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KOMM 3/2024

KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

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<strong>KOMM</strong><br />

03/<strong>2024</strong> WWW.IKT.VERDI.DE<br />

TARIFRUNDE TELEKOM<br />

Bundesweite Streiks<br />

Foto: Manfred Geneschen<br />

ERHÖHEN DEN DRUCK!<br />

Die Beschäftigten der Deutschen<br />

Telekom haben mit mehreren bundesweiten<br />

Streiktagen erreicht, dass<br />

die Arbeitgeberin ein Angebot vorgelegt<br />

hat. Dies sei das höchste<br />

Angebot, das die Telekom ver.di<br />

jemals gemacht habe, betonte Telekom-Verhandlungsführerin<br />

Sigrid<br />

Heudorf. Dennoch lautet das Fazit<br />

von ver.di: Nicht ausreichend!<br />

Nachdem die Arbeitgeberin in der dritten<br />

Tarifverhandlungsrunde für die Deutsche<br />

Telekom ein nicht ausreichendes Angebot<br />

vorgelegt hatte, weitete ver.di die Warnstreikaktivitäten<br />

aus. Am 6. und 7. Mai<br />

<strong>2024</strong> fanden an zwei aufeinanderfolgenden<br />

Tagen vollschichtige bundesweite<br />

Warnstreiks statt. „Vor der entscheidenden<br />

vierten Tarifverhandlungsrunde erhöhen<br />

wir damit noch einmal den Druck auf<br />

die Arbeitgeber, die Forderungen der Beschäftigten<br />

ernst zu nehmen“, sagte<br />

ver.di-Arbeitskampfleiter Pascal Röckert.<br />

„Die Kolleginnen und Kollegen sind weiterhin<br />

hoch motiviert und entschlossen,<br />

ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen.“<br />

Hohe Streikbereitschaft<br />

Allein in der letzten Aprilwoche hatten<br />

sich bundesweit rund 12 000 Beschäftigte<br />

an vollschichtigen Warnstreiks beteiligt.<br />

Zudem hatten Kundgebungen und Aktionen<br />

an verschiedenen Orten stattgefunden:<br />

in Hamburg, Dortmund, Mainz,<br />

Stuttgart, München, Nürnberg, Dresden,<br />

Chemnitz und Berlin sowie auf dem Brocken<br />

im Harz.<br />

Das am 30. April <strong>2024</strong> in der dritten<br />

Tarifverhandlungsrunde vorgelegte Angebot<br />

habe sich zwar auf die Arbeitnehmerseite<br />

zubewegt, sei aber nicht ausreichend<br />

gewesen, sagte Röckert weiter. So<br />

seien die angebotenen Entgelterhöhungen<br />

zu gering und die Laufzeit des Tarifvertrags<br />

von 27 Monaten zu lang. „Das<br />

Angebot ist so nicht einigungsfähig, da<br />

erwarten die Beschäftigten deutliche<br />

Nachbesserungen. Da in der darauffolgenden<br />

Woche der bisher letzte vereinbarte<br />

Verhandlungstermin stattfindet,<br />

werden die Kolleginnen und Kollegen<br />

dies zum Anlass nehmen, ihre Erwartungen<br />

wirksam zu unterstreichen“, kündigte<br />

Röckert an.<br />

12 Prozent gefordert<br />

ver.di fordert in der diesjährigen Tarifrunde<br />

für bundesweit rund 70 000 Tarifbeschäftigte<br />

eine Entgeltsteigerung von<br />

zwölf Prozent, mindestens aber 400 Euro<br />

mehr pro Monat bei einer Laufzeit des<br />

Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Ausbildungsvergütungen<br />

sowie die Entgelte<br />

der dual Studierenden sollen um monatlich<br />

185 Euro erhöht werden.<br />

Die Tarifverhandlungen sollten am 13.<br />

und 14. Mai <strong>2024</strong>, nach <strong>KOMM</strong>-Redaktionsschluss,<br />

fortgesetzt werden.<br />

Weiter auf den Seiten 6/7


2<br />

INHALT<br />

2 ver.di-Mitgliederservice<br />

Beratung, Absicherung,<br />

Sonderkonditionen<br />

3 Editorial<br />

4 IBM<br />

Diese Ausgabe ...<br />

Save the Date<br />

IT-Netzwerkkonferenz <strong>2024</strong><br />

Tarifabschluss erreicht<br />

5 BTC IT Services GmbH<br />

Deutliche Einkommenssprünge<br />

Media Broadcast GmbH<br />

Verhandlungsauftakt<br />

ohne Angebot<br />

6/7 Tarifrunde Telekom<br />

Das Angebot ist<br />

nicht ausreichend!<br />

VER.DI-MITGLIEDERSERVICE<br />

Beratung, Absicherung, Sonderkonditionen<br />

Der ver.di-Mitgliederservice bietet<br />

umfassende Beratung und Angebote<br />

zu Bewerbung/Berufsstart,<br />

Rente/Lohnsteuer, Vermögenswirksame<br />

Leistungen, Gesundheit<br />

und Prävention, Wohnen und Bauen,<br />

Absicherung von Dienst- und<br />

Berufsunfähigkeit und vielem<br />

mehr. Die Zusatzleistungen sind<br />

für ver.di-Mitglieder entweder<br />

kostenfrei oder zum Sonderpreis<br />

erhältlich.<br />

Informationen und Hinweise von Expert*innen<br />

In den Online-Treffen des ver.di-Mitgliederservice ist Zeit für Fragen und Gespräche.<br />

Und es gibt jede Menge Tipps rund um die Vorteile der Mitgliedschaft. Von „A“ wie<br />

„Absichern“ bis hin zu „V“ wie Vorsorgen.<br />

Die Termine und Themen der Online-Treffen veröffentlicht der ver.di-Mitgliederservice<br />

auf seiner Seite. Dort ist auch die Anmeldung möglich:<br />

www.verdi-mitgliederservice.de<br />

Foto: ver.di<br />

VER.DI-BUNDESFACHGRUPPE IKT<br />

GOES SOCIAL MEDIA<br />

Foto: ver.di<br />

8 Künstliche Intelligenz<br />

KI: Eine ethische Perspektive<br />

9 –11 Europawahl<br />

DGB-Wahlcheck:<br />

Gute Arbeit?<br />

Besser mit Europa.<br />

12/13 International<br />

Gewerkschaft global –<br />

UNI-Weltkongress<br />

für die IKT-Branche<br />

14 Beamt*innen<br />

Sonderurlaub bei Erkrankung<br />

des Kindes: Befristet mehr<br />

Tage<br />

15 Beamt*innen<br />

Verfassungsrecht skandalös<br />

ignoriert<br />

Beamtenversorgung<br />

ver.di und DGB für Erhalt<br />

16 Facilityservice<br />

Wohin steuert die<br />

Facility-Branche?<br />

Deutsche Funkturm GmbH<br />

Wir wollen MEHR werden!<br />

IMPRESSUM<br />

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<strong>KOMM</strong> Nr. 3/<strong>2024</strong><br />

24. Jahrgang<br />

#verdiIKT<br />

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#wirsindverdiIKT<br />

https://www.instagram.com/verdiikt/<br />

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ver.di_IKT zur Netzpolitik<br />

https://twitter.com/verdi_Netzpol<br />

Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundes vorstand: Frank Werneke<br />

Christoph Schmitz-Dethlefsen, Fachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)<br />

Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Telefon: 030 6956-0 Internet: https://ikt.verdi.de<br />

Erscheinungsweise: 8 Ausgaben pro Jahr<br />

Redaktion: Silke Leuckfeld (sil) E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Layout: datagraphis GmbH, Wiesbaden-Nordenstadt Internet: https://datagraphis.de<br />

Gedruckt auf GraphoSilk FSC® 80g/m 2<br />

Folge uns für Tweets und Posts über die Themen,<br />

die die IT- und TK-Branche bewegen:<br />

Druck: Schaffrath DruckMedien GmbH Auflage: 78 703<br />

Anzeigen und Beilagen:<br />

Telefon: 030 6956-2442<br />

E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Redaktionsschluss nächste Ausgabe: 14. Juni <strong>2024</strong>


3<br />

<strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

EDITORIAL<br />

Diese Ausgabe ...<br />

... hat als einen Schwerpunkt die Tarifrunde Telekom. Als wir dieses Heft in die<br />

Druckerei gegeben haben, stand die Verhandlungsrunde am 13. und 14. Mai noch<br />

bevor. Und auch wenn wir das Ergebnis noch nicht kennen, so wissen wir doch,<br />

dass euer Druck durch mehrere Streikwellen bereits viel bewirkt hat. Ihr habt es<br />

geschafft, dass die Telekom in der dritten Verhandlung Ende März ein Angebot auf<br />

den Tisch gelegt hat. Das ist zwar vom Volumen und der Laufzeit bei weitem nicht<br />

ausreichend, aber damit konnte endlich konkret verhandelt werden.<br />

Als zweites großes Thema gehen wir auf die Parteiprogramme zur Europa-Wahl<br />

ein. Auch wenn Brüssel und Straßburg weit weg sind, was dort entschieden wird,<br />

betrifft uns alle. Mitbestimmung bei den Konzernen der Telekommunikations- und<br />

IT-Branche, faire Arbeitsbedingungen, Regulierung globaler Techkonzerne und vor<br />

allem verpflichtende Tarifbindung bei der Vergabe von EU-Aufträgen und Konzessionen<br />

sind für die Gewerkschaften zentrale Punkte. Durchsetzbar ist dies nur durch<br />

