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RA 08/2024 - Entscheidung des Monats

Im vorliegenden Beschluss prüft der BGH das unmittelbare Ansetzen zu einem (qualifizierten) Diebstahl.

Im vorliegenden Beschluss prüft der BGH das unmittelbare Ansetzen zu einem (qualifizierten) Diebstahl.

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<strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />

UnmitelbaresAnsetzenzum Diebstahlsversuch


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<strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />

Strafrecht<br />

437<br />

Problem: Unmittelbares Ansetzen zum<br />

Diebstahlsversuch<br />

Einordnung: Strafrecht AT I / Versuch<br />

BGH, Beschluss vom 12.12.2023<br />

3 StR 422/23<br />

EINLEITUNG<br />

Im vorliegenden Beschluss prüft der BGH das unmittelbare Ansetzen zu einem<br />

(qualifizierten) Diebstahl.<br />

SACHVERHALT<br />

Der Angeklagte R einige sich mit den Mitangeklagten A, B und C, künftig<br />

eine noch unbestimmte Anzahl von Einbrüchen in private Wohnhäuser zu<br />

begehen, um dort Wertsachen zu entwenden. R verfügte als einziger über<br />

eine Fahrerlaubnis, fungierte als Fahrer und schlug ihm anderweitig bereits<br />

bekannte Gebäude als Tatobjekte vor. B und C führten die Einbruchdiebstähle<br />

aus und wurden in ihrer Entschlossenheit durch den die Fahrten begleitenden<br />

A bestärkt.<br />

Am 09.03.2020 wollte die Vierergruppe erneut eine Tat begehen. R fuhr sie zu<br />

einem Einfamilienhaus. B und C kletterten über den 2,2 m hohen Metallzaun<br />

auf das Grundstück, gingen zur Terrassentür und schauten ins Haus. Sie führten<br />

einen Schraubendreher bei sich, mit dem sie die Terrassentür aufbrechen<br />

wollten. Da der Bewohner W sie bemerkt hatte, verständigte er die Polizei. Als<br />

B und C die sich rasch nähernden Polizeiwagen bemerkten, flüchteten sie, da<br />

sie glaubten, die geplante Tat nun nicht mehr vollenden zu können.<br />

Haben B und C sich durch ihr Verhalten am 09.03.2020 strafbar gemacht?<br />

[Anm.: §§ 123, 243, 244 I Nr. 1, 246, 303 StGB sind nicht zu prüfen.]<br />

PRÜFUNGSSCHEMA: VERSUCHTER DIEBSTAHL IN MITTÄTERSCHAFT,<br />

§§ 242 I, 22, 23 I StGB<br />

A. Vorprüfung<br />

B. Tatentschluss<br />

I. Bzgl. fremder beweglicher Sache<br />

II. Bzgl. Wegnahme<br />

III. Bzgl. Mittäterschaft, § 25 II StGB<br />

IV. Zueignungsabsicht<br />

V. Bzgl. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung<br />

C. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB<br />

D. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

E. Kein Rücktritt gem. § 24 StGB<br />

LEITSÄTZE DER REDAKTION<br />

1. Ein unmittelbares Ansetzen liegt<br />

nicht erst dann vor, wenn der<br />

Täter bereits ein Merkmal <strong>des</strong><br />

gesetzlichen Tatbestands verwirklicht;<br />

in den Bereich <strong>des</strong> Versuchs<br />

einbezogen ist ein für sich<br />

gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges<br />

Handeln, soweit es nach<br />

der Vorstellung <strong>des</strong> Täters der Verwirklichung<br />

eines Tatbestandsmerkmals<br />

räumlich und zeitlich<br />

unmittelbar vorgelagert ist oder<br />

nach dem Tatplan im ungestörten<br />

Fortgang ohne Zwischenakte in<br />

die Tatbestandsverwirklichung<br />

einmünden soll; ein wesentliches<br />

Abgrenzungskriterium ist das<br />

aus der Sicht <strong>des</strong> Täters erreichte<br />

Maß konkreter Gefährdung <strong>des</strong><br />

geschützten Rechtsguts.<br />

2. Handlungen, die keinen tatbestandsfremden<br />

Zwecken dienen,<br />

sondern wegen ihrer notwendigen<br />

Zusammengehörigkeit mit<br />

der Tathandlung nach dem Plan<br />

<strong>des</strong> Täters als deren Bestandteil<br />

erscheinen, weil sie an diese<br />

zeitlich und räumlich angrenzen<br />

und mit ihr im Falle der Ausführung<br />

eine natürliche Einheit<br />

bilden, sind nicht als der Annahme<br />

unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende<br />

Zwischenakte<br />

anzusehen.<br />

3. Mittäter treten einheitlich in das<br />

Versuchsstadium ein, sobald<br />

auch nur einer von ihnen zu der<br />

tatbestandlichen Ausführungshandlung<br />

ansetzt.<br />

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438 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

