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Die Zeitschrift "monat" 2/2024

Europa-Wahl 2024

Europa-Wahl 2024

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Die Zeitschrift

monat

Ausgabe 2/2024

Europa-Wahl 2024

behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 EUR/Ausland + Porto


2 www.behindertenrat.at

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Liebe Leser*innen!

Diese Ausgabe unseres Magazins widmet sich

mit einem großen Schwerpunkt den nahenden

EU-Wahlen.

editorial

Von 6. bis 9. Juni 2024 sind Bürger*innen der

Europäischen Union (EU) zur Wahl der Abgeordneten

für das Europäische Parlament aufgerufen.

In Österreich können am 9. Juni jene 20

Vertreter*innen gewählt werden, die Interessen

von Menschen in Österreich im EU-Parlament vertreten.

Foto: Lukas Ilgner

Martin Ladstätter, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats und ich

trafen im Vorfeld der EU-Wahl die Spitzenkandidat*innen der im Nationalrat

vertretenen Parteien, um uns ein Bild über deren behindertenpolitischen

Positionen zu machen.

Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ),

Lena Schilling (Die Grünen) und Helmut Brandstätter (NEOS) erklärten ihre

Standpunkte zum Europäischen Behindertenausweis, der Disability Intergroup

im Europäischen Parlament, der Gleichbehandlungsrichtlinie, der Wiederernennung

eines Kommissars bzw. einer Kommissarin für Gleichstellung, wie

die jeweilige Partei die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertritt,

welche Maßnahmen gesetzt wurden, um die Wahlkampagnen, das Wahlprogramm

und Veranstaltungen barrierefrei zu gestalten und ob Menschen mit

Behinderungen für die EU-Wahl kandidieren. Einen Auszug aus diesen Interviews

lesen Sie ab Seite 6.

Victoria Biber und Nicola Onome Asiemo, Jurist*innen beim Österreichischen

Behindertenrat, berichten ab Seite 12 über den Europäischen Behindertenausweis,

die Disability Intergroup im Europäischen Parlament, die Position

der EU-Kommissarin für Gleichberechtigung und die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie.

In der Heftmitte finden Sie Informationen zur Europa-Wahl in Leichter

Sprache.

Ab Seite 31 stellt Ihnen Emil Benesch, Barrierefreiheitsexperte beim Österreichischen

Behindertenrat, den neuen Railjet vor, an dessen Entwicklung in

puncto Barrierefreiheit die inklusive Planungsgruppe über einen Zeitraum von

fünf Jahren beteiligt war.

Mit besten Wünschen

Ihr Klaus Widl

www.behindertenrat.at

3


EU-Wahl

Ausgabe 2/2024

Informationen für Wähler*innen

Von 6. bis zum 9. Juni 2024 sind mehr als 370 Millionen Menschen in den 27 Mitgliedstaaten

der Europäischen Union (EU) aufgerufen, an der Europa-Wahl teilzunehmen.

In Österreich findet die Wahl am 9. Juni statt.

Zur Teilnahme an der

Europa-Wahl (aktives Wahlrecht)

sind Personen

berechtigt, wenn sie

• spätestens am Tag der Wahl das

16. Lebensjahr vollenden, das

heißt spätestens an diesem Tag

Ihren 16. Geburtstag feiern;

• Österreicher*in bzw. Unionsbürger*in

mit Hauptwohnsitz in

Österreich oder Auslandsösterreicher*in

sind;

• am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz

einer österreichischen

Gemeinde eingetragen sind;

• nicht im Zusammenhang mit

einer gerichtlichen Verurteilung

vom Wahlrecht ausgeschlossen

sind.

Wähler*innen mit Behinderungen

• können mittels Briefwahl ihre

Stimme abgeben oder den Besuch

einer „fliegenden Wahlkommission“

(besondere Wahlbehörde)

beantragen.

• Menschen mit Körper- und

Sinnesbehinderungen, denen

das Ausfüllen des amtlichen

Stimmzettels ohne fremde Hilfe

nicht zugemutet werden kann,

ist es gestattet, sich bei der

Stimmabgabe von einer Person,

die sie selbst auswählen können,

unterstützen zu lassen.

• Blinde oder stark sehbehinderte

Wähler*innen können mit

Stimmzettelschablonen auch

ohne fremde Hilfe den Stimmzettel

ausfüllen. •

Schablone für Wahlkarte.

Informationen zur EU-Wahl 2024

https://ogy.de/EU-Wahl

Foto: Andrea Strohriegl

4

www.behindertenrat.at


Aus dem Inhalt

Ausgabe 2/2024

Informationen für Wähler*innen 4

Interviews mit Spitzenkandidat*

innen für die EU-Wahl 6

Der Europäische Behinderten- und

Parkausweis 12

Disability Intergroup 13

Kommissar*in für

Gleichberechtigung 15

Internationale Faktencheck-Datenbank

zu EU-Parlaments-Wahl 16

Informationen zur Europa-Wahl in

Leichter Sprache 18

Menschenrechte – Basis für

Frieden und Demokratie 24

Wie der Behindertenrat

Gleichstellung durchsetzt 25

Ein Rollstuhlfahrer im Europäischen

Solidaritätskorps 26

Ohne Erwachsenenvertretung

kein Platz im Pflegeheim? 28

Mit meinem Text wollte ich

Jugendliche wachrütteln 29

integra® 2024 30

Der neue ÖBB Railjet 31

Buchrezensionen 34

Gefördert aus den Mitteln des

Sozialministeriums

Foto: Yellow Cactus/Unsplash

EU-Wahl

Reinhold Lopatka, Andreas Schieder,

Harald Vilimsky, Lena Schilling

und Helmut Brandstätter erklärten

im Vorfeld der EU-Wahl 2024 ihre

Standpunkte zu behindertenpolitischen

Themen wie etwa dem Europäischen

Behindertenausweis und

welche Maßnahmen gesetzt wurden,

um Wahlkampagnen, Wahlprogramme

und Veranstaltungen barrierefrei

zu gestalten.

Seiten 6 bis 11

Foto: Andrea Strohriegl

Railjet

Die inklusive Planungsgruppe des

Österreichischen Behindertenrats

unterstützte mit ihrer Expertise in

den vergangenen fünf Jahren die

ÖBB und den Hersteller Siemens bei

der Weiterentwicklung der Barrierefreiheit

der neuen Railjets. So

konnte die Zugausstattung an die

Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen

angepasst werden.

Seiten 31 bis 33

IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Klaus Widl · Chefredaktion: Mag. Kerstin

Huber-Eibl · Redaktion: Mag. Nicola Onome Asiemo, DI Emil Benesch, Mag. Victoria Biber, LL.M., Dipl. Sozialpädagogin

Eva-Maria Fink, Martin Ladstätter, M.A., Felix Steigmann, B.A., M.A., Andrea Strohriegl, B.Ed. · Lektorat: Dipl.

Sozialpädagogin Eva-Maria Fink · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11 · Tel.: 01 513 1533 · Mail: presse@

behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.behindertenrat.at/

impressum · Anzeigen, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH, 8151 Hitzendorf - Zweigstelle: 4800 Attnang-Puchhheim

- Tel.: 07674 62 900 - Web: www.diemedienmacher.co.at · Cover: Andrea Strohriegl, B.Ed. · Nachdruck nur

nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der

Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen

und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung:

easybank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort: Wien

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EU-Wahl

Interviews mit Spitzenkandidat*innen

für die EU-Wahl am 9. Juni 2024

Behindertenrat-Präsident Klaus Widl und Behindertenrat-Vizepräsident Martin Ladstätter

sprachen im März und April 2024 mit allen Spitzenkandidat*innen der im Nationalrat

vertretenen Parteien für die EU-Wahl 2024 über behindertenpolitisch relevante Themen.

Reinhold Lopatka (ÖVP Bundespartei), Andreas Schieder

(SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Die

Grünen) und Helmut Brandstätter (NEOS) erklärten im

Vorfeld der EU-Wahl 2024 ihre Standpunkte zum Europäischen

Behindertenausweis, der Disability Intergroup

im Europäischen Parlament, der Gleichbehandlungsrichtlinie,

der Wiederernennung eines Kommissars bzw. einer

Kommissarin für Gleichstellung, wie die jeweilige Partei

die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertritt,

welche Maßnahmen gesetzt wurden, um die Wahlkampagnen,

das Wahlprogramm und Veranstaltungen

barrierefrei zu gestalten und ob Menschen mit Behinderungen

für die EU-Wahl kandidieren. •

Die vollständigen Abschriften der Interviews finden Sie

unter www.behindertenrat.at/aktuelles/eu-wahl-2024.

Reinhold Lopatka (ÖVP) im Gespräch mit Martin Ladstätter

R. Lopatka, B. Antonov, C. Pomikal, V. Biber, M. Ladstätter

Andreas Schieder (SPÖ) im Gespräch mit Klaus Widl

A. Schieder, K. Widl, K. Huber-Eibl, C. Pomikal

6 www.behindertenrat.at


Ausgabe 2/2024

Harald Vilimsky (FPÖ) im Gespräch mit Martin Ladstätter

C. Pomikal, K. Huber-Eibl, M. Ladstätter, H. Vilimsky

Lena Schilling (Grüne) im Gespräch mit Martin Ladstätter

M. Ladstätter, L. Schilling, A. Strobl, E. Benesch, C. Pomikal

Helmut Brandstätter (NEOS) im Gespräch mit Martin Ladstätter

T. Wagner, M. Ladstätter, H. Brandstätter, C. Pomikal,

V. Biber und E. Shi Fotos: Kerstin Huber-Eibl

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EU-Wahl

Dr. Reinhold Lopatka, ÖVP

(Interview am 5. April 2024)

Mag. Andreas Schieder, SPÖ

(Interview am 8. März 2024)

Was halten Sie vom Europäischen

Behindertenausweis?

Ich halte den Europäischen Behindertenausweis

grundsätzlich für positiv.

Es ist wichtig, dass die EU in den

großen Bereichen zeigt, dass man

sich zuständig fühlt. Auch in Bereichen,

wo man dann auf die staatliche

Umsetzung warten muss. •

Der Europäische Behindertenausweis

ist ein großer Durchbruch, um

europäische Verantwortung für Menschen

mit Behinderungen klarzumachen.

Der nächste Schritt muss v.a.

im Europäischen Sozialausschuss

sein. •

Welche Maßnahmen haben

Sie gesetzt, um Ihre Kampagne,

das Wahlprogramm

und Veranstaltungen barrierefrei

zu gestalten?

Die Veranstaltungsorte, an denen

ich bisher war, waren barrierefrei.

Was das Programm betrifft, laden

wir im Zuge der Österreichgespräche

Interessierte in jedem Bundesland

ein, mitzuwirken, daneben auch

Interessenvertreter und Lobbyisten.

Im Wahlprogramm wird auch der Bereich

Menschen mit Behinderungen

Berücksichtigung finden. •

Ich glaube, dass unsere generellen

Informationen im Internet nicht der

Barrierefreiheit entsprechen. Aber

ich werde den Gedanken gerade

nach diesem Gespräch mitnehmen,

das nochmal zu verstärken. Deswegen

ist eure Tätigkeit besonders

wichtig, weil ihr natürlich die

Möglichkeit habt, an die Menschen

weiterzutragen, dass Informationen

zugänglich sein müssen. •

Wer gestaltet Ihre Kampagnen

und werden Menschen

mit Behinderungen miteinbezogen?

Ich versuche, ein Bewusstsein zu

schaffen, dass diese Europaparlamentswahl

wichtig ist. Das Wichtigste

ist, die Menschen zu motivieren,

dass sie zur Wahl gehen. •

Wir bemühen uns, alle Menschen zu

erreichen. Trotzdem muss man zugestehen:

Es fehlen Mittel, manchmal

Knowhow, Informationen ausreichend

zur Verfügung zu stellen. Wir

haben auf Social Media Bildsprache,

manchmal Untertitel, im seltensten

Fall Gebärdenübersetzung. •

Wie viele Menschen mit Behinderungen

haben Sie in

Ihrer Liste?