Rahmenbedingungen, die die Europäische Union schaffen muss.<br />

Auch wenn wir viele Entscheidungen auf EU-Ebene kritisieren, so ist doch klar, dass<br />

weder Deutschland, noch die nationalen Gewerkschaften alle Probleme allein lösen<br />

können. Die Gewerkschaften – auch ver.di und besonders die Fachgruppe IKT – ist<br />

mit etlichen Schwestergewerkschaften über Ländergrenzen hinweg für eure Interessen<br />

im Austausch.<br />

Wir bitten euch deshalb: Nutzt eure Stimme für die demokratischen Parteien und<br />

beteiligt euch an der Europa-Wahl!<br />

<br />

Die <strong>KOMM</strong>-Redaktion<br />

www.mitgliedwerden.verdi.de<br />

TERMINE DER BETRIEBSGRUPPEN<br />

Foto: geralt/pixabay<br />

Sie sind online zu finden unter:<br />

https://tk-it.verdi.de/<br />

Service<br />

Treffpunkte<br />

Oder einfach den<br />

QR-Code scannen<br />

SAVE THE DATE<br />

IT-Netzwerkkonferenz <strong>2024</strong><br />

Unter dem Titel „Die Tech-Branche –<br />

Zwischen Fachkräftemangel und<br />

Beschäftigungssicherung“ findet<br />

vom 8. bis zum 9. Oktober <strong>2024</strong> die<br />

IT-Netzwerkkonferenz von ver.di in<br />

Berlin in Präsenz statt.<br />

ver.di IT-Netzwerkkonferenz <strong>2024</strong><br />

Die Tech-Branche – Zwischen Fachkräftemangel<br />

und Beschäftigungssicherung<br />

Die Tech-Branche zeichnet sich in beschäftigungs-<br />

und gewerkschaftspolitischer<br />

Perspektive durch Extreme aus: Sie<br />

schwankt zwischen einem eklatanten<br />

Fachkräftemangel und -abbau, respektive<br />

Verlagerungsplänen für unter anderem<br />

standardisierte und automatisierbare Tätigkeiten.<br />

Die diesjährige IT-Netzwerkkonferenz<br />

will auf diese Dynamiken blicken.<br />

Dabei fokussiert sie auf gewerkschaftssowie<br />

betriebspolitische Gestaltungsstrategien<br />

und Handlungsoptionen, die dieses<br />

Spannungsfeld zugunsten der Beschäftigten<br />

auflösen können.<br />

Dazu zählen der Einstieg in eine für<br />

zahlreiche IT-Unternehmen gänzlich verschriene<br />

strategische Personal- und Qualifizierungsplanung.<br />

Wie kann ein solcher<br />

Einstieg gelingen und wodurch zeichnet<br />

sich eine erfolgreiche ganzheitliche Personal-<br />

und Qualifizierungsplanung aus? Teil<br />

dessen ist die Ausbildungs- und Nachwuchsentwicklung<br />

in den Unternehmen.<br />

Ebenso gilt es, Fragen der Attraktivität<br />

von Entgelt- und Arbeitszeitregelungen<br />

sowie weiterer Arbeitsbedingungen in<br />

den Blick zu nehmen. Schließlich: Über<br />

welche tarifvertraglichen Werkzeuge verfügen<br />

wir bereits, wo tun sich neue Gestaltungsimperative<br />

auf?<br />

Die IT-Netzwerkkonferenz bringt Gewerkschafter*innen,<br />

betriebliche Praktiker*innen<br />

und Wissenschaftler*innen<br />

zusammen. Ziel ist es, Entwicklungstrends<br />

gemeinsam zu betrachten und<br />

gewerkschafts- und betriebspolitische<br />

Antworten zu diskutieren. Expertise, Erfahrungsaustausch,<br />

Best Practice und<br />

gewerkschaftliche Stärke sind die Zutaten<br />

der Tagung.<br />

Anmeldungen sind unverbindlich bereits<br />

unter dem Link möglich. Das ausführliche<br />

Tagungsprogramm wird hier in den kommenden<br />

Wochen online veröffentlicht:<br />

https://kurzelinks.de/1dmw


4<br />

Grafik: ©Maksim – stock.adobe.com<br />

IBM<br />

TARIFABSCHLUSS<br />

ERREICHT<br />

Am 2. Mai <strong>2024</strong> hat die ver.di-Tarifkommission<br />

einstimmig das zwischen<br />

ver.di und IBM in der dritten<br />

Verhandlungsrunde am 19. April<br />

<strong>2024</strong> erzielte Verhandlungsergebnis<br />

angenommen. Dem waren innerhalb<br />

der zweiwöchigen Erklärungsfrist<br />

intensive Diskussionen in den regionalen<br />

Mitgliederversammlungen<br />

vorausgegangen, die allesamt in<br />

Annahmeempfehlungen mündeten.<br />

Damit treten die Gehaltstarifverträge<br />

für alle tarifgebundenen IBM-Gesellschaften<br />

rückwirkend zum 1. Mai<br />

<strong>2024</strong> in Kraft.<br />

„Uns ist es gelungen, das dritte Jahr in<br />

Folge ein Gesamtvolumen von fast fünf<br />

Prozent zu erzielen sowie die Reallöhne<br />

für die Tarifgehälter abzusichern. Besonders<br />

freut uns, dass wir ein über pro -<br />

portional starkes Ergebnis für die Auszubildenden<br />

erreicht haben“, kommentiert<br />

Dorothea Katharina Ritter, ver.di-<br />

Verhandlungsführerin, das Ergebnis. Das<br />

gelte umso mehr, da die „diesjährigen<br />

Gehaltsverhandlungen alles andere<br />

als ein Selbstläufer gewesen sind, insofern<br />

der Arbeitgeber erreichte kollektive<br />

Standards vehement in Frage gestellt<br />

hat. Umso wichtiger ist es, dass wir<br />

diese Standards erfolgreich verteidigt<br />

haben.“<br />

Tarifanpassung<br />

„Uns ist es gelungen,<br />

das dritte Jahr in Folge<br />

ein Gesamtvolumen von<br />

fast fünf Prozent zu<br />

erzielen sowie die Reallöhne<br />

für die Tarifgehälter<br />

abzusichern. Besonders<br />

freut uns, dass wir<br />

ein überproportional<br />

starkes Ergebnis für die<br />

Auszubildenden erreicht<br />

haben.“<br />

Dorothea Katharina Ritter,<br />

ver.di-Verhandlungsführerin<br />

Die Tarifgehälter steigen um 2,5 Prozent<br />

für die Gesellschaften IBM D, R&D, FMS,<br />

CSS. Zusätzlich wird eine individuelle tarifliche<br />

Mindesterhöhung (im IBM-Jargon<br />

Sockel) für alle Beschäftigten der Bands<br />

1 – 7 in Höhe von 2,2 Prozent bezogen<br />

auf das (individuelle) Grundgehalt gezahlt.<br />

Zusätzlich wurde ein übertarifliches<br />

Gehaltserhöhungsprogramm vereinbart.<br />

ver.di-Mitgliedschaft sichert Tarif<br />

Die Gehaltstarifverhandlungen wurden<br />

durch den extremen Druck der IBM<br />

Corporation geprägt, der darauf zielte,<br />

die Gestaltungsspielräume<br />

der<br />

Landesgesellschaften<br />

in bisher ungekanntem<br />

Maße<br />

einzuschränken.<br />

Wäre es nach der<br />

IBM Corporation<br />

gegangen, wären<br />

die bestehenden<br />

kollektiven Entgelttarifstandards<br />

kurzerhand beseitigt<br />

und durch eine maximale Individualisierung<br />

und Flexibilisierung ersetzt worden.<br />

„Dieses Jahr ist es dem Solidaritäts-<br />

„Wir sehen, in welche Richtung sich die Verhandlungen<br />

in der Zukunft zu entwickeln drohen, wenn jetzt nicht<br />

jede und jeder IBM-Beschäftigte Verantwortung für den<br />

Erhalt der kollektiven Standards und einer gewerkschaftlichen<br />

Gestaltungsmacht übernimmt. Nur eine<br />

ver.di- Mitgliedschaft kann hier wirken.“<br />

Frank Remers, Vertreter der IBM D GmbH<br />

beitrag der Band 8 – sprich dem Verzicht<br />

auf einen individuellen tariflichen Sockel<br />

– zu verdanken gewesen, dass wir überhaupt<br />

die Erhöhung der unteren Gehälter<br />

ebenso wie eine Reallohnabsicherung<br />

durchzusetzen vermochten. Diese Solidaritätsentscheidung<br />

haben wir uns nicht<br />

leicht gemacht“, betont Frank Remers,<br />

Vertreter der IBM D GmbH in der ver.di-<br />

Verhandlungskommission. „Wir sehen, in<br />

welche Richtung sich die Verhandlungen<br />

in der Zukunft zu entwickeln drohen,<br />

wenn jetzt nicht jede und jeder IBM-Beschäftigte<br />

Verant wortung für den Erhalt<br />

der kollektiven Standards und einer gewerkschaftlichen<br />

Gestaltungsmacht übernimmt.<br />

Nur eine ver.di-Mitgliedschaft<br />

kann hier wirken.“<br />

Ausbildung und Studium<br />

„Für Studierende und<br />

