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freundschaft

amitié

Geschichte und Vision von

Plobsheim und dem Kempferhof




Liebe Leserinnen und Leser,

freundschaft

amitié

lange Zeit prägten Hass und Unfrieden das Verhältnis von Deutschen und

Franzosen. Im 19. Jahrhundert kam sogar der Begriff der „Erbfeindschaft“

hoch, so als wollte man diesen Zustand für alle Zeiten festschreiben. Die

Folgen waren für beide Seiten verheerend: Napoleons Truppen kamen

im frühen 19. Jahrhundert nach Deutschland, die Deutschen wiederum

verleibten sich nach dem Krieg 1870/71 Elsass und Lothringen ein. Die

„Erbfeindschaft“ war schließlich einer der Gründe für die Katastrophen

des Ersten und Zweiten Weltkriegs.

Vor 60 Jahren, am 22. Januar 1963, wurde zwischen Frankreich und der

Bundesrepublik Deutschland der Élysée-Vertrag zur Aussöhnung der beiden

einstigen Erbfeinde geschlossen. Seitdem verbindet uns eine starke

Freundschaft. Was Bundeskanzler Konrad Adenauer und Staatspräsident

Charles de Gaulle damals initiierten, muss aber stets mit Leben erfüllt

werden, um nicht zu verkümmern.

Gerade entlang des Oberrheins bietet sich dafür ein riesiges Potenzial,

von dem die Menschen auf beiden Seiten profitieren. Mein Großvater

Franz Mack durchschwamm einst den Rhein, um nach Krieg und Gefangenschaft

endlich nach Hause zu kommen. Ein schlechtes Wort über den

Nachbarn auf der anderen Flussseite gab es aber nie in unserer Familie.

Spätestens mit der Gründung des Europa-Park 1975 wurden die Franzosen

zur unverzichtbaren Stütze für unser Familienunternehmen, sowohl was

unsere vielen französischen Mitarbeiter als auch die Millionen Besucher

aus Frankreich betrifft.

Geschichte und Vision von

Plobsheim und dem Kempferhof

Mit einem Multimedia-Entwicklungszentrum in Plobsheim bei Straßburg

haben wir nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Erstmals hat unsere

Familie außerhalb Deutschlands einen Standort eröffnet. Kreativität darf

sowieso keine Grenzen kennen – ebenso wie die deutsch-französische

Freundschaft. Frankreich ist eine Inspirationsquelle für uns. In Plobsheim

mischen sich das französische Savoir Vivre und Kreativität mit der viel

zitierten deutschen Gründlichkeit. Das vorliegende Buch schlägt eine

Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Frankreich und

Deutschland und auch zwischen Ideen und Beziehungen, die es über den

Rhein immer schon gab und sicher nie zu Ende gehen werden.

Ich wünsche Ihnen eine spannende, inspirierende Lektüre.

michael MAck



Die Geschichte des Kempferhofs

mastermind 4

Michael Mack

42 Begegnung

Thomas Schadt

inhalt

AMITIÉ 8

Emmanuel Macron

GRÜne ATMOSPHÄre 10

Gespräch mit Pierre-Etienne Bindschedler

und Michael Mack

Aufbruch in neue Welten 18

Digitalisierung

EIN WeinGut FÜR EUROPA 26

Ollwiller im Elsass

Deutsch-Französisches Tandem 30

Brigitte Klinkert

hoLLywood in Rust 32

Luc Besson

chance 36

Michèle Leckler

europa des Films 38

Fabian Gasmia

Technik braucht geschichte 40

Pierre-Yves Jourdain

44 the oscar goes to

Gerd Nefzer

46 spass für jeden spieler

Maylis Lamoure

48 glücksbringer

Jade Lagardère

54 Traumfabrik

„Station F“ in Paris

56 auf extratour

Raymond E. Waydelich

58 ahoi heimat

Stefan Strumbel

60 frauenpower

Pia Imbs und Jeanne Barseghian

64 spurensuche

Laurette Lourenço-Siefert

66 début

Mack One France

70 Kapitel I

Das Dorf

Die erste Tieflandburg

Maria zur Aych – „Notre-Dame du Chêne“

Das zweite Schloss

74 Kapitel II

Neue Herrschaftsverhältnisse

78 Kapitel III

Die Familie Dartein im Elsass

92 Kapitel IV

Der Nachlass wird zum „Kempferhof“

98 Kapitel V

Die Bauten des Kempferhofs

124 Kapitel VI

Das „Haus von Dartein” und das „Haus von Gail”

130 Kapitel Vii

Zeugnisse aus der Familie

136 Kapitel VIII

1990: Wiederbelebung des Kempferhofs

und die Anlage des Golfplatzes

2

3



MAstermind

S

eit 2018 arbeitet Michael Mack als französischer Honorarkonsul für die Regierungsbezirke

Freiburg im Breisgau und Tübingen an der Intensivierung

der deutsch-französischen Freundschaft. Tradition, Jugend, Digitalisierung

und Zukunft sind ihm dabei besonders wichtige Aspekte. „Mein Augenmerk

gilt vorrangig der Förderung grenzüberschreitender Projekte, Innovationen

und Initiativen“, kündigte der geschäftsführende Gesellschafter des Europa-Park 2018

an und hat inzwischen auf ganz praktische und unternehmerische Weise Wort gehalten.

Im elsässischen Plobsheim unweit von Straßburg hat er einen Kreativstandort

aufgebaut – es ist das erste Tochterunternehmen der Europa-Park-Familie Mack

außerhalb Deutschlands. Im Interview erklärt Michael Mack die Hintergründe und

Ziele.

Mack One France ist die Kreativschmiede der Familie Mack, die in Plobsheim wächst.

Was entsteht hier genau? Gibt es Ausbaustufen für die nächsten Jahre?

Michael Mack — Wir bündeln im elsässischen Plobsheim innerhalb der neu gegründeten

Mack One France sowohl unsere Frankreich-Aktivitäten im Bereich Marketing

und Vertrieb als auch einen wichtigen Teil der technologie- und innovationsgetriebenen

Aktivitäten der Mack Interactive im dort erbauten Innovations-Campus. Plobsheim

wird uns aufgrund der strategischen Lage Zugang und Nähe zu den wichtigen

Talenten des französischen Innovations-Ökosystems sichern. Es liegt knapp zehn Kilometer

südlich von Straßburg, dem TGV-Halt und dem Flughafen Straßburg. Auch

der ICE-Bahnhof Offenburg und der Standort Rust sind nahe gelegen. Unsere Familie

gründet hier ihren ersten Dienstsitz außerhalb Deutschlands.

Plobsheim ist gleichzeitig eine Wachstumsstrategie Richtung Paris, wir versuchen

das Einzugsgebiet des Parks zu vergrößern. Darüber hinaus bietet der neue Sitz kreative

Ruhe und den Abstand zum doch manchmal hektischen Alltag im Europa-Park.

Wir wollen neue Formen der Unterhaltung entwickeln und erforschen. Wir sind komplett

offen für die Zukunft. Momentan handelt es sich beispielsweise um Virtual Reality,

VR-Coaster oder Yullbe, aber auch andere Technologien. Unser Kreativteam wird

sich mit der Zukunft des Entertainments, der Unterhaltungsformen, beschäftigen.

Es geht um Entwicklung, aber auch Research, was am Markt gerade geht oder nicht

geht.

Digitalisierung im Allgemeinen, Plattformtechnologien, Virtual Reality, Augmented

Reality, Künstliche Intelligenz oder auch Dinge, von denen wir vielleicht noch gar

nicht wissen, spielen eine Rolle. Wie sieht der Freizeitpark von morgen aus? Das ist

die Idee für Plobsheim bei Straßburg.

Und wie ist es mit der Filmproduktion?

Mack — Natürlich wollen wir hier auch versuchen die Filmförderung besser zu verstehen.

Man muss wissen, dass Mack Animation in Hannover und auch VR-Coaster in

Kaiserslautern kaum Zutritt und Zugang zum französischen Markt haben. Alle Filme

von Holger Tappe liefen nicht in Frankreich, weil man eine französische Niederlassung

haben muss. Bedenkt man aber, dass der französische Markt an Kinogängern vor der

michael MAck

Wie sieht die Zukunft

des Entertainments aus?

Wie werden

Freizeitparks in einigen

Jahrzehnten aussehen

und wie finden die

Menschen Vergnügen

und Abwechslung in der

neuen digitalen Welt?

Solche Fragen stehen

im Mittelpunkt d er

Aktivitäten von Mack

Next, gegründet von

Michael Mack.

4

neuzeit

MICHAEL MACK

neuzeit

MICHAEL MACK

5



Zusammenkommen ist ein Beginn,

Zusammenbleiben ein Fortschritt,

Zusammenarbeiten ein Erfolg

Henry Ford

Pandemie viermal so groß war, sieht man extremes Potential für uns, zum einem in

der Zusammenarbeit mit französischen Institutionen auch in der Filmförderung, zum

anderen in Vertriebs-Institutionen, um vielleicht den Ed-und-Edda-Euromaus-Kinofilm,

den wir für das 50-Jährige planen, auch in Frankreich zu zeigen.

Nehmen Sie uns mit in die Welt der kreativen Digitalisierung. Geht es mehr um Filme,

um Digitalisierung beim Gaming, um Anwendungen mit Virtueller Realität oder mehr

um künstliche Intelligenz? Was bringt so eine Kreativschmiede, die in die Zukunft

blickt?

Mack — Ich glaube, man kann heute noch nicht jede Frage beantworten. Auf jeden

Fall erhoffen wir uns durch die Nähe zu Straßburg Zugang zu dem Universitäts-Netzwerk.

Dieses ist zweifelsohne in Straßburg vorhanden. Wir hoffen durch den Standort

auf die Gewinnung von Talenten, die wir vielleicht heute nicht nach Rust bekommen.

Talente, die Rust als innovatives Entertainment-Unternehmen auf dem Schirm

haben. Beinahe jeder hat im Elsass Erinnerungen an den Europa-Park, aber doch weniges

Wissen um die Aktivitäten von Mack Animation, VR-Coaster und letztendlich

auch um Dinge wie Eatrenalin. Sie sind im Markt noch gar nicht bekannt und wenn

sie mal in Deutschland bekannt sind, heißt es ja noch lange nicht, dass sie das auch

in Frankreich sind. Wenn man eine Parallelität zu den Besucherzahlen legt, ist auffällig,

dass 20 Prozent davon Franzosen und 20 Prozent Schweizer sind. Allein von der

Größe des Landes und der Einwohnerzahl fällt auf, dass Frankreich einen viel größeren

Markt hat. Sichtbar wird, dass da in der Geschäftsentwicklung noch Luft nach

oben ist. Übrigens auch die Nähe zum TV-Sender Arte in Straßburg spielt eine Rolle.

Plobsheim soll ein Ort sein, um alle Innovationen aus den verschiedenen Gesellschaften

der Familie Mack ein Stück weit zusammenzuziehen und letztendlich auch

strukturiert abzuarbeiten. Der Standort soll auch Dienstleistung an die anderen Firmen

unserer Gruppe sein, bei denen die Innovation im Tagesgeschäft manchmal ein

bisschen untergeht oder zur Seite geschoben wird.

Weshalb Plobsheim und nicht Hauptsitz Europa-Park?

Mack — Es ist außerhalb und dennoch ist die Nähe zum Europa-Park extrem wichtig.

Die Mitarbeiter in Plobsheim können schnell in den Europa-Park kommen und ihn

erleben. Das Produkt hier in Rust auch zu kennen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Die

Mitarbeiter können in Rust alles erleben, nicht nur die 4D-Filme von Mack Animation

und das Magic Cinema, sondern auch die VR-Technologie mit Yullbe und Coastiality

im Park. Die Produkte sind hier erlebbar, sie sind sozusagen unser eigenes Testfeld –

das ist der Europa-Park für neue Technologien. Es ist extrem wichtig, diesen Vibe des

Freizeitparks mitzubekommen.

Was auch noch dazu kommt, ist diese Mischung zwischen der deutsch-französischen

oder romanisch und alemannischen Sprache. Neben der Schweiz oder Kanada ist das

hier einer der wenigen Plätze, wo das Angelsächsisch-Alemannische auf das Romanische

trifft. Diese Mischung erzählt eine Geschichte.

Insofern ist das ein perfekter Mix zwischen Kreativität und der Nähe zum Mutterunternehmen,

aber auch die Eröffnung neuer Horizonte, nicht nur was Arbeitskräfte von

der Universität in Straßburg betrifft, sondern auch auf dem Markt.

Wie wichtig ist solch eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich, aus wirtschaftlicher

Sicht, aber auch als Stabilisierung für die europäische Idee?

Mack — Es ist extrem wichtig, dass man sich gemeinsam trifft und gemeinsam Dinge

anpasst. Es gibt dieses eine Sprichwort: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben

ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ein Erfolg.“ Das hat Henry Ford einmal

gesagt. Das trifft diese Situation ganz gut.

Gleichzeitig entsteht und wächst ein neuer Raum oder eine neue Region, die längst

nicht mehr vom Rhein getrennt ist, die immer mehr zusammenwächst.

Mack — Viele Jahre haben wir als Badener mehr von den Elsässern profitiert als vielleicht

andersherum. Insofern ist es an der Zeit, etwas an die Region zurückzugeben.

Es gab im Vorfeld auch einige kritische Stimmen im Elsass zur Ansiedlung von Mack

One in Plobsheim. Wie gut wurden die Umweltbelange bei dem Projekt berücksichtigt?

Mack — In Zeiten von Social Media werden solche Stimmen nochmal stärker gehört.

Allerdings haben wir nicht nur die erste Regierung der Eurometropole, sondern auch

zwei Bürgermeisterinnen und zwei Bürgermeister in Straßburg mit einbezogen. Wir

haben alles Mögliche getan, wie beispielsweise eine sehr umfangreiche Umweltstudie

mit mehr als 900 Seiten. Es gab keinerlei Einsprüche. Das zeigt eigentlich schon,

dass alles getan wurde, um nachhaltig zu arbeiten. Insofern ist das Bild, wenn man

mit der Region, den regionalen Verbänden oder den Bürgermeistern, den Menschen

in Plobsheim spricht, ein komplett anderes, als das, was die kritischen Stimmen mit

einer kleinen Demo verbreiten. Die Menschen im Elsass sind, soweit ich das wahrnehmen

kann, froh und glücklich, dass wir uns bei ihnen ansiedeln.

Das ganze Thema Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Siegel, auf das man stolz ist, das

wird von der Familie Mack gelebt. Das sieht man hier an diesem Beispiel mit viel Holz,

mit einer sehr guten Einbindung in die Landschaft und die Natur.

Mack — Wir versuchen ebenfalls im Europa-Park, sehr nachhaltig zu arbeiten. Wir

wollen, dass die nächsten Generationen genauso Spaß haben können.

