Die Zeitschrift "monat" 3/2024
Nationalratswahl 2024 Interviews mit Spitzenkandidat*innen Wahl-Info in Leichter Sprache
Nationalratswahl 2024
Interviews mit Spitzenkandidat*innen
Wahl-Info in Leichter Sprache
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Die Zeitschrift
monat
Ausgabe 3/2024
Nationalratswahl 2024
Interviews mit Spitzenkandidat*innen
Wahl-Info in Leichter Sprache
behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 EUR/Ausland + Porto
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Liebe Leser*innen!
editorial
Am 29. September 2024 werden die Abgeordneten
für den Nationalrat gewählt. Deshalb
haben wir den Schwerpunkt dieser Ausgabe der
Nationalratswahl gewidmet.
Das Bundesministerium für Inneres stellt umfassende Informationen über
die Nationalratswahl in leichter Sprache zur Verfügung. Sie finden diese ab
Seite 18. Wir bedanken uns nicht nur für diesen Text, sondern auch für die finanzielle
Unterstützung, die eine Verbreitung dieser Ausgabe in einer Auflage
von 23.800 Stück ermöglicht.
Im Vorfeld der Wahl sprach ich mit vier Spitzenkandidat*innen der im
Nationalrat vertretenen Parteien über sozial- und behindertenpolitische
Themen.
Andreas Babler, Herbert Kickl, Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger
erklärten ihre Standpunkte zu einem Inklusionsfonds, Kandidat*innen mit
Behinderungen, den Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses
an Österreich, Sonderschulen, einem Rechtsanspruch auf ein 11. und 12.
Schuljahr an der Stammschule, dem Pilotprojekt zur Harmonisierung Persönlicher
Assistenz, einem chancengleichen Zugang zum Arbeitsmarkt und
zum Gesundheitssystem für Menschen mit Behinderungen, einem inklusiven
Arbeitszeitmodell sowie zur Ausgleichstaxe. Sie sind neugierig geworden? Die
Abschriften der Interviews lesen Sie in diesem Magazin!
Leider stand Karl Nehammer (ÖVP) trotz unserer mehrmaligen Anfragen und
umfassenden Bemühungen für kein persönliches Interview zur Verfügung.
Über die Sensibilisierungstage zum Thema „barrierefrei wählen“
im Parlament berichten wir ab Seite 32.
Foto: Lukas Ilgner
Ab Seite 34 lesen Sie einen Bericht über den Parlamentsbesuch des Forum
Selbstvertretung des Österreichischen Behindertenrats. •
Mit besten Wünschen
Ihr Klaus Widl
www.behindertenrat.at
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Aus dem Inhalt
Ausgabe 3/2024
Interviews mit Spitzenkandidat*innen
für die Nationalratswahl
Übersichtstabelle 6-9
Interview mit
Andreas Babler 10-13
Interview mit
Herbert Kickl 14-17
Informationen zur Nationalratswahl
in Leichter Sprache 18-23
Interview mit
Werner Kogler 24-27
Interview mit
Beate Meinl-Reisinger 28-31
Sensibilisierungstage
im Parlament 32-33
Gefördert aus den Mitteln des
Sozialministeriums
Forum Selbstvertretung
im Parlament 34-35 Wahl-Informationen
Wenn eine Person wählen will, ist
es gut, wenn sie sich davor über die
Wahl informieren kann. Das Bundes-Ministerium
für Inneres stellt
deshalb Informationen in Leichter
Sprache zur Verfügung.
Interviews
Behindertenrat-Präsident Klaus Widl
sprach mit vier Spitzenkandidat*innen
der im Nationalrat vertretenen
Parteien, die bei der Nationalratswahl
2024 kandidieren, über behindertenpolitisch
relevante Themen.
Seiten 18-23
Seiten 10-17 und 24-31
IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Klaus Widl · Chefredaktion: Mag. Kerstin
Huber-Eibl · Lektorat: Dipl. Sozialpädagogin Eva-Maria Fink · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11 · Tel.: 01 513
1533 · Mail: presse@behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.
behindertenrat.at/impressum · Anzeigen, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH, 8151 Hitzendorf - Zweigstelle:
4800 Attnang-Puchhheim - Tel.: 07674 62 900 - Web: www.diemedienmacher.co.at · Cover: Mag. Victoria Biber, LL.M. ·
Nachdruck nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt
der Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische
Themen und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung:
easybank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort: Wien
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Nationalratswahl
Interviews mit Spitzenkandidat*innen
für die Nationalratswahl am
29. September 2024
Behindertenrat-Präsident Klaus Widl sprach mit vier Spitzenkandidat*innen der im Nationalrat
vertretenen Parteien über sozial- und behindertenpolitische Themen. In der nachfolgenden
Tabelle finden Sie Kernaussagen der in diesem Magazin veröffentlichten Interviews.
Andreas Babler, SPÖ
(Interview am 12. Juli 2024)
Herbert Kickl, FPÖ
(Interview am 14. Juni 2024)
Was bedeutet Inklusion für
Sie und worin sehen Sie in
Ihrer Arbeit als Politiker*in
den größten Handlungsbedarf?
Inklusion ist eine elementare Frage von
Rechten. Ziel ist gleichberechtigte Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben für
alle Menschen mit Behinderungen. Wir
leiten Rechtsansprüche ab. •
Inklusion ist möglichst vollwertige Teilnahme
in allen Lebensbereichen und
kein Unterschied zu jenen ohne Behinderung.
• Herbert Kickl, FPÖ
Wie stehen Sie zur Forderung
nach einem Inklusionsfonds?
Der Inklusionsfonds soll wie der Pflegefonds
organisiert werden. Es braucht finanzielle
Mittel von Bund und Ländern,
Kriterien zur zweckmäßigen Verwendung,
keine Pauschalförderungen. •
Der Inklusionsfonds ist bei uns auf der
Agenda. Unser Vorschlag geht in die
Richtung, dass wir diesen mit 500 Mio.
Euro pro Jahr dotieren. •
Wie viele Menschen mit Behinderungen
sind auf Ihrer
Liste?
Wir haben Kandidat*innen mit Behinderungen,
etwa Stefanie Grötz. •
Mir fällt als erster Norbert Hofer ein. •
Wird das Wahlprogramm und
die Wahlwerbung in barrierefreien
Formaten verfügbar
sein?
Das Wahlprogramm wird es jedenfalls in
einer Leicht Lesen-Version geben. Weiteres
steht noch nicht fest. •
Wir sind gerade in der Endredaktion. Da
wird das natürlich eine Rolle spielen,
gar keine Frage. •
Welche Schritte werden
Sie unternehmen, um eine
strukturierte Umsetzung der
Handlungsempfehlungen zu
gewährleisten?
Wir müssen die Umsetzung der Handlungsempfehlungen
gesetzlich garantieren,
ins Regierungsprogramm nehmen
und abarbeiten. •
Konkretes Angebot, wenn uns das gelingt,
dass wir in Regierungsverhandlungen
kommen, diese Agenda zur Chefsache
zu machen. •
Der UN-Fachausschuss empfiehlt
den Stopp des Sonderschulausbaus
und Ressourcen
in das Regelschulsystem
zu überführen. Wie stehen
Sie dazu?
Wir wollen Sonderschulen auflösen und
finanzielle, strukturelle und pädagogische
Kapazitäten in Inklusionsschulen
nutzen. Es braucht Konzepte, Qualitätskriterien,
Monitoring, Kontrollinstanzen
und wissenschaftliche Begleitung. •
Sonderschulen ersatzlos zu streichen,
halte ich nicht für eine gute Idee. Mit
umgekehrter Inklusion erhalten Sonderschulen
die Möglichkeit, Mittelschulzeugnisse
auszustellen. •
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Ausgabe 3/2024
Andreas Babler (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Werner
Kogler (Die Grünen) und Beate Meinl-Reisinger
(NEOS) erklärten im Vorfeld der Nationalratswahl am
29. September 2024 ihre Standpunkte zu einem Inklusionsfonds,
Kandidat*innen mit Behinderungen, den
Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses an
Österreich, Sonderschulen, einem Rechtsanspruch auf
ein 11. und 12. Schuljahr an der Stammschule, dem
Pilotprojekt zur Harmonisierung Persönlicher Assistenz,
einem chancengleichen Zugang zum Arbeitsmarkt und
zum Gesundheitssystem für Menschen mit Behinderungen,
einem inklusiven Arbeitszeitmodell und dem Umgang
mit der Ausgleichstaxe.
Karl Nehammer (ÖVP) stand trotz mehrmaliger Anfragen
und umfassender Bemühungen seitens des Österreichischen
Behindertenrats für kein persönliches Interview
zur Verfügung. •
Werner Kogler, Die Grünen
(Interview am 15. Juli 2024)
Beate Meinl-Reisinger, NEOS
(Interview am 12. Juni 2024)
Inklusion bedeutet, in optimalerweise allen Lebensbereichen
Chancen und Teilhabe gemeinsam zu ermöglichen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist eine Verpflichtung
und keine Freiwilligenveranstaltung. •
Gleiche Chancen für alle: Inklusion ist ein ganz wichtiger
Teil davon, das heißt Teilhabe und Selbstbestimmtheit.
Größter Handlungsbedarf v.a. im Bildungsbereich. •
Ich werde den Inklusionsfonds unterstützen. Man kann
damit ein bisschen ausgleichen, dass wir im Bereich
Menschen mit Behinderung föderal organisiert sind.
Guter Weg, Standards zu vereinheitlichen. •
Fiona Fiedler unterstützte diesen Antrag. Es muss nicht
nur der Fonds geregelt werden, es muss Teil des Bildungssystems
sein. •
Barbara Sima-Ruml steht an der 11. Stelle der Bundesliste.
•
Christina Holmes kandidiert auf der Kärntner Landesund
der Bundesliste. •
Wir haben Angebote wie Gebärdensprachdolmetsch,
Untertitel, barrierefreundliche Webseiten u.v.m. •
Europ. Norm für Barrierefreiheit EN 301 549 und WAI
AA in Website integriert, ÖGS-Dolmetsch, Programm in
Einfacher Sprache und Untertitelung. •
Vieles hängt von Regierungsverhandlungen ab. Wichtig,
dass die am Verhandlungstisch sich das wirklich vornehmen.
•
Wir haben Empfehlungen in Anträge gegossen, strukturiert
nach den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeit
und Soziales. •
Mittel aus Sonderschule sukzessive rausziehen, um damit
das inklusive Schulsystem aufzupäppeln, damit man
von der Sonderschule leichter loslassen kann. Eine Zeit
lang wird es Paralleleffekte geben, das müsste es einem
wert sein. •
Von unserer Seite gibt es ein volles Bekenntnis dazu.
Hier sehe ich den größten Hebel zu sagen: Wir wollen
das als Gesellschaft. Und dann müssen wir das einbetten
in einen guten Aktionsplan. •
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Nationalratswahl
Andreas Babler, SPÖ
(Interview am 12. Juli 2024)
Herbert Kickl, FPÖ
(Interview am 14. Juni 2024)
Was ist Ihre Meinung zu
einem Rechtsanspruch auf
ein 11. und 12. Schuljahr an
der Stammschule?
Kinder mit Behinderungen sollen ein 11.
und 12. Schuljahr absolvieren können,
auch um eine Jobperspektive zu bekommen.
Es muss einen Rechtsanspruch
geben. Gibt es genügend Inklusionsschulen,
sind automatisch Plätze da. •
Andreas Babler, SPÖ
Das ist, glaube ich, eine gute Idee. Wir
haben in Niederösterreich zumindest
einen Schritt in diese Richtung gemacht
mit der Möglichkeit, ein 11./12.