Auszubildende haben wir<br />

zudem ein Mobilitätsangebot<br />

für <strong>2024</strong> mit<br />

dem Unternehmen vereinbart“<br />

Stephan Hiller, Vertreter der<br />

IBM D R&D GmbH in der ver.di-<br />

Verhandlungskommission<br />

Die Vergütungen der Auszubildenden erhöhen<br />

sich für das erste Ausbildungsjahr<br />

um 100 Euro, für das zweite um 150 Euro<br />

und für das dritte um 200 Euro.<br />

Die Übernahme gehälter bei Festanstellung<br />

nach erfolgreichem Aus bildungsabschluss<br />

werden um<br />

150 Euro auf 3300<br />

Euro pro Monat erhöht.<br />

Dual Studierende<br />

Bachelor und<br />

Master bekommen<br />

um 2,5 Prozent angehobene<br />

Vergütungen.<br />

„Für Studierende<br />

und Auszubildende<br />

haben wir<br />

zudem ein Mobilitätsangebot<br />

für <strong>2024</strong> mit dem Unternehmen<br />

vereinbart“, hebt Stephan Hiller,<br />

Vertreter der IBM D R&D GmbH in der<br />

ver.di-Verhandlungskommission, hervor:<br />

„Das ist super!“ Damit sei eine wichtige<br />

Forderung dieser Personengruppe umgesetzt<br />

und ein bereits von ver.di in die Gehaltsverhandlungen<br />

2023 mit Nachdruck<br />

eingebrachtes Thema einem positiven<br />

Ergebnis zugeführt worden.<br />

Die Tarifverträge sind erstmals kündbar<br />

mit Wirkung zum 30. April 2025. <br />

<br />

RED


5 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

BTC IT SERVICES GMBH<br />

Deutliche Einkommenssprünge<br />

Erfolgreich konnte ver.di im März die Tarifrunde für die Beschäftigten der<br />

BTC IT Services GmbH abschließen. Die Einkommen steigen in zwei Sprüngen<br />

um bis zu 16,99 Prozent.<br />

Das Ergebnis bringt deutliche Entgelterhöhungen<br />

durch zwei Festbeträge.<br />

Rückwirkend zum 1. Januar <strong>2024</strong> steigen<br />

die Einkommen um 310 Euro. Zum 1. Januar<br />

2025 werden sie um weitere 200<br />

Euro angehoben. Die vereinbarten Festbeträge<br />

führen in den unteren Entgeltgruppen<br />

zu überproportionalen Erhöhungen.<br />

Neue Erfahrungsstufen<br />

JETZT ONLINE BEITRETEN<br />

mitgliedwerden.verdi.de<br />

In die Entgelttabellen werden neue<br />

Erfahrungsstufen eingeführt. Die Erfahrungsstufe<br />

4 kommt zum 1. Juli <strong>2024</strong><br />

und bedeutet für die Beschäftigten<br />

eine monatliche Entgeltsteigerung von<br />

175 Euro nach 48 Beschäftigungsmonaten.<br />

Die Vorbeschäftigungszeiten<br />

in der Erfahrungsstufe 3 werden vollumfänglich<br />

angerechnet.<br />

Zum 1. Januar 2025 wird die Erfahrungsstufe<br />

5 eingeführt. Die Vorbeschäftigungszeiten<br />

aus der Erfahrungsstufe 3<br />

werden auch hier angerechnet. Wer zum<br />

1. Juli <strong>2024</strong> in die neue Erfahrungsstufe 4<br />

gewechselt ist und als langjährig Beschäftigter<br />

bereits ausreichend Vorbeschäftigungszeiten<br />

vorweisen kann, erhält dann<br />

die neue Erfahrungsstufe 5. Dies führt zu<br />

einem weiteren Plus von monatlich 200<br />

Euro.<br />

Der Anspruch auf einen Wechsel von<br />

der Erfahrungsstufe 4 in die 5 erfolgt regulär<br />

nach 60 Monaten.<br />

Dickes Plus<br />

Über die Laufzeit von 24<br />

Monaten bedeuten die<br />

Entgeltsteigerungen ein<br />

Plus in Höhe von 510<br />

Euro. Dieser Betrag kann<br />

im besten Fall durch den<br />

Wechsel in die Erfahrungsstufen 4 und 5<br />

um 175 Euro zum 1. Juli <strong>2024</strong> und um<br />

200 Euro ab dem 1 Januar 2025 erhöht<br />

werden. „Dann wären es insgesamt 885<br />

Euro mehr Geld im Vergleich zum Dezember<br />

2023“, sagt ver.di-Verhandlungsführer<br />

Hanno Harms.<br />

Auszubildende und Studierende<br />

Alle Auszubildenden und dual Studierenden<br />

erhalten ein Angebot zur ausbildungsgerechten<br />

Übernahme in Vollzeit,<br />

unmittelbar im Anschluss an die erfolgreich<br />

bestandene Abschlussprüfung. „Die<br />

Vereinbarung gilt bis zum 31. Januar<br />

2026, um auch den dual Studierenden die<br />

notwendige vertragliche Absicherung<br />

zur Übernahme zu garantieren“, betont<br />

Hanno Harms.<br />

Die Ausbildungsvergütung wird zum<br />

1. April <strong>2024</strong> um den Festbetrag von 150<br />

Euro je Ausbildungsjahr erhöht. Zum<br />

1. Januar 2025 erfolgt eine weitere Anhebung<br />

in Höhe von 50 Euro je Ausbildungsjahr.<br />

Auszubildende und dual<br />

Studierende erhalten zudem eine steuerund<br />

abgabenfreie Einmalzahlung in Höhe<br />

von 1000 Euro. Der Tarifvertrag hat eine<br />

Laufzeit bis zum 31. Dezember 2025. SIL<br />

MEDIA BROADCAST GMBH<br />

Verhandlungsauftakt ohne Angebot<br />

Am 17. April <strong>2024</strong> fand die erste<br />

Verhandlung zur Tarifrunde bei der<br />

Media Broadcast GmbH (MB) statt.<br />

Zuvor haben die ver.di-Mitglieder in<br />

der MB an einer Befragung zu den<br />

Forderungen teilgenommen.<br />

ver.di fordert eine tabellenwirksame<br />

Erhöhung der Einkommen um 12,5 Prozent.<br />

Die Vergütungen der Auszubildenden<br />

sollen um 185 Euro monatlich steigen.<br />

Der neue Tarifvertrag soll eine Laufzeit<br />

von zwölf Monaten haben.<br />

„Wir haben diese Forderungen am<br />

Vortag der ersten Verhandlung den Beschäftigten<br />

im Rahmen einer bundesweiten<br />

Betriebsversammlung vorgestellt“,<br />

sagt ver.di-Verhandlungsführer Tim Feise.<br />

„Hier und in der ersten Verhandlungsrunde<br />

hat die ver.di-Ver hand lungskommis<br />

sion die Forderungen gegenüber<br />

der Arbeitgeberseite vor allem damit begründet,<br />

dass sich die Lebenshaltungskosten<br />

seit der letzten Tarifrunde sehr<br />

stark nach oben entwickelt haben.“ Mit<br />

Plakaten im Verhandlungsraum wurde<br />

das zusätzlich gegenüber der Arbeitgeberseite<br />

unterstrichen. „Diese Entwicklung<br />

konnte durch die Tariferhöhungen<br />

der beiden letzten Jahre nicht ausgeglichen<br />

werden“, betont Tim Feise. „Somit<br />

besteht hier ein großer Nachholbedarf.<br />

Für <strong>2024</strong> wird derzeit eine Inflationsrate<br />

von etwa 2,8 Prozent prognostiziert.<br />

Die vergangenen Jahre haben aber<br />

leider deutlich gemacht, dass sich die<br />

Entwicklung auch sehr schnell dramatisch<br />

verändern kann. Die letzte Tarifrunde<br />

hat gezeigt, dass ein Ergebnis, das zu<br />

dem Abschlussdatum für tragfähig bewertet<br />

wurde, nicht ausreicht, um einen<br />

Reallohnverlust auszugleichen. „Eine<br />

kurze Laufzeit ist deshalb sehr wichtig“,<br />

betont Tim Feise. „Die überproportionale<br />

Forderung für die Auszubildenden haben<br />

wir unter anderem damit begründet,<br />

dass es wichtig ist, hier nicht den Anschluss<br />

zu den Wettbewerbern zu verlieren.“<br />

Bisher kein Angebot<br />

Die Arbeitgeberseite wird nun die Forderung<br />

für sich bewerten. Ein Angebot<br />

blieben sie in der ersten Runde schuldig.<br />

Sie haben angekündigt, dass sie in der<br />

nächsten Verhandlungsrunde am 6. Mai<br />

<strong>2024</strong> (nach <strong>KOMM</strong>-Redaktionsschluss)<br />

ihre Sichtweise zur wirtschaftlichen Situation<br />

der MB vorstellen werden. Ob in<br />

der zweiten Runde ein Angebot von ihrer<br />

Seite eingebracht wird, blieb offen.<br />

www.mediabroadcast.verdi.de


6<br />

TARIFRUNDE TELEKOM<br />

Das Angebot ist<br />

NICHT AUSREICHEND!<br />

Fotos: Manfred Geneschen (7), Christian von Polentz (4), Jörg Katzoreck (1), Rolf Musgen (1), Andreas Niermann (1), ver.di (2)<br />

