Die Zeitschrift "monat" 2/2024
Europa-Wahl 2024
Europa-Wahl 2024
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Zeitschrift
monat
Ausgabe 2/2024
Europa-Wahl 2024
behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 EUR/Ausland + Porto
2 www.behindertenrat.at
Bezahlte Anzeige
Liebe Leser*innen!
Diese Ausgabe unseres Magazins widmet sich
mit einem großen Schwerpunkt den nahenden
EU-Wahlen.
editorial
Von 6. bis 9. Juni 2024 sind Bürger*innen der
Europäischen Union (EU) zur Wahl der Abgeordneten
für das Europäische Parlament aufgerufen.
In Österreich können am 9. Juni jene 20
Vertreter*innen gewählt werden, die Interessen
von Menschen in Österreich im EU-Parlament vertreten.
Foto: Lukas Ilgner
Martin Ladstätter, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats und ich
trafen im Vorfeld der EU-Wahl die Spitzenkandidat*innen der im Nationalrat
vertretenen Parteien, um uns ein Bild über deren behindertenpolitischen
Positionen zu machen.
Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ),
Lena Schilling (Die Grünen) und Helmut Brandstätter (NEOS) erklärten ihre
Standpunkte zum Europäischen Behindertenausweis, der Disability Intergroup
im Europäischen Parlament, der Gleichbehandlungsrichtlinie, der Wiederernennung
eines Kommissars bzw. einer Kommissarin für Gleichstellung, wie
die jeweilige Partei die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertritt,
welche Maßnahmen gesetzt wurden, um die Wahlkampagnen, das Wahlprogramm
und Veranstaltungen barrierefrei zu gestalten und ob Menschen mit
Behinderungen für die EU-Wahl kandidieren. Einen Auszug aus diesen Interviews
lesen Sie ab Seite 6.
Victoria Biber und Nicola Onome Asiemo, Jurist*innen beim Österreichischen
Behindertenrat, berichten ab Seite 12 über den Europäischen Behindertenausweis,
die Disability Intergroup im Europäischen Parlament, die Position
der EU-Kommissarin für Gleichberechtigung und die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie.
In der Heftmitte finden Sie Informationen zur Europa-Wahl in Leichter
Sprache.
Ab Seite 31 stellt Ihnen Emil Benesch, Barrierefreiheitsexperte beim Österreichischen
Behindertenrat, den neuen Railjet vor, an dessen Entwicklung in
puncto Barrierefreiheit die inklusive Planungsgruppe über einen Zeitraum von
fünf Jahren beteiligt war.
Mit besten Wünschen
Ihr Klaus Widl
www.behindertenrat.at
3
EU-Wahl
Ausgabe 2/2024
Informationen für Wähler*innen
Von 6. bis zum 9. Juni 2024 sind mehr als 370 Millionen Menschen in den 27 Mitgliedstaaten
der Europäischen Union (EU) aufgerufen, an der Europa-Wahl teilzunehmen.
In Österreich findet die Wahl am 9. Juni statt.
Zur Teilnahme an der
Europa-Wahl (aktives Wahlrecht)
sind Personen
berechtigt, wenn sie
• spätestens am Tag der Wahl das
16. Lebensjahr vollenden, das
heißt spätestens an diesem Tag
Ihren 16. Geburtstag feiern;
• Österreicher*in bzw. Unionsbürger*in
mit Hauptwohnsitz in
Österreich oder Auslandsösterreicher*in
sind;
• am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz
einer österreichischen
Gemeinde eingetragen sind;
• nicht im Zusammenhang mit
einer gerichtlichen Verurteilung
vom Wahlrecht ausgeschlossen
sind.
Wähler*innen mit Behinderungen
• können mittels Briefwahl ihre
Stimme abgeben oder den Besuch
einer „fliegenden Wahlkommission“
(besondere Wahlbehörde)
beantragen.
• Menschen mit Körper- und
Sinnesbehinderungen, denen
das Ausfüllen des amtlichen
Stimmzettels ohne fremde Hilfe
nicht zugemutet werden kann,
ist es gestattet, sich bei der
Stimmabgabe von einer Person,
die sie selbst auswählen können,
unterstützen zu lassen.
• Blinde oder stark sehbehinderte
Wähler*innen können mit
Stimmzettelschablonen auch
ohne fremde Hilfe den Stimmzettel
ausfüllen. •
Schablone für Wahlkarte.
Informationen zur EU-Wahl 2024
https://ogy.de/EU-Wahl
Foto: Andrea Strohriegl
4
www.behindertenrat.at
Aus dem Inhalt
Ausgabe 2/2024
Informationen für Wähler*innen 4
Interviews mit Spitzenkandidat*
innen für die EU-Wahl 6
Der Europäische Behinderten- und
Parkausweis 12
Disability Intergroup 13
Kommissar*in für
Gleichberechtigung 15
Internationale Faktencheck-Datenbank
zu EU-Parlaments-Wahl 16
Informationen zur Europa-Wahl in
Leichter Sprache 18
Menschenrechte – Basis für
Frieden und Demokratie 24
Wie der Behindertenrat
Gleichstellung durchsetzt 25
Ein Rollstuhlfahrer im Europäischen
Solidaritätskorps 26
Ohne Erwachsenenvertretung
kein Platz im Pflegeheim? 28
Mit meinem Text wollte ich
Jugendliche wachrütteln 29
integra® 2024 30
Der neue ÖBB Railjet 31
Buchrezensionen 34
Gefördert aus den Mitteln des
Sozialministeriums
Foto: Yellow Cactus/Unsplash
EU-Wahl
Reinhold Lopatka, Andreas Schieder,
Harald Vilimsky, Lena Schilling
und Helmut Brandstätter erklärten
im Vorfeld der EU-Wahl 2024 ihre
Standpunkte zu behindertenpolitischen
Themen wie etwa dem Europäischen
Behindertenausweis und
welche Maßnahmen gesetzt wurden,
um Wahlkampagnen, Wahlprogramme
und Veranstaltungen barrierefrei
zu gestalten.
Seiten 6 bis 11
Foto: Andrea Strohriegl
Railjet
Die inklusive Planungsgruppe des
Österreichischen Behindertenrats
unterstützte mit ihrer Expertise in
den vergangenen fünf Jahren die
ÖBB und den Hersteller Siemens bei
der Weiterentwicklung der Barrierefreiheit
der neuen Railjets. So
konnte die Zugausstattung an die
Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen
angepasst werden.
Seiten 31 bis 33
IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Klaus Widl · Chefredaktion: Mag. Kerstin
Huber-Eibl · Redaktion: Mag. Nicola Onome Asiemo, DI Emil Benesch, Mag. Victoria Biber, LL.M., Dipl. Sozialpädagogin
Eva-Maria Fink, Martin Ladstätter, M.A., Felix Steigmann, B.A., M.A., Andrea Strohriegl, B.Ed. · Lektorat: Dipl.
Sozialpädagogin Eva-Maria Fink · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11 · Tel.: 01 513 1533 · Mail: presse@
behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.behindertenrat.at/
impressum · Anzeigen, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH, 8151 Hitzendorf - Zweigstelle: 4800 Attnang-Puchhheim
- Tel.: 07674 62 900 - Web: www.diemedienmacher.co.at · Cover: Andrea Strohriegl, B.Ed. · Nachdruck nur
nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der
Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen
und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung:
easybank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort: Wien
www.behindertenrat.at
5
EU-Wahl
Interviews mit Spitzenkandidat*innen
für die EU-Wahl am 9. Juni 2024
Behindertenrat-Präsident Klaus Widl und Behindertenrat-Vizepräsident Martin Ladstätter
sprachen im März und April 2024 mit allen Spitzenkandidat*innen der im Nationalrat
vertretenen Parteien für die EU-Wahl 2024 über behindertenpolitisch relevante Themen.
Reinhold Lopatka (ÖVP Bundespartei), Andreas Schieder
(SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Die
Grünen) und Helmut Brandstätter (NEOS) erklärten im
Vorfeld der EU-Wahl 2024 ihre Standpunkte zum Europäischen
Behindertenausweis, der Disability Intergroup
im Europäischen Parlament, der Gleichbehandlungsrichtlinie,
der Wiederernennung eines Kommissars bzw. einer
Kommissarin für Gleichstellung, wie die jeweilige Partei
die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertritt,
welche Maßnahmen gesetzt wurden, um die Wahlkampagnen,
das Wahlprogramm und Veranstaltungen
barrierefrei zu gestalten und ob Menschen mit Behinderungen
für die EU-Wahl kandidieren. •
Die vollständigen Abschriften der Interviews finden Sie
unter www.behindertenrat.at/aktuelles/eu-wahl-2024.
Reinhold Lopatka (ÖVP) im Gespräch mit Martin Ladstätter
R. Lopatka, B. Antonov, C. Pomikal, V. Biber, M. Ladstätter
Andreas Schieder (SPÖ) im Gespräch mit Klaus Widl
A. Schieder, K. Widl, K. Huber-Eibl, C. Pomikal
6 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Harald Vilimsky (FPÖ) im Gespräch mit Martin Ladstätter
C. Pomikal, K. Huber-Eibl, M. Ladstätter, H. Vilimsky
Lena Schilling (Grüne) im Gespräch mit Martin Ladstätter
M. Ladstätter, L. Schilling, A. Strobl, E. Benesch, C. Pomikal
Helmut Brandstätter (NEOS) im Gespräch mit Martin Ladstätter
T. Wagner, M. Ladstätter, H. Brandstätter, C. Pomikal,
V. Biber und E. Shi Fotos: Kerstin Huber-Eibl
www.behindertenrat.at
7
EU-Wahl
Dr. Reinhold Lopatka, ÖVP
(Interview am 5. April 2024)
Mag. Andreas Schieder, SPÖ
(Interview am 8. März 2024)
Was halten Sie vom Europäischen
Behindertenausweis?
Ich halte den Europäischen Behindertenausweis
grundsätzlich für positiv.
Es ist wichtig, dass die EU in den
großen Bereichen zeigt, dass man
sich zuständig fühlt. Auch in Bereichen,
wo man dann auf die staatliche
Umsetzung warten muss. •
Der Europäische Behindertenausweis
ist ein großer Durchbruch, um
europäische Verantwortung für Menschen
mit Behinderungen klarzumachen.
Der nächste Schritt muss v.a.
im Europäischen Sozialausschuss
sein. •
Welche Maßnahmen haben
Sie gesetzt, um Ihre Kampagne,
das Wahlprogramm
und Veranstaltungen barrierefrei
zu gestalten?
Die Veranstaltungsorte, an denen
ich bisher war, waren barrierefrei.
Was das Programm betrifft, laden
wir im Zuge der Österreichgespräche
Interessierte in jedem Bundesland
ein, mitzuwirken, daneben auch
Interessenvertreter und Lobbyisten.
Im Wahlprogramm wird auch der Bereich
Menschen mit Behinderungen
Berücksichtigung finden. •
Ich glaube, dass unsere generellen
Informationen im Internet nicht der
Barrierefreiheit entsprechen. Aber
ich werde den Gedanken gerade
nach diesem Gespräch mitnehmen,
das nochmal zu verstärken. Deswegen
ist eure Tätigkeit besonders
wichtig, weil ihr natürlich die
Möglichkeit habt, an die Menschen
weiterzutragen, dass Informationen
zugänglich sein müssen. •
Wer gestaltet Ihre Kampagnen
und werden Menschen
mit Behinderungen miteinbezogen?
Ich versuche, ein Bewusstsein zu
schaffen, dass diese Europaparlamentswahl
wichtig ist. Das Wichtigste
ist, die Menschen zu motivieren,
dass sie zur Wahl gehen. •
Wir bemühen uns, alle Menschen zu
erreichen. Trotzdem muss man zugestehen:
Es fehlen Mittel, manchmal
Knowhow, Informationen ausreichend
zur Verfügung zu stellen. Wir
haben auf Social Media Bildsprache,
manchmal Untertitel, im seltensten
Fall Gebärdenübersetzung. •
Wie viele Menschen mit Behinderungen
haben Sie in
Ihrer Liste?