Schuljahr anzuhängen. So gesehen ist
Niederösterreich ein Modellfall, an dem
man sich orientieren könnte. •
Der Fachausschuss fordert
De-Institutionalisierung.
Wie stehen Sie zum Pilotprojekt
zur Harmonisierung
Persönlicher Assistenz?
Ich finde es extrem wichtig, dass
Persönliche Assistent*innen nicht im
Prekariat tätig sind und dass die gleichen
Assistenzpersonen in Ausbildung,
Privatleben und am Arbeitsplatz tätig
sein können. •
Man wird umverteilen müssen in
bestimmten Bereichen, Prioritäten
setzen. Wo ist es jetzt sinnvoll, wo wird
es gebraucht, wo ist es eine Zukunftsinvestition
und wo muss ich Abstriche
machen? •
Welche arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen werden
Sie treffen, um Menschen
mit Behinderungen einen
chancengleichen Zugang
zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen?
Wir müssen Menschen auf den ersten
Arbeitsmarkt bringen. Wir haben
konkrete Modelle, was Beschäftigungsgarantien
anbelangt, denn für Erfolge
am ersten Arbeitsmarkt braucht es einen
Anspruch auf Beschäftigungsgarantien,
keine Werkstätten, die nur der Beschäftigungstherapie
dienen. •
Die Situation in Werkstätten, kein Lohn,
keine Versicherung, ist eine klaffende
Wunde, die man zuerst schließen
sollte. Auch die Frage der Assistenz im
Zusammenhang mit Ausbildung und
am Arbeitsplatz sowie Faktoren rund
um den Themenbereich Arbeit spielen
eine Rolle, etwa Mobilität. •
Nicht alle Menschen mit Behinderungen
können Vollzeit
arbeiten. Um von Teilzeitarbeit
leben zu können,
braucht es ein inklusives
Arbeitszeitmodell ähnlich
der Altersteilzeit. Wie
stehen Sie diesem Vorschlag
gegenüber?
Man muss vermeiden, dass Menschen
Bittsteller vor Begutachtern sind, die
sagen: 70 % hast du, das ergibt vollen
Bezug bei 32 Stunden; oder du hast
80 %, ergibt einen vollen Bezug bei 22
Stunden. Man muss aufpassen, dass Menschen
nicht behandelt werden, wie wenn
sie um eine Pflegestufe ansuchen. •
Das klingt interessant, klingt fair. •
Menschen mit Behinderungen
haben keinen gleichberechtigten
Zugang zum
Gesundheitssystem. Welche
konkreten Maßnahmen
werden Sie setzen, um einen
gleichberechtigten Zugang
zu ermöglichen?
Viele Gesundheitseinrichtungen und
Ordinationen sind nicht barrierefrei,
Bauvorschriften sind trotz Absichtserklärungen
von Krankenkassen und
Ärztekammer nicht bindend. Ich sehe
Barrierefreiheit bei Ärzt*innen als eines
der ersten Kriterien, weil sonst hast du
keinen Zugang. Leichte Sprache ist auch
Thema. •
Medizinische Versorgung geht weit über
diese Gruppe hinaus. Aber natürlich wird
es notwendig sein, über den Zusammenhang
mit neu entstehenden Primärversorgungszentren
und Ordinationen diesen
Aspekt in den Vordergrund zu stellen.
Und man wird wohl etwas tun müssen bei
der vorhandenen Struktur, um barrierefreien
Zugang zu ermöglichen. •
8 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
Werner Kogler, Die Grünen
(Interview am 15. Juli 2024)
Beate Meinl-Reisinger, NEOS
(Interview am 12. Juni 2024)
Wir sind explizit dafür, scheitern aber am Koalitionspartner.
Bei Schüler*innen mit Behinderungen gibt es viele
weitere Entwicklungspotentiale. Sie sollten mitwachsen
können, auch in die Oberstufe hinein. Ärgerlich, dass es
nicht schon so ist. •
Wir sind dafür. Aufgrund fehlender Unterstützung durch
den Bund stößt Christoph Wiederkehr in Wien an Grenzen.
Er sicherte das 11. und 12. Schuljahr, kann aber
aufgrund fehlender Ressourcen den gleichen Schulstandort
nicht garantieren. •
Das Pilotprojekt muss ausgeweitet, gesetzliche Voraussetzungen
müssen geschaffen werden, dass der Gesetzgeber
sagt, es kommt ein Rechtsanspruch. Wir müssen
Budgetmittel ausweiten. Es braucht einen einheitlichen
Leistungskatalog bei selbstbestimmtem Wohnen. •
Bei nachhaltiger Finanzierung von Fonds ist gesetzl.
Dotierung wichtig. Oder man kann es institutionell
wo dranhängen, dass es gesichert ist. In vielen Bereichen
muss jährlich im Budget neu verhandelt werden.
Es braucht einen längerfristigen Fahrplan. •
Ziel ist maximaler Zugang zum ersten Arbeitsmarkt.
Inklusion am Arbeitsmarkt bedeutet idealtypischerweise
eine Welt, in der Werkstätten u.ä. wenig oder keine
Rolle spielen. Ziel ist v.a., in den Arbeitsmarkt hineinzukommen.
Man braucht die entsprechende Förderarchitektur.
•
Es gibt Projekte, die sehr gut laufen. Wenn man die
scharfe Grenze der Arbeits(un)fähigkeit verändert, mit
individuellem Qualifikationscheck versieht und das AMS
einbezieht, könnte man flächendeckend viel mehr Möglichkeiten
schaffen, Menschen tatsächlich auf den ersten
Arbeitsmarkt zu bringen. •
Ihr Modell ist für mich soweit nachvollziehbar. Ich habe
jetzt versucht, es von unseren Grundprinzipien her
einzuordnen und denke, es ist sehr Grün-kompatibel.
Jedenfalls sollten wir hier weiter gemeinsam an umsetzbaren
Modellen arbeiten. •
Ich kann den Ansatz nachvollziehen. Aber ist das für
Betroffene nicht gefährlich, dass sie womöglich weniger
Chancen haben? Als Arbeitgeberin ist man mit dem
Wunsch nach individuellen Beschäftigungsmodellen
ohnehin konfrontiert. Ich stelle die Frage, ob man Menschen
mit Behinderungen nicht besser so hilft, dass man
von vornherein flexibler agiert. •
Sie adressieren das Thema in Ihrem Positionspapier genau.
In unserem Programm findet sich ein Anhaltspunkt
in diese Richtung. Ein solches Programm ist immer die
Idealvorstellung. Realpolitisch erkenne ich eine große
Chance, so ist etwa aktuell mit den Primärversorgungszentren
einiges in Bewegung gekommen, hier ist Barrierefreiheit
eine Vorgabe. •
Neue Ordinationen müssten barrierefrei zugänglich sein.
Wir brauchen Zusammenarbeit mit Behörden, was Parkzonen
für Menschen mit Behinderungen vor Ordinationen
betrifft. Ein Modell der Finanzierung aus einer Hand
mit Stärkung des niedergelassenen Bereichs, Kassenverträgen
und einem Hausarzt, der ein Gesundheitslotsensystem
hat, ist dringend notwendig. •
www.behindertenrat.at
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Interview mit SPÖ-Spitzenkandidat
Andreas Babler
vom 12. Juli 2024
10 www.behindertenrat.at
Nationalratswahl
Ausgabe 3/2024
Österreichischer Behindertenrat: Was bedeutet Inklusion
für Sie und worin sehen Sie in Ihrer Arbeit als
Politiker den größten Handlungsbedarf?
Babler: Seit einem Jahr versuche ich das Thema ganz
bewusst zu bringen, weil es eine ganz elementare Frage
von Rechten ist, und darum ist es mir so wichtig. Ziel
ist die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben für alle Menschen mit Behinderungen mit all ihren
Bedürfnissen und Fähigkeiten. So leiten wir dann auch
Rechtsansprüche ins politische Handlungsfeld ab. Wir
wissen, dass wir in vielen Feldern einen großen Handlungsbedarf
haben. Die letzte UN-Staatenprüfung hat
Österreich ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und etliche
Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Es braucht verankerte
Rechtsansprüche, wie etwa im Schulbereich wo
es einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr
für Schüler*innen mit Behinderungen braucht. Das sind
u.a. Dinge, die ich als Bürgermeister von Traiskirchen
selbst erfülle. In Traiskirchen wird immer ein 11. und 12.
Schuljahr genehmigt.
Wie stehen Sie zum Inklusionsfonds?
Babler: Der Inklusionsfonds soll ähnlich dem Pflegefonds
zweckgewidmet Geld bündeln. Konkret sollen
Bund und Länder die finanziellen Mittel aufbringen. Es
klingt immer gut, wenn man einen Fonds einrichtet.
Aber wichtig sind die Resultate in der Abarbeitung und
eine einheitliche Vorgangsweise bundesweit. Beim Inklusionsfonds
geht es beispielsweise um Hilfsmittel, eine
Assistenzhund-Ausbildung, aber auch um Zweckwidmung
für Barrierefreiheit, einen eigenen Topf für den Inklusionsbereich
der Schulen. Es braucht finanzielle Mittel,
aber gleichzeitig auch Kriterien, dass sie zweckmäßig
verwendet werden und nicht als Pauschalförderungen.
Wie viele Menschen mit Behinderungen haben Sie auf
Ihrer Liste und bieten Sie Wahlinformationen barrierefrei
an?
Babler: Wir haben Kandidat*innen mit Behinderungen,
aber nur wenige erwähnen explizit, dass sie mit einer
Behinderung leben, etwa Stefanie Grötz, die auf der
Bundesliste kandidiert.
Das Wahlprogramm wird in einer Leicht Lesen-Version
zur Verfügung stehen.
Letzten Sommer fand in Genf die Staatenprüfung zur
Umsetzung der UN-BRK statt. Ergebnis sind die Handlungsempfehlungen
des UN-Fachausschusses an Österreich.
Bisher fand noch kein strukturierter Prozess zur
Umsetzung der Handlungsempfehlungen in Österreich
statt. Welchen konkreten strukturierten Prozess zur
Umsetzung können Sie sich vorstellen?
Babler: Wir müssen garantieren, dass die Handlungsempfehlungen
umgesetzt werden. Gleichzeitig gibt es
auch den Nationalen Aktionsplan, wo das Sozialministerium
gefordert wäre. Der ist eine Absichtserklärung bis
2030, aber die Frage ist, was gesetzlich damit passiert.
Wir haben gesagt, wir nehmen diese Empfehlungen
ins Regierungsprogramm und arbeiten sie ab. Wenn es
UN-Vorgaben gibt, die nicht erfüllt werden, muss es ein
Handlungsauftrag für die nächste Regierung sein, entsprechende
Gesetze zu schaffen. Es gibt von uns einen
Vorschlag für die Regierungsverhandlungen, der die Umsetzung
der UN-Empfehlungen beinhaltet.
Wie stehen Sie zu den Handlungsempfehlungen im Bereich
Bildung?
Babler: Ein wichtiges Thema, wo Ungleichbehandlung
herrscht, ist die Gewährung des 11. und 12. Schuljahrs
mittels Rechtsanspruchs. Als Bürgermeister sehe ich
tagtäglich, dass es zu wenig Stützkräfte gibt, dass ich
als Schulerhalter alles finanzieren muss, obwohl das gar
nicht meine Aufgabe wäre. In Traiskirchen verlängern wir
die Schuljahre immer, weil wir sagen, das ist ein Rechtsanspruch.
Wie ist Ihre Position zu Sonderschulen?
