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Straßenzeitung aus Freiburg
Straßenzeitung aus Freiburg
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26. Jahrgang<br />
<strong>Januar</strong> 2024<br />
2,10 €, davon 1,- €<br />
für die VerkäuferInnen<br />
UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />
ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Marc Funke von der Jugend- und Drogenberatungsstelle DROBS<br />
GELD, GELD, KALT GESTELLT<br />
Mein Leben mit Schulden<br />
STIGMA PSYCHISCHE ERKRANKUNG<br />
Allerweltskrankheit und trotzdem ein Tabu
INHALT<br />
3<br />
VORWORT<br />
22<br />
MEIN LEBEN MIT SCHULDEN<br />
4<br />
RECHT AUF STADT<br />
24<br />
VERKÄUFER ALTAN<br />
6<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
26<br />
BUCHBESPRECHUNG<br />
12<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
27<br />
KOCHEN<br />
14<br />
WILMA FOREVER<br />
28<br />
SPORT<br />
18<br />
ABWÄRTSSPIRALE<br />
30<br />
RÄTSEL<br />
21<br />
MITMACHSEITE<br />
31<br />
ÜBER UNS<br />
OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />
GEHT ES NICHT<br />
Liebe LeserInnen,<br />
um weiterhin eine<br />
interessante Straßenzeitung<br />
produzieren und Menschen<br />
durch ihren Verkauf einen<br />
Zuverdienst ermöglichen<br />
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2<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Liebe LeserInnen,<br />
das gesamte Team des FREIeBÜRGERs wünscht Ihnen ein<br />
frohes und gesundes neues Jahr! Wir hoffen, Sie haben<br />
die vielen Feiern heil überstanden und sind gut ins Jahr<br />
2024 gestartet.<br />
Bei uns war es im Vorfeld von Weihnachten nicht ganz<br />
so toll, denn einer nach dem anderen aus unserem<br />
Redaktionsteam musste krank daheimbleiben. Da haben<br />
uns Corona & Co. noch einmal hart getroffen und wer<br />
das kennt, der weiß, dass man damit auch zu Hause<br />
keine Kraft zum Arbeiten hat. Also eher kein Homeoffice!<br />
Deswegen wird Ihnen diese <strong>Ausgabe</strong> vielleicht etwas<br />
anders als sonst vorkommen. Die Geschichte über 900<br />
Jahre Armut in Freiburg wurde von vier auf sechs Seiten<br />
erweitert. Außerdem haben wir zu unserem Glück mehr<br />
Artikel als sonst von GastschreiberInnen bekommen. Aber<br />
keine Sorge, wir sind nicht auf einmal schreibfaul geworden<br />
oder haben keinen „Bock“ mehr, es lag echt „nur“ am<br />
Personalmangel, im Februar wird alles wieder beim Alten<br />
sein...<br />
Da es im letzten Jahr abgesehen von unserem 25-jährigen<br />
Geburtstag nicht so arg viel Positives gegeben hat, kann<br />
das Jahr 2024 eigentlich nur besser werden. Für mich<br />
persönlich müsste das ja so stimmen, schließlich wurde<br />
zum 1. <strong>Januar</strong> das Bürgergeld um mehr als 60 Euro<br />
erhöht, sodass ich jetzt an die Tür zum Reichtum klopfen<br />
kann.<br />
Jedenfalls sieht „Fritze Merz“ das so und hat fast bis zum<br />
letzten Tag versucht, das zu verhindern. Denn er ist ja<br />
immer noch der Meinung, wir würden fürs Faulenzen<br />
bezahlt. Ist schon komisch, wie sich die Zeiten ändern.<br />
Als die Hartz-Gesetze eingeführt worden sind, hat die<br />
CDU in geschlossener Mannschaftsstärke gewettert, wie<br />
schlimm diese Gesetze für die Armen seien und dass man<br />
mit dem wenigen Geld doch niemals auskommen könnte.<br />
Danach hat man es in 16 Jahren „christlicher“ Unionsregierung<br />
nicht geschafft, Hartz IV wieder abzuschaffen,<br />
aber immerhin hat man in dieser Regierungszeit das<br />
„wenige Geld“ alle zwei Jahre um fünf Euro erhöht.<br />
Nun ändert die SPD mal wieder was, führt das Bürgergeld<br />
ein, erhöht das nach einem Jahr gleich wieder und erneut<br />
ist das Gemecker groß. Vor allem darüber, dass es für<br />
GeringverdienerInnen nicht mehr attraktiv sei arbeiten<br />
zu gehen, wenn sie doch für das Faulenzen mehr Geld<br />
bekommen. Dabei ist es ein Armutszeugnis, dass der<br />
Verdienst für manche Jobs nicht viel mehr beträgt als das<br />
Bürgergeld für arbeitslose Menschen.<br />
Leider werden die Herren Merz, Spahn und Linnemann<br />
das niemals praktisch erfahren, denn dafür verdienen sie<br />
wahrscheinlich einfach zu viel und der Lohn wird jedes<br />
Jahr automatisch erhöht, ohne große Diskussion oder<br />
Beschluss, allein wegen der steigenden Lebenshaltungskosten.<br />
Nur die Erhöhungen in einer Legislaturperiode<br />
betragen im Übrigen mehr als das Bürgergeld bzw. die<br />
Entlohnung eines Geringverdieners. Wenn ich nicht<br />
genau wüsste, dass Bürgergeld und Niedriglohnsektor<br />
eine vortreffliche Wahlkampfwaffe für die CDU sind,<br />
würde ich denken, dass sich die Damen & Herren über<br />
diejenigen lustig machen, die wirklich für so wenig Geld<br />
arbeiten gehen. Aber was weiß ich schon... Ich für meinen<br />
Teil werde morgen auf die Bank gehen und nachschauen,<br />
ob ich denn auch wirklich mehr Geld bekommen habe.<br />
Wenn ja, werde ich es so schnell wie möglich ausgeben,<br />
bevor es mir einer wieder wegnimmt!<br />
Doch es gibt ja noch mehr im neuen Jahr. Im Sommer<br />
findet die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland<br />
statt und da wird es wieder heiße Diskussionen darüber<br />
geben, ob man sich die Spiele gemeinsam auf öffentlichen<br />
Plätzen hereinziehen darf oder nicht – so wie das<br />
Sommermärchen 2006. Damals wurde einfach bestimmt,<br />
dass im Eschholzpark eine Fußballbühne für ein paar<br />
Tausend Leute aufgebaut wird, und fertig! Die Diskussionen<br />
über die Vermüllung des Parks oder Ruhestörung gab<br />
es erst hinterher. Diesmal wird das wohl nicht so einfach<br />
gehen, da stehen dem Gemeinderat sicher einige lustige<br />
Sitzungen bevor. Mir ist es egal, ich schaue es daheim!<br />
Und noch etwas findet 2024 statt: die Landratswahlen<br />
in „The Länd“. Und das ist mir nicht egal! Wenn man sich<br />
die Werte der AfD, die sich offen als faschistische Partei<br />
positioniert, in Deutschland so ansieht, kann man es<br />
mit der Angst kriegen. Fast überall würden die auf ca.<br />
20 % kommen, das darf hier nicht passieren! Leider ist<br />
die Angst nicht unbegründet, selbst im beschaulichen<br />
Freiburg. Früher hätte ich nie geglaubt, dass es hier in<br />
der Stadt ein faschistisches Wählerpotential gibt, aber<br />
seit in Freiburg zwei Gemeinderäte von der AfD sitzen,<br />
sehe ich das anders. Ich möchte keine düsteren Szenarien<br />
heraufbeschwören, aber es ist ratsam, achtsam zu sein,<br />
wen und was man wählt! FaschistInnen zu wählen, ist<br />
keine Alternative! NIE!<br />
Das war es schon wieder für die erste <strong>Ausgabe</strong> im Jahr.<br />
Wir hoffen, dass Sie Ihnen trotz der erwähnten Schwierigkeiten<br />
gefällt und Sie Spaß beim Lesen haben. Wir<br />
würden uns sehr freuen, wenn Sie unserer Zeitung auch<br />
im neuen Jahr treu bleiben!<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 3
FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />
WOHNEN ALS SOZIALE INFRASTRUKTUR<br />
Historische Beispiele zeigen, dass wir alle günstig und<br />
komfortabel leben könnten – wenn das Wohnen als soziale<br />
Infrastruktur organisiert wird, erklärt der Stadtsoziologe<br />
Andrej Holm in einem Text in der ak-analyse &<br />
kritik, den wir hier auszugsweise übernehmen. Vielen Beteiligten<br />
ist längst klar, dass technokratische Reformen<br />
und reformistische Forderungen zu kurz greifen, um die<br />
strukturell angelegten Widersprüche einer marktförmig<br />
organisierten Wohnversorgung zu lösen. Die Wohnforscher<br />
David Madden und Peter Marcuse haben das grundsätzliche<br />
Dilemma in ihrem internationalen Rückblick auf<br />
100 Jahre Wohnungspolitik gut auf den Punkt gebracht,<br />
wenn sie von einer „dauerhaften Spannung zwischen<br />
dem Wohnen als Zuhause und dem Wohnen als Immobilie“<br />
sprechen. Unter den Bedingungen einer kapitalistischen<br />
Urbanisierung werden Wohnungen zur Ware und<br />
entsprechend nach den kalkulatorischen Prinzipien des<br />
Marktes bewirtschaftet. Selbst dort, wo VermieterInnen<br />
keine Höchstgewinne anstreben, übersteigen die erwarteten<br />
Durchschnittserträge die Zahlungsfähigkeit der meisten<br />
Wohnungssuchenden. Einen Ausstieg aus dem Dilemma<br />
bietet eigentlich nur ein Wohnungsbau, der nicht auf<br />
eine Refinanzierung durch die Mieten angewiesen ist.<br />
DIE MARKTLOGIK AUSSER KRAFT SETZEN<br />
Eine Entkopplung der Mietpreise von den Erstellungskosten<br />
klingt jedoch völlig utopisch, weil wir seit Dekaden<br />
daran gewöhnt werden, die kalkulatorische Logik des<br />
Marktes als treibendes Prinzip des Wohnungsbaus zu akzeptieren.<br />
Dabei gibt es in anderen Bereichen des staatlichen<br />
und kommunalen Handelns zahlreiche Beispiele für<br />
die Bereitstellung von sozialen Infrastrukturen, bei denen<br />
diese Logik außer Kraft gesetzt wird. So wäre beispielsweise<br />
die Erwartung völlig absurd, dass die Erstellungskosten<br />
für ein öffentliches Bibliotheksgebäude aus den Ausleihgebühren<br />
der NutzerInnen bezahlt werden müssten. Eine<br />
konsequente Dekommodifizierung des Wohnens würde<br />
darin bestehen, das Wohnen als soziale Infrastruktur<br />
zu organisieren. Wie andere Infrastrukturen auch würden<br />
Wohnungen durch öffentliche Investitionen finanziert<br />
und in öffentlicher Trägerschaft verwaltet werden<br />
und müssten grundsätzlich allen Bevölkerungsgruppen<br />
zu günstigen Kosten zur Verfügung stehen. Einrichtungen<br />
und Dienstleistungen, die als soziale Infrastrukturen<br />
RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />
Wer Infos will, einfach E-Mail an:<br />
info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Termine:<br />
12.01. | 19 Uhr: Andrej Holm – Wohnen im Kapitalismus<br />
Uni Freiburg KG I, Hörsaal 1199<br />
bereitgestellt werden, fungieren nicht länger als Ware<br />
und können den Marktmechanismen entzogen werden.<br />
Ein kommunaler Wohnungsbau jenseits der Marktlogik<br />
klingt auf den ersten Blick völlig weltfremd und wird gerne<br />
als utopische Spinnerei und unrealistisches Wunschdenken<br />
abgetan. Doch historische Beispiele aus Europa<br />
zeigen, dass staatliche Investitionen in ein öffentliches<br />
Wohnungswesen mit politisch festgesetzten Mieten in<br />
der Vergangenheit zum Standard einer sozialen Wohnungspolitik<br />
gehörten und europaweit Millionen von<br />
Mietwohnungen als öffentliche Infrastrukturen errichtet<br />
wurden. Das bekannteste Beispiel für einen kommunalen<br />
Wohnungsbau mit Infrastrukturcharakter ist sicher<br />
der Gemeindebau der 1920er Jahre im „Roten Wien“. Zwischen<br />
1919 und 1934 wurden über 60.000 Mietwohnungen<br />
durch die Gemeinde Wien errichtet. Als eine Antwort<br />
auf die katastrophalen Wohnverhältnisse nach dem 1.<br />
Weltkrieg verfügte die sozialdemokratische Regierung der<br />
Stadt nicht nur einen strengen MieterInnenschutz, sondern<br />
führte auch eine Reihe von Steuern auf den Kauf von<br />
Luxusgütern und auf Gewinne aus überhöhten Mieten<br />
ein. Insbesondere die neu erhobenen Wohnbausteuern<br />
wurden zur Finanzierung des Gemeindebaus eingesetzt.<br />
Es können leistbare Wohnungen für breite Schichten der<br />
Bevölkerung gebaut werden, wenn sie wie soziale Infrastrukturen<br />
öffentlich bereitgestellt werden. Wie bei anderen<br />
Infrastrukturen auch bemisst sich der Wert öffentlicher<br />
Investitionsprogramme gerade nicht aus<br />
kurzfristigen finanziellen Gewinnen, sondern aus dem<br />
langfristigen Nutzen für die Allgemeinheit. Gerade weil<br />
privat finanzierte Bauprojekte und auch die marktförmig<br />
kalkulierten Neubauten von Genossenschaften unter<br />
den aktuellen Bedingungen keinen Beitrag für die soziale<br />
Wohnversorgung leisten können, ist auch im Bereich des<br />
Wohnens vor allem eines gefragt: öffentliche Verantwortung<br />
für die gesellschaftlichen Belange.<br />
4<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (RÜCKBLICK VOM 15. NOVEMBER BIS 15. DEZEMBER)<br />
[FR] TAFELLADEN MUSS ZUKAUFEN<br />
Die Freiburger Tafel, die gar nicht existieren müsste, wenn<br />
es ausreichend Sozialleistungen gäbe, muss weiterhin<br />
zahlreiche Lebensmittel zukaufen, weil die Essensspenden<br />
nicht ausreichen. Täglich gibt es lange Schlangen vor<br />
dem Laden in der Knopfhäuslesiedlung. Immer wieder<br />
können Bedürftige sich nicht anmelden, weil maximal 25<br />