In die Tarifverhandlungen mit der<br />

Deutschen Telekom kam in der<br />

dritten Verhandlungsrunde endlich<br />

Bewegung. Die Arbeitgebervertreter*innen<br />

legten ein Angebot auf den<br />

Tisch. Allerdings wird es von ver.di<br />

als ungenügend und weit von den<br />

geforderten zwölf Prozent bewertet.<br />

Die Verhandlungen begannen am 29. April<br />

um 14 Uhr in Köln. Nach einem kurzen<br />

Auftakt „in großer Runde“ wurden sie als<br />

Sondierung fortgesetzt, „um herauszufinden,<br />

was ver.di wichtiger ist“, so die Arbeitgeberseite.<br />

In diesem Modus ging es<br />

dann, mit kurzen Unterbrechungen zum<br />

Rückkoppeln und internem Austausch in<br />

den jeweiligen Verhandlungskommissionen,<br />

bis in den Abend des ersten Tages<br />

hinein.<br />

Telekom bewegt sich<br />

Am zweiten Tag der Verhandlungen<br />

zeichnete sich ab, dass die Arbeitgeberseite<br />

gewillt ist, ein Angebot vorzulegen.<br />

Um 16 Uhr, also kurz vor dem offiziellen<br />

Ende des Verhandlungstermins, war<br />

es endlich so weit. „Dies ist das höchste<br />

Angebot, das jemals in Tarifverhandlungen<br />

bei der Telekom unterbreitet<br />

wurde“, sagte die Telekom-Verhandlungsführerin<br />

Sigrid Heudorf. Die ver.di-<br />

Verhandlungskommission hat dieses<br />

Angebot (siehe Kasten) im Anschluss beraten<br />

und sich dazu positioniert. „Die<br />

Telekom ist wirtschaftlich stark und hat<br />

ausgesprochen gute Finanzkennzahlen<br />

vorzuweisen“, stellte ver.di-Ver handlungs<br />

führer Frank Sauerland fest. „Vor<br />

diesem Hintergrund mag das Angebot<br />

der Arbeitgeber zwar nach ihren eigenen<br />

Angaben das höchste in der Geschichte<br />

der Deutschen Telekom sein, es ist aber<br />

angesichts der höchsten Inflationsbelastung<br />

keine tragfähige Antwort für die<br />

Beschäftigten.“ ver.di erwarte deutliche<br />

Nachbesserungen.<br />

Reicht nicht<br />

Für die ver.di-Verhandlungskommission<br />

war es ein gutes Signal, dass nun endlich


7<br />

<strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

Die Kernelemente des<br />

Arbeitgeberangebots<br />

inhaltliche Bewegung in die Verhandlungen<br />

gekommen ist. Dennoch ist die Laufzeit<br />

mit 27 Monaten deutlich zu lang.<br />

Die Dimension und Struktur der vorgeschlagenen<br />

Erhöhungen sind zu gering,<br />

insbesondere im Verhältnis zur vorgeschlagenen<br />

Laufzeit. Der ver.di-Forderung<br />

nach zwölf Prozent für zwölf<br />

Monate und mindestens 400 Euro im<br />

Monat mehr Geld für die Beschäftigten<br />

wird nicht ausreichend Rechnung getragen.<br />

Zusätzliches Monatsentgelt<br />

Das von den Arbeitgeber*innen vorgeschlagene<br />

„zusätzliche Monatsentgelt“<br />

bewertet ver.di positiv; der derzeit angebotene<br />

Betrag reiche jedoch nicht. Dies<br />

wäre eine weitere Zahlung, die unabhängig<br />

von der individuellen Entgelthöhe<br />

und Eingruppierung, für alle Tarifbeschäftigten<br />

in gleicher Höhe und „wie echtes<br />

Entgelt“ ausgestaltet werden würde. Es<br />

soll auch in die Berechnung von zum<br />

Beispiel Stundenentgelt, Urlaubsentgelt,<br />

Krankengeld und Sterbegeld einbezogen<br />

werden.<br />

Jugend, Inflationsausgleich und<br />

Schutz<br />

Die Zahlung von Inflationsausgleichprämien<br />

kann zur Lösung beitragen. Die Priorität<br />

liegt aber für ver.di auf dauerhaften<br />

Erhöhungen. Die ver.di-Forderung nach<br />

einer überproportionalen Erhöhung der<br />

Vergütungen für Auszubildende und dual<br />

Studierende in Höhe von 185 Euro pro<br />

Monat sei nicht ausreichend erfüllt. Die<br />

Verhandlungsbereitschaft zur Verlängerung<br />

des Schutzes vor betriebsbedingten<br />

Beendigungskündigungen wurde von<br />

ver.di begrüßt. Der Vorschlag greife allerdings<br />

zu kurz, da zum Beispiel die DT IT<br />

ausgenommen werden soll.<br />

Die vierte Verhandlungsrunde fand nach<br />

<strong>KOMM</strong>-Redaktionsschluss am 13. und<br />

14. Mai <strong>2024</strong> statt. Wir informieren über<br />

den weiteren Fortgang unter:<br />

www.trt.verdi.de<br />

Tarifbeschäftigte:<br />

• Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie<br />

(Einmalzahlung) in Höhe<br />

von 2000 Euro ab Juli <strong>2024</strong><br />

(1250 Euro im Juli <strong>2024</strong> und anschließend<br />

jeweils 150 Euro monatlich<br />

von August bis Dezember<br />

<strong>2024</strong>)<br />

• Dauerhafte Erhöhung der Entgelte<br />

ab 2025 (4,2 Prozent zum 1. Januar<br />

2025)<br />

• Einführung eines „zusätzlichen<br />

Monatsentgelts“ in Höhe von<br />

150 Euro ab 1. Oktober 2025<br />

Auszubildende und dual<br />

Studierende:<br />

• Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie<br />

(Einmalzahlung) in<br />

Höhe von 1000 Euro ab Juli <strong>2024</strong><br />

(625 Euro im Juli <strong>2024</strong> und danach<br />

jeweils 75 Euro monatlich<br />

von August bis Dezember <strong>2024</strong>)<br />

• Dauerhafte Erhöhung der Vergütungen<br />

ab 2025 um 4,2 Prozent<br />

zum 1. Januar 2025 und weitere<br />

75 Euro ab 1. Oktober 2025<br />

• Einführung einer weiteren Vergütungsstufe<br />

(für das vierte Studienjahr)<br />

für dual Studierende in Höhe<br />

von 1450 Euro im Monat ab September<br />

<strong>2024</strong><br />

Kündigungsverzicht<br />

Abhängig vom wirtschaftlichen<br />

Gesamtvolumen will die Deutsche<br />

Telekom mit ver.di über eine Verlängerung<br />

des Kündigungsverzichts für<br />

die DTAG, TDG, DTS, DTA, DT Technik,<br />

DT GK, DT ISP und DT Security<br />

verhandeln.