Ich weiß nur von einem Kollegen mit
Behinderung. Sein Gesundheitszustand
hat sich verschlechtert und er
hat mich gefragt hat, ob er von der
Liste gehen soll. Nein, warum sollte
er? Es könnte aber durchaus weitere
Kollegen mit Behinderung geben. •
Ich gehe von einem verschwindend
geringen Anteil an Menschen mit
Behinderungen aus. Wir fragen bei
der Listenerstellung das Vorliegen
einer Behinderung nicht ab, was aber
auch zeigt, dass Menschen mit Behinderungen
im politischen Alltag in
Parteien unterrepräsentiert sind. •
8 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Harald Vilimsky, FPÖ
(Interview am 5. April 2024)
Lena Schilling, Die Grünen
(Interview am 5. April 2024)
Dr. Helmut Brandstätter, NEOS
(Interview am 29. März 2024)
Wir unterstützen diese Initiative. Wir
wollen jedoch nicht, dass eine neue
Form der Migration entsteht, indem
man mit europäischen Standards
eine Situation schafft, die z.B. einen
Zustrom von Menschen mit Behinderung
nach Österreich zur Folge
hätte. •
Es ist ein erster, guter Schritt, dass
der Behindertenausweis endlich
auch in anderen Ländern anerkannt
wird. Man muss jedoch schauen,
dass er über die drei Monate hinaus
langfristig anerkannt wird. Mobilität
und Freiheit muss für alle Menschen
gleichermaßen gelten. •
Wir brauchen einen Behindertenausweis,
der zumindest in allen
EU-Ländern, im Idealfall auch in der
Schweiz, Norwegen und anderen
Ländern gültig ist und alles, was
damit verbunden ist, auch in diesen
Ländern gilt. Man muss die Richtlinie
so schnell wie möglich umsetzen.
•
Was wir versuchen, ist, dass wir all
unsere Informationen auch in einem
reinen Audioformat anbieten, um
für Menschen mit Sehbehinderung
einen Zugang zu Informationen
möglich zu machen. Dafür gibt es
auch unsere neue Podcast-Reihe.
Wir haben außerdem eine Untertitelungsmöglichkeit
bei unseren
FPÖ-TV-Videos. •
Wir denken Menschen mit Behinderungen
von Anfang an mit. Es gibt
Gebärdensprache, guten Zugang und
die Möglichkeit, im Rollstuhl anzureisen.
Gleichzeitig ist klar, dass
es mehr Raum für Inklusion geben
muss (Übertragungen, Schriftübersetzung).
Bei der Wahlprogrammpräsentation
gibt es Gebärdensprachdolmetsch,
wir arbeiten an
einem Wahlprogramm in Leichter
Sprache. •
Bei Mitgliederversammlungen ist es
selbstverständlich, dass sie barrierefrei
sind, also dass der Zugang
natürlich mit Rollstuhl möglich sein
muss. Was wir auch immer machen,
ist Gebärdensprachdolmetsch. Das
Wahlprogramm in Einfacher Sprache
kommt in Kürze. •
Die Kampagne reduziert sich im
Wesentlichen auf Slogans und
Inhalte. Über die Podcast-Reihe und
FPÖ-TV-Videos machen wir unsere
Programmatik auch jenen Menschen,
die nicht mit erforderlicher Sehkraft
oder Hörkraft ausgestattet sind, zugänglich.
•
Menschen aus allen Themenbereichen
schreiben am Wahlprogramm
und arbeiten in Kampagnenteams.
Natürlich arbeiten Menschen mit,
die das Thema Behinderung am
Schirm haben. Ich freue mich, dass
mich auch die Europaabgeordnete
Katrin Langensiepen unterstützt. •
Die Kampagne wird im Prinzip von
der ganzen Parteiorganisation und
vom Bundesbüro getragen. Und da
sind auch Menschen mit Behinderung
vertreten. Aber wie Menschen
mit Behinderungen in der Kampagne
vorkommen, weiß ich zu diesem
frühen Zeitpunkt noch nicht. •
Nein, haben wir nicht. […] Es
müsste ein Mensch mit Behinderung
schon sehr viel innere Überzeugung,
Kraft und Elan haben, um zu sagen,
dass er auch ein Mandat ausüben
möchte. Ich würde nicht mit gutem
Gewissen zuraten, […] weil das
ständige Herumreisen unglaublich
kräftezehrend ist. •
Auf den ersten sechs Listenplätzen
gibt es niemanden mit Behinderungen,
auf den hinteren Listenplätzen
weiß ich es ehrlich gesagt leider
nicht. •
Wir haben wirklich sehr laut gemacht,
dass jede und jeder sich bewerben
kann. Wir hatten zwei Veranstaltungen,
wo sich jeder vorstellen konnte.
Ich habe jedenfalls niemanden im
Rollstuhl oder mit Gebärdensprache
gesehen. Es wurde sicher niemand
ausgeschlossen, es ist aber eine Frage
derer, die sich bewerben. •
www.behindertenrat.at
9
EU-Wahl
Dr. Reinhold Lopatka, ÖVP
(Interview am 5. April 2024)
Mag. Andreas Schieder, SPÖ
(Interview am 8. März 2024)
Werden Sie die Wiedereinsetzung
der der „Disability
Intergroup“ unterstützen?
Ja, denn das Europäische Parlament
ist ein Arbeitsparlament, daher
macht die Intergroup Sinn. Ich werde
schauen, dass jemand von uns die
Bereitschaft hat, weiß aber noch
nicht, in welchen Ausschüssen wir
sein werden. •
Meine Kollegin Evelyn Regner wird
sich auch in dieser Legislaturperiode
darum kümmern, dass die Disability
Intergroup wieder zustande kommt. •
Unterstützen Sie die
Wiederernennung eine*r
Kommissar*in für Gleichstellung?
Ja, ich setze mich ein, aber bin
nicht am Tisch, an dem die Entscheidung
getroffen wird. •
Absolut! •
Unterstützen Sie die
Gleichbehandlungsrichtlinie
und was werden Sie
tun, damit die Richtlinie
bestenfalls verabschiedet
wird?
Das Europäische Parlament hat 2023
über einen Entschließungsantrag
abgestimmt, der den Rat auffordert,
die Gespräche zur Antidiskriminierungsrichtlinie
wieder aufzunehmen.
Diesen hat die Volkspartei im Europaparlament
unterstützt. Der direkte
Austausch mit Delegationen im
Europaparlament und Vertreterinnen
und Vertretern im Rat ist wichtig, um
Zweifel von Mitgliedstaaten hinsichtlich
Subsidiarität auszuräumen. •
Seit 15 Jahren blockiert der Rat den
Gesetzgebungsprozess. Wir brauchen
aber eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie.
Wir haben
letztes Jahr in einer Entschließung
die EU-Länder erneut aufgefordert,
das Gesetz endlich zum Abschluss zu
bringen. Und auch in der nächsten
Legislaturperiode werden wir so
lange Druck auf die Mitgliedstaaten
ausüben, bis der Rat dem Gesetz
zustimmt. •
Wie beabsichtigen Sie
sicherzustellen, dass die
Zusammenarbeit mit der
Behindertenbewegung eng
und effektiv ist?
Für mich sind Barrierefreiheit und
Gleichbehandlung nicht optional. In
meinen Augen ist die Verwirklichung
von Behindertenrechten nicht nur
ein politischer, sondern auch ein
verfassungs- und menschenrechtlicher
Auftrag. •
Evelyn Regner hält mit Stakeholdern
aus dem Bereich Kontakt und ist
Ansprechperson für deren Anliegen.
Bei Gesetzesvorhaben denkt sie die
Dimension Behinderung mit bzw.
tauscht sich bei entsprechenden
Gesetzen mit Verbänden aus. •
10 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Harald Vilimsky, FPÖ
(Interview am 5. April 2024)
Lena Schilling, Die Grünen
(Interview am 5. April 2024)
Dr. Helmut Brandstätter, NEOS
(Interview am 29. März 2024)
Ich habe nichts dagegen. Es gibt
im Europäischen Parlament so viele
Gruppen, die sich mit so vielen Themen
beschäftigen, wo in der Sache
selbst aber oft große Säumigkeit
herrscht. •
Ja, jedenfalls. Ich habe meine Themenbereiche
und Ausschüsse noch
nicht ausgesucht, kann mir eine
Teilnahme an der Intergroup aber
vorstellen und freue mich auf ein
Follow up, wo wir das besprechen
können. •
Meine Kollegin Anna Stürgkh und ich
werden das auf jeden Fall unterstützen.
Es wird sicher einer von uns in
diese Arbeitsgruppe gehen. •
Davon, einen Kommissar oder eine
Kommissarin für Gleichstellungsfragen
zu installieren, wird keiner
etwas haben. •
Auf jeden Fall. •
Ja, natürlich. •
Soweit ich es in Erinnerung habe,
ist der Kern der Gleichstellung von
Menschen mit Behinderung überhaupt
keine Frage. Das unterstützen
wir natürlich auch. Jedoch sind in
der Beschlussfassung gleichzeitig
häufig auch Themen mitenthalten,
die für uns schwierig sind. Beispielsweise
geht es da um Migrationsoder
LGBTQ-Themen, weshalb wir
uns bei Richtlinien dieser Art meist
enthalten. •
An erster Stelle geht es nicht nur
darum, dass ich dafür abstimme,
sondern diese Themen zu setzen
und für Sichtbarkeit zu sorgen. Das
heißt, Zusammenarbeit ist extrem
wichtig und Menschen mit Behinderung
einen Raum zu geben, wo
sie über ihre Anliegen sprechen
können. In Brüssel geht es viel um
Interessen und deren Sichtbarkeit.
Und dafür werde ich mich einsetzen.
Das ist es, was ich gewährleisten
kann. •
Ich schaue mir das gerne an, sobald
wir im Parlament sitzen. Und dann
werden wir das in diesem Gremium
besprechen. Aber ich halte es für
extrem notwendig. Natürlich sind
Gesetze wichtig, aber wir müssen
auch am Bewusstsein arbeiten. Jede
und jeder muss sich bewusst sein,
dass jederzeit eine Behinderung
eintreten kann. Es kann niemand
für sich sagen, das interessiert mich
nicht, das geht mich nichts an. •
Indem wir einen der profiliertesten
Politiker für Menschen mit Behinderungen
in unseren Reihen haben,
nämlich Norbert Hofer. •
In Dialog zu treten und zuzuhören.
Das Wichtigste ist, dass wir einander
immer auf Augenhöhe begegnen.
Ich möchte mir, wenn ich bei so
einem Termin bin, alles anhören,
mitdenken und mir überlegen, was
getan werden muss. •
Ich gehe davon aus, dass die Europäische
Organisation der Menschen
mit Behinderungen in Brüssel sagen
wird, was für sie wesentliche Themen
sind. Aber es kommt darauf an, in
welche Ausschüsse wir kommen. •
www.behindertenrat.at
11
Europa
Disability Card – Der Europäische
Behinderten- und Parkausweis
Von Nicola Onome Asiemo
Freizügiges Reisen innerhalb der EU mit neuen Ausweisen
Österreichische Delegation im Europäischen Parlament in Brüssel mit einer riesigen European Disability Card anlässlich des Europäischen
Parlaments der Menschen mit Behinderungen
Die Europäische Union steht kurz davor, eine neue
Richtlinie zu erlassen.
Ziel sind zwei neue einheitliche Ausweise:
• der Europäische Behindertenausweis und
• der Europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen
Beide Ausweise wird es in allen 27 Ländern der Europäischen
Union (EU) geben.
Sie sollen folgendes in der gesamten EU gewährleisten:
• Die gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus
• Freizügigkeit, also das Reisen ins Ausland
• den Zugang zu den gleichen Vorteilen wie für Einwohner*innen
des Gastlandes
•
Der Europäische Behindertenausweis
wird von den zuständigen Behörden des jeweiligen Wohnorts
zusätzlich zum nationalen Ausweis kostenlos ausgestellt
sowie erneuert.
Menschen mit Behinderungen stellen häufig fest, dass
ihre nationalen Behindertenausweise oder -bescheinigungen
nicht anerkannt werden, wenn sie in andere EU-Länder
reisen.