Ich weiß nur von einem Kollegen mit

Behinderung. Sein Gesundheitszustand

hat sich verschlechtert und er

hat mich gefragt hat, ob er von der

Liste gehen soll. Nein, warum sollte

er? Es könnte aber durchaus weitere

Kollegen mit Behinderung geben. •

Ich gehe von einem verschwindend

geringen Anteil an Menschen mit

Behinderungen aus. Wir fragen bei

der Listenerstellung das Vorliegen

einer Behinderung nicht ab, was aber

auch zeigt, dass Menschen mit Behinderungen

im politischen Alltag in

Parteien unterrepräsentiert sind. •

8 www.behindertenrat.at


Ausgabe 2/2024

Harald Vilimsky, FPÖ

(Interview am 5. April 2024)

Lena Schilling, Die Grünen

(Interview am 5. April 2024)

Dr. Helmut Brandstätter, NEOS

(Interview am 29. März 2024)

Wir unterstützen diese Initiative. Wir

wollen jedoch nicht, dass eine neue

Form der Migration entsteht, indem

man mit europäischen Standards

eine Situation schafft, die z.B. einen

Zustrom von Menschen mit Behinderung

nach Österreich zur Folge

hätte. •

Es ist ein erster, guter Schritt, dass

der Behindertenausweis endlich

auch in anderen Ländern anerkannt

wird. Man muss jedoch schauen,

dass er über die drei Monate hinaus

langfristig anerkannt wird. Mobilität

und Freiheit muss für alle Menschen

gleichermaßen gelten. •

Wir brauchen einen Behindertenausweis,

der zumindest in allen

EU-Ländern, im Idealfall auch in der

Schweiz, Norwegen und anderen

Ländern gültig ist und alles, was

damit verbunden ist, auch in diesen

Ländern gilt. Man muss die Richtlinie

so schnell wie möglich umsetzen.

Was wir versuchen, ist, dass wir all

unsere Informationen auch in einem

reinen Audioformat anbieten, um

für Menschen mit Sehbehinderung

einen Zugang zu Informationen

möglich zu machen. Dafür gibt es

auch unsere neue Podcast-Reihe.

Wir haben außerdem eine Untertitelungsmöglichkeit

bei unseren

FPÖ-TV-Videos. •

Wir denken Menschen mit Behinderungen

von Anfang an mit. Es gibt

Gebärdensprache, guten Zugang und

die Möglichkeit, im Rollstuhl anzureisen.

Gleichzeitig ist klar, dass

es mehr Raum für Inklusion geben

muss (Übertragungen, Schriftübersetzung).

Bei der Wahlprogrammpräsentation

gibt es Gebärdensprachdolmetsch,

wir arbeiten an

einem Wahlprogramm in Leichter

Sprache. •

Bei Mitgliederversammlungen ist es

selbstverständlich, dass sie barrierefrei

sind, also dass der Zugang

natürlich mit Rollstuhl möglich sein

muss. Was wir auch immer machen,

ist Gebärdensprachdolmetsch. Das

Wahlprogramm in Einfacher Sprache

kommt in Kürze. •

Die Kampagne reduziert sich im

Wesentlichen auf Slogans und

Inhalte. Über die Podcast-Reihe und

FPÖ-TV-Videos machen wir unsere

Programmatik auch jenen Menschen,

die nicht mit erforderlicher Sehkraft

oder Hörkraft ausgestattet sind, zugänglich.

Menschen aus allen Themenbereichen

schreiben am Wahlprogramm

und arbeiten in Kampagnenteams.

Natürlich arbeiten Menschen mit,

die das Thema Behinderung am

Schirm haben. Ich freue mich, dass

mich auch die Europaabgeordnete

Katrin Langensiepen unterstützt. •

Die Kampagne wird im Prinzip von

der ganzen Parteiorganisation und

vom Bundesbüro getragen. Und da

sind auch Menschen mit Behinderung

vertreten. Aber wie Menschen

mit Behinderungen in der Kampagne

vorkommen, weiß ich zu diesem

frühen Zeitpunkt noch nicht. •

Nein, haben wir nicht. […] Es

müsste ein Mensch mit Behinderung

schon sehr viel innere Überzeugung,

Kraft und Elan haben, um zu sagen,

dass er auch ein Mandat ausüben

möchte. Ich würde nicht mit gutem

Gewissen zuraten, […] weil das

ständige Herumreisen unglaublich

kräftezehrend ist. •

Auf den ersten sechs Listenplätzen

gibt es niemanden mit Behinderungen,

auf den hinteren Listenplätzen

weiß ich es ehrlich gesagt leider

nicht. •

Wir haben wirklich sehr laut gemacht,

dass jede und jeder sich bewerben

kann. Wir hatten zwei Veranstaltungen,

wo sich jeder vorstellen konnte.

Ich habe jedenfalls niemanden im

Rollstuhl oder mit Gebärdensprache

gesehen. Es wurde sicher niemand

ausgeschlossen, es ist aber eine Frage

derer, die sich bewerben. •

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EU-Wahl

Dr. Reinhold Lopatka, ÖVP

(Interview am 5. April 2024)

Mag. Andreas Schieder, SPÖ

(Interview am 8. März 2024)

Werden Sie die Wiedereinsetzung

der der „Disability

Intergroup“ unterstützen?

Ja, denn das Europäische Parlament

ist ein Arbeitsparlament, daher

macht die Intergroup Sinn. Ich werde

schauen, dass jemand von uns die

Bereitschaft hat, weiß aber noch

nicht, in welchen Ausschüssen wir

sein werden. •

Meine Kollegin Evelyn Regner wird

sich auch in dieser Legislaturperiode

darum kümmern, dass die Disability

Intergroup wieder zustande kommt. •

Unterstützen Sie die

Wiederernennung eine*r

Kommissar*in für Gleichstellung?

Ja, ich setze mich ein, aber bin

nicht am Tisch, an dem die Entscheidung

getroffen wird. •

Absolut! •

Unterstützen Sie die

Gleichbehandlungsrichtlinie

und was werden Sie

tun, damit die Richtlinie

bestenfalls verabschiedet

wird?

Das Europäische Parlament hat 2023

über einen Entschließungsantrag

abgestimmt, der den Rat auffordert,

die Gespräche zur Antidiskriminierungsrichtlinie

wieder aufzunehmen.

Diesen hat die Volkspartei im Europaparlament

unterstützt. Der direkte

Austausch mit Delegationen im

Europaparlament und Vertreterinnen

und Vertretern im Rat ist wichtig, um

Zweifel von Mitgliedstaaten hinsichtlich

Subsidiarität auszuräumen. •

Seit 15 Jahren blockiert der Rat den

Gesetzgebungsprozess. Wir brauchen

aber eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie.

Wir haben

letztes Jahr in einer Entschließung

die EU-Länder erneut aufgefordert,

das Gesetz endlich zum Abschluss zu

bringen. Und auch in der nächsten

Legislaturperiode werden wir so

lange Druck auf die Mitgliedstaaten

ausüben, bis der Rat dem Gesetz

zustimmt. •

Wie beabsichtigen Sie

sicherzustellen, dass die

Zusammenarbeit mit der

Behindertenbewegung eng

und effektiv ist?

Für mich sind Barrierefreiheit und

Gleichbehandlung nicht optional. In

meinen Augen ist die Verwirklichung

von Behindertenrechten nicht nur

ein politischer, sondern auch ein

verfassungs- und menschenrechtlicher

Auftrag. •

Evelyn Regner hält mit Stakeholdern

aus dem Bereich Kontakt und ist

Ansprechperson für deren Anliegen.

Bei Gesetzesvorhaben denkt sie die

Dimension Behinderung mit bzw.

tauscht sich bei entsprechenden

Gesetzen mit Verbänden aus. •

10 www.behindertenrat.at


Ausgabe 2/2024

Harald Vilimsky, FPÖ

(Interview am 5. April 2024)

Lena Schilling, Die Grünen

(Interview am 5. April 2024)

Dr. Helmut Brandstätter, NEOS

(Interview am 29. März 2024)

Ich habe nichts dagegen. Es gibt

im Europäischen Parlament so viele

Gruppen, die sich mit so vielen Themen

beschäftigen, wo in der Sache

selbst aber oft große Säumigkeit

herrscht. •

Ja, jedenfalls. Ich habe meine Themenbereiche

und Ausschüsse noch

nicht ausgesucht, kann mir eine

Teilnahme an der Intergroup aber

vorstellen und freue mich auf ein

Follow up, wo wir das besprechen

können. •

Meine Kollegin Anna Stürgkh und ich

werden das auf jeden Fall unterstützen.

Es wird sicher einer von uns in

diese Arbeitsgruppe gehen. •

Davon, einen Kommissar oder eine

Kommissarin für Gleichstellungsfragen

zu installieren, wird keiner

etwas haben. •

Auf jeden Fall. •

Ja, natürlich. •

Soweit ich es in Erinnerung habe,

ist der Kern der Gleichstellung von

Menschen mit Behinderung überhaupt

keine Frage. Das unterstützen

wir natürlich auch. Jedoch sind in

der Beschlussfassung gleichzeitig

häufig auch Themen mitenthalten,

die für uns schwierig sind. Beispielsweise

geht es da um Migrationsoder

LGBTQ-Themen, weshalb wir

uns bei Richtlinien dieser Art meist

enthalten. •

An erster Stelle geht es nicht nur

darum, dass ich dafür abstimme,

sondern diese Themen zu setzen

und für Sichtbarkeit zu sorgen. Das

heißt, Zusammenarbeit ist extrem

wichtig und Menschen mit Behinderung

einen Raum zu geben, wo

sie über ihre Anliegen sprechen

können. In Brüssel geht es viel um

Interessen und deren Sichtbarkeit.

Und dafür werde ich mich einsetzen.

Das ist es, was ich gewährleisten

kann. •

Ich schaue mir das gerne an, sobald

wir im Parlament sitzen. Und dann

werden wir das in diesem Gremium

besprechen. Aber ich halte es für

extrem notwendig. Natürlich sind

Gesetze wichtig, aber wir müssen

auch am Bewusstsein arbeiten. Jede

und jeder muss sich bewusst sein,

dass jederzeit eine Behinderung

eintreten kann. Es kann niemand

für sich sagen, das interessiert mich

nicht, das geht mich nichts an. •

Indem wir einen der profiliertesten

Politiker für Menschen mit Behinderungen

in unseren Reihen haben,

nämlich Norbert Hofer. •

In Dialog zu treten und zuzuhören.

Das Wichtigste ist, dass wir einander

immer auf Augenhöhe begegnen.

Ich möchte mir, wenn ich bei so

einem Termin bin, alles anhören,

mitdenken und mir überlegen, was

getan werden muss. •

Ich gehe davon aus, dass die Europäische

Organisation der Menschen

mit Behinderungen in Brüssel sagen

wird, was für sie wesentliche Themen

sind. Aber es kommt darauf an, in

welche Ausschüsse wir kommen. •

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11


Europa

Disability Card – Der Europäische

Behinderten- und Parkausweis

Von Nicola Onome Asiemo

Freizügiges Reisen innerhalb der EU mit neuen Ausweisen

Österreichische Delegation im Europäischen Parlament in Brüssel mit einer riesigen European Disability Card anlässlich des Europäischen

Parlaments der Menschen mit Behinderungen

Die Europäische Union steht kurz davor, eine neue

Richtlinie zu erlassen.

Ziel sind zwei neue einheitliche Ausweise:

• der Europäische Behindertenausweis und

• der Europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen

Beide Ausweise wird es in allen 27 Ländern der Europäischen

Union (EU) geben.

Sie sollen folgendes in der gesamten EU gewährleisten:

• Die gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus

• Freizügigkeit, also das Reisen ins Ausland

• den Zugang zu den gleichen Vorteilen wie für Einwohner*innen

des Gastlandes

Der Europäische Behindertenausweis

wird von den zuständigen Behörden des jeweiligen Wohnorts

zusätzlich zum nationalen Ausweis kostenlos ausgestellt

sowie erneuert.

Menschen mit Behinderungen stellen häufig fest, dass

ihre nationalen Behindertenausweise oder -bescheinigungen

nicht anerkannt werden, wenn sie in andere EU-Länder

reisen.