8<br />

OXOXOXOXOOX<br />

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ<br />

KI: Eine ethische Perspektive<br />

Es steht außer Frage: Künstliche Intelligenz<br />

(KI) ist eine Revolution für<br />

unsere Gesellschaft. Ihre Auswirkungen<br />

erstrecken sich über alle Bereiche,<br />

von der Wirtschaft über die Arbeitswelt<br />

bis hin zu gesellschaftlichen<br />

und privaten Belangen. Angesichts<br />

dieser rasanten Entwicklungen und<br />

den damit verbundenen Chancen<br />

und Herausforderungen ist es entscheidend,<br />

dass wir einen weltweiten<br />

Konsens darüber erreichen, wie<br />

KI ethisch und verantwortungsbewusst<br />

entwickelt und eingesetzt<br />

werden soll.<br />

VON KERSTIN MARX<br />

Das kürzlich von der Europäischen Union<br />

verabschiedete EU-Gesetz zur künstlichen<br />

Intelligenz (AI-Act) markiert einen Meilenstein<br />

in diesem Bereich und setzt weltweit<br />

ethische Maßstäbe für die Nutzung von<br />

KI. Es schreibt transparente Richtlinien fest<br />

und verbietet problematische Praktiken<br />

wie beispielsweise „Social Scoring“ und<br />

„Emotionserkennung“. Das Gesetz ist damit<br />

auch maßgebend für die Gestaltung<br />

der „Arbeit der Zukunft“. Es wird Vertrauen<br />

und Akzeptanz geschaffen und die<br />

Grundlage für eine verantwortungsvolle<br />

Nutzung von KI gelegt. Betriebliche Interessenvertretungen<br />

sind hier starke Partner<br />

bei der Wahrung der Beschäftigteninteressen.<br />

Eine Mitbestimmung auf höchster<br />

Mitbestimmungsebene ist unersetzbar für<br />

starke und einheitliche Vereinbarungen.<br />

Von KI-Ethik zum KI-Manifest<br />

Bei der Deutschen Telekom wurden<br />

bereits frühzeitig interdisziplinär KI-<br />

Ethik-Leitlinien entwickelt und ein KI-<br />

Manifest mit dem Konzernbetriebsrat<br />

verhandelt.<br />

„Wir waren nicht nur die ersten – wir<br />

sind auch einer der wenigen, die sich<br />

selbst Ethik-Regelungen gesetzt haben“,<br />

Kerstin Marx<br />

Konzernbetriebsratsvorsitzende<br />

der<br />

Deutschen Telekom<br />

Foto: KBR Telekom<br />

sagte Kerstin Marx, Vorsitzende des Konzernbetriebsrats,<br />

bei ihrem Vortrag bei der<br />

Konferenz Spotlight der Hans-Böckler-Stiftung.<br />

Dennoch seien gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

unverzichtbar, um sicherzustellen,<br />

dass diese Standards auch international<br />

eingehalten werden und eine breite<br />

Akzeptanz in der Gesellschaft finden.<br />

Neue Anforderungen<br />

Anfänglich waren KI-Entwicklungen singulär.<br />

KI-Tools wurden als einzelne Lösungen<br />

entwickelt. Die Entwicklung und der<br />

Einsatz von KI-Anwendungen wandeln<br />

sich weitgehend von einzelnen Tools hin<br />

zur Integration von umfassenden Anwendungs-Systemen,<br />

die täglich genutzt werden<br />

und immer mehr KI-Bestandteile beinhalten.<br />

Microsoft 365 ist nur eines von<br />

vielen Beispielen, macht die Dimension<br />

aber sehr deutlich. Diese Änderungen<br />

müssen nicht nur von Unternehmen<br />

wahrgenommen und berücksichtigt werden,<br />

sondern auch von Betriebsratsgremien.<br />

Diese haben die Aufgabe, Entwicklungen<br />

zu antizipieren und sich hierfür<br />

schnell weiterzuentwickeln. Um den<br />

Herausforderungen von Entwicklungsund<br />

Einführungszyklen von KI-Multi-<br />

Systemen gerecht zu werden und sicherzustellen,<br />

dass die Interessen der Beschäftigten<br />

berücksichtigt werden. Die Öffnungsklausel<br />

in der EU-Gesetzgebung zur<br />

künstlichen Intelligenz ist ein Mittel, um<br />

die KI-Mitbestimmung zu ermöglichen<br />

und weiterzuentwickeln.<br />

KI muss unterstützen<br />

Beschäftigtendatenschutz und strategische<br />

Personalplanung spielen für die betrieblichen<br />

Interessenvertretungen eine<br />

zentrale Rolle. Zudem ist ein entscheidender<br />

Grundsatz, dass Technologie den<br />

Menschen stärkt. Beeinträchtigungen<br />

oder Benachteiligungen müssen bei der<br />

Anwendung von KI-Systemen ausgeschlossen<br />

werden. KI darf nicht wissentlich<br />

oder unwissentlich dazu führen, dass<br />

Mitarbeitende diskriminiert, benachteiligt<br />

oder durch Leistungs- und Verhaltenskontrollen<br />

überwacht werden. Für Kerstin<br />

Marx gehört es zum Selbstverständnis:<br />

„Technologie unterstützt den Menschen<br />

– alle Entscheidungen bleiben in unseren<br />

Händen.“<br />

Künstliche Intelligenz durchdringt<br />

sämtliche Facetten unseres Lebens und<br />

unserer Arbeitswelt. Es ist daher entscheidend,<br />

nicht nur ihr Potenzial zu er kennen,<br />

sondern auch sicherzustellen, dass sie im<br />

Einklang mit ethischen Prinzipien eingesetzt<br />

wird. Daher ist es naheliegend, dass<br />

Effizienzgewinne und Wertschöpfung, die<br />

durch KI erzielt werden, auch in die Stärkung<br />

von Arbeitskräften und die Förderung<br />

menschlicher Arbeit investiert werden.<br />

Die betrieblichen Interessenvertretungen<br />

spielen hier eine zentrale Rolle,<br />

indem sie Arbeitgeber dazu mahnen und<br />

verpflichten, langfristige und qualitativ<br />

hochwertige Personalplanungen umzusetzen.<br />

Für Kerstin Marx ist es wichtig,<br />

dass KI die Menschen nicht zurücklässt,<br />

sondern sie befähigt und unterstützt.<br />

Internes Risikomanagement<br />

Insgesamt zeigt sich, dass KI nicht nur<br />

technologische Innovationen, sondern<br />

auch eine ethische Reflexion erfordert. KI-<br />

Ethik muss auch bei Sicherheitsaudits berücksichtigt<br />

werden, und zwar schon bei<br />

der Planung und bei KI-Einsatz. Die Nutzung<br />

von KI erfordert eine ganzheitliche<br />

Betrachtung, die ethische Grundsätze,<br />

Mitbestimmung und Risikomanagement<br />

miteinander verbindet, um sicherzustellen,<br />

dass KI im Dienste des Menschen<br />

steht und eine positive Zukunft für alle<br />

schafft.<br />

EU-Gesetz (AI-Act):<br />

https://kurzelinks.de/2dxo<br />

KI-Leitlinien Telekom:<br />

https://kurzelinks.de/ue5y<br />

Foto: ©Summit Art Creations – stock.adobe.com


9 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

EUROPAWAHL<br />

DGB-WAHLCHECK:<br />

Gute Arbeit? Besser mit Europa.<br />

Im Juni entscheiden über 400 Millionen Wähler*innen in 27 Mitgliedsstaaten<br />

der Europäischen Union über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments.<br />

An den Wahlurnen entscheiden die Menschen darüber, ob wir die<br />

Herausforderungen der Zukunft gut bewältigen können. Denn die Gestaltung<br />

des Klimawandels, die Entwicklung von zukunftsfähigen Jobs in einer<br />

erfolgreichen industriellen Produktion und einer innovativen Forschungslandschaft<br />

brauchen engagierte Parlamentarier*innen.<br />

In den vergangenen Jahren haben der<br />

Austritt des Vereinigten Königreichs aus<br />

der EU, die Covid-19-Pandemie und der<br />

russische Angriffskrieg auf die Ukraine<br />

Europa nicht nur in eine Sicherheits-, Gesundheits-<br />

und Wirtschaftskrise,<br />

sondern<br />

auch in eine Energiekrise<br />

gesteuert. In dieser<br />

wirtschaftlich und<br />

gesellschaftlich herausfordernden<br />

Situation<br />

muss Europa zusammenhalten,<br />

Einigkeit<br />

beweisen und adäquate<br />

Antworten finden.<br />

Für die deutschen Gewerkschaften<br />

steht ein<br />

verantwortlicher Umgang<br />

mit den Krisenfolgen<br />

an erster Stelle<br />

– angefangen beim<br />

Erhalt von Arbeitsplätzen<br />

über die Sicherung<br />

unserer Sozialsysteme<br />

und die gerechte Finanzierung<br />

und Verteilung<br />

der Krisenkosten<br />

bis hin zum ökologischen<br />

Umbau.<br />

Die wichtigsten Ziele<br />

Im DGB-Wahlcheck werden die wichtigsten<br />

Aussagen aus den Europa-Wahlprogrammen<br />

von Union, SPD, FDP, Die Linke,<br />

Bündnis 90/Die Grünen und BSW zu den<br />

DGB-<br />

WAHLCHECK<br />

zur Europawahl <strong>2024</strong><br />

Nicht im DGB-Wahlcheck ist das Europawahlprogramm<br />

der AfD enthalten. Der<br />

DGB hat die AfD nicht aufgeführt, da die<br />

Partei gegen die gewerkschaftlichen Werte<br />

von Demokratie, Gleichberechtigung,<br />

Weltoffenheit und Toleranz in Deutschland,<br />

Europa und der Welt steht. Für die<br />

Gewerkschaften ist die AfD eine rechtsextreme<br />

Partei, die gegen zentrale Werte<br />

der Verfassung steht. Zwar behauptet die<br />

AfD, eine Partei der „kleinen Leute“ zu<br />

sein, gar eine „Arbeiterpartei“. Doch sie<br />

vertritt in vielen Politikbereichen nicht die<br />

Interessen der Beschäftigten – oder hat<br />

schlicht keine Konzepte und Lösungen für<br />

sie. Als einzige Partei will die AfD das<br />

europäische Parlament ab schaffen.<br />

Gute Arbeit auch<br />

in Europa<br />

Deshalb fordern der<br />

DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften<br />

jetzt und für die Zeit nach der Europawahl<br />

eine bedarfsgerechte Finanzierung<br />

der Transformation, die Absicherung der<br />

Produktion in einer globalen Wirtschaft,<br />

angemessene Investitionen zur Stärkung<br />

der Regionen, die Sicherung von guten<br />

Arbeitsbedingungen, angemessene Sozialsysteme<br />

und eine hohe Tarifbindung,<br />

die Stärkung von Mitbestimmungsrechten<br />

und faire Arbeitsbedingungen für<br />

grenzüberschreitende Beschäftigte.<br />

sechs Schwerpunktthemen Transformation,<br />

Produk tion, Regionen, Gute Arbeit,<br />

Mitbestimmung und Arbeitsmobilität vorgestellt.<br />

Wir können auf den folgenden<br />

Seiten aus Platzgründen nur Teile daraus<br />

übernehmen.<br />

AfD fehlt bewusst<br />

Wählen gehen!<br />

Mit der Wahl zum 10. Europäischen Parlament<br />

am 9. Juni <strong>2024</strong> werden die politischen<br />

Weichen für die nächsten fünf<br />

Jahre gestellt. Wir wollen mehr Gute Arbeit<br />

in Europa. Deshalb unsere Bitte: Geht<br />

wählen! <br />

DGB/RED<br />

Der komplette DGB-Wahlcheck kann hier<br />

als PDF geladen werden:<br />

https://kurzelinks.de/9fe8


10<br />

INVESTIEREN IN DIE TRANSFORMATION<br />

Der Handlungsdruck ist enorm – die EU hat sich zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Gleichzeitig gefährden hohe Energiekosten<br />

und eine Investitionslücke bei privaten wie öffentlichen Investitionen Standorte und Beschäftigung in Europa. Der<br />

DGB fordert eine europäische Transformationspolitik, die mit strategischen Investitionen die Transformation lenkt, Gute Arbeit<br />

gestaltet, für eine faire Kostenverteilung sorgt und einen klaren Rahmen für eine nachhaltige Modernisierung setzt.<br />

Die Linke streitet für eine aktive Industriepolitik. Um die notwendigen Investitionen nicht zu behindern, will<br />

die Linke den während der Pandemie geschaffenen Spielraum für staatliche Unternehmenshilfen verstetigen<br />

und Beihilfeverfahren beschleunigen.<br />

Staatliche Subventionen und Investitionshilfen sollen an soziale Bedingungen für Gute Arbeit geknüpft werden,<br />

darunter Tariftreue, Ausbildungsquoten und Standortgarantien.<br />

Öffentliche Aufträge will die Linke nach sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Kriterien vergeben.<br />

Neben einer Finanztransaktionssteuer und Gesamtbesteuerung von Konzernen auf EU-Ebene, will sie die<br />

Besteuerung hoher Vermögen und Erbschaften sowie eine dauerhafte Mindestbesteuerung von Übergewinnen<br />

durchsetzen.<br />

Die SPD befürwortet eine koordinierte europäische und solidarische Investitionspolitik zur Umsetzung einer<br />

sozial gerechten Transformation, die Klimaneutralität fördert.<br />

Ab 2028 sollen hierfür die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu einem Instrument der Transformation<br />

erweitert werden.<br />

Ferner soll durch die Aufnahme einer verpflichtenden Tariftreueklausel die Konzessions- und Vergaberichtlinie<br />

modifiziert werden.<br />

Nicht zuletzt soll auch die Nutzung von EU-Mitteln an soziale Kriterien wie gute Arbeit und Tarifbindung gekoppelt<br />

werden.<br />

Die Grünen fordern eine aktive und kohärente Wirtschafts- und Industriepolitik im Wettbewerb um die Produktionsstandorte<br />

für Zukunftstechnologien.<br />

Um mehr Investitionen zu ermöglichen, wollen die Grünen die restriktiven EU-Schuldenregeln lockern und<br />

fordern einen neuen Rahmen für staatliche Beihilfe bei grünen Zukunftstechnologien.<br />

Die Auszahlung von EU-Geldern sollen stärker an die Einhaltung von Sozialstandards und geltende Tarife<br />

gekoppelt werden. Das EU-Vergaberecht soll sich an sozialen und nachhaltigen Kriterien ausrichten.<br />

Zur Finanzierung der Transformation möchten die Grünen hohe Vermögen sowie Unternehmensgewinne<br />

stärker besteuern und den Klimasozialfonds stärken. Die Grünen fordern auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.<br />

Bürokratieabbau, mehr Wettbewerb, bessere Bedingungen für private Investitionen und Emissionshandel<br />

sollen die doppelte Transformation gelingen lassen.<br />

Im Wahlprogramm der FDP sticht vor allem das Drängen auf den Bürokratieabbau heraus. Die FDP fordert die<br />

Einführung des „1 in, 2 out“-Prinzips. Die Bürokratiekosten sollen transparent gemacht werden; Regelungen,<br />

die insbesondere KMU belasten, sollen geändert oder abgeschafft werden.<br />

Darüber hinaus sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren im Ausbau von Infrastruktur und Erneuerbaren<br />