NeukundInnen pro Woche aufgenommen werden. Gerade<br />
der Krieg in der Ukraine hat die Situation sehr verschärft.<br />
Etwa 2.300 Menschen versorgen sich derzeit über den<br />
Tafelladen mit Lebensmitteln.<br />
[FR] MENSCHENWÜRDIGE UNTERKUNFT FÜR ALLE!<br />
Die Fraktion Eine Stadt Für Alle fordert angesichts des<br />
Winters, vorübergehend einen Teil der leerstehenden<br />
Wohnungen der Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) sofort<br />
für wohnungslose Menschen anzubieten bzw. kurzfristig<br />
herzurichten. Aufgrund der stetig steigenden Zahl an<br />
Obdachlosen fordert die Fraktion, dass Sofortprogramme<br />
und Handlungskonzepte vorgelegt werden, wie in den<br />
nächsten Wochen dafür Sorge getragen wird, dass diesen<br />
Menschen eine menschenwürdige Wohnung angeboten<br />
wird. Zudem wird nach der Zahl der Leerstände in Freiburg,<br />
bei der FSB, den Genossenschaften und im privaten<br />
Bereich gefragt.<br />
[FR] NEUBAU IN SINTI-SIEDLUNG<br />
Die Freiburger Stadtbau, die Stadtverwaltung und der<br />
Sinti Verein Freiburg e. V. haben sich auf ein Vorgehen<br />
beim geplanten Abriss und Neubau am Ahornweg/Lindenwäldle<br />
in Weingarten geeinigt. Die Siedlung am<br />
Ahornweg war Teil einer natürlich völlig unzureichenden<br />
„Wiedergutmachung“ nach dem Nationalsozialismus<br />
gegenüber den Sinti als einer großen Opfergruppe.<br />
Die BewohnerInnen standen dem Abrissvorhaben u. a.<br />
aus Angst vor Mietsteigerung und Verdrängung kritisch<br />
gegenüber. Die Vereinbarung sieht im Ahornweg die Errichtung<br />
von Wohnungen nach den Kriterien des sozialen<br />
Wohnungsbaus und wohl auch eine ausschließliche Belegung<br />
an SintIzze vor. Zudem sollen die aktuellen BewohnerInnen<br />
in die Planungen zum Wohnungsmix und den<br />
Wohnungszuschnitten einbezogen werden. Würde die<br />
FSB das öfter so machen, würden evtl. auch mehr große<br />
Wohnungen für große Familien gebaut, die bei der FSB<br />
derzeit absolute Mangelware sind. Zudem soll laut Vereinbarung<br />
ein Wohnungsausschuss die Beteiligung der<br />
BewohnerInnen beim Erstbezug und bei Mietparteiwechsel<br />
ermöglichen.<br />
EUROPARAT RÜFFELT DEUTSCHLAND<br />
Nach ihrem Deutschlandbesuch erklärte die Menschenrechtskommissarin<br />
des Europarats, Dunja Mijatovic,<br />
dass in der BRD anhaltende Probleme beim Zugang zu<br />
sozialen Rechten zu einem besorgniserregenden Ausmaß<br />
an Armut, sozialer Ungleichheit und Obdachlosigkeit<br />
führen würden. Sie fordert von der Bundesregierung<br />
Maßnahmen zugunsten von Alleinerziehenden, Kindern,<br />
Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen und<br />
kritisiert u. a., dass die Mehrheit der Kinder mit Behinderung<br />
auf sogenannte „Sonderschulen“ geschickt werden.<br />
MIESE WOHNUNGSPOLITIK<br />
Mieterbund und DGB stellen der Ampel-Regierung bei der<br />
Wohnungspolitik ein mangelhaftes Zeugnis aus. Mehr als<br />
700.000 bezahlbare Mietwohnungen würden in Deutschland<br />
fehlen. Von den 2022 rund 295.000 neu gebauten<br />
Wohnungen waren weniger als ein Drittel klassische<br />
Mietwohnungen und weniger als ein Zehntel bezahlbare<br />
Sozialwohnungen. Die beiden Akteure fordern, der Bestand<br />
an Sozialwohnungen müsse bis zum Jahr 2030 von<br />
aktuell 1,1 Mio. auf mindestens 2 Mio. aufgestockt werden.<br />
Zudem solle endlich die vereinbarte neue Wohnungsgemeinnützigkeit<br />
eingeführt werden. Mieterbund und DGB<br />
setzen sich für einen zeitlich befristeten Mietenstopp im<br />
Bestand und ein Verbot von Indexmieten ein.<br />
[FR] JUPI WILL WALD FÜR LUXUSHÄUSER FÄLLEN<br />
Die JUPI-Fraktion im Freiburger Gemeinderat hat sich in<br />
einem Pressestatement zum Neubaustadtteil Dietenbach<br />
bekannt: „Der Freiburger Wohnungsmarkt zeigt<br />
eindrücklich, dass wir dringend bezahlbaren Wohnraum<br />
für mittlere und untere Bevölkerungsschichten benötigen.“<br />
Diesen Satz würden in Freiburg wohl fast alle<br />
unterschreiben. Bedenklich ist allerdings, wie kritiklos<br />
sich die Fraktion hinter die Pläne der Stadtverwaltung<br />
stellt, die es für notwendig hält, dass 4 ha des Langenmattwäldchens<br />
für den neuen Stadtteil gerodet werden<br />
sollen. „Plänen von ‚Eine Stadt für alle‘ und ‚Freiburg<br />
Lebenswert‘ auf den Verzicht der Townhouses zugunsten<br />
größerem Walderhalt folgt die Fraktion daher nicht.“<br />
Wer für Townhouses, also Reihenhäuser, in denen nicht<br />
gerade viele Menschen wohnen, heutzutage Wald fällt,<br />
der hat die Dramatik der Klimakatastrophe angesichts<br />
der eigenen Betonbegeisterung offensichtlich noch nicht<br />
verstanden.<br />
[FR] KATASTROPHALE ZUSTÄNDE BEI DER<br />
HÖLLENTALBAHN<br />
Wie schwer insbesondere dem Freiburger Umland die<br />
Verkehrswende gemacht wird, zeigt eine aktuelle Meldung<br />
von der Höllentalbahn. Aufgrund der mangelnden<br />
Sitzplatzkapazitäten der Bahn, die aktuell meist mit<br />
sehr kurzen Zügen fährt, dürfen sich für die Strecke<br />
keine Schulklassen mehr anmelden. Diese müssen dann<br />
entweder teuer einen Bus anmieten oder auf die Fahrt,<br />
z. B. von Neustadt zur Theateraufführung nach Freiburg,<br />
verzichten. Ein Armutszeugnis für die Bahn und die<br />
baden-württembergische Verkehrspolitik.<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 5
Abb.: Zeitgenössische Lithographie des Gefechts bei Kandern aus der Perspektive der<br />
Revolutionäre am 20. April 1848<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 34)<br />
Foto: Wikipedia<br />
Beim letzten Mal schrieb ich unter anderem über die StifterInnen,<br />
SpenderInnen und FördererInnen im Freiburger<br />
Sozialwesen. Da will ich in dieser <strong>Ausgabe</strong> erstmal<br />
weitermachen.<br />
Im letzten Teil schrieb ich schon eine Menge über Heinrich<br />
Sautier, einen der herausragenden Stifter im Freiburger<br />
Armenwesen, der sich besonders der Bildung verschrieben<br />
hatte. Die Stiftungen, die Sautier zu Beginn des<br />
19. Jahrhundert gründete, fanden sehr schnell Beachtung<br />
und vor allem Zustimmung bei den FreiburgerInnen. Vor<br />
allem im gehobenen Bürgertum und beim Adel fanden<br />
sich zahlreiche Unterstützer und Geldgeber für die Ideen<br />
von Sautier.<br />
Zwei der bedeutendsten Mitstifter waren Philipp Merian,<br />
auf den ich später noch zurückkomme, und Philipp Valentin<br />
von Reibelt. Philipp von Reibelt (1752-1835) war ein<br />
ehemaliger Basler Domkapitular und ein enger Freund<br />
Sautiers, der im Zuge der Französischen Revolution von<br />
Basel nach Freiburg geflüchtet war. Reibelt entstammte<br />
einem alten fränkischen Adelshaus und hatte Theologie<br />
in Würzburg und Fulda studiert. 1775 promovierte er, wurde<br />
ein Jahr später Domherr in Basel und lernte in dieser<br />
Zeit auch Heinrich Sautier kennen. Im Jahr 1804 wurde<br />
auch Philipp von Reibelt zum Ehrenbürger der Stadt Freiburg<br />
ernannt. Auch er hinterließ der Stiftung einen Teil<br />
seines Vermögens.<br />
Das Vermögen von Sautiers Stiftungen wuchs rasch an.<br />
Bei Sautiers Tod im Jahre 1810 betrug das Stiftungskapital<br />
bereits 44.000 Gulden. Bis zum Jahr 1824 war es dann<br />
sogar auf 72.816 Gulden angewachsen. Dadurch war es<br />
natürlich möglich, weitere Bildungseinrichtungen zu eröffnen.<br />
Im Jahr 1823 erhielt die Stiftung dann einen neuen<br />
Namen. Dank der großen Stiftungen von Reibelt und<br />
6<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Abb.: Das Kloster Günterstal, welches von 1221 bis 1806 bestand, war eine Abtei der Zisterzienserinnen im<br />
heutigen Stadtteil Günterstal in Freiburg.<br />
Foto: Wikipedia<br />
Merian wurde der alte Name in „Sautier-Reibelt-Meriansche<br />
Stiftung zur Ausbildung und Ausstattung dürftiger<br />
Jünglinge und Jungfrauen“ geändert. Zu den vielen<br />
Geldspenden aus Bevölkerung und Adel kamen jetzt auch<br />
WohltäterInnen hinzu, die sogenannte „Freiplätze“ an den<br />
Schulen finanzierten. Das bedeutete, sie bezahlten Plätze<br />
in Schulklassen, um Kindern aus armen Familien den<br />
Schulbesuch zu ermöglichen, auch wenn die Eltern das<br />
Schulgeld nicht aufbringen konnten.<br />
Unter anderem waren die Gräfin Franziska von Kageneck,<br />
der Staatsminister von Baden Conrad Karl-Friedrich<br />
von Andlau-Birseck oder auch Valsassina, die letzte Äbtissin<br />
des Klosters in Günterstal, StifterInnen solcher Freiplätze.<br />
Also scheinen sich die Ansichten Sautiers, dass<br />
Bildung ein Weg aus der Armut sein kann, bei seinen Zeitgenossen<br />
durchgesetzt zu haben. Bis zum Jahr 1838 wurden<br />
durch die Stiftungen Sautiers 263 Mädchen und 143<br />
Jungen ausgebildet. In der Bevölkerung bedachte man<br />
Heinrich Sautier mit dem Ehrennamen „Der Stifter“. Auch<br />
Heinrich Sautier wurde auf dem Alten Friedhof beerdigt.<br />
Eine weitere Persönlichkeit aus dem Freiburger Armenwesen<br />
war Philipp Merian (1773-1848). Merian stammte<br />
aus einer der vornehmsten Familien Basels. Der Vater war<br />
Kaufmann, Bankier und Fabrikbesitzer. Merian studierte<br />
in Freiburg und später in der Bergakademie in Freiberg<br />
im Erzgebirge. Er arbeitete eine Zeit lang in Paris als<br />
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: Philipp Merian (1773-1848), Träger des Sterns des<br />
grossherzoglich-badischen Löwen-Ordens<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 7
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: Das Collegium Sapientiae, lateinisch für „Kolleg der Weisheit“ und auch als Sapienz bekannt, gilt als das älteste<br />
Studentenwohnheim in Freiburg i. Br. Die Abbildung stammt aus den Statuten des Collegii Sapientiae von 1495.<br />
Kaufmann, ehe er das Eisenwerk des Vaters übernahm.<br />
1818 setzte er sich zur Ruhe und lebte als Rentier in Freiburg.<br />
Hier begann er nun mit seiner weitläufigen philanthropischen<br />
Tätigkeit und er beteiligte sich an zahlreichen<br />
Stiftungen, die Armen, Waisen, Witwen und vielen<br />
anderen zugutekamen. Später dehnte Merian seine caritative<br />
Arbeit auch auf Basel und das Großherzogtum Baden<br />
aus. Im Jahr 1824 wurde Philipp Merian Ehrenbürger<br />
der Stadt Freiburg und ein Jahr später Ehrenrat der Freiburger<br />
Stiftungskommission. Wenig später wurde er vom<br />
Großherzog sogar zum Ritter geschlagen. Merian beteiligte<br />
sich nicht nur an den bestehenden Stiftungen, sondern<br />
er rief unter seinem Namen noch 14 neue ins Leben,<br />
unter anderem auch eine für arme und alte Dienstboten.<br />
Insgesamt schenkte oder vererbte er den verschiedenen<br />
Freiburger wohltätigen Einrichtungen die Summe von<br />
269.000 Gulden. Das würde heute einer Kaufkraft von ca.<br />
4,2 Millionen Euro entsprechen. Philipp Merians Grundsatz<br />
war: „Meine oeconomischen Verhältnisse forderten<br />
mich frühe schon auf, meine Blicke auf den Theil meiner<br />
Mitmenschen zu werfen, der vom Glücke weniger begünstiget,<br />
seine Lage im Kampfe mit seinem harten Geschicke<br />
verleben muss.“ Während der Revolution von 1848 reiste<br />
Merian nach Basel, wo er dann einen Schlaganfall erlitt<br />
und starb. Philipp Merian wurde im Kreuzgang des Basler<br />
Münsters bestattet.<br />
Diese Personen stehen stellvertretend für viele andere<br />
SpenderInnen, StifterInnen und WohltäterInnen in Freiburg.<br />
Herausragend war natürlich Heinrich Sautier, der<br />
früh erkannte, dass Menschen Bildung erhalten müssen,<br />
egal welcher Herkunft sie auch sind. Doch nicht nur er<br />
war mehr als ein reiner Geldgeber. So wie Sautier die Bildung<br />
wichtig war, so sorgte sich die Bürgermeistertochter<br />
Katharina Egg um die Gesundheit der Armen. Sie hatte<br />
sich ihr kurzes Leben lang aufopferungsvoll um die Armen<br />
im Spital gekümmert und als sie 1764 mit nur 33 Jahren<br />
starb, hinterließ sie ihr Vermögen dem Armenspital<br />
8<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
in der Gerberau. Heute befindet sich an dieser Stelle das<br />
Bettenhaus Stiegeler. Doch das war nicht alles, Katharina<br />
Egg verfügte in ihrem Testament, dass sich die Stadt<br />
und die neue Medizinische Fakultät der Universität um<br />
die Kranken im Spital kümmern und diese versorgen sollten.<br />
Das waren erste Voraussetzungen für das Entstehen<br />
der verschiedenen Kliniken im Freiburg des 20. Jahrhunderts.<br />
Für ein sogenanntes „Weibsbild“ der damaligen<br />
Zeit vermochte sie sich hervorragend durchzusetzen in<br />