Desweiteren haben wir einen guten Weg gefunden und so geplant, dass weitere Ausbauschritte

in Plobsheim möglich sind, je nachdem, wie erfolgreich wir sein werden.

Expansionsmöglichkeiten sind da. Aber das geht Schritt für Schritt, so, wie wir ja auch

mit dem Europa-Park groß geworden sind.

Die Verkehrsanbindung einerseits an das französische Verkehrsnetz, andererseits auch

an das deutsche sprechen ebenfalls sehr für Plobsheim.

Mack — In zehn Minuten ist man am Flughafen in Entzheim, 20 Minuten braucht man

zum TGV. Man ist in zwei Stunden von Plobsheim in Paris, aber auch nach Deutschland

ist es perfekt. In Offenburg erreichen wir in 20 Minuten den ICE. Plobsheim liegt

sensationell gut.

yullbe

6

neuzeit

MICHAEL MACK

neuzeit

MICHAEL MACK

7



Wir lieben unsere Länder – aber auch Europa

amitié

emmanuel macron

E

uropa braucht die deutsch-französische

Freundschaft. Diese Überzeugung bekräftigt

Emmanuel Macron immer wieder, seit er 2017

mit damals 39 Jahren als jüngster französischer

Präsident aller Zeiten in den Élysée-Palast eingezogen

ist. „Gemeinsam haben wir das Ziel eines stärkeren,

souveräneren, geeinteren und demokratischeren

Europas“, erklärte er etwa beim Treffen mit Bundeskanzler

Olaf Scholz im Mai 2022. Es war die erste Auslandsreise

nach seiner Wiederwahl. „Wir wissen, dass große Aufgaben

vor uns liegen, so zum Beispiel der ökologische und

der digitale Wandel, aber auch die Veränderung unserer

Gesellschaften.“

Historisches Wunder

Bereits 2019 hatte Frankreichs Präsident bei der Unterzeichnung

des Aachener Vertrags daher betont: „Deutschland

und Frankreich müssen in dieser Welt und in diesem

Europa den Weg weisen.“ Die Liebe zur Heimat und die

europäische Integration seien keine Widersprüche. „Wir

lieben unsere Vaterländer, aber wir lieben auch Europa,

weil wir wissen, dass sie tief und untrennbar miteinander

verbunden sind.“

Mit dem Vertrag von Aachen 2019 besiegelten die damalige

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Macron die

deutsch-französische Freundschaft erneut – fast sechs

Jahrzehnte nach dem ersten deutsch-französischen

Freundschaftsvertrag, dem berühmten Élysée-Vertrag

durch Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. Die damals

eingeleitete Aussöhnung sei heute „eine Selbstverständlichkeit,

und wir unterschätzen bestimmt zuweilen,

welch mächtige Bedeutung dieses historische Wunder

hat“, sagte Macron und erinnerte an die jahrhundertelange

schmerzvolle Geschichte, in der sich beide Länder

mit blutigen Kriegen überzogen. „Die Konflikte zwischen

Deutschland und Frankreich haben die Welt in Schutt

und Asche gelegt. Es war unsere Pflicht, dem ein für alle

Mal ein Ende zu bereiten. Das haben wir erreicht.“

Schutzschild Europas

Dies ist für den Präsidenten aber nur die Basis – nicht nur

zu einer vertieften deutsch-französischen, sondern auch

europäischen Freundschaft: „Unser gemeinsames Ziel

muss es nun sein, Europa zu einem Schutzschild unserer

Völker gegen die neuen Stürme in der Welt zu machen.

Es geht um unsere Fähigkeit, zu zeigen, dass die Freundschaft

zwischen Deutschland und Frankreich, dass unsere

gemeinsamen Projekte und unsere Ziele für Europa den

wahren Schutz bieten und es wirklich möglich machen,

unser Schicksal in dieser Welt frei zu gestalten.“

Die Familie Mack als Vorreiter

Der französische Staatspräsident betonte

immer wieder, es sei von unschätzbarer

Bedeutung, dass sich Menschen,

Familien sowie Unternehmen aus Frankreich

und Deutschland austauschen

und gemeinsame Projekte angehen. Die

großartige deutsch-französische Freundschaft

sei letztlich nur den Menschen zu

verdanken. Macron stellt klar: „Ohne die

deutsch-französische Achse kein Europa.

Europa ist ohne Alternative.“ Der

Staatspräsident weiter: „Für mich sind

die Aktivitäten des französischen Honorarkonsuls

Michael Mack ganz im Sinne des Vertrages von

Aachen über die deutsch-französische Zusammenarbeit

und Integration und natürlich im Sinne des Élysée-Vertrags

von 1963. Wir brauchen konkrete Projekte, die die

deutsch-französische Freundschaft noch mehr festigen.“

Die Unternehmerfamilie Mack, die Deutschlands größten

Freizeitpark betreibt, gilt als ein Vorreiter für solche

grenzüberschreitenden Projekte. Die Ansiedlung der

internationalen Kreativschmiede Mack One France für

Filmproduktion und Digitalentwicklung in Plobsheim im

Elsass ist dabei ein wichtiges Signal. Hier gibt es einen

Schulterschluss von hochkarätigen jungen Forschern und

Entwicklern aus Deutschland und Frankreich, aber auch

vielen anderen Nationen.

Macron: „Wie Sie glaube ich an Europa“

In einem Schreiben an die Familie Mack bekräftigt Präsident

Macron: „Wie Sie glaube ich an Europa. Nicht als Beschwörung,

sondern als schwierigen, aber unerlässlichen

Aufbau eines Modells, dessen Relevanz, aber auch dessen

Unzulänglichkeiten, in der letzten Zeit erneut hervorgehoben

wurden. Das europäische Projekt ist nicht abgeschlossen.

Wir müssen uns weiter auf das Europa von

morgen zubewegen, das bürgernäher, agiler, kooperativer

und leistungsfähiger ist und mehr Vertrauen in seine Fähigkeiten

hat, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

zu bewältigen.“

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neuzeit

FREUNDSCHAFT

neuzeit

FREUNDSCHAFT

9



grüne

Atmosphäre

Der Kempferhof im Elsass gehört zu den

schönsten Golfplätzen Europas.



Was bedeutet Straßburg

für Ihr Unternehmen

Soprema?

Und der Kempferhof?

pierre-Etienne Bindschedler

D

as Golf-Resort Kempferhof im Besitz von Pierre-Etienne Bindschedler gehört

zu den schönsten Golfplätzen in ganz Europa. Nur wenige Kilometer

von Straßburg entfernt und ganz nah am neuen Innovationsstandort

Mack One France ist es sehr beliebt. Gegenwärtig werden das Golf-Resort

und sein dazugehöriges Château-Hotel erweitert und mit Weitsicht modernisiert.

Im Gespräch beschreiben Pierre-Etienne Bindschedler und Michael Mack

die Bedeutung des Kempferhofs und des Engagements der Familie Mack im Elsass

sowie ihre Visionen für die Zukunft.

Pierre-Etienne Bindschedler — Wir können uns nicht von der Umgebung abschotten.

Viele Menschen aus Straßburg arbeiten bei uns, viele Führungskräfte von Soprema

kommen aus Straßburg. Daher sind wir automatisch eng mit Straßburg verbunden.

Wir müssen die Region einbeziehen. Unterstützung der Kultur gehört dazu.

Der Kempferhof ist neun Minuten vom Soprema-Firmensitz entfernt. Es ist ein einzigartiger,

wunderschöner Platz, den ich hier gefunden habe. Ich spiele kein Golf. Michael

Mack ist ein großer Golf-Fan. Mein Ansatz ist, hier ein Hotel und ein Restaurant in

dieser grünen Atmosphäre aufzubauen. Das war der einzige Grund, warum ich mich

auf dem Golfplatz Kempferhof niederlassen wollte. Ich habe ihn gekauft, als er sich in

einer sehr schwierigen finanziellen Lage befand, das Gelände war nicht wirklich gut

erhalten. Wir wollen hier künftig eine Art Golf anbieten, die mit der Stadt Plobsheim

harmoniert und sich einfügt.

Wir bieten etwa den Kindern von Plobsheim an, vier Stunden pro Woche hier mit einem

Trainer zu golfen, und dies für 50 Euro pro Jahr. Ich finde das ist wichtig, weil Golf

Nachwuchs braucht. Wer weiß, vielleicht bringen wir so den nächsten Weltmeister

im Golf hervor.

Es ist für Sie also sehr

wichtig, etwas für die

Gesellschaft zu tun.

Was verbindet die Familien

Mack und Bindschedler?

Wo gibt es Parallelen?

Ich liebe eigentlich die Schweizer Berge. Ich habe eine kleine Ski-Station, wo mich auch

schon Michael mit seiner Frau und seinen Kindern besucht hat. Als ich klein war, hat

die Stadt dort den Kindern die gleiche Möglichkeit angeboten. Man konnte Skifahren,

wurde von Lehrern trainiert. Der Sport hat uns die Chance gegeben, auch gesundheitlich

fit zu bleiben und auch andere Stärken, wie Mut, Fairplay, Respekt, gefördert, die

für das soziale Leben unerlässlich sind. Und dies möchten wir mit unserem Golf-Angebot

auch den Kindern in Plobsheim bieten.

Bindschedler — Es kommt noch ein anderer Aspekt dazu: Je berühmter Straßburg ist,

umso mehr Wert hat dies für die Unternehmen hier. Auch im Hinblick auf die Personal-Akquise.

Man muss für die jungen Menschen attraktiv sein. Und auch für unsere

Geschäftspartner ist die Wertigkeit des Ortes wichtig. 1840/1850 war das Straßburger

Münster das höchste Gebäude der Welt. Außerdem war die Straßburger Universität

eine außergewöhnlich berühmte Universität in Europa, in einer Zeit, als Europa die

Welt dominierte. Dadurch haben wir schon einmal eine außerordentlich gute Grundlage.

Michael Mack — Zuallererst sind wir natürlich beide Unternehmer mit dem gleichen

Esprit und derselben Art, wie wir unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern

empfinden. Regional und global zu gleichen Teilen. Wir haben alle einen starken

Bezug zu unserer Region. Wir haben übrigens am gleichen Tag Geburtstag.

Bindschedler — Das ist sehr schade, weil ich viele Einladungen bekomme, aber nie kommen

kann.

Mack — Das ist für mich natürlich das gleiche Dilemma. Uns verbinden die Art, wie wir

den Handschlag praktizieren, uns in die Augen schauen. Wir leben die Tradition des

Familienunternehmen. Wir haben diese gemeinsame Wertevorstellung, die gleiche

Vorstellung, was es heißt, als Familie zusammenzuarbeiten. Als ich zum ersten Mal

von der Erfolgsstory von Pierre-Etienne Bindschedler gehört habe, war ich begeistert.

Ich habe Pierre-Etienne als jemanden kennengelernt, der der Region etwas zurückgeben

möchte. Auch unsere Frauen und Kinder sind eng verbunden. Es ist mehr als der

Ansatz, Geld zu verdienen. Wir sind überzeugt, dass diese Verbundenheit über weitere

Generationen und noch viele Jahre anhalten wird.

Bindschedler — Die Familie Mack beeindruckt mich durch ihre sozialen Aktivitäten, sie

bewirkt immens viel für ihre Region, ist stolz auf das Erreichte. Die Region lebt vom

Europa-Park, Colmar, dem Elsass. Als ich in der Schweiz aufwuchs, kannte ich eher den

Europa-Park als Straßburg. Das ist ein wirklich berühmter Park. Die Leistung und der

Stolz der Familie Mack sind außerordentlich. Wenn man stolz auf seine Leistungen

ist, ist man viel leistungsstärker. Dies färbt sich auch auf die Jugend ab. Dies ist auch

in der Industrie wichtig. Ohne Mut und Stolz erreicht man nicht viel. Ich habe ein gutes

Beispiel aus dem französischen Sport, was es so nur in Frankreich gibt. Wenn ein

Sportler in einer Sparte erfolgreich ist, eifern ihm zehn Jahre lang alle in dieser Sportart

nach. Danach kommt wieder ein anderer, in Frankreich ändert man seine Aktivitäten

ständig. Als Jean-Claude Killy im Skifahren Erfolg hatte, wollten alle Erfolg beim

Skifahren haben. Alain Prost in der Formel 1, Yannick Noah im Tennis …alle hatten ehrgeizige

Nachahmer, die erfolgreich waren. Es geht um die Ambitionen. Manche eifern

Pierre-Etienne

Bindschedler

ist Inhaber und

Präsident des

Baustoffspezialisten

Soprema in

Straßburg, der

mit mehr als 3,7

Milliarden Euro

Jahresumsatz zu

den führenden

Unternehmen in

Frankreich zählt.

Die Familien Mack

und Bindschedler

engagieren sich in

Sport, Kultur

und sozialen

Aktivitäten.

12

neuzeit PARTNERSCHAFT

neuzeit PARTNERSCHAFT 13



den Erfolgreichen auch aus Neid nach. Der Europa-Park hat der Region durch seinen

Erfolg großen Wohlstand und Arbeitsplätze beschert. Das ist fantastisch. Dieser Park

hat ein Niveau erreicht, das seinesgleichen sucht.

Mack — Ein Unternehmerfreund erzählte mir kürzlich vom wichtigsten Satz seines

Vaters: Unternehmer lernen von Unternehmern. Das heißt, wir lernen voneinander,

auch wenn wir aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Dieser offene Austausch

mit gemeinsamer Vision ist essenziell. Ich würde nie in ein Business investieren, ohne

vorher das Unternehmen persönlich kennengelernt zu haben.

Wie weit reicht der

Kontakt zurück?

Wo sehen Sie Synergien

zwischen dem Resort

Kempferhof und dem neuen

Sitz von Mack One France?

Bindschedler — 2016 habe ich den Kempferhof gekauft. Ich habe zehn Jahre mit dem

Eigentümer verhandelt.

Mack — Viele Deutsche kennen den Kempferhof nicht, obwohl es sehr nah an Deutschland

grenzt. Ich denke, wir bringen durch Mack One France auch viele Nicht-Golfer

hierher. Durch die Investitionen von Herrn Bindschedler benötigen wir auch keine

weitere große Infrastruktur, wie ein Hotel in der Nähe des Golfplatzes. Unsere Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter können im Kempferhof essen, sie werden hier auch

Freundschaften und Verbindungen knüpfen. Zusammen möchten wir diesen Ort

qualitativ aufwerten. Der Golfplatz ist bereits in exzellentem Zustand, einer der besten

Plätze in Europa. Und: Wir haben Soprema auf unserem Dach. Wir sind ein großer

Kunde von Soprema.

michael mack

Und das Filmgeschäft?