Babler: Momentan sind die meisten Kinder mit Behinderungen
in Sonderschulen. Es ist die Zielsetzung, die Sonderschulen
aufzulösen und die finanziellen, strukturellen
und pädagogischen Kapazitäten der Sonderschulen in
Inklusionsschulen zu nutzen. Wir brauchen ein Konzept,
wie man Schulen zu Inklusionsschulen macht. Was sind
die baulichen und infrastrukturellen Voraussetzungen
dafür? Und dann muss man es im Schulentwicklungsprogramm
(SCHEP) niederschreiben.
Wir brauchen aber auch ein Monitoringprogramm, Qualitätskriterien
und Kontrollinstanzen. Es muss wissenschaftlich
begleitet werden, welche Wirkung eintritt.
Über solche Themen tauschen sich unsere Expert*innen,
die aus dem Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behin-
www.behindertenrat.at
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Nationalratswahl
Eltern sind immer Bittsteller, das muss man abschaffen.
Wenn es genügend Inklusionsschulen gibt, sind automatisch
auch die Plätze da. Dann funktioniert das auch.
Kinder mit Behinderungen sollen ein 11. und 12. Schuljahr
absolvieren können, auch um eine Jobperspektive
zu bekommen. Es darf nicht sein, dass Eltern beim Bürgermeister,
wurscht wo der ist in Österreich, oder beim
Schulerhalter oder der Bildungsdirektion darum betteln
müssen.
Wie lautet Ihre Position zur Ausgleichstaxe?
Andreas Babler beim Gespräch in seinem Büro
derungen bzw. aus dem Bildungsbereich kommen, aus.
In dem Zusammenhang ist auch die Frage der Quantität
der Ausbildung, was inklusionspädagogische Fachkräfte
anbelangt, wichtig. Es gibt in der pädagogischen Ausbildung
eine Vorlaufzeit von ein paar Jahren. Und es wird
auch Zeit brauchen, die Lehrpläne dementsprechend zu
modernisieren, was moderne Inklusionskonzepte sind.
Wichtig ist darauf zu schauen, dass die Ausbildung von
Anfang an so gestaltet ist, dass entsprechende Bereiche
in die Curricula aufgenommen werden.
Babler: Ausbildung plus Lehrpläne, es muss beides
geben. Sonst wird das in Österreich immer isoliert gesehen:
Da brauchen wir mehr Sonderpädagoginnen, aber
die „alten“, und dann haben wir einen alten Lehrplan
und kommen erst nachher d‘rauf, dass das nicht zusammenpasst,
und dass wir ein modernes Inklusionskonzept
brauchen, so ist Österreich. Darum sage ich, da darf
nichts bleiben, wie es ist in dem Bereich.
Alle Kinder sollen gleichberechtigte Bildungschancen erhalten.
Wir müssen das System komplett neu denken und
auch darüber reden, wie es nach der Schule weitergeht,
über Beschäftigungsgarantien reden. Beschäftigungsgarantien
müssen für alle Menschen gelten. Menschen
mit Behinderungen brauchen eine Chance auf den ersten
Arbeitsmarkt, also weg von der Beschäftigungstherapie.
Sind Sie für einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12.
Schuljahr an der Stammschule?
Babler: Natürlich muss es einen Rechtsanspruch geben.
Babler: Was das Freikaufen von der Beschäftigungspflicht
anbelangt, gibt es einen sozialdemokratischen
Vorschlag. Wir wollen einen Umbau des Systems, bei
dem alle Unternehmen einen Beitrag leisten und jene,
die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, einen
Bonus erhalten.
In Österreich sind nur 3 % der Unternehmen ausgleichstaxenpflichtig,
weil es dafür mindestens 25
Dienstnehmer*innen braucht. Und von diesen erfüllen
2/3 die Beschäftigungspflicht nicht.
Babler: Damit fallen die meisten raus. Deshalb wollen
wir ja, dass die Ausgleichstaxe – wie vorher gesagt – neu
geregelt wird.
Wie stehen Sie zur Harmonisierungs-Richtlinie Persönliche
Assistenz? Für uns ist ganz wichtig, dass dort
erstmalig festgeschrieben ist, dass es ein Angestelltenverhältnis
geben muss.
Babler: Ich finde es extrem wichtig, dass Persönliche
Assistent*innen nicht im Prekariat tätig sind und dass
die gleichen Assistenzpersonen in der Ausbildung, am
Arbeitsplatz und im Privatleben tätig sein können.
Menschen mit Behinderungen haben einen deutlich
erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt, sind häufiger
und länger von Arbeitslosigkeit betroffen, und die
Erwerbsquote ist deutlich niedriger, einige schaffen
es gar nicht. Wie sehen Sie die arbeitsmarktpolitische
Situation von Menschen mit Behinderungen?
Babler: Das ist das, was ich gemeint habe mit der Beschäftigungsgarantie,
dieses Wort ganz bewusst: Alle.
Und genau den Bereich haben wir mitgedacht damit. Wir
müssen schauen, dass die Menschen auf den Arbeitsmarkt
kommen. Wir haben konkrete Modelle, was Be-
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Ausgabe 3/2024
schäftigungsgarantien anbelangt und an dem kann man
es messen. Wir wollen keine Werkstätten, die nur der
Beschäftigungstherapie dienen. Es läuft halt leider in
Österreich vieles auf das hinaus. Aber wer Erfolge haben
will am Arbeitsmarkt, muss den Anspruch haben auf eine
Beschäftigungsgarantie.
Nicht alle Menschen mit Behinderungen können Vollzeit
arbeiten. Um von Teilzeit-Arbeit leben zu können,
braucht es für Menschen mit Behinderungen ein inklusives
Arbeitszeitmodell ähnlich der Altersteilzeit. Wie
stehen Sie diesem Vorschlag gegenüber?
Babler: Wie wird das genau festgemacht, am Grad der
Behinderung?
Wir entwickeln gerade ein Begutachtungssystem.
Babler: Man muss jedenfalls vermeiden, dass Menschen
mit Behinderungen Bittsteller vor dem begutachtenden
Arzt sind, der sagt: 70 % hast du, deswegen ergibt das
den vollen Bezug bei 32 Stunden. Und du hast 80 % und
dein voller Bezug ist bei 22 Stunden. Man muss aufpassen,
dass die Menschen nicht behandelt werden, wie
wenn sie um eine Pflegestufe ansuchen. Es sollte bei der
Einstufung Ihres Modells jedenfalls definiert werden, wer
was festlegt, wie es wem geht.
Genau, da sind wir gerade am Basteln, aber wäre das
grundsätzlich eine Idee?
Babler: Das ist eine gute Idee, die man diskutieren
kann. Arbeitszeitverkürzung ist überhaupt ein guter
Schlüssel. Da hast du auch als Teilzeitkraft mit weniger
Stunden einen höheren Stundenlohn, davon würden vor
allem Frauen profitieren . Damit haben sie später auch
eine bessere Pension. Das Thema Altersarmut ist ja auch
bei Menschen mit Behinderungen ein großes Thema.
Menschen mit Behinderungen haben keinen gleichberechtigten
Zugang zum Gesundheitssystem. Welche
konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um Menschen
mit Behinderungen einen gleichberechtigten
Zugang zu ermöglichen?
Babler: Viele Gesundheitseinrichtungen, auch Ordinationen
von praktischen Ärzten, sind nicht barrierefrei,
obwohl es eigentlich Bauvorschriften gibt, aber die sind
nicht bindend, obwohl es eine Absichtserklärungen der
Krankenkassen mit der Ärztekammer zur Barrierefreiheit
gibt. Wenn jemand eine alte Ordination übernimmt,
ist schon wieder alles anders. In Traiskirchen gibt es 19
Kassenärzte, und jedes Mal, wenn eine neue Planstelle
zu besetzen ist, stellt sich die Frage, ob die alte Ordination
barrierefrei ist. Wir haben die Ordination einer
praktischen Ärztin im ehemaligen Meldeamt im Rathaus
untergebracht und eine Rampe eingebaut. Die Kosten
dafür sind hoch, die hat die Stadt getragen. Natürlich
geht es aber auch um Themen wie Leichte Sprache, auch
hier gibt es Aufholbedarf.
Danke für das Gespräch. •
Gespräch mit Andreas Babler über Sozial- und Behindertenpolitik
www.behindertenrat.at
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Interview mit FPÖ-Spitzenkandidat
Herbert Kickl
vom 14. Juli 2024
14 www.behindertenrat.at
Nationalratswahl
Ausgabe 3/2024
Was bedeutet Inklusion für Sie und worin sehen Sie
in Ihrer Arbeit als Politiker den größten Handlungsbedarf,
um Inklusion, wie sie auch in der UN-Behindertenrechtskonvention
festgelegt ist, umzusetzen?
Kickl: Die möglichst vollwertige Teilnahme in allen Lebensbereichen
und kein Unterschied zu demjenigen, der
keine Behinderung hat, muss das politische Ziel sein.
Das ist unser Ziel, diesem Aspekt in unserer Arbeit eine
verstärkte Aufmerksamkeit zu geben im Zusammenhang
mit einer Sozialoffensive, die es in diesem Land braucht.
Es muss die Möglichkeit bestehen – dahin würden wir
versuchen, unsere Aktivitäten auch zu entwickeln – dass
wir ein ordentliches Fundament im Bereich der Bildung
auch für Menschen legen können, die es nicht so leicht
haben, die man quasi nicht in den normalen Schulbetrieb
reinbringen kann. Oder wenn man das kann, dann
mit einer bestimmten Unterstützung, Assistenzmöglichkeiten
usw. Die Inklusionskomponente spannt sich von
der Bildung, Ausbildung über die Berufsausbildung,
die Berufsausübung durch den gesamten Bereich. Es ist
überall viel zu tun.
Sie kennen sicher den Inklusionsfonds.
Kickl: Man hat es sträflich vernachlässigt, im Rahmen
des Finanzausgleichs einen solchen zu verhandeln.
Dieser Inklusionsfonds ist bei uns auf der Agenda. Unser
Vorschlag geht in die Richtung, dass wir diesen mit 500
Mio. Euro pro Jahr dotieren.
Haben Sie auf Ihrer Bundesliste, Landesliste, Regionalliste
selbst betroffene Menschen mit Behinderung?
Kickl: Mir fällt als erster Norbert Hofer ein.
Wie sieht es mit Ihrem Wahlprogramm und der Wahlwerbung
aus? Werden diese barrierefrei zur Verfügung
gestellt?
Kickl: Da bin ich froh, dass wir miteinander reden, weil
mir das die Gelegenheit gibt, auch das eine oder andere,
was Ihnen wichtig ist, auch mitaufzunehmen. Wir sind
gerade in der Endredaktion. Und da wird das natürlich
eine Rolle spielen, gar keine Frage.
Wir hatten letzten Sommer die zweite UN-Staatenprüfung
in Genf. Die Handlungsempfehlungen wurden seit
der letzten Staatenprüfung von 8 auf 17 Seiten ausgedehnt.
Da war ganz klar, was Thema war: Bildung,
Barrierefreiheit, Föderalismus usw. Welche Schritte
würden Sie setzen, wenn Sie Regierungsverantwortung
hätten, um zu einem strukturierten Prozess der Umsetzung
zu kommen?
Kickl: Bestimmte Dinge muss man zur Chefsache machen,
vor allem Dinge, wo jahrelang nichts weitergegangen
ist. Das wäre ein konkretes Angebot, wenn uns das
gelingt, dass wir in Regierungsverhandlungen kommen,
diese Agenda auch zur Chefsache zu machen.
Wie würden Sie mit der weiteren Umsetzung des Nationalen
Aktionsplans Behinderung umgehen, wenn Sie in
Regierungsverantwortung kommen?
Kickl: Ich würde mich mit Ihnen konsultieren, Sie sind
die Interessenvertretung. Wir wollen nicht Interessenpolitik
an denen, um die es geht, vorbeimachen. Und
diejenigen, die am nächsten dran sind, sollten als Erste
gehört werden.