Der neue Europäische Behindertenausweis soll bei Reisen

in ein anderes Land der Europäischen Union als Nachweis

des Behindertenstatus dienen. Damit sollen Reisende die

gleichen Vorteile bekommen wie die Einwohner*innen des

EU-Landes, in das gereist wird:

Die Vorteile sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich

und können Folgendes umfassen:

• freier Eintritt

• Ermäßigungen

• vorrangiger Zugang

• persönliche Assistenzkräfte

• Brailleschrift oder Audioguides

• Mobilitätshilfen

• Assistenztiere

• Vergünstigungen im (Nah-)verkehr für sich und die

eigene Assistenz

12 www.behindertenrat.at


Ausgabe 2/2024

• Assistenzleistungen im Zug und öffentlichem Nahverkehr

Trotz dieses positiven und wichtigen Fortschritts wurden

nicht alle Forderungen verwirklicht. Bedauerlich ist etwa

die lange Dauer, bis die Ausweise erstmals verfügbar sein

werden. Außerdem wurde der Zugang zu Unterstützung

und Beihilfen für Menschen mit Behinderungen, die

dauerhaft im Ausland arbeiten oder studieren und daher

umziehen wollen, zwar gefordert, aber nicht berücksichtigt.

Der Europäische Parkausweis

Eine verbesserte Version des Europäischen Parkausweises

in einem einheitlichen Format (etwa inklusive Braille-

Schrift auf der physischen Karte) soll die nationalen Ausweise

ersetzen.

Mit dem neuen Europäischen Parkausweis wird sichergestellt,

dass alle Menschen mit einer anerkannten Behinderung

in allen EU-Ländern Vorzugsrechte beim Parken und

Zugang zu entsprechender Infrastruktur haben:

Das umfasst etwa

• auf Behindertenparkplätzen zu parken

• breitere Parkplätze

• reservierte Parkplätze

• eine ermäßigte Parkgebühr

• Zugang zu Zonen mit Verkehrsbeschränkungen.

Wie geht es weiter?

Im Februar 2024 wurde eine vorläufige Einigung über den

Richtlinienvorschlag erzielt.

Im März 2024 einigten sich die Europäischen Institutionen

darauf, dass auch Staatenlose und Drittstaatsangehörige,

die sich rechtmäßig in den Mitgliedstaaten aufhalten -

also nicht nur EU-Bürger*innen - und deren persönliche

Assistent*innen, beide Ausweise erhalten können.

Im April 2024 bestätigte das Europäische Parlament den

Text des Richtlinienvorschlags.

Der finale Text muss nur noch von den EU-Institutionen

bestätigt und anschließend veröffentlicht werden.

Das wird voraussichtlich im Herbst 2024 geschehen.

Sobald das passiert ist, haben die Mitgliedsstaaten, also

auch Österreich, einige Jahre Zeit, um die nötigen Strukturen

zu schaffen. In der Praxis bedeutet dies, dass beide

Ausweise wohl erst in frühestens vier Jahren erhältlich

sein werden.

Auch wenn es noch dauern wird, bis beide Ausweise tatsächlich

verfügbar sein werden, werden sie das Reisen

innerhalb der EU und damit das Leben von rund 80 Millionen

Menschen spürbar erleichtern. •

Disability Intergroup

Von Victoria Biber

Die Disability Intergroup (Interfraktionelle Arbeitsgruppe zum Thema „Menschen mit Behinderungen“)

im Europäischen Parlament ist eine informelle Gruppe, bestehend aus Mitgliedern

verschiedener politischer Fraktionen und Nationalitäten, die sich für die Förderung der Politik

für Menschen mit Behinderungen einsetzt.

Das Ziel der Disability Intergroup

ist es, die Rechte von

Menschen mit Behinderungen

im Einklang mit der UN-Konvention

über die Rechte von Menschen mit

Behinderungen zu fördern, sowohl

auf europäischer als auch nationaler

Ebene. Claudia Gamon (NEOS) ist

derzeit die einzige österreichische

EU-Parlamentarierin, die Teil dieser

Arbeitsgruppe ist.

Die Disability Intergroup ist ein

wichtiger Verbündeter bei der Förderung

und Durchsetzung der Rechte

von Menschen mit Behinderungen

in Europa durch das Europäische

Parlament. Sie spielte eine entscheidende

Rolle bei der Verabschiedung

von Gesetzgebungen, die Personen

mit Behinderungen in Bereichen wie

Transport, Beschäftigung, Forschung,

Strukturfonds, Barrierefreiheit

und Nichtdiskriminierung unterstützen.

Die Disability Intergroup

gehört zu den ältesten Arbeitsgruppen

im Europäischen Parlament und

www.behindertenrat.at

13


Europa

wurde bereits 1980 gegründet.

Die Disability Intergroup strebt

einen engen und fruchtbaren Dialog

mit allen Personen mit Behinderungen

und ihren Vertretungsorganisationen

an. Die Mitglieder spielen

dabei eine aktive Rolle, indem sie

Debatten sowohl mit ihren Kolleg*innen

als auch mit anderen EU-

Institutionen organisieren. Zudem

können sie Änderungsanträge einreichen,

parlamentarische Anfragen

und andere Initiativen verfassen.

Die Disability Intergroup arbeitet

außerdem eng mit der Europäischen

Kommission zusammen und kooperiert

mit anderen Interessengruppen

und Behindertenorganisationen, um

das Bewusstsein zu schärfen und die

Rechte von Menschen mit Behinderungen

zu stärken.

Arbeitsplan 2022–2024

Der Arbeitsplan für die Jahre 2022–

2024 der Disability Intergroup umfasste

verschiedene Aktivitäten zur

Förderung der Rechte von Menschen

mit Behinderungen. Dazu gehören

die Überprüfung der Umsetzung

der UN-Konvention über die Rechte

von Menschen mit Behinderungen,

die Förderung der EU-Behindertenrechtsstrategie

2021–2030, die

Unterstützung von Petitionen zu

Behindertenrechten sowie die Förderung

der Gleichbehandlung und

Nichtdiskriminierung.

Ein zentrales Anliegen dieser Gruppe

ist außerdem der Ausbau des politischen

Wahlrechts für Menschen mit

Behinderungen. Konkret bedeutet

dies, dass sie sich dafür einsetzt,

dass Menschen mit Behinderungen

sowohl das Recht haben, sich für

politische Ämter aufstellen zu lassen

als auch bei nationalen oder europäischen

Wahlen wählen können.

Diese Forderung zielt darauf ab, die

politische Partizipation und Vertretung

von Menschen mit Behinderungen

auf allen Ebenen zu stärken

und sicherzustellen, damit ihre

Stimmen gehört und ihre Interessen

angemessen berücksichtigt werden.

Derzeit gewähren noch nicht alle

EU-Staaten Menschen mit Behinderungen

das Wahlrecht, was eine

Herausforderung für die Verwirklichung

dieser grundlegenden demokratischen

Rechte darstellt.

Errungenschaften im Jahr

2023

Die Disability Intergroup des Europäischen

Parlaments hat im Jahr

2023 bedeutende Fortschritte im

Bereich der Förderung von Behindertenrechten

und -inklusion

innerhalb der Europäischen Union

erzielt. Mit nur noch einem Jahr in

dieser parlamentarischen Amtszeit

konzentrierten sich die Mitglieder

der Disability Intergroup auf ihre

verbleibenden Prioritäten. Diese

sind unter anderem der Europäische

Behindertenausweis und der Parkausweis,

die Bekämpfung von Gewalt

gegen Frauen, die Beschäftigung

von Menschen mit Behinderungen

und das Gesetz über Künstliche

Intelligenz (AI Act).

Eine bedeutende legislative Errungenschaft

war die schnelle Annahme

eines ambitionierten Standpunkts

des Europäischen Parlaments zu

Foto: Guillaume Périgoisa/Unsplash

den Vorschlägen der Europäischen

Kommission für den Europäischen

Behindertenausweis und den

Parkausweis im Februar 2024, wo

Mitglieder der Disability Intergroup

maßgeblich an den Verhandlungen

beteiligt waren.

Darüber hinaus haben Mitglieder der

Disability Intergroup an verschiedenen

politischen Initiativen gearbeitet,

darunter die Förderung der

Teilnahme von Personen mit Behinderungen

am Wahlprozess und die

Förderung von qualitativ hochwertigen

Praktika für alle, insbesondere

für Personen mit Behinderungen.

Insgesamt hat die Disability Intergroup

im Jahr 2023 wichtige

Fortschritte gemacht und bleibt

entschlossen, die Rechte und die

Inklusion von Menschen mit Behinderungen

in der Europäischen Union

weiter voranzutreiben.

In der nächsten Legislaturperiode

steht es grundsätzlich jedem gewählten

Abgeordneten des Europäischen

Parlaments frei, Teil dieser

Arbeitsgruppe zu sein – eine Teilhabe

hierfür ist an keine weiteren Kriterien

geknüpft. Es bleibt abzuwarten,

ob sich in der nächsten Periode

mehr als nur eine österreichische

EU-Parlamentarier*in dazu entscheiden

wird, Teil dieser bedeutenden

Intergroup zu sein. •

14 www.behindertenrat.at


Kommissar*in für

Gleichberechtigung

Ausgabe 2/2024

Von Victoria Biber

Die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, derzeit Helena Dalli, ist verantwortlich für die Stärkung

des Engagements Europas für Inklusion und Gleichstellung in allen Bereichen, unabhängig

von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung.

Sie setzt sich dafür ein, dass in der Europäischen Union Bewusstsein geschaffen und Gleichberechtigung

gefördert wird. Die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung ist Teil der Europäischen

Kommission, die sich aus Kommissionsmitgliedern aus 27 EU-Ländern zusammensetzt.

Das Hauptziel dieser Strategie besteht darin sicherzustellen,

dass alle Menschen mit Behinderungen in Europa

ihre grundlegenden Menschenrechte ausüben können.

Unabhängig von Geschlecht, Rasse, ethnischer Herkunft,

Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung

sollen sie gleiche Chancen haben. Sie sollen frei

entscheiden können, wo und wie sie leben möchten, sich

innerhalb der EU frei bewegen können und dabei keine

Diskriminierung erfahren.

Behindertenrat-Präsident Klaus Widl im Austausch mit

Helena Dalli, EU-Kommissarin für Gleichstellung. Foto: Niko Karner

Zu den Aufgaben der EU-Kommissarin für Gleichberechtigung

gehört der Kampf gegen Diskriminierung

und die Entwicklung von EU-Gesetzgebung

zur Bekämpfung von Diskriminierung. Darüber hinaus ist

sie maßgeblich an der Entwicklung einer europäischen

Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen

sowie für die Gleichstellung der Geschlechter beteiligt, die

unter anderem Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung

von Frauen am Arbeitsplatz umfasst.

Europäische Strategie für die Rechte von

Menschen mit Behinderungen 2021-2030

Im März 2021 verabschiedete die Europäische Kommission

die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen

2021–2030. Mit dieser zehnjährigen Strategie

möchte die Europäische Kommission das Leben von

Menschen mit Behinderungen in Europa und weltweit

verbessern. Die Strategie baut auf den Ergebnissen der

vorherigen Europäischen Strategie für Menschen mit Behinderungen

2010–2020 auf.

Um den Risiken einer Vielfachbenachteiligung von Frauen,

Kindern, älteren Menschen, Flüchtlingen mit Behinderungen

und solchen mit sozioökonomischen Schwierigkeiten

zu begegnen, fördert sie eine intersektionale Perspektive

im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten

Nationen. Die neue Strategie enthält daher eine ehrgeizige

Reihe von Maßnahmen und Leitinitiativen in verschiedenen

Bereichen und hat zahlreiche Prioritäten. Darunter

fällt die Förderung der Barrierefreiheit, die Verbesserung

der Lebensqualität und die Förderung der gleichberechtigten

Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

Europäische Strategie für die Gleichstellung

der Geschlechter

Die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter der

Europäischen Union, die von 2020 bis 2025 läuft, verfolgt

das Ziel, die Ungleichheiten zwischen Mann und Frau zu

minimieren und ein Europa der Gleichstellung zu schaffen.

Die Strategie konzentriert sich auf Maßnahmen zur Beendigung

geschlechterbezogener Gewalt, die Bekämpfung

von Geschlechterstereotypen und die Verringerung geschlechtsspezifischer

Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt.