Sie haben Roland und

Michael Mack sogar die

Ehrenmitgliedschaft für

den Golfclub Kempferhof

verliehen …

Mack — Wir möchten hier Talente finden, die vielleicht nicht nach Deutschland kommen

möchten, weil sie die Sprache nicht sprechen.

Bindschedler — Ich freue mich sehr, Mack One France hier als Nachbarn zu haben. Das

Unternehmen wird viele Gäste anziehen, auch viele Arbeitskräfte. Zudem hat Mack

One France durch die schöne Landschaft die Möglichkeit, diesen Ort bekanntzumachen.

Wenn man natürlich in New York arbeiten möchte, können wir nicht konkurrieren.

New York ist und bleibt New York. Allerdings suchen aktuell die Menschen eher

nach grünen Plätzen. Wenn wir gut in unserem Geschäft sind, jeder für sich, können

wir uns gegenseitig helfen, attraktiver zu werden. Sie können es ein wenig mit Silicon

Valley vergleichen. Man sieht so verschiedene Unternehmen und zusammen ergeben

sie ein großes Ganzes. Das ist die gleiche Idee. Kreative Menschen kommen und sehen

den großartigen Golfplatz und das tolle Resort – das ist eine perfekte Symbiose.

Bindschedler — Ja, wir sind sehr stolz darauf. Ich muss die Urkunde in den Eingangsbereich

hängen (lacht). Michael hatte mir erzählt, dass sein Vater lange Jahre nicht

hierhergekommen ist. Daher war ich sehr stolz, als ich gehört habe, dass er kürzlich

hier war. Hat er Golf gespielt?

Mack — Nein, das ist meine nächste große Aufgabe, ihn zum Golfen zu bringen.

Bindschedler — War er früher Golfer?

Das Elsass und Baden

bilden eine gemeinsame

Region, wie lassen sich die

Stärken gegenseitig noch

besser nutzen?

Und wenn man Jean-Pierre Bindschedlers Erlebnis als Kind betrachtet, wie er zum Skifahren

kam, so hoffe ich, dass viele Kinder hier in Plobsheim sich einmal zurückerinnern

und erzählen können, dass ihre Karriere hier gestartet hat und später vielleicht

einmal Europa- oder sogar Weltmeister sein werden.

Bindschedler — Wir können das inzwischen bei den Menschen sehen, die die gleiche

Sprache sprechen. Sie fühlen sich eng verbunden, aber man sieht es ja bei der

Ukraine und Russland. Es gibt gemischte Familien und nun töten sie sich gegenseitig.

Ich bin viel gereist, komme aus den Schweizer Bergen, und habe festgestellt, dass es

überall gute und schlechte Menschen gibt. Es liegt in unserer Verantwortung, solche

dummen Aktionen zu verhindern. Jede Handlung kann dramatische Folgen haben.

Ganz sicher haben wir am Rhein entlang eine Gemeinschaft, besonders zwischen

Schwarzwald bis hin zu den Vogesen. Die Grenze ist der Rhein und ist eigentlich gar

keine Grenze, weil wir einfach und frei von der einen zu der anderen Seite gelangen

können. Das fördert auch die Verbindung zwischen den Menschen. Aber ich denke,

dass die „richtigen“ Elsässer, die schon lange im Elsass leben und auch die elsässische

Sprache sprechen, sehr eng mit den Menschen aus Baden-Württemberg verbunden

sind. Gleiche Sprache – gleicher Dialekt. Im Elsass sieht man auch oft die historische

Landesflagge, auch hier bei uns, weil wir stolz auf unsere Region sind. Ich komme von

einem kleinen Dorf in der Schweiz und in jedem kleinen Chalet sieht man die Landesfahne.

Im Wallis die Fahne mit den 13 Sternen. Sie sind stolz auf ihr Gebiet.

Mack — Nein, nie.

14 neuzeit PARTNERSCHAFT

neuzeit PARTNERSCHAFT

15



Wir haben über Alemannisch

und Schwyzerdütsch

und auch Badisch gesprochen.

Was haben wir für

Chancen in dieser Region

hinsichtlich Kultur, gemeinsamem

Potential, Technologie?

Bindschedler — Wichtig ist, nichts zu erzwingen. Die Mack-Familie kann etwas Großartiges

zwischen Freiburg und Offenburg bauen, dann als zweiten Schritt im Elsass.

Aber wie gesagt, ganz ohne Druck. Die Menschen müssen fühlen, dass sie alle im

gleichen Boot sitzen. Und dafür sind wir verantwortlich.

Mack — Wichtig ist, dass es nicht nur eine unternehmerische Zusammenarbeit sein

kann. Das Verhältnis zwischen der Familie Bindschedler und uns ist einzigartig.

Bindschedler — Die Dreisprachigkeit (Schwyzerdütsch, Französisch und Deutsch) hilft

sicherlich auch beim gemeinsamen Mindset. Ich habe meine Wurzeln in der Schweiz,

lebe im Elsass und schätze den Europa-Park ...

Mack — Mein Opa hat immer gesagt: „Wie lernst du die Sprache deines Nachbarn am

besten? Auf dem Kissen einer schönen Frau.“

Das hat auch Tomi Ungerer immer gesagt.

Was fasziniert Sie am

Europa-Park?

Was begeistert Sie am

Kempferhof?

Bindschedler — Ich habe ein Beispiel, das nichts mit dem Europa-Park an sich zu tun hat.

Ich habe ein Treffen mit 800 Leuten organisiert. Wo kann ich hingehen, um dieses

Meeting in der Region zu realisieren? Der Europa-Park ist ein Zentrum an Attraktionen.

Wohin gehe ich mit meinen Kindern einmal im Quartal? Europa-Park oder Disney.

Der große Unterschied ist das Freiheitsgefühl im Europa-Park. Man muss keine

Mickey Maus kaufen, man muss nicht im Restaurant essen, man hat die Wahl. Das ist

außerordentlich. Das Vergnügen ist das gleiche … Achterbahnen für groß und klein,

eine große Dynamik, immer neue Ideen … aber diese Wahlfreiheit, die man im Park

hat, das ist einmalig.

Mack — Das hat etwas mit meiner Jugend zu tun. Als ich klein war, wollte mein Vater

nicht, dass mein Bruder Thomas und ich in Deutschland Golf spielen, weil es als ein

snobistischer Sport für Reiche galt. Deshalb entschieden wir uns, hierherzukommen.

So haben wir diesen exzellenten, wunderschönen Platz hier in Plobsheim gefunden.

Ich habe hieran viele Kindheitserinnerungen, habe hier auch an Wettkämpfen teilgenommen

und bin für Plobsheim im Amateur-Team angetreten. Meine Mutter hat mich

immer hergefahren, ich habe trainiert und sie hat währenddessen

ein Buch im Auto gelesen, danach sind wir in

den Supermarkt und haben ein Baguette und Camembert

gekauft. Das sind Kindheitserinnerungen. Wertvolle Zeit,

die ich mit meiner Mutter verbracht habe. Die Ruhe dieses

Platzes, die Laissez-Faire-Mentalität, die Lebensfreude …

das ist ganz anders als in Deutschland. Die Süddeutschen

genießen zwar das Leben, aber die Franzosen leben dies

nochmals ganz anders vor. Es ist hier eine andere Welt für

mich. Ich bin hier nicht der Unternehmer, auf den man

in Deutschland zeigt, ich bin hier für mich. Der Mix aus

deutscher Korrektheit und französischer Leichtigkeit, ich

denke, das alles hat hier eine große Zukunft vor sich. Mit

Pierre-Etienne Bindschedler als Freund an der Seite wird

der Kempferhof hoffentlich für immer überleben.

Wie werden Golfresort und

Hotel Kempferhof ausgebaut?

Wie sieht die Vision

für diesen magischen Ort in

der Natur aus?

„Wichtig ist,

nichts zu erZWingen“

Pierre-Etienne Bindschedler

Bindschedler — Wir werden viel Geld investieren und wir möchten höchste Qualität

bieten und eine Location auf Top-Level erschaffen. Zudem ziehen wir hoffentlich

viele Menschen an – bestimmt nicht so viele wie der Europa-Park, aber wenn wir

Menschen außerhalb unserer Region bekommen, ist das schon wunderbar. Wir haben

einen provisorischen Trainingsplatz, den wir von Grund auf renovieren werden.

Zusammen mit der Familie Mack haben wir uns entschieden, in die aktuell bestmögliche

Technologie zu investieren, die existiert, um den Menschen Golf beizubringen.

Es ist eine TrackMan-Range. Über Radar erfährt man, was genau man gerade spielt.

Eine Technik, die richtig Spaß macht. Außerdem werden wir ein System installieren,

das die Bewegung des Körpers misst. Der Körper stellt einen großen Teil des Erfolges

dar. Der Präsident des französischen Golfverbands kam vorletzten Winter hierher, um

zu sehen, was wir hier tun, um letztendlich so die Jugend für die Nationalmannschaft

vorzubereiten. Da hatten wir einen kleinen Vorsprung.

16

neuzeit

PARTNERSCHAFT

neuzeit

PARTNERSCHAFT

17



Aufbruch in

neue Welten

Wie der EUROPA-PARK UNTER DER ÄGIDE VON MICHAEL MACK ZU

EINEM WELTWEIT BEACHTETEN Player im weiten Feld der

Digitalisierung und sogar der Filmwirtschaft aufgestiegen ist



D

as kann doch nicht wahr sein – oder doch? Ein

Weltraummonster ist auf den Zug gesprungen.

Mit seinen spinnenartigen und dennoch

fetten Beinen krallt sich der Alien fest und

reißt eine Kabine aus dem Zug. Die sonderbare

Kombination verschwindet in den unendlichen Weiten

des Weltalls. Doch für einen Gedanken bleibt keine Zeit.

Denn wie in einem Raumschiff wird man selbst durch

eben jene dunkle Weiten katapultiert, einer scharfen Kurve

folgt ein Sturz in die Tiefe und immer wieder spielen

sich wildeste Science-Fiction-Szenen vor den Augen des

Passagiers ab: Wüstenplaneten, Raumfahrzeuge, grauenerregende

Gestalten. Wer die Virtual-Reality-Achterbahn

„Eurosat Coastality“ im Europa-Park fährt, landet

in einer Zwischenwelt: Die Bewegungen der Achterbahn

sind real, aber was die Passagiere mit ihren VR-Brillen sehen,

ist Illusion – täuschend echt und viele Minuten lang.

„Wer zur Weltspitze gehören will, kommt an der Digitalisierung

nicht vorbei“, sagt er. Natürlich werde es das klassische

Kettenkarussell ebenso weiterhin geben wie das

Grundbedürfnis nach dem kontrollierten Adrenalinausstoß

durch eine Achterbahn – aber wenn man wachsen

wolle, gehöre die Digitalisierung und die dazugehörigen

neuen Möglichkeiten zu den Treibern.

„Es ist das Modell, das man vom Branchenriesen Disney

kennt“, staunt die Tageszeitung „Die Welt“. Aber mit umgekehrten

Vorzeichen. Denn während Disney seine Freizeitparks

als einen weiteren Absatzkanal für die Helden

von der Kinoleinwand nutzt, verlängert Michael Mack

mit digitalen Medien das Erlebnis des Europa-Park weit

über dessen physischen Grenzen hinaus. Kino und Europa-Park?

„Beide begeistern Menschen, sie berühren ihre

Gefühle“, sagt er – und daher passe allein schon diese

Kombination perfekt zusammen.

Freizeitparks werden digital

Von solch einem virtuellen Weltraumabenteuer bis hin

zu digitalen Armbändern, mit deren Hilfe die Besucher

ihren Platz in der Warteschlange zugewiesen bekommen:

Auf der ganzen Welt sind Freizeitparks nicht mehr nur die

analogen Erlebnisse vergangener Jahrzehnte, sondern

setzen immer mehr auf Digitalisierung. Die Technik hält

nicht nur in den Attraktionen Einzug. Besonders mit Hilfe

von Apps bieten sich für die Betreiber neue Möglichkeiten

zur ausgefeilten Zielgruppenansprache und zum Fördern

der langfristigen Markentreue. Vor zehn Jahren war diese

Digitalisierung der Freizeitparks fast noch undenkbar. Die

Entwicklung brauchte Menschen mit Phantasie, Weitsicht

und Mut – Visionäre wie Michael Mack. In achter Generation

des fast 240 Jahre alten Familienunternehmens

Mack hat er mit mehreren Tochterunternehmen die Europa-Park-Gruppe

zum weltweiten Vorreiter modernster

digitaler Unterhaltungs- und Erlebnistechnik gemacht.

Unter der Ägide des genialen Ideengebers und Antreibers

produziert der Europa-Park inzwischen Kinofilme, verkauft

Virtual-Reality-Attraktionen in die ganze Welt, entwickelt

Apps und Spiele oder erweckt eigene Charaktere

zum Leben, für die bereits erfolgreiche Fantasy-Romanreihen

auf den Markt gekommen sind. Michael Mack ist

überzeugt, dass man das analoge Erlebnis im Freizeitpark

digitalisieren und ins Mediengeschäft einsteigen muss.

die tochter aus der garage

Der älteste Sohn von Europa-Park-Gründer Roland Mack

(geboren 1978) widmet sich bereits seit zwei Jahrzehnten

dieser virtuellen Ausdehnung des Europa-Park. Und wie

es sich für viele Wirtschaftsvisionäre der heutigen Zeit

gehört, beginnt diese Geschichte quasi in einer Garage.

Dazu steht am Anfang ein früherer Technik-Hype, den

junge Leute heute allenfalls noch vom Hörensagen kennen:

die VHS-Kassette. Der Europa-Park bot um die Jahrtausendwende

einen gut halbstündigen Imagefilm auf

VHS zum Verkauf an. Doch die Kassetten waren bereits

zu dieser Zeit ein Auslaufmodell. Als die Bänder von der

DVD abgelöst werden sollten, erkannte Michael Mack das

Potenzial: „Es war klar, dass wir unbedingt etwas auf DVD

haben mussten." Der von ihm produzierte neue Imagefilm

enthielt erstmals auch viele Hintergrundbeiträge

aus einem Freizeitpark und wurde ein Verkaufserfolg. Daraus

ist 2002 die Tochterfirma Mack Media entstanden.

„Wir haben anfangs aus der Garage heraus gearbeitet",

erzählt Mack. Personal habe er aus anderen Abteilungen

„zweckentfremdet“. Den bescheidenen Anfängen

ist Mack Media längst entwachsen. Unter anderem mit

eigenen Kamerateams und Studios kümmert sich das

Unternehmen um die digitale Welt des Europa-Park. Es

produziert Werbespots und Eventfilme, dreht Berichte,

Interviews und Erklär-Filme für die Fahrattraktionen,

Schulungsfilme für die Mitarbeiter und befüllt diverse

Facebook-Seiten sowie den eigenen YouTube-Channel.