Der neue Europäische Behindertenausweis soll bei Reisen
in ein anderes Land der Europäischen Union als Nachweis
des Behindertenstatus dienen. Damit sollen Reisende die
gleichen Vorteile bekommen wie die Einwohner*innen des
EU-Landes, in das gereist wird:
Die Vorteile sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich
und können Folgendes umfassen:
• freier Eintritt
• Ermäßigungen
• vorrangiger Zugang
• persönliche Assistenzkräfte
• Brailleschrift oder Audioguides
• Mobilitätshilfen
• Assistenztiere
• Vergünstigungen im (Nah-)verkehr für sich und die
eigene Assistenz
12 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
• Assistenzleistungen im Zug und öffentlichem Nahverkehr
Trotz dieses positiven und wichtigen Fortschritts wurden
nicht alle Forderungen verwirklicht. Bedauerlich ist etwa
die lange Dauer, bis die Ausweise erstmals verfügbar sein
werden. Außerdem wurde der Zugang zu Unterstützung
und Beihilfen für Menschen mit Behinderungen, die
dauerhaft im Ausland arbeiten oder studieren und daher
umziehen wollen, zwar gefordert, aber nicht berücksichtigt.
Der Europäische Parkausweis
Eine verbesserte Version des Europäischen Parkausweises
in einem einheitlichen Format (etwa inklusive Braille-
Schrift auf der physischen Karte) soll die nationalen Ausweise
ersetzen.
Mit dem neuen Europäischen Parkausweis wird sichergestellt,
dass alle Menschen mit einer anerkannten Behinderung
in allen EU-Ländern Vorzugsrechte beim Parken und
Zugang zu entsprechender Infrastruktur haben:
Das umfasst etwa
• auf Behindertenparkplätzen zu parken
• breitere Parkplätze
• reservierte Parkplätze
• eine ermäßigte Parkgebühr
• Zugang zu Zonen mit Verkehrsbeschränkungen.
Wie geht es weiter?
Im Februar 2024 wurde eine vorläufige Einigung über den
Richtlinienvorschlag erzielt.
Im März 2024 einigten sich die Europäischen Institutionen
darauf, dass auch Staatenlose und Drittstaatsangehörige,
die sich rechtmäßig in den Mitgliedstaaten aufhalten -
also nicht nur EU-Bürger*innen - und deren persönliche
Assistent*innen, beide Ausweise erhalten können.
Im April 2024 bestätigte das Europäische Parlament den
Text des Richtlinienvorschlags.
Der finale Text muss nur noch von den EU-Institutionen
bestätigt und anschließend veröffentlicht werden.
Das wird voraussichtlich im Herbst 2024 geschehen.
Sobald das passiert ist, haben die Mitgliedsstaaten, also
auch Österreich, einige Jahre Zeit, um die nötigen Strukturen
zu schaffen. In der Praxis bedeutet dies, dass beide
Ausweise wohl erst in frühestens vier Jahren erhältlich
sein werden.
Auch wenn es noch dauern wird, bis beide Ausweise tatsächlich
verfügbar sein werden, werden sie das Reisen
innerhalb der EU und damit das Leben von rund 80 Millionen
Menschen spürbar erleichtern. •
Disability Intergroup
Von Victoria Biber
Die Disability Intergroup (Interfraktionelle Arbeitsgruppe zum Thema „Menschen mit Behinderungen“)
im Europäischen Parlament ist eine informelle Gruppe, bestehend aus Mitgliedern
verschiedener politischer Fraktionen und Nationalitäten, die sich für die Förderung der Politik
für Menschen mit Behinderungen einsetzt.
Das Ziel der Disability Intergroup
ist es, die Rechte von
Menschen mit Behinderungen
im Einklang mit der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen zu fördern, sowohl
auf europäischer als auch nationaler
Ebene. Claudia Gamon (NEOS) ist
derzeit die einzige österreichische
EU-Parlamentarierin, die Teil dieser
Arbeitsgruppe ist.
Die Disability Intergroup ist ein
wichtiger Verbündeter bei der Förderung
und Durchsetzung der Rechte
von Menschen mit Behinderungen
in Europa durch das Europäische
Parlament. Sie spielte eine entscheidende
Rolle bei der Verabschiedung
von Gesetzgebungen, die Personen
mit Behinderungen in Bereichen wie
Transport, Beschäftigung, Forschung,
Strukturfonds, Barrierefreiheit
und Nichtdiskriminierung unterstützen.
Die Disability Intergroup
gehört zu den ältesten Arbeitsgruppen
im Europäischen Parlament und
www.behindertenrat.at
13
Europa
wurde bereits 1980 gegründet.
Die Disability Intergroup strebt
einen engen und fruchtbaren Dialog
mit allen Personen mit Behinderungen
und ihren Vertretungsorganisationen
an. Die Mitglieder spielen
dabei eine aktive Rolle, indem sie
Debatten sowohl mit ihren Kolleg*innen
als auch mit anderen EU-
Institutionen organisieren. Zudem
können sie Änderungsanträge einreichen,
parlamentarische Anfragen
und andere Initiativen verfassen.
Die Disability Intergroup arbeitet
außerdem eng mit der Europäischen
Kommission zusammen und kooperiert
mit anderen Interessengruppen
und Behindertenorganisationen, um
das Bewusstsein zu schärfen und die
Rechte von Menschen mit Behinderungen
zu stärken.
Arbeitsplan 2022–2024
Der Arbeitsplan für die Jahre 2022–
2024 der Disability Intergroup umfasste
verschiedene Aktivitäten zur
Förderung der Rechte von Menschen
mit Behinderungen. Dazu gehören
die Überprüfung der Umsetzung
der UN-Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen,
die Förderung der EU-Behindertenrechtsstrategie
2021–2030, die
Unterstützung von Petitionen zu
Behindertenrechten sowie die Förderung
der Gleichbehandlung und
Nichtdiskriminierung.
Ein zentrales Anliegen dieser Gruppe
ist außerdem der Ausbau des politischen
Wahlrechts für Menschen mit
Behinderungen. Konkret bedeutet
dies, dass sie sich dafür einsetzt,
dass Menschen mit Behinderungen
sowohl das Recht haben, sich für
politische Ämter aufstellen zu lassen
als auch bei nationalen oder europäischen
Wahlen wählen können.
Diese Forderung zielt darauf ab, die
politische Partizipation und Vertretung
von Menschen mit Behinderungen
auf allen Ebenen zu stärken
und sicherzustellen, damit ihre
Stimmen gehört und ihre Interessen
angemessen berücksichtigt werden.
Derzeit gewähren noch nicht alle
EU-Staaten Menschen mit Behinderungen
das Wahlrecht, was eine
Herausforderung für die Verwirklichung
dieser grundlegenden demokratischen
Rechte darstellt.
Errungenschaften im Jahr
2023
Die Disability Intergroup des Europäischen
Parlaments hat im Jahr
2023 bedeutende Fortschritte im
Bereich der Förderung von Behindertenrechten
und -inklusion
innerhalb der Europäischen Union
erzielt. Mit nur noch einem Jahr in
dieser parlamentarischen Amtszeit
konzentrierten sich die Mitglieder
der Disability Intergroup auf ihre
verbleibenden Prioritäten. Diese
sind unter anderem der Europäische
Behindertenausweis und der Parkausweis,
die Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen, die Beschäftigung
von Menschen mit Behinderungen
und das Gesetz über Künstliche
Intelligenz (AI Act).
Eine bedeutende legislative Errungenschaft
war die schnelle Annahme
eines ambitionierten Standpunkts
des Europäischen Parlaments zu
Foto: Guillaume Périgoisa/Unsplash
den Vorschlägen der Europäischen
Kommission für den Europäischen
Behindertenausweis und den
Parkausweis im Februar 2024, wo
Mitglieder der Disability Intergroup
maßgeblich an den Verhandlungen
beteiligt waren.
Darüber hinaus haben Mitglieder der
Disability Intergroup an verschiedenen
politischen Initiativen gearbeitet,
darunter die Förderung der
Teilnahme von Personen mit Behinderungen
am Wahlprozess und die
Förderung von qualitativ hochwertigen
Praktika für alle, insbesondere
für Personen mit Behinderungen.
Insgesamt hat die Disability Intergroup
im Jahr 2023 wichtige
Fortschritte gemacht und bleibt
entschlossen, die Rechte und die
Inklusion von Menschen mit Behinderungen
in der Europäischen Union
weiter voranzutreiben.
In der nächsten Legislaturperiode
steht es grundsätzlich jedem gewählten
Abgeordneten des Europäischen
Parlaments frei, Teil dieser
Arbeitsgruppe zu sein – eine Teilhabe
hierfür ist an keine weiteren Kriterien
geknüpft. Es bleibt abzuwarten,
ob sich in der nächsten Periode
mehr als nur eine österreichische
EU-Parlamentarier*in dazu entscheiden
wird, Teil dieser bedeutenden
Intergroup zu sein. •
14 www.behindertenrat.at
Kommissar*in für
Gleichberechtigung
Ausgabe 2/2024
Von Victoria Biber
Die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, derzeit Helena Dalli, ist verantwortlich für die Stärkung
des Engagements Europas für Inklusion und Gleichstellung in allen Bereichen, unabhängig
von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung.
Sie setzt sich dafür ein, dass in der Europäischen Union Bewusstsein geschaffen und Gleichberechtigung
gefördert wird. Die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung ist Teil der Europäischen
Kommission, die sich aus Kommissionsmitgliedern aus 27 EU-Ländern zusammensetzt.
Das Hauptziel dieser Strategie besteht darin sicherzustellen,
dass alle Menschen mit Behinderungen in Europa
ihre grundlegenden Menschenrechte ausüben können.
Unabhängig von Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft,
Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung
sollen sie gleiche Chancen haben. Sie sollen frei
entscheiden können, wo und wie sie leben möchten, sich
innerhalb der EU frei bewegen können und dabei keine
Diskriminierung erfahren.
Behindertenrat-Präsident Klaus Widl im Austausch mit
Helena Dalli, EU-Kommissarin für Gleichstellung. Foto: Niko Karner
Zu den Aufgaben der EU-Kommissarin für Gleichberechtigung
gehört der Kampf gegen Diskriminierung
und die Entwicklung von EU-Gesetzgebung
zur Bekämpfung von Diskriminierung. Darüber hinaus ist
sie maßgeblich an der Entwicklung einer europäischen
Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
sowie für die Gleichstellung der Geschlechter beteiligt, die
unter anderem Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung
von Frauen am Arbeitsplatz umfasst.
Europäische Strategie für die Rechte von
Menschen mit Behinderungen 2021-2030
Im März 2021 verabschiedete die Europäische Kommission
die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
2021–2030. Mit dieser zehnjährigen Strategie
möchte die Europäische Kommission das Leben von
Menschen mit Behinderungen in Europa und weltweit
verbessern. Die Strategie baut auf den Ergebnissen der
vorherigen Europäischen Strategie für Menschen mit Behinderungen
2010–2020 auf.
Um den Risiken einer Vielfachbenachteiligung von Frauen,
Kindern, älteren Menschen, Flüchtlingen mit Behinderungen
und solchen mit sozioökonomischen Schwierigkeiten
zu begegnen, fördert sie eine intersektionale Perspektive
im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten
Nationen. Die neue Strategie enthält daher eine ehrgeizige
Reihe von Maßnahmen und Leitinitiativen in verschiedenen
Bereichen und hat zahlreiche Prioritäten. Darunter
fällt die Förderung der Barrierefreiheit, die Verbesserung
der Lebensqualität und die Förderung der gleichberechtigten
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
Europäische Strategie für die Gleichstellung
der Geschlechter
Die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter der
Europäischen Union, die von 2020 bis 2025 läuft, verfolgt
das Ziel, die Ungleichheiten zwischen Mann und Frau zu
minimieren und ein Europa der Gleichstellung zu schaffen.
Die Strategie konzentriert sich auf Maßnahmen zur Beendigung
geschlechterbezogener Gewalt, die Bekämpfung
von Geschlechterstereotypen und die Verringerung geschlechtsspezifischer
Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt.
Ein wichtiger Schritt war die Einführung einer verbindlichen
Maßnahme zur Lohntransparenz. Weitere Maßnahmen
umfassen einen EU-weiten Vorschlag zur Bekämpfung
von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die
Strategie zielt darauf ab, Frauen und Männer in allen
Lebensbereichen gleichberechtigt teilhaben zu lassen und
ein ausgewogenes Verhältnis in Entscheidungsprozessen
und der Politik zu erreichen. •
www.behindertenrat.at
15
EU-Wahl
Ausgabe 2/2024
Internationale Faktencheck-
Datenbank zu EU-Parlaments-Wahl
Von Kerstin Huber-Eibl
Um demokratische Meinungsbildungsprozesse im Vorfeld der EU-Wahl zu unterstützen, bündelt
die Website Elections24Check mehr als 1.000 Faktenchecks und Hintergrundrecherchen aus
ganz Europa.
