DVS_Bericht_394LP
2024 DVS-BERICHTE 44. Assistentenseminar Fügetechnik
- Seite 3 und 4: 44. Assistentenseminar Füge- und S
- Seite 5: Vorwort Zum 44. Assistentenseminar
- Seite 8 und 9: R. Rimpl J. Lemke S. Rauh S. Imrich
- Seite 10 und 11: 2 Stand der Wissenschaft und Techni
- Seite 12 und 13: 3 Prozessführungs- und Temperierun
- Seite 14 und 15: Da der gewählte kalibrierte Messbe
- Seite 16 und 17: liegt bei identischen Simulationsbe
- Seite 18 und 19: • Die Datengrundlage für die Sol
- Seite 20: Untersuchung des roboterunterstütz
2024<br />
<strong>DVS</strong>-BERICHTE<br />
44. Assistentenseminar<br />
Fügetechnik
44. Assistentenseminar<br />
Füge- und Schweißtechnik<br />
Vorträge der gleichnamigen Veranstaltung<br />
in Päwesin vom 20. bis 22. September 2023<br />
Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik,<br />
RWTH Aachen<br />
Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb,<br />
Technische Universität Berlin<br />
Institut für Füge- und Schweißtechnik,<br />
Technische Universität Braunschweig<br />
Professur Schweißtechnik<br />
Technische Universität Chemnitz<br />
Institut für Schweißtechnik und Trennende<br />
Fertigungsverfahren, Technische Universität Clausthal<br />
Institut für Fertigungstechnik,<br />
Technische Universität Dresden<br />
Institut für Werkstoff- und Fügetechnik,<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Additiven Fertigung,<br />
Technische Universität München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de<br />
abrufbar.<br />
Das Assistentenseminar Füge- und Schweißtechnik findet mit wechselndem Veranstalter statt. Das<br />
44. Assistentenseminar wurde vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der<br />
Technischen Universität Berlin veranstaltet.<br />
<strong>DVS</strong>-<strong>Bericht</strong>e Band 394<br />
ISBN 978-3-96144-267-6 (Print)<br />
ISBN 978-3-96144-268-3 (E-Book)<br />
Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jeglicher Art<br />
dieses Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />
© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf 2024<br />
Herstellung: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang
Vorwort<br />
Zum 44. Assistentenseminar lud die Wissenschaftliche Gesellschaft Fügetechnik (WGF) e.V. im <strong>DVS</strong> die<br />
großen schweißtechnischen Institute Deutschlands ein. Die Organisation wurde in diesem Jahr durch das<br />
Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der Technischen Universität Berlin organisiert<br />
und durchgeführt. An der Veranstaltung nahmen folgende Institute teil:<br />
- Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik der RWTH Aachen<br />
- Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der TU Berlin<br />
- Institut für Füge- und Schweißtechnik der TU Braunschweig<br />
- Professur Schweißtechnik der TU Chemnitz<br />
- Institut für Schweißtechnik und Trennende Fertigungsverfahren der TU Clausthal<br />
- Institut für Fertigungstechnik der TU Dresden<br />
- Institut für Werkstoff- und Fügetechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
- Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Additiven Fertigung der TU München<br />
Das Assistentenseminar fand vom 20. Bis 22. September 2023 in Bollmannsruh/Päwesin statt und hatte<br />
35 Teilnehmer. Diese jährliche Veranstaltung bietet den jungen Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftlern der schweißtechnischen Institute eine sehr gute Gelegenheit zum Austausch mit den<br />
Kolleginnen und Kollegen, Oberassistenten und Professoren. In 21 Fachvorträgen zu Themengebieten<br />
wie der Additiven Fertigung, zu strahltechnischen sowie lichtbogenbasierten Fügeverfahren, der<br />
Simulation von Schweißverfahren und zur Prüfung & Eigenschaften gefügter Verbindungen konnten die<br />
Teilnehmer ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren und diskutieren.<br />
Neben dem fachlichen Diskurs konnten sich die Teilnehmer am ersten Abend bei einem Get-Together<br />
am Beetzsee kennenlernen. Ein Team-Event bestehend aus Bogengolfen und einer Kanufahrt am<br />
zweiten Veranstaltungstag in zwei Gruppen über die Institutsgrenzen hinweg förderte Teamwork,<br />
Durchhaltevermögen und Geschicklichkeit gleichermaßen. Das abendliche Grillen auf der Seeterrasse<br />
regte zur Fortführung fachlicher Diskussionen und zur intensiven Kommunikation an.<br />
Die Veranstaltung sowie die Publikation des Tagungsbands wurden finanziell durch den <strong>DVS</strong> – Deutscher<br />
Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. sowie die Wissenschaftliche Gesellschaft<br />
Fügetechnik (WGF) e.V. im <strong>DVS</strong> unterstützt. Herzlichen Dank an alle Unterstützer!<br />
Dr.-Ing. Marcel Bachmann<br />
Prof. Dr.-Ing. Michael Rethmeier
Vortragsabfolge<br />
AUTOR TITEL SEITE<br />
T. Reindl<br />
E. Bethge<br />
M. Schop<br />
S. Warkentin<br />
P. Blaschke<br />
M. Baumgarten<br />
S.N. Putra<br />
K.R.K. Murthy<br />
F. Yang<br />
T. Werner<br />
L.P. Diem<br />
H. Miedlig<br />
M. Dadkhah<br />
Numerische Untersuchungen zu einem temperaturgeführten<br />
Wire Arc Additive Manufacturing Prozess<br />
Untersuchung des roboterunterstützten Wire<br />
Arc Additive Manufacturing auf crashrelevanten<br />
Aluminium-Druckgussbauteilen<br />
Draht- und lichtbogenbasierte additive Fertigung von<br />
Kupfer-Zink-Legierungen<br />
Das Potential der Smoothed Particle Hydrodynamics<br />
Methode für die Simulation des MSG-Schweißprozesses<br />
Simulationsbasierter Konstruktionsprozess zur Entwicklung<br />
effizienter Leichtbaustrukturen<br />
Prozesssimulation von Buckelschweißen einsatzgehärteter<br />
Bauteile mit Kondensatorentladung<br />
Einfluss der temperaturabhängigen Modellierung der<br />
Laserstrahlabsorption auf die Schmelzbadgeometrie beim<br />
Hochleistungslaserstrahlschweißen<br />
Numerische Untersuchung des LTT-Effekts und der Verzüge<br />
in hochlegiertem Stahl beim Laserstrahlschweißen<br />
Experimental and numerical investigation of the<br />
suppression mechanism of an oscillating magnetic field on<br />
process porosity during laser beam welding<br />
Einfluss der Kaltumformung auf die<br />
Umwandlungstemperatur hochfester Feinkornbaustähle<br />
Elektrisches Kontaktverhalten geclinchter<br />
Fügeverbindungen<br />
Entwicklung einer vereinfachten Prüfmethode zur<br />
Bewertung der Gefahr wasserstoffunterstützter Kaltrisse<br />
beim Lichtbogenschweißen hochfester Stähle<br />
Residual stress and hardening condition of cold formed<br />
welded TRIP and TWIP steels<br />
1<br />
12<br />
21<br />
35<br />
44<br />
51<br />
57<br />
69<br />
77<br />
87<br />
93<br />
102<br />
110
R. Rimpl<br />
J. Lemke<br />
S. Rauh<br />
S. Imrich<br />
M. Mierzwa<br />
T. Söldner<br />
T. Eßbach<br />
S. Brechelt<br />
Betrachtung von Bauteileigenschaften additiv gefertigter,<br />