Mit dem Animationsfilm „Das Geheimnis von Schloss

Balthasar 4D“ wurde 2011 die erste eigene Geschichte mit

den Park-Charakteren „Ed und Edda Euromaus“ verfilmt.

„Seither widmet sich die Mack Media der Marken- und

Story-Entwicklung vom Live-Entertainment bis hin zur

Kinofilmproduktion“, erläutert Mack.

Der weg ins Kino führt über Paris

In die Welt des Films gelangte der Macher aber über den

Umweg eines Weltstars: des berühmten französischen

Regisseurs Luc Besson. 2009 reiste Michael Mack nach

Paris, um den Star-Regisseur von der Idee zu überzeugen,

eine Attraktion, basierend auf der Animationsfilmreihe

„Arthur und die Minimoys“, zu erschaffen. Das klappte

tatsächlich, beide Seite waren sich gleich sympathisch.

Die Realisierung der Attraktion „Arthur – Im Königreich

der Minimoys“ im Europa-Park beansprucht aber fünf

Jahre. Dennoch bleibt Mack auf der Spur Richtung Kino:

„Seit ich in die Welt von Arthur und die Möglichkeiten

von Animationsfilmen eingetaucht bin, war es mein

Traum, unsere eigenen Welten zu erschaffen“, erinnert

er sich. Mit Besson ist dieser Weg jedoch nicht machbar,

da kommt der Faktor Zufall ins Spiel. „Unser Vertriebsleiter

in Hannover erzählte mir von einem erfolgreichen

kleinen Unternehmen namens Ambient Entertainment“,

erzählt Mack. „Er sagte: Vielleicht möchten Sie dort mal

nachfragen." 1999 gegründet, hatte Ambient Entertainment

unter der Leitung von Geschäftsführer und Mitgründer

Holger Tappe beispielsweise mit „Back to Gaya“

(2004) den ersten aus Deutschland stammenden komplett

computeranimierten Kinofilm herausgebracht.

Neben Animationsfilmen entwickelte das Unternehmen

aus der niedersächsischen Landeshauptstadt im eigenen

hochwertigen Produktionsstudio noch weitere computergenerierte

Medienproduktionen – also alles genau

das, was Michael Mack für seine ehrgeizigen Pläne suchte.

„Ich habe in Hannover angerufen", blickt er zurück.

„Als Holger Tappe das Telefon abnahm und ich zu ihm

sagte, ich komme aus dem Europa-Park … da unterbrach

er mich, noch bevor ich den Satz beenden konnte: Sagen

Sie nur, Sie möchten einen Animationsfilm für Ihr 4D-Kino

machen.“ Es stellte sich heraus, dass der Filmproduzent

immer dann, wenn er zum Skifahren in die Schweiz fuhr,

Zwischenstation im Europa-Park machte. Der 4D-Animationsfilm

über „Ed und Edda“ stellte 2011 die erste Zusammenarbeit

des Europa-Park mit Ambient Entertainment

dar. Er lief nicht nur erfolgreich im Europa-Park,

sondern wurde auch für andere Parks weltweit lizensiert.

20 neuzeit Vision neuzeit Vision 21



wie james bond

Mit Mack Media als Koproduzent realisierte Ambient

Entertainment danach insbesondere den 90-minütigen

Animationsfilm „Happy Family“, basierend auf dem gleichnamigen

Bestseller von David Safier. Das schaurig-witzige

Filmabenteuer feierte 2017 Premiere. Die Deutsche Filmund

Medienbewertung (FBW) befindet über den unter

anderem von Hape Kerkeling und Oliver Kalkofe prominent

synchronisierten Film: „Technisch auf dem höchsten

Stand muss der Animationsspaß aus Deutschland den

Vergleich mit internationalen Vorbildern nicht scheuen.“

Der Animationsfilm war in mehr als 100 Ländern im Kino

zu bestaunen.

gelperspektive über Kanäle, Brücken und Kuppeln. „Eine

solche Drehgenehmigung gibt es sicher nicht für jeden“,

berichtet Tappe. Mit topmodernen Kamerasystemen hat

er die sensationellen Aufnahmen mit zum Teil spektakulären

Hubschrauberfahrten eingefangen. „Davor konnte

mehr als zehn Jahre kein Filmteam per Helikopter den

Markusplatz und den Canal Grande ins Visier nehmen“,

so Tappe. „Das war damals für Casino Royale, den ersten

James-Bond-Film mit Daniel Craig.“ So wurde durch neue

digitale Möglichkeiten ein Film zu einer Attraktion im

Europa-Park.

Aus der Zusammenarbeit ist inzwischen mit Mack Animation

eine weitere Park-Tochter entstanden – um die

Zusammenarbeit weiter zu perfektionieren, die Potenziale

noch effektiver zu nutzen und auch mit Mack Rides,

dem hauseigenen Produktionsbetrieb in Waldkirch, in

der Schnittmenge von Attraktionen und Mediencontent

noch intensiver zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen

mit Hauptsitz in Hannover, in dem Holger Tappe als Geschäftsführer

agiert, hat auch bereits den zweiten abendfüllenden

Kinofilm rund um die „Happy Family“ realisiert

– wie Teil eins ein großer internationaler Erfolg.

Alpenexpress Coastiality

Ebenfalls 2017 entstand zudem in enger Partnerschaft

der anspruchsvolle Film für das größte Flying-Theater Europas

– das „Voletarium“ im Europa-Park. In einem atemberaubenden

Film reisen die Passagiere, in Gondeln sitzend,

hautnah zu europäischen Naturschönheiten. Zum

Beispiel die kroatische Inselgruppe der Kornaten wird

überflogen. Weiter geht der Flug ganz nah an Felswänden

entlang durch einen Canyon, zum Matterhorn und zu

Kulturstätten wie Schloss Neuschwanstein sowie nach

Venedig. In der Lagunenstadt gleitet der Blick aus der Vorasen

durch die Fantasie

Mack Animation spielt zudem eine maßgebliche Rolle

bei einem weiteren Geschäftszweig, den Michael Mack

erschlossen hat: den VR-Coastern. Dabei fahren die Besucher

mit einer echten Achterbahn durch digitale Welten.

Über Virtual-Reality-Brillen erleben sie in 360-Grad-Ansicht

simulierte Fantasiewelten, müssen jedoch nicht auf

die Kurven, den Fahrtwind und die Fliehkraft einer Achterbahn

verzichten. Drehungen, Wendungen, Abfahrten

und Anstiege werden während der realen Fahrt eins zu

eins mit den virtuellen Bildern synchronisiert. Sensoren

registrieren jede Bewegung des Kopfes. Insbesondere der

Eindruck von Fahrgeschwindigkeit und Dimensionen –

wie zum Beispiel Höhe oder Größe – lässt sich mit VR-Brillen

visuell täuschend echt imitieren und verstärken. Die

Fachwelt spricht von Immersion, wenn man eine virtuelle

Umgebung als real empfindet. Der „Alpenexpress Coastiality“

im Europa-Park wurde 2015 zum weltweit ersten

VR-Coaster. Mack Animation hat dazu bereits mehrere

Animationsfilme entwickelt – so unter anderem mit Ottifanten

von Comedian Otto Waalkes als spaßige Immersions-Begleiter

bei den rasanten Fahrten.

wahre pionierarbeit

Die Idee zu den VR-Coastern stammt von Thomas Wagner,

Professor an der Hochschule Kaiserslautern für Virtual

Design. Michael Mack, Mack Rides und der Europa-Park

haben aber wesentlich dazu beigetragen, dass aus der

Kopfgeburt ein tatsächliches Erlebnis werden konnte.

„Mack Rides und der Europa-Park waren für mich die idealen

Projektpartner – und glücklicherweise hat Michael

Mack es möglich gemacht, die ersten Tests von VR-Brillen

auf einer Achterbahn überhaupt durchzuführen“, erläutert

Wagner. In Partnerschaft mit dem Europa-Park ist die

Firma „VR Coaster“ entstanden, deren Geschäftsführender

Gesellschafter Wagner heute ist. „Aus einer kleinen

Achterbahn kann man in der virtuellen Welt eine riesengroße

machen. Wenn man zum Beispiel in der realen Welt

20 Meter den Berg hinunterfährt, sind es 80 Meter in der

virtuellen Welt“, sagt er. „Der Alpenexpress Coastiality

steht – wie kaum ein anderes Projekt in unserer Branche

– gleichermaßen für Digitalisierung und Innovation

und war wahrlich Pionierarbeit, die sich gelohnt und uns

eine völlig neue Form der Customer Experience ermöglicht

hat“, betont Michael Mack. „Ich bin ein Freund von

Partnerschaften. Gründungen brauchen immer eine gute

Balance zwischen Kreativität, aber auch von jemanden,

der den passenden verwaltenden und organisierenden

Rahmen darum baut.“ Diese Balance ist beim Unternehmen

„VR Coaster“ gegeben: Es ist der Weltmarktführer

für diese Art von Freizeitpark-Attraktionen. Inzwischen

sind bereits in mehr als 60 internationalen Freizeitparks

Fahrgeschäfte mit der VR-Technik ausgestattet worden.

Eine Weiterentwicklung dieses VR-Konzepts stellt dabei

die Virtual-Reality-Achterbahn „Eurosat Coastiality“ im

Europa-Park dar. Die Bahn in der 2018 aufwendig umgebauten

Eurosat-Kugel ist die erste „Roam & Ride“-Attraktion

der Welt. Sie verbindet die Wartezeit und die

eigentliche Achterbahnfahrt zu einem durchgehenden

VR-Erlebnis. Schon vor dem Einstieg in die Bahn bekommen

die Passagiere eine VR-Brille aufgesetzt – und sogleich

befinden sie sich in der virtuellen Realität. Mit dem

Headset laufen die Besucher nicht nur über den Bahnhof,

sondern steigen auch in den Eurosat-Coastiality-Zug ein

und genießen schließlich die Achterbahnfahrt, ohne die

VR-Brille auch nur einmal abzunehmen.

Von Rust zur Stadt der tausend Planeten

Die Szenen, die die Besucher erleben, sind eine 3D-Version

des Science-Fiction-Bilderfeuerwerks „Valerian – Die

Stadt der tausend Planeten“ von Luc Besson. Dank einer

innovativen Trackingmethode erkennen sich die Fahrgäste

mit der VR-Brille auf dem Kopf gegenseitig im Pre-

Show-Bereich als digitalisierte Personen, so genannte

Avatare, was ein Zusammenstoßen verhindert. Auch der

Europa-Park-Operator, der die Besucher einweist, wird als

Figur im virtuellen Raum dargestellt. „Beim Eurosat Coastiality

ist Virtual Reality nicht mehr isolierend, sondern

zum ersten Mal ein gemeinschaftliches, soziales Erlebnis“,

so Mack weiter.

Doch auch mit der „Eurosat Coastiality“-Achterbahn ist

die Entwicklung digitaler Erlebniswelten längst nicht abgeschlossen.

„Yullbe“ – so heißt der nächste Schritt. Die

Abkürzung steht für „You will be“ beziehungsweise „Du

wirst sein“. Damit werden die Besucher vollends zu Akteuren

in virtuellen Abenteuern. Für einen Beobachter vollführen

die Spieler durchaus seltsame Bewegungen. Eine

Frau geht voraus und ihre Mitstreiter reihen sich wie an

der Schnur gezogen hinter ihr ein. Doch weshalb? Dann

wird plötzlich an einer Kurbel gedreht, andere Spieler drücken

Knöpfe und bearbeiten Schalter ... seltsam, aber die

Gruppe hat großen Spaß, das sieht auch der Beobachter.

22 neuzeit name kapitel neuzeit Vision 23



„Jetzt, die Tür, die Tür“, ruft plötzlich eine Spielerin mit eiligem

Ton – irgendetwas geht da vor sich, aber was? Denn

dort steht doch überhaupt keine Tür. Der gesamte Raum

ist größtenteils leer. Immerhin scheint keine Gefahr zu

bestehen, alle Teilnehmer lachen immerzu. Was für einen

Außenstehenden befremdlich wirkt, macht für die Spieler

Sinn: Denn sie sind regelrecht eingetaucht in die Virtual-Reality-Experience.

technik wie in hollywood

Bis zu 120 Kameras fangen bei Yullbe die Bewegungen

ein und leistungsstarke Rechner übertragen alle Regungen

in Echtzeit in eben jene VR-Welt, die die Spieler sehen

können. So werden sie dort zu handelnden Akteuren

und können den Gang der Geschichte aktiv beeinflussen.

„Motion Capturing“ heißt die dahinterstehende Technik,

die auch in fast jedem Hollywood-Blockbuster zum

Einsatz kommt und digitale Effekte real aussehen lässt.

Fiktion und Wirklichkeit scheinen bei Yullbe miteinander

zu verschmelzen. Im Oktober 2020 eröffnete in Rust

das VR-Erlebniszentrum Yullbe direkt neben dem Europa-Park-Hotel

„Krønasår“ und der Wasserwelt Rulantica.

Eine Vielzahl verschiedener virtueller Abenteuer ist inzwischen

erlebbar. Und die digitale Spielwelt breitet sich

immer weiter aus. So wurden 2022 eine Yullbe-Attraktion

in Hamburg zusammen mit dem berühmten Miniatur

Wunderland und ein Standort in Mannheim eröffnet.

Yullbe sticht sogar bereits zur See. Auch die Gäste des

Kreuzfahrtschiffs „AIDAcosma“ können in einem eigens

eingerichteten Raum Yullbe-Abenteuer während ihrer

Kreuzfahrt erleben.

Die von Michael Mack angestoßenen Digitalisierungs-

Initiativen schlagen sich aber nicht nur in Attraktionen,

sondern auch in praktischen Service-Angeboten nieder.

So kann man mit der Europa-Park-App unter anderem

Tickets kaufen und interaktiv durch den Park navigieren.

Eine weitere technische Neuerung läuft ebenfalls

über die Park-App. Sie nennt sich „VirtualLine“ (virtuelles

Anstehen). Um große Ansammlungen in den Warteschlangen

vor den Attraktionen zu vermeiden, steht der

Besucher virtuell mit der App bei einer Bahn an. Sobald

er an der Reihe ist, bekommt er via App eine Benachrichtigung.

„Unsere Digital-Development-Abteilung hat in

die Entwicklung dieser neuen Apps viele Nachtschichten

investiert“, sagt Mack. „Jeweils nur etwas mehr als vier

Wochen hat sie dafür benötigt, normalerweise dauert so

etwas zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.“ Weitere

digitale Features sind in Planung.

Um die kreativen Prozesse noch weiter anzuregen, ist

2019 eine weitere Tochterfirma zur Unternehmensgruppe

dazu gekommen: Mack Next. Sie ist eine Art Entwicklungslabor

und Ideenschmiede für den Europa-Park und

Kunden von außen. Beispielsweise Yullbe wurde von Mack

Next mit konzipiert und umgesetzt. Auch unter anderem

neue Showkonzepte werden von der Neugründung erarbeitet.