LÖSUNG<br />

A. Strafbarkeit gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 3, IV, 25 II, 22, 23 I StGB<br />

B und C könnte sich durch das Betreten <strong>des</strong> Grundstücks wegen versuchten<br />

Banden- und schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls in Mittäterschaft<br />

gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 3, IV, 25 II, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

Tatentschluss ist der Wille zur Verwirklichung<br />

der objektiven Tatumstände<br />

bei gleichzeitigem Vorliegen<br />

eventuell erforderlicher besonderer<br />

subjektiver Tatbestandsmerkmale.<br />

Sache ist jeder körperliche Gegenstand.<br />

Beweglich ist eine Sache, die fortgeschafft<br />

werden kann.<br />

Fremd ist eine Sache, die zumin<strong>des</strong>t<br />

auch im Eigentum einer anderen<br />

Person steht.<br />

Wegnahme ist der Bruch fremden<br />

und die Begründung neuen, nicht<br />

notwendig tätereigenen, Gewahrsams.<br />

Tatherrschaftslehre: Joecks,/Jaeger,<br />

StGB, § 25 Rn 8; Roxin, Strafrecht AT II,<br />

§ 25 Rn 32<br />

Modifizierte Animus-Theorie: BGH,<br />

Urteil vom 27.09.2012, 4 StR 255/12,<br />

NStZ-RR 2013, 40<br />

I. Vorprüfung<br />

Da es nicht zu einer Wegnahme kam, ist keine Strafbarkeit wegen vollendeter<br />

Tat gegeben. § 244 IV StGB ist gem. § 12 I StGB ein Verbrechen, sodass<br />

gem. § 23 I StGB der Versuch strafbar ist.<br />

II. Tatentschluss<br />

1. Bzgl. Grunddelikt: §§ 242 I, 25 II StGB<br />

a) Bzgl. fremder beweglicher Sache<br />

B und C wussten, dass die Wertsachen, auf die sie es abgesehen hatten, im<br />

Eigentum <strong>des</strong> W standen und hatten somit Tatentschluss bzgl. fremder<br />

beweglicher Sachen.<br />

b) Bzgl. Wegnahme<br />

B und C hatte sich vorgestellt, dass W Gewahrsam an den Sachen in diesem Haus<br />

hätten, dass also fremder Gewahrsam bestünde. Sie wollten auch durch den<br />

geplanten Abtransport der Sachen neuen Gewahrsam begründen. Da sie sich<br />

auch kein Einverständnis von Seiten <strong>des</strong> W vorstellten, gingen sie von einem<br />

Gewahrsamsbruch aus, hatten also Tatentschluss bzgl. einer Wegnahme.<br />

c) Bzgl. Mittäterschaft, § 25 II StGB<br />

B und C hatten sich vorgestellt, die Tatausführung arbeitsteilig zu erbringen<br />

auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatentschlusses auch mit den weiteren<br />

Beteiligten A und R. B und C wollten die eigentliche Tathandlung <strong>des</strong><br />

Diebstahls, die Wegnahme, selbst ausführen, stellten sich also vor als Zentralfiguren<br />

das Geschehen planvoll lenkend in den Händen zu halten, so dass<br />

sie Tatentschluss bzgl. der nach der Tatherrschaftslehre für die Mittäterschaft<br />

erforderlichen Tatherrschaft hatten. Da sie glaubten, die Tatherrschaft innezuhaben,<br />

entscheidende Beiträge für die Vollendung erbringen wollten und<br />

sie sich einen erheblichen Beuteanteil versprachen, haben sie auch mit dem<br />

nach der modifizierten Animus-Theorie für die Täterschaft erforderlichen<br />

Täterwillen gehandelt. B und C haben sich also eine mittäterschaftliche<br />

Begehung i.S.v. § 25 II StGB vorgestellt.<br />

d) Zueignungsabsicht<br />

B und C hatten die Absicht, die weggenommenen Wertsachen zumin<strong>des</strong>t vorübergehend<br />