Ein wichtiger Schritt war die Einführung einer verbindlichen

Maßnahme zur Lohntransparenz. Weitere Maßnahmen

umfassen einen EU-weiten Vorschlag zur Bekämpfung

von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die

Strategie zielt darauf ab, Frauen und Männer in allen

Lebensbereichen gleichberechtigt teilhaben zu lassen und

ein ausgewogenes Verhältnis in Entscheidungsprozessen

und der Politik zu erreichen. •

www.behindertenrat.at

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EU-Wahl

Ausgabe 2/2024

Internationale Faktencheck-

Datenbank zu EU-Parlaments-Wahl

Von Kerstin Huber-Eibl

Um demokratische Meinungsbildungsprozesse im Vorfeld der EU-Wahl zu unterstützen, bündelt

die Website Elections24Check mehr als 1.000 Faktenchecks und Hintergrundrecherchen aus

ganz Europa.

Die Vereinigung der europäischen

Faktencheck-Organisationen

(European Fact-Checking

Standards Network, kurz

EFCSN) verfolgt das Ziel, die höchsten

Standards der Verifikation von

Fakten und Medienkompetenz zum

Zweck der Bekämpfung von Desinformation

aufrechtzuerhalten und

zu fördern. Die Elections24Check-

Datenbank des Netzwerks bietet im

Vorfeld der EU-Parlaments-Wahl

mehr als 1.000 kostenlose Analysen

von Themen und Narrativen

zur EU-Parlaments-Wahl sowie im

Zusammenhang mit der EU, etwa zu

den Bereichen Migration, Religion,

Klimawandel, Sicherheits- und Verteidigungspolitik

oder EU-Institutionen.

Ein Schwerpunkt liegt auf

der Überprüfung von Behauptungen

rund um die Europa-Wahl.

Die Rechercheergebnisse sind nach

Thema, Land bzw. Sprache und politischer

Partei, die im Text behandelt

wird, durchsuch- und filterbar. Sie

stammen von mehr als 40 Faktencheck-Organisationen

aus über 30

Ländern. In Österreich trägt die

APA – Austria Presse Agentur ihre

Faktenchecks zur Datenbank bei.

Unterstützt wird das Projekt von der

Google News Initiative. •

Service-Link

Elections24Check

https://elections24.efcsn.com

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Werbung

Ausgabe 2/2024

Europa-Wahl 2024 in Wien

Am Sonntag, dem 9. Juni

2024, findet in Österreich

die Europa-Wahl 2024 statt.

Die Wiener Wahllokale haben am

Wahltag von 7 bis 17 Uhr geöffnet.

Von den insgesamt 720 Abgeordneten

des Europäischen Parlaments

kommen 20 aus Österreich.

Stimmen auch Sie für Europa!

Barrierefrei zur Wahl

Bitte beachten Sie, dass es bei der

Europa-Wahl 2024 sehr viele neue

und barrierefrei erreichbare Wiener

Wahllokale gibt. Um diese Verbesserungen

anbieten zu können,

mussten einige Wahllokale verlegt

werden. Prüfen Sie deshalb rechtzeitig

die Adresse Ihres zuständigen

Wiener Wahllokals. Die Adresse

finden Sie in der „Amtlichen Wahlinformation“,

die Sie etwa zwei Wochen

vor der Wahl per Post erhalten.

Die Adresse kann auch bereits jetzt

im Internet gesucht werden, unter

wien.gv.at/wahlen.

Telefonisch erhalten Sie bei der

Wahl-Hotline des Stadtservice Wien

Telefon 01/4000-4001 Auskunft

über die Adresse Ihres zuständigen

Wiener Wahllokals. Alle Wiener

Wahllokale sind mit einer barrierefrei

benutzbaren Wahlzelle ausgestattet.

Diese ist breiter und hat

eine unterfahrbare Schreibfläche

und kann somit auch von Rollstuhlfahrer*innen

bequem benutzt

werden.

Wahlkarte

Wenn Sie am Wahltag, dem

9. Juni 2024, nicht in einem Wahllokal

wählen können, haben Sie die

Möglichkeit, eine Wahlkarte zu beantragen.

Mit der Wahlkarte können

Sie per Briefwahl im In- und Ausland

oder am Wahltag in einem beliebigen

Wahllokal in ganz Österreich

(z. B. in einem barrierefrei erreichbaren

Wahllokal) wählen.

Einen Wahlkartenantrag können

Sie bis Mittwoch, den 5. Juni 2024,

schriftlich (am einfachsten online

unter wien.gv.at/wahlkarte) oder

bis Freitag, den 7. Juni 2024,

12 Uhr, persönlich beim Wahlreferat

Ihres zuständigen Magistratischen

Bezirksamtes stellen. Wenn Sie Ihre

Wahlkarte persönlich im Wahlreferat

beantragen, können Sie gleich per

Briefwahl Ihre Stimme abgeben. Für

die Stimmabgabe stehen vor Ort abgeschirmte

Bereiche zur Verfügung.

Eine telefonische Beantragung einer

Wahlkarte ist nicht möglich!

Mobile Wahlkommission

Wenn Sie Ihr Wahllokal wegen eingeschränkter

Mobilität, sei es aus

Krankheits-, Alters- oder sonstigen

Gründen nicht aufsuchen können,

haben Sie die Möglichkeit mit dem

Wahlkartenantrag auch gleich den

Besuch einer mobilen Wahlkommission

zu beantragen. Wenn Sie beim

Antrag eine Telefonnummer angeben,

werden Sie vom Wahlreferat

genauer über den voraussichtlichen

Besuchszeitpunkt informiert.

Blinde und sehbehinderte

Personen

Blinde und sehbehinderte Personen

können einen Rehabilitations- oder

Blindenführhund bis in die Wahlzelle

mitnehmen. In jedem Wahllokal

stehen Stimmzettel-Schablonen als

Ausfüllhilfen zur Verfügung. Wenn

Sie an der Briefwahl teilnehmen

wollen, können Sie gleich mit dem

Wahlkartenantrag eine Wahlkartenund

Stimmzettel-Schablone anfordern.

Mehr Infos

wien.gv.at/wahlen

01/4000-4001

Fotos: Stadt Wien/Bubu Dujmic

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Bundesministerium für Inneres

Informationen zur Europa-Wahl 2024

in Leichter Sprache

Alle Menschen haben das Recht, sich selbst und ohne Hilfe von Anderen informieren zu können.

Aber viele Menschen haben Probleme, die Behörden-Sprache zu verstehen, weil die Sprache für sie zu

schwer ist.

Österreich ist eine Demokratie.

Das heißt, die Österreicherinnen und die Österreicher wählen die Personen, die sie vertreten.

Bei der Europa-Wahl wählen die Menschen Abgeordnete für das Europäische Parlament.

Wenn eine Person wählen will, ist es gut, wenn sie sich davor über die Wahl informieren kann. Das Bundes-Ministerium

für Inneres stellt deshalb Informationen in leichter Sprache zur Verfügung. Die Texte

in leichter Sprache sind ein Zusatzangebot und sollen Sie nur informieren. Die Texte in leichter Sprache

sind keine rechtliche Beratung.

Das Europäische Parlament

Das Europäische Parlament vertritt die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union.

Das Europäische Parlament trifft wichtige Entscheidungen für die Europäische Union.

Im Moment werden ungefähr 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus den

Mitglied-Staaten durch das Europäische Parlament vertreten.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments heißen auch Abgeordnete.

Foto: Kerstin Huber-Eibl

18 www.behindertenrat.at


Ausgabe 2/2024

Jeder Mitglied-Staat ist durch seine gewählten Mitglieder im Europäischen Parlament vertreten.

Insgesamt hat das Europäische Parlament nach der Europa-Wahl 720 Abgeordnete.

Aus Österreich werden 20 Abgeordnete kommen können.

Die Funktions-Periode des Europäischen Parlaments dauert 5 Jahre.

Das heißt, das Europäische Parlament wird alle 5 Jahre neu gewählt.

In allen Mitglied-Staaten der Europäischen Union wird zwischen Donnerstag und Sonntag gewählt. In

Österreich findet die Wahl am Sonntag, 9. Juni 2024, statt.

Wer darf bei der Europa-Wahl wählen?

Aktiv wahlberechtigt heißt, dass eine Person wählen darf.

Aktiv wahlberechtigt sind Sie, wenn Sie spätestens am Tag der Wahl 16 Jahre alt sind und

• Österreicherin oder Österreicher sind oder

• nicht-österreichische Bürgerin oder nicht-österreichischer Bürger der Europäischen Union sind und

in Österreich den Hauptwohnsitz haben.

Eine Ausnahme gibt es nur für Personen, die ein Gericht zu einer Gefängnis-Strafe verurteilt hat.

Es kann in bestimmten Fällen sein, dass das Gericht eine Person vom Wahl-Recht ausschließt.

Es gibt keine Wahl-Pflicht.

Das heißt man darf wählen, man muss aber nicht.

Welche Grundsätze gibt es für die Europa-Wahl?

Es gilt das Verhältnis-Wahlrecht.

Das heißt, die Sitze im Parlament werden verhältnismäßig nach der Verteilung der Wähler-Stimmen vergeben.

In Österreich werden grundsätzlich Parteien gewählt.

Jede Partei hat auf ihrem Wahlvorschlag Namen von Kandidatinnen und Kandidaten.

Diese werden in einer bestimmten Reihenfolge festgelegt.

Sie können auch eine Vorzugs-Stimme vergeben, wenn Sie möchten.

Eine Vorzugs-Stimme ist eine zusätzliche Entscheidung für eine bestimmte Kandidatin oder einen bestimmten

Kandidaten der Partei, die Sie gewählt haben.

Durch Ihre Vorzugs-Stimme können Sie eine Person vorreihen.

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Bundesministerium für Inneres

Amtliche Wahlinformation

Sie bekommen eine Wahl-Verständigung etwa 3 Wochen vor der Wahl mit der Post.

In der Wahl-Verständigung steht

• Ihr Wahl-Lokal, in dem Sie wählen können,

• die Öffnungszeit und

• ob es barrierefrei ist.

Bitte bringen Sie die Wahl-Verständigung zur Wahl mit!

Wie wählen Sie im Wahllokal?

1. Am 9. Juni 2024 gehen Sie in das Wahllokal.

2. Im Wahllokal nennen Sie Ihren Namen und zeigen

Ihren Lichtbild-Ausweis.

3. Sie bekommen von der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter

den amtlichen Stimmzettel und ein leeres

blaues Wahlkuvert.

4. Sie geben Ihre Stimme in der Wahlzelle ab.

5. Wenn Sie eine Behinderung haben und ohne fremde

Hilfe nicht wählen können, darf eine Begleitperson

Ihnen helfen und Sie auch in die Wahlzelle begleiten.

6. Geben Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue

Kuvert.

7. Werfen Sie das Kuvert in die Wahlurne ein. Oder

geben Sie das Kuvert der Wahlleiterin oder dem

Wahlleiter. Die Wahlleiterin oder der Wahlleiter wirft

dann das Kuvert in die Wahlurne.

Wie sieht der Stimmzettel aus?

Auf dem Stimmzettel stehen die Namen der Parteien, die Sie wählen können.

Foto: Guillaume Périgoisa/Unsplash

Sie kreuzen die Partei an, die Sie wählen wollen. Wenn Sie mehrere Parteien ankreuzen, ist ihr Stimmzettel

ungültig und ihre Stimme zählt nicht.

Neben den Namen der Parteien ist ein freies Feld für die Vorzugs-Stimme.

Hier können Sie den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten hineinschreiben. Oder die Nummer

dieser Kandidatin oder dieses Kandidaten.

Eine Liste mit allen Namen und Nummern finden Sie im Wahllokal.

Wenn Sie mit Briefwahl wählen, bekommen Sie die Liste mit der Post.

Die Kandidatin oder der Kandidat muss von der Partei sein, die Sie angekreuzt haben. Sonst ist die

Stimme für die Kandidatin oder den Kandidaten nicht gültig.

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Ausgabe 2/2024

Barrierefrei wählen

Menschen mit Behinderungen müssen barrierefrei wählen können.

In Österreich haben Sie dafür mehrere Möglichkeiten.

1. Im Wahllokal barrierefrei wählen

Seit 1. Jänner 2024 gibt es neue Regelungen, die das Wählen für Menschen mit Behinderungen noch

leichter machen sollen.

In jedem Gebäude mit Wahllokalen muss zumindest ein Wahllokal barrierefrei erreichbar sein. In dem

Wahllokal muss auch eine Wahlzelle barrierefrei erreichbar sein.

Ob Ihr Wahllokal barrierefrei ist, steht in der amtlichen Wahlinformation.