Das Hauptproblem ist, dass man ohne budgetäre Bedeckung
hineinschreiben kann, was man will, aber
wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden können.
Kickl: Eine neue Regierungsbeteiligung oder Regierungsbildung
ist immer die Chance, neue budgetäre
Schwerpunkte zu setzen. Deswegen ist jetzt für diese
Dinge ein Zeitfenster offen.
Das heißt, wenn Sie in der Regierungsverantwortung
sind, würden Sie das mit uns gemeinsam, dem Österreichischen
Behindertenrat, nochmal evaluieren.
Kickl: Wir würden das auf jeden Fall mit in die Regierungsverhandlungen
mit hineinnehmen.
Inklusive Bildung ist wichtig und wesentlich, weil Bildung
für die gesellschaftliche Entwicklung wichtig ist.
Der UN-Fachausschuss empfiehlt, den Ausbau von Sonderschulen
unverzüglich zu stoppen und entsprechende
Ressourcen in das Regelschulsystem zu überführen. Wie
stehen Sie dazu?
Kickl: Sonderschulen ersatzlos zu streichen, halte ich
nicht für eine gute Idee. Was wir uns überlegt haben,
nennt sich umgekehrte Inklusion, dass man Sonderschulen
auch die Möglichkeit gibt, Zeugnisse wie Mittelschulzeugnisse
auszustellen, um eine integrierende Komponente
ins Spiel zu bringen. Es wird immer auch Fälle
www.behindertenrat.at
15
Nationalratswahl
geben, für die möglicherweise die andere und individuelle
Betreuung im Sonderschulmodus die bessere Variante
ist. Warum entweder das eine oder das andere, wenn
durchaus ein Modell denkbar ist, wo man beides haben
kann und man dann die Entscheidung auf Basis des wirklichen,
individuellen Bedürfnisses des Kindes trifft?
Was ist Ihre Meinung zu einem Rechtsanspruch auf ein
11. und 12. Schuljahr an der Stammschule?
Kickl: Das ist, glaube ich, eine gute Idee. Wir haben in
Niederösterreich mit unserer Regierungsbeteiligung zumindest
einen Schritt in diese Richtung gemacht mit der
Möglichkeit, ein 11. und 12. Schuljahr dort anzuhängen.
So gesehen ist Niederösterreich ein Modellfall, an dem
man sich orientieren könnte. Das würden wir übernehmen.
Ein weiterer Kritikpunkt bei der Staatenprüfung war
neben dem Föderalismus die De-Institutionalisierung.
Ein Schritt, um hier weiterzukommen, wäre, allen Menschen,
die diese brauchen, egal, welche Behinderungsart,
umfassende Persönliche Assistenz zu ermöglichen.
Da gibt es nun eine Richtlinie zur Harmonisierung. Wie
würden Sie sich für eine nachhaltige Regelfinanzierung
einsetzen?
Kickl: Man wird umverteilen müssen in bestimmten Bereichen.
Ich muss in der Politik so wie in jedem Haushalt
Prioritäten setzen. Wo ist es jetzt sinnvoll, wo wird es
gebraucht, wo ist es eine Zukunftsinvestition und wo
muss ich Abstriche machen?
Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger
und länger von Arbeitslosigkeit betroffen, haben
es schwerer am Arbeitsmarkt. Die Erwerbsquote ist
deutlich niedriger, weil viele schaffen es gar nicht auf
den Arbeitsmarkt, etwa jene in den Werkstätten. Wo
würden Sie etwas ändern, wenn Sie in der Machtposition
sind?
Kickl: Das ist aus meiner Sicht eine klaffende Wunde, die
man als allererstes schließen sollte. Und dann spielen
auch die Frage der Assistenz im Zusammenhang mit der
Ausbildung und am Arbeitsplatz sowie auch Faktoren
rund um den Themenbereich Arbeit eine Rolle, zum Beispiel
der Faktor Mobilität.
Wie stehen Sie zur Ausgleichstaxe?
Kickl: Ich kenne Ihr Modell, Sie wollen an der Lohnnebenkostenschraube
drehen. Da bin ich auf der Linie,
und da hat sich bei uns nichts geändert, dass man das
progressiv macht. Bitte bei den Kleinen wirklich aufpassen!
Die haben es schwer genug. Wo Unternehmen
sich das leisten können, weil sie eine bestimmte Größe
haben, dass man da entsprechend auch nach oben geht,
dass man es progressiv gestaltet.
Nur drei Prozent der österreichischen Betriebe zahlen
Ausgleichstaxe, weil der Einstieg bei 25 Dienstnehmer*innen
beginnt. Wir wollen weg von der Strafzahlung
und ein Anreizsystem schaffen.
Kickl: Aber wenn Sie sagen: Da müssen wir arbeitgeberseitig
bei den Nebenkosten was drauf tun, dann ist das
in der Situation, wo wir uns jetzt befinden bei den Lohnnebenkosten
insgesamt und auch im internationalen
Wettbewerb, ein schwieriges Unterfangen.
Das ist uns total bewusst. Das wollen wir nicht, und
wir wollen vor allem auch Klein- und Mittelbetriebe
nicht belasten. Wenn man die Lohnnebenkosten nicht
erhöhen will, kann man über die steuerliche Seite ansetzen.
Kickl: Was ist denn der effizienteste Weg abseits dieser
ganzen technischen Steuerungsinstrumente? Das ist
immer das gute Vorbild und das öffentliche Bewusstsein.
Und wenn du dort ein paar hast, die ihr Modell erklären,
präsentieren und dafür werben, dann werden dem andere
nachfolgen, weil sie unabhängig von dem, ob etwas
zu zahlen oder zu holen ist, das aus der übergeordneten
Überlegung her in Angriff nehmen. Da sehe ich die Politik
gefordert, entsprechend zu unterstützen.
Ein dritter Punkt, den wir immer wieder auch merken
im Kontakt mit Personen, ist, dass es Menschen mit
Behinderungen gibt, die aufgrund ihrer Behinderung
nicht Vollzeit arbeiten können. Welche zwei Möglichkeiten
haben wir momentan? Entweder – wenn der Arbeitgeber
darauf einsteigt – reduzieren sie ihre Stunden
so, dass sie nicht mehr davon leben können, weil
bei 20 Stunden muss es schon ein sehr qualifizierter
Job sein, dass man davon leben kann. Die zweite Variante:
Sie bleiben auf den hohen Stunden und gehen
in regelmäßigen Abständen in Langzeitkrankenstände.
Wir hätten die Idee – und da würde ich gerne wisse,
was Sie davon halten – dass man hier ein inklusives
Arbeitszeitmodell ähnlich der Altersteilzeit macht,
16 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
wo man sich im Vorfeld anschaut,
welches Zeitausmaß die Person behinderungsbedingt
arbeiten kann.
Dafür bezahlt der Arbeitgeber den
Lohn. Und der Rest auf die Vollzeit
wird von der öffentlichen Hand gestützt,
damit wir nicht ständig in
dieser Existenzangst drinnen sind.
Kickl: Das ist ein interessantes
Modell. Es wäre interessant, von der
Größenordnung her zu schätzen,
wie viele Personen in dieses Modell
fallen würden.
Wenn wir alle Menschen mit Behinderungen
nehmen, werden
wir in einem ersten Schritt nicht
einschätzen können, wie viele das
sind. Wenn wir das einmal bei den
begünstigt behinderten Personen
probieren, das sind 100.000
Menschen, von denen 50.000 am
Arbeitsmarkt sind, haben wir
bereits eine kleinere Grundgröße.
Dann könnte man das mit einem
Pilotprojekt antesten und herausfinden,
um wie viele Personen es
sich handelt und wie es wirkt.
Kickl: Das klingt interessant, klingt
fair.
Welche konkreten Maßnahmen
würden Sie setzen, um Menschen
mit Behinderungen einen gleichberechtigten,
chancengleichen
Zugang zum Gesundheitssystem zu
ermöglichen?
zu ermöglichen. Überall wird es
nicht gelingen, aber überall dort, wo
etwas Neues entsteht und wo was
Neues hergerichtet wird, müsste das
von Anfang an mitgedacht werden.
Das heißt, Sie sind dafür, dass das
auch regelkonform in die Ausschreibungen
hineinkommt?
Kickl: Gescheit, ja. Das war mir gar
nicht bewusst, dass das gar nicht
drinnen ist bei einer Ausschreibung.
Wie Sie wissen, sind wir da im
Selbstverwaltungsbereich der
Sozialversicherungsträger. Wären
Sie auch bereit, hier gesetzliche
Maßnahmen zu treffen?
Kickl: Ich bin in manchen Bereichen
sehr skeptisch, was die Selbstverwaltung
betrifft, weil sie oft keine Verwaltung,
sondern eine Versorgung
ist. Wenn wir uns die Frage stellen,
wo große Reibungsverluste entstehen,
bin ich leider im Gesundheitsbereich
bei dieser Selbstverwaltung
angekommen. Die Selbstverwaltung
ist für mich nicht in allen Bereichen
der Weisheit letzter Schluss.
Vielen Dank für die Möglichkeit des
Gesprächs. •
Kickl: Die medizinische Versorgung
geht weit über diese Gruppe hinaus.
Aber natürlich wird es notwendig
sein, über den Zusammenhang
mit neu entstehenden Primärversorgungszentren
und Ordinationen
diesen Aspekt in den Vordergrund
zu stellen. Und man wird wohl etwas
tun müssen bei der vorhandenen
Struktur, um barrierefreien Zugang
von links: FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, FPÖ-Spitzenkandidat
Herbert Kickl, Behindertenrat-Präsident Klaus Widl und Bernhard Bruckner
www.behindertenrat.at
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Bundesministerium für Inneres
Informationen zur Nationalratswahl
2024 in Leichter Sprache
Alle Menschen haben das Recht, sich selbst und ohne Hilfe von Anderen informieren zu können.
Aber viele Menschen haben Probleme die Behörden-Sprache zu verstehen, weil die Sprache für sie zu
schwer ist.
Österreich ist eine Demokratie.
Das heißt, die Österreicherinnen und die Österreicher wählen die Personen, die sie vertreten.
Bei der Nationalratswahl wählen die Österreicherinnen und Österreicher Abgeordnete für den Nationalrat.
Wenn eine Person wählen will, ist es gut, wenn sie sich davor über die Wahl informieren kann. Das Bundes-Ministerium
für Inneres stellt deshalb Informationen in leichter Sprache zur Verfügung. Die
Texte in leichter Sprache sind ein Zusatzangebot und sollen Sie nur informieren. Die Texte in leichter
Sprache sind keine rechtliche Beratung.
Der Nationalrat
Der Nationalrat beschließt Gesetze und unterstützt die Bundesregierung.
Im Nationalrat sitzen 183 Abgeordnete.
Die nächste Nationalratswahl findet am 29. September 2024 statt.
Foto: Victoria Biber
18 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
Wer darf bei der Nationalratswahl wählen?
Aktiv wahlberechtigt heißt, dass man wählen darf.
Aktiv wahlberechtigt sind Sie, wenn Sie Österreicherin oder Österreicher sind und spätestens am Tag der
Nationalratswahl 16 Jahre alt werden.
Zum Stichtag müssen Sie in der Wählerevidenz einer österreichischen Gemeinde eingetragen sein.
Der Stichtag ist diesmal der 9. Juli 2024. Das sind 82 Tage vor der Wahl.
Eine Wählerevidenz ist ein besonderes Verzeichnis, in dem alle Wählerinnen und Wähler stehen.
Passiv wahlberechtigt heißt, dass man gewählt werden kann.
Sie müssen dazu Österreicherin oder Österreicher sein, das Wahlrecht haben und spätestens am Tag der
Nationalratswahl 18 Jahre alt werden.
