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Weibliche Genitalverstümmelung in der Schweiz - Unicef

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) Die Exzision, «Sunna»<br />

Bei dieser Variante wird die Klitoris entfernt. Zudem ganz o<strong>der</strong><br />

teilweise auch die <strong>in</strong>neren Schamlippen. Der Begriff «Sunna»<br />

bezeichnet eigentlich die Variante a), wird aber, offenbar im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Euphemismus, für die Exzision verwendet. 13<br />

c) Die Zwischenform, «<strong>in</strong>termediate»<br />

Hier werden zusätzlich Teile <strong>der</strong> äusseren Schamlippen entfernt.<br />

d) Die Infibulation, «Pharaonische Beschneidung»<br />

Die Infibulation bezeichnet den weitestgehenden E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong><br />

das weibliche Genital. Bei dieser Variante werden auch die äusseren<br />

Schamlippen ausgeschabt o<strong>der</strong> teilweise weggeschnitten.<br />

Anschliessend werden sie so zugenäht, dass nur e<strong>in</strong>e Öffnung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Grösse e<strong>in</strong>es Stecknadelknopfes, Zündholzes, beziehungsweise<br />

e<strong>in</strong>es Hirsekorns offen bleibt. Die Schil<strong>der</strong>ungen<br />

dürften etwas übertreiben – fibula bezeichnet das Schilfrohr<br />

und dürfte auch e<strong>in</strong>en Anhaltspunkt für das «Normalmass» abgeben.<br />

Die Enge <strong>der</strong> Öffnung gilt als Qualitätsmerkmal.<br />

e) An<strong>der</strong>e<br />

In <strong>der</strong> Literatur wird zusätzlich auf weitere Varianten h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

zum Beispiel das Zusammennähen bloss <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />

Schamlippen. 14<br />

Die Varianten haben verschiedene Verbreitung. Für die rechtliche<br />

Beurteilung ist die E<strong>in</strong>teilung nach unserer Auffassung,<br />

abgesehen von <strong>der</strong> ersten Variante, ohne Bedeutung; es handelt<br />

sich um graduelle, letztlich quantitative Unterscheidungen.<br />

2. Verbreitung<br />

Heute wird angenommen, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt ca. 130 Millionen<br />

Frauen leben, an denen e<strong>in</strong>e WGV vorgenommen wurde.<br />

Täglich soll <strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff an 6000 Mädchen vorgenommen<br />

werden. 15<br />

Geographisch liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>in</strong> Afrika, wo WGV <strong>in</strong> 25<br />

bis 30 Staaten 16 praktiziert wird. Sie kommt aber auch bei<br />

australischen Ure<strong>in</strong>wohnern, <strong>in</strong> Asien und <strong>in</strong> Südamerika vor.<br />

In neuerer Zeit hat die Migration sie auch <strong>in</strong> die Gesellschaften<br />

Westeuropas und Amerikas gebracht.<br />

3. Vorgehen 17<br />

Für das Vorgehen beim E<strong>in</strong>griff f<strong>in</strong>den sich sehr unterschiedliche<br />

Schil<strong>der</strong>ungen, was bei <strong>der</strong> weiten geographischen (und<br />

damit auch ethnischen) Verbreitung nicht überrascht. In neuerer<br />

Zeit wird die WGV auch <strong>in</strong> Spitälern unter e<strong>in</strong>wandfreien<br />

hygienischen Bed<strong>in</strong>gungen und angemessener Anästhesie vorgenommen.<br />

Typischerweise geschieht die WGV allerd<strong>in</strong>gs unter primitiven<br />

Bed<strong>in</strong>gungen. Es gibt Gegenden, wo die Mädchen als Säugl<strong>in</strong>ge<br />

o<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong> verstümmelt werden, am häufigsten f<strong>in</strong>det sich<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff an <strong>der</strong> Schwelle <strong>der</strong> Pubertät, zwischen 8 und 12<br />

Jahren, mitunter aber auch erst vor o<strong>der</strong> sogar nach <strong>der</strong> Heirat.<br />

5<br />

Mädchen werden e<strong>in</strong>zeln o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Gruppen beschnitten. Der<br />