dieser Männerdomäne. Doch Katharina Egg ging noch<br />
weiter. Sie setzte Medizinprofessoren der Universität als<br />
Aufsichtsräte der Armenspitalstiftung ein und verfügte,<br />
dass die Professoren gemeinsam mit ihren Studenten die<br />
Kranken direkt im Spital behandeln sollten.<br />
Wie ich in früheren <strong>Ausgabe</strong>n bereits erwähnte, gab es<br />
weder im Heiliggeistspital noch im Armenspital fest angestellte<br />
Ärzte. Es gab höchstens Krankenpfleger, vielleicht<br />
auch ein paar Mönche, welche sich um die Kranken<br />
kümmerten, für feste Ärzte war einfach kein Geld da. Deshalb<br />
war es Katharina Egg so wichtig, dass die Studenten<br />
unter Aufsicht der Lehrkräfte die Armen behandelten. Es<br />
war allerdings für beide Seiten ein Gewinn, denn die SpitalbewohnerInnen<br />
wurden gratis behandelt und die Studenten<br />
konnten nun auch praktisch arbeiten, was in der<br />
Regel sonst nicht der Fall war.<br />
Bisher waren Medizinstudenten niemals mit kranken<br />
Menschen in Berührung gekommen, das oblag nur ausgebildeten<br />
Ärzten und die waren teuer. Nun konnten<br />
Studenten am lebenden Menschen praktisch lernen, was<br />
ihrer Ausbildung keinen Schaden brachte. Durch dieses<br />
weit vorausschauende Handeln der Katharina Egg wurden<br />
die Rahmenbedingungen für eine professionelle Versorgung<br />
von armen kranken Menschen geschaffen.<br />
Diese neue Verbindung zwischen dem städtischen Armenspital<br />
bzw. Heiliggeistspital und der Universität Freiburg<br />
führte schließlich auch dazu, dass in Freiburg die<br />
Klinik der Universität auch gleichzeitig das städtische<br />
Krankenhaus war. Aus diesem Grund wurde die Universitätsklinik<br />
immer auch aus Stiftungsmitteln mitfinanziert.<br />
Die Heilig-Geist-Kirche der Klinik soll bis heute an<br />
die Heiliggeiststiftung erinnern, die im übrigen auch das<br />
Gelände für die Klinik bereitgestellt hat. Doch zurück ins<br />
18. Jahrhundert. Das von Katharina Egg 1775 gestiftete Gebäude<br />
in der Gerberau war Freiburgs erstes echtes Krankenhaus<br />
und verfügte über 30 Betten. 1780 zog die Klinik<br />
in das Gebäude der „Alten Sapienz“ in der Herrenstraße.<br />
Das waren nur einige StifterInnen und WohltäterInnen,<br />
es gab noch mehr von ihnen, doch ich kann hier nicht alle<br />
gebührend aufführen. Doch es soll belegen, dass es zu jeder<br />
Zeit auch begüterte Menschen in Freiburg gab, denen<br />
Foto: Andreas Schwarzkopf / Wikipedia CC BY-SA 3.0<br />
Abb.: Teile des alten Collegium Sapientiae in der<br />
Herrenstraße in Freiburg<br />
die Armut der meisten anderen nicht egal war.<br />
Aber bei allen wohltätigen Stiftungen und StifterInnen,<br />
aufhalten oder gar beseitigen konnte man die Armut<br />
nicht. Im Jahre 1803 waren es ungefähr 70 oder 80 Arme<br />
in Freiburg, die aus Mitteln der Armenkassen versorgt<br />
werden mussten. Um 1813 waren es dann schon fast 800<br />
arme Menschen in der Stadt. Als es, bedingt durch den<br />
Vulkanausbruch des Vulkans Tambora (Indonesien) im<br />
Jahr 1815, in den folgenden beiden Jahren Missernten gab,<br />
stieg die Zahl der Armen sogar auf über 1.000 an.<br />
Für eine Stadt mit gerade einmal 11.500 EinwohnerInnen<br />
waren das eine Menge Menschen, die man zusätzlich versorgen<br />
musste. Und die Zahl der Armen nahm weiter zu,<br />
die unteren Gesellschaftsschichten wurden größer. Vor<br />
allem Dienstboten, Knechte, Tagelöhner oder Handwerksgehilfen<br />
standen trotz Arbeit doch immer auch mit einem<br />
Bein auf der Straße und sie lebten immer in der Angst der<br />
Verarmung. Denn sie waren ihren Herrschaften auf Gedeih<br />
und Verderb ausgeliefert, bei jeder Wirtschaftskrise<br />
drohte ihnen die Entlassung und der Weg ins Armenhaus.<br />
Und die Stiftungen konnten nicht alle Sozialfälle auffangen,<br />
weswegen man sich wieder etwas Neues einfallen<br />
lassen musste.<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 9
Abb.: Trompeter des ursprünglichen badischen 2. Dragoner-Regiments um 1830<br />
Foto: Wikipedia<br />
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts besserte sich die soziale<br />
Lage Freiburgs dann wieder etwas. Dafür sorgten wieder<br />
einmal neue Regeln für die Armen. Um dem Missbrauch<br />
von Zuwendungen vorzubeugen, wurden neue<br />
Maßnahmen zur Sanktionierung und zur Disziplinierung<br />
eingeführt und auch konsequent umgesetzt. So ist zum<br />
Beispiel um 1825 eine sogenannte „Arbeitsanstalt“ am<br />
Breisacher Tor belegt, in der „arbeitsscheue Heimatberechtigte<br />
der Stadt beiderlei Geschlechts“ untergebracht wurden.<br />
„Dieselben werden zum Straßenbau, zum Straßenkehren<br />
und anderen öffentlichen Arbeiten, gegen Bezahlung<br />
aus der städtischen Rentkasse verwendet“. Die Tagelöhne<br />
werden an das Armeninstitut abgegeben und von diesen<br />
Kleidung und Verpflegung solcher „Individuen“ bestritten.<br />
Den Vorstand dieses Arbeitshauses bildeten der Bürgermeister,<br />
ein Gemeinderatsmitglied, der Verwalter des Heiliggeistspitals<br />
und ein Polizeibeamter.<br />
In den 1830er und 1840er Jahren war der Freiburger Armenfonds<br />
so sehr erstarkt, dass er die gesamten Sozialausgaben<br />
der Stadt bis weit in die zweite Hälfte dieses<br />
Jahrhunderts tragen konnte. Das lag allerdings auch daran,<br />
dass immer mehr Mittel aus anderen Stiftungen in<br />
den Fond überführt wurden. So kamen 1847 23.228 Mark<br />
aus vier Stiftungen dazu und 1865 folgten 171.088 Mark<br />
von der Gutleut-Stiftung sowie 47.491 Mark der Seelhaus-Stiftung.<br />
Inzwischen hatte die Mark im Großherzogtum<br />
Baden den Gulden abgelöst. Das Armenwesen war<br />
im Freiburg des 19. Jahrhunderts finanziell gut aufgestellt,<br />
die Versorgung der Armen war gesichert. Als dann<br />
1871 das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde, gab es<br />
im Armenwesen wieder Reformen und auch der Begriff<br />
Armut wurde wieder einmal neu definiert.<br />
DIE STADT FREIBURG UND IHRE STELLUNG IM<br />
GROSSHERZOGTUM BADEN<br />
Als die Stadt Freiburg 1805 in das spätere Großherzogtum<br />
Baden eingefügt wurde, verlief das natürlich nicht ganz<br />
problemlos. Die Stadt hatte einige Erwartungen an das<br />
Haus Baden, aber auch eine Menge Ängste, vor allem um<br />
das eigene Wohlergehen. Die Ängste bestanden zu einem<br />
großen Teil darin, dass Freiburg zu einer Provinzverwaltung<br />
verkommt und auf Dauer weder die Garnison noch<br />
die Universität halten kann. Auch die kommunale Selbständigkeit<br />
sah der Stadtrat gefährdet. Angesichts der<br />
nahen Landeshauptstadt Karlsruhe und der „badischen<br />
10<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Organisationslust“ dort, befürchtete man auch, dass die<br />
ständische Verfassung des Breisgaus gekippt werden<br />
könnte. Ein weiterer Punkt war der, wie das katholische<br />
Freiburg in einer protestantischen Dynastie bestehen<br />
könnte.<br />
Nachdem Baden am 12. Juni 1806 zum Großherzogtum<br />
aufgestiegen war, versuchte man diesen verschiedenen<br />
Problemen mittels Reformen beizukommen. Das wichtigste<br />
für das Haus Baden war es nun, die vielen kleinen<br />
dazu gewonnenen Territorien in ein einziges Staatsgefüge<br />
zu integrieren. Rat dafür konnten sie sich bei den<br />
Nachbarn in Frankreich holen, wo es Napoleon einige Jahre<br />
zuvor ähnlich gemacht hat.<br />
Die Befürchtungen Freiburgs waren nicht ganz unberechtigt,<br />
wie sich im Verlauf der Geschichte zeigen wird. Doch<br />
davon mehr in der nächsten <strong>Ausgabe</strong>.<br />
Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg und Herrn<br />
Thalheimer, der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach,<br />
Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter Widmann.<br />
Carsten<br />
Foto: Wikipedia<br />
Abb.: Karl Friedrich von Baden (1728- 1811) ist<br />
mit 73 Jahren Amtszeit einer der am längsten<br />
regierenden Monarchen der Geschichte<br />
Anzeige<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 11
oder junge Erwachsene, die viel im Internet sind oder viel<br />
online spielen, darüber hinaus beraten wir auch bei Essstörungen.<br />
Über den Jugendbereich hinaus können alle<br />
erwachsenen Menschen zu uns kommen, welche unter<br />
anderem einen Bezug zu illegalisierten Substanzen haben.<br />
Wenn jetzt jemand über 25 Jahren z. B. mit einer reinen<br />
Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit oder einer<br />
klassischen Spielsucht zu uns kommt und sich informieren<br />
möchte, dann schicken wir nach der Erstberatung<br />
eher in andere Beratungsstellen, die das mehr im Fokus<br />
haben als wir. Im Altersbereich bewegen wir uns zwischen<br />
12 und 65-70 Jahren.<br />
Wir sprechen heute mit Marc Funke von der Jugendund<br />
Drogenberatungsstelle DROBS in Freiburg. Die Beratungsstellen<br />
leisten eine wichtige Arbeit in der Prävention,<br />
aber auch Begleitung von KonsumentInnen. Wir<br />
freuen uns, dass sich Marc die Zeit genommen hat, um<br />
Ihnen, liebe LeserInnen, seine Arbeit näher vorzustellen.<br />
Herzlich willkommen, Marc! Wie geht es Dir?<br />
Danke, gut.<br />
Foto: E. Peters<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Marc Funke<br />
Du arbeitest bei DROBS in Freiburg. Was ist das genau?<br />
DROBS ist die Jugend- und Drogenberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt<br />
(AWO) Kreisverband Freiburg e. V. Neben<br />
der DROBS gibt es bei der Drogenhilfe noch den<br />
Kontaktladen.<br />
Wer ist Euer Klientel?<br />
In der Beratungsstelle sind wir für Kinder und Jugendliche<br />
bis 25 aus der Stadt Freiburg zuständig, egal ob sie<br />
legale oder illegalisierte psychoaktive Substanzen konsumieren<br />
oder auch nicht-stofflich mit Sucht oder Abhängigkeit<br />
zu tun haben bzw. sich mit ihrem Konsumverhalten<br />
auseinandersetzen wollen. Hierzu zählen Jugendliche<br />
Was sind die größten Probleme in der Szene?<br />
Die gesundheitsrelevanten Umstände, unter denen illegalisierte<br />
Drogen in Deutschland konsumiert werden, sind<br />
immer noch als sehr schwierig oder kritisch zu betrachten,<br />
weil die Substanzen keiner gesetzlichen oder gesundheitspräventiven<br />
Kontrolle unterstehen. Sprich, es werden<br />
in unterschiedlichsten Szenen Substanzen konsumiert,<br />
wo für die meisten KonsumentInnen völlig unklar ist: Wie<br />
ist die Dosis? Wie ist die Wirkung? Was ist es überhaupt?<br />
Das ist mit eines der größten Probleme, mit denen sich<br />
KonsumentInnen von ganz jung bis ganz alt tagtäglich<br />
auseinandersetzen und das Risiko tragen müssen.<br />
Was ist Deine Funktion innerhalb der DROBS?<br />
Neben der üblichen Basisarbeit haben die MitarbeiterInnen<br />
Schwerpunkte. Bei mir ist das die Angehörigenarbeit<br />
für Eltern, Geschwister und/oder den Freundeskreis.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt von mir ist die NADA Ohrakkupunktur,<br />
eine Methode, die den Suchtdruck mildert und<br />
welche sehr niederschwellig, einfach und fast kostenfrei<br />
bei uns wahrgenommen werden kann. Neu seit 2021 ist<br />
ein Projekt im Partydrogen-Bereich. Mit „DROBS in Space“<br />
gehen wir in die Szenen, in denen Partys gefeiert werden,<br />
informieren und machen aufmerksam. Wir schulen dafür<br />
junge Leute. Und es läuft gut. Wir haben dieses Jahr 14<br />
Veranstaltungen gehabt in verschiedensten Locations in<br />
Freiburg: im Crash, im Hans-Bunte, auf dem CSD, dem SU-<br />
SI-Fest, in der KTS, dem Artik, dem Grether-Gelände, etc.<br />
Wir hoffen, dass wir dieses aus unserer Sicht sehr wichtige<br />
Projekt auf sichere und langfristige Standbeine stellen<br />
können. Hierzu gehört auch das Ziel, in Zukunft Drogen<br />
bei der Rechtsmedizin Freiburg testen lassen zu können<br />
(Drugchecking) und dies präventiv in unsere Beratungsarbeit<br />
einzubinden.<br />
Wie viele MitarbeiterInnen hat die DROBS?<br />
Momentan sind es sechs Hauptamtliche mit verschiedenen<br />
Teilzeitstellen, im Kontaktladen fünf. Zukünftig kommen<br />
noch drei Teilzeitstellen dazu, im Februar wird dort<br />
der Konsumraum mit medizinischem Fachpersonal und<br />
SozialarbeiterInnen eröffnet werden.<br />
12<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Seid Ihr auch, so wie andere sozialen Stellen, von Kürzungen<br />
staatlicher oder städtischer Förderung betroffen und<br />