Sie dürfen nicht wegen einer gerichtlichen Verurteilung von der Wahl ausgeschlossen sein.
Welche Grundsätze gibt es für die Nationalratswahl?
Es gilt das Verhältnis-Wahlrecht.
Das heißt, die Sitze im Parlament werden verhältnismäßig nach der Verteilung der
Wähler-Stimmen vergeben.
In Österreich werden grundsätzlich Parteien gewählt.
Jede Partei hat auf ihrem Wahlvorschlag Namen von Kandidatinnen und Kandidaten. Diese werden in
einer bestimmten Reihenfolge festgelegt.
Sie können auch Vorzugs-Stimmen vergeben, wenn Sie möchten.
Eine Vorzugs-Stimme ist eine zusätzliche Entscheidung für eine bestimmte Kandidatin oder einen bestimmten
Kandidaten der Partei, die Sie gewählt haben.
Durch Ihre Vorzugs-Stimmen können Sie Personen vorreihen.
Es gibt keine Wahlpflicht. Das heißt, Sie dürfen wählen, aber Sie müssen nicht.
Amtliche Wahl-Information
Sie bekommen eine Wahl-Verständigung etwa 3 Wochen vor der Wahl mit der Post.
In der Wahl-Information steht:
• Ihr Wahl-Lokal, in dem Sie wählen können,
• die Öffnungszeiten und
• ob es barrierefrei ist.
Bitte bringen Sie die Wahl-Verständigung zur Wahl mit!
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Bundesministerium für Inneres
Wie wählen Sie im Wahllokal?
1. Am 29. September 2024 gehen Sie in das Wahllokal.
2. Im Wahllokal nennen Sie Ihren Namen und zeigen Ihren Lichtbild-Ausweis.
3. Sie bekommen von der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter den amtlichen Stimmzettel und ein leeres
blaues Wahl-Kuvert.
4. Sie geben Ihre Stimme in der Wahlzelle ab.
5. Wenn Sie eine Behinderung haben und ohne fremde Hilfe nicht wählen können, darf eine Begleitperson
Ihnen helfen und Sie auch in die Wahlzelle begleiten.
6. Geben Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue Kuvert.
7. Werfen Sie das Kuvert in die Wahlurne ein. Oder geben Sie das Kuvert der Wahlleiterin oder dem
Wahlleiter. Die Wahlleiterin oder der Wahlleiter wirft dann das Kuvert in die Wahlurne.
Wie sieht der Stimmzettel aus?
Auf dem Stimmzettel stehen die Namen der Parteien, die Sie wählen können.
Sie kreuzen die Partei an, die Sie wählen wollen.
Wenn Sie mehr Parteien ankreuzen, ist ihr Stimmzettel ungültig und ihre Stimme zählt nicht.
Unter den Namen der Parteien sind 2 freie Felder für Ihre Vorzugs-Stimmen.
Hier können Sie den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten hinschreiben. Oder die Nummer
dieser Kandidatin oder des Kandidaten.
Listen mit allen Namen und Nummern finden Sie im Wahllokal. Wenn Sie mit Briefwahl wählen, bekommen
Sie die Listen mit der Post.
Die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten für
Vorzugs-Stimmen im
Regional-Wahlkreis können Sie ankreuzen.
Die Kandidatin oder der Kandidat muss von der
Partei sein, die Sie angekreuzt haben.
Sonst ist die Stimme für die Kandidatin oder den
Kandidaten nicht gültig.
Barrierefrei wählen
Menschen mit Behinderungen müssen barrierefrei
wählen können.
In Österreich haben Sie dafür mehrere Möglichkeiten.
1. Im Wahllokal barrierefrei wählen
Seit 1. Jänner 2024 gibt es neue Regelungen,
die das Wählen für Menschen mit Behinderungen
noch leichter machen sollen.
Foto: Andrea Strohriegl
20 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
In jedem Gebäude mit Wahllokalen muss zumindest ein Wahllokal barrierefrei erreichbar sein. In dem
Wahllokal muss auch eine Wahlzelle barrierefrei erreichbar sein.
Ob Ihr Wahllokal barrierefrei ist, steht in der amtlichen Wahlinformation.
Wenn Sie nicht in Ihrem Wahllokal wählen können, dürfen Sie in jedem Wahlkarten-Wahllokal in Österreich
wählen. Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Ihr Wahllokal nicht barrierefrei ist.
Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte. Sie müssen die Wahlkarte rechtzeitig in Ihrer Gemeinde beantragen.
In das Wahllokal müssen Sie einen Lichtbild-Ausweis mitnehmen.
Das ist zum Beispiel:
• ein Reisepass
• ein Behinderten-Ausweis
• ein Führerschein oder
• ein Personal-Ausweis
Wie können blinde und stark sehbehinderte Menschen wählen?
In jedem Wahllokal gibt es Stimmzettel-Schablonen.
Mit der Schablone können blinde Menschen den Stimmzettel ohne Unterstützung geheim ausfüllen.
Nach der Wahl nehmen Sie die Stimmzettel-Schablone mit.
Sie können in das Wahllokal einen Blindenführ-Hund mitnehmen.
Wer darf eine Begleitperson in die Wahlzelle mitnehmen?
Sie haben eine Behinderung und können nicht alleine wählen?
Sie haben das Recht, dass Sie von einer selbst ausgewählten Begleitperson dabei unterstützt werden.
Sie müssen der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter aber sagen, dass Sie mit dieser Begleitperson in die
Wahlzelle gehen wollen.
2. Die Briefwahl
Sie können auch mit Briefwahl wählen. Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte.
Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Sie am Wahltag nicht zu Hause sind.
Sie können auch im Ausland mit Briefwahl wählen.
Sie können die Wahlkarte in der Gemeinde beantragen, wo Ihr Hauptwohnsitz ist.
Seit diesem Jahr gibt es für blinde oder stark sehbehinderte Menschen eine
Wahlkarten-Schablone für die Wahlkarte. Sie können die Schablone bei Ihrer Gemeinde gemeinsam mit
der Wahlkarte beantragen.
Sie legen die Schablone über die Wahlkarte. Auf der Schablone gibt es ein großes Loch, damit Sie erkennen
können, wo Sie unterschreiben können.
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Bundesministerium für Inneres
Wann bekommen Sie Ihre Wahlkarte?
Die Gemeinde verschickt die Wahlkarten ungefähr 3 Wochen vor dem Wahltag.
Sie können die Stimme sofort abgeben, wenn Sie die Wahlkarte bekommen haben. Sie müssen nicht
bis zum Wahltag damit warten.
Sie können auch direkt bei der Gemeinde mit Briefwahl wählen, wenn Sie die Wahlkarte dort persönlich
abholen.
Die Wahlkarte ist ein weißes Kuvert, das Sie verschließen können.
In der Wahlkarte befinden sich:
• der amtliche Stimmzettel und
• ein blaues Wahl-Kuvert.
Zusätzlich bekommen Sie eine Informations-Beilage in leichter Sprache.
Wie funktioniert die Briefwahl?
1. Nehmen Sie den amtlichen Stimmzettel und das blaue Wahl-Kuvert heraus.
2. Füllen Sie den amtlichen Stimmzettel selbst aus. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen.
Niemand darf Ihnen dabei zusehen.
3. Legen Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue Wahl-Kuvert.
4. Geben Sie das blaue Wahl-Kuvert in die weiße Wahlkarte zurück.
5. Auf der Wahlkarte gibt es ein Feld für die Unterschrift, die eidesstattliche Erklärung. Bitte unterschreiben
Sie dort. Wenn Sie blind sind und eine Wahlkarten-Schablone verwenden, können Sie dort
ein großes Loch im Karton ertasten. In diesem Feld müssen Sie unterschreiben.
6. Sie müssen mit Ihrer Unterschrift erklären, dass Sie den amtlichen Stimmzettel selbst, unbeobachtet
und wirklich genau so, wie Sie wollen, ausgefüllt haben.
7. Kleben Sie die Wahlkarte zu.
8. Die Wahlkarte muss rechtzeitig bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde ankommen.
Sie können die Wahlkarte zum Beispiel:
• in einen Briefkasten der Post einwerfen,
• auf einer Post-Geschäftsstelle aufgeben
• bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde direkt abgeben oder
• in irgendeinem Wahllokal am Wahltag abgeben
Wenn Sie die Wahlkarte mit der Post schicken, ist das für Sie kostenlos. Die Wahlkarte muss spätestens
am Tag der Wahl bei der Bezirkswahl-Behörde angekommen sein. Werfen Sie die Wahlkarte daher schon
ein paar Tage vorher in den Briefkasten.
22 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
3. Fliegende Wahl-Behörde
Möchten Sie wählen, obwohl Sie zum Beispiel krank sind oder nicht gut gehen können?
Dann können Sie den Besuch einer fliegenden Wahl-Behörde beantragen.
Die fliegende Wahl-Behörde ist eine besondere Wahl-Behörde.
Sie besucht Sie an dem Ort, an dem Sie am Wahltag sind.
Sie können dann dort Ihre Stimme abgeben.
Sie brauchen auch dafür eine Wahlkarte.
Die Wahlkarte und den Besuch der fliegenden Wahlbehörde müssen Sie bei Ihrer Gemeinde beantragen.
Es kostet nichts, wenn eine fliegende Wahl-Behörde zu Ihnen kommt.
Wie beantragen Sie eine Wahlkarte?
Sie können die Wahlkarte entweder persönlich oder schriftlich beantragen.
Schriftlich können Sie die Wahlkarte beantragen:
• mit der Post
• mit E-Mail
• über das Internet oder
• mit Fax.
Sie können die Wahlkarte nicht per Telefon beantragen!
Sie können die Wahlkarte schriftlich bis zum 25. September 2024 beantragen.
Sie können die Wahlkarte auch persönlich bei der Gemeinde bis spätestens
27. September 2024 um 12 Uhr beantragen und bekommen Sie gleich mit.
Achtung: Die Wahlkarte ist nicht das gleiche wie die amtliche Wahl-Information! •
Bundes-Ministerium für Inneres
Auf der Homepage des Bundes-Ministeriums für Inneres finden Sie noch mehr und genauere
Informationen über die Nationalrats-Wahl in Leichter Sprache.
Sie können ab 26. August auch diese Hotline anrufen: 08 00 20 22 20
Bezahlte Anzeige
www.behindertenrat.at
23
Interview mit GRÜNEN-
Spitzenkandidat Werner Kogler
vom 15. Juli 2024
24 www.behindertenrat.at
Nationalratswahl
Ausgabe 3/2024
Österreichischer Behindertenrat: Was bedeutet Inklusion
für Sie und worin sehen Sie in Ihrer Arbeit als
Politiker den größten Handlungsbedarf?
Kogler: Inklusion bedeutet, in möglichst allen oder
optimalerweise in allen Lebensbereichen die Chancen
und die Teilhabe gemeinsam zu ermöglichen. Im Bereich
Wohnen kann man das am besten nachvollziehen, im gemeinsamen
Zusammenleben von Menschen mit und ohne
Behinderungen. Wie ich meinen Tagesablauf gestalte, wo
und mit wem ich wohne, sind elementare Fragen. Wenn
wir stark auf Institutionen wie Heime angewiesen sind,
ist das halt nicht so gegeben. Man muss die UN‐Behindertenrechtskonvention
als echte Guideline hernehmen.
Sie ist eine Verpflichtung und keine Freiwilligenveranstaltung.
Den von uns geforderten Inklusionsfonds kennen Sie
ja. Werden sie ihn unterstützen?