funktional gradierter Materialien (FGM) aus 42CrMo4 und<br />
Alloy 625<br />
Fließfähigkeitsanalyse zweier Pulverfraktionen aus AISI<br />
316L und resultierende Bauteildichte DED-LB aufgebauter<br />
Quader<br />
Pulverbettbasiertes Laserstrahlschmelzen von Kupfer-<br />
Wolfram- Komposit-Pulver<br />
Herausforderungen bei der additiven Fertigung unter<br />
Verwendung des WIG-Heißdrahtverfahrens<br />
Entwicklung eines multidirektionalen DED-Arc-Prozesses<br />
mit Werkstückführung<br />
Hybride lichtbogenbasierte additive Fertigung auf<br />
Open-Source-Basis<br />
Laser Laminated Object Manufacturing (LLOM) –<br />
Strukturieren & Fügen metallischer Foliensubstrate mittels<br />
Laser zur Herstellung von Kanal- bzw. Hohlstrukturen<br />
Erhöhung der Elektrodenstandmenge beim<br />
Widerstandspunktschweißen von Aluminiumlegierungen<br />
durch Einsatz von Elektrodenmodifikationen<br />
122<br />
131<br />
141<br />
151<br />
160<br />
170<br />
177<br />
185<br />
Autorenverzeichnis ………………………………………………………………………………………. 193
Numerische Untersuchungen zu einem temperaturgeführten Wire Arc<br />
Additive Manufacturing Prozess<br />
Thomas Reindl, Nico Hempel, Peter Mayr<br />
Technische Universität München, Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Additiven Fertigung<br />
Die Additive Fertigung mit Metallen erfährt seit Jahrzehnten ein zunehmendes industrielles Interesse, welches<br />
sich in einer voranschreitenden Ausweitung der Anwendungsfelder widerspiegelt. Neben den allgemein bekannten<br />
pulverbettbasierten 3D-Druck-Technologien wird häufig das Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM)<br />
Verfahren zur nachhaltigen sowie zeiteffizienten Fertigung von großvolumigen und komplexen Metallbauteilen<br />
eingesetzt. Allerdings stehen den vielen Prozessvorteilen auch Hürden in Form von einer mangelnden thermischen<br />
Prozesskontrolle begleitet von ineffizienten Prozesspausen als Abkühlphasen gegenüber, welche einer<br />
weiteren Etablierung von WAAM in der Industrie entgegenwirken.<br />
Ziel der Arbeit ist es, anhand erster numerischer Untersuchungen mit Simufact Welding die Einflüsse einer<br />
selbstkonzipierten Substratplattentemperierung auf den WAAM-Prozess zu ermitteln. Dabei kann nachgewiesen<br />
werden, dass die Anfangstemperatur der Substratplatte zu Prozessbeginn einen signifikanten Einfluss auf<br />
die Entwicklung der Zwischenlagentemperaturen und Abkühlraten während des Fertigungsvorgangs hat. Zusätzlich<br />
wird gezeigt, dass mit einer lokalen Wärmeeinwirkung eine nachhaltige Beeinflussung des Abkühlverhaltens<br />
erwirkt werden kann. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die Berücksichtigung der realen Versuchsumgebung<br />
für den betrachteten Fall nicht vernachlässigt werden kann und somit idealisierte Berechnungen<br />
nur für eine erste Einschätzung der Effektivität verschiedener Temperierungsstrategien und als Grundlage<br />
für eine exaktere Modellierung dienen. Insgesamt wird anhand der Ergebnisse das Potenzial einer Substratplattentemperierung<br />
als Komponente einer temperaturbasierten Prozessführung aufgezeigt.<br />
1 Einleitung<br />
Additive Fertigungstechnologien sind aus der modernen Fertigungsindustrie längst nicht mehr wegzudenken.<br />
Es existiert eine Vielzahl an verschiedenen Prozesstypen, welche die Verarbeitung einer großen Bandbreite<br />
an unterschiedlichen Materialien ermöglichen. Neben der Verarbeitung von Polymeren liegen im industriellen<br />
Kontext zunehmend Metalle im Fokus. Befeuert durch die stetige Weiterentwicklung und Optimierung der additiven<br />
Fertigungstechnologien ist in der jüngsten Vergangenheit in der metallbasierten Industriesparte eine<br />
Zunahme an Anwendungsmöglichkeiten zu beobachten [1]. Dies hat im Umkehrschluss zur Folge, dass weitere<br />
Industriesektoren den 3D-Druck von Metallen in Betracht ziehen. Führende Industriezweige hinsichtlich<br />
des Einsatzes von metallbasierter Additiver Fertigung sind die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrtindustrie<br />
sowie die Medizinbranche [1].<br />
Der zunehmende Einsatz der Additiven Fertigung von Metallen in der Industrie ist primär den Prozessvorteilen<br />
der Designfreiheit sowie der endkonturnahen und nachhaltigen Bauteilfertigung zuzuschreiben. Verglichen zu<br />
den pulverbettbasierten Technologien, wie z. B. Pulverbettbasiertes Laserstrahlschmelzen (engl. Powder Bed<br />
Fusion – Laser Beam, Abk. PBF-LB), überzeugt im Speziellen das WAAM-Verfahren mit der Fähigkeit, großvolumige<br />
und komplexe Bauteile mit deutlich höheren Aufbauraten zu generieren [2]. Als weitere positive Aspekte<br />
sind die Optionen der Multi-Material-Fertigung, der Bauteilreparatur sowie der hybriden Fertigung zu<br />
nennen. Konträr dazu weist die WAAM-Technologie auch einige Hürden und Schwierigkeiten auf, welche einer<br />
vollständigen Etablierung im industriellen Umfeld entgegenstehen [1, 3]. Hierbei ist unter anderem eine unzureichende<br />
Regulierung des Wärmeeintrages während des Prozesses zu nennen, welche sich in einem Zeitverlust<br />
durch Abkühlphasen sowie in inhomogenen Werkstoffeigenschaften aufgrund variierender thermischer<br />
Randbedingungen widerspiegelt.<br />
Um diese Problematik zu adressieren, wird der Ansatz einer temperaturbasierten Prozessführung des WAAM-<br />
Verfahrens verfolgt. Als Teil dieses Vorhabens stehen im Rahmen dieser Arbeit numerische Untersuchungen<br />
mit der Schweißsimulationssoftware Simufact Welding (Hexagon) im Vordergrund. Dabei gilt es, eine mögliche<br />
Beeinflussung auftretender Zwischenlagentemperaturen und Abkühlraten mit Hilfe einer eigenkonzipierten<br />
Substratplattentemperierung simulativ zu untersuchen. Dadurch werden die Möglichkeiten und Limitationen<br />
des Temperierungssystems ohne zusätzlichem Versuchsaufwand in einer zeiteffizienten und ökonomischen<br />
Weise detektiert. Außerdem wird sowohl eine Qualifizierung der Untersuchungsmethodik mittels eines Abgleiches<br />
einzelner Simulationsresultate mit experimentellen Messwerten durchgeführt als auch ein Abgleich der<br />
verschiedenen Modellierungsstrategien vorgenommen. Aufbauend darauf wird die mögliche Prozessbeeinflussung<br />
anhand verschiedener Heiz- und Kühltaktiken ermittelt. Im Umkehrschluss werden dadurch mögliche<br />
Anforderungen an Heiz- und Kühlkomponenten für eine WAAM-Anlagenkonzipierung mit Temperaturführung<br />
verdeutlicht.<br />
<strong>DVS</strong> 394 1
2 Stand der Wissenschaft und Technik<br />
Eine große Herausforderung bei der Bauteilfertigung mittels WAAM stellen die schwer zu kontrollierenden<br />
thermischen Gegebenheiten dar [4, 5]. Diese äußeren sich in Form von variierenden Abkühlraten, wechselnden<br />
Zwischenlagentemperaturen und inkonstanten Wärmeströmen. Ein weiterer Begleiteffekt dieser Phänomene<br />