wie wirkt sich das auf Euch aus?<br />
Ein Beispiel für eine Kürzung in den letzten zehn Jahren<br />
war die Schuldnerberatung, welche explizit in der Beratungsstelle<br />
gestrichen wurde. Wir haben schon sehr gemerkt,<br />
dass das unheimlich fehlt. Viele der Menschen, die<br />
zu uns kommen, schaffen es ganz einfach nicht, in die anderen<br />
Schuldnerberatungsstellen zu gehen, vielleicht weil<br />
diese zu hochschwellig sind, zu überlaufen oder der Weg<br />
zu weit ist.<br />
Wie können Euch unsere LeserInnen unterstützen?<br />
Indem darüber geredet wird, dass es uns gibt, dass wir<br />
präsent sind, dass wir ein ganz vielschichtiges, vielfältiges<br />
Angebot haben, und dass es erst mal gar keine Voraussetzung<br />
braucht, außer die vorher genannten, um hier Beratung<br />
zu bekommen. Abstinenz muss nicht das Ziel sein,<br />
sondern Mensch kann so kommen, wie Mensch ist, und<br />
wird auch so angenommen und abgeholt.<br />
Drogen und Drogenkonsum gelten als Tabuthemen und<br />
es scheint, als wollten Stadt und Land am liebsten gar<br />
nichts davon sehen und KonsumentInnen aus der Innenstadt<br />
verdrängen. Wie siehst Du das hier in Freiburg,<br />
nimmst Du das auch so wahr?<br />
In meinen 20 Jahren bei der Drogenhilfe hat sich das<br />
immer wieder verändert, je nachdem, wie die politische<br />
Wetterlage war und welche Richtlinien rausgegeben<br />
wurden. Das war sehr unterschiedlich. Der Umbau<br />
jetzt im Colombipark kann natürlich kritisch betrachtet<br />
werden, dass die Leute in einen anderen Bereich gedrängt<br />
werden und man sie in der Öffentlichkeit vielleicht<br />
nicht mehr so sehen möchte. Es kann aber auch so<br />
gesehen werden, dass das Hilfesystem erweitert wird,<br />
dass die Menschen ein Stück weit da abgeholt werden,<br />
wo sie sind. Unsere Aufgabe in der Drogenhilfe ist es natürlich,<br />
darauf aufmerksam zu machen, dass Menschen,<br />
die Drogen konsumieren, auch im öffentlichen Raum ihren<br />
Platz haben müssen wie alle anderen auch und dass<br />
es ein Teil der Alltagsrealität einer Stadt wie Freiburg ist.<br />
Das soll so bleiben, sie dürfen nicht in die Anonymität<br />
und Einsamkeit gedrängt oder aus der Innenstadt vertrieben<br />
werden.<br />
Eine Legalisierung von Cannabis scheint endlich zum<br />
Greifen nahe – Was hältst Du davon?<br />
Die AWO hat dazu schon seit langem eine ganz klare Meinung,<br />
dass unter so wichtigen Aspekten wie z. B. der Beachtung<br />
des Jugendschutzes die Legalisierung eine Möglichkeit<br />
ist, gesundheitspräventiv eine noch effektivere<br />
Arbeit zu machen und auch das Hilfesystem dahingehend<br />
weiterzuentwickeln, Jugendliche früher, besser und präventiver<br />
zu erreichen.<br />
Gab es im Lauf der Zeit einen Wandel beim Konsum?<br />
Den gibt es auf jeden Fall. Das Einstiegsalter, vor allem<br />
auch bei illegalisierten Drogen, ist gefühlt viel jünger geworden.<br />
Insbesondere im Bereich der neuen Psychoaktiven<br />
Substanzen. Es wird schneller und häufiger und mehr<br />
konsumiert. Der legale Bereich, z. B. Medikamente, ist zunehmend<br />
Thema, weil er über die einfache Verfügbarkeit<br />
z. B. in den Jugendmusikkulturen quasi reingeschwappt<br />
ist und hier in sehr jungem Alter viel und hochriskant experimentiert<br />
wird.<br />
Welches ist die gefährlichste Droge, und warum?<br />
Das ist eine sehr individuelle Geschichte. Früher hat man<br />
immer Heroin in den Vordergrund gestellt. Das sehe ich<br />
nicht so. Wenn man reines Heroin stofflich anschaut, hat<br />
es auch auf langfristige Sicht geringe negative gesundheitliche<br />
Auswirkungen. Cannabis und Amphetamine<br />
können massive gesundheitliche Folgeerscheinungen haben,<br />
wenn die Dosis nicht stimmt, die Substanz nicht in<br />
Ordnung ist oder Menschen sie z. B. psychisch nicht gut<br />
verarbeiten können.<br />
Welche Auswirkungen kann Drogenkonsum haben?<br />
Die sind ebenso vielschichtig wie die Menschen, die sie<br />
konsumieren. Es gibt viele, die auch mit einer Abhängigkeitserkrankung<br />
ihr Leben gut im Griff haben. Das andere<br />
Extrem wäre eine Erkrankung, in der alltägliche Dinge,<br />
die für uns alle wichtig sind im Leben, vernachlässigt werden<br />
und die Drogen im Vordergrund stehen, was dann zu<br />
massiven Problemen führen kann.<br />
Wie entspannst Du Dich, was sind Deine Hobbys?<br />
Ich entspanne mich vor allem über Sport, übers Fahrradfahren<br />
oder auch Laufen, und über Musik. Musik ist mein<br />
großes Hobby, und da bin ich auch aktiv.<br />
Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />
Und welcher der hässlichste?<br />
Am Schönsten ist für mich ein Spaziergang an der Dreisam,<br />
weil man eine bunte Vielfalt an Menschen sieht. Unschön<br />
finde ich Teile des Bahnhofsbereichs, dieser hat sich<br />
über die Jahre doch sehr verändert und nicht unbedingt<br />
zum Vorteil für alle Menschen, welche in Freiburg wohnen.<br />
Was wünschst Du Freiburg?<br />
Ich wünsche Freiburg, dass es sich in Bezug auf Menschen,<br />
die hier wohnen, seine Vielfältigkeit bewahrt, dass<br />
Menschen jeglicher Couleur hier Platz haben können und<br />
auch finden.<br />
Vielen Dank für das interessante Gespräch, wir wünschen<br />
Dir alles Gute für Dich und Deine Arbeit!<br />
Oliver, Ekki & Conny<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 13
Foto: Donald Teel / Unsplash<br />
WILMA FOREVER<br />
Eine Kehrseite mit Tücken<br />
Die Aufregung war groß, als im Sommer 2023 ein wenige<br />
Sekunden langer Videoschnipsel nahelegte, dass<br />
in einem Wald bei Kleinmanchow, südlich von Berlin,<br />
eine Löwin umherstreifte. Löwin deshalb, weil das Tier,<br />
im Halbdunkel schräg aus größerer Entfernung mit einem<br />
Handy beim Schnuppern am Waldboden gefilmt,<br />
keine Mähne hatte. Logisch.<br />
Es folgte eine tagelange Suche unter Zuhilfenahme<br />
von Drohnen und Hubschraubern, Wärmebildkameras,<br />
berittenen Elefantenpatrouillen und US-amerikanischen<br />
Spionagesatelliten. Doch kurz bevor der erste<br />
Berliner Kammerjäger mit Kammerflimmern eingeliefert<br />
werden konnte oder die gewohnt kurzsichtige Bundesregierung<br />
die vollständige Entlaubung aller Brandenburger<br />
Forstgebiete mit Agent Orange anordnete,<br />
gab ein weitsichtiger Führer einer der vielen Polizeihundertschaften<br />
urplötzlich Entwarnung.<br />
Was der Öffentlichkeit in der Folge vorenthalten wurde:<br />
Das Wildschwein, das sich als Löwin ausgegeben<br />
hatte, hatte sich selbst gestellt. Die Polizeiführung<br />
und der grundsätzlich für absolut Alles zuständige<br />
Bundesfinanzminister Lindner beschlossen daraufhin,<br />
diesen Umstand in den Speckmantel des Vergeigens<br />
zu hüllen, um die nervenklabusternde Panikmache zu<br />
verwischwaschen und in der Folge konjunkturschwächende<br />
Mengenrabatte bei Herzschrittmachern zu<br />
vermeiden.<br />
Einem investigativen Rechercheverbund aus den<br />
Tageszeitungen Rein-Raus-Ruhr-Nachrichten, Pankower<br />
Peinlichkeiten und Potzdamer Pinzette sowie des<br />
Hörfunksenders TifNO (Tierfunk Nord-Ost) gelang es<br />
gleichwohl nach Auswertung tausender Seiten Datenmaterials,<br />
der sogenannten Kleinmanchow-Papers, das<br />
unter Androhung eines saftigen Verwarnungsgeldes in<br />
den Wald zurückgehundertschaffte Wildschein ausfindig<br />
zu machen. Nach der Zusicherung, seine wahre<br />
Identität nicht preiszugeben, erklärte sich Wilma, so<br />
der Deckname, bereit zu einem Interview auf einer<br />
einsamen Waldlichtung.<br />
Frau Wilma, wie in Herrgottsnamen sind Sie auf die<br />
Idee gekommen, sich als Löwin auszugeben?<br />
Ach wissen Sie, das ist ehrlich gesagt eher einfach so<br />
14<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
passiert. Ich könnte ja sagen, ich war auf dem Weg zu<br />
einem Maskenball. Oder ich wollte Sammy, dem Kaiman,<br />
Kuno, dem dackelfressenden Killerwels, der in ein<br />
Tretboot verliebten Schwänin Petra oder Kora, der Monokelkobra<br />
aus Herne im deutschen Sommerloch Ness<br />
nacheifern – aber nein, ich bin nur, was ihr Menschen<br />
aus mir gemacht habt.<br />
Können Sie sich denn erklären, warum es dann ausgerechnet<br />
eine Löwin sein musste?<br />
Na ja, eine Giraffe hätte wohl schlecht gepasst, finden<br />
Sie nicht? Ich muss ja zugeben, mein Mann Karl-Heinz<br />
sagt immer, ich solle beim Wühlen im Waldboden mein<br />
Hinterteil nicht so aufreizend rausstrecken. Er meint, das<br />
würde nur andere Keiler oder menschliche Wildschweine<br />
anlocken. Ich persönlich empfinde das ja nicht so. Ich<br />
hatte in der fraglichen Nacht so einen wunderbaren<br />
Trüffelgeruch in der Nase – ausgegraben habe ich dann<br />
aber nur die Staniolverpackung einer belgischen Praline.<br />
Ihr Menschen verscherbelt für teuer Geld Strohhalme<br />
aus Edelstahl, aber Euren Müll schmeißt ihr nach wie vor<br />
einfach in den Wald und sonst wohin.<br />
Aber jetzt mal ehrlich – Sie haben in der fraglichen<br />
Szene schon ein bisschen die Körperspannung einer<br />
Löwin angenommen?<br />
(Wilma grinst) Klar, weil ich innerlich auch eine Löwin<br />
bin. Also eine Löwin im Wildschweinpelz, wenn Sie<br />
so wollen. Aber wenn ich versuche zu brüllen, dann<br />
kommt doch nur ein trockenes Röcheln raus. Da kann ich<br />
niemandem ein X für ein U vormachen, da stößt mein<br />
Amphibientheater quasi an seine Grenzen. Nur die darauffolgende<br />
Angst von Euch Menschen im Wald, die hat<br />
uns tierisch Spaß bereitet. Einmal hat sich ein Zwerghase<br />
hinter einen Polizisten geschlichen und nur ganz leise<br />
„Buh“ gerufen – und der Bulle ist dann in Todesangst<br />
wie von der Tarantel gestochen vorwärts gehechtet und<br />
dadurch mit dem Kopf an eine Eibe geknallt. Das war<br />
ein Spaß!<br />
Aber eine Wildschwein-Bache, auch, wenn sie ein<br />
Löwinnenherz hat, mit einer echten Löwin zu verwechseln<br />
– das ist doch nicht normal…<br />
Was ist schon normal bei Euch Menschen? Eure Augen<br />
können nur noch kleine Hochkantbildschirme aus<br />
der Nahdistanz klar erkennen, dazu kommen eine 24<br />
Stunden täglich hyperventilierende Sensationsgier und<br />
schlechte Bildung. Einmal hat mich ein kleines, etwa<br />
vierjähriges Mädchen aus einer Waldkindergartengruppe<br />
entdeckt und gerufen: „Schaut mal, ein Teletubbie!“<br />
Diese Stadtkinder glauben ja auch, Kühe wären lila. Und<br />
von den Biologiestunden bekommen sie immer nur die<br />
ersten 30 Sekunden mit, oder wie weit diese Tik-Tok-Aufmerksamkeitsspanne<br />
eben reicht.<br />
Die Kids können doch auf ihren Handys immerhin<br />
„Wildschwein“ bei Google eingeben.<br />
Ja genau, als ob sie das täten. Und wenn, dann erscheint<br />
wahrscheinlich an erster Stelle ein Foto von diesem<br />
Möchtegern-Hitler aus Thüringen! Ein gefährlicher<br />
Problem-Mensch. Und da, muss ich sagen, hört der Spaß<br />
auf. Diesen Grad an Entwürdigung dürfen wir Waldtiere<br />
nicht auf uns sitzen lassen. Wir haben bereits eine<br />
gepfefferte Protestnote an den NABU geschickt.<br />
Wie denn das, per Post?<br />
Und den Brief in eine Spechthöhle eingeworfen? Sehr<br />
witzig. Nee, wir haben das Papier vor eine Wildtierkamera<br />
gehalten und dann einfach mit dem Kopf gewackelt.<br />
Clever. Ist das Leben im Wald nicht überhaupt sehr<br />
hart, vor allem im Winter?<br />
Da können Sie einen drauf lassen. Aber wir Wildschweine<br />
sind eben echte Resilienz-Spezialisten: Minustemperaturen,<br />
Schweinegrippe, Vogelwahnsinn, Corona,<br />
Löwenvergleiche, Hasenpest, Bienengift, Kuckucksheiserkeit<br />
und Fliegenpilze – das alles nehmen wir mit Links.<br />
Hören wir da eine Aversion gegen die AfD heraus?<br />
Meinen Sie das ernst? Ich sage Ihnen mal was: Wenn<br />
Deutsche, die schließlich den Nationalsozialismus erfunden<br />
und damit die Welt aufs Allerübelste terrorisiert<br />
haben, meinen, dieses Andere-in-den-Abgrund-Stoßen<br />
sei jetzt zur Abwechslung mal wieder fällig, dann ist<br />
das nicht dumm, sondern im Trump’schen Sinne geisteskrank.<br />
Eine demokratische Partei, die die Demokratie<br />
abschaffen will? So was könnt auch nur Ihr glauben. Ein<br />
Ihrglauben quasi, schönes Wortspiel, gell? Im Ernst: Wer<br />
Faschisten für demokratisch hält, der glaubt auch eine<br />
Löwin zu sehen, wenn ich nur im Wald wühle.<br />
Und da schließt sich dann Ihrer Meinung nach der<br />
Kreis?<br />
Der Kreislauf des Wahnsinns, ja. Ihr sagt ja selbst, dass<br />