Wie die ebenfalls neu gegründeten Geschäftsbereiche

Mack Emotioneers (zur Visualisierung von Ideen

und Konzepten), Mack Magic (zur Entwicklung interaktiver,

immersiver Welten) und Mack Services (für Projektmanagement

über Firmengrenzen hinweg) ist Mack Next

mittlerweile unter dem Dach des Unternehmens Mack

One zusammengefasst. In Plobsheim bei Straßburg ist

für all diese Aktivitäten ein neuer Standort aufgebaut

worden. Der Europa-Park expandiert damit erstmals über

Deutschland hinaus ins Elsass. „Dort haben wir die nötige

Ruhe und Kreativität, um diesen Bereich aufzubauen.

Neue Ideen entstehen oft leichter abseits des Trubels

im Park“, umschreibt Michael Mack. „Außerdem nutzen

wir die europäische Vielfalt. Für den neuen Standort in

Frankreich sprechen zudem die ausgezeichnete französische

Filmförderung, die Nähe zum TV-Sender Arte und

die vielen talentierten Künstler, die in der französischen

Filmbranche arbeiten.“

Darüber hinaus hat Michael Mack auch noch die Filmproduktionsfirma

„2112 Pictures“ gegründet, um den Europa-Park

noch mehr im Filmgeschäft zu verankern. Sie

ist in der Nähe der Filmhochschule in Ludwigsburg angesiedelt.

„Wir wollen von dem Wissen und den Ideen der

Studierenden, Absolventen und Lehrenden profitieren“,

erläutert Mack. Mit dieser Firma ist Michael Mack bereits

als Co-Produzent beim Film „Takeover“ mit Roman und

Heiko Lochmann, bekannt unter ihrem Künstlernamen

„Die Lochis“, in Erscheinung getreten.

transmedial DENKEN

Ein Schlüsselbegriff hinter den Initiativen Michael Macks

ist „Storytelling“ – also, dass rund um ein Produkt, eine

Dienstleistung oder eine Marke spannende Geschichten

erzählt werden und daraus im Fall des Europa-Park eine

weit über den Besuch in Rust hinausreichende Beziehung

zu den Gästen entsteht. Dazu dient ebenfalls der fiktive

„Adventure Club of Europe“ (ACE). Außerdem basiert die

2019 eröffnete Wasserwelt Rulantica auf einer Fantasy-Geschichte,

die unter anderem als Romanserie umgesetzt

worden ist. Rulantica und das Hotel „Krønasår“ sind

entsprechend der Fiktion gestaltet. Derlei Umsetzungen

erfolgen entlang einer Leitlinie, die Mack wie folgt vorgegeben

hat: „Transmedial denken!“

digital-champion

Durch all die von Michael Mack vorangetriebenen Maßnahmen

im weiten Feld der Digitalisierung gehört der

Europa-Park inzwischen zu den „Digital-Champions“ in

Deutschland. Das bestätigt eine groß angelegte Studie

im Auftrag der Zeitschrift „Focus Money“. Auf einer Skala

von null bis 100 erreicht der Europa-Park die volle Punktzahl.

Er ist damit Branchensieger unter den Themen- und

Freizeitparks. Überdies hat das renommierte Fachmagazin

„Die Deutsche Wirtschaft“ Michael Mack und sein

Team zum „Innovator des Jahres“ gekürt. „Michael Mack

führte mit Mack Next innovative Projekte in VR, Film,

Branding und Storytelling zu einzigartigen Lösungen für

die Medien- und Entertainmentbranche ins Rennen, die

auch, aber nicht nur, im Europa-Park in Rust die Zuschauer

begeistern“, betonen die Juroren beim größten Publikumspreis

der deutschen Wirtschaft.

Nur zwei Beispiele

aus den vielen

transmedialen

Aktivitäten: In der

Attraktion Yullbe

werden beim

Abenteuer „Miniaturwunderland

– die verrückte

Schrumpftour“

die Besucher zu

digitalen Winzlingen

geschrumpft,

während die

Teenie-Stars „Die

Lochis“ mit der

Unterstützung

Michael Macks

im Kino groß

rauskommen.

24 neuzeit Vision neuzeit Vision 25



EIN WeinGut FÜR EUROPA:

OLLWILLER

im elsass



Thomas MAck

topwein

crémant

Riesling

R o s é

v i n

rouge

O

llwiller gehört zu den Juwelen der elsässischen Weine. Bis ins 13. Jahrhundert

reichen die Wurzeln des „Château d' Ollwiller“ in der Nähe von

Mulhouse zurück – und schon so lange wird dort Wein angebaut. Graf

Dagobert de Waldner gestaltete es im 18. Jahrhundert zu einem prachtvollen

Schloss. Bekannte Persönlichkeiten sollen dort zu Gast gewesen

sein, darunter König Ludwig XV. (1710-1774). 1825 kaufte der Textilunternehmer

Jacques-Gabriel Gros das Anwesen und verlieh dem Weingut ein besonderes Renommee.

Allerdings wurde das Schloss im Ersten Weltkrieg zerstört und danach

bescheidener wieder aufgebaut. Das Weingut gilt als das zweitälteste Frankreichs.

2020 erwarb die Familie Mack das Schloss samt des Traditions-Weinguts.

Die Weinberge des „Château d' Ollwiller“ umfassen eine Fläche von 25 Hektar mit

einer Ausrichtung nach Süd-Osten und Süden, was eine hohe Sonneneinstrahlung

ermöglicht. Der feinkörnige Boden in diesem Terroir bringt sehr kraftvolle und erhabene

Weine hervor. Mit ihren Mitarbeitern wollen Thomas Mack und der elsässische

Kellermeister Mathieu Kauffmann die Qualität noch deutlich steigern. „Wir

setzen zunächst auf Riesling, Sekt und Roséwein, vielleicht auch Rotwein im zweiten

Schritt“, sagt Thomas Mack. „Wir wollen in die Top Ten der großen Rieslinge im

Elsass.“ Mathieu Kauffmann denkt noch weiter voraus: „Mein Ziel ist es, einen Crémant

aus Ollwiller mit höchster Qualität zu schaffen – außerhalb der Champagne.“

Er habe seine Ziele immer erreicht, sagt der Kellermeister.

Thomas Mack: „Ich habe sofort gesagt, es ist in erster Linie ein Weinprojekt. Wir

wollen hervorragenden Wein machen. Es gibt in der Geschichte unserer Region so

viele Verbindungen über den Rhein hinweg. Wir leben ja im Europa-Park schon seit

eh und je den deutsch-französischen Gedanken. Das passt natürlich perfekt. Eine

alteingesessene elsässische Unternehmerfamilie übergibt das Weingut nach 195

Jahren an eine badische Unternehmerfamilie. Das ist doch superschön! Da passt

doch alles. Alle sind erfreut. Wir haben eine sehr positive Reaktion in der Region, alle

haben uns mit offenen Armen empfangen, weil sie spüren, dass wir an die Aufgabe

mit Herzblut herangehen. Es ist ein tolles Familienprojekt auch für die nächsten Generationen

Mack. Es wird ein paar Jahre dauern, bis der erste Topwein kommt und

das ist erst der Anfang. Wir denken sehr langfristig. Aktuell können wir mit dem

Traubenverkauf kaum die laufenden Kosten decken. Es ist kein Investmentprojekt,

sondern wir wollen die beste Qualität erzielen. Ollwiller ist ein deutsch-französisches

Projekt, bei dem sich die Grenzen auflösen.“

Fü r

Generationen

„So denken wir immer

schon für unsere Gäste

im Europa-Park. Das ist

eine moderne Form der

Nachhaltigkeit. Daran

sollen viele Generationen

Freude haben. Wir möchten

diesen wunderbaren

Fleck Erde für die gesamte

Region und unsere

Familie langfristig entwickeln.

Später sind hier

sicher auch Veranstaltungen

möglich. Es war

letztlich ein glücklicher

Umstand, dass wir das

Weingut Ollwiller gefunden

haben. Während der

Corona-Pandemie hätten

wir den Schritt allerdings

wohl nicht gewagt.“

28

neuzeit

LEBENSART

neuzeit

LEBENSART

29



DEUTSCHfranZÖSISCHES

tandem

BRIGITTE KLINKERT

Die Europa-Park-

Betreiber-Familie Mack hat

im elsässischen Plobsheim

einen neuen Standort

für kreative und digitale

Entwicklungen eröffnet, wie

bewerten Sie das?

Sehen Sie das Elsass

auch als Standort für

Kreativunternehmen?

Die deutsch-französische

Freundschaft ist Ihnen in die

Wiege gelegt worden. Ihr

Großvater Joseph Rey war

Bürgermeister von Colmar

und einer der Vorreiter

dieser Freundschaft. Was

haben Sie von Ihrem Großvater

gelernt?

Brigitte Klinkert — Das ist eine gute Initiative! Die Geschichte zwischen der Familie

Mack und dem Elsass ist sehr alt. Ich erinnere mich, dass mein Großvater Joseph Rey

mich zu einem Treffen mit Franz Mack mitgenommen hat, als ich noch jünger war.

Wir sind auf einer der Attraktionen, dem Europa-Turm, in die Höhe gestiegen, und er

sagte damals, als er in die Ferne in Richtung Elsass blickte, dass er von hier aus keine

Grenze zwischen dem Elsass und Baden sehen könne.

Diese Überzeugung teilen wir auch heute noch, und ich freue mich, dass die Familie

Mack auf beiden Seiten des Rheins investiert. Wir haben die Mittel, um gemeinsam

an schönen Projekten zu arbeiten, insbesondere an innovativen Projekten. Ich bin davon

überzeugt, dass zwischen den attraktiven Zentren am Oberrhein zahlreiche Synergien

entstehen können, und dieser neue Standort ist ein konkretes Beispiel dafür!

Klinkert — Natürlich! Das Elsass ist ein Land der Innovation und der Kreativität. Wir

können auf ein günstiges Ökosystem von Künstlern, Web- und Kommunikationsagenturen,

Verlagen und so weiter zählen, aber auch auf den breiteren Bereich der

Informatik und Entwicklung. Wir sind ein attraktives Gebiet für die Industrie, aber

auch für den gesamten Kultursektor und die neuen Technologien.

Klinkert — Seit meiner Kindheit bin ich durch meinen Großvater Joseph Rey, der von

1947 bis 1977 Bürgermeister von Colmar war, für die Bedeutung der deutsch-französischen

Freundschaft sensibilisiert worden. Er hat mir seine humanistischen Werte

und die Leidenschaft für das öffentliche Engagement vermittelt. Ich habe meine

Kindheit und später meine Jugend damit verbracht, ihm zu folgen und mit ihm

den Alltag eines Kommunalpolitikers in der Nachkriegszeit zu erleben. Er hat mich

besonders für die Bedeutung des Friedens und der Zusammenarbeit mit unseren

deutschen Nachbarn sensibilisiert. In den Augen meines Großvaters schien es unerlässlich,

dass das Elsass nach dem Zweiten Weltkrieg an vorderster Front an der

deutsch-französischen Versöhnung und Brüderlichkeit arbeitete. Er war davon überzeugt,

dass sich Europa und der Frieden nur dank eines starken deutsch-französischen

Paares durchsetzen konnten. Daher setzte er sich seit den 1950er Jahren für

die Wiederherstellung der menschlichen Beziehungen zwischen den beiden Rheinufern

ein, insbesondere durch Treffen von Bürgermeistern. Ich wurde 1983 zur Stadträtin

von Colmar und 1994 im Alter von 37 Jahren zur Departementsrätin gewählt.

Die französische Politikerin

Brigitte Klinkert

ist Co-Vorsitzende der

Deutsch-Französischen

Parlamentarischen

Versammlung, die 50

Mitglieder aus der

französischen Nationalversammlung

und dem

deutschen Bundestag

vereint, um durch

gemeinsame Beratungen

und Initiativen die

deutsch-französische

Freundschaft zu stärken.

Klinkert, geboren 1956

in Colmar, war von 2020

bis 2022 Ministerin für

berufliche und soziale

Eingliederung und vertritt

heute als Abgeordnete

in der Nationalversammlung

den Wahlkreis

Haut-Rhin.

Ein ganzes Ökosystem von Kommunikation bis Informatik:

„Das Elsass ist ein Land der Innovation und der Kreativität“

Wo müssen wir noch arbeiten

und besser werden bei

der deutsch-französischen

Freundschaft?

Klinkert — Aus politischer Sicht müssen wir einerseits auf grenzüberschreitender Ebene

weiterhin die alltäglichen Ärgernisse beseitigen, die das Leben unserer Mitbürger

belasten. Wir müssen die Strukturierungs- und Kooperationsprojekte durchführen,

die es uns ermöglichen, immer größere Fortschritte in Richtung eines gemeinsamen

und integrierten Lebensraums zu machen. Auf nationaler Ebene müssen Frankreich

und Deutschland weiterhin gemeinsam voranschreiten, um als vereinte Europäer die

Herausforderungen unserer Zeit zu meistern: den ökologischen und energetischen

Wandel, die Industrie der Zukunft, die Verteidigung unserer demokratischen Modelle

und unserer Werte angesichts der Herausforderung des Krieges in der Ukraine.

Ich wünsche mir, dass wir neugierig und bereit sind, uns unseren Nachbarn zu öffnen,

damit das deutsch-französische Tandem nicht mehr nur ein politisches Projekt

ist, sondern ein gesellschaftliches Projekt, das jeder und jede im Alltag umsetzt.

neuzeit

FREUNDSCHAFT

31



hollywood

in rust

S

chon mehrmals hat Michael Mack versucht, Luc Besson zu treffen. Er ist

eigens dafür nach Paris gereist. Allerdings ohne Termin. Wie hätte er den

auch vereinbaren sollen? Der geschäftsführende Gesellschafter des Europa-Park

spricht einfach beim Büro des weltberühmten Regisseurs im Zentrum

der Stadt der Liebe vor, im Gepäck die Idee zu einer noch nie dagewesenen

Zusammenarbeit.