Wenn Sie nicht in Ihrem Wahllokal wählen können, dürfen Sie in jedem anderen Wahllokal in Österreich

wählen. Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Ihr Wahllokal nicht barrierefrei ist.

Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte. Sie müssen die Wahlkarte rechtzeitig in Ihrer Gemeinde beantragen.

In das Wahllokal müssen Sie einen Lichtbild-Ausweis mitnehmen.

Das ist zum Beispiel:

• ein Reisepass

• ein Behinderten-Ausweis

• ein Führerschein oder

• ein Personal-Ausweis.

Wie können blinde und stark sehbehinderte Menschen wählen?

In jedem Wahllokal gibt es Stimmzettel-Schablonen.

Mit der Schablone können blinde Menschen den Stimmzettel ohne Unterstützung geheim ausfüllen.

Nach der Wahl nehmen Sie die Stimmzettel-Schablone mit.

Sie können in das Wahllokal einen Blindenführ-Hund mitnehmen.

Wer darf eine Begleitperson in die Wahlzelle mitnehmen?

Sie haben eine Behinderung und können nicht alleine wählen? Sie haben das Recht, dass Sie von einer

selbst ausgewählten Begleitperson dabei unterstützt werden.

Sie müssen der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter aber sagen, dass Sie mit dieser Begleitperson in die

Wahlzelle gehen wollen.

2. Die Briefwahl

Sie können auch mit Briefwahl wählen. Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte.

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21


Bundesministerium für Inneres

Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Sie am Wahltag nicht zu Hause sind. Sie können auch im

Ausland mit Briefwahl wählen. Sie können die Wahlkarte in der Gemeinde beantragen, wo Ihr Hauptwohnsitz

ist.

Seit diesem Jahr gibt es für blinde oder stark sehbehinderte Menschen eine

Wahlkarten-Schablone für die Wahlkarte. Sie können die Schablone bei Ihrer Gemeinde gemeinsam mit

der Wahlkarte beantragen.

Sie legen die Schablone über die Wahlkarte. Auf der Schablone gibt es ein großes Loch, damit Sie erkennen

können, wo Sie unterschreiben können.

Sie füllen den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst aus. Das heißt, Sie

wählen ganz alleine. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen. Sie entscheiden selbst, wie Sie

den Stimmzettel ausfüllen. Niemand darf Ihnen dabei zusehen.

Wann bekommen Sie Ihre Wahlkarte?

Die Behörde verschickt die Wahlkarten ungefähr 3 Wochen vor dem Wahltag. Sie können die Stimme

sofort abgeben, wenn Sie die Wahlkarte bekommen haben. Sie müssen nicht bis zum Wahltag damit

warten.

Sie können auch direkt bei der Gemeinde mit Briefwahl wählen, wenn Sie die Wahlkarte dort persönlich

abholen.

Die Wahlkarte ist ein weißes Kuvert, das Sie verschließen können.

In der Wahlkarte sind:

• der amtliche Stimmzettel und

• ein blaues Wahlkuvert.

Zusätzlich bekommen Sie eine Informations-Beilage in leichter Sprache.

Wie funktioniert die Briefwahl?

1. Nehmen Sie den amtlichen Stimmzettel und das blaue Wahlkuvert heraus.

2. Füllen Sie den amtlichen Stimmzettel selbst aus. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen.

Niemand darf Ihnen dabei zusehen.

3. Legen Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue Wahlkuvert.

4. Geben Sie das blaue Wahlkuvert in die weiße Wahlkarte zurück.

5. Auf der Wahlkarte gibt es ein Feld für die Unterschrift, die eidesstattliche Erklärung. Bitte unterschreiben

Sie dort. Wenn Sie blind sind und eine Wahlkarten-Schablone verwenden, können Sie dort

ein großes Loch im Karton ertasten. In diesem Feld müssen Sie unterschreiben.

6. Sie müssen mit Ihrer Unterschrift erklären, dass Sie den amtlichen Stimmzettel selbst, unbeobachtet

und wirklich genau so, wie Sie wollen, ausgefüllt haben.

7. Kleben Sie die Wahlkarte zu.

8. Die Wahlkarte muss rechtzeitig bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde ankommen.

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Ausgabe 2/2024

Sie können die Wahlkarte zum Beispiel:

• in einen Briefkasten der Post einwerfen,

• auf einer Post-Geschäftsstelle aufgeben

• bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde direkt abgeben oder

• in irgendeinem Wahllokal am Wahltag abgeben

Wenn Sie die Wahlkarte mit der Post schicken, ist das für Sie kostenlos. Die Wahlkarte muss spätestens

am Tag der Wahl bei der Bezirkswahl-Behörde angekommen sein. Werfen Sie die Wahlkarte daher schon

ein paar Tage vorher in den Briefkasten.

3. Fliegende Wahlbehörde

Möchten Sie wählen, obwohl Sie zum Beispiel krank sind oder nicht gut gehen können? Dann können

Sie den Besuch einer fliegenden Wahlbehörde beantragen.

Die fliegende Wahlbehörde ist eine besondere Wahlbehörde. Sie besucht Sie an dem Ort, an dem Sie am

Wahltag sind. Sie können dann dort Ihre Stimme abgeben.

Sie brauchen auch dafür eine Wahlkarte.

Die Wahlkarte und den Besuch der fliegenden Wahlbehörde müssen Sie bei Ihrer Gemeinde beantragen.

Es kostet nichts, wenn eine fliegende Wahl-Behörde zu Ihnen kommt.

Wie beantragen Sie eine Wahlkarte?

Sie können die Wahlkarte entweder persönlich oder schriftlich beantragen.

Schriftlich können Sie die Wahlkarte beantragen:

• mit der Post

• mit E-Mail

• über das Internet oder

• mit Fax.

Sie können die Wahlkarte nicht per Telefon beantragen!

Sie können die Wahlkarte schriftlich bis zum 5. Juni 2024 bei der Gemeinde beantragen. Sie können die

Wahlkarte persönlich bei der Gemeinde bis spätestens

7. Juni 2024 um 12 Uhr beantragen und bekommen sie gleich mit. Achtung: Die Wahlkarte ist nicht das

gleiche wie die amtliche Wahlinformation! •

Weitere Informationen

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres finden Sie noch mehr und

genauere Informationen zum Thema Wahlen. www.bmi.gv.at

Sie können ab 13. Mai 2024 auch diese Nummer anrufen,

wenn Sie noch Fragen haben: 08 00 20 22 20

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Menschenrechte

Ausgabe 2/2024

Menschenrechte – Basis für

Frieden und Demokratie

Von Felix Steigmann

Ein Europa, in dem die Menschenrechte von ALLEN Menschen geachtet, geschützt und gewährleistet

werden, ist ein Europa des Friedens und der Demokratie.

weiterer Krieg zwischen diesen beiden Ländern materiell

verunmöglicht werden. Heute ist ein Bahnhof unweit des

EU-Parlaments nach Robert Schuman benannt.

Foto: Leonid Andronov/Pixabay

Die Menschenrechte, wie wir sie heute kennen, entstanden

in Reaktion auf die Gräuel des 2. Weltkriegs

und des Holocaust: Die Nichtanerkennung

und Verachtung der Menschenrechte haben zu solchen

Akten der Barbarei, die das Gewissen der Menschheit mit

Empörung erfüllen, geführt. So steht es in der Präambel

der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von

1948. In diesem Sinne sind die Menschenrechte ein

Projekt des Friedens, der Freiheit und der Gerechtigkeit.

Gleichzeitig war die Mitte des 20. Jahrhunderts noch

stark vom weit verbreiteten Kolonialismus europäischer

Mächte, dem nahenden Kalten Krieg sowie der Rassentrennung

in den USA geprägt. Ein kritischer und reflektierter

Blick auf den Entstehungskontext der Menschenrechte

ist also allemal lohnend. Und auch heute gehört

für viele Menschen Ausgrenzung, Diskriminierung und

die Verletzung ihrer Rechte und Würde zum Alltag. In Österreich

und auch darüber hinaus. Dass eine Welt, in der

die Menschenrechte gelebt – und nicht nur postuliert

werden – eine friedliche(re) Welt ist, kann jedoch als

unbestritten angesehen werden. Es sind die Menschenrechte

in diesem Sinne wohl ein laufender Prozess.

Ähnliches gilt für die Europäische Union (EU). Auch sie

ist ein Friedensprojekt. Durch engere Zusammenarbeit

sollte die Wirtschaft gefördert, der Wohlstand gestärkt

und so Frieden garantiert werden. Frankreichs damaliger

Außenminister Robert Schuman sah in der sogenannten

Schuman-Erklärung von 1950 die Zusammenlegung der

Kohle- und Stahlindustrien der ehemaligen Weltkriegsparteien

Frankreich und Deutschland vor. So sollte ein

Eben jenes Parlament, das die Interessen von circa 450

Millionen Europäer*innen vertritt, wird in der Zeit von

6. bis 9. Juni 2024 neu gewählt. Zur Wahl treten jedoch

nicht nur Parteien an, die die Grundwerte der EU – die

Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,

Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der

Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten

angehören 1 – achten. Es stellen sich Parteien der

Wahl, die diese Werte unverhohlen mit Füßen treten und

mit populistischer Rhetorik auf die Spaltung der Gesellschaft

abzielen, Menschen für ihre Ziele gegeneinander

ausspielen und gegen Minderheiten hetzen. Es sind

genau solche Parteien, die den Frieden in der EU gefährden.

Es liegt an den Wähler*innen in Österreich und den

anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten, in welche Richtung

sich das Projekt EU weiterentwickelt. Mit ihren Stimmen

können sie einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der

Menschenrechte und damit zu einem friedlichen Miteinanders

ALLER Menschen in der EU leisten. •

1

Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union https://eur-lex.europa.eu/

legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012M002

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Recht

Ausgabe 2/2024

Wie der Behindertenrat

Gleichstellung durchsetzt

Von Martin Ladstätter

Seit dem Jahr 2006 definiert das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in Österreich

klare Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung. Menschen mit Behinderungen

haben die Möglichkeit, bei Diskriminierungserfahrungen rechtliche Schritte einzuleiten. Eine

weniger bekannte Facette dieses Gesetzes ist die Ermöglichung von Verbandsklagen durch Organisationen

wie den Österreichischen Behindertenrat, den Klagsverband und die Behindertenanwaltschaft,

wenn Diskriminierungen eine größere Gruppe betreffen.

Über 15 Jahre Engagement

Der Behindertenrat intensivierte in

den letzten zwei Jahren seine Bemühungen

zur Durchsetzung von Rechten.

Seit der Einführung des BGStG

im Jahr 2006 ist der Behindertenrat

berechtigt, Verbandsschlichtungen

und Verbandsklagen durchzuführen

und nutzte diese Befugnis erstmals

2007.

Anfängliche Hürden im BGStG erschwerten

die vollständige Nutzung

dieses Instruments, das erst durch

eine Gesetzesrevision im Jahr 2017

effektiver gestaltet wurde.

Entwicklungen der letzten

zwei Jahre

In jüngster Zeit startet der Behindertenrat

mehrere Verbandsschlichtungen,

indem er Unternehmen auffordert,

diskriminierende Praktiken zu

ändern. Dies führte zu sofortigen Anpassungen

bei drei Versicherungsunternehmen.

Ein Versicherungsschutz

wird seither nicht mehr verweigert.

Sollten solche Aufforderungen erfolglos

bleiben, leitet der Behindertenrat

rechtliche Schritte ein.

Sieben Verbandsschlichtungen

„Verbandsschlichtungen geben uns

die Möglichkeit, mit den Schlichtungspartnern

Vereinbarungen zu

treffen, die das Leben vieler Menschen

mit Behinderungen direkt verbessern“,

erklärt Bernhard Bruckner,

der im Bereich nationales Recht und

Sozialpolitik beim Behindertenrat

tätig ist.

In den letzten zwei Jahren wurden

sieben Verbandsschlichtungen im

Bereich Mobilität (Wiener Linien),

Versicherungsschutz (Allianz Elementar

Versicherungs-AG, Generali Versicherung

AG, Helvetia Versicherungen-AG,

Wüstenrot Versicherungs-AG

und Zürich Versicherungs-AG) sowie

Barrierefreiheit (Alpin Gastronomie

GmbH) eingeleitet.

Drei Schlichtungen wurden erfolgreich

abgeschlossen, zwei Schlichtungen

laufen noch und zwei Schlichtungen

scheiterten.