Ihr eine Ampel als Regierung habt, also eine Art Lichtorgel,<br />
die permanent zwischen „Stopp“, „Weißnichtsorecht“<br />
und „Jetztfahrhaltdudepp“ herummäandert, mit einem<br />
Chef, dessen runtergeleierte Phrasen so klingen, als<br />
lese er Glückskekszettel vor. Genießt von mir aus dieses<br />
Kasperletheater, solange Ihr das noch könnt. Oder macht<br />
es wenigstens ein bisschen besser – dann wenden sich<br />
hoffentlich viele von Euch Algorithmussklaven wieder<br />
von dieser Von-Wegen-Alternative im demokratischen<br />
Schafspelz ab.<br />
Arne Bicker<br />
(Mitglied der Lesebühne "Die Glyphenreiter")<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 15
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FREIeBÜRGER 01 | 2024 17
STIGMA PSYCHISCHE ERKRANKUNG<br />
Allerweltskrankheit und trotzdem ein Tabu<br />
Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit, nehmen<br />
immer weiter zu und dennoch wird wenig oder nur<br />
ungern darüber gesprochen. Laut der Deutschen Gesellschaft<br />
für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik<br />
und Nervenheilkunde (DGPPN) sind in Deutschland jährlich<br />
etwa 27,8 Prozent der Erwachsenen von einer psychischen<br />
Erkrankung betroffen. Das entspricht 17,8 Millionen<br />
Menschen.<br />
Vergleicht man die genannten Zahlen mit den häufigsten<br />
somatischen Erkrankungen in Deutschland, wie<br />
Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen, wird deutlich,<br />
dass psychische Erkrankungen zu den häufigsten Leiden<br />
in Deutschland zählen. Trotzdem sprechen viele<br />
Menschen lieber über ihr körperliches statt ihr seelisches<br />
Wohlbefinden. Jeder Dritte erkrankt im Laufe seines<br />
Lebens einmal an der Psyche – was häufig nicht weniger<br />
belastend ist als eine körperliche Erkrankung. Seele und<br />
Körper beeinflussen sich gegenseitig und beide Anteile<br />
sind gleich relevant für ein ganzheitliches Wohlbefinden.<br />
Dennoch sind Betroffene nach wie vor Vorurteilen ausgesetzt.<br />
Für viele von ihnen ist die Stigmatisierung genauso<br />
schlimm wie ihre Erkrankung. Sie haben somit nicht nur<br />
mit der eigentlichen Krankheit zu kämpfen, sondern<br />
auch mit den sozialen Folgen, die wiederum die Erkrankung<br />
negativ beeinflussen können. Sie geraten dann oft<br />
in eine Abwärtsspirale, die ihnen den Umgang mit der<br />
Erkrankung und die Therapie erschwert. Denn die Angst<br />
18<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Geschäft gedacht, obwohl er sich Mühe gab, sie zu verstehen.<br />
Sie fühlte sich dennoch wenig verstanden und hatte<br />
das Gefühl, er glaubte ihr nicht. „Ich sah aus wie immer,<br />
und plötzlich war ich nicht mehr in der Lage, wenigstens<br />
Bücher in Geschenkpapier zu wickeln. Das hat er nicht<br />
begreifen können.“ Als Kaia einem damaligen Freund<br />
ihre Selbstverletzung anvertraute, antwortete er, dass sie<br />
doch einfach damit aufhören solle. Er habe nicht verstanden,<br />
was dahintersteckt, und habe sich auch keine große<br />
Mühe gegeben, das zu erfahren. Sie verlor immer mehr<br />
an Gewicht. Als das auffiel, musste sie sich Sätze anhören<br />
wie: „Iss doch einfach was!“ Ihr Freund sagte ihr sogar, er<br />
würde sie weniger hübsch finden, da sie jetzt so dünn sei.<br />
„Mir wurde auch vorgeworfen, dass ich gar keinen richtigen<br />
Grund hätte, krank zu sein. Weil es kein megadramatisches<br />
Ereignis in meinem Leben gab, hatte ich für<br />
andere sozusagen kein Recht auf eine Depression.“ Auch<br />
Sätze wie „Nimm dir einfach mal eine kleine Auszeit“<br />
oder „Sicher, dass es eine richtige Depression ist?“ musste<br />
sich Kaia öfter anhören. Solche Reaktionen gaben ihr<br />
das Gefühl, dass sie falsch war, so wie sie war, obwohl sie<br />
in diesen Momenten nicht anders konnte. „Solche Sprüche<br />
helfen einem kein bisschen dabei, wieder gesund zu<br />
werden. Im Gegenteil, dadurch fühlt man sich erst recht<br />
alleine gelassen.“ Kaia fühlte sich dadurch noch schlechter<br />
und ihr fiel es zunehmend schwer, sich zu öffnen,<br />
was es wiederum für andere schwieriger machte, sie zu<br />
unterstützen. „Stigmatisierungen sorgen dafür, dass<br />
solche Themen weiterhin ein Tabu bleiben und auch kein<br />
Verständnis entwickelt werden kann“, so Kaia.<br />
Fpto: Pixabay<br />
vor einer Stigmatisierung erhöht die Hemmschwelle, sich<br />
professionelle Unterstützung zu suchen. Obwohl in der<br />
Gesellschaft ein Umdenken eingesetzt und sich das Bild<br />
mittlerweile etwas geändert hat, passen Erkrankte nicht<br />
zu den üblichen Vorstellungen von unserer Leistungsgesellschaft.<br />
Es fehlt immer noch das Verständnis dafür,<br />
dass es sich bei psychischen Erkrankungen um mehr als<br />
eine „üble Laune“ oder Macke handelt.<br />
UNVERSTÄNDNIS SELBST BEI NAHESTEHENDEN<br />
Kaia ist 26 Jahre alt und leidet an Depressionen, selbstverletzendem<br />
Verhalten und einer Essstörung. Einige<br />
Menschen gehen mit ihrer Symptomatik unsensibel um.<br />
Sie fühlt sich missverstanden, nicht ernst genommen und<br />
herabgesetzt. So habe ihr Chef ihre Erkrankungen erst<br />
bemerkt, als wegen der Antidepressiva heftige Nebenwirkungen<br />
auftraten. Erst dann sei ihr psychischer Zustand<br />
zur Sprache gekommen. Ihr Chef habe hauptsächlich ans<br />
ÜBERFORDERT VON „UNSICHTBAREN“ ERKRANKUNGEN<br />
Sie vermutet, dass viele Menschen überfordert sind, da<br />
sie nicht wissen, womit sie es zu tun haben. Psychische<br />
Erkrankungen seien komplex und hätten viele Gesichter.<br />
Insbesondere für Außenstehende sei das ein unbekanntes<br />
Gebiet. Den Menschen würde es an Wissen fehlen und<br />
sie könnten selbst nicht richtig nachempfinden, da es im<br />
Gegensatz zu einem gebrochenen Bein nichts Offensichtliches<br />
gibt und die Krankheit somit schwerer zu begreifen<br />
sei. Zudem werde Schwäche in unserer Leistungsgesellschaft<br />
nicht gerne gesehen. Wer psychisch labil sei, sei als<br />
Arbeitskraft zu riskant und nicht zu gebrauchen. „Es ist<br />
also ein Teufelskreis“, erklärt sie. „Die meinen es wahrscheinlich<br />
gar nicht böse und wissen es wirklich nicht<br />
besser. Manche haben vermutlich auch Angst davor, sich<br />
näher damit auseinanderzusetzen, denn dann könnten<br />
sie auch bei sich oder nahestehenden Personen psychische<br />
Probleme vermuten, die sich momentan noch gut<br />
leugnen lassen.“<br />
Kaia wünscht sich mehr Werbung und offen kommunizierte<br />
Angebote für Psychotherapien und ähnliches. Es<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 19
Betroffenen zu einem erhöhten Suizidrisiko führen.<br />
Mareike erlebte Ähnliches. Sie ist 32 Jahre alt und erkrankte<br />
an Schizophrenie. Sie erzählt, Freunde und<br />
Familie haben sich teilweise aus Scham, Angst oder auch<br />
Überforderung von ihr abgewandt. „Beim Sport oder in<br />
der Schule wurde ich teilweise ausgegrenzt oder sogar<br />
gemobbt“, erinnert sie sich. Vor allem Menschen, die ihr<br />
nicht nahestanden, hatten Angst vor ihr, und wegen des<br />
mangelnden Wissens in der Gesellschaft war sie überall,<br />
wo sie hinkam, nur „die Verrückte“. Deswegen falle es ihr<br />
unheimlich schwer, Menschen zu vertrauen und sich anderen<br />
gegenüber zu öffnen. Sie habe sich deswegen auch<br />
eine Zeit lang zurückgezogen.<br />
Fpto: Pixabay<br />
würde ständig für Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen<br />
geworben werden, also wieso nicht auch dafür?<br />
Auch realistische Darstellungen in Filmen und Büchern,<br />
allgemein mehr Präsenz im Alltag und Aufklärung in<br />
Schulen würden ihrer Meinung nach einen angemesseneren<br />
Umgang in der Gesellschaft bewirken. Instagram<br />
solle endlich aufhören, wahllos alles zu blockieren, was<br />
mit Selbstverletzung, Depressionen und so weiter zu tun<br />
hat. Versicherungen, Arbeitgeber und andere Beteiligte<br />
sollten ebenfalls differenzierter herangehen und nicht<br />
kategorisch jeden mit entsprechender Vorgeschichte<br />
ausschließen. „Und wenn Betroffene trotzdem mutig sind<br />
und offen damit umgehen, wäre das natürlich auch schön<br />
und hilfreich.“<br />
„Ich glaube, den Menschen fehlen die Erfahrung, das<br />
Verständnis, die Empathie und vielleicht sogar der Wille,<br />
es zu verstehen.“ Sie habe auch manchmal das Gefühl<br />
gehabt, einige dachten, sie sei selbst schuld an ihrer<br />
Erkrankung. Auch ihren Job habe Mareike häufig freiwillig<br />
gewechselt oder ihr wurde gekündigt, da sie der von<br />
ihr erwarteten Leistung oft nicht gerecht werden konnte,<br />
was sich wiederum auf ihren Lebenslauf und sogar auf<br />
die Wohnungssuche auswirkte. Dabei wisse sie, wie gut<br />
ihr die Arbeit tut und wie wichtig sie für den Verlauf ihrer<br />
Krankheit ist, denn sie ermöglicht ihr Struktur und Zugehörigkeit.<br />
„Meine Erkrankung macht mich in vielen Hinsichten<br />
einsam, sie wirkt sich auf viele Bereiche meines<br />
Lebens aus und ich spüre wenig Sicherheit und Stabilität“,<br />
erklärt sie.<br />
Daria Kratkai<br />
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Trott-war /<br />
International Network of Street Papers<br />
In eigener Sache<br />
SCHIZOPHREN HEISST NICHT VERRÜCKT<br />
Schizophrenie zählt zu den am meisten stigmatisierten<br />
psychischen Erkrankungen. Im Vergleich zu Depressionen<br />
gibt es weniger, die an Schizophrenie erkranken. Dementsprechend<br />
mangelt es in der Gesellschaft noch mehr an<br />
Informationen über das Krankheitsbild. Laut einer Studie<br />
lehnt fast ein Drittel der Befragten einen an Schizophrenie<br />
erkrankten Nachbarn ab. Je näher die Befragten den<br />
Erkrankten auf sozialer Ebene kommen sollten, desto höher<br />
fiel die Ablehnungsquote aus (bis 80 Prozent). Denn<br />
Betroffene werden oft als gewalttätig und unberechenbar<br />
eingestuft. Dabei ist das Risiko, dass sie selbst angegriffen<br />
werden, höher, als von ihnen angegriffen zu werden. Klischees,<br />
die in vielen Filmen mit der Hoffnung auf höhere<br />
Einschaltquoten überspitzt dargestellt werden, könnten<br />
zu diesem Vorurteil beitragen. Dabei kann allein das<br />
Gefühl der Ausgrenzung und Stigmatisierung bei den<br />
20<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
MITMACHSEITE<br />
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Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 21
GELD, GELD, KALT GESTELLT<br />
Mein Leben mit Schulden<br />
Foto: Myriams-Fotos / Pixabay<br />
Zum Stichtag 1. Oktober 2023 wurde für Deutschland eine<br />
Überschuldungsquote von rund 8,15 Prozent gemessen.<br />
Bedeutet, dass etwa 5,85 Millionen BürgerInnen über 18<br />
Jahren verschuldet sind und anhaltende Zahlungsstörungen<br />
aufweisen. Die Altersgruppe mit der höchsten<br />
Verschuldung sind die 30- bis 39-jährigen. Dazu gehöre<br />
auch ich.<br />
Rückblickend bin ich selbst arg erschrocken, dass ich es<br />
überhaupt so weit kommen habe lassen. Dabei ist mir völlig<br />
bewusst, dass ich erstens niemals diesen verfluchten<br />
easyCredit hätte aufnehmen sollen, um meine unvergütete<br />
Ausbildung c, zweitens viel früher zur Schuldnerberatung<br />
hätte gehen müssen. Und drittens hätte ich auf gar<br />
keinem Fall einem Dispokredit zustimmen sollen, denn<br />
dieser hat mir finanziell den Rest gegeben. Zu letzterem<br />
komme ich noch.<br />
Die Ursachen für eine Überschuldung sind vielfältig und<br />
wie das Leben so spielen kann, oftmals unvorhersehbar.<br />
Ein Grund ist die unverhoffte und plötzliche Arbeitslosigkeit.<br />
Zu diesem sowieso schon unglücklichen und belastenden<br />
Umstand kommt dazu, dass das Arbeitslosengeld I<br />
nicht das volle Monatsgehalt ersetzt. Es sind 60 Prozent<br />
des Leistungsentgelts, das als Arbeitslosengeld pro Tag<br />
erhalten wird. Um Arbeitslosengeld I zu bekommen, muss<br />
man jedoch mindestens 12 Monate pflicht- oder freiwillig<br />
versichert gewesen sein. Im Internet findet sich auf der<br />
Homepage der Bundesagentur für Arbeit ein Selbstberechnungsprogramm<br />
für Arbeitslosengeld I. Monatliche<br />
Fixkosten können, je nach bereits vorhandenem finanziellen<br />
Status, nicht mehr gedeckt werden. Zu einer<br />
weiteren Ursache zählen Unfälle und Erkrankungen. Ab<br />
der 7. Woche nach der Krankschreibung wird nach Beantragung<br />
bei der Krankenkasse Krankengeld ausgezahlt.<br />
Das Krankengeld orientiert sich am Arbeitseinkommen<br />
