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Noor Inayat Khan: Gesamtwerk in 4 Bänden - Band 3: Aède-Leseprobe

Noor Inayat Khan gestaltet eine eigene und zugleich tiefer gehende Form dieser abenteuerlichen Heldenreise. In der darin verborgenen Seelengeschichte werden sich viele von uns wiederfinden. Unter den Händen Noor Inayat Khans erhält Homers Epos Odyssee ein neues, leuchtendes Gewand. Die bewegende und symbolische Neuinterpretation der Irrfahrten und der Heimreise des Odysseus und sein Wiedersehen mit Penelope und Telemachus wurde geschrieben, kurz bevor die Autorin selbst ihre eigene mutige Reise als Widerstandskämpferin in den Zweiten Weltkrieg antrat.

Noor Inayat Khan gestaltet eine eigene und zugleich tiefer gehende Form dieser abenteuerlichen Heldenreise. In der darin verborgenen Seelengeschichte werden sich viele von uns wiederfinden. Unter den Händen Noor Inayat Khans erhält Homers Epos Odyssee ein neues, leuchtendes Gewand.

Die bewegende und symbolische Neuinterpretation der Irrfahrten und der Heimreise des Odysseus und sein Wiedersehen mit Penelope und Telemachus wurde geschrieben, kurz bevor die Autorin selbst ihre eigene mutige Reise als Widerstandskämpferin in den Zweiten Weltkrieg antrat.

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Dieser Band ist Teil des

Gesamtwerks in 4 Bänden:

Band 1: Leben und Werk

Band 2: Zwanzig Jataka-Erzählungen

Band 3: Aède von Ozean und Land

Band 4: König Akbar und seine Tochter


Noor Inayat Khan

Aède

von Ozean und

Land

Ein Spiel in sieben Akten

Illustriert von

Natsuyo Koizumi


Titel der englischen Originalausgabe: „Dream Flowers“

The Collected Works of Noor Inayat Khan

© Published by Sulūk Press, an imprint of Omega Publications, Inc., 2020

Gesamtwerk in 4 Bänden von Noor Inayat Khan

Band 3: Noor Inayat Khan – Aède von Ozean und Land

Übersetzung Karla Reimert Montasser

Lektorat: Kerstin Fatiha Streuff

Korrektorat: Hans-Peter Baum

Redaktion: Uta Maria Baur

Illustrationen: Natsuyo Koizumi

Umschlag und Schuber: Martina Berge

Innenlayout: Hauke Jelaluddin Sturm

1. Ausgabe 2024

Diese Publikation wurde durch eine Verlagsprämie

des Freistaats Bayern 2021 ausgezeichnet

Der Verlag dankt auch den vielen Spenderinnen und Spendern, die

die Realisierung dieses aufwendigen Werkes ermöglicht haben.

Verlag Heilbronn

D-82398 Polling

Verkehrsnummer 14894

www.verlag-heilbronn.de

info@verlag-heilbronn.de

ISBN: 978-3-936246-54-4

Alle Rechte vorbehalten, © Verlag Heilbronn

Gedruckt in Tschechien


Inhalt

Einige Worte zur Neugestaltung des Epos 7

Personen des Dramas 10

Aède von Ozean und Land

Akt 1 13

Akt 2 17

Akt 3 29

Akt 4 41

Akt 5 69

Akt 6 89

Akt 7 101


6


Einige Worte zur Neugestaltung

des Epos

N

oor Inayat Khan hat „Aède von Ozean und Land“

in einem Notizbuch niedergeschrieben, das von

ihrer Schwester Khair-un-nisa aufbewahrt wurde. Dieses

Notizbuch ist undatiert und enthält keine Informationen

zum Kontext der Entstehung des Stücks. Wahrscheinlich

hat Noor Inayat Khan die „Aède“ in ihrem produktivsten

Zeitraum zwischen 1938 und 1940 verfasst. Ein

Typoskript, offenbar von Khair-un-nisa erstellt, bildet

die Textgrundlage in diesem Band. Der Text wurde leicht

redigiert, um die Schreibweise einiger Wörter zu modernisieren.

Das Epos wurde 2018 von Omega/Sulūk Press

veröffentlicht und im selben Jahr erstmals in der Schweiz

aufgeführt.

7


„A

ède von Ozean und Land“ ist das einzige dramatische

Werk Noor Inayat Khans. Es erzählt eine

Odyssee, also eine sehr lange Reise mit furchterregenden,

aber auch wunderschönen Abenteuern, mit Irrungen und

Wirrungen, die letztendlich doch nach Hause führt. Als Nacherzählung

oder reine Interpretationsvariante von Homers

Heldenstory „Odyssee“ ist das Epos allerdings nicht zu verstehen.