Zwei Verbandsklagen

Wenn Verbandsschlichtungen scheitern,

stehen dem Österreichischen

Behindertenrat Verbandsklagen als

nächster Schritt zur Verfügung. In

den letzten vier Monaten wurden

zwei Verbandsklagen eingeleitet.

Die Zürich Versicherungs-AG erkannte

erst nach der Klagseinleitung, dass

der Österreichische Behindertenrat

die Interessen mit Nachdruck umsetzt.

Sie bot an (und setzte dies

dann auch um), alle angefallenen

Foto: NoName_13/Pixabay

Kosten zu übernehmen und vollumfänglich

unseren Forderungen im

Rahmen eines Vergleichs nachzukommen.

Erst kürzlich wurde eine weiter Verbandsklage

gegen die Alpin Gastronomie

GmbH eingereicht.

„Mit dieser Verbandsklage wollen

wir ein für alle Mal durch ein Gericht

feststellen lassen, dass das Vorhandensein

eines barrierefreien WCs ein

integraler Bestandteil eines Gastronomiebetriebs

ist, gerade dann,

wenn der Betrieb erst nach Inkrafttreten

des BGStG eröffnet wurde“,

erläutert Bernhard Bruckner.

Dieser fortlaufende Einsatz des Österreichischen

Behindertenrats zeigt

dessen entscheidende Rolle bei der

Durchsetzung der Rechte von Menschen

mit Behinderungen in Österreich.

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25


Gastbeitrag

Ausgabe 2/2024

Entdecke die Welt mit Martin

Ein Rollstuhlfahrer im Europäischen Solidaritätskorps

Von Makbule Temel, Grenzenlos

Stell dir vor, du gehst auf ein aufregendes Abenteuer in ein anderes Land! Genau das hat Martin

Rieger gemacht. Für 10 Monate war er 2019 in Avilés, einer Stadt in Spanien. Dort hat er

mit anderen Freiwilligen gelebt und gearbeitet. Die Kosten für die Reise, Unterkunft und Assistenz

wurden vom Europäischen Solidaritätskorps (ESK) bezahlt. Was ist das ESK überhaupt?

Wer kann mitmachen und was bringt es? Warum ist es wichtig für uns und Europa?

Martin Rieger ist heute 33 Jahre alt und Rollstuhlfahrer

und verbrachte 10 Monate in einem

ESK-Projekt in Avilés, Spanien. Kurz vor seinem

31. Geburtstag startete er sein Langzeit-Projekt. Seine

Hauptaufgaben waren vor allem im kreativen Bereich.

Er gestaltete Videos und Fotos für seine Organisation in

Spanien.

Was ist das Europäische Solidaritätskorps

(ESK)?

Das ESK ist ein Programm für Menschen zwischen 18 und

30 Jahren in Europa. Damit haben sie die Möglichkeit

einen Freiwilligendienst zu machen. Es ist möglich den

Freiwilligendienst in Österreich zu machen oder ins Ausland

zu gehen.

Wie lange dauert ein Freiwilligendienst?

Der Freiwilligendienst kann zwischen 2 und 12 Monate

lang sein.

Wer bezahlt das?

Das ESK bezahlt die Reise, ebenso wie die Wohnung und

die Verpflegung. Und ganz besonders wichtig: Das Programm

kann auch die Kosten für Persönliche Assistenz

übernehmen.

Warum ist das ESK wichtig für Europa?

Das ESK fördert Solidarität und interkulturellen Austausch.

Mit dem Freiwilligendienst lernen sich viele

Menschen kennen. Sie lernen über andere Länder und

Kulturen. Weil sie sich gegenseitig unterstützen, wird

von Solidarität gesprochen.

Wie funktioniert die Vermittlung?

Der Verein „Grenzenlos“ organisiert regelmäßig Infonachmittage.

Es ist auch möglich, einen persönlichen

Termin auszumachen. Dort erfährt man alles zum Programm

gemeinsam mit Grenzenlos wird ein passendes

ESK-Projekt gesucht.

In Wien arbeitet der Verein “Grenzenlos” in Kooperation

mit “WIENXTRA-Jugendinfo”, um den ESK möglich zu

machen. Das Programm heißt “Melange” Darum sind

Informationen auf www.melange.wien. zu finden.

Die persönliche Entwicklung durch das ESK

Das ESK bietet Menschen wie Martin die Chance, ihre

eigenen Fähigkeiten und sich persönlich weiterzuentwickeln.

Das kann Vieles sein. Man kann eine Sprache

verbessern oder neu lernen oder neue Arbeitsfelder kennenlernen

und ausprobieren. Jedes ESK-Projekt leistet

auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft.

Martins Erfahrungen zeigen, dass ein ESK-Projekt nicht

nur eine Herausforderung, sondern auch eine bereichernde

Lebenserfahrung ist. Obwohl es schwierig war,

26

www.behindertenrat.at


während der Pandemie im Ausland zu sein, sagt Martin

über seine Erfahrungen: “Es wird Probleme geben aber

lass dich nicht entmutigen. Man muss nicht alles erreichen,

ich wollte Spanisch lernen - bin aber gescheitert.

Dafür ist mein Englisch um Welten besser geworden. Das

ist ein großartiges Projekt und eine einmalige Chance,

also trau dich!”

Martin ist heute Vorstandspräsident des Vereins “Grenzenlos”

und unterstützt die Idee des Freiwilligendienstes

von Herzen. Wer einen Einblick in Martins Zeit in

Spanien haben möchte, kann sich sein Video ansehen:

https://ogy.de/volunteer •

Weitere Informationen

zu (inklusiven) Freiwilligeneinsätzen innerhalb und

außerhalb Europas

www.volunteering.at und www.melange.wien

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ÖSTERREICH

HAT GLÜCK...

...und Glück ist vielfältig. Wir übernehmen Verantwortung

in Österreich und leben, was vielen Menschen

wichtig ist: Spielerschutz, Compliance und soziales Engagement

. Wir sind größter Sportförderer unseres

Landes, unterstützen zahlreiche Kulturprojekte und machen

sie mit den Lotterien Tagen einfach erlebbar. Wir

fördern soziale Anliegen im Sinne der Gesellschaft, wie

z.B. Special Olympics Österreich. Damit möglichst viele

Menschen in Österreich am Glück teilhaben können.

sponsoring.lotterien.at, lotterientag.at

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27


Gastbeitrag

Ausgabe 2/2024

Ohne Erwachsenenvertretung kein

Platz im Pflegeheim?

Von Karina Lokosek, VertretungsNetz

VertretungsNetz kritisiert: Keine gesetzliche Grundlage für „automatische“

Erwachsenenvertretungen oder Bürgschaften.

nicht, zu widersprechen. Sie kontaktieren Vertretungs-

Netz, um eine gesetzliche Erwachsenenvertretung für ihr

Familienmitglied registrieren zu lassen – um verzweifelt

festzustellen, dass das nicht möglich ist, wenn „nur“

eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt und Entscheidungsfähigkeit

noch ausreichend vorhanden ist.

Foto: Johannes Zinner

Angehörige stehen oft unter hohem Druck, stationäre

Pflege zu organisieren, wenn Familienmitglieder

zuhause nicht (mehr) betreut werden können.

Doch bei der Anmeldung für einen Heimplatz verlangen

Behörden immer öfter eine bestehende Erwachsenenvertretung

oder aktive Vorsorgevollmacht – egal, ob

zukünftige Bewohner*innen aktuell entscheidungsfähig

sind oder nicht.

„Man kann nicht automatisch für jede*n Heimbewohner*in

eine Erwachsenenvertretung bestellen, um die

eigenen Abläufe zu vereinfachen. Das wäre menschenrechtswidrig

und kommt einer Entmündigung gleich“,

stellt Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung

bei VertretungsNetz, klar. Entscheidungsfähigkeit

muss individuell beurteilt werden.

Davon abgesehen: Die Anmeldung für einen Pflegeplatz

ist eine „Bedarfsbekundung“, kein Rechtsgeschäft. Eine

rechtsgeschäftliche Entscheidungsfähigkeit kann daher

nicht Bedingung dafür sein. Bedarfsanmeldungen sind

wenig konkret, sozusagen nur eine Reservierung: Lage,

Zimmer und Ausstattung des Pflegeplatzes sind noch

unbestimmt. Wer garantiert bei einer langen Warteliste,

dass der Anmeldung ein konkretes Angebot folgt, das

den Erwartungen und dem individuellen Bedarf entspricht?

Angehörige sind jedoch oft auf das Pflegeangebot der

Länder und Gemeinden angewiesen und trauen sich

Manche Behörden versuchen seit einiger Zeit außerdem,

durch Bürgschaften einen befürchteten Zahlungsausfall

zu verhindern. „Die Angehörigen sollen für den Fall, dass

ein kostenpflichtiger Kurzzeit- bzw. Übergangspflegeplatz

nicht bezahlt wird, vorab eine Haftungserklärung

abgeben. Uns sind Fälle bekannt, wo Zahlscheine von

hohen Summen an Familien ausgestellt wurden. Es gibt

für solche Bürgschaften jedoch keine gesetzliche Grundlage“,

erläutert Marlovits.

Diskriminierungen bleiben bestehen

Das Erwachsenenschutzgesetz orientiert sich am menschenrechtlichen

Begriff von Behinderung und sieht vor,

dass auch Personen mit Beeinträchtigungen, abhängig

von der Situation und erforderlichenfalls mit Unterstützung,

selbstbestimmt entscheiden. Das gilt auch,

wenn sie eine Erwachsenenvertretung haben. Leider ist

dieser Teil des Gesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention

in der Praxis noch zu wenig angekommen.

Immer noch werden Menschen oft ausschließlich anhand

einer medizinischen Diagnose beurteilt – ein veraltetes,

defizitäres Modell von Behinderung, das Betroffene diskriminiert

und in ihrer Selbstbestimmung einschränkt.

Salzburg baut seit einiger Zeit noch zusätzliche Hürden

auf. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden

in Seniorenwohnhäusern der Stadt seit einigen Jahren

nicht mehr aufgenommen. Man müsse die Pflegekräfte

vor aggressivem Verhalten schützen, so die stigmatisierende

Argumentation, die psychisch erkrankte Menschen

pauschal als „gefährlich“ verdächtigt.

„Wir fordern ein Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung,

immerhin trägt Salzburg stolz den Titel Menschenrechtsstadt“,

so Norbert Krammer, Bereichsleiter

Erwachsenenvertretung für die Region. •

28

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Gastbeitrag

Ausgabe 2/2024

Mit meinem Text wollte ich

Jugendliche wachrütteln

Von Esther Scheer, Das Band

Fatih Duran gewann mit seinem eindringlichen Text einen der Hauptpreise beim diesjährigen

Literatur-Wettbewerb des Vereins Ohrenschmaus.

Fatih Duran, seit Mai 2023 Klient in der

Tagesstruktur bei DAS BAND wurde für

seinen Text „Manchmal höre ich Stimmen“

ausgezeichnet. Foto: Esther Scheer

In seiner persönlichen Geschichte

„Manchmal höre ich Stimmen"

verarbeitet Fatih Duran seine

herausfordernden Erfahrungen mit

Drogen. Sein Text wurde ebenfalls

mit dem Hauptpreis ausgezeichnet

und dient nicht nur als Warnung

für andere, sondern vorallem auch

als ermutigendes Zeugnis dafür,

dass ein Neubeginn möglich ist. Es

ist eine kraftvolle und drastische

Erzählung, die andere davor warnen

möchte, in dieselben Abgründe zu

geraten, wie der Erzähler selbst.

Spontaner Entschluss

Duran entschied sich spontan dazu,

am Wettbewerb Ohrenschmaus

teilzunehmen, nachdem eine Mitarbeiterin

bei DAS BAND ihn darauf

aufmerksam gemacht hatte. „Wir

waren gerade mit unseren Arbeiten

in der Tagesstruktur fertig und die

neue Lieferung ist noch nicht gekommen.

Eine der Sozialarbeiter*innen

ist auf mich zugekommen und

hat mir davon erzählt", schildert

er. „Ich schreibe gerne, also dachte

ich mir, warum nicht? Ich wollte

etwas Persönliches teilen und meine

eigene Geschichte erzählen. Also

habe ich ganz spontan meinen Text

geschrieben.“

Duran, der jahrelang mit Drogenabhängigkeit

kämpfte, wollte besonders

Jugendliche warnen. „Ich

bin selbst in die Falle getappt und

wollte anderen zeigen, was passieren

kann.", erklärt er.

