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mo. 04.02.2013 - Rondo

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Titel<br />

Daniel barenboim und das West-eastern Divan Orchestra<br />

Für die Beatles war ich zu hochnäsig<br />

Mit seinem West-eastern Divan Orchestra haben Daniel barenboim und edward Said 1999 ein Vorzeigeprojekt<br />

ins Leben gerufen. abseits der blutigen Grabenkämpfe führt es die arabisch-palästinensische und<br />

die israelische Jugend von heute zusammen – in der Musik. Mit robert fraunholzer sprach barenboim über<br />

die bedeutung des Orchesterprojektes, seine familie und seine Liebe zum deutschen fernseh-krimi.<br />

RONDO: Herr barenboim, Ihr beethoven-Zyklus mit dem West-eastern Divan<br />

Orchestra heißt »beethoven für alle«. Glauben Sie, dass klassik mit der Pop-<br />

Musik konkurrieren kann?<br />

Daniel Barenboim: aber sicher! auch wenn ich glaube, dass klassik und Pop<br />

zwei völlig verschiedene Welten sind. Die große Stärke der klassik tritt dann ein,<br />

wenn man einen sehr schlechten tag gehabt hat. krach im büro! eine schmerzhafte<br />

behandlung beim Zahnarzt. Streit mit der frau oder mit der Geliebten. Oder<br />

mit beiden! und schließlich hat einem der Steuerberater noch mitgeteilt, dass man<br />

eine Menge Geld nachzahlen muss. Man ist total am ende, kommt nachhause,<br />

Seit 20 Jahren lebt Barenboim in Berlin, abseits des Konzertsaals kann man ihn auch schon mal im Perga<strong>mo</strong>n-Museum<br />

treffen (l). Die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern ist der Motor in Barenboims »WEDO«<br />

legt seine beine auf den tisch und eine CD mit einem nocturne von Chopin in<br />

den CD-Player ein. In drei Minuten hat man den ganzen ärger vergessen.<br />

RONDO: Das ist allerdings bei der Pop-Musik genauso!<br />

Barenboim: finden Sie? Ich glaube nicht. Man geht nicht rein in die Pop-Musik. Pop-<br />

Musik kommt rein in uns. Das ist der große unterschied. klassik ist arbeit. Ich rede<br />

natürlich nicht von mir. Was ich tue, ist gar keine arbeit, sondern bloße freude.<br />

RONDO: Mögen Sie Pop-Musik überhaupt nicht?<br />

Barenboim: Doch, ich habe immerhin damals die beatles persönlich ken-<br />

6 RONDO 3/2012<br />

nengelernt. es war bei einem abendessen von Lord Harewood, einem Cousin<br />

der königin. In London.<br />

RONDO: Wow!<br />

Barenboim: Sehen Sie! endlich, nach all den Jahren, wird mir ein bisschen respekt<br />

entgegengebracht! es war 1970. Das beethoven-Jahr. Die beatles wussten<br />

davon nichts, wollten aber alles von mir über beethoven erfahren. Sie waren sehr<br />

lustig. Ich war damals, wie ich ehrlich zugeben muss, nicht so sehr angetan von<br />

der Musik der beatles. Ich war zu jung und zu hochnäsig. Mit den Jahren habe<br />

ich mehr und mehr gelernt zu verstehen, was sie gemacht haben.<br />

RONDO: außerdem arbeitet Ihr Sohn<br />

David doch als Pop-Produzent!<br />

Barenboim: er spielt elektrische Gitarre<br />

und arbeitet mit unterschiedlichen<br />

rappern. unser anderer Sohn<br />

Michael dagegen macht eine Solokarriere<br />

als Geiger und ist außerdem<br />

1. konzertmeister im West-eastern<br />

Divan Orchestra.<br />

RONDO: Seien Sie ehrlich: Sind Sie bei<br />

Ihrem Sohn als Dirigent genauso autoritär<br />

wie sonst?!<br />

Barenboim: Ich würde eher sagen, ob-<br />

wohl er mein Sohn ist, bin ich genauso<br />

de<strong>mo</strong>kratisch wie gegenüber den anderen.<br />

autoritär zu sein, ist heute<br />

nicht mehr nötig. Heute spielt Ihnen jedes mittelmäßige Orchester Mahler vom<br />

blatt. ein Dirigent muss vor allem seine eigene Denkfähigkeit herüberbringen.<br />

er muss die Musiker zu dem Punkt bringen, wo alle das Gleiche denken.<br />

RONDO: klingt auch nicht gerade sehr gemütlich!?<br />

Barenboim: Warum sollte es? egal was passiert, ob die twin towers in new<br />

York einstürzen, ob jemand in der familie stirbt oder was immer: an einer<br />

bestimmten Stelle muss unter allen umständen ein akzent gemacht werden!<br />

Darum kommen Sie nicht herum.<br />

rock

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