Die Vereinigung der europäischen
Faktencheck-Organisationen
(European Fact-Checking
Standards Network, kurz
EFCSN) verfolgt das Ziel, die höchsten
Standards der Verifikation von
Fakten und Medienkompetenz zum
Zweck der Bekämpfung von Desinformation
aufrechtzuerhalten und
zu fördern. Die Elections24Check-
Datenbank des Netzwerks bietet im
Vorfeld der EU-Parlaments-Wahl
mehr als 1.000 kostenlose Analysen
von Themen und Narrativen
zur EU-Parlaments-Wahl sowie im
Zusammenhang mit der EU, etwa zu
den Bereichen Migration, Religion,
Klimawandel, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
oder EU-Institutionen.
Ein Schwerpunkt liegt auf
der Überprüfung von Behauptungen
rund um die Europa-Wahl.
Die Rechercheergebnisse sind nach
Thema, Land bzw. Sprache und politischer
Partei, die im Text behandelt
wird, durchsuch- und filterbar. Sie
stammen von mehr als 40 Faktencheck-Organisationen
aus über 30
Ländern. In Österreich trägt die
APA – Austria Presse Agentur ihre
Faktenchecks zur Datenbank bei.
Unterstützt wird das Projekt von der
Google News Initiative. •
Service-Link
Elections24Check
https://elections24.efcsn.com
16
www.behindertenrat.at
Werbung
Ausgabe 2/2024
Europa-Wahl 2024 in Wien
Am Sonntag, dem 9. Juni
2024, findet in Österreich
die Europa-Wahl 2024 statt.
Die Wiener Wahllokale haben am
Wahltag von 7 bis 17 Uhr geöffnet.
Von den insgesamt 720 Abgeordneten
des Europäischen Parlaments
kommen 20 aus Österreich.
Stimmen auch Sie für Europa!
Barrierefrei zur Wahl
Bitte beachten Sie, dass es bei der
Europa-Wahl 2024 sehr viele neue
und barrierefrei erreichbare Wiener
Wahllokale gibt. Um diese Verbesserungen
anbieten zu können,
mussten einige Wahllokale verlegt
werden. Prüfen Sie deshalb rechtzeitig
die Adresse Ihres zuständigen
Wiener Wahllokals. Die Adresse
finden Sie in der „Amtlichen Wahlinformation“,
die Sie etwa zwei Wochen
vor der Wahl per Post erhalten.
Die Adresse kann auch bereits jetzt
im Internet gesucht werden, unter
wien.gv.at/wahlen.
Telefonisch erhalten Sie bei der
Wahl-Hotline des Stadtservice Wien
Telefon 01/4000-4001 Auskunft
über die Adresse Ihres zuständigen
Wiener Wahllokals. Alle Wiener
Wahllokale sind mit einer barrierefrei
benutzbaren Wahlzelle ausgestattet.
Diese ist breiter und hat
eine unterfahrbare Schreibfläche
und kann somit auch von Rollstuhlfahrer*innen
bequem benutzt
werden.
Wahlkarte
Wenn Sie am Wahltag, dem
9. Juni 2024, nicht in einem Wahllokal
wählen können, haben Sie die
Möglichkeit, eine Wahlkarte zu beantragen.
Mit der Wahlkarte können
Sie per Briefwahl im In- und Ausland
oder am Wahltag in einem beliebigen
Wahllokal in ganz Österreich
(z. B. in einem barrierefrei erreichbaren
Wahllokal) wählen.
Einen Wahlkartenantrag können
Sie bis Mittwoch, den 5. Juni 2024,
schriftlich (am einfachsten online
unter wien.gv.at/wahlkarte) oder
bis Freitag, den 7. Juni 2024,
12 Uhr, persönlich beim Wahlreferat
Ihres zuständigen Magistratischen
Bezirksamtes stellen. Wenn Sie Ihre
Wahlkarte persönlich im Wahlreferat
beantragen, können Sie gleich per
Briefwahl Ihre Stimme abgeben. Für
die Stimmabgabe stehen vor Ort abgeschirmte
Bereiche zur Verfügung.
Eine telefonische Beantragung einer
Wahlkarte ist nicht möglich!
Mobile Wahlkommission
Wenn Sie Ihr Wahllokal wegen eingeschränkter
Mobilität, sei es aus
Krankheits-, Alters- oder sonstigen
Gründen nicht aufsuchen können,
haben Sie die Möglichkeit mit dem
Wahlkartenantrag auch gleich den
Besuch einer mobilen Wahlkommission
zu beantragen. Wenn Sie beim
Antrag eine Telefonnummer angeben,
werden Sie vom Wahlreferat
genauer über den voraussichtlichen
Besuchszeitpunkt informiert.
Blinde und sehbehinderte
Personen
Blinde und sehbehinderte Personen
können einen Rehabilitations- oder
Blindenführhund bis in die Wahlzelle
mitnehmen. In jedem Wahllokal
stehen Stimmzettel-Schablonen als
Ausfüllhilfen zur Verfügung. Wenn
Sie an der Briefwahl teilnehmen
wollen, können Sie gleich mit dem
Wahlkartenantrag eine Wahlkartenund
Stimmzettel-Schablone anfordern.
Mehr Infos
wien.gv.at/wahlen
01/4000-4001
Fotos: Stadt Wien/Bubu Dujmic
Bezahlte Anzeige
www.behindertenrat.at
17
Bundesministerium für Inneres
Informationen zur Europa-Wahl 2024
in Leichter Sprache
Alle Menschen haben das Recht, sich selbst und ohne Hilfe von Anderen informieren zu können.
Aber viele Menschen haben Probleme, die Behörden-Sprache zu verstehen, weil die Sprache für sie zu
schwer ist.
Österreich ist eine Demokratie.
Das heißt, die Österreicherinnen und die Österreicher wählen die Personen, die sie vertreten.
Bei der Europa-Wahl wählen die Menschen Abgeordnete für das Europäische Parlament.
Wenn eine Person wählen will, ist es gut, wenn sie sich davor über die Wahl informieren kann. Das Bundes-Ministerium
für Inneres stellt deshalb Informationen in leichter Sprache zur Verfügung. Die Texte
in leichter Sprache sind ein Zusatzangebot und sollen Sie nur informieren. Die Texte in leichter Sprache
sind keine rechtliche Beratung.
Das Europäische Parlament
Das Europäische Parlament vertritt die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union.
Das Europäische Parlament trifft wichtige Entscheidungen für die Europäische Union.
Im Moment werden ungefähr 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus den
Mitglied-Staaten durch das Europäische Parlament vertreten.
Die Mitglieder des Europäischen Parlaments heißen auch Abgeordnete.
Foto: Kerstin Huber-Eibl
18 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Jeder Mitglied-Staat ist durch seine gewählten Mitglieder im Europäischen Parlament vertreten.
Insgesamt hat das Europäische Parlament nach der Europa-Wahl 720 Abgeordnete.
Aus Österreich werden 20 Abgeordnete kommen können.
Die Funktions-Periode des Europäischen Parlaments dauert 5 Jahre.
Das heißt, das Europäische Parlament wird alle 5 Jahre neu gewählt.
In allen Mitglied-Staaten der Europäischen Union wird zwischen Donnerstag und Sonntag gewählt. In
Österreich findet die Wahl am Sonntag, 9. Juni 2024, statt.
Wer darf bei der Europa-Wahl wählen?
Aktiv wahlberechtigt heißt, dass eine Person wählen darf.
Aktiv wahlberechtigt sind Sie, wenn Sie spätestens am Tag der Wahl 16 Jahre alt sind und
• Österreicherin oder Österreicher sind oder
• nicht-österreichische Bürgerin oder nicht-österreichischer Bürger der Europäischen Union sind und
in Österreich den Hauptwohnsitz haben.
Eine Ausnahme gibt es nur für Personen, die ein Gericht zu einer Gefängnis-Strafe verurteilt hat.
Es kann in bestimmten Fällen sein, dass das Gericht eine Person vom Wahl-Recht ausschließt.
Es gibt keine Wahl-Pflicht.
Das heißt man darf wählen, man muss aber nicht.
Welche Grundsätze gibt es für die Europa-Wahl?
Es gilt das Verhältnis-Wahlrecht.
Das heißt, die Sitze im Parlament werden verhältnismäßig nach der Verteilung der Wähler-Stimmen vergeben.
In Österreich werden grundsätzlich Parteien gewählt.
Jede Partei hat auf ihrem Wahlvorschlag Namen von Kandidatinnen und Kandidaten.
Diese werden in einer bestimmten Reihenfolge festgelegt.
Sie können auch eine Vorzugs-Stimme vergeben, wenn Sie möchten.
Eine Vorzugs-Stimme ist eine zusätzliche Entscheidung für eine bestimmte Kandidatin oder einen bestimmten
Kandidaten der Partei, die Sie gewählt haben.
Durch Ihre Vorzugs-Stimme können Sie eine Person vorreihen.
www.behindertenrat.at
19
Bundesministerium für Inneres
Amtliche Wahlinformation
Sie bekommen eine Wahl-Verständigung etwa 3 Wochen vor der Wahl mit der Post.
In der Wahl-Verständigung steht
• Ihr Wahl-Lokal, in dem Sie wählen können,
• die Öffnungszeit und
• ob es barrierefrei ist.
Bitte bringen Sie die Wahl-Verständigung zur Wahl mit!
Wie wählen Sie im Wahllokal?
1. Am 9. Juni 2024 gehen Sie in das Wahllokal.
2. Im Wahllokal nennen Sie Ihren Namen und zeigen
Ihren Lichtbild-Ausweis.
3. Sie bekommen von der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter
den amtlichen Stimmzettel und ein leeres
blaues Wahlkuvert.
4. Sie geben Ihre Stimme in der Wahlzelle ab.
5. Wenn Sie eine Behinderung haben und ohne fremde
Hilfe nicht wählen können, darf eine Begleitperson
Ihnen helfen und Sie auch in die Wahlzelle begleiten.
6. Geben Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue
Kuvert.
7. Werfen Sie das Kuvert in die Wahlurne ein. Oder
geben Sie das Kuvert der Wahlleiterin oder dem
Wahlleiter. Die Wahlleiterin oder der Wahlleiter wirft
dann das Kuvert in die Wahlurne.
Wie sieht der Stimmzettel aus?
Auf dem Stimmzettel stehen die Namen der Parteien, die Sie wählen können.
Foto: Guillaume Périgoisa/Unsplash
Sie kreuzen die Partei an, die Sie wählen wollen. Wenn Sie mehrere Parteien ankreuzen, ist ihr Stimmzettel
ungültig und ihre Stimme zählt nicht.
Neben den Namen der Parteien ist ein freies Feld für die Vorzugs-Stimme.
Hier können Sie den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten hineinschreiben. Oder die Nummer
dieser Kandidatin oder dieses Kandidaten.
Eine Liste mit allen Namen und Nummern finden Sie im Wahllokal.
Wenn Sie mit Briefwahl wählen, bekommen Sie die Liste mit der Post.
Die Kandidatin oder der Kandidat muss von der Partei sein, die Sie angekreuzt haben. Sonst ist die
Stimme für die Kandidatin oder den Kandidaten nicht gültig.
20 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Barrierefrei wählen
Menschen mit Behinderungen müssen barrierefrei wählen können.
In Österreich haben Sie dafür mehrere Möglichkeiten.
1. Im Wahllokal barrierefrei wählen
Seit 1. Jänner 2024 gibt es neue Regelungen, die das Wählen für Menschen mit Behinderungen noch
leichter machen sollen.
In jedem Gebäude mit Wahllokalen muss zumindest ein Wahllokal barrierefrei erreichbar sein. In dem
Wahllokal muss auch eine Wahlzelle barrierefrei erreichbar sein.
Ob Ihr Wahllokal barrierefrei ist, steht in der amtlichen Wahlinformation.
Wenn Sie nicht in Ihrem Wahllokal wählen können, dürfen Sie in jedem anderen Wahllokal in Österreich
wählen. Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Ihr Wahllokal nicht barrierefrei ist.
Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte. Sie müssen die Wahlkarte rechtzeitig in Ihrer Gemeinde beantragen.