„Aède“ will vielmehr eine völlig neue künstlerische Gestaltung

der ursprünglichen Rahmenhandlung und Figuren

sein. Die Autorin kombiniert hier Elemente des griechischen

Mythos mit der Philosophie und spirituellen Lehre ihres Vaters,

des Musikers und Sufi-Weisen Hazrat Inayat Khan und

lässt sich leiten von ihrer eigenen mystischen Vision der Reise

des Lebens.

Diese Vision gründet in dem tiefen Glauben, dass jede Seele

zu ihrem Ursprung, zu der göttlichen Quelle des Lichtes und

der Liebe hinstrebt. „Ach! Verzweifle nicht, wenn deine Augen

vergeblich Ausschau halten, dorthin, wo Himmel und Erde sich

vereinen; denn hat auch der Ehrgeiz mich von dir fortgeführt, so

wird die Liebe mir den Weg zurück weisen.“, prophezeit Ulys

seiner geliebten Penelope.

Menschliche Grausamkeit, wie sie uns aus der „Odyssee“ bekannt

ist, kommt in „Aède“ nicht vor. So beachtet Ulys bei seiner

Rückkehr die gemeinen Freier nicht einmal. Stattdessen ringt

er um die richtige Entscheidung zwischen zwei Arten der Liebe,

seiner Liebe zur irdischen Existenz mit Familie und Königsthron

und der Liebe zum Unendlichen, die seine Sehnsucht nährt.

Literarisch betrachtet, ist „Aède von Ozean und Land“, eine

spannende und faszinierende Heldenreise in sieben Etappen

(„Ein Spiel in sieben Akten“) über Berge und Täler hinweg. Kontemplativ

betrachtet, symbolisiert es die Reise nach innen, eine

mystische Wanderung der Seele ihrem Ursprung entgegen.

8


Noor Inayat Khan hat ihrem Drama eine sehr schöne Sprache

gegeben, voller Poesie und Leuchtkraft, gut für die Theaterbühne

geeignet. Ob feierliche Lobrede, um die Gunst der

Götter zu gewinnen, ob höchst dramatisches Kampfgetümmel

rund um die unbändigen Naturgewalten, ob tiefsinniger Dialog

über letzte Fragen des Lebens oder bezaubernde lyrische Landschaftsidylle

in den Szenenanweisungen: Die Vielfalt der

Ausdrucksformen macht die Lektüre dieses fiktionalen Textes

zu einem wahren Lesevergnügen.

„Aède von Ozean und Land“ ist ein vielschichtiges dichterisches

Werk, das fast alle Ebenen unseres Erdenlebens berührt

und das sich lohnt, mehrmals zu lesen. Die abenteuerliche

Rückreise des trojanischen Helden, seine Erlebnisse mit

Meerungeheuern, mit überirdischen Naturschönheiten, betörenden

Nymphen, magischen Helfern aus der Götterwelt und

den Verlockungen paradiesischer Inseln werden Leserinnen

und Leser schon bei der ersten Lektüre in ihren Bann ziehen.

Doch wer sich auf die eigene Abenteuerreise nach innen begibt

und kontemplativ mit dem Herzen liest, wird mit einer Fülle

von sprachlicher Schönheit und spiritueller Weisheit reich beschenkt

werden.

9


Personen des Dramas

Ulys: König der Insel Ithaka

Penelope: Frau des Ulys

Telemach: Sohn des Ulys (Akt 3, 11 Jahre; Akt 5, 15 Jahre;

Akt 6, 16-17 Jahre)

Laertes: Vater des Ulys

Eurykleia: Alte Amme des Ulys

Krieger des Heeres von Ulys

Kalypso: Eine Göttin

Hirtenjunge auf Ithaka

Antinoos: Anführer der Freier

Melanthios: Anführer der Freier

Theoklymenos: Anführer der Freier

Freier und Eindringlinge

Peiraios: Diener der Freier

Mentor: Aède (Epensänger)

Nymphe auf der Insel Laore

Alose, Fluss auf der Insel Laore

Hirtenjunge auf Ire

Ire

Gefangene von Ire

Gefährten des Ulys

Sirenen

Charybdis und Skylla

Apollo: Gott der Musik und der Dichtkunst

Orpheus

Zeus: König der Götter

Ares: Gott des Krieges

Hermes: Bote der Götter

Eros (Amor): Botschafter der Liebe

10


Aeneas: Sohn der Aphrodite

Aphrodite (Venus): Göttin der Liebe

Poseidon (Neptun): Gott des Wassers

Pallas Athene: Göttin des Schutzes

11



Akt 1

Szene 1

Der Vorhang hebt sich, eine Sinfonie erklingt. Goldener Sand

glitzert am Meeresstrand. Die Sonne steht im Zenit. Schiffe warten

vertäut am Ufer. Undeutliche Stimmen nähern sich von fern,

werden langsam lauter und lauter. Hinter einem sehr großen

Felsen treten die Krieger des Ulys hervor. Triumphgesang erschallt

und wird von den murmelnden Wellen als Echo zurückgeworfen.