Kogler: Ich werde den Inklusionsfonds unterstützen,
um einen realpolitischen Schritt zu setzen. Man kann
damit ein bisschen das Manko ausgleichen, dass wir im
Bereich Menschen mit Behinderung föderal organisiert
sind. Wir haben das in vielen Bereichen, teilweise sogar
Mischkompetenzen. Es wäre einerseits eine Verfassungsänderung
zur Kompetenzbereinigung gut, aber realpolitisch
betrachtet ist ein Inklusionsfonds ein guter Weg
einen Übergang zu schaffen, weil man auf die Art und
Weise schneller vorankommt, die Standards zu vereinheitlichen.
Ich habe mir noch keine finalen Gedanken
darüber gemacht, was man alles aus einem Fonds heraus
bezahlt oder ob es nicht ohnehin als Verpflichtung für
die jeweiligen Behörden oder Budgetkompetenten oder
auszahlenden Stellen kommt. Die Fond-Konstruktion ist
aber geeignet, das föderale Dilemma auszugleichen.
Wie viele Menschen mit Behinderungen sind auf Ihrer
Wahlliste? Wird das Wahlprogramm und die Wahlwerbung
auch in barrierefreien Formaten (leichter lesen,
ÖGS, barrierefreie PDFs) verfügbar sein?
Kogler: Barbara Sima-Ruml steht an der 11. Stelle der
Bundesliste. Sie ist wirklich toll unterwegs, auf der TU
Graz oder auch auf der FH mit entsprechender Kompetenz,
hält Fachvorträge zu barrierefreiem Bauen. Wir
nutzen vermehrt einfache Sprache. An den technischen
Lesbarkeiten wird noch gearbeitet. Wir entwickeln uns
da von Mal zu Mal weiter, aber die finale Umsetzung
kann ich noch nicht genau prognostizieren. Barrierefreiheit
war bei uns immer schon Thema. Und wehe, es war
mal nicht so, dann ist gleich die ehemalige Grüne Behindertensprecherin
Theresia Haidlmayr ums Eck geschossen.
Denn sie war hartnäckig und hat immer wieder auf
Barrierefreiheit hingewiesen. Und deshalb bin ich froh,
dass wir mit Barbara Sima-Ruml hier wieder anschließen
können. Gebärdensprachdolmetsch gibt es schon lange
bei uns, das wird konsequent fortgesetzt und hat schon
eine gewisse Selbstverständlichkeit. Jedenfalls haben
wir hier einige Angebote: Untertitel, barrierefreundliche
Webseiten u.v.m.
Letzten Sommer fand in Genf die Staatenprüfung zur
Umsetzung der UN-BRK statt. Ergebnis sind die Handlungsempfehlungen
des UN-Fachausschusses an Österreich.
Bisher fand noch kein strukturierter Prozess zur
Umsetzung der Handlungsempfehlungen in Österreich
statt. Welche Schritte werden Sie unter Beteiligung
aller Gebietskörperschaft (Bund, Länder und Gemeinden)
unternehmen, um eine strukturierte Umsetzung
zu gewährleisten?
Kogler: Ich finde insbesondere den Kritikpunkt der
Zersplitterung und die Gefahr, die durch einen falschen
Föderalismus resultiert, wichtig. Die Kompetenzbereinigung
ist ein größeres Vorhaben, weil diese in mehreren
Themenfeldern erfolgen muss. Es gibt viele Verflechtungen:
im Pflegebereich, im Gesundheitsbereich, im
Behindertenbereich und im Bildungsbereich. Das ist ein
heftiger Punkt, aber den kann man versuchen als Bundesregierung
auszutarieren. Oder wir gehen in einen
größeren Verfassungs- und Kompetenzkonvent. Von mir
aus können wir den Ländern in manchen Bereichen mehr
Kompetenzen geben. Aber nicht immer diese ewigen
Misch-Geschichten, das muss einmal geklärt werden.
Was mir aus diesem Reporting nähergegangen ist, ist
die Frage der Bildung, vor allem der schulischen. Aber in
Wahrheit muss man von der Elementarpädagogik bis zur
Uni denken.
Der UN-Fachausschuss empfiehlt den Ausbau von
Sonderschulen unverzüglich zu stoppen und die entsprechenden
Ressourcen (finanziell, personell und
pädagogisch) in das Regelschulsystem zu überführen.
Wie stehen Sie dazu?
Kogler: Das sehe ich auch so. Ich würde auch so weit
gehen, dass man die Mittel aus der Sonderschule sukzessive
rauszieht, um damit das inklusive Schulsystem
aufzupäppeln, damit man von der Sonderschule leichter
www.behindertenrat.at
25
Nationalratswahl
Haushalt im Griff haben, da bin ich der erste als Ökonom.
Die Frage ist nur: Wo und wie organisiere ich das?
Es ist wichtig, dass diejenigen, die am Verhandlungstisch
sitzen, sich das wirklich vornehmen. Bei der Umsetzung
der UN-BRK kann ohne unsere grüne Anwaltschaft und
unser Engagement schnell eine Stagnation eintreten,
und im dramatischsten Fall sogar größere Lücken entstehen.
Die UN-BRK hat einen ganz starken Status. Man
muss gemeinsam etwas vorantreiben, wobei Vertretungsverbände
eine wichtige Rolle spielen, insbesondere wenn
sie konstruktiv vorgehen.
GRÜNEN-Spitzenkandidat Werner Kogler und Behindertenrat-Präsident
Klaus Widl im Gespräch
loslassen kann. Eine Zeit lang wird es gewisse Paralleleffekte
geben, aber das müsste es einem Wert sein,
wenn das Ziel ist, Ressourcen aus der Sonderschule ins
inklusive System rüberzubringen. Man muss das Vertrauen
haben, dass das inklusive System für die Beteiligten
leistungsfähig wird. Ein weiteres Thema sind auch die
Pädagog*innen denn es gibt viele, die sich fragen: Was
muss ich denn dann alles können? Jedenfalls müsste
man anständig Geld für ein integratives, inklusives
Schulsystem zur Verfügung stellen. Wenn man die Summen
verwendet, die für das gesamte Sonderschulsystem
ausgegeben werden und in ein inklusives Schulsystem
hineindenkt und wirklich hineinlenkt, würde sich die
Situation verbessern. Wir sollten zumindest schrittweise
vorankommen. Es braucht jedenfalls Ressourcenverschiebungen.
Was ist Ihre Meinung zu einem Rechtsanspruch auf ein
11. und 12. Schuljahr an der Stammschule?
Kogler: Wir sind explizit dafür, scheitern aber am Koalitionspartner.
Bei Schüler*innen mit Behinderungen
gibt es viele weitere Entwicklungspotentiale. Sie sollten
mitwachsen können, auch in die Oberstufe hinein. Ärgerlich,
dass es nicht schon so ist.
Wie stellen Sie sich den Abarbeitungsprozess zur Umsetzung
der Handlungsempfehlungen vor?
Kogler: Vieles hängt von den Regierungsverhandlungen
ab, denn diese sind ein Kompass für fünf Jahre. Da kann
man nicht so schnell abweichen. Die Gefahr, die ich hier
sehe, sind Kürzungsfantasien. Natürlich muss man den
Das zweite besonders dringende Thema bei der Staatenprüfung
betraf De-Institutionalisierung. Ein erster
Schritt wurde mit einem Pilotprojekt mit der Richtlinie
zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz gemacht.
Bisher nehmen noch nicht alle Bundesländer
daran teil und es besteht nur eine Anschubfinanzierung.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um
eine Regelfinanzierung zu erreichen?
Kogler: Erstens muss das Pilotprojekt ausgeweitet werden,
zweitens müssen gesetzliche Voraussetzungen geschaffen
werden, dass das kein Pilot bleibt, sondern die
jeweils zuständigen Gesetzgeber sagen: So wollen wir es
haben, es kommt nun ein Rechtsanspruch. Wir müssen
auch anständig die Budgetmittel ausweiten. Auch beim
selbstbestimmten Wohnen muss es einen einheitlichen
Leistungskatalog geben.
Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger und
länger von Arbeitslosigkeit betroffen. Welche arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen werden Sie treffen, um
Menschen mit Behinderungen einen chancengleichen
Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen? Mit der in
der vergangenen Woche veröffentlichten Richtlinie für
Inklusive Arbeit gem. § 33 BBG wurde ein Schritt unternommen,
um Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf
an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen, damit
sie einen Lohn erhalten. Was halten Sie davon? Was
fehlt hier Ihrer Meinung nach noch? Wie stehen Sie zu
einer Regelfinanzierung dieser Maßnahmen?
Kogler: Das Ziel sollte sein, maximalen Zugang zum
ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Inklusion am Arbeitsmarkt
heißt, dass man sich idealtypischerweise eine
Welt vorstellt, in der Werkstätten und ähnliches wenig
oder gar keine Rolle mehr spielen. Ob das in der Praxis
immer so sein kann oder wird, ist nochmal eine andere
Frage. Aber das Ziel ist vor allem, in den Arbeitsmarkt
26 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
hineinzukommen. Da gibt es verschiedene Instrumente,
man braucht die entsprechende Förderarchitektur. Hier
werden flexiblere Fonds von der Abwicklung her wahrscheinlich
die bessere Lösung sein.
Nicht alle Menschen mit Behinderungen können Vollzeit
arbeiten. Um von Teilzeit-Arbeit leben zu können,
braucht es für Menschen mit Behinderungen ein inklusives
Arbeitszeitmodell ähnlich der Altersteilzeit. Wie
stehen Sie diesem Vorschlag gegenüber?
Kogler: Ist das als Zuschuss gedacht, wie die Grundeinkommens-Tangente?
(Erklärung des Modells seitens des
Behindertenrats). Das wäre wohl die bedarfsorientierte
Version einer Grundsicherung. In diesem Fall gibt es
einen sozialpolitischen Vergleich, der bei uns von der
Konstruktion her seit Sozialsprecher Karl Öllinger verfolgt
wird. Die Bedarfsorientierung und die Ergänzung,
aber immer, um bestimmte Standards zu erreichen. Das
ist auch bei Minister Johannes Rauch ein Thema, wenn
es um die Sozialhilfe geht, wo der Deckel in die falsche
Richtung geht. Ihr Modell ist für mich soweit nachvollziehbar.
Ich habe jetzt versucht, es von unseren Grundprinzipien
her einzuordnen und denke, es ist sehr Grünkompatibel.
Jedenfalls sollten wir hier weiter gemeinsam
an umsetzbaren Modellen arbeiten.
Die Ausgleichstaxe betrifft nur ca. 3 % der Unternehmen
in Österreich und wird vielfach von den Unternehmen
als Strafe empfunden. Deswegen fordert der
Österreichische Behindertenrat, dieses Modell durch
ein solidarisches Finanzierungsmodell zu ersetzen, das
die Mittelaufbringung auf alle Unternehmen verteilt
und aufgrund gesteigerter Einnahmen erlaubt, positives
Verhalten zu belohnen. Was halten Sie davon?
Kogler: Das Prinzip kann man schon so nehmen, nur
würde ich die Bemessungsgrundlage anders machen,
weil die Lohnsummenabgaben jetzt schon zu hoch sind.
Insofern kann man das Prinzip auch auf andere Betriebsindikatoren
ausweiten, damit die Bemessungsgrundlage
breiter wird. Wir bemessen viel zu wenig anhand
der Gewinne und Millionenerbschaften, und dafür umso
mehr anhand der Arbeit. Das ist sowohl ein Gerechtigkeits-
als auch ein volkswirtschaftliches Effizienzproblem.
Ich verstehe Ihr Anliegen, aber wir müssten schauen,
dass wir die Bemessungsgrundlagen verschieben.