Doch stets wimmeln ihn die Angestellten freundlich, aber bestimmt, ab. Besson sei

nicht da. Michael Mack will schon fast die Rückreise antreten, als ihm auf dem Flur

des Bürogebäudes eine etwas untersetzte Gestalt mit lässig vermiedener Rasur entgegenkommt:

Luc Besson. Michael Mack spricht ihn kurzentschlossen an. Nein, den

Europa-Park kennt er nicht. Aber der fremde Deutsche spricht in perfektem Französisch

auch davon, dass im Freizeitpark seiner Familie eine Idee von Europa gelebt

werde, dass dort jeder vierte Mitarbeiter aus Frankreich stamme und die Kultur von

schon 15 verschiedenen europäischen Ländern im Tagesformat zu entdecken sei.

heimat für arthur

Das hat den französischen Starregisseur von Filmen wie „Léon – der Profi“ und „Das

fünfte Element“ dann doch fasziniert. Seit 2009 sind Besson und Mack ständig in

Kontakt. Und inzwischen ist aus der zufälligen Begegnung auf einem Pariser Büro-

Flur nicht nur eine Freundschaft, sondern auch eine ungewöhnliche deutsch-französische

Zusammenarbeit geworden. „Bonjour“, begrüßt Besson einige Jahre später rund

170 internationale Journalisten im Kinosaal „Magic Cinema 4D“ des Europa-Park. Der

Blockbuster-Produzent ist 2014 tatsächlich in die badische Provinz nach Rust gekommen

– um „seinen“ Themenpark einzuweihen. „Arthur hat jetzt eine Heimat“, freut

er sich. In Bessons Filmtrilogie ,,Arthur und die Minimoys“ taucht ein kleiner Junge

aus der realen Welt in eine Fantasywelt ab, verbrüdert sich mit Elfen und kämpft mit

ihnen gegen habgierige Menschen. 2006 kam der erste Teil in die Kinos, zwei weitere

Filme zum animierten Elfen-Abenteuer folgten. In Deutschland ist die Story nicht

allzu bekannt, aber besonders in Frankreich ist Arthur ein absoluter Hit: Mehr als 13

Millionen Besucher lockten die Filme in die französischen Kinos.

Basierend auf Luc Bessons Fantasy-Saga ist im Europa-Park die Themenfahrt „Arthur

im Königreich der Minimoys“ entstanden. Gebaut von Mack Rides ist sie die aufwändigste

Indoor-Attraktion in der Geschichte des Parks. Reich an Details fasziniert sie die

Besucher mit einer Achterbahnfahrt, bei der die Passagiere in rotierenden Gondeln,

die unterhalb der Gleise angebracht sind, durch die Traumwelt von Arthur schweben.

luc besson

Geboren 1959 in Paris,

wollte Luc Besson als

Sohn zweier Tauchlehrer,

die im gesamten

Mittelmeerraum

arbeiteten, von

frühester Kindheit an

eigentlich Meeresbiologe

werden. Dieser Traum

zerschlug sich jedoch,

als er im Alter von 17

Jahren einen schweren

Tauchunfall hatte, der

ihm das Tauchen für

lange Zeit unmöglich

machte. Bessons Plan

B war der Film – mit

immensem Erfolg: Als

Regisseur, Produzent und

Drehbuchautor legte er

eine steile Karriere hin.

Mit ,,Im Rausch der Tiefe''

feierte der Autodidakt

1988 einen ersten

internationalen Erfolg. Es

folgten viele weitere

Kinoerfolge und

Mammutproduktionen

wie „Léon – Der Profi“

mit Jean Reno und „Das

fünfte Element“ mit

Bruce Willis.

32

neuzeit

PHANTASIE

neuzeit

name kapitel

33



Das wahrgewordene Königreich der Minimoys befindet sich in einer 3.500 Quadratmeter

großen Indoor-Halle, versteckt unter einer gigantischen, 15 Meter hohen Kuppel.

Gerade für viele der mehr als eine Million jährlichen Besucher aus Frankreich ist

die Bahn ein Muss, die bei keiner Visite in Deutschlands größtem Freizeit-Park fehlen

darf. Besson war von der Umsetzung bass erstaunt: „Es war wirklich ein großes Experiment

und ich hatte bisher keinerlei Erfahrungen mit Fahrgeschäften, doch ich bin

total begeistert. Der große Respekt und die besondere Freundschaft waren dabei sehr

wichtig – das hat alles möglich gemacht.“

besucher werden zu valerian-avataren

Schon kurze Zeit später stürzte sich der Regisseur in sein nächstes Filmabenteuer:

„Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“. Das bildgewaltige Weltraum-Epos beruht

auf einem französischen Comic-Klassiker. Es sollte der teuerste europäische Film

aller Zeiten werden. „Valerian war sehr wichtig für meine Karriere“, betont Besson.

Schon als Kind hatte er die turbulente Science-Fiction-Phantasie mit zwei etwas

schrägen Space-Agenten geliebt. Unmittelbar nach der Premiere kontaktiert ein

ebenfalls begeisterter Michael Mack erneut seinen französischen Freund: Wir sollten

wieder etwas gemeinsam unternehmen“, meint er. Besson sagt sofort „ja – ohne zu

wissen, welche Attraktion diesmal entstehen sollte, einfach aus reiner Freude.“ So

folgt der nächste Streich in der kreativen deutsch-französischen Partnerschaft – diesmal

auf eine regelrecht futuristische Weise, die auch noch mehr das gemeinsame,

grenzüberschreitende Anliegen der beiden unterstreicht.

„eigentlich

fahre ich nie

Achterbahn“

Im Zuge der umfangreichen Erneuerungen des Französischen Themenbereichs samt

Eurosat-Achterbahn entsteht unter anderem die VR-Achterbahn „Eurosat Coastiality“.

Ihre Passagiere tauchen ein in die Welt des Valerian-Blockbusters. Ausgestattet

mit VR-Brille katapultiert die Attraktion die Fahrgäste acht Minuten lang in das intergalaktische

Epos hinein. Als Weltneuheit beginnt das einzigartige Erlebnis bereits

beim Anstehen, wenn alle ihre VR-Brillen aufsetzen – „Roam & Ride“ nennt sich die

innovative Neuentwicklung. In der Pre-Show und während sie mit der Achterbahn in

der Eurosat-Silberkugel wie durch den Weltraum jagen, treffen die Passagiere als Avatare

auf Charaktere aus Bessons Science-Fiction-Saga. Zur feierlichen Eröffnung 2018

ist der Filmemacher wieder in Rust, diesmal mit seiner Familie. Michael Mack bringt

ihn sogar dazu, etwas zu tun, was er zuvor noch nie gewagt hatte: eine schnelle Achterbahn

zu fahren. „Eigentlich fahre ich nie Achterbahn“, sagte Besson vor seinem Ritt

mit der „Eurosat Coastiality“. Auch er war hinterher begeistert, fügte jedoch hinzu:

„Diese Achterbahn, die uns in die Welt von Valerian eintauchen lässt und gleichzeitig

durch scharfe Kurven fährt, wird die einzige bleiben, in die ich je einsteige.“

„wer hätte das gedacht"

Die hinter Valerian stehende Technik, sich frei in einer virtuellen Welt im (Warte-)

Raum zu bewegen, hat Michael Mack mit seinen Mitarbeitern in der Zwischenzeit zu

Yullbe weiterentwickelt. Damit werden die Besucher endgültig zu Beteiligten am virtuellen

Geschehen. Valerian gehört ebenfalls zu den VR-Abenteuern, die sie mit Yullbe

erleben können. Dazu schlüpfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Raumanzüge

und betreten die „Stadt der tausend Planeten“, wo sie, wie im Film, dank ihres

Spezialanzugs mit Schallgeschwindigkeit durch Wände springen können. So befinden

sie sich auf einer atemberaubenden Rettungsmission für ein Geschöpf, das über

das Schicksal des gesamten Universums entscheiden kann. Die schon mehr als ein

Jahrzehnt währende Freundschaft und Zusammenarbeit mit Luc Besson kommentiert

Michael Mack so: „Valerian als Flug durch Raum und Zeit mit einem französischen

Background passt perfekt zum Europa-Park. Es hätte sicher vor ein paar Jahren

niemand gedacht, dass es bei uns in Rust die Gestaltung eines Hollywood-Films auf

unserer Coastality-Erfahrung und bei Yullbe zu erleben gibt.“ Eine zufällige Begegnung

auf einem Pariser Büro-Flur machte dazu den Anfang.

Luc Besson

neuzeit

PHANTASIE

35



Michèle Leckler

chance

Wie wichtig ist für die

Gemeinde Plobsheim das

Golfresort Kempferhof?

Michèle Leckler — Das Golfresort Kempferhof trägt zweifellos zur Ausstrahlung der Gemeinde

und zu ihrem Image bei. Seine außergewöhnliche natürliche Umgebung sowie

die Qualität des Parcours und seiner Einrichtungen sind international anerkannt.

Das Resort hat auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde beigetragen,

sein Restaurant ist für alle zugänglich und insbesondere profitieren Geschäftsleute

in Plobsheim davon.

Wie beurteilen Sie die

Ansiedlung von Mack One

France in Plobsheim?

Welche Erwartungen

haben Sie an die Firma

Mack in Plobsheim?

Leckler — Die Ansiedlung von Mack One France ist eine Chance für unsere Gemeinde.

Denn es handelt sich um ein Projekt, das eine Dynamik mit sich bringt, die den Entwicklungszielen

unserer Gemeinde entspricht. Die Konzeption und Produktion von

4D- oder Virtual-Reality-Erlebnissen bringen einen innovativen, hochmodernen Wirtschaftssektor

zu uns. Zudem trägt Mack One France zur wirtschaftlichen Entwicklung

und zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei. Das Projekt

hebt auch noch das außergewöhnliche Umfeld nahe des Kempferhofs hervor. Auch

davon profitiert Plobsheim.

Leckler — Wir schätzen die Co-Konstruktionsarbeit sehr, die sich von Beginn an mit

dem Mack-Team entwickelt hat, um gemeinsam zu einem Projekt zu gelangen, das

sich perfekt in seine Umgebung einfügt. Das Mack-Team zeigt seinen Willen, gute

Beziehungen zu allen Akteuren der Region zu pflegen und sich voll in das Leben der

Gemeinde zu integrieren. Es hat für den Bau insbesondere auf lokale Unternehmen

zurückgegriffen. Wir möchten auch in Zukunft auf diese Weise zusammenarbeiten,

mit großem gegenseitigem Respekt.

Seit 2020 ist

Michèle Leckler

Bürgermeisterin

von Plobsheim.

Im Interview

bewertet sie den

neuen Standort

von Mack One

France in ihrer

Gemeinde.

Wie ist der Rückhalt in

der Bevölkerung für die

Ansiedlung dieser Kreativfirma

Mack?

Leckler — Seit den ersten Ankündigungen zu der Ansiedlung haben unsere Bürger

das Projekt sehr positiv aufgenommen und es mit großer Mehrheit unterstützt,

ebenso wie die Kommunalpolitiker. Die Abgeordneten des Gemeinderats stimmten

sogar einstimmig dafür.

„Lernen durch Zusammenarbeit“

Plobsheim hat eine

wechselvolle Geschichte

hinter sich und war auch

mehrfach von Deutschen

besetzt. Wie sehen Sie

die deutsch-französische

Freundschaft?

Leckler — Die Gemeinde Plobsheim liegt im Herzen des Rheinbeckens, am Ufer des

Rheins und nur wenige Meter von der Pflimlin-Brücke entfernt. Sie hat schon immer

enge Beziehungen über den Rhein gepflegt, insbesondere zu Neuried-Altenheim.

Derzeit entwickeln wir eine Städtepartnerschaft, um die historischen Verbindungen

zwischen unseren beiden Gemeinden, die seit mehr als einem Jahrhundert bestehen,

offiziell zu machen. Viele Plobsheimer arbeiten auch auf der anderen Seite

der Grenze, und viele kaufen dort ein. Der Austausch ist also alltäglich. Um die Beziehungen

zu Deutschland zu pflegen, bieten wir etwa auch unseren Schulkindern

die Möglichkeit, einen zweisprachigen deutsch-französischen Bildungsgang zu absolvieren.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die europäischen Werte

stehen im Mittelpunkt unseres kommunalen Handelns.

neuzeit

PLOBSHEIM

37



fabian GAsmia

europa des films

Wie entwickelt sich die Filmwirtschaft

in Deutschland

und Frankreich?

Wie verläuft diese Entwicklung

im Elsass?

Welche Rolle spielt die

Kreativ- und Filmwirtschaft

für die deutsch-französischen

Beziehungen?

Zu früheren Zeiten machten

viele deutsche Stars wie Romy

Schneider und Curd Jürgens auch

im französischen Film Karriere,

wie ist es um diesen Austausch

auf der Leinwand heute bestellt?

Fabian Gasmia — Seit der Gründung der deutsch-französischen Filmakademie hat sich

die Filmwirtschaft grundlegend geändert. Die Produktionsvolumina sind auf beiden

Seiten des Rheins massiv angestiegen. Nach einem steilen Anstieg der Kinofilmproduktionen

bis 2015 werden aktuell zunehmend Serien und Filme etwa für Netflix

und Amazon hergestellt. Kinofilme stagnieren auf hohem Niveau. Ein wichtiger Indikator

ist die Menge an Co-Produktionen zwischen Frankreich und Deutschland.

2000 hat es lediglich zwei, drei pro Jahr gegeben, aktuell werden jährlich 18 bis 20

Co-Produktionen zwischen Deutschland und Frankreich hergestellt.

Gasmia — Das Elsass ist keine klassische Medien- und Filmregion. Seit 2015 gerät

die Region jedoch zunehmend in den Fokus der internationalen Filmwirtschaft. Ein

wichtiger Grundpfeiler dieser Wahrnehmung ist das Rheinische Co-Produktionstreffen,

welches seit 2015 jährlich veranstaltet wird und sich primär an die Branche aus

dem Elsass und aus Baden-Württemberg richtet.

Gasmia — Die Filmwirtschaft ist ein wichtiger Motor für die deutsch-französischen

Beziehungen. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung gibt es mit dem Atelier Ludwigsburg-Paris

auch eine Ausbildungsstätte, welche sich der Ausbildung des Filmnachwuchses

in Deutschland und Frankreich unter Einbeziehung von weltweiten

Talenten verschrieben hat. Hierbei sind Alumni-Netzwerke von großer Bedeutung, da

inzwischen viele Absolventen und Absolventinnen wichtige Funktionen auf beiden

Seiten des Rheins bekleiden. Durch die herausragende Stellung beider Filmmärkte für

Europa sind Initiativen, welche von Frankreich und Deutschland gemeinsam getragen

werden, immer chancenreich, sich als de facto Standard durchzusetzen.

Gasmia — Auch heute gibt es gemeinsame Stars, die auf beiden Seiten viele Fans

haben. Persönlich habe ich davon mehrfach profitieren dürfen. So hat Isabelle

Huppert in meinem Kinofilm „Alles was kommt“ sehr dazu beigetragen, dass der

Film, nach dem Gewinn des silbernen Bären für die beste Regie, ein großer Erfolg in

Deutschland wurde. Auch meine Produktion „Monsieur Pierre geht online“ hat sehr

von der Hauptrolle profitiert, welche wir mit Pierre Richard besetzt haben.