kann sein, dass Prozesspausen als Kühlphasen eingetaktet werden müssen, um eine Überhitzung während<br />
des Fertigungsvorgangs zu vermeiden [5]. Gegensätzlich dazu kann zu Beginn des Fertigungsprozesses<br />
auch ein zusätzlicher Wärmeeintrag zur Verminderung der Abkühlgeschwindigkeit erforderlich sein [6]. Prozessseitig<br />
ist der Ansatz naheliegend, den benötigten Eintrag an Streckenenergie mittels einer Variation der<br />
Schweißparameter zu kompensieren. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass durch eine resultierende veränderliche<br />
Schichtgeometrie eine unzureichende geometrische Fertigungsgenauigkeit erzielt wird. Zudem ist die<br />
Wahl der Fertigungsvariablen durch das begrenzte individuell bestehende Prozessfenster limitiert. Folglich<br />
liegt der Ansatz nahe, mit externen Heiz- und Kühlstrategien die Prozesstemperatur inklusive dem Wärmefluss<br />
im Bauteil zu kontrollieren. Im Rahmen von verschiedenen Forschungsarbeiten [4, 5, 7 – 14] wurden hierzu<br />
bereits mehrere Konzepte entwickelt, angewandt und untersucht.<br />
Betrachtet man die Funktionsprinzipien einiger in der Literatur beschriebenen aktiven Kühlmethoden, fällt auf,<br />
dass sowohl stationäre als auch dynamische Systeme verfolgt werden. Außerdem sind neben den üblich eingesetzten<br />
fluidbasierten Verfahrensweisen auch Forschungsansätze in Verbindung mit Festkörperkomponenten<br />
bekannt. Bei einer weitverbreiteten stationären Kühlstrategie ist die Wärmeabfuhr über einen durchflussgekühlten<br />
Schweißtisch bzw. eine durchflussgekühlte Platte unterhalb der Substratplatte zu nennen, wie es in<br />
den Publikationen [5, 7 – 9] gezeigt wird. Dabei ist sowohl eine Variation der geometrischen Gestaltung als<br />
auch der technischen Realisierung festzustellen. Ein vergleichbares weiteres Kühlprinzip in einer dynamischen<br />
Ausführung wird in [10] dargelegt. Dort wird das Konzept einer Kontaktkühlung mit wasserdurchflossenen<br />
Kupferblöcken beschrieben, welche während des Prozesses entsprechend der zunehmenden Bauhöhe manuell<br />
nachgeführt werden. Eine alternative kontaktbasierte Kühlung wird von Li et al. [11] vorgestellt. Darin<br />
erfolgt die Wärmeabfuhr mittels zweier thermoelektrischer Kühlkomponenten, wobei der Kontakt zwischen<br />
Kühlkörper und Bauteil jeweils durch Silikonkautschukelemente hergestellt wird. Die Nachführung der Kühleinheit<br />
bei steigender Schichtzahl wird über einen in den Versuchsaufbau integrierten Schrittmotor realisiert.<br />
Eine schematische Darstellung der erläuterten Kühlstrategien samt einer Referenzdarstellung ohne Aktivkühlung<br />
ist in der nachfolgenden Abbildung 1 visualisiert.<br />
Abbildung 1. Schematische Darstellung der Kühlstrategien mit Festkörperkomponenten (a = keine aktive Kühlung;<br />
b = durchflussgekühlter Schweißtisch; c = wasserdurchflossene Kontaktkühlung; d = thermoelektrische Kühlung)<br />
Alternativ zu den Kühlungen mit Festkörperkomponenten sind auch vollständig fluidbasierte Wärmeableitungsmethoden<br />
gängige Praxis (vgl. Abbildung 2). Dabei wird primär der Einsatz einer Luft- bzw. Gaskühlung präferiert,<br />
wie es beispielsweise in den Arbeiten [12 – 14] enthalten ist. Es ist jedoch beobachten, dass ein vermeintlich<br />
simples Kühlsystem eine Vielzahl an Realisierungs- und Variationsmöglichkeiten bietet. Beispielsweise<br />
zeigen die Untersuchungen von Ma et al. [14] eine variierende Kühlwirkung bei dem Einsatz unterschiedlicher<br />
Kühlgase auf. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass CO2 zu einem besseren Kühleffekt<br />
als N2 oder Luft führen kann. Bei Ding et al. [12] stand hingegen der Einfluss der Gasflussrate zur Verbesserung<br />
der mechanischen Eigenschaften unter Einsatz von Ti6AL4V im Fokus. In diesem Kontext wurden jedoch<br />
mit der Änderung der Kühlzeit bessere Ergebnisse erreicht als mit einer Variation der Durchflussrate. Eine<br />
weitere Kühlmöglichkeit bietet die Verwendung eines Wasserbades. An dieser Stelle kann erneut zwischen<br />
den Ansätzen einer stationären sowie einer dynamischen Kühlsystematik differenziert werden. Während bei<br />
einem stationären System eine passive Kühlung der Substratplatte durch eine Flüssigkeit mit einer konstanten<br />
Füllmenge erfolgt, wie z. B. in [4] beschrieben, wird der Flüssigkeitsfüllstand bei der dynamischen Variante<br />
2<br />
<strong>DVS</strong> 394
korrelierend zu einem vordefinierten Abstand zur Bauteiloberfläche nachgeregelt. Eine Wasserbadkühlung mit<br />
variierender Füllmenge wird in den beiden Forschungsarbeiten [4, 13] näher ausgeführt. Eine Übersicht der<br />
fluidbasierten Kühlstrategien ist in Abbildung 2 gegeben.<br />
Abbildung 2. Schematische Darstellung der fluidbasierten Kühlstrategien (a = keine aktive Kühlung; e = Luft- / Gaskühlung;<br />
f = stationäre Wasserbadkühlung; g = dynamische Wasserbadkühlung)<br />
Konträr zu den Kühlstrategien ist auch das Vorwärmen der Substratplatte beim WAAM nicht unwesentlich.<br />
Beispielsweise untersuchen Gudur et al. [8] den Effekt des Vorwärmens einer Substratplatte mit Hilfe von<br />
Widerstandsheizelementen. Alternativ kann eine Substratplatten-Vorwärmung unter Verwendung weiterer<br />
gängiger Methoden erfolgen, darunter das Erhitzen mittels eines Ofens, Induktionsheizgeräten oder konventionell<br />
unter Zuhilfenahme einer Acetylen-Sauerstoff-Flamme. Neben der grundsätzlichen technischen Umsetzung<br />
verschiedener Substratplattentemperierungs- bzw. Heiz- und Kühlmöglichkeiten steht im Rahmen dieser<br />
Arbeit die numerische Untersuchung dieser Ansätze im Vordergrund. Aus diesem Grund werden nachfolgend<br />
Voruntersuchungen und Vorgehensweisen betrachtet, welche die Modellierung des WAAM-Verfahrens sowie<br />
die Simulation von Temperierungstools während des Prozesses thematisieren.<br />
Die Modellierung des WAAM-Prozesses ermöglicht es, in einem ökonomischen und zeiteffizienten Weg, resultierende<br />
Bauteileigenschaften vorherzusagen. Außerdem wird die Auswirkung verschiedener Parameter<br />
auf das Fertigungsverfahren numerisch ermittelt und visuell dargestellt. Allerdings birgt eine Prozesssimulation<br />
zumeist gewisse Unsicherheitsfaktoren, welche zu Abweichungen zwischen den experimentellen sowie den<br />
simulativ erhobenen Daten führen können. Aus diesem Grund sind auch numerische Untersuchungen zum<br />
WAAM-Verfahren als aktueller Forschungsgegenstand präsent. Um sich dem Ziel einer präzisen Prozess- und<br />
Eigenschaftsvorhersage durch Simulation weiter anzunähern, werden unter Verwendung verschiedener Softwarepakete<br />
unterschiedliche Herangehensweisen betrachtet und gegenübergestellt. Im Mittelpunkt steht dabei<br />
zweifellos die realitätsnahe Modellierung der Wärmequelle. Diese ist wiederrum ausschlaggebend für die<br />