ihrem Vermögen und dem Vermögen der anderen Beteiligten<br />

einzuverleiben (Aneignungsabsicht) und den Willen, den Berechtigten W<br />

dauerhaft aus der Eigentümerposition zu verdrängen (Enteignungswille),<br />

haben also mit Zueignungsabsicht gehandelt.<br />

e) Bzgl. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung<br />

B und C wusste, dass kein Anspruch auf die Zueignung der Wertsachen<br />

bestand, hatten also Tatentschluss bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten<br />

Zueignung.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

Strafrecht<br />

439<br />

2. Bzgl. Qualifikation: § 244 StGB<br />

a) Bzgl. § 244 I Nr. 2 StGB<br />

B und C könnten sich auch die Voraussetzungen <strong>des</strong> Qualifikationstatbestands<br />

<strong>des</strong> Bandendiebstahls gem. § 244 I Nr. 2 StGB vorgestellt haben.<br />

aa) Bzgl. Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung verbunden hat<br />

B und C waren sich <strong>des</strong>sen bewusst, dass sie sich mit A und R zur fortgesetzten<br />

Begehung von Diebstahlstaten verbunden haben. Bei einem<br />

gewollten Zusammenschluss von vier Personen haben sie sich auch eine<br />

Bande vorgestellt.<br />

bb) Bzgl. eigener Bandenmitgliedschaft<br />

B und C haben sich auch vorgestellt, als Mitglieder der Bande zu handeln.<br />

cc) Bzgl. Stehlen unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds<br />

B und C wollten jeweils selbst wegnehmen, also stehlen, und auch unter Mitwirkung<br />

<strong>des</strong> jeweils anderen Bandenmitglieds (also B unter Mitwirkung <strong>des</strong><br />

C und umgekehrt).<br />

b) Bzgl. § 244 I Nr. 3 StGB<br />

B und C könnten auch Tatentschluss bzgl. bzgl. eines qualifizierten Wohnungseinbruchsdiebstahls<br />

gem. § 244 I Nr. 3 StGB gehabt haben.<br />

aa) Bzgl. Wohnung<br />

B und C wussten, dass in dem Einfamilienhaus zumin<strong>des</strong>t ein Mensch lebte,<br />

hatten also Tatentschluss bzgl. einer Wohnung.<br />

bb) Bzgl. Tathandlung<br />

B und C hatten sich vorgestellt, die Terrassentür unter Zuhilfenahme eines<br />

Schraubendrehers mit Gewalt zu öffnen, hatten also Tatentschluss bzgl.<br />

eines Einbrechens.<br />

Mehrere Personen haben sich zur<br />

fortgesetzten Begehung von Straftaten<br />

verbunden, wenn sie den<br />

gemeinsamen Entschluss gefasst<br />

haben, in Zukunft mehrere selbstständige,<br />

im Einzelnen ggf. noch<br />

ungewisse, Taten zu begehen.<br />

Nach einer M.M. kann bereits<br />

der Zusammenschluss von zwei<br />

Personen eine Bande darstellen<br />

(Schönke/Schröder, StGB, § 244<br />

Rn 24), nach h.M. ist eine Bande erst<br />

ab einem Zusammenschluss von<br />

min<strong>des</strong>tens drei Personen möglich<br />

(BGH, Beschluss vom 22.03.2001,<br />

GSSt 1/00, NJW 2001, 2266; Fischer,<br />

StGB, § 244 Rn 35 f.).<br />

Wohnung ist jeder umschlossene<br />

und überdachte Raum, der wenigstens<br />

einem Menschen zumin<strong>des</strong>t<br />

vorübergehend als Unterkunft dient.<br />

Einbrechen ist das gewaltsame Öffnen<br />

von Umschließungen, die dem Eintritt<br />

in die Wohnung entgegenstehen.<br />

cc) Handeln zur Ausführung der Tat<br />

B und C wollten auch den geplanten Diebstahl gerade durch das Einbrechen<br />

ermöglichen und handelten somit zur Ausführung der Tat.<br />

c) Bzgl. § 244 IV StGB<br />

B und C wussten, dass es sich bei der Wohnung, in die sie zur Ausführung <strong>des</strong><br />

