Verelendungstheorie – die hilflose Kapitalismuskritik
Verelendungstheorie – die hilflose Kapitalismuskritik
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talismus in WestdeutschlandImperialismus heute< allerdings ein<br />
ganz entscheidender Unterschied gegenüber der Konferenz, der einer weiteren, besonders ein-<br />
schneidenden Modifikation der traditionellen Interpretation der <strong>Verelendungstheorie</strong> gleich-<br />
kommt: erstmals treffen wir in unserem Material bei Theoretikern, <strong>die</strong> sich selbst als Marxisten<br />
bezeichnen, auf eine explizite, direkte Polemik gegen <strong>die</strong> <strong>Verelendungstheorie</strong> als Theorie über<br />
<strong>die</strong> Entstehung von massenhaftem antikapitalistischem und revolutionärem Bewußtsein:<br />
»Mitunter wird <strong>die</strong> Meinung vertreten, daß <strong>die</strong> absolute Verschlechterung der materiellen Lage der Arbeiter im Ka-<br />
pitalismus geradezu schicksalhaft unvermeidlich sei. Es wird sogar <strong>die</strong> unmarxistische Auffassung geäußert, daß <strong>die</strong><br />
Revolutionierung der Werktätigen im Kapitalismus von der absoluten Verschlechterung ihrer Lage abhängig sei.<br />
Beides ist jedoch nicht richtig.« 86<br />
Das Klassenbewußtsein müsse durch <strong>die</strong> Agitation und Aufklärung, durch den >ideologischen<br />
Kampf< derjenigen, <strong>die</strong> das Bewußtsein bereits haben, erzeugt werden! Wir haben hier also zwar<br />
eine Negation der <strong>Verelendungstheorie</strong> als Theorie über <strong>die</strong> Entstehung spontanen Klassenbe-<br />
wußtseins, zugleich aber auch eine Negation spontaner Entwicklung von Klassenbewußtsein<br />
überhaupt.<br />
Allerdings tut sich daneben ein neuer Blickwinkel auf, der - wie wir im zweiten Teil <strong>die</strong>ser Ar-<br />
beit sehen werden - in sich den Keim trägt zu einem wirklichen Abgehen von der Verelendungs-<br />
theorie zu einer neuen Theorie von der Entwicklung spontanen antikapitalistischen und revoluti-<br />
onären Bewußtseins<br />
»Nun wird aber mit fortschreitender Entwicklung der Produktivkräfte selbst <strong>die</strong> Differenz zwischen dem, was der<br />
Mensch zur Reproduktion als Arbeitskraft braucht, und7seinen Gesamtbedürfnissen zur Entfaltung und allseitigen<br />
Ausbildung als Persönlichkeit immer größer. Während Sozialismus und Kommunismus ihrem Wesen nach <strong>die</strong> Be-<br />
friedigung der Gesamtbedürfnisse des Menschen anstreben und in wachsendem Maße realisieren, vermag <strong>die</strong> kapita-<br />
listische Gesellschaft, auch wenn sie noch so hochentwickelt ist, den engen Horizont der Betrachtung des arbeiten-<br />
den Menschen nur als >Produktionsfaktor< nicht zu überspringen. Aber <strong>die</strong> Arbeiterklasse darf sich heute nicht<br />
mehr nur auf Forderungen beschränken, um <strong>die</strong> Reproduktion als Arbeitskraft zu sichern. Sie muß <strong>die</strong><br />
86 Imperialismus Heute - Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Berlin (DDR) 1965; zitiert wird<br />
nach der 5. Auflage 1968, <strong>die</strong> gegenüber der im Dezember 1966 druckgelegten, also vor der Stagnation in der BRD 66167<br />
abgeschlossenen, »vierten, überarbeiteten und erweiterten Auflage« unverändert ist. Dies ist daruini wichtig, weil einer-<br />
seits <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> anhaltende Konjunktur bestimmten überlegungen voll, <strong>die</strong> Wirkung der ersten größeren Krise in der<br />
BRD-Wirtschaft aber noch, nicht berücksichtigt sind. Obiges Zitat: S. 701.<br />
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