Qualität des generierten Ergebnisses. Häufig wird hierbei auf das Doppel-Ellipsoid-Modell zurückgegriffen,<br />
welches erstmalig in [15] von Goldak et al. für Schweißwärmequellen beschrieben wurde. Die darin erläuterten<br />
Untersuchungen konnten eine realitätsnahe Wärmequellenabbildung und Datengenerierung nachweisen.<br />
Seither wird das Doppel-Ellipsoid-Modell nach Goldak et al. [15] häufig im Zusammenhang mit der Modellierung<br />
des WAAM-Prozesses eingesetzt (z. B. [6, 14, 16]). Dabei werden unterschiedliche Forschungsziele<br />
verfolgt, inmitten welcher auch diese Arbeit einzuordnen ist. Im Rahmen der Untersuchungen von Ma et al.<br />
[14] erfolgt unter anderem die numerische Gegenüberstellung des Einflusses einer in-situ Gaskühlung mit<br />
Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Luft. Als Ausgangsgeometrie liegt dabei ein geradliniges und aus 20 Auftragsschichten<br />
bestehendes Bauteil bzw. Modell zugrunde. Die Simulationen wurden mit MSC Marc (Hexagon)<br />
durchgeführt. Mit einem etwas anderem Forschungsfokus wird in [16] das Wärmequellenmanagement beim<br />
WAAM von Al-Mg- und Al-Si-Legierungen untersucht, wobei erneut eine geradlinige Modellgeometrie angewandt<br />
wird. Zudem wird parallel zur vorliegenden Arbeit Simufact Welding als Simulationssoftware eingesetzt.<br />
In den Betrachtungen nach Xiong et al. [6] steht hingegen der Einfluss einer Substratplatten-Vorwärmung auf<br />
das thermische Verhalten während des Prozesses im Fokus. Dabei wird eine lediglich zehnschichtige, dünnwandige<br />
und rotationssymmetrische Geometrie simulativ mit der Software MSC Marc untersucht. Als Empfehlung<br />
geht hervor, dass bei den angegebenen Rahmenbedingungen das vorangehende Beheizen der Substratplatte<br />
zu einer Verringerung von thermischen Spannungen sowie der Neigung zur Rissbildung dienen kann.<br />
Ansetzend an den Erkenntnissen und Methodiken werden mittels dieser Arbeit weiterführende numerische<br />
Untersuchungen zu einem temperaturbeeinflussten WAAM-Prozess vorangetrieben.<br />
<strong>DVS</strong> 394 3
3 Prozessführungs- und Temperierungsprinzip<br />
Das Funktionsprinzip einer temperaturgeführten WAAM-Anlage basiert auf der Messung und Beeinflussung<br />
der Prozesstemperaturen. Grundsätzlich handelt es sich um ein WAAM-System, welches eine temperaturkontrollierte<br />
Fertigung mit Hilfe einer Wärmebildkamera, einer Substratplattenkühlung bzw. -beheizung, dynamischen<br />
und lokal einsetzbaren externen Kühl- und Heizkomponenten sowie den typischen zentralen Bausteinen<br />
einer WAAM-Apparatur ermöglicht (vgl. Abbildung 3). Dabei werden mittels einer Wärmebildkamera pixelbasiert<br />
sämtliche Temperaturen im Messbereich live erfasst. Diese Informationen werden in das Steuerungssystem<br />
überführt, worin ein Soll-Ist-Abgleich durchgeführt wird. Basierend darauf werden die Heiz- und Kühlkomponenten<br />
bedarfsorientiert angesteuert, um den erforderlichen Zwischenlagentemperaturen bzw. Abkühlraten<br />
gerecht zu werden. Dadurch soll das Erreichen von vordefinierten materialbasierten Bauteileigenschaften ermöglicht<br />
werden. Zudem ist die Aussicht auf die Möglichkeit eines bereichsweisen Variierens von zuvor festgelegten<br />
Werkstoffcharakteristiken innerhalb eines Bauteils gegeben.<br />
Nutzer<br />
Sollvorgabe<br />
Soll-Ist-Abgleich<br />
abgeleitete<br />
Maßnahmen<br />
zusätzliche Wärmezufuhr<br />
externe Heiz- und<br />
Kühlkomponenten<br />
erhöhte Wärmeabfuhr<br />
Messung<br />
Messdaten<br />
Abbildung 3. Funktionsprinzip einer temperaturgeführten WAAM-Anlage<br />
Für die technische Realisierung eines temperaturgeführten WAAM-Systems bedarf es zuerst an Konzepten<br />
für die unterschiedlichen Heiz- und Kühlkomponenten. Im ersten Schritt wird im Rahmen dieser Arbeit ein<br />
Fokus auf eine Temperierung der Substratplatte gelegt. Dazu wird sowohl eine entwickelte Kühleinheit als<br />
auch ein Vorwärmsystem in einen bestehenden WAAM-Aufbau integriert. Die Kühleinheit (vgl. Abbildung 4<br />
links) besteht im Wesentlichen aus zwei mit halbrunden Nuten versehenen Aluminiumplatten, welche ein in<br />
Wendeln angeordnetes Kupferrohrsystem einschließen und miteinander verschraubt sind. Zwischen den<br />
Rohroberflächen und den Nutenflächen befindet sich zur verbesserten Wärmeleitung eine Wärmeleitpaste.<br />
Das Rohrsystem ist wasserdurchflossen und an einen Kühlwasser-Rückkühler angeschlossen, wodurch der<br />
Kühlkreis komplettiert wird. Das Vorwärmsystem wird gegensätzlich zur Kühlung flexibler und dynamischer<br />
gestaltet, wodurch die Möglichkeit einer punktuellen Vorwärmung gegeben ist. Dazu wird ein kollaborativer<br />
Roboter (Kobot) mit einem Vorwärminduktor bestückt (vgl. Abbildung 4 rechts). Durch den Induktor kann der<br />
Wärmeeintrag gezielt reguliert werden, wohingegen durch den Kobot Bewegungen mit sämtlichen notwendigen<br />
Freiheitsgraden möglich sind. Im Beispiel wird eine translatorische Vorwärmung gezeigt.<br />
Kühlwassereintritt<br />
Kühlwasseraustritt<br />
translatorische<br />
Kobot-Bewegung<br />
Substratplatte<br />
Substratplatte<br />
Induktor<br />
vorgewärmtes<br />
Material<br />
wasserdurchflossene Kupferrohre<br />
Schweißtisch<br />
Abbildung 4. Konzipierte Kühleinheit (links) und Vorwärmsystem (rechts) zur Substratplattentemperierung<br />
4<br />
<strong>DVS</strong> 394
4 Qualifizierungsvorgang und numerische Untersuchungen<br />
Für eine weitere Konkretisierung sowie Dimensionierung der geplanten Kühl- und Heizkomponenten im Rahmen<br />
einer Substratplattentemperierung sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich. Primär sind die Größe<br />
und Art des Einflusses der aufgestellten Konzepte auf einen WAAM-Prozess zu ermitteln. Anschließend können<br />
die benötigten Systemanforderungen sowie die technischen Limitationen für eine Implementierung in den<br />
Fertigungsprozess bestimmt werden. Zudem liegt eine darauf aufbauende Optimierung hinsichtlich der geometrischen<br />
Ausführung sowie der Materialauswahl nahe.<br />
Um diese Vielfalt an benötigten Daten in einem ökonomischen und zeiteffizienten Weg festzustellen, wurde<br />
eine simulationsbasierte Untersuchung präferiert. Für den Nachweis der Eignung dieses angedachten Vorgehens<br />
wurde vorweg ein Qualifizierungsvorgang durchlaufen. Das Grundprinzip dieses Vorgangs ist es, den<br />
WAAM-Fertigungsprozess eines Bauteils simulativ nachzustellen. Die aus der numerischen Untersuchung erhaltenen<br />
Daten werden anschließend mit experimentell ermittelten Temperaturmesswerten verglichen. Beruhend<br />
auf dieser Gegenüberstellung kann eine Aussage zur Eignung der geplanten Methodik getroffen werden.<br />
Zuerst wurde für den Qualifizierungsvorgang eine geeignete Bauteilgeometrie definiert. Dabei wurde eine in<br />