Diebstahls einbrechen wollten, um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung<br />

handelte, hatten also Tatentschluss bzgl. der Begehung eines schweren<br />

Wohnungseinbruchsdiebstahls gem. § 244 IV StGB.<br />

III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB<br />

B und C müssten auch unmittelbar zur Verwirklichung <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong><br />

angesetzt haben, § 22 StGB.<br />

„[11] aa) Ein unmittelbares Ansetzen liegt nicht erst dann vor, wenn der<br />

Täter bereits ein Merkmal <strong>des</strong> gesetzlichen Tatbestands verwirklicht.<br />

In den Bereich <strong>des</strong> Versuchs einbezogen ist ein für sich gesehen noch<br />

nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung<br />

<strong>des</strong> Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich<br />

und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im<br />

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440 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

BGH, Beschluss vom 07.<strong>08</strong>.2014,<br />

3 StR 105/14, NStZ 2015, 207; Hoven/<br />

Hahn, NStZ 2021, 588; Murmann,<br />

NStZ 2022, 201<br />

BGH, Beschluss vom 17.02.2022,<br />

4 StR 223/21, NJW-Spezial 2022, 313<br />

Streitig ist, ob ein Fehlschlag <strong>des</strong><br />

Versuchs von vorneherein einen<br />

Rücktritt ausschließt (BGH, Beschluss<br />

vom 19.05.1993, GSSt 1/93, NJW<br />

1993, 2061; Roxin Strafrecht AT II,<br />

§ 30 Rn 78) oder lediglich die für den<br />

Rücktritt erforderliche Freiwilligkeit<br />

entfallen lässt (Putzke, ZJS 2013,<br />

620; Scheinfeld, JuS 2002, 250). Da<br />

jedoch beide Meinungen immer zu<br />

dem identischen Ergebnis kommen,<br />

dass bei einem Fehlschlag kein<br />

strafbefreiender Rücktritt vorliegt,<br />

handelt es sich hierbei um ein rein<br />

dogmatisches Problem, das im Gutachten<br />

nur darzustellen ist, wenn<br />

dies an der jeweiligen Universität so<br />

verlangt wird.<br />

ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung<br />

einmünden soll. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts<br />

der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung<br />

unter Beachtung der Umstände <strong>des</strong> Einzelfalles. Ein wesentliches<br />

Abgrenzungskriterium ist das aus der Sicht <strong>des</strong> Täters erreichte<br />

Maß konkreter Gefährdung <strong>des</strong> geschützten Rechtsguts. Die Dichte <strong>des</strong><br />

Tatplans kann für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium<br />

ebenfalls Bedeutung gewinnen. So sind Handlungen, die keinen<br />

tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen<br />

Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan <strong>des</strong><br />

Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und<br />

räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche<br />

Einheit bilden, nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens<br />

entgegenstehende Zwischenakte anzusehen. Mittäter treten einheitlich<br />

in das Versuchsstadium ein, sobald auch nur einer von ihnen<br />

zu der tatbestandlichen Ausführungshandlung ansetzt.<br />

[12] bb) Hieran gemessen ist den Feststellungen ein unmittelbares<br />

Ansetzen zu entnehmen. Nach der Vorstellung der Täter wollten sie in das<br />

Einfamilienhaus einbrechen, nachdem sie dazu den umgebenden Zaun<br />

überklettert und die Terrassentür erreicht hatten. Es ging ihnen nicht etwa<br />

darum, zunächst das Haus näher auszukundschaften, ob es ein lohnenswertes<br />

Objekt darstellt, sondern sie hatten sich […] bereits entschlossen,<br />

das Gebäude anzugehen und daraus Sachen zu entwenden. Das noch<br />

erforderliche Aufbrechen der Tür stellte hier demnach keinen eigenständigen<br />

Zwischenakt dar, sondern stand in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit der Wegnahme von Gegenständen, die sich nach der Planung<br />

sofort anschließen sollte. Angesichts <strong>des</strong> beabsichtigten fortlaufenden<br />