In das Wahllokal müssen Sie einen Lichtbild-Ausweis mitnehmen.
Das ist zum Beispiel:
• ein Reisepass
• ein Behinderten-Ausweis
• ein Führerschein oder
• ein Personal-Ausweis.
Wie können blinde und stark sehbehinderte Menschen wählen?
In jedem Wahllokal gibt es Stimmzettel-Schablonen.
Mit der Schablone können blinde Menschen den Stimmzettel ohne Unterstützung geheim ausfüllen.
Nach der Wahl nehmen Sie die Stimmzettel-Schablone mit.
Sie können in das Wahllokal einen Blindenführ-Hund mitnehmen.
Wer darf eine Begleitperson in die Wahlzelle mitnehmen?
Sie haben eine Behinderung und können nicht alleine wählen? Sie haben das Recht, dass Sie von einer
selbst ausgewählten Begleitperson dabei unterstützt werden.
Sie müssen der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter aber sagen, dass Sie mit dieser Begleitperson in die
Wahlzelle gehen wollen.
2. Die Briefwahl
Sie können auch mit Briefwahl wählen. Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte.
www.behindertenrat.at
21
Bundesministerium für Inneres
Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Sie am Wahltag nicht zu Hause sind. Sie können auch im
Ausland mit Briefwahl wählen. Sie können die Wahlkarte in der Gemeinde beantragen, wo Ihr Hauptwohnsitz
ist.
Seit diesem Jahr gibt es für blinde oder stark sehbehinderte Menschen eine
Wahlkarten-Schablone für die Wahlkarte. Sie können die Schablone bei Ihrer Gemeinde gemeinsam mit
der Wahlkarte beantragen.
Sie legen die Schablone über die Wahlkarte. Auf der Schablone gibt es ein großes Loch, damit Sie erkennen
können, wo Sie unterschreiben können.
Sie füllen den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst aus. Das heißt, Sie
wählen ganz alleine. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen. Sie entscheiden selbst, wie Sie
den Stimmzettel ausfüllen. Niemand darf Ihnen dabei zusehen.
Wann bekommen Sie Ihre Wahlkarte?
Die Behörde verschickt die Wahlkarten ungefähr 3 Wochen vor dem Wahltag. Sie können die Stimme
sofort abgeben, wenn Sie die Wahlkarte bekommen haben. Sie müssen nicht bis zum Wahltag damit
warten.
Sie können auch direkt bei der Gemeinde mit Briefwahl wählen, wenn Sie die Wahlkarte dort persönlich
abholen.
Die Wahlkarte ist ein weißes Kuvert, das Sie verschließen können.
In der Wahlkarte sind:
• der amtliche Stimmzettel und
• ein blaues Wahlkuvert.
Zusätzlich bekommen Sie eine Informations-Beilage in leichter Sprache.
Wie funktioniert die Briefwahl?
1. Nehmen Sie den amtlichen Stimmzettel und das blaue Wahlkuvert heraus.
2. Füllen Sie den amtlichen Stimmzettel selbst aus. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen.
Niemand darf Ihnen dabei zusehen.
3. Legen Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue Wahlkuvert.
4. Geben Sie das blaue Wahlkuvert in die weiße Wahlkarte zurück.
5. Auf der Wahlkarte gibt es ein Feld für die Unterschrift, die eidesstattliche Erklärung. Bitte unterschreiben
Sie dort. Wenn Sie blind sind und eine Wahlkarten-Schablone verwenden, können Sie dort
ein großes Loch im Karton ertasten. In diesem Feld müssen Sie unterschreiben.
6. Sie müssen mit Ihrer Unterschrift erklären, dass Sie den amtlichen Stimmzettel selbst, unbeobachtet
und wirklich genau so, wie Sie wollen, ausgefüllt haben.
7. Kleben Sie die Wahlkarte zu.
8. Die Wahlkarte muss rechtzeitig bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde ankommen.
22 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Sie können die Wahlkarte zum Beispiel:
• in einen Briefkasten der Post einwerfen,
• auf einer Post-Geschäftsstelle aufgeben
• bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde direkt abgeben oder
• in irgendeinem Wahllokal am Wahltag abgeben
Wenn Sie die Wahlkarte mit der Post schicken, ist das für Sie kostenlos. Die Wahlkarte muss spätestens
am Tag der Wahl bei der Bezirkswahl-Behörde angekommen sein. Werfen Sie die Wahlkarte daher schon
ein paar Tage vorher in den Briefkasten.
3. Fliegende Wahlbehörde
Möchten Sie wählen, obwohl Sie zum Beispiel krank sind oder nicht gut gehen können? Dann können
Sie den Besuch einer fliegenden Wahlbehörde beantragen.
Die fliegende Wahlbehörde ist eine besondere Wahlbehörde. Sie besucht Sie an dem Ort, an dem Sie am
Wahltag sind. Sie können dann dort Ihre Stimme abgeben.
Sie brauchen auch dafür eine Wahlkarte.
Die Wahlkarte und den Besuch der fliegenden Wahlbehörde müssen Sie bei Ihrer Gemeinde beantragen.
Es kostet nichts, wenn eine fliegende Wahl-Behörde zu Ihnen kommt.
Wie beantragen Sie eine Wahlkarte?
Sie können die Wahlkarte entweder persönlich oder schriftlich beantragen.
Schriftlich können Sie die Wahlkarte beantragen:
• mit der Post
• mit E-Mail
• über das Internet oder
• mit Fax.
Sie können die Wahlkarte nicht per Telefon beantragen!
Sie können die Wahlkarte schriftlich bis zum 5. Juni 2024 bei der Gemeinde beantragen. Sie können die
Wahlkarte persönlich bei der Gemeinde bis spätestens
7. Juni 2024 um 12 Uhr beantragen und bekommen sie gleich mit. Achtung: Die Wahlkarte ist nicht das
gleiche wie die amtliche Wahlinformation! •
Weitere Informationen
Auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres finden Sie noch mehr und
genauere Informationen zum Thema Wahlen. www.bmi.gv.at
Sie können ab 13. Mai 2024 auch diese Nummer anrufen,
wenn Sie noch Fragen haben: 08 00 20 22 20
www.behindertenrat.at
23
Menschenrechte
Ausgabe 2/2024
Menschenrechte – Basis für
Frieden und Demokratie
Von Felix Steigmann
Ein Europa, in dem die Menschenrechte von ALLEN Menschen geachtet, geschützt und gewährleistet
werden, ist ein Europa des Friedens und der Demokratie.
weiterer Krieg zwischen diesen beiden Ländern materiell
verunmöglicht werden. Heute ist ein Bahnhof unweit des
EU-Parlaments nach Robert Schuman benannt.
Foto: Leonid Andronov/Pixabay
Die Menschenrechte, wie wir sie heute kennen, entstanden
in Reaktion auf die Gräuel des 2. Weltkriegs
und des Holocaust: Die Nichtanerkennung
und Verachtung der Menschenrechte haben zu solchen
Akten der Barbarei, die das Gewissen der Menschheit mit
Empörung erfüllen, geführt. So steht es in der Präambel
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von
1948. In diesem Sinne sind die Menschenrechte ein
Projekt des Friedens, der Freiheit und der Gerechtigkeit.
Gleichzeitig war die Mitte des 20. Jahrhunderts noch
stark vom weit verbreiteten Kolonialismus europäischer
Mächte, dem nahenden Kalten Krieg sowie der Rassentrennung
in den USA geprägt. Ein kritischer und reflektierter
Blick auf den Entstehungskontext der Menschenrechte
ist also allemal lohnend. Und auch heute gehört
für viele Menschen Ausgrenzung, Diskriminierung und
die Verletzung ihrer Rechte und Würde zum Alltag. In Österreich
und auch darüber hinaus. Dass eine Welt, in der
die Menschenrechte gelebt – und nicht nur postuliert
werden – eine friedliche(re) Welt ist, kann jedoch als
unbestritten angesehen werden. Es sind die Menschenrechte
in diesem Sinne wohl ein laufender Prozess.
Ähnliches gilt für die Europäische Union (EU). Auch sie
ist ein Friedensprojekt. Durch engere Zusammenarbeit
sollte die Wirtschaft gefördert, der Wohlstand gestärkt
und so Frieden garantiert werden. Frankreichs damaliger
Außenminister Robert Schuman sah in der sogenannten
Schuman-Erklärung von 1950 die Zusammenlegung der
Kohle- und Stahlindustrien der ehemaligen Weltkriegsparteien
Frankreich und Deutschland vor. So sollte ein
Eben jenes Parlament, das die Interessen von circa 450
Millionen Europäer*innen vertritt, wird in der Zeit von
6. bis 9. Juni 2024 neu gewählt. Zur Wahl treten jedoch
nicht nur Parteien an, die die Grundwerte der EU – die
Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,
Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der
Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten
angehören 1 – achten. Es stellen sich Parteien der
Wahl, die diese Werte unverhohlen mit Füßen treten und
mit populistischer Rhetorik auf die Spaltung der Gesellschaft
abzielen, Menschen für ihre Ziele gegeneinander
ausspielen und gegen Minderheiten hetzen. Es sind
genau solche Parteien, die den Frieden in der EU gefährden.
Es liegt an den Wähler*innen in Österreich und den
anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten, in welche Richtung
sich das Projekt EU weiterentwickelt. Mit ihren Stimmen
können sie einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der
Menschenrechte und damit zu einem friedlichen Miteinanders
ALLER Menschen in der EU leisten. •
1
Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union https://eur-lex.europa.eu/
legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012M002
Anzeige
24
www.behindertenrat.at
Recht
Ausgabe 2/2024
Wie der Behindertenrat
Gleichstellung durchsetzt
Von Martin Ladstätter
Seit dem Jahr 2006 definiert das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in Österreich
klare Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung. Menschen mit Behinderungen
haben die Möglichkeit, bei Diskriminierungserfahrungen rechtliche Schritte einzuleiten. Eine
weniger bekannte Facette dieses Gesetzes ist die Ermöglichung von Verbandsklagen durch Organisationen
wie den Österreichischen Behindertenrat, den Klagsverband und die Behindertenanwaltschaft,
wenn Diskriminierungen eine größere Gruppe betreffen.
Über 15 Jahre Engagement
Der Behindertenrat intensivierte in
den letzten zwei Jahren seine Bemühungen
zur Durchsetzung von Rechten.
Seit der Einführung des BGStG
im Jahr 2006 ist der Behindertenrat
berechtigt, Verbandsschlichtungen
und Verbandsklagen durchzuführen
und nutzte diese Befugnis erstmals
2007.
Anfängliche Hürden im BGStG erschwerten
die vollständige Nutzung
dieses Instruments, das erst durch
eine Gesetzesrevision im Jahr 2017
effektiver gestaltet wurde.
Entwicklungen der letzten
zwei Jahre
In jüngster Zeit startet der Behindertenrat
mehrere Verbandsschlichtungen,
indem er Unternehmen auffordert,
diskriminierende Praktiken zu
ändern. Dies führte zu sofortigen Anpassungen
bei drei Versicherungsunternehmen.
Ein Versicherungsschutz
wird seither nicht mehr verweigert.
Sollten solche Aufforderungen erfolglos
bleiben, leitet der Behindertenrat
rechtliche Schritte ein.
Sieben Verbandsschlichtungen
„Verbandsschlichtungen geben uns
die Möglichkeit, mit den Schlichtungspartnern
Vereinbarungen zu
treffen, die das Leben vieler Menschen
mit Behinderungen direkt verbessern“,
erklärt Bernhard Bruckner,
der im Bereich nationales Recht und
Sozialpolitik beim Behindertenrat
tätig ist.
In den letzten zwei Jahren wurden
sieben Verbandsschlichtungen im
Bereich Mobilität (Wiener Linien),
Versicherungsschutz (Allianz Elementar
Versicherungs-AG, Generali Versicherung
AG, Helvetia Versicherungen-AG,
Wüstenrot Versicherungs-AG
und Zürich Versicherungs-AG) sowie
Barrierefreiheit (Alpin Gastronomie
GmbH) eingeleitet.
Drei Schlichtungen wurden erfolgreich
abgeschlossen, zwei Schlichtungen
laufen noch und zwei Schlichtungen
scheiterten.
Zwei Verbandsklagen
Wenn Verbandsschlichtungen scheitern,
stehen dem Österreichischen
Behindertenrat Verbandsklagen als
nächster Schritt zur Verfügung. In
den letzten vier Monaten wurden
zwei Verbandsklagen eingeleitet.