Die Hauptgeschichte ist, dass wir von dieser seltsamen
Konstruktion, die dann sozusagen so kuriose Dotierungseffekte
erzeugt, wegkommen: nämlich, dass nur dann
Geld im Ausgleichstaxfonds (ATF) vorhanden ist, wenn
Unternehmen der Einstellungspflicht nicht nachkommen
und damit Ausgleichstaxe zahlen. Aber wir sollten nicht
schon wieder die Löhne belasten, sondern die Betriebe
sollten entlang ihrer Wertschöpfung etwas beitragen.
Da spielen Lohnsummen eine Rolle, aber nicht mehr nur
allein. Was wäre denn, wenn Miet- und Pachteinnahmen,
Provisionen oder Gewinne in diese Bemessungsgrundlage
hineinkommen?
Menschen mit Behinderungen haben keinen gleichberechtigten
Zugang zum Gesundheitssystem. Welche
konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um Menschen
mit Behinderungen einen räumlich barrierefreien
Zugang zu ermöglichen?
Kogler: Sie haben das Thema in Ihrem Positionspapier
bereits genau adressiert. In unserem Programm findet
sich ein Anhaltspunkt in diese Richtung. Aber ein solches
Programm ist natürlich immer die Idealvorstellung.
Realpolitisch erkenne ich eine große Chance, so ist etwa
aktuell mit den neuen Primärversorgungszentren einiges
in Bewegung gekommen, hier ist Barrierefreiheit einfach
eine Vorgabe. Was mit Bestehendem ist, gerade in
städtischen Gebieten in den inneren Bezirken Wiens, ist
ein schwierige Frage, die aber auch gelöst werden muss.
Ein weiteres Steuerungsinstrument haben wir bereits
umgesetzt, nämlich, dass neue Kassenverträge nur dann
erteilt werden, wenn Ordinationen barrierefrei sind. Will
man noch schneller etwas vorwärtsbringen, müsste es
wohl wieder über Fördersysteme organisiert werden. Es
muss jedenfalls zeitliche Vorgaben geben. Etwa, indem
in 5 Jahren eine sehr große Anzahl der Praxen sehr hohe
Standards erfüllen muss.
Vielen Dank für das Gespräch. •
von links: Bernhard Bruckner, Kerstin Huber-Eibl, Behindertenrat-Präsident
Klaus Widl, GRÜNEN-Spitzenkandidat Werner
Kogler und Behindertenrat-Geschäftsführerin Christine Pomikal
www.behindertenrat.at
27
Interview mit NEOS-Spitzenkandidatin
Beate Meinl-Reisinger
vom 12. Juni 2024
von links: NEOS-Spitzenkandidatin Beate
Meinl-Reisinger, NEOS-Behindertensprecherin
Fiona Fiedler, Behindertenrat-Präsident Klaus
Widl, Geschäftsführerin Christine Pomikal,
28 Kerstin Huber-Eibl www.behindertenrat.at
und Bernhard Bruckner
Nationalratswahl
Ausgabe 3/2024
Österreichischer Behindertenrat: Was bedeutet Inklusion
für Sie und worin sehen Sie in Ihrer Arbeit als
Politikerin den größten Handlungsbedarf?
Meinl-Reisinger: Mein Ansatz ist „gleiche Chancen für
alle“, vor allem alle Jungen. Da ist natürlich Inklusion
ein ganz wichtiger Teil davon, das heißt Teilhabe und
Selbstbestimmtheit. Hier sehe ich den größten Handlungsbedarf
v.a. im Bildungsbereich, weil er schlechter
wird. Man könnte sagen, in manchen Bereichen geht
nichts weiter, bei Bundesminister Polaschek sehe ich das
Problem, dass es wieder in die falsche Richtung geht.
Kennen Sie die Forderung nach einem Inklusionsfonds?
Meinl-Reisinger: Fiona Fiedler hat diesen Antrag unterstützt.
Wobei nicht nur der Fonds geregelt werden muss,
sondern es muss Teil des allgemeinen Bildungssystems
sein, dass Unterstützungsleistungen für pädagogische
Ausbildungen und Assistenz passieren, Räumlichkeiten
adaptiert werden und v.a. die Umsetzung des Rechts auf
ein 11. und 12. Schuljahr, was auch eine Ressourcenfrage
ist.
Haben Sie Kandidat*innen mit Behinderungen auf der
Liste?
Meinl-Reisinger: Die ehemalige Praktikantin von Fiona
Fiedler, Christina Holmes, kandidiert auf der Kärntner
Landesliste auf Platz 3 und auf der Bundesliste.
Die Staatenprüfung durch den UN-Fachausschuss fiel
nicht rosig aus. Wie würden Sie eine strukturierte
Umsetzung der Handlungsempfehlungen in Gang
setzen?
Meinl-Reisinger: Fiona Fiedler hat die Empfehlungen
in Anträge gegossen – strukturiert nach den Bereichen
Bildung, Gesundheitsbereich sowie Arbeit und Soziales,
damit wir unterschiedliche Ressorts ansprechen. Das
zweite wichtige Thema ist, dass man beim Nationalen
Aktionsplan wieder auf die Tube drücken muss und viele
Aspekte bestehen, die die Regierung offensichtlich nicht
weitergebracht hat und auch nicht vorhat, weiterzubringen.
Wir werden der Antreiber für eine Regierung sein,
die Reformen weiterbringt, wobei einer der allerwichtigsten
Bereiche der Bildungsbereich ist. Wir sehen auch
durch den Kampf von Christoph Wiederkehr in Wien, dass
er ohne den Bund an Grenzen stößt – auch, was Unterstützungsleistungen
und Assistenzkräfte angeht sowie
das Recht auf das 11. und 12. Schuljahr. Er hat das zwar
gesichert, aber nicht rechtlich abgesichert. Aufgrund
fehlender Ressourcen kann er nicht garantieren, dass
das 11./12. Schuljahr an der gleichen Schule stattfindet.
Wenn kein Druck da ist, dass Inklusion wichtig ist
und wir von Menschenrechten sprechen und nicht von
Gnadenakten, wird’s halt schwierig.
Es gibt auch zur Umsetzung der UN-Konvention den
Nationalen Aktionsplan Behinderung. Werden Sie diesen
unterstützen?
Meinl-Reisinger: Wir unterstützen ihn, aber der geht ja
bis 2030.
Es muss im neuen Regierungsprogramm festgeschrieben
werden, dass er weiterhin gilt.
Meinl-Reisinger: In Regierungsprogramme wurde schon
sehr viel geschrieben. Es muss ins Regierungsprogramm
geschrieben und getrieben werden, das ist vor allem
Thema.
Der UN-Fachausschuss empfiehlt, den Ausbau von Sonderschulen
unverzüglich zu stoppen und entsprechende
Ressourcen in das Regelschulsystem zu überführen.
Wie würden mögliche konkrete Schritte aussehen,
auch wenn Sie sagen, ins Regierungsprogramm etwas
hineinzuschreiben, das ist schnell getan. Wie steht es
um die Chancen, das dementsprechend gut umsetzen
zu können?
Meinl-Reisinger: Von unserer Seite gibt es ein volles
Bekenntnis dazu. Aber es ist v.a. ein Thema, ein klares
politisches Bekenntnis zu Inklusion abzugeben. Es gibt
Bereiche, wo wir sagen, es wäre schön, aber wie finanzieren
wir es? Aber in dem Bereich fehlt das Bekenntnis.
Hier sehe ich den größten Hebel, zu sagen: Wir wollen
das als Gesellschaft. Und dann müssen wir das in einen
guten Aktionsplan einbetten.
Der zweite wichtige Punkt betraf De-Institutionalisierung.
Ein wichtiger Punkt davon ist auch Persönliche
Assistenz, es gibt ja den Piloten zur Persönlichen
Assistenz. Es könnten sich alle Länder beteiligen, 100
Mio. Euro wurden bereitgestellt. Die Länder sind aufgerufen,
das Geld abzuholen und sich an der Förderrichtlinie
zu beteiligen. Welche Maßnahmen werden
Sie ergreifen, um eine Regelfinanzierung zu erreichen,
damit auch nach Ausschöpfen der 100 Mio. Euro selbst-
www.behindertenrat.at
29
Nationalratswahl
bestimmtes Leben möglich ist?
Meinl-Reisinger: Wenn es um die nachhaltige Finanzierung
von Fonds geht, gibt es immer die Frage nach der
gesetzlichen Dotierung. Das wäre eine Möglichkeit. Oder
man kann es institutionell wo dranhängen, dass es auf
jeden Fall gesichert ist. Das Thema haben wir in vielen
Bereichen, dass es Jahr für Jahr im Budget neu verhandelt
werden muss. Es braucht einen längerfristigen Fahrplan.
Den ganzen Bereich der De-Institutionalisierung
halte ich für sehr wichtig. Aber auch da sind wir in einem
Bereich, der über Ressorts, Bund, Länder und Gemeinden
geht. Deshalb ist die Koordination so wichtig. Und
es braucht Geldmittel oder zumindest eine Verschiebung
der Geldmittel und ein gerütteltes Maß an gesellschaftlichem
Umdenken.
Wie kann die Finanzierung der Persönlichen Assistenz
nach dem Verbrauch der 100 Mio. Euro gesichert
werden? Dem Unterstützungsfonds wurden einmal
Finanzmittel zugewiesen. Es gibt jedoch Bundesländer,
die argumentieren, sie beginnen nicht eine Leistung
auszurollen ohne zu wissen, ob sie diese in drei Jahren
noch über diese Mittel bezahlen können oder dann ins
Landesbudget übernehmen müssen.
Meinl-Reisinger: Die Bundesländer fordern das rechtliche
oder zumindest das politische Bekenntnis, wie die
Finanzierung weiter erfolgt. Hier haben wir wieder das
übliche "Schwarzer Peter-Spiel": Wer zahlt?
Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger
und länger von Arbeitslosigkeit betroffen, gleichzeitig
haben sie eine deutlich niedrigere Erwerbsquote.
Die Bundesregierung kündigte an, dass der Bund und
die Länder 54 Mio. Euro zur Verfügung stellen, um
Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten kommen
würden, auf den Arbeitsmarkt zu bringen.
Wie stehen die NEOS dazu?
Meinl-Reisinger: Ich habe dieses Thema bereits vor der
letzten Nationalratswahl mit Herrn Pichler [verstorbener
Präsident des Österreichischen Behindertenrats, Anm.]
und auch mit der SPÖ diskutiert. Wir haben eigentlich
immer die Selbstbestimmung als Ziel. Verändert man
die scharfe Grenze der Arbeits(un)fähigkeit, versieht sie
mit einem individuellen Qualifikationscheck und bezieht
das AMS ein, könnte man flächendeckend mehr Möglichkeiten
schaffen, Menschen tatsächlich auf den ersten
Arbeitsmarkt zu bringen.
Zum Ausgleichtaxenfonds (ATF) und dessen Finanzierung:
Es werden Unterstützungsstrukturen gefördert,
damit Menschen mit Behinderungen am ersten Arbeitsmarkt
einen Job finden. Zudem gibt es Lohnkostenzuschüsse,
damit es für Arbeitgeber interessant wird.
Meinl-Reisinger: Das ist etwas, über das wir nachdenken
könnten. Dass man sehr wohl sagt, dass diese
Ausgleichstaxe zwar durchaus sinnvoll ist, aber ob man
nicht auch andere Anreize setzen könnte.
Das hat es schon gegeben, als es für die Übererfüllung
der Beschäftigungspflicht aus dem Ausgleichtaxenfonds
heraus Förderungen gab. Die Ausgleichstaxe wird
von Unternehmen oft als Sanktion empfunden. Jetzt
haben wir dieses System, das noch dazu nur 3 Prozent
der Unternehmen betrifft. Für uns stellt sich die Frage,
ob man nicht ein solidarisches Modell implementiert,
das den Einzelnen weniger kostet, aber durch die Verbreiterung
mehr Geld lukriert, um positive Anreize zu
setzen.