Energien beschleunigt werden.<br />

Die FDP will das europäische Beihilferecht verschlanken. Es soll keine weiteren schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme<br />

geben, der Schuldenabbau steht im Vordergrund.<br />

Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hält die Union fest. Emissionshandel, Ausbau der Erneuerbaren Ener gien<br />

und Kreislaufwirtschaft sollen dabei helfen, auch der soziale Ausgleich soll mitbedacht werden.<br />

Das Vergaberecht soll dahingehend überarbeitet werden, dass Aufträge unkomplizierter vergeben werden<br />

können.<br />

Die weltweiten Finanzmärkte will die Union strikt regulieren, sie sollen eine dienende Rolle für die Realwirtschaft<br />

einnehmen. Ansonsten tritt die Union für eine Deregulierung der Wirtschaft und weniger Auflagen für<br />

Unternehmen ein. Die Taxonomie und der Green Deal sind hinsichtlich des internationalen Wettbewerbs auf<br />

ihre Praxistauglichkeit zu prüfen.<br />

Das BSW plädiert insbesondere für eine Reform des EU-Beihilferechts, eine stärkere Förderung länderübergreifender<br />

Kooperationen im Bereich Innovation sowie für die Einführung einer goldenen Investitionsregel zur<br />

Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge und zur Förderung von Zukunftstechnologien.<br />

Außerdem wird eine einheitliche europäische Unternehmensbesteuerung gefordert, um Steuersenkungswettbewerb<br />

zu verhindern und den Mittelstand zu schützen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die<br />

Förderung eines Mindeststeuersatzes auf Unternehmensgewinne sind ebenfalls zentrale Anliegen der Partei.<br />

Berichtspflichten für Unternehmen über nachhaltiges Wirtschaften werden als zusätzliche Bürokratie abgelehnt,<br />

da sie die Produktivität verringern.


11 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

GUTE ARBEIT IN EUROPA FÖRDERN<br />

Wenn Unternehmen sich frei in Europa bewegen, sich in verschiedenen Staaten niederlassen und ihre Produktion verlagern,<br />

wirkt sich das auf die Beschäftigten aus. Schließlich sind die Unterschiede in den Sozial-, Bildungs- und Lohnsystemen in den<br />

EU-Staaten groß. Um einen Wettbewerb um die niedrigsten Sozialstandards zu verhindern, fordert der DGB die Einführung<br />

europäischer Mindeststandards für die sozialen Sicherungssysteme.<br />

Die Linke fordert den grundsätzlichen Vorrang von sozialen Grundrechten vor den Binnenmarktfreiheiten und<br />

setzt sich für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen ein.<br />

Mindestlöhne sollen sich europaweit am realen Bedarf zum Leben orientieren. Auch sollen Tarifverträge gestärkt<br />

werden, indem Tariftreue als Voraussetzung öffentlicher Aufträge im EU-Vergaberecht verankert wird.<br />

Die Linke fordert eine EU-Richtlinie zum Schutz vor Stress und körperlicher Überlastung.<br />

Die SPD fordert die Einfügung eines sozialen Fortschrittsprotokolls in die EU-Verträge, um das soziale Europa<br />

zu stärken und mit den ökonomischen Grundfreiheiten in ein Gleichgewicht zu bringen.<br />

Ziel der SPD ist es, Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit der EU-Bürger*innen zu verbessern. Dazu gehören<br />

eine bessere nationale Tarifbindung und eine verpflichtende Tariftreueklausel.<br />

Die SPD fordert eine EU-Richtlinie zum Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und strebt die<br />

Schließung des Gender Gaps in der Pflege und Betreuung an.<br />

Die Grünen fordern gute Arbeitsbedingungen, sichere Jobs, anständige Löhne und Weiterbildungsangebote.<br />

Die EU-Mindestlohnrichtlinie soll konsequent umgesetzt werden. Arbeitnehmer*innen müssen besser gegen<br />

psychische Belastungen geschützt werden.<br />

Gleiches gilt im digitalen Raum. Hier sollen Arbeitnehmer*innen starke Rechte erhalten. Die Grünen fordern<br />

insbesondere ein Ende der Scheinselbständigkeit.<br />

Die FDP will faire Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter*innen, empfindet jedoch die neusten EU-Regelungen<br />

als Angriff auf die Selbstständigkeit und fordert eine Korrektur der EU-Plattformrichtlinie.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll durch den Ausbau erschwinglicher Kinderbetreuung und die<br />

Flexibilisierung von Arbeitszeiten verbessert werden. Dazu fordert sie die Flexibilisierung der EU-Arbeitszeitrichtlinie<br />

ein.<br />

Die Union will arbeitsrechtliche und soziale Schutzstandards für alle Beschäftigten und tritt für eine Erhöhung<br />

der Tarifbindung ein. Auch in der Plattformarbeit sollen Arbeitnehmerschutzstandards gelten.<br />

Familie und Beruf sollen besser miteinander vereinbar sein, um insbesondere Frauen die Arbeit in Vollzeit zu<br />

ermöglichen.<br />

Das BSW fordert eine soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen, die den Vorrang sozialer Grundrechte<br />

vor den Binnenmarktfreiheiten festschreibt.<br />

Sie betonen die Verteidigung von Tarifverträgen und ortsüblichen Löhnen gegenüber Billigkonkurrenz in allen<br />

EU-Ländern. Die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie bis Ende <strong>2024</strong> wird gefordert.


12<br />

INTERNATIONAL<br />

Fotos: UNI Global Union<br />

Gewerkschaft global –<br />

UNI-Weltkongress<br />

für die IKT-Branche<br />

Die Arbeitswelt ist global – und auch ver.di organisiert sich international in<br />

der UNI Global Union. Vom 15. bis 17. April <strong>2024</strong> fand der Weltkongress für<br />

den IKT-Sektor in Kapstadt statt. Über 200 Gewerkschafter*innen aus den<br />

Bereichen Tech und Games, Telekommunikation und den Call- und Servicecentern<br />

diskutierten die strategische gewerkschaftspolitische Ausrichtung<br />

für die nächsten fünf Jahre, tauschten Erfahrungen aus und berieten<br />

sich zu drängenden Themen wie Künstlicher Intelligenz.<br />

VON ASTRID SCHMIDT UND CHRISTINE MUHR<br />

Ein Schwerpunkt für die nächsten Jahre<br />

ist die gewerkschaftliche Organisierung<br />

der Tech- und Games-Branche –<br />

IT-Dienstleistungen, Spiele-Entwickler*innen,<br />

Content Moderator*innen – sowie<br />

der Call- und Servicecenter. Angeknüpft<br />

wird an die Erfolge der letzten Jahre. Bei<br />

Google und Microsoft fand eine bis dahin<br />

beispiellose Organisierungswelle<br />

statt. 2021 wurde die Google-Allianz als<br />

transnationaler Zusammenschluss der<br />

Google-Gewerkschaften ins Leben gerufen,<br />

in Polen und Südkorea wurden neue<br />

Google-Gewerkschaften gegründet und<br />

vor allem in der Schweiz, in England und<br />

Irland viele neue Mitglieder gewonnen.<br />

Bei Microsoft konnte unter anderem die<br />

US-amerikanische Schwesterngewerkschaft<br />

CWA ein Neutralitätsabkommen<br />

mit dem Konzern abschließen und damit<br />

die gewerkschaftliche Organisierung anschieben.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den<br />