Die Zürich Versicherungs-AG erkannte
erst nach der Klagseinleitung, dass
der Österreichische Behindertenrat
die Interessen mit Nachdruck umsetzt.
Sie bot an (und setzte dies
dann auch um), alle angefallenen
Foto: NoName_13/Pixabay
Kosten zu übernehmen und vollumfänglich
unseren Forderungen im
Rahmen eines Vergleichs nachzukommen.
Erst kürzlich wurde eine weiter Verbandsklage
gegen die Alpin Gastronomie
GmbH eingereicht.
„Mit dieser Verbandsklage wollen
wir ein für alle Mal durch ein Gericht
feststellen lassen, dass das Vorhandensein
eines barrierefreien WCs ein
integraler Bestandteil eines Gastronomiebetriebs
ist, gerade dann,
wenn der Betrieb erst nach Inkrafttreten
des BGStG eröffnet wurde“,
erläutert Bernhard Bruckner.
Dieser fortlaufende Einsatz des Österreichischen
Behindertenrats zeigt
dessen entscheidende Rolle bei der
Durchsetzung der Rechte von Menschen
mit Behinderungen in Österreich.
•
www.behindertenrat.at
25
Gastbeitrag
Ausgabe 2/2024
Entdecke die Welt mit Martin
Ein Rollstuhlfahrer im Europäischen Solidaritätskorps
Von Makbule Temel, Grenzenlos
Stell dir vor, du gehst auf ein aufregendes Abenteuer in ein anderes Land! Genau das hat Martin
Rieger gemacht. Für 10 Monate war er 2019 in Avilés, einer Stadt in Spanien. Dort hat er
mit anderen Freiwilligen gelebt und gearbeitet. Die Kosten für die Reise, Unterkunft und Assistenz
wurden vom Europäischen Solidaritätskorps (ESK) bezahlt. Was ist das ESK überhaupt?
Wer kann mitmachen und was bringt es? Warum ist es wichtig für uns und Europa?
Martin Rieger ist heute 33 Jahre alt und Rollstuhlfahrer
und verbrachte 10 Monate in einem
ESK-Projekt in Avilés, Spanien. Kurz vor seinem
31. Geburtstag startete er sein Langzeit-Projekt. Seine
Hauptaufgaben waren vor allem im kreativen Bereich.
Er gestaltete Videos und Fotos für seine Organisation in
Spanien.
Was ist das Europäische Solidaritätskorps
(ESK)?
Das ESK ist ein Programm für Menschen zwischen 18 und
30 Jahren in Europa. Damit haben sie die Möglichkeit
einen Freiwilligendienst zu machen. Es ist möglich den
Freiwilligendienst in Österreich zu machen oder ins Ausland
zu gehen.
Wie lange dauert ein Freiwilligendienst?
Der Freiwilligendienst kann zwischen 2 und 12 Monate
lang sein.
Wer bezahlt das?
Das ESK bezahlt die Reise, ebenso wie die Wohnung und
die Verpflegung. Und ganz besonders wichtig: Das Programm
kann auch die Kosten für Persönliche Assistenz
übernehmen.
Warum ist das ESK wichtig für Europa?
Das ESK fördert Solidarität und interkulturellen Austausch.
Mit dem Freiwilligendienst lernen sich viele
Menschen kennen. Sie lernen über andere Länder und
Kulturen. Weil sie sich gegenseitig unterstützen, wird
von Solidarität gesprochen.
Wie funktioniert die Vermittlung?
Der Verein „Grenzenlos“ organisiert regelmäßig Infonachmittage.
Es ist auch möglich, einen persönlichen
Termin auszumachen. Dort erfährt man alles zum Programm
gemeinsam mit Grenzenlos wird ein passendes
ESK-Projekt gesucht.
In Wien arbeitet der Verein “Grenzenlos” in Kooperation
mit “WIENXTRA-Jugendinfo”, um den ESK möglich zu
machen. Das Programm heißt “Melange” Darum sind
Informationen auf www.melange.wien. zu finden.
Die persönliche Entwicklung durch das ESK
Das ESK bietet Menschen wie Martin die Chance, ihre
eigenen Fähigkeiten und sich persönlich weiterzuentwickeln.
Das kann Vieles sein. Man kann eine Sprache
verbessern oder neu lernen oder neue Arbeitsfelder kennenlernen
und ausprobieren. Jedes ESK-Projekt leistet
auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft.
Martins Erfahrungen zeigen, dass ein ESK-Projekt nicht
nur eine Herausforderung, sondern auch eine bereichernde
Lebenserfahrung ist. Obwohl es schwierig war,
26
www.behindertenrat.at
während der Pandemie im Ausland zu sein, sagt Martin
über seine Erfahrungen: “Es wird Probleme geben aber
lass dich nicht entmutigen. Man muss nicht alles erreichen,
ich wollte Spanisch lernen - bin aber gescheitert.
Dafür ist mein Englisch um Welten besser geworden. Das
ist ein großartiges Projekt und eine einmalige Chance,
also trau dich!”
Martin ist heute Vorstandspräsident des Vereins “Grenzenlos”
und unterstützt die Idee des Freiwilligendienstes
von Herzen. Wer einen Einblick in Martins Zeit in
Spanien haben möchte, kann sich sein Video ansehen:
https://ogy.de/volunteer •
Weitere Informationen
zu (inklusiven) Freiwilligeneinsätzen innerhalb und
außerhalb Europas
www.volunteering.at und www.melange.wien
Anzeige Anzeige
Anzeige
ÖSTERREICH
HAT GLÜCK...
...und Glück ist vielfältig. Wir übernehmen Verantwortung
in Österreich und leben, was vielen Menschen
wichtig ist: Spielerschutz, Compliance und soziales Engagement
. Wir sind größter Sportförderer unseres
Landes, unterstützen zahlreiche Kulturprojekte und machen
sie mit den Lotterien Tagen einfach erlebbar. Wir
fördern soziale Anliegen im Sinne der Gesellschaft, wie
z.B. Special Olympics Österreich. Damit möglichst viele
Menschen in Österreich am Glück teilhaben können.
sponsoring.lotterien.at, lotterientag.at
www.behindertenrat.at
27
Gastbeitrag
Ausgabe 2/2024
Ohne Erwachsenenvertretung kein
Platz im Pflegeheim?
Von Karina Lokosek, VertretungsNetz
VertretungsNetz kritisiert: Keine gesetzliche Grundlage für „automatische“
Erwachsenenvertretungen oder Bürgschaften.
nicht, zu widersprechen. Sie kontaktieren Vertretungs-
Netz, um eine gesetzliche Erwachsenenvertretung für ihr
Familienmitglied registrieren zu lassen – um verzweifelt
festzustellen, dass das nicht möglich ist, wenn „nur“
eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt und Entscheidungsfähigkeit
noch ausreichend vorhanden ist.
Foto: Johannes Zinner
Angehörige stehen oft unter hohem Druck, stationäre
Pflege zu organisieren, wenn Familienmitglieder
zuhause nicht (mehr) betreut werden können.
Doch bei der Anmeldung für einen Heimplatz verlangen
Behörden immer öfter eine bestehende Erwachsenenvertretung
oder aktive Vorsorgevollmacht – egal, ob
zukünftige Bewohner*innen aktuell entscheidungsfähig
sind oder nicht.
„Man kann nicht automatisch für jede*n Heimbewohner*in
eine Erwachsenenvertretung bestellen, um die
eigenen Abläufe zu vereinfachen. Das wäre menschenrechtswidrig
und kommt einer Entmündigung gleich“,
stellt Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung
bei VertretungsNetz, klar. Entscheidungsfähigkeit
muss individuell beurteilt werden.
Davon abgesehen: Die Anmeldung für einen Pflegeplatz
ist eine „Bedarfsbekundung“, kein Rechtsgeschäft. Eine
rechtsgeschäftliche Entscheidungsfähigkeit kann daher
nicht Bedingung dafür sein. Bedarfsanmeldungen sind
wenig konkret, sozusagen nur eine Reservierung: Lage,
Zimmer und Ausstattung des Pflegeplatzes sind noch
unbestimmt. Wer garantiert bei einer langen Warteliste,
dass der Anmeldung ein konkretes Angebot folgt, das
den Erwartungen und dem individuellen Bedarf entspricht?
Angehörige sind jedoch oft auf das Pflegeangebot der
Länder und Gemeinden angewiesen und trauen sich
Manche Behörden versuchen seit einiger Zeit außerdem,
durch Bürgschaften einen befürchteten Zahlungsausfall
zu verhindern. „Die Angehörigen sollen für den Fall, dass
ein kostenpflichtiger Kurzzeit- bzw. Übergangspflegeplatz
nicht bezahlt wird, vorab eine Haftungserklärung
abgeben. Uns sind Fälle bekannt, wo Zahlscheine von
hohen Summen an Familien ausgestellt wurden. Es gibt
für solche Bürgschaften jedoch keine gesetzliche Grundlage“,
erläutert Marlovits.
Diskriminierungen bleiben bestehen
Das Erwachsenenschutzgesetz orientiert sich am menschenrechtlichen
Begriff von Behinderung und sieht vor,
dass auch Personen mit Beeinträchtigungen, abhängig
von der Situation und erforderlichenfalls mit Unterstützung,
selbstbestimmt entscheiden. Das gilt auch,
wenn sie eine Erwachsenenvertretung haben. Leider ist
dieser Teil des Gesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention
in der Praxis noch zu wenig angekommen.
Immer noch werden Menschen oft ausschließlich anhand
einer medizinischen Diagnose beurteilt – ein veraltetes,
defizitäres Modell von Behinderung, das Betroffene diskriminiert
und in ihrer Selbstbestimmung einschränkt.
Salzburg baut seit einiger Zeit noch zusätzliche Hürden
auf. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden
in Seniorenwohnhäusern der Stadt seit einigen Jahren
nicht mehr aufgenommen. Man müsse die Pflegekräfte
vor aggressivem Verhalten schützen, so die stigmatisierende
Argumentation, die psychisch erkrankte Menschen
pauschal als „gefährlich“ verdächtigt.
„Wir fordern ein Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung,
immerhin trägt Salzburg stolz den Titel Menschenrechtsstadt“,
so Norbert Krammer, Bereichsleiter
Erwachsenenvertretung für die Region. •
28
www.behindertenrat.at
Gastbeitrag
Ausgabe 2/2024
Mit meinem Text wollte ich
Jugendliche wachrütteln
Von Esther Scheer, Das Band
Fatih Duran gewann mit seinem eindringlichen Text einen der Hauptpreise beim diesjährigen
Literatur-Wettbewerb des Vereins Ohrenschmaus.
Fatih Duran, seit Mai 2023 Klient in der
Tagesstruktur bei DAS BAND wurde für
seinen Text „Manchmal höre ich Stimmen“
ausgezeichnet. Foto: Esther Scheer
In seiner persönlichen Geschichte
„Manchmal höre ich Stimmen"
verarbeitet Fatih Duran seine
herausfordernden Erfahrungen mit
Drogen. Sein Text wurde ebenfalls
mit dem Hauptpreis ausgezeichnet
und dient nicht nur als Warnung
für andere, sondern vorallem auch
als ermutigendes Zeugnis dafür,
dass ein Neubeginn möglich ist. Es
ist eine kraftvolle und drastische
Erzählung, die andere davor warnen
möchte, in dieselben Abgründe zu
geraten, wie der Erzähler selbst.
Spontaner Entschluss
Duran entschied sich spontan dazu,
am Wettbewerb Ohrenschmaus
teilzunehmen, nachdem eine Mitarbeiterin
bei DAS BAND ihn darauf
aufmerksam gemacht hatte. „Wir
waren gerade mit unseren Arbeiten
in der Tagesstruktur fertig und die
neue Lieferung ist noch nicht gekommen.
Eine der Sozialarbeiter*innen
ist auf mich zugekommen und
hat mir davon erzählt", schildert
er. „Ich schreibe gerne, also dachte
ich mir, warum nicht? Ich wollte
etwas Persönliches teilen und meine
eigene Geschichte erzählen. Also
habe ich ganz spontan meinen Text
geschrieben.“
Duran, der jahrelang mit Drogenabhängigkeit
kämpfte, wollte besonders
Jugendliche warnen. „Ich
bin selbst in die Falle getappt und
wollte anderen zeigen, was passieren
kann.", erklärt er.