Überraschende Nachricht

und stolze Familie

„Als ich den Anruf erhielt, war ich

voller Freude", erzählt Duran. „Es

war ein echt schönes Gefühl, zu

erfahren, dass ich gewonnen habe.

Meine Familie konnte es kaum glauben!

Alle waren stolz auf mich.“

Die Preisverleihung als bewegender

Moment

Sein Text wurde von Markus Hering

vorgetragen. „Als mein Text vorgelesen

wurde und alle im Saal

applaudierten, war das wirklich

schön", sagte er mit einem strahlenden

Lächeln. Die Freude über den

Gewinn des Hauptpreises sowie den

zusätzlichen Preis, einen Laptop, ist

groß. „Ich bin überglücklich über

das Preisgeld und den Laptop. Mein

Handy ist kaputt gegangen, aber

jetzt kann ich mir endlich ein neues

kaufen", fügt er hinzu.

Fatih Duran hat sich entschieden,

seine alten Freunde hinter sich zu

lassen. „Mir ist lieber, ich habe

wenige gute Freunde als viele, die

nicht gut für mich sind und einen

schlechten Einfluss auf mich haben",

erklärt er bestimmt.

Für die Zukunft wünscht sich Herr

Duran eine feste Arbeitsstelle „Ich

mag die Tätigkeit in der Tagesstruktur

bei DAS BAND, sie tut mir sehr

gut, aber langfristig hätte ich gerne

eine Anstellung.“

"Ich möchte meine Geschichte gerne

weiterschreiben, denke aber nicht,

dass ich noch einmal gewinnen

werde", merkt er lachend am Schluss

an.

Auszüge aus seinem Text

Hin und Her vergingen die Jahre

und wir waren Jugendliche geworden.

… Wir treffen uns mit den

Freunden weiterhin nach der Arbeit

im Park wir hatten alle neue Sachen

und Ideen im Kopf, die wir auch ausprobieren

wollten (…)

… anfangs war es ein schönes Gefühl

so dass ich glaubte das ich in

den Wolken schwebe, dann auf einmal

drehte sich alles und auf einmal

hörte ich Stimmen.

Ich bin derzeit viel gesünder und es

geht mir auch schon viel besser ich

bin auch wieder Arbeiten in einer

Tagestruktur … ich möchte eigentlich,

dass die heutige Jugend davon

erfährt was Drogen mit einem so

anrichten und die Finger davon bitte

lassen. •

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Lebensqualität durch Inklusion

Ausgabe 2/2024

integra ® 2024

Alle zwei Jahren treffen sich Expert*innen, Fachpersonal

sowie Menschen mit Behinderungen und pflegende Angehörige

aus ganz Österreich bei der integra® in der Messe

Wels. Im Rahmen der Messe für Rehabilitation, Prävention,

Integration und Pflege werden neue Entwicklungen und

Trends im Bereich der Mobilität sowie Hilfsmittel und Technologien

präsentiert. Vertreter*innen des Österreichischen

Behindertenrats sind am 5. und 6. Juni am Stand von Fokus

Mensch anzutreffen.

Die integra® bietet von 5. bis 7. Juni 2024 auch

ein breites Angebot an Vorträgen und Workshops.

Unter dem Motto "Lebensqualität durch Inklusion"

wurden bei der Auswahl der mehr als 40 Vorträge und 20

Workshops neben den zentralen Themenblöcken Pflege

und Pflegezukunft, Therapie und Inklusion auch Fragestellungen

aus Bereichen wie beispielsweise berufliche

Integration, rechtliche Aspekte, Psycho-Hygiene, Demenz,

Digitalisierung und Technologien aufgegriffen.

Auszug aus dem umfangreichen Vortragsund

Workshopprogramm

5. Juni, 11:00 Uhr: Gleichstellungsrecht und

UN-Konvention

Vortrag von Bundesbehindertenanwältin Christine Steger

5. Juni, 12:00 Uhr: Sucht – Behinderung –

Selbstbestimmung

Vortrag von Georg Preitler, Mitarbeiter der Sucht- und

Drogenkoordination Wien

5. Juni, 14:00 Uhr: Ein Leben mit Parkinson,

nur zittern?

Vortrag von Michaela Steffelbauer, Karin Sommerhuber

und Christian Sommerhuber

5. Juni, 15 Uhr: Erste Hilfe für die Seele

Vortrag von Andrea Viertelmayer

6. Juni, 10 Uhr: Demenz geht uns alle an

Vortrag von Christina Kuhn

6. Juni, 10 Uhr: Das ParaWG Konzept

Vortrag von Stefan Staubli und Urban Schwegler

6. Juni, 10 Uhr: Besser Arm ab als arm dran

Vortragskabarett von Martin Fromme

6. Juni, 11 Uhr: Evidenzbasierte berufliche

Integration

Vortrag von Stefan Staubli und Urban Schwegler

6. Juni, 14 Uhr: Arbeiten, wo alle arbeiten

Vortrag von Barbara Elsherif und Gabriele Ruis

6. Juni, 14 Uhr: Die vier Säulen des

Erwachsenenschutzgesetzes

Vortrag von Wolfgang Stütz

6. Juni, 14 Uhr: Personenzentrierte Zukunftsplanung

Vortrag von Peter Grundner und Eva Maria Maringer

6. Juni, 15 Uhr: Mein Weg in die berufliche

Selbständigkeit

Vortrag von Nicola Vogl

6. Juni, 15 Uhr: Autismus-Spektrum in aller

Munde – weshalb?

Vortrag von Sonja Metzler

6. Juni, 15 Uhr: Glückliches Händchen

Vortrag von Martin Fromme

7. Juni, 10 Uhr: Zeit für Sexualität und Intimität

Vortrag von Anna Wolfesberger

7. Juni, 10 Uhr: Persönliche Assistenz

Vortrag von Gernot Larsen und Werner Gasperlmair

7. Juni, 10 Uhr: Unterstützte Kommunikation

im Alltag

Vortrag von Petra Zehentner

7. Juni, 11 Uhr: Pflegegeldverfahren aus

juristischer Sicht

Vortrag von Wolfgang Stütz

7. Juni, 11 Uhr: Assistenz, Unterstützung und

Betreuung

Vortrag von Dominic Haberl und Johannes Schwabegger

7. Juni, 11 Uhr: Die Welt mit anderen Augen sehen

Vortrag von Susanne Breitwieser •

Messedetails auf einen Blick

integra 2024

5. – 7. Juni 2024

Veranstalter:

Messe Wels GmbH

www.integra.at

Öffnungszeiten

MI & DO 9:00 – 17:30 Uhr

FR 9:00 – 16:30 Uhr

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Barrierefreiheit

Ausgabe 2/2024

Inklusiv und klimafreundlich reisen.

Der neue ÖBB Railjet

macht es möglich.

Von Emil Benesch

Seit 8. April 2024 ist der neue ÖBB Railjet auf Schiene. Er verbindet tagsüber München, Innsbruck,

Bozen, Verona und Bologna. Die Planung des neuen Railjet hat die inklusive Planungsgruppe

des Österreichischen Behindertenrates über 5 Jahre mit Empfehlungen und Tests zur

Weiterentwicklung der Barrierefreiheit unterstützt. Anfang Februar konnten die Expert*innen

mit Behinderungen den neue ÖBB Fernverkehrszug von Siemens erstmals testen. Was können

Menschen mit Behinderungen vom neuen Zug erwarten?

Mit barrierefreiem Einstieg

Eine Besonderheit im Fernverkehr

ist der Niederflureinstieg. In sieben

von neun Waggons des Zuges ist ein

stufenloser, niveaugleicher Einstieg

möglich – sofern die Bahnsteighöhe

550 Millimeter beträgt. Bei anderen

Bahnsteighöhen kann per Rampenanforderungstaster

das Auslegen

einer Rampe beim Bordpersonal angefordert

werden. Die Rampenanforderungstaster

befinden sich außen

in der Bordwand des Zuges und im

Innenbereich nahe der Eingangstüre.

Personen, die einen Rollstuhl

nutzen, können den Zug gleichberechtigt,

wie alle anderen auch,

ohne Voranmeldung aufsuchen. Mit

der Reservierung eines Platzes im

Zug ist allerdings ein Vorrecht verbunden.

Die ÖBB empfehlen deshalb

für die drei Rollstuhlplätze im Zug

eine Anmeldung.

Die inklusive Planungsgruppe bei der Vorstellung des Zuges am

Wiener Westbahnhof.

… auch für blinde und sehbehinderte

Menschen

Neben den Einstiegsbereichen des

Zuges zeigen LED-Displays außen

das Zugziel und die Wagennummer

an. Mit weißer Schrift auf schwarzem

Grund wird maximaler Kontrast

und bestmögliche Lesbarkeit erzielt.

Menschen mit Sehbehinderungen

wird das Auffinden der Einstiegsbereiche

durch eine weithin sichtbare,

breite, weiße Türumrandung

erleichtert. Der Türtaster selbst ist

durch einen Ring aus grün leuchtenden

LED-Lampen schnell auffindbar.

Wenige Zentimeter neben dem

Türtaster ertönt der Türsignalton.

Blinde Menschen orientieren sich

am Türsignalton und finden so zu

Einstiegsbereich und Türtaster. Das

gefährliche und zeitraubende Entlangtasten

am Zug bis die Türe gefunden

ist, bleibt blinden Menschen

beim neuen Railjet erspart.

Fotos: Andrea Strohriegl

Auch die Niederflureinstiege des

neuen Railjet sind für Menschen mit

Sehbehinderungen und blinde Menschen

von großem Vorteil. Durch

den bei Türöffnung ausfahrenden

Schiebetritt wird der Spalt zwischen

Bahnsteig und Wagon überbrückt.

„Man kann dadurch leichter und

bequemer einsteigen und es besteht

nicht die Gefahr, dass man mit dem

Fuß zwischen Bahnsteig und Wagon

hineinrutscht“, freut sich Wolfgang

Kremser, aktives Mitglied der inklusiven

Planungsgruppe. Auch die

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Barrierefreiheit

Die Sitzplatzmarkierungen sind

kontrastreich und tastbar.

Foto: ÖBB/Iwo Klimczak

vertikale Griffstange im Türbereich

ist eine gute Lösung, weil sie so

montiert ist, dass sie zum Ein- und

Aussteigen mit der Hand ergriffen

und genutzt werden kann.

Zum Sitzplatz

Nach dem niveaugleichen Einstieg

sind die meisten der Sitzplätze im

Zug stufenlos zu erreichen. Bei der

Orientierung im Zug helfen kontrastreiche

und tastbare Schienen, die

den Mittelgang in den Großraumwägen

begrenzen. Der eigene Sitzplatz

wird per Sitzplatzmarkierung

gefunden. Sie sind an den Kopfstützen

der Sitzplätze angeordnet. Im

ganzen Zug sind die Sitzplatzmarkierungen

kontrastreich und tastbar

ausgeführt. So können alle, auch

Menschen mit Sehbehinderungen

und blinde Menschen, ihren Platz im

Zug gut und zügig finden.

Jeder Sitzplatz in der 1. und 2.

Klasse verfügt über eine eigene

Leselampe, eine Steckdose, eine

USB-Ladebuchse und eine induktive

Ladestation für das kabellose Laden

des Smartphones. Neue mobilfunkdurchlässige

Fensterscheiben sorgen

im ganzen Zug für verbesserten,

stabilen Handyempfang. Die Kleiderhaken

bei den Sitzplätzen sind

so montiert, dass Kleidungsstücke

nicht den Blick durchs Fenster verstellen.

Manche Sitze sind etwas erhöht. An

diesen Plätzen können Reisende ihr

Gepäck direkt unter dem eigenen

Platz verstauen ohne Gepäcksstücke

mühsam hochheben zu müssen.

Zusätzlich gibt es im ganzen Zug

verteilt Gepäcksablagen mit einer

Versperrmöglichkeit per PIN-Code.

Gepäckstücke können dort mittels

eines Stahlseils, das um den Griff

des Gepäckstücks gewickelt wird, gesichert

werden.