der letzten zwölf Kalendermonate und beträgt davon 70<br />
Prozent. Weitere Gründe für den Weg in eine finanzielle<br />
Schieflage sind unwirtschaftliche Haushaltsführung,<br />
sowie Ehescheidungen und Trennung vom Partner. Hier<br />
können Unterhaltszahlungen, gemeinsam abgeschlossene<br />
Kredite und auch juristische Auseinandersetzungen zu<br />
einem wirtschaftlichen Ruin führen.<br />
Während meines Anerkennungspraktikums als Medizinische<br />
Masseurin in Nordfriesland hatte ich das große Pech,<br />
22<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
dass mir der Arbeitgeber ausgerechnet das erste Gehalt<br />
zwei Wochen später wegen Problemen in der Personalabteilung<br />
ausbezahlte. Da ich laufende Kosten hatte, wie<br />
den easyCredit und eine saftige Stromnachzahlung, geriet<br />
ich in Panik. Meine damalige Bankberaterin riet mir zu<br />
einem Dispokredit, auch bekannt als Überziehungskredit.<br />
Das Geldinstitut schafft für ihre Kundschaft einen Spielraum,<br />
bei Bedarf mehr Geld auszugeben, als tatsächlich<br />
auf dem Konto liegt.<br />
Laut einer Untersuchung der Zeitschrift „Finanztest“<br />
verlangt die teuerste Bank Dispozinsen in Höhe von 14,75<br />
Prozent. Wer einen Monat lang 3.000 Euro des Dispokredits<br />
beansprucht, bezahlt dafür 37 Euro. In sechs Monaten<br />
sind das mehr als 200 Euro. Ein wahrer Teufelskreis<br />
für alle, die ohnehin schon in den Miesen oder finanziell<br />
knapp gestellt sind! Dazu kommt das richtig tückische,<br />
hinterhältige und verführerische Gefühl, genug Geld zu<br />
haben, obwohl das ja nicht der Fall ist. Der Geldautomat<br />
spuckt weiterhin brav Geldscheine aus. Ich gebe es ungern<br />
zu, aber ja, dieses Gefühl hatte ich damals auch. Mit<br />
dem desaströsen Ende, dass ich mein Girokonto mit 1.200<br />
Euro überzogen hatte!<br />
Wenn ich auf meine Zeit in Nordfriesland zurückschaue,<br />
weiß ich, dass ich mich hätte unbedingt nach einer Alternative<br />
zum Dispokredit informieren müssen. Eine Möglichkeit<br />
ist zum Beispiel ein Rahmenkredit. Man macht<br />
einen Vertrag mit seinem Geldinstitut und muss nur die<br />
Zinsen zahlen für den Rahmen, den man gerade ausnutzt.<br />
Noch besser ist es, erst gar keinen Kredit aufzunehmen.<br />
Zwar versuchte ich mit einem Minijob während meines<br />
Anerkennungspraktikums der drohenden finanziellen<br />
Pleite entgegenzusteuern, doch nach Rückkehr in meine<br />
Heimat hatte ich bereits um die 7.000 Euro Schulden.<br />
Dass ich nicht sofort eine Arbeitsstelle fand und in einer<br />
Wohnungslosenunterkunft wohnte, machte alles noch<br />
schwieriger für mich.<br />
Als ich nach zwei Monaten endlich wieder einen Arbeitsplatz<br />
gefunden hatte, hatte ich erneut das Pech, dass der<br />
Arbeitgeber wiederkehrende Probleme mit der Lohnabrechnung<br />
hatte, was auch meine KollegInnen betraf. Ich<br />
kam ich immer tiefer in die Misere. Als Nachschlag kam<br />
es fast monatlich zu Auszahlungsverzögerungen meines<br />
zusätzlichen Bürgergeldes vom Jobcenter.<br />
Ich häufte ordentliche Rückstände bei Bezahlung der<br />
Wohnungslosenunterkunft an und konnte dazu eine<br />
hohe Krankenhausrechnung, da ich von der gesetzlichen<br />
Zuzahlung noch nicht befreit gewesen war, nicht auf einmal<br />
begleichen. Von meinem Gehalt, Mindestlohn, und<br />
dem zusätzlichen Bürgergeld zahlte ich meine ganzen<br />
Raten ab. Zum Leben blieb mir kaum etwas übrig und ich<br />
hatte so gut wie jeden Monat bereits in der Monatsmitte<br />
kein Geld mehr, um mir Lebensmittel kaufen zu können.<br />
Freunde und Bekannte leiteten mir hilfsbereit Geld. Ich<br />
bekam zweimal Lebensmittelgutscheine von der Caritas.<br />
Für mich ging das so absolut nicht mehr weiter. Ich litt<br />
deswegen still und schämte mich abgrundtief für meine<br />
finanzielle Notlage. So beschloss ich, endlich zur örtlichen<br />
Schuldnerberatung zu gehen und mich beraten und mir<br />
helfen zu lassen.<br />
In Deutschland gibt es rund 1.380 anerkannte Schuldnerberatungsstellen.<br />
Dort können sich Betroffene kostenlos<br />
beraten lassen. Träger der Einrichtungen sind meist<br />
gemeinnützige Organisationen wie Caritas, Diakonie,<br />
Deutsches Rotes Kreuz oder Arbeiterwohlfahrt.<br />
Die SchuldnerberaterInnen sind professionell ausgebildet<br />
und aus diversen Bereichen, von Sozialarbeit über Bankwesen<br />
bis Rechtswissenschaft.<br />
Meine Schuldnerberaterin ist äußert freundlich, geduldig<br />
und empathisch. Bei meinem ersten Termin erstellte sie<br />
mit mir eine Übersicht von meinen Ein- und <strong>Ausgabe</strong>n.<br />
Kompetent und ohne jegliche Vorwürfe, denn darum geht<br />
es bei einer Schuldnerberatung definitiv nicht! Danach<br />
sagte sie zu mir, dass, was ich bereits befürchtet hatte, bei<br />
mir nur noch eine Privatinsolvenz infrage kommt. Oder<br />
ich so weitermache wie bisher.<br />
Nach der Insolvenzrechtsreform im Jahr 2014 beträgt die<br />
Dauer einer Privatinsolvenz aktuell drei Jahre. Der zu<br />
pfändende Betrag wird an das Nettoeinkommen angepasst.<br />
Die Pfändungstabelle wird jährlich aktualisiert.<br />
Momentan kann erst ab einem monatlichen Nettoeinkommen<br />
von 1.402,28 Euro gepfändet werden. Eine InsolvenzverwalterIn<br />
verwaltet und vertritt das Vermögen des<br />
Gemeinschuldners dabei.<br />
Für mich war es eine arg schwierige Entscheidung und<br />
ich habe mehrere Monate gebraucht, um mich für eine<br />
Privatinsolvenz zu entscheiden. Ich weiß, dass ich eventuell<br />
für die nächsten drei Jahre weiter in einer Wohnungslosenunterkunft<br />
leben muss und ich in der Zeit auf<br />
einiges verzichten muss. Über meine finanzielle Pleite zu<br />
reden fällt mir sehr schwer und ich fange dann aus tiefer<br />
Scham, Wut und auch Trauer öfters an zu weinen.<br />
Die Aussicht, in drei Jahren, mit Mitte dreißig, wirtschaftlich<br />
nochmal komplett neu anfangen zu können, schenkt<br />
mir dabei ein wenig Zuversicht.<br />
Rose Blue
Sonntagstreffs<br />
im <strong>Januar</strong> 2024<br />
Engagiert für<br />
wohnungslose Menschen<br />
07.01.2024<br />
13 Uhr<br />
Kath.Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit<br />
Hansjakobstraße 88a<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Littenweiler<br />
Haltestelle Hasemannstraße<br />
21.01.2024<br />
12:30 Uhr<br />
Collegium Borromaeum (CB)<br />
Schoferstraße 1<br />
Straßenbahnlinien 1,2,3,4 bis Bertoldsbrunnen<br />
oder Straßenbahnlinie 1 bis Oberlinden<br />
VERKÄUFER ALTAN<br />
Foto: E. Peters<br />
28.01.2024<br />
12:30 Uhr<br />
Kath.Gemeinde Petrus Canisius<br />
In Landwasser im Pfarrsaal hinter der Kirche<br />
Auwaldstraße 94<br />
Straßenbahnlinie 1 Richtung Landwasser<br />
Haltestelle Diakoniekrankenhaus<br />
Anzeige<br />
Ich heiße Altan und bin in Mannheim geboren, in Freiburg<br />
aufgewachsen und lebe in Riegel bei Freiburg in<br />
meiner kleinen Wohnung. Was bin ich froh, gerade zu<br />
dieser kalten Jahreszeit, meinen eigenen Rückzugsort zu<br />
haben.<br />
Zusätzlich zu meinem Mini-Montagejob bei der Caritas,<br />
verkaufe ich seit Mitte November wieder den FREIeBÜR-<br />
GER. Verkauft hatte ich schon mal von 2014 bis 2016. Jeden<br />
Freitag und Samstag von 10 bis 17 Uhr stehe ich entweder<br />
vor dem DM-Drogeriemarkt in der Kajo oder vor dem<br />
REWE in der Talstraße. Das Verkaufen macht mir viel Spaß<br />
und ich freue mich immer, wenn mich nette Leute zusätzlich<br />
zum Zeitungskauf auf einen Kaffee oder ein belegtes<br />
Brötchen einladen, oder Interesse an meiner Person<br />
zeigen und mit mir ein Gespräch anfangen. In meiner<br />
Freizeit verbringe ich sehr gerne viel Zeit mit meiner<br />
Freundin. Mal gehen wir ins Kino oder gerne auch mal<br />
essen, je nachdem wie unser Geldbeutel zulässt. Durch<br />
den Verkauf der Freiburger Straßenzeitung ist das ab und<br />
zu mal drin.<br />
JANUAR 2024<br />
DYKE DISKO – EINE FLINTA* FEIEREI +<br />
FINISSAGE ´DUALITY OF GIRL´<br />
FR, 5. I 21 H I FLINTA* ONLY DISKO<br />
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SOLI-JUBILÄUMSPARTY DES IZ3W<br />
FR, 12. I 21 H I BÜHNENGESPRÄCH, DJS<br />
GRÁNÁTÈZE + HALFSILKS<br />
DO, 18. I 20 H I SYNTH POP, POST PUNK, GARAGE<br />
OFF BEAT SLOW CLUB #4 W/ BIODUB +<br />
JAH SCHULZ (LIVE) + FUNKENSCHLEUDER<br />
FR, 19. I 21 H I DUB, DIGITAL DUB, OFF BEATS, DUB TECHNO<br />
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner<br />
Stammkundschaft bedanken. Ich wünsche Ihnen allen ein<br />
gesundes neues Jahr! Bleiben Sie gesund und wir sehen<br />
uns bestimmt ganz bald...<br />
Ihr Altan<br />
VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />
HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />
WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />
24<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Anzeige<br />
Anne Reyers<br />
Felix Beuter<br />
Günter Rausch<br />
Lina Wiemer-Cialowicz<br />
Gregor Mohlberg<br />
Emriye Gül<br />
Irene Vogel<br />
Gemeinderats-Rückblick 2023<br />
Erfolgreich waren wir u.a. mit diesen Forderungen:<br />
• Verbesserter Freiburg-Pass mit sozialen Vergünstigungen -<br />
jetzt auch für Empfänger:innen von Wohngeld • ÖPNV-<br />
Sozialticket für 29 Euro als Deutschlandticket • Einrichtung<br />
einer unabhängigen Ombudsstelle beim Jobcenter<br />
• Rücknahme von Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich<br />
• Umfassende Schutzkonzepte gegen Gewalt an Frauen*<br />
und Kindern • Konzept für ein queeres Jugendzentrum<br />
• Tägliche Öffnung der Toiletten am Stühlinger Kirchplatz<br />
• Erstellung eines sozio-kulturellen Gesamtkonzepts „Stühlinger<br />
Kirchplatz“ • Ausbau der Fuß- und Radwege sowie des Radnetzes<br />
in die Ortschaften • Mehr Car-Sharing-Angebote in den<br />
Ortschaften • Mehr Barrierefreiheit im Colombi-Park und am<br />
Opfinger See • Günstiger Sozialtarif im Eugen-Keidelbad und<br />
Einführung eines Feierabendtarifs in den Freiburger Schwimmbädern<br />
im Jahr 2024<br />
Klar abgelehnt haben wir:<br />
• Erhöhung der Kitagebühren • Erhöhung der Abfallgebühren<br />
• Erhöhung der Schwimm-badpreise • eine zu umfangreiche<br />
Waldrodung im neuen Stadtteil Dietenbach • den städtischen<br />
Haushalt ohne eine Erhöhung der Gewerbesteuer • aktuelle<br />
Mieterhöhungen bei der Stadtbau • eine Stadttunnelplanung<br />
ohne Alternativen „für ein Leben vor dem Tunnel“<br />
Alle unsere Positionen, Anträge und Initiativen finden<br />
sich auch unter 1 www.eine-stadt-fuer-alle.de<br />
Linke Liste<br />
Grüne Alternative<br />
Unabhängige Frauen<br />
...sind zusammen:<br />
Wir sind EINE STADT FÜR ALLE<br />
Die Fraktionsgemeinschaft EINE<br />
STADT FÜR ALLE ist mit 7 von 48<br />
Gemeinderät:innen im Gemeinderat<br />
vertreten.<br />
Sie setzt sich zusammen aus der<br />
Linken Liste (Gregor Mohlberg,<br />
Anne Reyers, Günter Rausch), der<br />
Grünen Alternativen (Lina Wiemer-<br />
Cialowicz, Felix Beuter, Emriye Gül)<br />
und den Unabhängigen Frauen<br />
(Irene Vogel).<br />
Zentral für unsere Fraktion sind sozial-<br />
und mietenpolitische Themen,<br />
Ökologie und Klimaschutz und die<br />
Gleichstellung der Geschlechter.<br />
Obwohl wir über keine sicheren<br />
Mehrheiten im Gemeinderat verfügen<br />
und bei sozialen Themen oft alleine<br />
stehen, haben wir in der Rückschau<br />
auf das Jahr 2023 einiges<br />
erreichen können und klar Position<br />
bezogen für mehr Solidarität und<br />
gegen immer weiter steigende Gebühren<br />
und Lebenshaltungskosten<br />
für die Bürger:innen.<br />
Herzlicher Neujahrsgruß<br />
Unsere Fraktionsgemeinschaft<br />
wünscht allen Freiburger:innen<br />
schöne Feiertage und einen guten<br />
Start ins neue Jahr, auf dass es<br />
hoffentlich wieder friedlicher und<br />
weniger belastend wird.<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 25
und gründete schließlich den Verein „HiK – Heimatlos in<br />
Köln“. Sie widmet ihre Erfahrung und Kraft obdachlosen<br />
Frauen und mischt sich energisch für deren Belange ein.<br />
Steffen lebt nach dem Motto „Der Genügsame ist reich!“.<br />
Er ist ein Weltenbummler, der als junger Mann im brasilianischen<br />
Amazonas lebte. Nach seiner Rückkehr reiste<br />
er mit dem Fahrrad durch Deutschland und lebt ohne<br />
staatliche Unterstützung vom Flaschensammeln und den<br />
Lebensmitteln, die von Supermärkten entsorgt werden.<br />
Obdachlos war auch der von Abschiebung bedrohte<br />