Meinl-Reisinger: Das Einzige, wo wir bei Ihrem solidarischen
System tatsächlich auf der Bremse stehen, ist die
Erhöhung der Lohnnebenkosten, ich würde eher mit Anreizen
arbeiten. Das ist halt auch ein Fonds, man müsste
eine anderweitige Finanzierung überlegen. Im Bereich
langzeitarbeitsloser Menschen gibt es gute Erfahrungen
mit Lohnkostenzuschüssen, die eine hohe Beschäftigungswirkung
hatten. Es gab auch ein Pilotprojekt für
junge Menschen, das gut funktionierte und von Arbeitgebern
gut angenommen wurde.
Wenn man die Lohnnebenkosten nicht erhöhen möchte,
könnte man dies auch im Steuerrecht oder beim Betriebsergebnis
einhängen.
Meinl-Reisinger: Ich halte solche Anreize für weitaus
klüger als Strafzahlungen. Und dann beschäftige ich
Mitarbeiter*innen mit Behinderungen, die ich ohnehin
brauche – bei uns arbeiten ja auch Menschen mit Behinderungen,
die einen super Job machen.
Zahlreiche Menschen mit Behinderungen können behinderungsbedingt
nicht Vollzeit arbeiten. In der Realität
arbeiten sie auf Kosten der Existenzsicherung weniger
oder über das ihrer Gesundheit zuträgliche Maß
hinaus, somit produzieren wir Langzeitkrankenstände.
Uns schwebt ein inklusives Arbeitszeitmodell ähnlich
der Altersteilzeit vor, wo die öffentliche Hand einen
30 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
Teil der Lohnkosten (bis zur Vollzeit) übernimmt. Das
heißt, dass man im Vorfeld ein Assessment macht, konkret
auf die Person und den Arbeitsplatz bezogen, wie
viele Arbeitsstunden sind für diese Person gut, ohne
dass die Gesundheit geschädigt wird.
Meinl-Reisinger: Ich kann den Ansatz nachvollziehen.
Aber ist das für die Betroffenen nicht gefährlich, dass sie
womöglich stigmatisiert werden und weniger Chancen
haben? Darüber muss man noch eine Runde nachdenken.
Als Arbeitsgeberin ist man mit dem Wunsch, dass immer
mehr Mitarbeiter*innen flexibel arbeiten möchten und
man individuelle Beschäftigungsmodelle finden muss,
ohnehin konfrontiert. Ich habe den Eindruck, der Arbeitsmarkt
hat sich hier verändert. Da geht es um Fragen
wie Homeoffice, Teleworking, selbstbestimmtes Pausenfinden
und flexible Urlaubsregelungen. Dann stelle ich
die Frage, ob man Menschen mit Behinderungen so hilft,
dass man von vornherein flexibler agiert. Wie gesagt, ich
bin hier offen.
Das sind wichtige Gedanken und werden mitgenommen.
Warum thematisieren wir die vorherige Einschätzung
des Stundenausmaßes in dieser Überlegung?
Damit die öffentliche Hand, ähnlich wie bei der Altersteilzeit,
einen Teil refundiert. Wir schaffen Existenzsicherung,
indem die öffentliche Hand mitsubventioniert.
Meinl-Reisinger: Das wäre im Rahmen dieses Anreizsystems
etwas, über das man nachdenken kann.
Die Entwicklung geht in die Richtung, dass Menschen
mit einer Mobilitätseinschränkung auf eine Wahlarztordination
ausweichen müssen. Welche konkreten
Maßnahmen würden Sie hier setzen?
Meinl-Reisinger: Das Modell der Finanzierung aus einer
Hand mit einer Stärkung des niedergelassenen Bereichs,
Kassenverträgen und einem Hausarzt, der ein Gesundheitslotsensystem
hat, ist dringend notwendig. Psychotherapie
auf Krankenschein fordern wir auch.
Wie stehen Sie zu Primärversorgungszentren?
Meinl-Reisinger: Die finde ich gut, aber es gibt zu
wenige. Auch wenn es um Pflege geht, ist das Community
Nursing System ein wichtiger Ansatz, weil es zentral
organisiert und niederschwellig ist. Aber ohne, den
gordischen Knoten der Finanzierungsströme zu lösen,
wird das schwierig.
Ist die Wahlwerbung der NEOS barrierefrei?
Meinl-Reisinger: Wir implementieren die europäische
Norm für Barrierefreiheit EN 301 549 und die WAI AA,
um unsere Webseite möglichst barrierefrei anzubieten.
Fiona Fiedler hat durchgesetzt, dass es bei allen Mitgliederversammlungen
Gebärdendolmetsch gibt. Wir haben
das Programm in Einfacher Sprache. Und was mittlerweile
Standard ist, ist die Untertitelung aller Videos.
Vielen Dank für das Gespräch. •
Etwas, das Menschen mit Behinderungen auch auf
Grund von Komorbiditäten immer wieder begegnet, ist
eine Überlastung, die zu Krankenständen führt, und
dass kein gleichberechtigter Zugang zum Gesundheitssystem
vorhanden ist. Ein Punkt, der immer stärker
hineinkommt, ist die vermehrte psychische Belastung.
Auch psychiatrische und psychosomatische Erkrankungen
sind als Teil der Lebensrealität von Menschen mit
Behinderungen zu sehen, anzuerkennen und nicht zu
stigmatisieren. Wesentlich ist auch das Thema barrierefreie
Ordinationen.
Meinl-Reisinger: Die neuen Ordinationen müssten barrierefrei
zugänglich sein. Als meine Mama 1983 ihre Ordination
bekam, war diese nicht barrierefrei. Es war bis
zum Schluss baulich nicht möglich. Wir brauchen auch
eine Zusammenarbeit mit Behörden, was Parkzonen für
Menschen mit Behinderungen vor Ordinationen betrifft.
NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger im Gespräch mit
Behindertenrat-Präsident Klaus Widl
www.behindertenrat.at
31
Barrierefreiheit
Sensibilisierungstage im Parlament
Am 10. und 11. Juli 2024 fanden in der Agora des Parlaments auf Einladung von Parlamentsdirektor
Dr. Harald Dossi und dem Team „Barrierefreiheit und Inklusion“ bereits zum dritten
Mal sogenannte „Sensibilisierungstage“ statt. Das Motto der Veranstaltung im heurigen Superwahljahr
lautete „barrierefrei wählen“. Anhand von Stationen wurde der Wahlprozess aus Sicht
von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen nachgestellt: Von der Information bis zur
Stimmabgabe in einer Wahlkabine oder per Brief. Die Teilnehmer*innen konnten die einzelnen
Schritte in Form einer Selbsterfahrung ausprobieren.
Das Thema "Wahlzugänglichkeit" stand im Mittelpunkt der Sensibilisierungstage im Österreichischen Parlament. Besucher*innen,
Parlamentsmitarbeiter*innen und Politiker*innen erhielten Einblicke in die Bedeutung eines inklusiven Wahlprozesses.
Die Besucher*innen der Sensibilisierungstage
im Parlament
konnten sich informieren,
welche Unterstützung für blinde und
sehbehinderte Menschen zur Verfügung
stehen. So ermöglicht ein
spezielles Kuvert, in das der Wahlbogen
gelegt wird, die Felder zum
Ankreuzen der jeweiligen Parteien
zu ertasten. Auch für die Briefwahl
stehen Schablonen zur Verfügung,
die über den Wahlbogen gelegt
werden können. Bei diesen sind die
Hilfskuverts bereits in Brailleschrift
gedruckt.
Die Zugänglichkeit von Wahlkabinen
für Menschen im Rollstuhl und die
Bereitstellung von Wahlinformationen
in Einfacher Sprache sind wichtige
Aspekte, um sicherzustellen,
dass alle Bürger*innen ihre demokratischen
Rechte ausüben können.
Es ist entscheidend, dass Wahlkabinen
so gestaltet sind, dass sie für
Rollstuhlnutzer*innen zugänglich
sind und dass die Wahlunterlagen in
einer Höhe angebracht werden, die
für sie lesbar ist.
Ebenso wichtig ist es, dass die
Wahlinformationen für Menschen
mit Lernschwierigkeiten in einer
Weise aufbereitet werden, die ihren
Bedürfnissen entspricht, wie zum
Beispiel durch:
• kurze Sätze
• Schriftgröße 14
• Zeilenabstand 1.5
• keine Abkürzungen
Diese Anpassungen helfen dabei,
Barrieren abzubauen und eine inklusive
Umgebung zu schaffen, in der
Wähler*innen ihre Stimme abgeben
können. •
32 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderungen unterstützen bei der Ausübung des Wahlrechts
Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi
eröffnet die Sensibilisierungstage
von links: Barrierefreiheitsexpertin DI
Tatjana Novakovic, Behindertenrat-Präsident
Klaus Widl und Parlamentsdirektor
Dr. Harald Dossi im Gespräch
Fotos: Andrea Strohriegl und Kerstin Huber-Eibl
www.behindertenrat.at
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Barrierefreiheit
Forum Selbstvertretung
im Parlament
Von Beate Heher
Am 22. April 2024 besuchten zehn Mitglieder des Forum Selbstvertretung im Österreichischen
Behindertenrat mit ihren Assistent*innen das österreichische Parlament, um sich ein Bild von
der Barrierefreiheit des „Hohen Hauses“ zu machen.
Fotos: Victoria Biber
Nachdem wir eine gründliche Sicherheitskontrolle
passiert hatten, erreichten wir das Besucher*innenzentrum.
Die steile Rollstuhlrampe bereitete
einigen Mitgliedern des Forums Schwierigkeiten beim
Überwinden.
Überall waren Leitsysteme installiert, wobei einige eingefräst
statt geklebt waren. Dies stellte für eine Teilnehmerin,
die Schwierigkeiten hat, ihre Beine anzuheben,
eine Stolpergefahr dar. Dennoch sind diese Linien von
entscheidender Bedeutung für blinde Menschen.
Das taktile 3D-Modell des Parlaments mit Brailleschrift
faszinierte die Gruppe besonders. Zudem bemerkten wir,
dass alle Türen mit Karten geöffnet werden können. Allerdings
schließen sich die Türen schnell, wenn mehrere
Personen hindurchgehen, was dazu führt, dass der Guide
an der Tür stehen bleiben muss, um sie offen zu halten.
„Mich hat beeindruckt, dass die Aufzüge so groß sind,
sodass sogar drei oder vier Rollstühle hineinpassen.
Das Leitsystem finde ich besonders wichtig. Es ist gut
gemacht. Ich habe auch alles verstanden, was der Tourguide
erzählt hat“, erklärte Andreas Zehetner, Präsidiumsmitglied
Österreichischer Behindertenrat, nach der
Führung.
Individuell angepasste Führung
Der Tourguide erwies sich als äußerst einfühlsam gegenüber
den Bedürfnissen und dem Alter der Gruppe. Durch
seine geschickte Anpassungsfähigkeit konnte er sicher-
34 www.behindertenrat.at
Ausgabe 3/2024
stellen, dass die Teilnehmer*innen einen umfassenden
Einblick in die verschiedenen Räumlichkeiten des Parlaments
erhielten. Er integrierte genau das Feedback und
die Fragen der Besucher*innen in seine Erläuterungen.
Dabei sorgte er dafür, dass die Menge an vermittelten
Informationen angemessen war, um die Gruppe nicht zu
überfordern.
Die einzige Herausforderung bestand darin, dass es keine
Toilette vor der Zutrittskontrolle gab. •
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35
Empfänger
Österreichische Post AG
GZ 02Z032856
Österreichischer Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
Retouren an Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
Kategorie Ausgabe 3/2024
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