sich geschlossene, rotationssymmetrische und dünnwandige Gestaltung einer geradlinigen Variante vorgezogen.<br />
Als Abmessungen wurden ein mittlerer Durchmesser von 100 mm, eine Höhe von 70 mm sowie eine<br />
Wandstärke von ca. 3 mm bei einer Schichthöhe von je 1 mm festgelegt. Hintergrund ist, dass bei einem<br />
Hohlzylinder ohne Leerbewegungen des Brenners und somit unter Vermeidung von Prozesspausen eine stetige<br />
Bauteilproduktion erfolgen kann, was eine gleichmäßigere Temperaturverteilung sowie Wärmeableitung<br />
zur Folge hat. Die Wahl einer Geometrie mit 70 Schichten hat zudem den Vorteil, dass eine längere Betrachtung<br />
des Aufheiz- und Abkühlverhaltens ermöglicht wird, wodurch eine solide Datengrundlage für die Beurteilung<br />
der Untersuchungseignung gegeben ist.<br />
Der experimentelle Aufbau inkludierte eine Fronius TPS 500i PULSE Schweißquelle geführt von einem<br />
YASKAWA Schweißroboter und eine Optris Xi400 Wärmebildkamera (382 x 288 Auflösung) zur Temperaturerfassung.<br />
Die zuverlässige Temperaturmessung der Kamera im gewählten kalibrierten Messbereich<br />
(200 – 1500°C) wurde im Vorfeld bereits mittels Thermoelementmessungen und Pyrometermessungen verifiziert.<br />
Der Hohlzylinder wurde unter Verwendung einer unverkupferten Drahtelektrode (OK Aristorod 12.50,<br />
ESAB) der Güte G3Si1 mit einem Durchmesser von 1,2 mm und unter Ar-Schutzgas (ARCAL Speed, Air Liquide)<br />
gefertigt. Zur verbesserten Anbindung wurde für die ersten beiden Schichten eine erhöhte Streckenenergie<br />
gewählt. Ab der dritten Schicht lagen die Parameter in einem Bereich von 70 – 80 A bei ca. 11,5 V<br />
und ca. 10 mm/s Verfahrgeschwindigkeit. Die Abmaße der Substratplatte aus unlegiertem Baustahl (S235JR)<br />
waren 150 x 150 x 12 mm.<br />
Die numerischen Untersuchungen wurden mit der Schweißsimulationssoftware Simufact Welding<br />
(Version 2022.0.1) durchgeführt. Die Wärmequellenmodellierung erfolgte mittels des softwareintegrierten Eingabetools<br />
basierend auf dem Doppel-Ellipsoid-Modell nach Goldak et al. [15]. Die Parameterwahl sowie die<br />
Bauteil- und Substratplattengeometrie sind analog zu den Experimenten. Die Vernetzung des Hohlzylinders<br />
erfolgte mit ca. 80000 Hexaeder-Elementen (ca. 1 x 1 x 1 mm pro Element).<br />
Der Qualifizierungsvorgang fokussierte sich auf die Gegenüberstellung der simulativ und experimentell ermittelten<br />
Temperaturverläufe über die Prozesszeit, wofür pixelbasierte Datensätze mit den jeweils korrelierenden<br />
errechneten Werten einzelner Vernetzungselemente verglichen wurden. Diese Prozedur wurde an verschiedenen<br />
Bauteilpositionen und zu unterschiedlichen Prozesszeiten wiederholt. Exemplarisch ist nachfolgend ein<br />
besonders kritisch zu interpretierender Ausschnitt dieses Qualifizierungsablaufs dargestellt (vgl. Abbildung 5<br />
links). Dabei zeigt der blaue Temperaturverlauf die numerisch ermittelten Werte auf, wohingegen der orangefarbene<br />
Graph die erfassten Messdaten visualisiert. Vergleicht man die beiden Ergebniskurven, fallen mehrere<br />
Unregelmäßigkeiten auf, welche durch unterschiedliche Markierungen hervorgehoben sind.<br />
Zuerst ist auf den mit roter Umrandung gekennzeichneten Wertebereich zu verweisen, welcher lediglich experimentelle<br />
Messwerte beinhaltet. Diese Diskrepanz in Form eines abweichenden Messstarts ist darauf zurückzuführen,<br />
dass die Datenerhebung bei der Simulation erst nach Aktivierung des betrachteten Elements<br />
mittels eines Durchlaufens der Wärmequelle erfolgte. Abhängig von der Inkrement-gekoppelten Zeitschrittweite<br />
wurde im darauffolgenden Simulationsschritt der Ergebniswert erfasst. Die Wärmebildkamera maß gegenteilig<br />
dazu ab Prozessbeginn an jedem Pixel die individuellen Temperaturverläufe. Allerdings war die Kamera<br />
in dem gegebenen Versuchsaufbau so positioniert, dass ein Bildpunkt etwas mehr als nur eine Schicht<br />
erfasste (vgl. Abbildung 5 rechts). Durch die innerhalb eines Pixels gemittelte Messwerterhebung wurden bereits<br />
bei vorangehenden Schichten erste niedrigere Temperaturzyklen erfasst. Weitere Auswirkungen dieser<br />
pixelbasierten Mittelung spiegeln sich in Form von den mit blau markierten verringerten Maximaltemperaturen<br />
sowie den grün gekennzeichneten zeitlichen Differenzen der Peak-Werte wider. Zuletzt ist auf die zur Veranschaulichung<br />
inkludierten Ausreißer der Wärmebildmessdaten zu verweisen. Diese entstanden dadurch, dass<br />
zeitweise der Schweißbrenner das Bildelement verdeckte und somit eine Minimaltemperatur angezeigt wurde.<br />
<strong>DVS</strong> 394 5
Da der gewählte kalibrierte Messbereich mit einer Untergrenze von 200°C versehen ist, wird jeder Wert darunter<br />
automatisch auf dieses Minimum referenziert. Sobald das Bauteil wie im vorliegenden Fall eine bestimmte<br />
Höhe erreicht hat, entfällt dieser Effekt. Selbes gilt für den zweiten Messzyklus für das besagte Pixel,<br />
wenn die Bauteilvorderseite im Fokus steht.<br />
1500<br />
1250<br />
ΔΔΔΔT max WWWWSSSSSSSSSSSSSSSS<br />
Simulation<br />
Qualifizierungsexperiment<br />
schematisch<br />
dargestellte<br />
Messposition<br />
Temperatur in °C<br />
1000<br />
750<br />
500<br />
Δtttt max WWWWSSSSSSSSSSSSSSSS<br />
Brenner<br />
250<br />
200<br />
0<br />
500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300<br />
Prozesszeit in s<br />
Abbildung 5. Ausschnitt aus dem Qualifizierungsvorgang der Untersuchungsmethodik<br />
Lenkt man neben den genannten Besonderheiten den Fokus auf die jeweiligen Abkühlphasen und Zwischenlagentemperaturen,<br />
ist festzustellen, dass eine sehr gute Übereinstimmung von Simulations- und Messdaten<br />
vorliegt. Während die Heiz- und Abkühlphasen bis auf die zeitliche Diskrepanz nahezu identisch sind, liegen<br />
für die Zwischenlagentemperaturen ab dem zweiten Zyklus weniger als 50°C Differenz vor. Mit zunehmender<br />
Zyklusanzahl und Prozesszeit nehmen die vorhandenen Abweichungen weiter ab, bis sie sich in einem vernachlässigbaren<br />
Bereich befinden. Folglich kann die verwendete Methodik für eine numerische Untersuchung<br />
einer Substratplattentemperierung bei einem WAAM-Verfahren als geeignet angesehen werden.<br />
Im Rahmen der ersten numerischen Untersuchungen des vorgestellten Temperierungskonzeptes der Substratplatte<br />
als Teil eines temperaturgeführten WAAM-Prozesses standen Versuche zur Kühlung, Vorwärmung<br />
und lokalen Temperierung bei konstanten Strahlungs- und Konvektionsbedingungen im Fokus. Insgesamt<br />
wurden zwölf verschiedene Einzelsimulationen ausgeführt, welche nachfolgend aufgelistet sind:<br />
Tabelle 1. Übersicht der Einzelsimulationen<br />
Vorwärmtemperaturen<br />
der Substratplatte<br />
Kühlung<br />
Lokale Temperierung<br />
TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSS = 20°C; 150°C; 300°C; 500°C; 800°C (ohne Schweißtisch)<br />
TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSS = 300°C; 500°C (mit Schweißtisch)<br />
TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSS = 10°C (ohne Schweißtisch);<br />
TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSShwwwwSSSSwwwwßSSSSSSSSSSSSSSSSh = 10°C und TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSS = 20°C;<br />
gekühlter Schweißtisch (10°C) bei TTTT AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA,SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSSAAAASSSSSSSSSSSS = 10°C und TTTT UUUUUUUUAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA = 10°C<br />
200 W Wärmeabfuhr mit 20 mm Nachlauf zum Brenner (ohne Schweißtisch);<br />
200 W Wärmezufuhr mit 20 mm Nachlauf zum Brenner (ohne Schweißtisch)<br />
Das Simulationsmodell (vgl. Abbildung 6) blieb überwiegend unverändert zum Qualifikationsversuch. Lediglich<br />
die Schweißparameter wurden variiert (ca. 80 A, ca. 11 V, ca. 10 mm/s) und blieben über alle 70 Schichten<br />
konstant. Optional wurde der Schweißtisch aus Aluminium in die Simulation integriert. Die Zwischenlagentemperaturen<br />
und Abkühlraten wurden zu Beginn jeder fünften Schicht je ein Inkrement vor Überlagerung erfasst.<br />
Lokale Netzverfeinerung<br />
im<br />
Wurzelbereich<br />
exemplarische<br />
Messstelle für<br />
jede 5. Schicht<br />
Abbildung 6. Simulationsmodell zur Untersuchung einer Substratplattentemperierung<br />
6<br />
<strong>DVS</strong> 394
5 Ergebnisse<br />
Die durchgeführten numerischen Untersuchungen liefern Ergebnisse zu sieben verschiedenen Vorwärmbedingungen,<br />
drei verschiedenen Kühlfällen sowie zwei verschiedenen lokalen Temperierungsansätzen. Die<br />
Auswertung beinhaltet einerseits die Verläufe der Zwischenlagentemperaturen über der Schweißlagen bzw.<br />
Prozesszeit. Andererseits wird die zeitliche Entwicklung der Abkühlraten betrachtet. Hierbei werden pro Messstelle<br />
jene Werte herangezogen, welche aus dem jeweils letzten durchlaufenen Temperaturzyklus im<br />
t8/5-Bereich resultieren.<br />
Begonnen bei den Ergebnissen zu der errechneten zeitlichen Entwicklung der Zwischenlagentemperaturen<br />
fällt auf, dass eine Temperierung der Substratplatte einen signifikanten Einfluss auf die herrschenden Prozesstemperaturen<br />
haben kann (vgl. Abbildung 7). Beim Referenzversuch (schwarz) zeigt sich ein nichtlinearer<br />
Temperaturanstieg über 35 Schichten. Von dort an liegt eine nahezu konstante Zwischenlagentemperatur von<br />
ca. 520°C ± 20°C vor, gegen welche eine Vielzahl der simulierten Verläufe streben. Ein Vorkühlen der Substratplatte<br />
auf 10°C zeigt im Rahmen der Simulation keine signifikante Auswirkung. Allerdings kann durch eine<br />
Vorwärmung auf 150°C die Plateau-Temperatur ca. drei Schichten früher als beim Referenzversuch erreicht<br />
werden. Bei einer 300°C Vorwärmung wird dieser Effekt verdoppelt. Mit einer 500°C Substratplatten-Vorwärmung<br />
erreicht man ein Vermeiden der Unterschreitung der Plateau-Temperatur ab der 25. Schicht, wohingegen<br />
bei einer 800°C Vortemperierung eine Annäherung an die 520°C bereits ab der 15. Schicht erfolgt. Außerdem<br />
ist der Effekt der erhöhten Wärmeabfuhr durch eine Aluminiumplatte ersichtlich. Verglichen zu den<br />
idealisiert betrachteten Vorwärmungssimulationen mit Isolation durch die Umgebungsluft ist sowohl bei der<br />
150°C als auch bei der 300°C Vorwärmung mit Aluminiumschweißtisch (20°C) eine signifikante Wärmeabfuhr<br />
in den ersten sechs bis sieben Schichten festzustellen. Erst danach erfolgt ein erneuter Temperaturanstieg.<br />
Dasselbe gilt für die Simulation mit einem zusätzlich vorgekühlten Aluminiumschweißtisch, wodurch der Kühleffekt<br />
gegenüber der alleinigen Substratplattenvorkühlung verstärkt wird. Zudem zeigt die Erweiterung um<br />
eine dauerhafte Schweißtischkühlung auf 10°C ab der 15. bis zur 30. Schicht eine Kühlwirkungssteigerung,<br />
welche sich von dort an mit konstantem Offset zur Aluplattenvorkühlung verhält. Daraus ist eine Wirkungsabnahme<br />
der Substratplattenkühlung mit zunehmender Schichthöhe ersichtlich. Die lokale Wärmeabfuhr bzw. -<br />
zufuhr zeigt die Möglichkeit auf, den Plateau-Wert nachhaltig zu manipulieren. Bei der Kühlung mit 200 W<br />
kann bei einer idealen Betrachtung eine Herabsetzung der Zwischenlagentemperatur um ca. 100°C erfolgen.<br />
Konträr dazu wird mit der lokalen Erwärmung ein Anstieg des Plateau-Wertes um ca. 20°C erzielt.<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
10°C Substratplatte<br />
20°C Substratplatte (Referenzversuch)<br />
150°C Substratplatte<br />
300°C Substratplatte<br />
500°C Substratplatte<br />
800°C Substratplatte<br />
Lokale Kühlung 200 W (20 mm Nachlauf)<br />
Lokale Erwärmung 200 W (20 mm Nachlauf)<br />
150°C Substratplatte (mit Aluschweißtisch)<br />
300°C Substratplatte (mit Aluschweißtisch)<br />
10°C Aluschweißtisch und 20°C Substratplatte<br />
10°C Aluschweißtisch gekühlt bei 10°C Umgebungst.<br />
Zwischenlagentemperatur in °C<br />
540<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
0 300 600 900 1200 1500 1800 2100<br />
Prozesszeit in s<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
Abgelegte Schichten<br />
Abbildung 7. Zeitabhängiger Verlauf der Zwischenlagentemperaturen bei verschiedenen Temperierungsmethoden<br />
Ergänzend zu den numerischen Untersuchungen mit dem Fokus auf die Zwischenlagentemperaturen liefern<br />
die ermittelten Abkühlraten essenzielle Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses verschiedener Substratplattentemperierungsstrategien<br />
auf die WAAM-Bauteilfertigung (vgl. Abbildung 8). Identisch zu den oben gezeigten<br />
Temperaturverläufen pendeln sich auch die Abkühlraten mit zunehmender Schichtanzahl auf einen nahezu<br />
gleichbleibenden Wertebereich ein (ca. 15 K/s ± 5 K/s). Beginnt man zunächst mit dem Vergleich des Referenzversuchs<br />
und der 10°C Substratplattenvorkühlung, ist erneut kein signifikanter Effekt festzustellen. Durch<br />
eine Vorwärmung kann eine signifikante Verringerung der Abkühlraten innerhalb der ersten 30 Schichten erfolgen.<br />
Nach fünf Schichten liegen bei einer 150°C Vortemperierung um ca. 50 K/s niedrigere Abkühlraten vor<br />
als bei dem Referenzgraphen. Bei einer Anfangstemperatur von 300°C und 500°C wirkt sich der Vorwärmeffekt<br />
an identischer Stelle jeweils um eine Reduzierung von deutlich über 50 K/s aus. Bei einer idealisiert betrachteten<br />
Vorwärmung von 800°C wird die Plateau-Abkühlrate in den ersten Schichten unterschritten. Folglich<br />
<strong>DVS</strong> 394 7
liegt bei identischen Simulationsbedingungen eine Temperatur < 800°C vor, womit das Erreichen einer konstanten<br />
Abkühlrate möglich ist, was einer homogenen Prozessführung dienlich wäre. Unter Verwendung eines<br />