Überraschende Nachricht
und stolze Familie
„Als ich den Anruf erhielt, war ich
voller Freude", erzählt Duran. „Es
war ein echt schönes Gefühl, zu
erfahren, dass ich gewonnen habe.
Meine Familie konnte es kaum glauben!
Alle waren stolz auf mich.“
Die Preisverleihung als bewegender
Moment
Sein Text wurde von Markus Hering
vorgetragen. „Als mein Text vorgelesen
wurde und alle im Saal
applaudierten, war das wirklich
schön", sagte er mit einem strahlenden
Lächeln. Die Freude über den
Gewinn des Hauptpreises sowie den
zusätzlichen Preis, einen Laptop, ist
groß. „Ich bin überglücklich über
das Preisgeld und den Laptop. Mein
Handy ist kaputt gegangen, aber
jetzt kann ich mir endlich ein neues
kaufen", fügt er hinzu.
Fatih Duran hat sich entschieden,
seine alten Freunde hinter sich zu
lassen. „Mir ist lieber, ich habe
wenige gute Freunde als viele, die
nicht gut für mich sind und einen
schlechten Einfluss auf mich haben",
erklärt er bestimmt.
Für die Zukunft wünscht sich Herr
Duran eine feste Arbeitsstelle „Ich
mag die Tätigkeit in der Tagesstruktur
bei DAS BAND, sie tut mir sehr
gut, aber langfristig hätte ich gerne
eine Anstellung.“
"Ich möchte meine Geschichte gerne
weiterschreiben, denke aber nicht,
dass ich noch einmal gewinnen
werde", merkt er lachend am Schluss
an.
Auszüge aus seinem Text
Hin und Her vergingen die Jahre
und wir waren Jugendliche geworden.
… Wir treffen uns mit den
Freunden weiterhin nach der Arbeit
im Park wir hatten alle neue Sachen
und Ideen im Kopf, die wir auch ausprobieren
wollten (…)
… anfangs war es ein schönes Gefühl
so dass ich glaubte das ich in
den Wolken schwebe, dann auf einmal
drehte sich alles und auf einmal
hörte ich Stimmen.
Ich bin derzeit viel gesünder und es
geht mir auch schon viel besser ich
bin auch wieder Arbeiten in einer
Tagestruktur … ich möchte eigentlich,
dass die heutige Jugend davon
erfährt was Drogen mit einem so
anrichten und die Finger davon bitte
lassen. •
www.behindertenrat.at
29
Lebensqualität durch Inklusion
Ausgabe 2/2024
integra ® 2024
Alle zwei Jahren treffen sich Expert*innen, Fachpersonal
sowie Menschen mit Behinderungen und pflegende Angehörige
aus ganz Österreich bei der integra® in der Messe
Wels. Im Rahmen der Messe für Rehabilitation, Prävention,
Integration und Pflege werden neue Entwicklungen und
Trends im Bereich der Mobilität sowie Hilfsmittel und Technologien
präsentiert. Vertreter*innen des Österreichischen
Behindertenrats sind am 5. und 6. Juni am Stand von Fokus
Mensch anzutreffen.
Die integra® bietet von 5. bis 7. Juni 2024 auch
ein breites Angebot an Vorträgen und Workshops.
Unter dem Motto "Lebensqualität durch Inklusion"
wurden bei der Auswahl der mehr als 40 Vorträge und 20
Workshops neben den zentralen Themenblöcken Pflege
und Pflegezukunft, Therapie und Inklusion auch Fragestellungen
aus Bereichen wie beispielsweise berufliche
Integration, rechtliche Aspekte, Psycho-Hygiene, Demenz,
Digitalisierung und Technologien aufgegriffen.
Auszug aus dem umfangreichen Vortragsund
Workshopprogramm
5. Juni, 11:00 Uhr: Gleichstellungsrecht und
UN-Konvention
Vortrag von Bundesbehindertenanwältin Christine Steger
5. Juni, 12:00 Uhr: Sucht – Behinderung –
Selbstbestimmung
Vortrag von Georg Preitler, Mitarbeiter der Sucht- und
Drogenkoordination Wien
5. Juni, 14:00 Uhr: Ein Leben mit Parkinson,
nur zittern?
Vortrag von Michaela Steffelbauer, Karin Sommerhuber
und Christian Sommerhuber
5. Juni, 15 Uhr: Erste Hilfe für die Seele
Vortrag von Andrea Viertelmayer
6. Juni, 10 Uhr: Demenz geht uns alle an
Vortrag von Christina Kuhn
6. Juni, 10 Uhr: Das ParaWG Konzept
Vortrag von Stefan Staubli und Urban Schwegler
6. Juni, 10 Uhr: Besser Arm ab als arm dran
Vortragskabarett von Martin Fromme
6. Juni, 11 Uhr: Evidenzbasierte berufliche
Integration
Vortrag von Stefan Staubli und Urban Schwegler
6. Juni, 14 Uhr: Arbeiten, wo alle arbeiten
Vortrag von Barbara Elsherif und Gabriele Ruis
6. Juni, 14 Uhr: Die vier Säulen des
Erwachsenenschutzgesetzes
Vortrag von Wolfgang Stütz
6. Juni, 14 Uhr: Personenzentrierte Zukunftsplanung
Vortrag von Peter Grundner und Eva Maria Maringer
6. Juni, 15 Uhr: Mein Weg in die berufliche
Selbständigkeit
Vortrag von Nicola Vogl
6. Juni, 15 Uhr: Autismus-Spektrum in aller
Munde – weshalb?
Vortrag von Sonja Metzler
6. Juni, 15 Uhr: Glückliches Händchen
Vortrag von Martin Fromme
7. Juni, 10 Uhr: Zeit für Sexualität und Intimität
Vortrag von Anna Wolfesberger
7. Juni, 10 Uhr: Persönliche Assistenz
Vortrag von Gernot Larsen und Werner Gasperlmair
7. Juni, 10 Uhr: Unterstützte Kommunikation
im Alltag
Vortrag von Petra Zehentner
7. Juni, 11 Uhr: Pflegegeldverfahren aus
juristischer Sicht
Vortrag von Wolfgang Stütz
7. Juni, 11 Uhr: Assistenz, Unterstützung und
Betreuung
Vortrag von Dominic Haberl und Johannes Schwabegger
7. Juni, 11 Uhr: Die Welt mit anderen Augen sehen
Vortrag von Susanne Breitwieser •
Messedetails auf einen Blick
integra 2024
5. – 7. Juni 2024
Veranstalter:
Messe Wels GmbH
www.integra.at
Öffnungszeiten
MI & DO 9:00 – 17:30 Uhr
FR 9:00 – 16:30 Uhr
30
www.behindertenrat.at
Barrierefreiheit
Ausgabe 2/2024
Inklusiv und klimafreundlich reisen.
Der neue ÖBB Railjet
macht es möglich.
Von Emil Benesch
Seit 8. April 2024 ist der neue ÖBB Railjet auf Schiene. Er verbindet tagsüber München, Innsbruck,
Bozen, Verona und Bologna. Die Planung des neuen Railjet hat die inklusive Planungsgruppe
des Österreichischen Behindertenrates über 5 Jahre mit Empfehlungen und Tests zur
Weiterentwicklung der Barrierefreiheit unterstützt. Anfang Februar konnten die Expert*innen
mit Behinderungen den neue ÖBB Fernverkehrszug von Siemens erstmals testen. Was können
Menschen mit Behinderungen vom neuen Zug erwarten?
Mit barrierefreiem Einstieg
Eine Besonderheit im Fernverkehr
ist der Niederflureinstieg. In sieben
von neun Waggons des Zuges ist ein
stufenloser, niveaugleicher Einstieg
möglich – sofern die Bahnsteighöhe
550 Millimeter beträgt. Bei anderen
Bahnsteighöhen kann per Rampenanforderungstaster
das Auslegen
einer Rampe beim Bordpersonal angefordert
werden. Die Rampenanforderungstaster
befinden sich außen
in der Bordwand des Zuges und im
Innenbereich nahe der Eingangstüre.
Personen, die einen Rollstuhl
nutzen, können den Zug gleichberechtigt,
wie alle anderen auch,
ohne Voranmeldung aufsuchen. Mit
der Reservierung eines Platzes im
Zug ist allerdings ein Vorrecht verbunden.
Die ÖBB empfehlen deshalb
für die drei Rollstuhlplätze im Zug
eine Anmeldung.
Die inklusive Planungsgruppe bei der Vorstellung des Zuges am
Wiener Westbahnhof.
… auch für blinde und sehbehinderte
Menschen
Neben den Einstiegsbereichen des
Zuges zeigen LED-Displays außen
das Zugziel und die Wagennummer
an. Mit weißer Schrift auf schwarzem
Grund wird maximaler Kontrast
und bestmögliche Lesbarkeit erzielt.
Menschen mit Sehbehinderungen
wird das Auffinden der Einstiegsbereiche
durch eine weithin sichtbare,
breite, weiße Türumrandung
erleichtert. Der Türtaster selbst ist
durch einen Ring aus grün leuchtenden
LED-Lampen schnell auffindbar.
Wenige Zentimeter neben dem
Türtaster ertönt der Türsignalton.
Blinde Menschen orientieren sich
am Türsignalton und finden so zu
Einstiegsbereich und Türtaster. Das
gefährliche und zeitraubende Entlangtasten
am Zug bis die Türe gefunden
ist, bleibt blinden Menschen
beim neuen Railjet erspart.
Fotos: Andrea Strohriegl
Auch die Niederflureinstiege des
neuen Railjet sind für Menschen mit
Sehbehinderungen und blinde Menschen
von großem Vorteil. Durch
den bei Türöffnung ausfahrenden
Schiebetritt wird der Spalt zwischen
Bahnsteig und Wagon überbrückt.
„Man kann dadurch leichter und
bequemer einsteigen und es besteht
nicht die Gefahr, dass man mit dem
Fuß zwischen Bahnsteig und Wagon
hineinrutscht“, freut sich Wolfgang
Kremser, aktives Mitglied der inklusiven
Planungsgruppe. Auch die
www.behindertenrat.at
31
Barrierefreiheit
Die Sitzplatzmarkierungen sind
kontrastreich und tastbar.
Foto: ÖBB/Iwo Klimczak
vertikale Griffstange im Türbereich
ist eine gute Lösung, weil sie so
montiert ist, dass sie zum Ein- und
Aussteigen mit der Hand ergriffen
und genutzt werden kann.
Zum Sitzplatz
Nach dem niveaugleichen Einstieg
sind die meisten der Sitzplätze im
Zug stufenlos zu erreichen. Bei der
Orientierung im Zug helfen kontrastreiche
und tastbare Schienen, die
den Mittelgang in den Großraumwägen
begrenzen. Der eigene Sitzplatz
wird per Sitzplatzmarkierung
gefunden. Sie sind an den Kopfstützen
der Sitzplätze angeordnet. Im
ganzen Zug sind die Sitzplatzmarkierungen
kontrastreich und tastbar
ausgeführt. So können alle, auch
Menschen mit Sehbehinderungen
und blinde Menschen, ihren Platz im
Zug gut und zügig finden.
Jeder Sitzplatz in der 1. und 2.
Klasse verfügt über eine eigene
Leselampe, eine Steckdose, eine
USB-Ladebuchse und eine induktive
Ladestation für das kabellose Laden
des Smartphones. Neue mobilfunkdurchlässige
Fensterscheiben sorgen
im ganzen Zug für verbesserten,
stabilen Handyempfang. Die Kleiderhaken
bei den Sitzplätzen sind
so montiert, dass Kleidungsstücke
nicht den Blick durchs Fenster verstellen.
Manche Sitze sind etwas erhöht. An
diesen Plätzen können Reisende ihr
Gepäck direkt unter dem eigenen
Platz verstauen ohne Gepäcksstücke
mühsam hochheben zu müssen.
Zusätzlich gibt es im ganzen Zug
verteilt Gepäcksablagen mit einer
Versperrmöglichkeit per PIN-Code.
Gepäckstücke können dort mittels
eines Stahlseils, das um den Griff
des Gepäckstücks gewickelt wird, gesichert
werden.