Aufgewertete Abteile

Personen, die Ruhe, Abstand oder

Privatsphäre schätzen – u.a. auch

Menschen mit psychischen Erkrankungen

– könnte neben den bekannten

Ruhezonen die Rückkehr der

Abteile freuen. Im neuen Zug stehen

Abteile für vier oder sechs Personen

zur Verfügung. Die Sechser-Abteile

sind mit einem großen Tisch ausgestattet.

Über ein Touchpanel kann im Abteil

das Licht heller oder dunkler geschaltet

werden. Es kann die Farbwahl

des Lichtes gewählt und die

Temperatur im Abteil eingestellt

werden. Das Panel ist tastbar gestaltet

und auch für blinde Menschen

bedienbar. Zusätzlich gibt es im

Abteil eine Anzeige, ob die nächstgelegene

Toilette frei verfügbar ist.

PRM-Abteil

Im sechsten der neun Wägen des

neuen Railjet befindet sich der PRM-

Bereich. Ein Deckensensor sorgt für

automatische Türöffnung am Weg in

das PRM-Abteil. PRM steht für „Persons

with Reduced Mobility“. Hier

können Personen mit Mobilitätseinschränkungen

und Menschen ohne

Behinderungen gemeinsam reisen.

Es gibt drei Plätze für Nutzer*innen

von Rollstühlen. Ihnen gegenüber

nehmen jeweils zwei Personen ohne

Behinderungen Platz. So wird das

Reisen mit Freund*innen, Familie

oder persönlichen Assistent*innen

ermöglicht. Auch das Umsetzen vom

Rollstuhl auf einen Sitzplatz gegenüber

ist hier möglich.

Auf Ersuchen des Behindertenrats

wurden die Plätze für Personen mit

Rollstuhl so ausgestattet wie alle

anderen Sitzplätze im Zug. So wurde

der Tisch vergrößert. Dadurch ist

jetzt auch am Rollstuhlplatz ein

Arbeiten mit Computer möglich.

Die Rollstuhlplätze verfügen über

eine Leselampe mit weißem Lichtschalter

und eine USB-Steckdose.

Für Personen, die mit einen Elektrorollstuhl

unterwegs sind, steht auch

eine passende Steckdose (230 Volt)

zum Laden der Akkus bereit.

Mit dem blauen Service-Ruf-Taster

kann vom Rollstuhlplatz Personal

aus dem Bistro Wagen gerufen

werden, um Getränke und Speisen

zu bestellen. Getränke und Speisen

werden an den Platz im PRM-Abteil

gebracht. Das Bistroabteil selbst ist

mit Rollstuhl nicht erreichbar. Der

gelb umrandete Nottaster funktioniert

auch als Notsprechstelle.

Mikrofon und Lautsprecher ermöglichen

die Kommunikation mit Zugpersonal.

Die Rollstuhlplätze sind in einem

Wagen der Economy Class platziert,

sie entsprechen dabei jedoch dem

Servicekonzept der First Class (inkl.

Am-Platz-Service).

Nutzungskonflikte werden

vermieden

Beim neuen Railjet wurden Fehler

der Vergangenheit nicht wiederholt.

Im neuen Zug werden Zonen klar

zugeordnet. Bereiche zur gemischten

Nutzung führen in Verkehrsmit-

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Ausgabe 2/2024

Die barrierefreie Universaltoilette.

teln regelmäßig zu unangenehmen

Situationen und Konflikten zwischen

Nutzer*innen von Rollstühlen, Fahrrädern

und Personen mit Kinderwägen.

Das Recht des Stärkeren kommt

zur Anwendung, oder das Motto:

Wer zuerst kommt, malt zuerst. Menschen

mit Behinderungen erfahren

in Zonen gemischter Nutzung regelmäßig

Diskriminierung. Gut, dass es

im neuen Railjet durch vorausschauende

Raumaufteilung nicht so weit

kommt. Hier haben Nutzer*innen

von Rollstühlen, Fahrrädern und Skiern

und Personen mit Kinderwägen

jeweils eigene Bereiche.

Barrierefreie

Universaltoilette

Im Anschluss an die Rollstuhlstellplätze

befindet sich eine barrierefreie

Universaltoilette mit einem

Wendekreis von 150 Zentimetern.

Das barrierefreie WC verfügt über

eine klappbare Haltestage und seitlich

Platz zum Anfahren. 2 Spültaster

und mehrere Notrufknöpfe

stehen zur Verfügung. Alle Taster

und Piktogramme sind kontrastreich

und tastbar ausgeführt. Die Nutzung

von Seife, Wasser, Handföhn und

Desinfektionsmittel erfolgt, dank

Sensoren, berührungslos. In der

Rückwand der Toilette befindet sich

ein herausklappbarer Wickeltisch.

Foto: Emil Benesch

Der neue Railjet bietet Informationen

zur Bahnfahrt auch auf Bildschirmen,

an die man sich annähern

kann. So können auch Personen mit

Sehbehinderungen lesen, was am

Bildschirm geschrieben ist. Annäherbare

Bildschirme sind etwa in allen

Eingangsbereichen zu finden. Ebenso

findet sich bei allen Einstiegsbereichen

eine Notrufsprechstelle.

Weitere Optimierungen

Abstimmungen zu Verbesserungen

sind ein laufender Prozess und nie

zu Ende. Beim Test des neuen Railjet

durch die inklusive Planungsgruppe

wurde mit der für das Innendesign

verantwortlichen Mitarbeiterin der

ÖBB besprochen, wo die geplante

Ausstattungselemente am Rollstuhlplatz.

Rollo Stange befestigt und wie sie

verwendet werden könnte.

Der Behindertenrat ersucht die ÖBB,

auch weiter an Optimierungen zu

arbeiten. So wurde eine Metallschiene,

die zum Erreichen und Verlassen

des Rollstuhlplatzes überfahren

werden muss, als sehr unangenehm

wahrgenommen. Wir ersuchen zu

prüfen, ob eine Verlegung oder Entfernung

möglich ist.

Der neue ÖBB Railjet ist ein gutes

Beispiel dafür, wie Mobilität eigenständig

nutzbar, barrierefrei und

inklusiv gestaltet werden kann.

Expert*innen mit Behinderungen

der inklusiven Planungsgruppe des

Österreichischen Behindertenrats

haben seit November 2018 die ÖBB

bei der Entwicklung des neuen Railjets

beraten. Die Offenheit der ÖBB

und die Partizipation von Menschen

mit Behinderungen haben maßgeblich

zur Qualität des neuen Railjet

beigetragen. So konnten Lösungen,

die über den gesetzlichen Mindeststandards

liegen, realisiert werden.

Der Österreichische Behindertenrat

dankt den ÖBB und wünscht eine

gute Reise! •

Foto: Emil Benesch

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Buchrezensionen

Ausgabe 2/2024

Vielfalt – Das andere Wörterbuch

Rezension von Andrea Strohriegl

Was heißt eigentlich Neurodiversität? Und was sind FLINTA? Von Ableismus

über Gendern bis zu Zionismus: der neue Duden der Vielfalt möchte

Begriffe rund um Vielfalt und Diversität verständlich machen.

Sebastian Pertsch hat sich das Ziel gesetzt, die Vielfältigkeit der deutschen

Sprache zu dokumentieren und greifbar zu machen. Dazu wurden

100 Autor*innen gebeten, 100 Worte zu definieren und erklären. Diese 100

Blickwinkel sollen dazu beitragen, die Vielfalt unserer Sprache möglichst

facettenreich darzustellen und die Bedeutung von sprachlicher Sensibilität

näherzubringen.

Warum sollte man nicht von „Familiendramen“, sondern „Femiziden“ sprechen?

Warum ist von Personen die Rede, die „an den Rollstuhl gefesselt sind“

und nicht von Personen, die einen Rollstuhl nutzen? Diese und viele weitere

Beispiele werden erläutert. Dabei soll es nicht um „pedantisches Besserwissen“

oder eine „Sprachpolizei“ gehen, sondern um das Wissen, was hinter

den Worten steckt und wie Herausforderungen, die sie benennen, gesellschaftlich

gelöst werden können.

Ein praktischer und lehrreicher Leitfaden für alle Personen, die sich für inklusive

und sensible Sprache interessieren und ihre Horizonte erweitern wollen. •

Cover: Duden

Sebastian Pertsch (Hrsg.)

Vielfalt. Das andere Wörterbuch.

Duden 2024

ISBN 978-3-411-75601-8

Preis: 28,00 EUR

Stoppt Ableismus!

Ableismus überwinden! Ein

Handbuch für Veränderung und

Empowerment.

„Noch immer verhindern Berührungsängste

einen Dialog über Ableismus.

So bleiben nahezu 15 Prozent

der globalen Bevölkerung von der

Gesellschaft ausgeschlossen.“, so

die Autorinnen Anne Gersdorff und

Karina Sturm. Anne nutzt einen

Rollstuhl, Karina hat eine chronische

Krankheit, die zu einer unsichtbaren

Behinderung führt. Was sie

teilen, sind die täglichen

Erfahrungen mit Ableismus.

Rezension von Andrea Strohriegl

Diese Berührungsängste wollen die

Autorinnen aufbrechen und mit

praxisorientieren Beispielen ein

Handbuch zur Verfügung stellen, das

Barrieren und Ausschlussmechanismen

der Gesellschaft offenlegt und

Möglichkeiten zum Abbau von Barrieren

und Diskriminierung bietet.

Von einer Begriffserklärung, einer

Bestandsaufnahme von Ableismus,

Privilegien und Abwehrmechanismen,

die häufig Barrieren bilden,

hin zu konkreten Lösungen und

Tipps, was man als Leser*in selbst

tun kann, bietet das Buch einen umfassenden

Leitfaden. •

Cover: Rowohlt

Anne Gersdorff und

Karina Sturm

Stoppt Ableismus! Diskriminierung

erkennen und abbauen.

Rohwolt Taschenbuch Verlag

2024, ISBN 978-3-499-01187-0

Preis: 15,50 EUR

34

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Inklusion im Sport

Ausgabe 2/2024

3. Herbert Pichler Cup

Unter dem Motto „Inklusion – Fußball – Werte“ veranstaltete der Verein SPIELERPASS am 7.

April 2024 zum dritten Mal ein inklusives Hallenfußballturnier im Gedenken an den langjährigen

Präsidenten des Österreichischen Behindertenrats, Herbert Pichler.

Gruppenfoto der Spieler*innen.

Fotos: Kerstin Huber-Eibl

Sechs inklusive Teams mit jeweils 15 Spieler*innen

feierten mit begeisterten Fans im Fans im Freizeitzentrum

Perchtoldsdorf ein großes Fußballfest.

Jahrelange Wegbegleiter*innen aus Sport und Politik

waren ebenso dabei wie viele Freund*innen.

Für Herbert Pichler waren Werte und Fußball sehr wichtig,

deswegen wurden die Teams nach bekannten Vereinen

und gesellschaftlichen Werten benannt. So traten

zum Beispiel Teams wie Real Respekt (Anlehnung an Real

Madrid) und Inter Inklusion (Anlehnung an Inter Mailand)

an.

Obwohl die Mannschaft Inter Inklusion den großen Pokal

gewann, waren alle sechs Teams Sieger! Denn im Mittelpunkt

des 3. HERBERT PICHLER CUP standen Miteinander,

Fairplay und Spielfreude.

Über Herbert Pichler

Als Präsident des Österreichischen Behindertenrates,

Präsident des ÖZIV Bundesverbandes, Vorstandsmitglied

von dabei-austria und Leiter des „Chancen Nutzen“-Büros

im ÖGB setzte sich Herbert Pichler für Menschen mit

Behinderungen ein. Am 3. April 2021 starb Herbert im

Alter von 56 Jahren bei einem Autounfall. Das gemeinsame

Fußballspielen von Menschen mit und ohne Behinderungen

war für den großen FC Bayern München-Fan der

Inbegriff von Inklusion, die er gerne in allen Lebensbereichen

verwirklicht gesehen hätte. •

Präsidiumsmitglieder des Österreichischen Behindertenrats

beim Herbert Pichler Cup. Von links: Roswitha Schachinger,

Rudolf Kravanja und Martin Ladstätter. Foto: Kerstin Huber-Eibl

www.behindertenrat.at

35


Empfänger

Österreichische Post AG

GZ 02Z032856

Österreichischer Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11

Retouren an Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11

Kategorie Ausgabe 2/2024

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