Aluschweißtisches ist festzustellen, dass die Abkühlraten bis zur ca. 40. Schicht signifikant zur Referenz erhöht<br />
sind. Vergleicht man den Effekt der 150°C und 300°C Vorwärmung mit der auf 10°C gekühlten Aluminiumplatte<br />
und reduzierter Umgebungstemperatur, ist zu erkennen, dass die Vortemperierung lediglich in den ersten fünf<br />
Schichten eine merkliche Verminderung aufweist. Zudem variieren die Abkühlraten von permanent- zu vorgekühltem<br />
Schweißtisch in einem vernachlässigbaren Bereich. Mittels der lokalen Temperierungen ist erneut<br />
eine nachhaltige Manipulation des Plateau-Wertes zu beobachten. Die lokale Kühlung zeigt zur dauergekühlten<br />
Aluplatte eine deutlich erhöhte Abkühlrate bis zur ca. 25. Schicht. Von dort an herrscht ein konstanter<br />
Offset von fast 20 K/s. Die lokale Erwärmung führt zu einer Verdoppelung des Plateau-Wertes.<br />
600<br />
Abkühlrate in K/s<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
10°C Substratplatte<br />
20°C Substratplatte (Referenzversuch)<br />
150°C Substratplatte<br />
300°C Substratplatte<br />
500°C Substratplatte<br />
800°C Substratplatte<br />
Lokale Kühlung 200 W (20 mm Nachlauf)<br />
Lokale Erwärmung 200 W (20 mm Nachlauf)<br />
150°C Substratplatte (mit Aluschweißtisch)<br />
300°C Substratplatte (mit Aluschweißtisch)<br />
10°C Aluschweißtisch und 20°C Substratplatte<br />
10°C Aluschweißtisch gekühlt bei 10°C Umgebungst.<br />
100<br />
20<br />
0<br />
0 300 600 900 1200 1500 1800 2100<br />
Prozesszeit in s<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
Abbildung 8. Zeitabhängiger Verlauf der Abkühlraten bei verschiedenen Temperierungsmethoden<br />
6 Diskussion<br />
Abgelegte Schichten<br />
Die angestellten numerischen Untersuchungen liefern erste Erkenntnisse und Tendenzen hinsichtlich des Einflusses<br />
der konzipierten Substratplattentemperierung sowie lokaler Heiz- und Kühlstrategien. Allerdings sind<br />
die Resultate als erste Näherungs- und Abschätzungsgrundlage anzusehen und nicht bedingungslos in Realbedingungen<br />
übertragbar. Aus diesem Grund gibt es auch einige Diskussionspunkte zu den durchgeführten<br />
Simulationen, welche keineswegs vernachlässigt werden können.<br />
Zuerst ist auf die Vergleichbarkeit des Simulationsmodells mit den realen Gegebenheiten zu verweisen. Vorrangig<br />
sind hier die idealisierten Vorwärm-Betrachtungen zu nennen, welche isoliert durch die Umgebungsluft<br />
erfolgten. Diese beinhalten bewusst keine Modellierung einer vordefinierten Grundplatte, da hierbei die Anforderungen<br />
erst aus den Simulationen abgeleitet werden. Somit dient der Einsatz von Aluminium beispielsweise<br />
zur deutlichen Verbesserung der Kühlwirkung, wohingegen für eine benötigte Vorwärmung ein isolierendes<br />
Material bzw. ein schlechter Wärmeleiter in Betracht gezogen werden sollte. Möchte man beides in einem<br />
Prozess vereinen, ist ein Kompromiss zu treffen. Weiter wurden vereinfacht homogene Substratplattentemperaturen<br />
angenommen. Wie signifikant eine mögliche Inhomogenität von Induktor-basierter Vorwärmung oder<br />
wendelförmig angeordneter Wasserkühlung ist, gilt es in Folgeuntersuchungen festzustellen. Gleiches gilt für<br />
den möglichen Einfluss der vorerst vernachlässigten Spannvorrichtungen. Zudem ist auf die Limitation der<br />
Resultate auf die gegebenen Schweißparameter sowie die definierte Bauteilgeometrie zu verweisen. Eine<br />
allgemeingültige Übertragbarkeit der Resultate ist ohne weitere Untersuchungen nicht gegeben.<br />
Außerdem gilt es, die Modellierungsmethode hinsichtlich des Schmelz- und Erstarrungsprozesses als kritisch<br />
anzusehen. Da im vorliegenden Fall die geometrischen Bauteildaten in der Simulation vorgegeben wurden,<br />
kann keine Aussage zu den resultierenden Abweichungen in der Schweißnaht- bzw. Schichtgeometrie getätigt<br />
werden. Für diesen Fall sind experimentelle Untersuchungen oder geometrieerzeugende Simulationsansätze<br />
zu bevorzugen. Neben der Betrachtung der Geometrien kann ein genauerer Blick auf den modellierten Wärmeeintrag<br />
Informationen zu einer möglichen Abweichung im Schmelz- und Erstarrungsprozess liefern. Dabei<br />
lässt sich anhand der berechneten Temperaturverläufe einschätzen, ob potenziell eine Unterkühlung oder<br />
Überhitzung naheliegend ist, was wiederum im Prozess zu Problemen führen kann und in einer variierenden<br />
Schichtgeometrie resultiert. Wird beispielsweise die Schmelztemperatur nicht über die gesamte vorab definierte<br />
Schichtdicke erreicht, deutet dies auf eine vorliegende Unterkühlung hin (vgl. Abbildung 9 links). Daraus<br />
8<br />
<strong>DVS</strong> 394
folgt, dass die abgelegten Schichten potenziell dünner sind, dafür die vorgegebene Schichthöhe von 1 mm<br />
aufgrund der schnellen Erstarrung merklich überschreiten. Dies kann unter anderem zu Bindefehlern an der<br />
Nahtstelle führen (vgl. Abbildung 9 Mitte), was auf das Ablenken des Lichtbogens bei Beendigung der Trajektorie<br />
durch den überhöhten Schichtanfang zurückzuführen ist (vgl. Abbildung 9 rechts).<br />
Abbildung 9. Bindefehler verursacht durch Unterkühlung: Simulation (links), fehlerhafte Probe (Mitte), Ursache (rechts)<br />
Abschließend ist aufzuführen, dass sowohl die eigenen Untersuchungen als auch die in der Literatur beschriebenen<br />
Forschungsansätze [6, 14, 16] Vorteile und Potenziale einer regulierten Wärmezufuhr bzw. -abfuhr<br />
während des WAAM-Fertigungsverfahrens nachweisen konnten. Während in [16] ein Prozesseingriff über die<br />
Parametervariation erfolgt, wird in [14] und [6] das Hinzuziehen von externen Erwärmungs- bzw. Kühlungssystem<br />
bevorzugt. Korrelierend mit den eigenen Simulationsresultaten ist festzustellen, dass eine ausschließliche<br />
Prozesskontrolle über die Anpassung der Schweißparameter nur in einem limitierten Kontext möglich ist.<br />
Eine Beeinflussung der Abkühlraten sowie der Zwischenlagentemperaturen in der Größenordnung, wie es mit<br />
zusätzlichen Kühl- und Heizkomponenten möglich ist, kann mit diesem Ansatz kaum erreicht werden. Dadurch<br />
wird erneut das Potenzial eines temperaturgeführten WAAM-Prozesses aufgezeigt, wobei die Schweißparameter<br />
nahezu konstant bleiben und über zusätzliche Temperierungskomponenten eine Einflussnahme auf den<br />
Fertigungsprozess erfolgt.<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Zusammengefasst konnten mit der Schweißsimulationssoftware Simufact Welding erste numerische Untersuchungen<br />
hinsichtlich einer in den WAAM-Prozess integrierten Substratplattentemperierung durchgeführt werden.<br />
Dabei wurden insgesamt zwölf verschiedene Fälle betrachtet, welche verschiedene lokale und globale<br />
Heiz- und Kühlvarianten umfassen. Für die Auswertung wurden die resultierenden Zwischenlagentemperaturen<br />