globalen Gewerkschaftsallianzen. So wurde<br />

unter anderem 2022 ein globales Abkommen<br />

mit dem Unternehmen Teleperformance<br />

abgeschlossen. Das Abkommen<br />

erleichtert gewerkschaftliche Organisierung<br />

in allen Ländern, weil die Arbeitgeberseite<br />

zur Neutralität verpflichtet ist. Bei<br />

der Deutschen Telekom gibt es seit 2016<br />

eine transnationale Gewerkschaftsallianz<br />

(One Telekom Union), die sich zurzeit allerdings<br />

auf die europäischen Länder konzentriert.<br />

Ein Austausch mit der CWA zur<br />

aktuellen Situation bei T-Mobile US fand<br />

am Rande der Konferenz statt.<br />

Auch die Beschäftigung mit der digitalen<br />

Transformation, insbesondere mit<br />

Künstlicher Intelligenz stand auf der<br />

Agenda. Denn weltweit gilt es, die negativen<br />

Auswirkungen durch Künstliche Intelligenz<br />

auf Beschäftigte durch kollektive<br />

schützende Regelungen einzudämmen.<br />

Erfahrungsaustausch<br />

Auch wenn die großen Themen in den<br />

Kontinenten ähnliche sind – die Rahmenbedingungen<br />

und Alltagsrealitäten sind<br />

es nicht. Horizonterweiternde Highlights


13 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

Die ver.di-Fachgruppe IKT war mit sechs Delegierten vertreten (v.l.n.r.):<br />

Oskar Michel, Christine Muhr, Odysseus Chatzidis, Marta Müller, Astrid<br />

Schmidt und Joana Starck.<br />

der Konferenz waren daher die Berichte<br />

aus den Branchen und Ländern.<br />

Im Bereich Tech und Games etwa berichtete<br />

Autumn Mitchell von den Zeni-<br />

Max Workers über die Arbeitsbedingungen<br />

der Spieleentwickler*innen in den<br />

USA und thematisierte das in der Games-Branche<br />

verbreitete „Crunch“: eine<br />

Form unbezahlter Überstunden, die anfallen,<br />

um ein Projekt abzuschließen – verbunden<br />

mit der Erwartungshaltung, dass<br />

die Beschäftigten sich dieser Anforderung<br />

bedingungslos unterwerfen.<br />

Rose-Marie Diouf und Nene Koita von<br />

den senegalesischen Gewerkschaften<br />

SNTPT und SYTS berichteten von der Anwendung<br />

des globalen Abkommens über<br />

Gesundheitsschutz und Sicherheit bei<br />

dem Telekommunikationsanbieter Orange<br />

während der Corona-Pandemie. Zentrales<br />

Element der Vereinbarung: Sie ermöglicht<br />

die Mitwirkung der Beschäftigten<br />

bei der Definition der pandemiebezogenen<br />

Herausforderungen und der<br />

Gewährleistung von Sicherheitsmaßnahmen.<br />

Die Vorsitzende der Frauensektion der<br />

UNI Afrika, Patricia Nyman, von der südafrikanischen<br />

Gewerkschaft SACCAWU,<br />

thematisierte die Gewalt, der insbesondere<br />

weibliche Beschäftigte an vielen Orten<br />

ausgesetzt sind. Belästigungen, physischen<br />

Bedrohungen oder auch das so<br />

genannte „Toxing“ – wörtlich: Vergiften<br />

(des Klimas) – können nur durch umfassende<br />

Arbeitsplatzrichtlinien und starke<br />

Maßnahmen eingedämmt werden, so die<br />

Gewerkschafterin.<br />

Über die ver.di-Aktivitäten berichteten<br />

Christine Muhr, die auf die neuen Online-Ansprache-Formate<br />

in der Tech- und<br />

Games-Branche einging und Odysseus<br />

Chatzidis, der das KI-Manifest der Deutschen<br />

Telekom AG vorstellte, das dort<br />

zwischen Konzernbetriebsrat und Management<br />

abgeschlossen wurde.<br />

UNI-Präsidentschaft bis 2029<br />

Als neuer Präsident der UNI Global Union<br />

für den IKT-Sektor wurde So Soulemane,<br />

Vorsitzender der Gewerkschaft SYNATEL<br />

aus Burkina Faso gewählt. Mit Soulemane,<br />

zurzeit Präsident der UNI Afrika<br />

IKT, ist erstmals ein Vertreter des afrikanischen<br />

Kontinents Welt-Präsident.<br />

Mehr Informationen über die UNI Global<br />

Union ICTS und die Konferenz in Kapstadt<br />

gibt es hier:<br />

https://kurzelinks.de/nctx<br />

Astrid Schmidt<br />

Referentin im<br />

ver.di-Bereich<br />

Innovation und<br />

Gute Arbeit<br />

sowie in der<br />

Fachgruppe IKT<br />

Foto: Simone M. Neumann<br />

Der neu gewählte<br />

Welt-Präsident der<br />

UNI Global Union<br />

für den IKT-Sektor,<br />

So Soulemane mit<br />

Christine Muhr (li.)<br />

und Astrid Schmidt.<br />

Christine Muhr<br />

IT-Koordinatorin<br />

Bundesfachgruppe<br />

IKT<br />

Foto: privat


14<br />

BEAMT*INNEN<br />

Sonderurlaub bei Erkrankung des Kindes:<br />

Befristet mehr Tage<br />

Foto: ©H_Ko – stock.adobe.com<br />

Wird das Kind krank und muss betreut<br />

werden, haben Beamtinnen<br />

und Beamte des Bundes einen Anspruch<br />

auf bezahlten Sonderurlaub.<br />

Das gilt auch für die Beamt*innen<br />

bei der Telekom. Bis zum 31. Dezember<br />

2023 galt aufgrund der<br />

COVID-19-Pandemie ein erweiterter<br />

Anspruch auf Sonderurlaub bei Erkrankung<br />

eines Kindes. Diese Sonderregelungen<br />

wurden nicht verlängert.<br />

Befristet für die Jahre <strong>2024</strong> und<br />

2025 gibt es neue Regelungen.<br />

VON ANITA SCHÄTZLE<br />

Seit 1. April <strong>2024</strong> gilt die Sonderurlaubsverordnung<br />

für Bundesbeamt*innen<br />

(SUrlV) in geänderter Fassung, befristet<br />

für die Kalenderjahre <strong>2024</strong> und 2025.<br />

Schon seit dem 1. Januar <strong>2024</strong> besteht im<br />

Wege einer Vorgriffsregelung der Bundesinnenministerin<br />

der Anspruch auf<br />

mehr Sonderurlaubstage für die Betreuung<br />

eines erkrankten Kindes. Die Anzahl<br />

für <strong>2024</strong> und 2025 ist zwar geringer<br />

gegenüber den während der Pandemie<br />

gewährten Kinderkrankentage, jedoch<br />

etwas höher als vor der Pandemie.<br />

Für jedes Kind können bis zu 13 Arbeitstage<br />

Sonderurlaub unter Fortzahlung<br />

der Bezüge im Urlaubsjahr beansprucht<br />

werden, für alle Kinder zusammen höchstens<br />

30 Arbeitstage. Alleinerziehende Beamt*innen<br />

können für jedes Kind längstens<br />

bis zu 26 Arbeitstage beanspruchen.<br />

Für alle Kinder zusammen gibt es höchstens<br />

60 Arbeitstage Sonderurlaub im<br />

Urlaubsjahr. Die Voraussetzung, dass das<br />

Kind noch nicht zwölf Jahre alt ist, gilt<br />

unverändert.<br />

Systemgerecht übertragen<br />

Mit dem geänderten Paragrafen 21 Absatz<br />

2 der Sonderurlaubsverordnung des<br />

Bundes werden die Änderungen des<br />

Paragrafen 45 Absatz 2a Sozialgesetzbuch<br />

V (SGB) zeitgleich und systemgerecht<br />

in das Beamtenrecht übertragen.<br />

Familien- und sozialpolitische Gründe<br />

seien der Anlass für die Anpassung, so<br />

das Bundesministerium des Innern. Den<br />

erhöhten Anspruch auf Kinderkrankentage<br />

in Paragraf 45 Absatz 2a SGB V für<br />

gesetzlich krankenversicherte Eltern, beinhaltet<br />

das Pflegestudiumstärkungsgesetz<br />

(PflStudStG, Artikel 8b Nummer 3d<br />

und Artikel 9 Absatz 2) vom 15. Dezember<br />

2023 (BGBl. 2023 I Nr. 359).<br />

Die Anzahl der maximalen 13 Sonderurlaubstage<br />

für die beamteten Eltern entspricht<br />

einer Übertragung in Höhe von<br />

rund 90 Prozent (rechnerisch 86,6 Prozent)<br />

der 15 Tage Arbeits-Freistellung gemäß<br />

Paragraf 45 SGB V. Dies deshalb,<br />

weil der Krankengeldanspruch für gesetzlich<br />

versicherte Eltern als Lohnersatzleistung<br />

der Höhe nach noch um individuell<br />

anteilige sozialversicherungsrechtliche<br />

Abgaben gekürzt wird.<br />

Wegfall Jahresarbeitsentgeltgrenze<br />

Künftig haben alle Beamtinnen und Beamten<br />

unabhängig von der Jahresarbeitsentgeltgrenze<br />

einen einheitlichen Anspruch<br />

auf Sonderurlaub bei Betreuung<br />

eines erkrankten Kindes. Aus Gründen<br />

der Fürsorge und unter Berücksichtigung<br />

von Vereinbarkeitsgesichtspunkten für die<br />

Beamt*innen des Bundes, lautet die politische<br />

Begründung.<br />

ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund<br />

begrüßen die Aufgabe der<br />

Jahresarbeitsentgeltgrenze und die<br />

Anpassungen in Paragraf 21 Abs. 2 SUrlV.<br />

Erfolgreich konnte die Rückführung der<br />

Anzahl an Kinderkrankentagen auf das<br />

Niveau vor der Pandemie abgewendet<br />

werden. Das reicht aber nicht, denn um<br />

dem familienpolitischen Anspruch zur<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirklich<br />

