br />
40 Stunden die Woche zu arbeiten und<br />
davon 20 Stunden in Care-Abeit fliessen, liegen<br />
nicht mehr als 20 Stunden für Er<strong>we</strong>rbstätigkeit<br />
drin. Ein Modell ist, dass man im<br />
jungen Alter mehr er<strong>we</strong>rbsarbeitet und auf<br />
ein Konto einzahlt – und sobald man mehr<br />
Fürsorgearbeit übernimmt, davon profitiert.<br />
Eine Solidargemeinschaft sollte mittragen,<br />
dass Menschen, die Kinder, Kranke oder Alte<br />
versorgen, ein gesichertes Einkommen haben.<br />
Care-Arbeit hat ja auch einen Wert für eine<br />
Gesellschaft – wird aber unter Privatvergnügen<br />
verbucht.<br />
Wenn Eltern mit kleinen Kindern erschöpft<br />
sind, hören sie oft: Ja, das geht allen so.<br />
Mein Eindruck ist: Man nimmt das so hin.<br />
Müsste man diese Erschöpfung, die ja<br />
im Burn-out enden kann, nicht viel ernster<br />
nehmen ?<br />
Leider wird in unserer Gesellschaft als normal<br />
angesehen, dass Eltern <strong>we</strong>it über ihre<br />
Grenzen gehen. Ein gewisses Mass an Erschöpfung<br />
geht fast zwangsläufig damit einher,<br />
ein kleines Kind zu haben. Aber dass wir<br />
gesellschaftlich dazu übergegangen sind, zu<br />
sagen: Es ist normal, dass insbesondere Mütter<br />
ein Schatten ihrer selbst sind, nie genug<br />
schlafen, keine Freizeit mehr haben – das ist<br />
schrecklich. Wenn sich Mütter im Internet<br />
dafür feiern, dass ihre Me-Time einmal die<br />
Woche vier Minuten duschen oder einmal die<br />
Woche einkaufen ohne Kinder ist: Es ist nicht<br />
gesund, sondern sehr gefährlich, das zu normalisieren<br />
!<br />
Viele scheinen das verinnerlicht zu<br />
haben: Mamas machen keine Pause ...<br />
Es gibt Untersuchungen, dass Frauen die Fähigkeit,<br />
Pausen zu machen, von ihren Müttern<br />
übernehmen: Wer die eigene Mutter immer<br />
rastlos am Werkeln erlebte, dem fällt das<br />
Ausruhen selbst sch<strong>we</strong>r. Deshalb sehen meine<br />
Kinder mich sehr oft ausruhen. Für sie ist das<br />
ein vertrautes Bild: Ich lesend am Küchentisch,<br />
die Hände um meine warme Teetasse.<br />
Oder: Ich mittags mit geschlossenen Augen<br />
auf dem Sofa liegend. Sie hören auch mich<br />
auch mal sagen: «Nein, ich gehe heute nicht<br />
mit euch ins Schwimmbad, gerne am Wochenende,<br />
aber heute bin ich müde. Wir können<br />
in den Garten gehen und ich lege mich in<br />
den Liegestuhl.» Klar, frustriert sie das<br />
manchmal. Dafür sind sie aber selbst in der<br />
Lage zu sagen, <strong>we</strong>nn sie eine Pause brauchen.<br />
Ein schönes Beispiel dafür, wie Kinder<br />
durch Nachahmung lernen.<br />
Hinzu kommt: Wenn wir im Alltag diese<br />
Selbstfürsorge leben, nehmen wir unseren<br />
Kindern eine grosse Last von ihren Schultern !<br />
Sie spüren, dass sie nicht für das Lebensglück<br />
ihrer Eltern verantwortlich sind und sich um<br />
ihre eigene Entwicklung kümmern können.<br />
Wenn es uns Eltern nicht gut geht – was ja<br />
durchaus vorkommt – sollten wir signalisieren,<br />
dass wir selbst eine Lösung finden. Im<br />
Satz: « Ja, ich bin erschöpft – und deshalb ruhe<br />
ich mich kurz auf dem Sofa aus », steckt viel<br />
Selbstwirksamkeit.<br />
Was empfiehlst du Leser:innen, <strong>we</strong>nn sie<br />