Der Hamburger Filmproduzent

(geboren

1977) hat schon mit

Stars wie Kristen Stewart,

Zach Galifianakis

und Pierre Richard

gedreht. „Uns interessieren

smarte Filme“,

erklärte Gasmia, als

er 2018 gemeinsam

mit den Regisseuren

Erik Schmitt, Julia

von Heinz und David

Wnendt die Firma

„Seven Elephants

GmbH“ gründete.

Zuletzt produzierte

er unter anderem den

Film „Iron Box“ der

Regisseurin Julia von

Heinz, in dem die erfolgreiche

New Yorker

Geschäftsfrau Ruth

beschließt, nach Polen

zu reisen und sich dort

mit der Vergangenheit

ihrer Familie auseinanderzusetzen,

die nur

knapp der Ermordung

durch die Nazis

entronnen ist. Zu

seinen erfolgreichsten

Produktionen zählen

„Alles was kommt“

(Silberner Bär auf der

Berlinale 2016) und

„Personal Shopper“

(Preis für die beste

Regie in Cannes 2016).

Die Deutsch-Französische Filmakademie wurde 2001 auf Initiative der damaligen

Regierungschefs Gerhard Schröder und Jacques Chirac ins Leben gerufen. Sie wird

von der französischen Filmförderbehörde „Centre National de la Cinématographie“

(CNC) und dem deutschen Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM),

gegenwärtig Staatsministerin Claudia Roth, gefördert.

Die Akademie ist eine Plattform zur Kooperation und versteht sich als ein Netzwerk

von deutschen und französischen Filmschaffenden, zu denen unter anderem Volker

Schlöndorff und Jeanne Moreau gehören, beziehungsweise gehörten. Es geht um

Initiativen und Anstöße zur Verstärkung der deutsch-französischen filmpolitischen

Zusammenarbeit. Im Interview spricht Filmproduzent Fabian Gasmia, Vizepräsident

der deutsch-französischen Filmakademie, über die Entwicklung der deutschen und

französischen Filmwirtschaft, das Elsass als Filmregion und den Europa-Park als

Filmproduzenten.

Wie sehen die französischen

Filmschaffenden den Aspekt

der deutsch-französischen

Freundschaft und

Zusammenarbeit – gibt es in

Frankreich besondere Akzente?

Michael Mack baut mit seiner

Firma Mack One France in

der Nähe von Straßburg

ein Kreativzentrum zur

Entwicklung von Multimedia-

Projekten auf. Wie bewerten

Sie solche filmischen

Aktivitäten eines Freizeitparks?

Gasmia — Sehr viele französische Filmschaffende sehen in der Zusammenarbeit mit

Deutschland deutlich mehr als eine reine Geschäftsbeziehung. Aus der Vielzahl an

Co-Produktionen sind enge persönliche Freundschaften zwischen den Filmteams

entstanden. Ich weiß alleine von 20 deutsch-französischen Ehepaaren in meinem

direkten Umfeld in der Filmwelt. Darüber hinaus haben viele Franzosen einen hohen

Respekt vor der deutschen Filmkultur: Angefangen bei Fritz Lang über Romy

Schneider, Fassbinder und Wenders werden auch Filmemacher der heutigen Zeit,

wie Maren Ade und Christian Petzold, von unseren französischen Nachbarn verehrt.

Gasmia — Disney hat ja weltweit vorgemacht, dass sich Freizeitparks auch durch

starke Marken aus Animationsfilmen ein Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten

können. Ich halte den Schritt deswegen für sehr nachhaltig und wohlüberlegt.

Animationsfilme haben zudem häufig eine weltweite Strahlkraft und eine lange

Lebensdauer bei ihren Fans. Ihren größten Nachteil der sehr hohen Produktionskosten

können Animationsfilme sicherlich am besten dadurch ausgleichen, indem

ihre starke Marken mit unternehmerisch denkenden Partnern wie Herrn Mack umgesetzt

werden können.

neuzeit

FILMWIRTSCHAFT

39



technik braucht

geschichten

Pierre-Yves Jourdain

M

ehr

als 600 Filmschaffende hat die legendäre Pariser Filmhochschule

La Fémis in den letzten 20 Jahren ausgebildet. Pierre-Yves Jourdain von

La Fémis spricht über die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit im

Filmgeschäft und weshalb Virtual Reality (VR) nicht nur auf den technischen

Fortschritt vertrauen sollte.

Auf französischer Seite leiten

Sie das „Atelier Ludwigsburg-

Paris“, das seit 2001 junge angehende

Produzenten und Verleiher

von europäischen und internationalen

Filmen durch ein einjähriges

Weiterbildungsprogramm

unterstützt. Wie wirkt sich das

Programm aus?

Pierre-Yves Jourdain — Die Auswirkungen sind ziemlich

groß. Es geht darum, einen Pool von Fachleuten

für die Filmwirtschaft aufzubauen, die schon bei

der Finanzierung international denken und arbeiten.

Absolventen des Programms sind bereits an

Filmen beteiligt gewesen, die hohe Auszeichnungen

wie die Goldene Palme und den Großen Preis

der Jury von Cannes oder den nationalen Filmpreis

Frankreichs, den César, gewonnen haben.

Was trägt noch zur hohen

Qualität der deutsch-französischen

Ausbildung bei?

Mit Mack One France baut

Michael Mack im Elsass ein

Kreativzentrum für die Entwicklung

von Multimediaprojekten auf

und ist bereits mit Animationsfilmen

im Filmgeschäft aktiv. Wie

bewerten Sie solche Aktivitäten,

ausgehend von einem Freizeitpark?

Jourdain — Seit der Gründung im Jahr 2001 hat die Ausbildung wichtige Fortschritte

gemacht. So produziert seit 2002 jeder Jahrgang eine Kurzfilmreihe

in Co-Produktion mit den Fernsehsendern Arte und SWR, der Filmakademie

Baden-Württemberg und La Fémis. Zudem fördert die Alumni-Vereinigung

„Atelier Network“ die aktive Zusammenarbeit unter den Absolventen und die

Partnerschaft mit der „National Film and Television School“ in London sowie

die Öffnung für Bewerber über Frankreich und Deutschland hinaus machen die

Ausbildung am „Atelier Ludwigsburg-Paris“ noch internationaler und wertvoller.

Jourdain — Auf den ersten Blick erscheint ein Freizeitpark recht weit entfernt

von einer Filmakademie. Aber: Durch die europäische Dimension rund um die

deutsch-französische Achse können sicherlich Synergien auch mit dem „Atelier

Ludwigsburg-Paris“ gefunden werden. Einige unserer Absolventen beschäftigen

sich auch schon mit Virtual-Reality-Produktionen unter anderem für Museen.

Pierre-Yves Jourdain

ist Direktor der Abteilung

„Produktion“ an

der Pariser Filmhochschule

La Fémis, die

als Kaderschmiede

des französischen

Films gilt. Zugleich

leitet der in Paris

aufgewachsene Produzent

das Programm

„Atelier Ludwigsburg-Paris“

in Frankreich.

Mit den heutigen digitalen

Möglichkeiten – was ist in

Zukunft noch von Animationsfilmen

zu erwarten?

Jourdain — Die digitalen Werkzeuge werden mit der Zeit einfacher zu handhaben

sein und damit quasi „demokratischer“. Wenn noch mehr Menschen damit umgehen,

dürfte die technische Qualität der Animationen weiter zunehmen. Aber:

Die Technologie sollte immer im Dienst einer guten Erzählung beziehungsweise

eines guten Drehbuchs stehen. Nur dann öffnen die digitalen Möglichkeiten die

Kreativität noch mehr als dies bisher schon der Fall war.

„Die Technologie soLLte immer im Dienst einer guten Erzählung

beziehungsweise eines guten Drehbuchs stehen“

neuzeit

KREATIVITÄT

41



thomas schadt

Wie entwickelt sich die

strategische Partnerschaft

zwischen Mack One und der

Filmakademie

Baden-Württemberg?

Mit dem Animationsfilm

„Happy Family“ ist der Europa-Park

bereits als Kino-Produzent

hervorgetreten.

Wie sehen Sie eine solche

Aktivität eines Freizeitparks?

Welche Rolle spielt die

Kreativ- und Filmwirtschaft

für die deutschfranzösischen

Beziehungen?

Wie kann sie dazu beitragen,

die deutsch-französische

Freundschaft weiter zu

vertiefen?

begegnung

Thomas Schadt — Aus unserer Sicht ist die Kooperation mit Mack One, die auch die

Vergabe eines Pitching-Awards bei der Branchenveranstaltung „Screen.Time International“

beinhaltet, auf einem sehr guten Weg. Insbesondere für unser Animationsinstitut

und seine Studierenden sowie die Abteilung „Research & Development“ ist

die Partnerschaft von großem Nutzen. Sowohl Mack One als auch die Filmakademie

stehen für Innovationen im Bereich von Virtual und Augmented Reality sowie bei

360-Grad-Projekten. Diese Gemeinsamkeit sollten wir auch zukünftig unbedingt

nutzen. Als Medienstandort hat Baden-Württemberg einen riesigen Sprung nach

vorn gemacht hat. Auf dem Gebiet der Animation nimmt das Land einen Spitzenplatz

ein.

Schadt — In den letzten Jahren ist das Kinoangebot vor allem durch Produktionen von

Streamern wie Netflix oder Amazon vielfältiger geworden. Wenn der Europa-Park

dem Angebot weitere derart professionelle Nuancen hinzufügt, kann ich das nur begrüßen.

Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Situation der Kinos durch die

Corona-Pandemie kann die Angebotspalette gar nicht vielfältig genug sein.

Schadt — Die bemerkenswerte Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland

gehört aktuell wohl zu den engsten Bündnissen weltweit. Sie war und ist vielleicht

der wichtigste Garant für ein stabiles und gemeinschaftliches Europa. Um das zu

erhalten, braucht es, gerade in diesen sehr unruhigen Zeiten, Verbindungen auf allen

Ebenen von Politik, Wirtschaft und Kultur. Dazu zählt natürlich auch die Kreativ- und

Filmwirtschaft.

Schadt — Für die Filmakademie von besonderer Bedeutung ist das seit dem Jahr 2000

in Ludwigsburg angesiedelte Atelier Ludwigsburg-Paris. Dabei handelt es sich um

eine einjährige Weiterbildung für angehende Filmproduzentinnen und -produzenten

sowie Verleiherinnen und Verleiher in Kooperation mit der französischen Filmhochschule

La Fémis in Paris. Hier erleben wir täglich, wie neue Partnerschaften entstehen

und der Gedanke der deutsch-französischen Freundschaft mit Leben erfüllt

wird. Nichts baut Vorurteile besser und nachhaltiger ab, als die persönliche Begegnung.

1957 in Nürnberg

geboren, arbeitet

Thomas Schadt als

Dokumentarfilmer,

Kameramann, Produzent

und Fotograf. Zu

seinen bekanntesten

Filmen zählen „Der

Autobahnkrieg“ (1991),

„Der Kandidat“ (1998),

„Berlin: Sinfonie einer

Großstadt" (2002)“

und „Amok in der

Schule“ (2004). Er

erhielt den Deutschen

Fernsehpreis und

den Grimme-Preis.

Im Jahr 2000 wurde

Schadt zum Professor

an der Filmakademie

Baden-Württemberg

ernannt, seit 2005 ist

er Künstlerischer Direktor

der Filmakademie

Baden-Württemberg.

Seit mehr als 30 Jahren gehört die Filmakademie Baden-Württemberg

in Ludwigsburg zu den führenden deutschen Filmausbildungsstätten.

Mit Mack Next besteht seit 2020 eine strategische Partnerschaft

Michael Mack baut in

Plobsheim nahe Straßburg

ein Kreativzentrum zur

Entwicklung von Multimedia-

Projekten auf. Wie bewerten

Sie diese Initiative?

Schadt — Als französischer Honorarkonsul ist Michael Mack natürlich prädestiniert

für eine solche Initiative, da ihm die deutsch-französischen Beziehungen immer

schon ein besonderes Anliegen waren. Ich bin sicher, dass dieses Projekt erfolgreich

sein und die Partnerschaft der beiden Länder weiter stärken wird. Und da ich überzeugter

Europäer bin und mich gerade das auch mit Michael Mack persönlich verbindet,

bin ich gerne bereit, ihn dabei, so gut ich kann, zu unterstützen.

neuzeit

KREATIVITÄT

43



Gerd Nefzer

W

ir treffen Gerd Nefzer im Europa-Park zum Gespräch. Der freundliche Mann aus einem kleinen Dorf

bei Schwäbisch Hall lacht herzlich, plaudert mit jedem und hat keine Spur von Star-Allüren. Er ist

einer der ganz wenigen deutschen Oscar-Preisträger und sagt unumwunden, manchmal könne er

das selbst nicht fassen, hatte er seine Karriere doch ursprünglich mit einer Ausbildung zum Landwirt

und Agrartechniker begonnen.

Und heute das: Mitten auf dem Tisch steht die goldene Statue, die Nefzer nicht aus dem Auge lässt: 34 Zentimeter

hoch, 3,9 Kilogramm schwer, aus massivem Metall und mit 24-karätigem Gold überzogen: der Oscar. Im Sockel ist

der Name Gerd Nefzer eingraviert. Den ersten Oscar gewann er zusammen mit John Nelson, Paul Lambert und

Richard R. Hoover für die besten visuellen Effekte in „Blade Runner 2049“. Das war 2018, und jetzt nochmal 2022.

Unumwunden gesteht Nefzer: „Auch heute bekomme ich noch Gänsehaut bei dem Gedanken an den Augenblick

der Verleihung.“

Herr Nefzer, wie erklären

Sie einem Laien, was

Special-Effects in einem Film

eigentlich genau sind?

Was können Sie besser

als die Mitbewerber

beispielsweise in den USA?

Gerd Nefzer — Special-Effects (Physical-Effects) sind keine Effekte, die am Computer

(Visual-Effects) generiert werden, sondern physikalisch vor der Kamera

(in camera) gedreht werden. Das wird leider sehr oft verwechselt. Zu unseren

Aufgaben gehören alle Wettereffekte (zum Beispiel Wind, Regen, Schnee, Nebel),

mechanische Effekte (Flugsimulatoren, Bewegungen und so weiter), pyrotechnische

Effekte (Einschüsse, Explosionen … und so weiter) und Breakaways (weiche

Wände, brechende Requisiten und so weiter).

Nefzer — Das ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich haben da die schwäbischen Tugenden

etwas geholfen – Sparsamkeit – Tüfteln – Fleiß („schaffe und net schwätze“)

– oder auch Ehrlichkeit.

Nefzer special

effects

Das sagt Gerd Nefzer über

seine Firma: „Mit über

50 Jahren Erfahrung im

Filmgeschäft ist es unser Ziel

und unsere Vision, Phantasie

in Realität umzusetzen.

Realistische physische Spezialeffekte

zu schaffen, von

den Seiten eines Drehbuchs

bis zur Handlung auf dem

Bildschirm, innerhalb des

Rahmens und der Geschichte.