Geschehens war zu diesem Zeitpunkt das geschützte Rechtsgut bereits<br />

gefährdet. […]<br />

[13] Dass die gesondert Verfolgten beim Herantreten an die Terrassentür<br />

keine Brecheisen (‚Kuhfüße‘) mit sich führten, sondern lediglich einen<br />

Schraubendreher, steht einem unmittelbaren Ansetzen nicht entgegen.<br />

So ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Täter das Werkzeug bei<br />

sich hatten, um gewaltsam in das Haus einzudringen. Mithin gingen sie<br />

ersichtlich davon aus, die Tür mittels <strong>des</strong> Schraubendrehers öffnen zu<br />

können. Dass ihr Vorhaben möglicherweise hätte scheitern können, ist dem<br />

Versuch immanent und ändert nichts an der aus ihrer Perspektive direkt<br />

bevorstehenden Tatbestandsverwirklichung.“<br />

B und C haben also unmittelbar angesetzt.<br />

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

B und C handelten rechtswidrig und schuldhaft.<br />

V. Kein Rücktritt gem. § 24 StGB<br />

Als sie die sich nähernde Polizei bemerkten, glaubten B und C, die geplante Tat<br />

mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht vollenden zu können.<br />

Somit liegt ein Fehlschlag <strong>des</strong> Versuchs vor, der einen strafbefreienden<br />

Rücktritt gem. § 24 StGB ausschließt.<br />

VI. Ergebnis<br />

B und C sind strafbar gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 3, IV, 25 II, 22, 23 I StGB.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>08</strong>/<strong>2024</strong><br />

Strafrecht<br />

441<br />

B. Strafbarkeit gem. §§ 244a I, 25 II, 22, 23 I StGB<br />

Durch das Betreten <strong>des</strong> Grundstücks könnten B und C sich auch wegen versuchten<br />

schweren Bandendiebstahls in Mittäterschaft gem. §§ 244a I,<br />

25 II, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Vorprüfung<br />

B und C haben nichts weggenommen, sodass keine Strafbarkeit wegen vollendeter<br />

Tat vorliegt. Beim schweren Bandendiebstahl handelt es sich um ein<br />

Verbrechen, §§ 244a I, 12 I StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit aus<br />

§ 23 I StGB ergibt.<br />

II. Tatentschluss<br />

1. Bzgl. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 25 II StGB<br />

B und C hatten Tatentschluss zur Begehung eines mittäterschaftlichen<br />

Bandendiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 25 II StGB (s.o.).<br />

2. Bzgl. qualifizierender Elemente<br />

B und C hatten auch Tatentschluss bzgl. der Voraussetzungen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls<br />

gem. § 244 I Nr. 3 StGB (s.o.), haben sich also<br />

Umstände vorgestellt, die den Bandendiebstahl zum schweren Bandendiebstahl<br />

qualifizieren.<br />

III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB<br />

B und C haben zum versuchten (Banden-)Diebstahl und damit auch zum versuchten<br />

schweren Bandendiebstahl i.S.v. § 22 StGB unmittelbar angesetzt<br />

(s.o.).<br />

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

B und c handelten rechtswidrig und schuldhaft.<br />

V. Kein Rücktritt gem. § 24 StGB<br />

Aufgrund <strong>des</strong> Fehlschlags <strong>des</strong> Versuchs (s.o.) scheidet ein strafbefreiender<br />

Rücktritt gem. § 24 StGB aus.<br />

VI. Ergebnis<br />

B und C sind strafbar gem. §§ 244a I, 25 II, 22, 23 I StGB.<br />

C. Gesamtergebnis und Konkurrenzen<br />

Der versuchte Bandendiebstahl, §§ 242 I, 244 I Nr. 2, 25 II, 22, 23 I StGB tritt hinter<br />

der Qualifikation <strong>des</strong> versuchten schweren Bandendiebstahls, §§ 244a I, 25 II,<br />

22, 23 I StGB zurück. Der versuchte schwere Wohnungseinbruchsdiebstahl,<br />

§§ 242 I, 244 I Nr. 3, IV, 25 II, 22, 23 I StGB, und der versuchte schwere Bandendiebstahl,<br />

die durch dieselbe Handlung verwirklicht wurden, stehen aufgrund<br />

der unterschiedlichen Schutzgüter in Tateinheit, § 52 StGB, nebeneinander.<br />

Schönke/Schröder, StGB, § 244a Rn 11<br />

FAZIT<br />

Eine schöne Klausurvorlage. Die Lösung <strong>des</strong> BGH zum unmittelbaren Ansetzen<br />

ist aufgrund der hier – wie der BGH selbst ausführt – stets zu berücksichtigenden<br />

Einzelfallumstände aber wohl nicht zwingend.<br />

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