ihren Ansprüchen an bindungsorientierte<br />
Elternschaft in einem erschöpften<br />
Moment nicht genügen und sich deshalb<br />
selbst verurteilen ?<br />
Sich eine liebevolle innere Stimme antrainieren<br />
und nicht alles moralisch be<strong>we</strong>rten.<br />
Wenn ich mir vor<strong>we</strong>rfe, dass ich laut geworden<br />
bin oder ungeduldig war, sage ich mir:<br />
« Du bist eine liebevolle, fürsorgliche Mutter,<br />
die einen menschlichen Moment hatte. Du<br />
kannst dich entschuldigen und dann gehts<br />
<strong>we</strong>iter. Die beste Prophylaxe, dass das nicht<br />
wieder passiert, ist, dass du dich noch besser<br />
um dich selbst kümmerst.» Und dabei ist<br />
« moralisch neutral », ob ich dafür Yoga mache<br />
oder eine Serie schaue – alles ist gut, was<br />
mir persönlich guttut! Wir Eltern sollten lernen,<br />
uns selbst so liebevoll und <strong>we</strong>rtschätzend<br />
zu behandeln, wie wir auch unsere Kinder behandeln<br />
wollen.<br />
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versprechende Variante nehmt ihr ein paar Schilfstängel und/oder<br />
Bambusröhrchen in der Länge von 5 bis 15 Zentimetern, bindet sie<br />
satt zusammen und packt sie in eine Kon servendose. Wichtig ist, dass<br />
die Röhrchen auf der Rückseite geschlossen sind, also auf dem<br />
Dosenboden aufliegen. Zudem müssen das Innere der Röhrchen und<br />
der Eingang sauber und glatt geschliffen sein, und die Wohnröhren<br />
müssen Luft und Feuchtigkeit durchlassen. Und fertig ist die Wildbienen-Beobachtungsstation.<br />
Glückskäfer züchten<br />
Faszinierend für Kinder ist auch das Züchten und Beobachten von<br />
Marienkäfern, die durch den Einsatz von Pflanzen- und Insektenschutzmitteln<br />
ebenfalls bedroht sind. Der «Ladybug» sieht nicht nur<br />
zauberhaft aus, sondern erfüllt in der Natur auch eine wichtige Rolle<br />
als Läuse-, Larven- und Milbenfresser. Um die herzigen Glückskäfer<br />
zu beobachten, braucht ihr einen grossen Glasbe hälter oder ein Vivarium,<br />
ein Insektenschutznetz, Krepppapier, belauste Pflanzen sowie<br />
Marienkäfer oder Larven, die ihr bei entsprechenden Anbietern kaufen<br />
könnt. Die Käferpflege umfasst täg liches Befeuchten und Füttern<br />
mit Blattläusen und Honig.<br />
Mehr Infos zur Marienkäferzucht: bee-careful.com<br />
Weitere Projekte zu Wildbienenhotels: bienen.info<br />
So gehts:<br />
1. Den Glaszylinder ab<strong>we</strong>chselnd mit 2 bis 5 Zentimeter<br />
dicken Schichten Erde und Sand befüllen,<br />
leicht befeuchten; obenauf den Grasschnitt und<br />
die Gemüsereste legen.<br />
2. An feuchten Stellen im Garten ca. 10 Würmer<br />
sammeln, auf die Gemüsereste legen.<br />
3. Mit dem Tuch abdecken<br />
und mit dem Gummi befestigen.<br />
Die nächsten Tage könnt ihr beobachten, wie die<br />
Würmer arbeiten. Nach z<strong>we</strong>i bis drei Wochen Inhalt<br />
erneuern oder Würmer freilassen.<br />
Quelle: 45 Gartenprojekte für Kinder von Katja Maren Thiel;<br />
Bassermann-Verlag; ab Fr. 11.–.<br />
GEWUSST?<br />
Rund 40 Prozent<br />
aller Insektenarten<br />
sind <strong>we</strong>lt<strong>we</strong>it<br />
vom Aussterben<br />
bedroht.<br />
wir eltern 05–<strong>24</strong>