gerechter zu werden, braucht es für<br />

die Betreuung eines kranken Kindes deutlich<br />

mehr Kinderkrankentage und die<br />

Anhebung des Alters auf mindestens<br />

14 Jahre.<br />

Anita Schätzle<br />

Gewerkschaftssekretärin<br />

i. R.<br />

Foto: Manfred Geneschen


15 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2024</strong><br />

BEAMT*INNEN<br />

Verfassungsrecht skandalös ignoriert<br />

Seit nun vier Jahren werden die Bundesbeamt*innen<br />

sowie die Richter*innen<br />

und Staatsanwält*innen<br />

im Bund zu gering besoldet. Ein Gesetzgebungsverfahren<br />

Anfang 2023<br />

zur amtsangemessenen Besoldung<br />

wurde angehalten, ein geänderter<br />

Gesetzentwurf ist noch immer nicht<br />

in Sicht.<br />

VON ANITA SCHÄTZLE<br />

Anlass für strukturelle Besoldungsanpassungen<br />

sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 4. Mai 2020.<br />

Diese beziehen sich zum einen auf den zu<br />

geringen Mindestabstand der Besoldung<br />

zum Grundsicherungsniveau und zum anderen<br />

auf die zu geringe Besoldung von<br />

Beamt*innen mit drei und mehr Kindern.<br />

Neben den Bundesländern ist auch der<br />

Bund zum Handeln aufgefordert. Die<br />

Verletzung des Mindestabstandsgebots<br />

„Die vom Dienstherrn nach Maßgabe<br />

der Verfassung geschuldete<br />

Alimentierung ist nicht eine dem<br />

Umfang nach beliebig variable Größe,<br />

die sich einfach nach den ‚wirtschaftlichen<br />

Möglichkeiten‘ der<br />

öffentlichen Hand oder nach den<br />

politischen Dringlichkeitsbewertungen<br />

hinsichtlich der verschiedenen<br />

vom Staat zu erfüllenden Aufgaben<br />

oder nach dem Umfang der Bemühungen<br />

um Verwirklichung des allgemeinen<br />

Sozialstaatsprinzips bemessen<br />

lässt (BVerfG, 30.03.1977 –<br />

2 BvR 1039/75, 2 BvR 1045/75 Rn.<br />

50).“<br />

zum Grundsicherungsniveau<br />

betrifft das gesamte<br />

Besoldungsgefüge.<br />

Umsetzung streitig<br />

Die Ideen zur Umsetzung<br />

der Rechtsprechung des<br />

Bundesverfassungsgerichts<br />

sind vielfältig. Einige der<br />

bislang in den Ländern<br />

vorgenommenen gesetzlichen<br />

Maßnahmen wie<br />

die Streichung niedrigerer<br />

Besoldungsgruppen und<br />

-stufen, Erhöhung des Familienzuschlags<br />

und Anhebung<br />

des Beihilfebemessungssatzes<br />

bis zu einem<br />

mietenstufenabhängigen<br />

Zuschlag und bedarfsabhängigen<br />

Zahlungen, fördern<br />

die verfassungsrechtlich<br />

gebotene, amtsangemessene<br />

Besoldung jedenfalls<br />

nicht. Faktisch führen sie zu weiteren<br />

Diskrepanzen im Besoldungsrecht, neue<br />

Verfassungsklagen sind absehbar.<br />

Weiter Gestaltungsspielraum<br />

Die Besoldung ist in den vergangenen<br />

Jahren teilweise entsprechend den Tariferhöhungen<br />

im öffentlichen Dienst angepasst<br />

worden. Das war notwendig, aber<br />

ungenügend, um ein amtsangemessenes<br />

Niveau wieder zu erreichen. Die Anhebung<br />

sämtlicher Grundgehälter in der<br />

Besoldungsordnung A wäre eine rechtssichere<br />

Maßnahme, um den Mindestabstand<br />

von 15 Prozent zwischen Besoldung<br />

und Grundsicherungsniveau (wieder-)herzustellen,<br />

ohne den Abstand<br />

zwischen den Besoldungsgruppen zu nivellieren.<br />

Und das unter gleichzeitiger<br />

Berücksichtigung gestiegener Arbeitsund<br />

Funktionsanforderungen bei den Abständen.<br />

Verfassungsrechtliche Lösung<br />

gefordert<br />

Foto: Manfred Geneschen<br />

ver.di und der DGB fordern den Dienstherrn<br />

Bund auf, endlich einen Gesetzentwurf<br />

vorzulegen, der die amtsangemessene<br />

Besoldung seiner Bediensteten sicherstellt.<br />

Das Gerangel innerhalb der<br />

Ampel um Einsparungen im Bundeshaushalt<br />

dürfe weder zur weiteren Ignoranz<br />

von Verfassungsrecht und daraus resultierender<br />

Besoldungsansprüchen führen,<br />

noch zur Wahl der kostengünstigsten<br />

Lösung.<br />

BEAMTENVERSORGUNG<br />

ver.di und DGB für Erhalt<br />

ver.di und der DGB lehnen die Einbeziehung der Beamt*innen in die gesetzliche<br />

Rentenversicherung (DRV) ab. Der Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes<br />

steht dagegen und ist von der Politik zu achten, so ver.di und der DGB.<br />

Schon im Jahr 2018 hatten ver.di und der<br />

DGB sich für den Erhalt der Beamt*innenversorgung<br />

positioniert. Zuletzt hatte der<br />

DGB im Jahr 2022 auf seinem ordentlichen<br />

Bundeskongress beschlossen, die<br />

Beamt*innen nicht in die DRV einbeziehen<br />

zu wollen. Das gilt unverändert.<br />

Ein Interview mit der DGB-Vorsitzenden<br />

Yasmin Fahimi mit der „Bild am Sonntag“<br />

im März <strong>2024</strong> hatte zu Irritationen<br />

geführt. Fahimi zeigte Verständnis für die<br />

Forderung, unter anderem auch Beamt*innen<br />

in die gesetzliche Rentenversicherung<br />

einzubeziehen. Dass dies weder<br />

der Position von ver.di noch der des DGB<br />

entspricht, wurde inzwischen geklärt.<br />

ver.di und der DGB setzen sich nachdrücklich<br />

dafür ein, das Rentensystem zu<br />

stärken und zukunftsfest zu machen. AS


16<br />

FACILITYSERVICE<br />

Wohin steuert die Facility-Branche?<br />

Unter dem Motto „Gut ausgebildet.<br />

Gut weitergebildet.<br />

Gut entwickelt. Wettbewerbsfaktor<br />

Personal – Wohin steuert<br />

die Branche?“ veranstaltete<br />

das DGB-Bildungswerk<br />

NRW e.V. in Kooperation mit<br />

ver.di, IG Metall, IG BAU und<br />

NGG vom 28. bis 29. Februar<br />

<strong>2024</strong> in der ver.di Bundesverwaltung<br />

in Berlin die Fachtagung<br />

für Betriebsrät*innen im<br />

Facility- und Industrieservice.<br />

Die Rechenzentren müssen gekühlt und<br />

die Klimaanlagen dafür ständig gewartet<br />

werden. Ein Ausfall könnte fatale Folgen<br />

nach sich ziehen. Die Beleuchtung in der<br />

Tiefgarage, der funktionierende Aufzug,<br />

der uns ins Büro in der achten Etage<br />

bringt – die Facility Services-Branche ist<br />

allgegenwärtig und unabdingbar für das<br />

Arbeitsleben vieler Beschäftigter.<br />

Wettbewerbsfaktor Personal<br />

Der Wettbewerbsfaktor Personal wurde<br />

mit der Fragestellung „Wohin steuert die<br />

Branche?“ betrachtet. Fachkräftemangel,<br />

Transformation und deren Folgen für Unternehmen,<br />

Beschäftigte und Betriebsräte<br />

müssen mit Konzepten von Management<br />

und Personalverantwortlichen begegnet<br />

werden. Dazu begleitend müssen Betriebsräte<br />

ihre Handlungsmöglichkeiten<br />

zu einem strategischen Personalmanagement<br />

ausschöpfen und sich einbringen.<br />

Thematisiert wurde auch die zukunftsfähige<br />

Gestaltung von Arbeitsbedingungen.<br />

Im Einstieg stellte Prof. Dr. Herbert<br />

Schaaff, Honorarprofessor für Personalmanagement<br />

an der Hochschule Niederrhein<br />

in Mönchengladbach, heraus, dass<br />

es in vielen Unternehmen an innovativer<br />

Personalstrategie fehle. Es müsse die Frage<br />

gestellt werden, welche Mitarbeitenden<br />

in den nächsten Jahren gebraucht<br />

werden. Jürgen Schneider, Geschäftsführer<br />

gefma, betonte hierbei auch, dass die<br />

Generationen Y und Z und deren Bedürfnisse<br />

Beachtung finden müssen. Die Vorstellungen<br />

von guten und lebenswerten<br />

Arbeitsbedingungen sind<br />

im Wandel.<br />

Zur Vertiefung der<br />

Fragestellungen, Analyse<br />

und Strategieerarbeitung<br />

konnten die Teilnehmenden<br />

später zwischen verschiedenen<br />

Workshops<br />

wählen. Aus- und Weiterbildung<br />

sind natürlich essenziell<br />

in der Frage des<br />

Personalmanagements, aber auch die<br />

Veränderung durch mobiles Arbeiten und<br />

die Digitalisierung.<br />

Mit den Ergebnissen einer Befragung<br />

zu den Arbeitsbedingungen im Facility-/<br />

Industrieservice wurde die Veranstaltung<br />

abgeschlossen. Eine grundsätzliche Zufriedenheit<br />

mit den eigenen Arbeitsbedingungen<br />

bestimmen die Befragungsergebnisse,<br />

wobei im Betriebsrat und<br />

Aufsichtsrat mitbestimmte Unternehmen<br />

mit Tarifbindung deutlich besser abschneiden.<br />

Verbesserungsbedarf wurde zum<br />

Beispiel im Bereich der Qualifizierung<br />

oder auch der allgemeinen Arbeitsbedingungen<br />

deutlich. Der Wettbewerbsdruck<br />

und der Preiskampf in der Branche sowie<br />

der Personalmangel sind belastende Faktoren<br />

für die Beschäftigten der Facility-<br />

Branche.<br />

JS<br />

Foto: ver.di<br />

DEUTSCHE FUNKTURM GMBH<br />

Wir wollen MEHR werden!<br />

Mit einem sogenannten Mapping wurde überprüft, wo welche Mitglieder zu<br />

finden sind. Und dabei wurde auch folgendes festgestellt: Zum Beispiel durch<br />

Betriebsumorganisationen kann es passieren, dass Mitglieder „falsch geschlüsselt“<br />

sind, es sind also falsche Daten bei ver.di hinterlegt.<br />

Schau du doch auch mal, ob deine Daten in Ordnung sind: Bist du dem richtigen<br />

Unternehmen zugeordnet? Das korrekte Beschäftigungsverhältnis hinterlegt?<br />

Ist der Beitrag richtig?<br />

Überprüfe unter meine.verdi.de deine eigenen Daten und<br />

passe sie gegebenenfalls an. Falls du dich an einem Streik beteiligst,<br />

kann so dein Streikgeld korrekt berechnet werden und<br />

die Auszahlung deines Streikgeldes ist gewährleistet. Im Falle<br />

einer rechtlichen Vertretung haben wir schnell alle aktuellen<br />

Daten zur Hand.<br />

Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde!<br />

So trafen sich am 19./20. März <strong>2024</strong> aktive<br />

Gewerkschafter*innen der Deutsche<br />

Funkturm GmbH (DFMG) um einerseits<br />

zurück und andererseits nach vorn zu<br />

schauen. Die 15 Delegierten analysierten<br />

kritisch die Tarifrunde des vergangenen<br />

Jahres. Zur Vorbereitung der kommenden<br />

Tarifrunde 2025 wurde erstmalig eine<br />

eigene Tarifkommission gewählt. Inklusive<br />

der ver.di-Verhandlungsführerin hat<br />

eine neunköpfige Kommission ihre Arbeit<br />

aufgenommen. Thematisch wurde der<br />

Rationalisierungsschutz bereits als wichtiges<br />

Thema für die nächste Tarifrunde<br />

identifiziert.<br />

Ausschlaggebend ist, in dem als ein<br />

Schwerpunkt der ver.di-Fachgruppe IKT<br />

bestimmten Unternehmen, das „mehr<br />

werden“: mehr Mitglieder und mehr Aktive,<br />

um damit auch mehr umsetzen und<br />

erkämpfen zu können. In den kommenden<br />

Wochen und Monaten ist es nun<br />

erklärtes Ziel, mit möglichst vielen Kolleg*innen<br />

ins Gespräch zu kommen, ihre<br />

Erwartungen und Forderungen zur Tarifrunde<br />

zu erfahren, und neue Mitglieder<br />

begrüßen zu können. <br />

JS

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