und Abkühlraten betrachtet, um Aussagen hinsichtlich des Einflusses einer Beheizung bzw. Kühlung der<br />
Substratplatte auf den Fertigungsprozess zu treffen. Dadurch wird im Weiteren ermöglicht, erste Abschätzungen<br />
für die Anforderungen und Dimensionierung eines Induktors sowie eines Rücklaufkühlers in Bezug auf die<br />
angestrebten Kühl- und Heiztemperaturen im Rahmen des Anlagenaufbaus zu treffen. Die Diskussion ergänzt<br />
einige kritische Ansatzpunkte der angestellten Simulationen, wodurch die Möglichkeiten und Limitationen der<br />
gewählten Methodik aufgezeigt werden. Die Kernresultate der Arbeit sind wie folgt:<br />
• Bei gleichbleibenden Bauteilgeometrien, Trajektorien und Fertigungsparametern stellt sich mit zunehmender<br />
Prozessdauer eine nahezu konstante Zwischenlagentemperatur sowie Abkühlrate ein<br />
(Plateau-Werte: 520°C ± 20°C und 15 K/s ± 5 K/s). Dieser Effekt sowie die Aussagen zu den Temperierungseinflüssen<br />
sind geometrie- und parameterabhängig und nicht bedingungslos übertragbar.<br />
• Das Vorwärmen der Substratplatte zeigt einen signifikanten Einfluss auf die resultierenden Temperaturen<br />
und Abkühlraten im WAAM-Prozess. Je höher die Vorwärmtemperatur, desto schneller erfolgt<br />
die Annäherung an den individuellen Plateau-Wert.<br />
• Der Einsatz eines Aluminiumschweißtisches zeigt eine signifikante Erhöhung der Kühlwirkung, worunter<br />
gegebenenfalls eine Vorwärmung der Substratplatte leidet.<br />
• Generell gilt, dass eine gezielte Prozessbeeinflussung durch eine Substratplattentemperierung möglich<br />
ist. Allerdings nimmt der Einfluss dieser Maßnahme mit zunehmender Bauhöhe stetig ab.<br />
• Durch eine lokale und dem Brenner nachgeführte Wärmeeinwirkung kann eine nachhaltige Herabsetzung<br />
oder Steigerung der Zwischenlagentemperaturen und Kühlraten erzielt werden.<br />
Im Weiteren konnten im Rahmen dieser Arbeit Potenziale für Folgeuntersuchungen sowie weitere Handlungsfelder<br />
mit Forschungsbedarf aufgezeigt werden. Primär sind dabei die vier nachfolgend aufgelisteten Themen<br />
zu nennen.<br />
<strong>DVS</strong> 394 9
• Die Datengrundlage für die Soll-Werte im Rahmen eines temperaturgeführten WAAM-Prozesses ausbauen.<br />
Zudem sind Parallelen und Unterscheidungen zu weiteren Materialien auszumachen.<br />
• Einzelne Validierungsversuche zu WAAM-Prozessen mit integrierter Substratplattentemperierung<br />
durchführen.<br />
• Weitere Untersuchungen zu einer nachhaltigen Beeinflussung der Prozesstemperaturen und Abkühlraten<br />
mittels lokaler Wärmeeinwirkungsmethoden realisieren.<br />
• Numerische Untersuchungen weiter ausbauen, um beispielsweise resultierende Phasenanteile, Härtewerte<br />
sowie Verzug zuverlässig vorhersagen zu können.<br />
Danksagung<br />
Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Kilmaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses<br />
des Deutschen Bundestages gefördert. Neben dem Dank für die Projektförderung ist auch an die Mitwirkenden<br />
der projektbegleitenden Firmen Heidenbluth GmbH sowie Satron Steuerungstechnik GmbH ein großes<br />
Dankeschön für ihre erbrachten Leistungen und die Unterstützung auszusprechen.<br />
Literaturverzeichnis<br />
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10<br />
<strong>DVS</strong> 394
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192.<br />
<strong>DVS</strong> 394 11
Untersuchung des roboterunterstützten Wire Arc Additive Manufacturing<br />
auf crashrelevanten Aluminium-Druckgussbauteilen<br />
E. Bethge 1 , S. Jüttner 1<br />
1<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
1 Einleitung<br />
Das übergeordnete Ziel dieses Projekts besteht in der Weiterentwicklung und Qualifizierung einer innovativen<br />
Technologie für das additiv generative MSG-Schweißen, insbesondere im Bereich des WAAM (Wire Arc Additive<br />
Manufacturing) bzw. DED-Arc (Direct Energy Deposition) Verfahrens, auf Aluminium-Druckgussbauteilen.<br />
Eine herausragende Eigenschaft dieses Ansatzes liegt in der präliminären Anwendung des WIG-Prozesses<br />
auf das Druckgussmaterial, um eine effektive Entgasung, Vorwärmung und Entfernung der Oxidschicht<br />
zu erreichen. Anschließend erfolgt der präzise Aufbau der neuen Geometrie in unmittelbarer Nähe zur Endkontur.<br />
Diese Technologie zielt darauf ab, das Druckgießen zu ergänzen und ermöglicht die effiziente Herstellung<br />
von Prototypen, Kleinserien und Bauteilvarianten, ohne aufwendige Neufertigung von Druckguss-Werkzeugen.<br />
Ein spezifisches Teilziel dieses Vorhabens besteht darin, Konturen mit unterschiedlichen Geometrien präzise<br />
aufzubauen, wobei eine hohe Maßhaltigkeit und minimale Oberflächenwelligkeit angestrebt werden. Dies ermöglicht<br />
nicht nur eine optimale Materialausnutzung, sondern führt auch zu einer präzisen Endkontur. Zusätzlich<br />
beinhaltet das Projekt die detaillierte Quantifizierung der mechanisch-technologischen Werkstoffeigenschaften,<br />
um die Anforderungen an die Bauteilqualität zu erfüllen.<br />
Die Komplexität des Vorhabens manifestiert sich insbesondere im Wärmeeintrag während der additiven Strukturerstellung<br />
und der potenziellen Wärmebehandlung des hybriden Gesamtbauteils im Anschluss. Dieser Aspekt<br />
eröffnet ein facettenreiches Feld von Eigenschaften, das entlang des gesamten technologischen Prozessablaufs<br />
beleuchtet wird. Ohne eine gezielte Wärmebehandlung weisen die Eigenschaften im Bereich der<br />
Wärmeeinflusszone eine hohe Heterogenität auf, wobei für jeden Punkt im aufgebauten Material individuelle<br />
Temperaturregime gelten. Das übergeordnete Ziel besteht darin, vergleichbare Eigenschaften zwischen dem<br />
additiv hergestellten Bauteilbereich und dem konventionell gedruckten Bereich zu erreichen.<br />
In der folgenden Abbildung ist das Technologiekonzept aus dem Forschungsprojekt MSGenerAl dargestellt,<br />
welches das Aluminium-Druckguss-Substrat zunächst mittels des WIG-Prozesses lokal eine Entgasung des<br />
Wasserstoffs, einen Aufbruch der Oxidschicht sowie ein Erreichen einer bestimmten Vorwärmtemperatur bewirken<br />
soll, damit anschließend mittels DED-Arc eine additive Struktur auf der behandelten Fläche generiert<br />
werden kann. Die in diesem Paper vorgestellten Ergebnisse gliedern sich zum einen in der Untersuchung der<br />
mechanisch-technologischen Eigenschaften von hybriden DED-Druckgussbauteilen und dem Anfertigen von<br />
additiven Strukturen auf bestehenden Aluminium-Druckguss Bauteilen aus der Industrie.<br />
MSG-Schweißen<br />
Druckguss<br />
Variante 1<br />
Ausgangsbauteil<br />
Spanen<br />
thermisches<br />
Konditionieren<br />
mit WIG<br />
Variante 2<br />
Hinterschneidungen<br />
Bild 1. Technologiekonzept aus dem Forschungsprojekt MSGenerAl<br />
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<strong>DVS</strong> 394