E<strong>in</strong>griff wird von älteren Frauen vorgenommen, die vielfach<br />

die Funktion von ihren Ahnen übernommen haben und hohes<br />

Ansehen geniessen. Die Tätigkeit als Beschnei<strong>der</strong><strong>in</strong> kann auch<br />

lukrativ se<strong>in</strong>.<br />

Die Opfer wissen oft nicht genau, was sie erwartet, es wird<br />

ihnen e<strong>in</strong>geredet, sie würden ke<strong>in</strong>e Schmerzen spüren, o<strong>der</strong> sie<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, zur Wahrung <strong>der</strong> Familienehre tapfer zu<br />

se<strong>in</strong>. Als Werkzeug werden im günstigeren Fall Rasierkl<strong>in</strong>gen,<br />

scharfe Messer o<strong>der</strong> Scheren verwendet, häufig aber auch<br />

Glasscherben o<strong>der</strong> scharfe und weniger scharfe Ste<strong>in</strong>e. Beson<strong>der</strong>s<br />

brutal ist etwa die Methode, bei welcher als erstes die<br />

äusseren Schamlippen mit Dornen am Oberschenkel fixiert<br />

werden. Das Opfer muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel von mehreren Frauen<br />

festgehalten werden. Mitunter werden nach magischen Vorstellungen<br />

angefertigte Mischungen zur Wundbehandlung verwendet,<br />

denen auch Tierkot beigemischt wird.<br />

4. Die Folgen des E<strong>in</strong>griffs<br />

Die WGV hat schwer wiegende physische und psychische<br />

Folgen für das weitere Leben <strong>der</strong> Betroffenen. Naturgemäss ist<br />

mehr und Genaueres über die physischen als über die psychischen<br />

Folgen bekannt. Meist wird es sich um das markanteste<br />

Trauma im Leben e<strong>in</strong>er jungen Frau handeln – die Verarbeitung<br />

ist von vielen Faktoren abhängig, auch von den körperlichen<br />

Folgen. Hier werden nur diese Letzteren skizziert.<br />

Sehr wichtig ist die soziale Bedeutung des E<strong>in</strong>griffs. Das Mädchen<br />

steht meist im Mittelpunkt des Interesses und erfährt viel<br />

Zuwendung, es erwartet viele Geschenke und erhält sie auch.<br />

Wo <strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorpubertät durchgeführt wird, hat er die<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>es Initiationsritus, erst nachher gilt die Betroffene<br />

als vollwertige Frau. Nur wenn sie beschnitten ist, kann<br />

sie e<strong>in</strong>en Ehemann f<strong>in</strong>den. Vielfach gibt es ke<strong>in</strong>e Alternative,<br />

nur <strong>der</strong> Preis <strong>der</strong> Verstümmelung verspricht e<strong>in</strong> «normales»<br />

Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> lokalen Gesellschaft.<br />

a) Sofortige Folgen<br />

Zunächst ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>griff, <strong>der</strong> ohne Betäubung vorgenommen<br />

wird, extrem schmerzhaft, e<strong>in</strong>e grausame Tortur, verbunden mit<br />

Gefühlen <strong>der</strong> Ohnmacht, Scham und grösster Enttäuschung über<br />

den Verrat, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s im Verhalten <strong>der</strong> Mutter gesehen wird.<br />

Die WGV kann relativ problemlos ausheilen, aber dies ist nicht<br />

die Regel. Es kommt meist zu e<strong>in</strong>er Infektion <strong>der</strong> Operationswunde,<br />

die tödlich ausgehen kann – es werden Zahlen bis zu 30<br />

Prozent bei Infibulation genannt. 18<br />

Die Enge <strong>der</strong> verbliebenen Öffnung – offenbar ist sie <strong>der</strong> Stolz<br />

<strong>der</strong> Ausführenden – h<strong>in</strong><strong>der</strong>t den Abfluss von Ur<strong>in</strong> und Menstruationsblut.<br />

In <strong>der</strong> ersten Zeit geht die Miktion nur tropfenweise<br />

und ist mit stechendem Schmerz verbunden, was zu<br />

Retention führen kann.

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