In der Ferne undeutliche Stimmen:

Sieg! Oh! Ewiger Zeus!

Sieg, oh! Sieg! Zeus, göttlicher Zeus!

Dich verehren wir!

Vor dir verneigen wir uns! (Etwas lauter.)

(Leises Echo.)

Dich verehren wir, vor dir verneigen wir uns!

(Allmählich lauter.)

Zeus! Unsterblicher Zeus!

Freut euch, oh tapfere Achaier,

freut euch über die Nachricht vom Sieg!

Freut euch! Oh, freut euch!

Ruhm hat Zeus den Achaiern geschenkt.

13


(Die Achaier treten hinter dem Felsen hervor.)

Ruhm hat Zeus den Achaiern geschenkt.

ULYS: (Erhebt seine Lanze gen Himmel.)

Dich verehren wir, vor dir verneigen wir uns!

(Die Krieger stehen in einem riesigen Halbkreis, sie erheben ihre

Lanzen zum Himmel und entzünden Weihrauch.)

DIE KrIEGER:

Oh, Zeus! Nimm unser Opfer an und erhöre unsere

innigen Gebete!

(Alle neigen ihre Köpfe, legen dann als Opfergabe ihre Lanzen

und Schilde an einer Stelle im Sand nieder. Kehren anschließend

auf ihre Positionen zurück.)

ULYS:

Allmächtiger Zeus! Nimm unser Opfer an und erhöre

unsere innigen Gebete!

DIE KRIEGER:

Dir Zeus und dir, oh göttlicher Ares, opfern wir die

Zeichen unseres Ruhms, denn eurer Gunst allein

verdanken wir unseren Sieg! Oh! Gott der Götter, halte

deine schützende Hand über uns, geleite uns über

den gewaltigen Ozean und führe uns zurück in unsere

geliebte Heimat.

14


ULYS: (Als Echo.)

Breite deine schützenden Arme über uns und führe uns

zurück in unsere geliebte Heimat!

DIE KRIEGER:

Oh! Unsterblicher Zeus!

(Sie schreiten zu den Schiffen und betreten diese, Gruppe für

Gruppe. Die Lanzen und Schilde bleiben aufgetürmt an Land

zurück. Während die Krieger das Schiff des Ulys flottmachen,

steht dieser in stolzer Haltung und blickt entschlossen in die Ferne.

Erste Schiffe verlassen das Ufer. Ulys geht gemeinsam mit

weiteren Kriegern an Bord seines Schiffes.)

ULYS: (An Bord des Schiffes, erhebt die Hand zum Horizont,

mit kraftvoller Stimme.)

Oh! Penelope, ich komme zu dir!

VORHANG

15



Akt 2

Szene 1

Die Insel der Kalypso im Morgengrauen. Die Höhle der Göttin.

Darin eine kleine rote Flamme, die sanft in einem Weihrauchgefäß

brennt, das neben einem Krug und einer Schale steht. Im

Innern der Höhle zwei aus dem Felsen gehauene Sitze. Die Insel

steht in üppiger Blüte, überall exotische Blumen und Bäume.

Am Strand liegen glitzernde Perlen und wundersame Muscheln,

dahinter der Ozean.

Ulys schlafend unter einem Baum, neben ihm seine Lyra und

ein Holzboot. Kalypso tritt majestätisch aus der Höhle und nähert

sich Ulys. Sie ist in blassblaue Schleier gehüllt.

Kalypso:

Erwache! Oh Sohn des Laertes, erwache! Schon sind

die Streitwagen der Nacht über den Himmel gezogen,

und um die Sonne zu grüßen haben sich vom Schlaf

erhoben die Götter. Nur auf den Blumen perlen noch

die Tränentropfen, denn zu Tränen gerührt wurden sie

von den Seufzern der Nacht. Hera jubelt im Olymp, nur

du, oh tapferer Krieger, liegst immer noch schlafend –

wurdest du etwa von deinen Träumen überwältigt? Oh!

Erhebe dich, und begrüße das Tageslicht!

17


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