Geflüchtete irgendwo aus Afrika, der schwer traumatisiert<br />
durch seine Haft im libyschen Folter-Gefängnis und<br />
die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer in Italien<br />
auf der Straße landete und nun in Deutschland in einer<br />
Asylbewerberunterkunft wohnen muss.<br />
„Deutschland ohne Dach“<br />
Rowohlt Taschenbuch<br />
ISBN 978-3-499-01140-5<br />
288 Seiten| 13 €<br />
DEUTSCHLAND OHNE DACH<br />
Buchbesprechung von utasch<br />
Vor fünf Jahren wurde die Autobiographie eines Obdachlosen<br />
„Kein Dach über dem Leben“ von Richard Brox veröffentlicht.<br />
Das Buch wurde zu einem Bestseller und führte<br />
zu großem medialem Interesse. Nun erschien von Richard<br />
Brox in Zusammenarbeit mit Sylvia Rizvi und Albrecht<br />
Kieser „Deutschland ohne Dach“, in dem es erneut um<br />
das brisante Thema der Wohnungs- und Obdachlosigkeit<br />
geht.<br />
„Heimatverlorene Geschöpfe“ nennt Richard Brox die<br />
Menschen ohne sicheres Obdach. Je nach Quelle gibt es<br />
in Deutschland zwischen 300.000 und 600.000 Wohnungslose,<br />
von denen rund 45.000 als Obdachlose auf<br />
der Straße leben. Einige dieser Menschen wurden für das<br />
Buch interviewt. Sie berichten von ihrem Leben auf der<br />
Straße und den täglichen Herausforderungen. Sämtliche<br />
Klischees über „typische“ Obdachlose macht das Buch<br />
zunichte, denn alle haben ihre eigene Geschichte, die sie<br />
zu einzigartigen Persönlichkeiten macht.<br />
Linda aus Köln war sechs Jahre wohnungslos und übernachtete<br />
oft auf einem Friedhof beim Grab ihrer Großmutter,<br />
bevor sie für drei Jahre im betreuten Wohnen<br />
Zuflucht fand, was sie als entwürdigend und bevormundend<br />
beschreibt. Linda machte eine Ausbildung zur Genesungsbegleiterin,<br />
schrieb für die Kölner Straßenzeitung<br />
Markus war in seinem früheren Leben ein Unternehmer<br />
mit 30 Beschäftigten. Nach einem Schicksalsschlag brach<br />
alles zusammen und er machte sich mit dem Fahrrad ziellos<br />
auf den Weg. Er sei durch eine hilfsbereite Menschenlandschaft<br />
gefahren, berichtet er. Doch durch einen Unfall<br />
zertrümmerte Rückenwirbel und einige Knieoperationen<br />
zwangen ihn, sein Vagabundenleben aufzugeben.<br />
Eine Roma-Familie erzählt von ihrem unwürdigen Leben<br />
in der Slowakei und dem Betteln auf deutschen Straßen.<br />
Inzwischen lebt die sechsköpfige Familie in einer Zweizimmerwohnung.<br />
Die Mutter arbeitet als Pflegeassistentin,<br />
der Vater als Reinigungskraft. Das sei besser als alles,<br />
was in der Slowakei jemals möglich gewesen wäre, sagen<br />
sie.<br />
Wulf ist einer, den es eigentlich nicht gibt, weil er keine<br />
Ausweispapiere hat und zu keiner Behörde geht. Seit sieben<br />
Jahren lebt er in einem Seiteneingang der Kirche am<br />
Mariannenplatz in Berlin. Wulf war Biologielehrer und<br />
Manager für Tagungen und Konferenzen. Nun ist er ein<br />
religiöser Einsiedler, der sich an dem Gärtchen erfreut,<br />
das er auf dem Rasen vor der Kirche angelegt hat.<br />
„Deutschland ohne Dach“ ist erheblich weniger deprimierend<br />
als erwartet. Die Menschen, die in diesem Buch zu<br />
Wort kommen, sind mehr als nur Opfer widriger Umstände.<br />
Sie sind freiheitsliebende und eigensinnige, kluge<br />
und engagierte, reflektierte und selbstbewusste MitbürgerInnen.<br />
Sie haben viel gelernt in der harten Schule des<br />
Lebens jenseits von Sicherheit und Geborgenheit. Und sie<br />
sind dazu bereit, unsere Gesellschaft mit Rat und Tat zu<br />
bereichern. Wenn wir sie denn lassen und die dafür notwendigen<br />
Voraussetzungen schaffen. Durch Housing First<br />
können Obdach- und Wohnungslosigkeit überwunden<br />
und das Recht auf ein Leben in Würde erreicht werden.<br />
Aber das Recht auf Nichtwohnung und selbstbestimmtes<br />
Vagabundieren sollte ebenso gewährleistet sein.<br />
26<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
WIRSING-CANNELLONI<br />
Foto: E. Peters<br />
Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />
Cannelloni mal vegetarisch? Klar, kann man gut machen,<br />
es muss ja nicht immer Pasta-Cannelloni aus Hartweizengrieß<br />
sein. Wirsing-Cannelloni mit einer herzhaften<br />
Kürbis-Feta-Füllung, das hört sich doch lecker an. Besonders<br />
in der kalten Jahreszeit freut sich der Körper über<br />
die vielfältigen Inhaltsstoffe der grünen Wirsingblätter:<br />
Wirsing stärkt das Immunsystem und ist der Kohl mit der<br />
höchsten antibakteriellen Wirkung. Wer hat die Cannelloni<br />
erfunden? Es war der Koch Nicola Federico, der 1907<br />
in der Küstenstadt Sorrent die Cannelloni erfand. Sorrent<br />
ist ein malerisches Küstenstädtchen an der Bucht von<br />
Neapel. Der italienische Klassiker Cannelloni zählt zu den<br />
beliebtesten Pastagerichten. Cannelloni werden in Italien<br />
als Pasta al forno (im Ofen gebacken) und Pasta ripieni<br />
(gefüllt) bezeichnet, und mit einer herzhaften oder süßen<br />
Füllung zubereitet.<br />
Zutaten für 4 Personen:<br />
8 große Wirsingblätter, 1 Butternut-Kürbis (ca. 550 g),<br />
1 Dose gewürfelte Tomaten (400 g), 200 g Schafskäse,<br />
50 g Pekannusskerne oder Walnusskerne, 30 g Parmesan,<br />
3 getrocknete Tomaten (in Öl eingelegt), 1 kleine Zwiebel,<br />
1 Ei, 1 EL Olivenöl, Salz & Pfeffer<br />
Zubereitung:<br />
Parmesan und Pekannüsse fein hacken und in eine kleine<br />
Schüssel geben. Die Wirsingblätter waschen, putzen,<br />
den Mittelstrunk entfernen und die Blätter in kochendem<br />
Salzwasser 3 Minuten blanchieren. Den Kürbis vierteln,<br />
entkernen, schälen und in ca. 4 cm große Würfel schneiden.<br />
500 ml Wasser mit 5 g Salz in einem Topf aufkochen<br />
und die Kürbiswürfel darin 20 Min. kochen, bis sie gar<br />
sind, anschließend die Kürbiswürfel in eine Schüssel geben.<br />
Die Zwiebel und die getrockneten Tomaten in kleine<br />
Würfel schneiden und beides in einen kleinen Topf geben.<br />
Die gewürfelten Tomaten, das Olivenöl und eine Prise Salz<br />
& Pfeffer dazugeben und alles 7 Min. auf kleiner Stufe<br />
aufköcheln lassen. Jetzt die Kürbiswürfel mit einer Gabel<br />
zerdrücken, den Schafskäse reinbröseln, das Ei dazugeben<br />
und alles mit einer kräftigen Prise Salz & Pfeffer gut<br />
vermischen. Backofen auf 200 °C vorheizen. Je 2-3 gehäufte<br />
EL Kürbismasse über die gesamte Breite auf das untere<br />
Blattdrittel eines Wirsingblattes geben, aufrollen und<br />
in eine Auflaufform legen. Dann die Tomatensauce über<br />
die Cannelloni gießen und ca. 20 Min. überbacken. Nach<br />
10 Min. Backzeit die Käse-Nussmischung darüberstreuen<br />
und die fertigen Cannelloni sofort servieren.<br />
Guten Appetit!<br />
Oliver & Ekki<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 27
Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />
so, die Weihnachtsfeiertage sind (endlich) vorbei, Silvester<br />
ist auch überstanden und wir schreiben schon wieder ein<br />
neues Jahr. Deshalb zuerst einmal ein frohes neues Jahr<br />
Euch allen und ich hoffe, Ihr habt die ganze Feierei gesund<br />
und munter überstanden!<br />
Der Fußball macht ja noch ein paar Tage Urlaub und so<br />
werde ich halt mit dem Wintersport beginnen. Das ist gerade<br />
aktueller und interessanter, auch wenn hier nicht<br />
wirklich viel an Winter erinnert. Na gut, ich brauche das<br />
auch nicht unbedingt! Beim letzten Mal habe ich ja ganz<br />
erstaunt darüber berichtet, wie toll die deutschen WinterathletInnen<br />
in die Saison gestartet sind. Das hat sich<br />
inzwischen ein wenig relativiert, aber erfolgreich sieht es<br />
immer noch aus. Vor allem die Skispringer stehen nach<br />
fast jedem Wettkampf auf dem Podium, meist sogar zu<br />
zweit, und so etwas hat es seit Jahren nicht gegeben. Am<br />
meisten überrascht mich die mannschaftliche Geschlossenheit<br />
der Jungs, denn von den sechs deutschen Springern<br />
sind auf jeden Fall fünf dabei, die in jedem Springen<br />
ein Anwärter auf die ersten Plätze sind. Das haben<br />
sonst eigentlich nur noch die Österreicher, weshalb die<br />
bisherigen Wettkämpfe auch oft auf eine deutsch-österreichische<br />
Meisterschaft hinausliefen. Mal darf ein Norweger<br />
oder ein Slowene oder evtl. auch ein Japaner vorn<br />
mit reinspringen, aber ansonsten befinden sich die Top<br />
Ten- Platzierungen im deutschsprachigen Raum! Der einzige<br />
Wermutstropfen ist der, dass der Führende im Weltcup<br />
mit Stefan Kraft ein Österreicher ist. Doch dass er<br />
zu schlagen ist, haben die deutschen Adler heuer schon<br />
dreimal bewiesen. Das passt natürlich glänzend zum Saisonhöhepunkt,<br />
der in ein paar Tagen beginnt. Die Vierschanzentournee,<br />
die in eben diesen beiden Ländern ausgetragen<br />
wird! Seit 2002 Sven Hannawald die Tournee<br />
mit dem ersten Grand Slam der Tourgeschichte überlegen<br />
gewann, wartet Deutschland auf einen neuen Tourneesieger.<br />
So eine lange Durststrecke hat es noch nie gegeben.<br />
Zwar war in den letzten Jahren mit Severin Freund,<br />
mit Karl Geiger und mit Markus Eisenbichler immer mal<br />
ein deutscher Springer vorn dabei, aber zu mehr als Platz<br />
zwei hat es nicht gereicht. Doch in diesem Jahr ist die<br />
Hoffnung so groß wie nie zuvor. Karl Geiger, der schon<br />
Tourneedritter wurde, ist eigentlich der routinierteste der<br />
deutschen Adler und hat dieses Jahr schon zwei Siege auf<br />
seinem Konto. Dann wäre Andreas Wellinger, der mehr<br />
als zwei Jahre an einem Kreuzbandriss litt und in diesem<br />
Jahr endlich wieder ganz vorn mitspringt. Er ist eigentlich<br />
der entspannteste von den deutschen Jungs, der war<br />
in jungen Jahren schon Olympiasieger und Weltmeister,<br />
der weiß, wie es geht. Mein Topfavorit aus der deutschen<br />
Springermannschaft ist aber der Älteste, Pius Paschke.<br />
Der ist zwar schon 34 Jahre alt und eigentlich erst seit ein<br />
paar Jahren fest im deutschen Team, aber in diesem Jahr<br />
will er es wirklich wissen. In den langen Jahren seiner Karriere<br />
stand der noch nie auf einem Siegerpodest, er war<br />
meist froh, wenn es mal in die Top Ten gereicht hat. In diesem<br />
Winter stand er bei fast allen Wettbewerben auf dem<br />
Podest! Doch damit nicht genug, am letzten Wochenende<br />
gewann er in Engelberg in der Schweiz dann auch noch<br />
sein erstes Weltcupspringen! Und das Beste ist, dem gelingt<br />
gerade jeder Sprung. Egal ob der Anlauf vor ihm verkürzt<br />
wird, ob es starken Wind gibt oder ob es gerade regnet,<br />
der fährt den Anlauf herunter und springt und landet<br />
ganz weit vorn. Unten angekommen sagt er den Reportern<br />
ein paar Sätze ins Mikrofon und schon ist er wieder<br />
weg. Alles entspannt und total unaufgeregt. Unglaublich!<br />
Ich glaube, wenn auf dem Schanzentisch beim Absprung<br />
noch ein Autogrammjäger sitzen würde, das würde ihm<br />
auch nicht so arg viel ausmachen!? Auf jeden Fall stehen<br />
die Chancen in diesem Jahr echt gut, dass mal wieder ein<br />
deutscher Skispringer den begehrten Pokal holt! Ich habe<br />
mir auf jeden Fall einen Platz auf meiner Fernsehcouch<br />
reserviert und werden mir das reinziehen.<br />
In der letzten <strong>Ausgabe</strong> hatte ich mich ja auch über die BiathletInnen<br />
und deren Saisonstart gefreut, das hat sich<br />
inzwischen ein wenig normalisiert. In den ersten Rennen<br />
standen bei den Männern immer gleich zwei oder drei<br />
Läufer ganz vorn im Ranking, jetzt ist es nur noch einer.<br />
Das liegt natürlich nicht unbedingt an den deutschen<br />
Sportlern, sondern auch daran, dass die Norweger so früh<br />
in der Saison noch nicht alles zeigen wollten. Das hat sich<br />
jetzt wieder eingerenkt und so gewinnen die wieder alle<br />
Rennen. Doch trotzdem sind die Männer schon jetzt erfolgreicher<br />
als in der gesamten letzten Saison. Die Frauen<br />
sind auch super gestartet, wurden dann aber eine nach<br />
der anderen von Krankheiten ausgebremst. Aber wenn<br />
die alle wieder fit sind, kommen die Siege bei den Mädels<br />
auch wieder!<br />
28<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
Foto: Srdjan Zivulovic / REUTERS<br />
Abb.: Mit 33 Jahren holte Pius Paschke seinen ersten Weltcup-Sieg, als der älteste Skispringer, dem das je gelang<br />
So, das war es für diesmal mit dem Wintersport, Fußball<br />
hat es ja auch noch gegeben. Doch das wirklich wichtige<br />
beim Fußball fand im Dezember nicht auf dem Rasen<br />