Aufgewertete Abteile
Personen, die Ruhe, Abstand oder
Privatsphäre schätzen – u.a. auch
Menschen mit psychischen Erkrankungen
– könnte neben den bekannten
Ruhezonen die Rückkehr der
Abteile freuen. Im neuen Zug stehen
Abteile für vier oder sechs Personen
zur Verfügung. Die Sechser-Abteile
sind mit einem großen Tisch ausgestattet.
Über ein Touchpanel kann im Abteil
das Licht heller oder dunkler geschaltet
werden. Es kann die Farbwahl
des Lichtes gewählt und die
Temperatur im Abteil eingestellt
werden. Das Panel ist tastbar gestaltet
und auch für blinde Menschen
bedienbar. Zusätzlich gibt es im
Abteil eine Anzeige, ob die nächstgelegene
Toilette frei verfügbar ist.
PRM-Abteil
Im sechsten der neun Wägen des
neuen Railjet befindet sich der PRM-
Bereich. Ein Deckensensor sorgt für
automatische Türöffnung am Weg in
das PRM-Abteil. PRM steht für „Persons
with Reduced Mobility“. Hier
können Personen mit Mobilitätseinschränkungen
und Menschen ohne
Behinderungen gemeinsam reisen.
Es gibt drei Plätze für Nutzer*innen
von Rollstühlen. Ihnen gegenüber
nehmen jeweils zwei Personen ohne
Behinderungen Platz. So wird das
Reisen mit Freund*innen, Familie
oder persönlichen Assistent*innen
ermöglicht. Auch das Umsetzen vom
Rollstuhl auf einen Sitzplatz gegenüber
ist hier möglich.
Auf Ersuchen des Behindertenrats
wurden die Plätze für Personen mit
Rollstuhl so ausgestattet wie alle
anderen Sitzplätze im Zug. So wurde
der Tisch vergrößert. Dadurch ist
jetzt auch am Rollstuhlplatz ein
Arbeiten mit Computer möglich.
Die Rollstuhlplätze verfügen über
eine Leselampe mit weißem Lichtschalter
und eine USB-Steckdose.
Für Personen, die mit einen Elektrorollstuhl
unterwegs sind, steht auch
eine passende Steckdose (230 Volt)
zum Laden der Akkus bereit.
Mit dem blauen Service-Ruf-Taster
kann vom Rollstuhlplatz Personal
aus dem Bistro Wagen gerufen
werden, um Getränke und Speisen
zu bestellen. Getränke und Speisen
werden an den Platz im PRM-Abteil
gebracht. Das Bistroabteil selbst ist
mit Rollstuhl nicht erreichbar. Der
gelb umrandete Nottaster funktioniert
auch als Notsprechstelle.
Mikrofon und Lautsprecher ermöglichen
die Kommunikation mit Zugpersonal.
Die Rollstuhlplätze sind in einem
Wagen der Economy Class platziert,
sie entsprechen dabei jedoch dem
Servicekonzept der First Class (inkl.
Am-Platz-Service).
Nutzungskonflikte werden
vermieden
Beim neuen Railjet wurden Fehler
der Vergangenheit nicht wiederholt.
Im neuen Zug werden Zonen klar
zugeordnet. Bereiche zur gemischten
Nutzung führen in Verkehrsmit-
32 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2024
Die barrierefreie Universaltoilette.
teln regelmäßig zu unangenehmen
Situationen und Konflikten zwischen
Nutzer*innen von Rollstühlen, Fahrrädern
und Personen mit Kinderwägen.
Das Recht des Stärkeren kommt
zur Anwendung, oder das Motto:
Wer zuerst kommt, malt zuerst. Menschen
mit Behinderungen erfahren
in Zonen gemischter Nutzung regelmäßig
Diskriminierung. Gut, dass es
im neuen Railjet durch vorausschauende
Raumaufteilung nicht so weit
kommt. Hier haben Nutzer*innen
von Rollstühlen, Fahrrädern und Skiern
und Personen mit Kinderwägen
jeweils eigene Bereiche.
Barrierefreie
Universaltoilette
Im Anschluss an die Rollstuhlstellplätze
befindet sich eine barrierefreie
Universaltoilette mit einem
Wendekreis von 150 Zentimetern.
Das barrierefreie WC verfügt über
eine klappbare Haltestage und seitlich
Platz zum Anfahren. 2 Spültaster
und mehrere Notrufknöpfe
stehen zur Verfügung. Alle Taster
und Piktogramme sind kontrastreich
und tastbar ausgeführt. Die Nutzung
von Seife, Wasser, Handföhn und
Desinfektionsmittel erfolgt, dank
Sensoren, berührungslos. In der
Rückwand der Toilette befindet sich
ein herausklappbarer Wickeltisch.
Foto: Emil Benesch
Der neue Railjet bietet Informationen
zur Bahnfahrt auch auf Bildschirmen,
an die man sich annähern
kann. So können auch Personen mit
Sehbehinderungen lesen, was am
Bildschirm geschrieben ist. Annäherbare
Bildschirme sind etwa in allen
Eingangsbereichen zu finden. Ebenso
findet sich bei allen Einstiegsbereichen
eine Notrufsprechstelle.
Weitere Optimierungen
Abstimmungen zu Verbesserungen
sind ein laufender Prozess und nie
zu Ende. Beim Test des neuen Railjet
durch die inklusive Planungsgruppe
wurde mit der für das Innendesign
verantwortlichen Mitarbeiterin der
ÖBB besprochen, wo die geplante
Ausstattungselemente am Rollstuhlplatz.
Rollo Stange befestigt und wie sie
verwendet werden könnte.
Der Behindertenrat ersucht die ÖBB,
auch weiter an Optimierungen zu
arbeiten. So wurde eine Metallschiene,
die zum Erreichen und Verlassen
des Rollstuhlplatzes überfahren
werden muss, als sehr unangenehm
wahrgenommen. Wir ersuchen zu
prüfen, ob eine Verlegung oder Entfernung
möglich ist.
Der neue ÖBB Railjet ist ein gutes
Beispiel dafür, wie Mobilität eigenständig
nutzbar, barrierefrei und
inklusiv gestaltet werden kann.
Expert*innen mit Behinderungen
der inklusiven Planungsgruppe des
Österreichischen Behindertenrats
haben seit November 2018 die ÖBB
bei der Entwicklung des neuen Railjets
beraten. Die Offenheit der ÖBB
und die Partizipation von Menschen
mit Behinderungen haben maßgeblich
zur Qualität des neuen Railjet
beigetragen. So konnten Lösungen,
die über den gesetzlichen Mindeststandards
liegen, realisiert werden.
Der Österreichische Behindertenrat
dankt den ÖBB und wünscht eine
gute Reise! •
Foto: Emil Benesch
www.behindertenrat.at
33
Buchrezensionen
Ausgabe 2/2024
Vielfalt – Das andere Wörterbuch
Rezension von Andrea Strohriegl
Was heißt eigentlich Neurodiversität? Und was sind FLINTA? Von Ableismus
über Gendern bis zu Zionismus: der neue Duden der Vielfalt möchte
Begriffe rund um Vielfalt und Diversität verständlich machen.
Sebastian Pertsch hat sich das Ziel gesetzt, die Vielfältigkeit der deutschen
Sprache zu dokumentieren und greifbar zu machen. Dazu wurden
100 Autor*innen gebeten, 100 Worte zu definieren und erklären. Diese 100
Blickwinkel sollen dazu beitragen, die Vielfalt unserer Sprache möglichst
facettenreich darzustellen und die Bedeutung von sprachlicher Sensibilität
näherzubringen.
Warum sollte man nicht von „Familiendramen“, sondern „Femiziden“ sprechen?
Warum ist von Personen die Rede, die „an den Rollstuhl gefesselt sind“
und nicht von Personen, die einen Rollstuhl nutzen? Diese und viele weitere
Beispiele werden erläutert. Dabei soll es nicht um „pedantisches Besserwissen“
oder eine „Sprachpolizei“ gehen, sondern um das Wissen, was hinter
den Worten steckt und wie Herausforderungen, die sie benennen, gesellschaftlich
gelöst werden können.
Ein praktischer und lehrreicher Leitfaden für alle Personen, die sich für inklusive
und sensible Sprache interessieren und ihre Horizonte erweitern wollen. •
Cover: Duden
Sebastian Pertsch (Hrsg.)
Vielfalt. Das andere Wörterbuch.
Duden 2024
ISBN 978-3-411-75601-8
Preis: 28,00 EUR
Stoppt Ableismus!
Ableismus überwinden! Ein
Handbuch für Veränderung und
Empowerment.
„Noch immer verhindern Berührungsängste
einen Dialog über Ableismus.
So bleiben nahezu 15 Prozent
der globalen Bevölkerung von der
Gesellschaft ausgeschlossen.“, so
die Autorinnen Anne Gersdorff und
Karina Sturm. Anne nutzt einen
Rollstuhl, Karina hat eine chronische
Krankheit, die zu einer unsichtbaren
Behinderung führt. Was sie
teilen, sind die täglichen
Erfahrungen mit Ableismus.
Rezension von Andrea Strohriegl
Diese Berührungsängste wollen die
Autorinnen aufbrechen und mit
praxisorientieren Beispielen ein
Handbuch zur Verfügung stellen, das
Barrieren und Ausschlussmechanismen
der Gesellschaft offenlegt und
Möglichkeiten zum Abbau von Barrieren
und Diskriminierung bietet.
Von einer Begriffserklärung, einer
Bestandsaufnahme von Ableismus,
Privilegien und Abwehrmechanismen,
die häufig Barrieren bilden,
hin zu konkreten Lösungen und
Tipps, was man als Leser*in selbst
tun kann, bietet das Buch einen umfassenden
Leitfaden. •
Cover: Rowohlt
Anne Gersdorff und
Karina Sturm
Stoppt Ableismus! Diskriminierung
erkennen und abbauen.
Rohwolt Taschenbuch Verlag
2024, ISBN 978-3-499-01187-0
Preis: 15,50 EUR
34
www.behindertenrat.at
Inklusion im Sport
Ausgabe 2/2024
3. Herbert Pichler Cup
Unter dem Motto „Inklusion – Fußball – Werte“ veranstaltete der Verein SPIELERPASS am 7.
April 2024 zum dritten Mal ein inklusives Hallenfußballturnier im Gedenken an den langjährigen
Präsidenten des Österreichischen Behindertenrats, Herbert Pichler.
Gruppenfoto der Spieler*innen.
Fotos: Kerstin Huber-Eibl
Sechs inklusive Teams mit jeweils 15 Spieler*innen
feierten mit begeisterten Fans im Fans im Freizeitzentrum
Perchtoldsdorf ein großes Fußballfest.
Jahrelange Wegbegleiter*innen aus Sport und Politik
waren ebenso dabei wie viele Freund*innen.
Für Herbert Pichler waren Werte und Fußball sehr wichtig,
deswegen wurden die Teams nach bekannten Vereinen
und gesellschaftlichen Werten benannt. So traten
zum Beispiel Teams wie Real Respekt (Anlehnung an Real
Madrid) und Inter Inklusion (Anlehnung an Inter Mailand)
an.
Obwohl die Mannschaft Inter Inklusion den großen Pokal
gewann, waren alle sechs Teams Sieger! Denn im Mittelpunkt
des 3. HERBERT PICHLER CUP standen Miteinander,
Fairplay und Spielfreude.
Über Herbert Pichler
Als Präsident des Österreichischen Behindertenrates,
Präsident des ÖZIV Bundesverbandes, Vorstandsmitglied
von dabei-austria und Leiter des „Chancen Nutzen“-Büros
im ÖGB setzte sich Herbert Pichler für Menschen mit
Behinderungen ein. Am 3. April 2021 starb Herbert im
Alter von 56 Jahren bei einem Autounfall. Das gemeinsame
Fußballspielen von Menschen mit und ohne Behinderungen
war für den großen FC Bayern München-Fan der
Inbegriff von Inklusion, die er gerne in allen Lebensbereichen
verwirklicht gesehen hätte. •
Präsidiumsmitglieder des Österreichischen Behindertenrats
beim Herbert Pichler Cup. Von links: Roswitha Schachinger,
Rudolf Kravanja und Martin Ladstätter. Foto: Kerstin Huber-Eibl
www.behindertenrat.at
35
Empfänger
Österreichische Post AG
GZ 02Z032856
Österreichischer Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
Retouren an Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
Kategorie Ausgabe 2/2024
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige