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FOCUS_2024_31_Kamala Harris

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AUSGABE <strong>31</strong> 26. Juli <strong>2024</strong> € 5,20 EUROPEAN MAGAZINE AWA R D WINNER <strong>2024</strong> /// ADC GRAND PRIX <strong>2024</strong><br />

KANN SIE TRUMP<br />

SCHLAGEN?<br />

<strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> und<br />

die 100 Tage bis zur<br />

Schicksalswahl<br />

TRAUMZIEL<br />

MALLORCA<br />

Vom Glück des Auswanderns:<br />

Die besten Tipps für ein Leben auf der Insel


POLITIK<br />

Kann sie Trump<br />

Es ist die wichtigste Wahl des Jahres – für Amerika und die Welt. Hat<br />

TEXT VON ALEXANDER BARTL, MARC BROST UND LARA WERNIG<br />

22 <strong>FOCUS</strong> <strong>31</strong>/<strong>2024</strong>


USA<br />

Ganz vorn<br />

Mehr als drei Jahre<br />

stand die Vizepräsidentin<br />

im<br />

Schatten von Joe<br />

Biden. Jetzt muss<br />

sie alleine zeigen,<br />

was sie kann<br />

schlagen?<br />

<strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> das Zeug zur Präsidentin?<br />

Foto: Doug Mills/The New York Times/Redux/laif<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>31</strong>/<strong>2024</strong><br />

23


Alles auf Anfang<br />

<strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> spricht<br />

nach Bidens Rückzug in<br />

der Wahlkampfzentrale<br />

der Demokraten in<br />

Wilmington, Delaware<br />

24<br />

Alle salutieren<br />

<strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> und ihr<br />

Ehemann Doug Emhoff<br />

werden auf dem Militärflugplatz<br />

Andrews in<br />

Maryland empfangen


USA<br />

Nie zuvor blieb einer Kandidatin<br />

bis zum Wahltag so wenig Zeit<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>31</strong>/<strong>2024</strong><br />

K<br />

amerikanischen<br />

ann man innerhalb von 102 Tagen die Welt<br />

retten? Kann man in so kurzer Zeit eine<br />

scheinbar verlorene Wahl gewinnen, die<br />

Mehrheit der Bevölkerung von sich überzeugen<br />

und einen großen Rückstand aufholen?<br />

Ist es tatsächlich möglich, keinen<br />

einzigen Fehler zu machen, selbst unter<br />

Dauerbeobachtung? Und kann man das<br />

schaffen, trotz der Häme und Hetze der<br />

sozialen Medien, in Zeiten von Fake News<br />

und gegen den wahrscheinlich unberechenbarsten<br />

Gegner in einem Wahlkampf<br />

überhaupt – gegen Donald Trump?<br />

Es ist nicht klar, ob man all das wirklich<br />

kann. Aber frau muss.<br />

Genau 102 Tage sind es noch bis zur<br />

Präsidentschaftswahl,<br />

Alles auf Sieg<br />

Wahlhelfer dekorieren eilig die<br />

Zentrale der Demokraten um<br />

und seit vergangenem Sonntag, seit<br />

dem Rückzug von Joe Biden, ist es endlich:<br />

ein Wahlkampf. Niemals zuvor in<br />

der Geschichte der USA ist ein Präsidentschaftskandidat<br />

derart spät ausgestiegen.<br />

Und niemals zuvor blieb einer<br />

Kandidatin bis zum Wahltag so wenig<br />

Zeit. Aber nun ist auf einmal auch all<br />

das Lähmende, Bleierne verflogen, das<br />

zuletzt über der US-Politik lag – und die<br />

Amerikanerinnen und Amerikaner, ja<br />

die gesamte Welt, erwartet eine echte<br />

Auseinandersetzung.<br />

<strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> wird die erste schwarze<br />