statt, sondern in irgendwelchen Zockerhöhlen oder an der<br />
Börse. Jetzt wurde nämlich der Fußball, den wir alle lieben<br />
und schätzen, endgültig verkauft! 24 von 36 Profivereinen<br />
im deutschen Fußball stimmten jetzt dafür, dass<br />
ein externer Investor mit einem Kapital von einer Milliarde<br />
Euro in die Vermarktung des deutschen Fußballs einsteigt.<br />
Also genau die 2/3 Mehrheit, die für den Deal erforderlich<br />
war. Als Erstes habe ich mich gefragt, warum es<br />
diese zweite Abstimmung überhaupt gab. Im Mai haben<br />
dieselben Leute zusammengesessen und über dieselbe<br />
Frage abgestimmt und da wurde der Vorschlag abgelehnt.<br />
Dabei hätte man es doch belassen müssen! Wenn<br />
es einen Bürgerentscheid gibt und der geht negativ aus,<br />
dann darf man doch auch nicht so oft abstimmen lassen,<br />
bis das Ergebnis passt! Aber da es um sehr viel Geld geht<br />
und die (meisten) Vereine und deren Fans dem DFB und<br />
der DFL völlig egal sind, macht man das eben so. Und nun<br />
stellt sich die DFL in ihren Erklärungen auch noch als der<br />
Retter des deutschen Fußballs hin. Man musste diesen<br />
Schritt gehen, um im Wettkampf mit den europäischen<br />
Ligen mithalten zu können, sagen die Geschäftsführer der<br />
DFL Marc Lenz und Stefan Merkel. Aber auf wessen Kosten?<br />
Haben die beiden sich mal die Eintrittspreise in England,<br />
Spanien oder Italien angeschaut? Auch die Preise<br />
fürs Bezahlfernsehen werden steigen, die Anbieter werden<br />
auch mehr und bald braucht der TV-Fußballfan zehn<br />
verschiedene Abos, um sich die Spiele ansehen zu können,<br />
die ihn interessieren! Inzwischen haben die Fans schon<br />
zu verschiedenen Protestaktionen in den Stadien aufgerufen.<br />
Ob die was bewirken, möchte ich bezweifeln. Der<br />
beste Protest gegen DFL und die Vereine wäre ein Boykott.<br />
Ich glaube, wenn in der gesamten Rückrunde die Stadien<br />
leer bleiben, dann wird man das ganze vielleicht noch mal<br />
überdenken!<br />
Gespielt wurde auch noch, aber das gibt es erst nächstes<br />
Mal. Nur soviel, Leverkusen ist tatsächlich noch Tabellenführer<br />
und somit Herbstmeister und der SC Freiburg steht<br />
im gesicherten Mittelfeld! Und Schalke steht auf einem<br />
herausragenden 14. Platz in der zweiten Liga!<br />
Für heute war es das mal wieder… Auf ein frohes 2024!<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 29
WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />
WORTSPIELRÄTSEL<br />
von Carina<br />
Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />
Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />
Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />
Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />
Miep-miep, Ihr flotten Feger!<br />
Auch wenn ich seit 25 Jahren keins mehr hab und viele demgegenüber auch nicht mehr so<br />
sonderlich freundlich eingestellt sind, geht es diesmal um etwas, das bestimmt viele trotz<br />
allem benötigen und vielleicht auch deshalb besitzen, wenn nicht aus Komfortgründen.<br />
Es fängt mit „AU“ an und hört mit „O“ auf und in der Mitte steht das „T“ für teuer! Man<br />
bezeichnet es als liebstes Kind der Deutschen und es geriet mal wieder in die Schlagzeilen.<br />
Einfach, oder? Es geht um das Thema: Auto. Ich wurde übrigens nicht von einem der<br />
namhaften Hersteller gesponsort, sondern mach das für umme. Viel Erfolg! ☺<br />
1. Grünanlagen-Untersagung<br />
2. Englisches Auto für einen englischen Polizisten<br />
3. Altmetall-Ort<br />
4. Schlechte Angewohnheit für einen Treibstoffbehälter<br />
5. Wärmequelle für einen Markttisch<br />
6. Austausch eines Speisefetts<br />
7. Fanggerät für ein Ortungsgerät<br />
8. Maximal gefüllter Brennstoff<br />
9. Auszeichnung für Sprit<br />
10. Vornehme Kleinstpartikel<br />
Lösungswort:<br />
Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />
1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />
Einsendeschluss:<br />
30. <strong>Januar</strong> 2024<br />
(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />
Jahreshauptgewinner 2023<br />
XXX<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
E-Mails nur mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift finden Sie<br />
im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />
Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />
Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Lösungswort der letzten <strong>Ausgabe</strong>: WINTERZAUBER<br />
bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />
1. WINTERSCHLAF 2. EISKRATZER<br />
3. BUDENZAUBER 4. LICHTERKETTE 5. GEFRIERPUNKT<br />
6. RAUREIF 7. HEIZPERIODE<br />
8. EISPICKEL 9. SKILIFT 10. ZIMTSTERN<br />
Gewonnen haben (aus XX korrekten Einsendungen):<br />
XXX<br />
XXX<br />
XXX<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />
30<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024
ÜBER UNS<br />
Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />
Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />
Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />
wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />
steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />
mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />
längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />
Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />
Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />
immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />
im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />
Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />
ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />
eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />
In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />
welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />
gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />
zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />
die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />
einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />
und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />
Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />
Presselandschaft bei.<br />
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />
Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />
MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />
VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />
Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />
hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />
strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />
können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />
unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />
Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />
aufzubessern. 1 € (Verkaufspreis 2,10 €) pro <strong>Ausgabe</strong> und das<br />
Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />
Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />
Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />
Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />
Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />
in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />
(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />
RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />
Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />
besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />
unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />
unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />
Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />
HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />
die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />
unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />
auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />
SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />
• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />
die Schaltung einer Werbeanzeige<br />
• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />
• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />
• durch Schreiben eines Artikels<br />
• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />
Sozialprojekt rühren<br />
Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />
auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />
anderen Menschen helfen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />
Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />
Titelbild: Katie Moum<br />
Layout: Ekkehard Peters<br />
An dieser <strong>Ausgabe</strong> haben mitgearbeitet:<br />
Carsten, Carina, Conny, Ekki, Karsten, Oliver, Recht<br />
auf Stadt, Rose Blue, utasch und Gastschreiber<br />
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />
Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />
Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />
Kontakt:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
Engelbergerstraße 3<br />
79106 Freiburg<br />
Tel.: 0761 / 319 65 25<br />
E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />
Website: www.frei-e-buerger.de<br />
Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 12 - 16 Uhr<br />
Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen<br />
Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />
die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />
und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder.<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />
01.02.2024<br />
1. und 2. Mittwoch im Monat um 14 Uhr:<br />
Öffentliche Redaktionssitzung<br />
FREIeBÜRGER 01 | 2024 31
Anzeige<br />
Aufnahme von Geflüchteten<br />
Freiburg sucht mal wieder nach mehr<br />
Plätzen für Flüchtlingsunterkünfte. Im BZ-<br />
Forum ereifert sich der rechte Mob und<br />
offenbart seine ganze Menschenfeindlichkeit.<br />
Nach dem Landeserstaufnahmelager in Freiburg<br />
soll nun offenbar auch in Waldkirch<br />
eine Erstaufnahme eingerichtet werden. In<br />
der aktuellen Zeit gerät teilweise in Vergessenheit,<br />
dass es auch aus humanitären Gesichtspunkten<br />
gute Gründe gibt, die Unterbringung<br />
von Schutzsuchenden in Massenunterkünften<br />
abzulehnen. Keine Privatsphäre,<br />
grundrechtlich höchst fragwürdige Zimmerkontrollen<br />
durch Securitys, keine Möglichkeit<br />
selber Essen zu machen und nach den<br />
jüngsten Gesetzesverschärfungen evtl. auch<br />
nochmal abgesenkte Leistungen und ein<br />
verstärkter Einsatz von entmündigenden<br />
Berufsverbote<br />
1972 setzte die Regierung unter Willy Brandt<br />
den Radikalenerlass durch. Daraufhin wurden<br />
Millionen Menschen im öffentlichen Dienst<br />
vom Verfassungsschutz auf "politische<br />
Zuverlässigkeit" überprüft. 11.000 offizielle<br />
Berufsverbotsverfahren hat es gegeben.<br />
Tausende Linke waren defacto mit Berufsverboten<br />
belegt. Auch in Freiburg gab es<br />
zahlreiche Betroffene. Die Initiativgruppe gegen<br />
den Radikalenerlass fordert seit langem,<br />
auch von der Landesregierung: Entschuldigung,<br />
Rehabilitierung und Entschädigung.<br />
Obwohl Ministerpräsident Kretschmann in<br />
der Vergangenheit selber kurzzeitig vom<br />
Berufsverbot betroffen war, geschieht wenig<br />
in diese Richtung. Im <strong>Januar</strong> wird im Gemeinderat<br />
nun ein interfraktioneller Antrag<br />
mit folgendem Text verhandelt: „Der Gemeinderat<br />
der Stadt Freiburg im Breisgau<br />
fordert den Oberbürgermeister auf, sich auf<br />
allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die<br />
Landesregierung Baden-Württembergs den Erlass<br />
des Innenministeriums über die Pflicht<br />
zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst<br />
rdl.de/tag/berufsverbote<br />
Jeden 1. Mittwoch des<br />
Monats: 12-13 Uhr<br />
Bezahlkarten. Zudem könnten sich<br />
insbesondere Erstaufnahmeeinrichtungen<br />
immer mehr in Richtung<br />
Abschiebelager entwickeln. Wir verfolgen<br />
weiterhin die lokalen Debatten<br />
rund um die Aufnahme von Flüchtlingen<br />
und lassen die zu Wort kommen, die<br />
sich für eine humane Aufnahme und<br />
Unterbringung von geflüchteten Menschen<br />
einsetzen - und die Betroffenen selbst.<br />
(„Schiess-Erlass“) vom 2. Oktober 1973<br />
ersatzlos und vollumfänglich aufhebt, alle<br />
Betroffenen rehabilitiert und entschädigt.“ Wir<br />
bleiben auch nach 50 Jahren am Thema dran.<br />
im Mittagsmagazin<br />
'Punkt 12'<br />
Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live - 0761/31028