Frau sein, die um die Präsidentschaft<br />

kämpft, aber damit sie auch die erste Präsidentin<br />

wird, muss sie das hinbekom-<br />

25<br />

Fotos: Erin Schaff/The New York Times/AP, Erin<br />

Schaff/The New York Times/Redux/laif


POLITIK<br />

men, was Joe Biden nicht mehr gelang:<br />

Sie muss über politische Inhalte sprechen,<br />

über ihre Ideen und Pläne für die Vereinigten<br />

Staaten, auch über Amerikas Rolle in<br />

der Welt. Sie muss die Debatte dominieren,<br />

muss Donald Trump und die Republikaner<br />

inhaltlich stellen. Darin liegt die<br />

große Chance der kommenden Wochen.<br />

Denn der sehr alte Kandidat, dessen Sätze<br />

sich manchmal im Nichts verlieren, heißt<br />

jetzt: Donald Trump.<br />

Die entscheidende Frage ist, ob Trump<br />

darauf mit einer Welle an Lügen und Wut<br />

reagiert, ob er <strong>Harris</strong> als elitär und opportunistisch<br />

diffamieren und sich noch mehr<br />

als bisher jeder inhaltlichen Auseinandersetzung<br />

entziehen wird. Darin liegt die<br />

große Gefahr. Denn eine zweite Amtszeit<br />

Donald Trumps wäre weit weniger harmlos<br />

für die USA – und auch für Deutschland<br />

und Europa –, als es nach außen hin<br />

wirkt. Trumps Republikaner haben mit<br />

einer konservativen Partei nach deutschem<br />

Verständnis fast nichts mehr zu<br />

tun. Und so mag <strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> vielleicht<br />

nicht die allerbeste Präsidentschaftskandidatin<br />

sein – aber womöglich die Einzige,<br />

die Trump noch verhindern kann.<br />

150 Millionen Dollar an Spenden<br />

Die Währung der Zuversicht ist in amerikanischen<br />

Wahlkämpfen das Spendenaufkommen.<br />

Nachdem Joe Biden vorigen<br />

Sonntag seinen Rückzug bekannt gab,<br />

liefen in kürzester Zeit mehr als 100 Millionen<br />

Dollar an Kleinspenden für <strong>Harris</strong><br />

ein. Die Vereinigung „Future Forward“<br />

sammelte sogar 150 Millionen Dollar. Es<br />

ist, als hätte <strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> der demokratischen<br />

Basis nach Wochen voller Zweifel<br />

und Resignation die Hoffnung zurückgegeben.<br />

Hollywoodstars reihten sich spontan in<br />

den Chor der Fürsprecher ein, darunter<br />

die Schauspielerinnen Barbra Streisand,<br />

Bette Midler und Jamie Lee Curtis. Die<br />

Unterstützung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie<br />

für die demokratische<br />

Partei ist zwar über Jahre gewachsen,<br />

aber selbstverständlich war zuletzt nicht<br />

einmal mehr das. So forderte etwa der<br />

Schauspieler George Clooney in einem<br />

aufsehenerregenden Essay für die „New<br />

York Times“ Bidens Rückzug aus dem<br />

Rennen um eine zweite Amtszeit.<br />

Dass sich die Stars nun um <strong>Harris</strong> scharen,<br />

hängt auch mit den Stationen ihrer<br />

Karriere zusammen. Bevor sie 2015 in die<br />

Politik ging, arbeitete sie als kalifornische<br />

Generalstaatsanwältin und lebte<br />

mit ihrem Ehemann, dem Anwalt Douglas<br />

Emhoff, in Brentwood im Westen von<br />

Los Angeles. Ganz in der Nähe wohnten<br />

Gwyneth Paltrow und Jennifer Garner.<br />

Die Aufmerksamkeit, die ihr die Prominenten<br />

auch bei politisch weniger Interessierten<br />

verschaffen, ist in diesen Tagen<br />

womöglich noch mehr wert als eine großzügige<br />

Parteispende.<br />

Denn Bidens Rückzug hat die Republikaner<br />

überrumpelt und ihre Kampagne<br />

gegen ihn abrupt ins Leere laufen lassen.<br />

Allerdings hat die Partei binnen Tagen<br />

ihre Strategie angepasst. Nun zieht sie<br />

Führung<br />

Biden und <strong>Harris</strong><br />

verantworteten<br />

die US-Politik der<br />

letzten Jahre<br />

Abtreibung<br />

Proteste vor dem<br />

Obersten Gerichtshof<br />

in Washington<br />

Flüchtlinge<br />

Migranten aus verschiedenen<br />

Ländern<br />

marschieren in<br />

Mexiko in Richtung<br />

US-Grenze<br />

über <strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> her, bei Wahlkampfauftritten<br />

und in Werbespots. Ihre Taktik:<br />

<strong>Harris</strong> als Bidens Doppelgängerin zu<br />

verunglimpfen, zwar jünger und weiblich,<br />

aber letztlich ebenso schuld an den<br />

Problemen der Vereinigten Staaten. Viel<br />

zu lange habe <strong>Harris</strong> mitgeholfen, den<br />

schlechten Gesundheitszustand Bidens<br />

zu verheimlichen. Und ihretwegen werde<br />

Amerika von Migranten überrannt, während<br />

die Inflation das tägliche Leben der<br />

Einheimischen unerträglich verteuere.<br />

Nun rächt sich, dass <strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> in<br />

den vergangenen Jahren als Vizepräsidentin<br />

blass blieb und die ihr übertragene<br />

Bekämpfung unkontrollierter Migration<br />

Der Vorwurf: <strong>Harris</strong> habe geholfen,<br />

den schlechten Gesundheitszustand<br />

Bidens zu verheimlichen<br />

26


USA<br />

Kandidaten für den Vize-Posten<br />

in die USA kaum in den Griff bekam.<br />

Dass sie in Umfragen nicht gerade berauschend<br />

abschneidet, hängt auch damit<br />

zusammen.<br />

Auch das Spitzenpersonal der Demokraten<br />

hatte sich in den vergangenen<br />

Jahren nicht sonderlich beeindruckt von<br />

<strong>Harris</strong> gezeigt. Gouverneure wie Gavin<br />

Newsom aus Kalifornien, Gretchen Whitmer<br />

aus Michigan oder JB Pritzker aus<br />

Illinois galten selbst als mögliche Nachfolger<br />

des schwächelnden Joe Biden.<br />

Nun sprechen sie sich alle für <strong>Harris</strong><br />

aus. Wegen ihrer Eignung – oder weil<br />

an ihr als Vizepräsidentin einfach kein<br />

Weg vorbeiführte? Solche Zweifel muss<br />

sie bis zum Nominierungsparteitag Mitte<br />

August zerstreuen.<br />

Aber wen wird sich <strong>Kamala</strong> <strong>Harris</strong> an<br />

ihre Seite holen, um die Bevölkerung vom<br />

Neuanfang in der Partei zu überzeugen?<br />

Normalerweise überlegen Spitzenkandidaten<br />

über Monate, wen sie zum potenziellen<br />

Vize küren. Bei <strong>Harris</strong> schrumpft<br />

die Bedenkzeit auf ein Minimum.<br />

Donald Trump hat sich mit J. D. Vance<br />

einen Kandidaten ausgewählt, der<br />

Der Prediger<br />

Bereits zweimal hat Andy Beshear, 46,<br />

die Konservativen in Kentucky besiegt, einer<br />

Trump-Hochburg. Er gilt als beliebtester<br />

demokratischer Gouverneur – als christlicher<br />

Diakon gewinnt er auch konservative Wähler<br />

Der Astronaut<br />

Als ehemaliger Navy-Pilot und Raumfahrer<br />

ist es Mark Kelly gewohnt, nach den Sternen zu<br />

greifen. Der 60-jährige Senator aus Arizona<br />

wurde sogar als Biden-Ersatz gehandelt. Sein<br />

Fachgebiet ist die Migrationspolitik<br />

Der Pragmatiker<br />

Josh Shapiro ist seit 2023 Gouverneur in<br />

Pennsylvania, einem wichtigen Swing State. Der<br />

51-jährige Jurist, der für liberale Abtreibungsgesetze<br />

kämpft, wäre ein moderater Kandidat<br />

und der erste Vizepräsident jüdischen Glaubens<br />

Der Vermittler<br />

Roy Cooper, 67, regiert seit 2016 im traditionell<br />

konservativen North Carolina, und das mit einem<br />

republikanisch dominierten Parlament. Sein<br />

Bundesstaat steht bei Wirtschaftswachstum<br />

und Arbeitslosigkeit regelmäßig gut da<br />

Fotos: Adam Schultz/Official White House Photo, Jose Torres/Reuters, Nathan Howard/Reuters, dpa, AP, Reuters<br />

<strong>FOCUS</strong> <strong>31</strong>/<strong>2024</strong><br />

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