Wir sind stolz darauf,

physische Kameraeffekte

jedes Mal zur absoluten Zufriedenheit

von Regisseuren

und Produzenten innerhalb

des Budgets zur Verfügung

zu stellen.

Sicherheit, Effizienz und

Zuverlässigkeit sind wichtige

Faktoren bei der Arbeit

von Nefzer Special Effects.

Unser Hauptsitz sind die

Babelsberger Studios. Von

Europa bis Asien, von Afrika

bis Indien, von Russland bis

Großbritannien haben wir

die ganze Welt bereist.“

the oscar

goes to

Was können wir alle aus

Ihrer Geschichte lernen:

Nichts ist unmöglich,

wenn man es nur will?

Wie waren Ihre Eindrücke

im Europa-Park?

Nefzer — Als Hauptschüler mit einer Ausbildung zum Bauer (Landwirt) kann ich

dem auf jeden Fall zustimmen. Es war aber auch ein hartes Stück Arbeit, bis ich

im internationalen Filmgeschäft ankam und als Special-Effects-Supervisor akzeptiert

wurde.

Nefzer — Ich war total beeindruckt, was Michael Mack, die ganze Familie Mack

und ihr Team da geschaffen haben. Vor allem hat mich die Liebe zum Detail fasziniert.

Mir war vorher nicht bewusst, was hinter den ganzen Fahrgeschäften und

Attraktionen für ein technisches Know-how steckt.

„schaffe und net

schwätze“

www.nefzer.com

44

neuzeit

hollywood



Maylis Lamoure

SPASS FÜR

Jeden SPieler

D

as Golf-Resort Kempferhof, nur 15 Minuten von Straßburg entfernt, eine

Idylle zu nennen, wäre eine glatte Untertreibung. Der amerikanische Architekt

Robert von Haage (1927-2010), dem die Gestaltung von weltweit

mehr als 250 Golfplätzen zugeschrieben wird, entwarf den 1990 eröffneten

Kurs. Dabei verwandelte er, nur wenige Meter vom Ufer des Rheins

entfernt, elsässische Wiesen und Felder in eine mystisch wirkende Landschaft mit

hundertjährigen Eichen, Buchen und Pappeln. Der Kempferhof gilt daher als einer der

zehn schönsten Golfplätze Europas.

Doch wie spielt es sich in dem Naturparadies? Darüber spricht die Nachwuchsgolferin

Maylis Lamoure. Sie ist Mitglied der französischen Nachwuchsmannschaft, die 2022

die Team-EM für Frauen unter 18 Jahren gewonnen hat.

gehört zu den größten

Nachwuchshoffnungen

im französischen

Frauen-Golf.

Die 18-Jährige trat

2021 der Kempferhof-Golf-Akademie

bei. „Dort trainiere

ich etwa zehn Tage

im Monat und die

übrige Zeit verbringe

ich in Aix-en-Provence

bei meinen Eltern

oder auf verschiedenen

Turnieren. Es

ist ziemlich intensiv,

aber ich mag es“,

sagt sie.

Haben Sie schon auf dem

Kempferhof gespielt?

Wie lautet Ihr Urteil?

Was sind für Sie die

Besonderheiten des Parcours?

Wie finden Sie die

Landschaft und wie wirkt sie

sich auf einen Golfer aus?

Worauf müssen besonders

Gelegenheitsgolfer achten,

um auf dem Kempferhof

erfolgreich zu sein?

Maylis Lamoure — Ja, ich trainiere dort regelmäßig und nehme an Wettkämpfen teil,

die der Golfclub „Le Kempferhof” organisiert.

Lamoure — Der Kempferhof gehört zu den besten Trainingskursen in Frankreich, er

bietet eine sehr angenehme Spielstrecke, besonders aufgrund der Fauna und Flora.

Auch der Empfang ist herzlich und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr

freundlich. Das Trainer-Team aus professionellen Golfern und Direktor Arnaud Abbas,

der auch Profi ist, tragen ebenfalls sehr zur tollen Atmosphäre bei.

Lamoure — Der gesamte Kurs ist immer gut gepflegt, die Strecke ist nicht sehr lang,

aber anspruchsvoll.

Lamoure — Die üppige und idyllische Natur ergibt ein fantastisches Bild und hat eine

leistungssteigernde Wirkung. Es fördert die Konzentration eines Golfers, wenn er in

Ruhe trainieren kann, ohne das quirlige Treiben einer Stadt um den Golfplatz herum.

Lamoure — Da der Golfplatz immer sehr gut präpariert ist, ist er nicht so einfach, wie

es scheint. Die Roughs (hohe Gräser) können kompliziert sein, man sollte sie besser

meiden. Die Fahnenpositionen und die zahlreichen Hindernisse rund um die Grüns

(Zielbereiche), wie Bunker oder Wasserhindernisse, können sich schnell als schwierig

einzuschätzende Fallen erweisen. Trotzdem wird es jedem Spieler Spaß machen,

auf dem Kempferhof zu spielen, unabhängig von seinem Niveau!

„Die üppige und idyLLische Natur ergibt ein fantastisches Bild

und hat eine leistungssteigernde Wirkung“

47



Begegnung mit Jade Lagardère / Basierend auf der Comic-Serie „Amber

bLake“ aus der Feder des in Paris lebenden Supermodels hat der Europa-Park

ein spektakuLÄres Virtual-Reality-Erlebnis geschaffen / Im Elsass wurde

die Zusammenarbeit unterschrieben

glücksbringer

Jade Lagardère

ist ein belgisches Model

und Comic-Schreiberin.

Sie heiratete 2013

den französischen

Unternehmer Arnaud

Lagardère, mit dem sie

drei Kinder hat. Auf

ihrer Comic-Reihe über

die Superheldin Amber

Blake, die weltweite

Organisationen

für organisierte

Kriminalität bekämpft,

basiert die neue VR-

Attraktion „Amber

Blake: Operation

Dragonfly“ des

Europa-Park. Amber

Blake ist auch als VR-

Achterbahn-Experience

beim „Alpenexpress

Coastiality“ erlebbar.

Dabei werden die

Passagiere in einen

actiongeladenen Jetski-

Ride durch den Kallang

River und die Marina

Bay von Singapur

verwickelt. 1984 war

der Alpenexpress

„Enzian“ die erste

Achterbahn überhaupt

im Europa-Park. Im

September 2015 wurde

sie zum ersten VR-Ride

der Welt.



S

ie ist ein Model – aber gutes Aussehen ist bei ihr längst nicht alles: Das belgische

Supermodel Jade Lagardère ist dreifache Mutter, Ehefrau des französischen

Medien- und Verlags-Unternehmers Arnaud Lagardère, Moderatorin

und sozial stark engagiert. Außerdem hat sie Amber Blake erschaffen,

eine vor allem in Frankreich immens erfolgreiche Comicbuch-Serie. Darin

lässt sie eine starke Heldin, die einer schweren Vergangenheit entkommen muss, gegen

internationale Superschurken und vielfältige Ungerechtigkeiten insbesondere

durch den weltweiten Menschenhandel kämpfen.

Lagardère schreibt die auch auf Deutsch erschienenen Geschichten um die Geheimagentin.

Zu Papier gebracht werden die atemberaubenden Abenteuer voller Action,

Spannung und fein gesponnener Intrigen vom amerikanischen Zeichner Butch Guice,

der unter anderem auch „Captain America“ für den Comic-Giganten Marvel zeichnet.

Er hat Amber Blake nach Jade Lagardères Aussehen gestaltet. Mit ihrer Comic-Heldin

verfolgt Lagardère durchaus auch gesellschaftliche Anliegen: „Ich war immer schockiert

und empört über organisierte Kriminalität“, betont sie.

Park-Gäste jagen Superschurken

Amber Blake hat zudem mittlerweile das comicschreibende Supermodel mit dem

Europa-Park zusammengebracht. Michael Mack entdeckte die Comics von Jade

Lagardère bei einem seiner häufigen Aufenthalte in Frankreich, unter anderem in

der Funktion als französischer Honorarkonsul. Daraus entstanden ist: „Amber Blake:

Operation Dragonfly“ für die von Michael Mack initiierte Virtual-Reality-Attraktion

Yullbe. Der 30-minütige 3D-Thriller überträgt die Comics um Amber Blake in ein interaktives

Abenteuer, in dem die Gäste des Europa-Park wie in einen James-Bond-

Film eintauchen. Ausgestattet mit Vibrationsweste, Hand- und Fußtrackern, VR-Brille

sowie weiteren haptischen Elementen werden sie zu Akteuren in VR-Abenteuern, in

denen sie Aufgaben erledigen und Rätsel lösen. In Singapur jagen sie gemeinsam

mit Amber Blake einen der gefährlichsten Kriminellen der Welt, eine Schlüsselfigur

des organisierten Verbrechens. Ob Waffen-, Drogen- oder Menschenhandel, überall

scheint der mysteriöse Blue Dragon die Finger im Spiel zu haben. Seine wahre

Identität war jedoch ein Rätsel, an dem sogar Interpol gescheitert ist. Nun nehmen

die Spieler die Sache in die Hand. Gemeinsam mit Amber Blake versuchen sie, Blue

Dragon zu enttarnen.

Blockbuster-Technik macht Comic-Heldin lebendig

Ermöglicht wird der Übertritt in die virtuelle Realität insbesondere durch eine Technologie,

die vom Film stammt, um Kunstfiguren in die reale Welt zu verpflanzen und

ihre Bewegungen realistisch erscheinen zu lassen. „Motion Capturing“ heißt sie.

Dabei wird ein Schauspieler in einen Ganzkörperanzug mit dutzenden Sensoren gesteckt,

die jede Muskelregung aufzeichnen und in den Computer übermitteln, der

die Kunstfigur dann perfekt gestaltet. Die Motion-Capture-Technologie kommt heute

in fast jedem Blockbuster zum Einsatz und lässt digitale Effekte real aussehen.

„Yullbe zeigt, dass wir digitale Erlebnisse schaffen können, die Menschen packen und

begeistern. Das ist eine Sensation“, betont Michael Mack. Mit Angeboten wie dem

Amber-Blake-VR-Abenteuer strebt Mack auch nach einer gezielten strategischen

Ausrichtung auf den französischen und internationalen Medienmarkt. „Für das gesamte

Europa-Park Erlebnis-Resort und meine Familie ist Europa seit jeher einer der

wichtigsten Werte. Dies gilt auch für unsere Geschichten: die, die es schon gibt, und

alle, die wir noch erzählen werden.“

Jade Lagardère

testet das technische

Equipment für die

Umsetzung ihres

Agententhrillers

Amber Blake als

Yullbe-Abenteuer.

50 neuzeit comic-HELDIN



Im elsässischen Golfresort Kempferhof wurde die Zusammenarbeit

zwischen Jade Lagardère und dem Europa-Park

besiegelt. Die Partner hielten ihre Unterschriften

auf einer Speisekarte des „Kempferhof Golf- und Château-

Hotels“ fest. Aus der Kooperation sind auch in Zukunft viele

kreative Impulse für die vom Michael Mack gegründeten

Tochterunternehmen wie Mack Animation und Mack

One France zu erwarten. „Kick-off Amber Blake“ wurde

darauf von allen Beteiligten freudestrahlend notiert. In

einem exklusiven Interview bewertet Jade Lagardère die

Zusammenarbeit und gibt Einblicke in ihr Leben.

Sie engagieren sich sehr für kranke Kinder und waren auch

im SOS-Kinderdorf in Marokko tätig. Weshalb ist Ihnen die

Arbeit mit Kindern so wichtig?

Jade Lagardère — Seit ich klein war, habe ich Kinder geliebt

und eine mütterliche Ader gehabt. Ich komme aus einer

siebenköpfigen Familie, wir waren fünf Kinder, drei große

Brüder und eine kleine Schwester, die kam, als ich erst

acht Jahre alt war. Schon in diesem Alter wollte ich mich

um sie kümmern, ihr die Flasche geben und die Windeln

wechseln. Ich betrachtete sie bereits als mein erstes Baby.

Im Alter von 15 Jahren ging ich mit SOS-Kinderdörfer auf

eine Missionsreise, die mich stark geprägt hat. Es war

sehr bereichernd, aber auch sehr hart zugleich. All diese

verlassenen Kinder in den Waisenhäusern zu sehen,

drehte mir den Magen um. Ich schwor mir, ihnen so gut

wie möglich zu helfen. Amber Blake wurde von all diesen

Höhepunkten in meinem Leben inspiriert. Ich wollte einen

starken Charakter schaffen, der trotz allem, was er erlebt

hat, widerstandsfähig bleibt und nur einen Wunsch

hat: Gerechtigkeit in dieser Welt zu schaffen und die

Schwächsten zu retten.

Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit der Familie

Mack und speziell Michael Mack?

Lagardère — Ich bevorzuge immer Familienunternehmen,

in denen die Kultur von den Eltern an die Kinder weitergegeben

wird. Sie sind enger zusammengeschweißt und

kämpferischer. Diese Zusammenarbeit liegt mir sehr am

Herzen. Ich habe mich sofort in Michael Mack verliebt,

sowohl beruflich als auch freundschaftlich. Er ist ein

wunderbarer Mensch mit einem großen Herzen, talentiert,

leidenschaftlich, fleißig und vor allem sehr visionär.

Ich war sehr gerührt, dass er Ambers Charme erlag

und so sehr an meinen Charakter glaubte.

Amber Blake und Europa-Park sind ja eine sehr erfolgreiche

Verbindung. Wie beurteilen Sie diese Kooperation?

Lagardère — Außerordentlich konstruktiv. Das Beste

kommt noch. Mit dem gesamten Team des Europa-Park

zu arbeiten, ist ein unglaubliches Glück. Es sind alles so talentierte,

leidenschaftliche und professionelle Menschen.

Was verbinden Sie mit Plobsheim und dem Golfresort

Kempferhof?

Lagardère — Ich werde diesen Ort immer in meinem Herzen

tragen. Ich würde ihn als meinen Glücksbringer bezeichnen,

weil ich dort Michael Mack und sein Team kennengelernt

habe. Hier hat wirklich alles begonnen. Am 29.

April 2021.

Was mögen Sie im Europa-Park besonders?

Lagardère — Ich mag die Atmosphäre, ich mag die warme

und familiäre Seite. Jeder ist glücklich und lächelt, die

Attraktionen, die Shows, alles ist unglaublich. Die Hotels

sind wunderbar, der Service ist tadellos und gepflegt. Und

das Essen in allen Restaurants ist vorzüglich. Ich hatte leider

noch nicht die Möglichkeit, mit meinen Kindern zu

kommen, aber sobald ich in den Ferien die Gelegenheit

habe, werde ich kommen. Das ist der Ort, den man nicht

verpassen sollte.

Schenken Sie uns eine Lebensweisheit, die Ihnen geholfen

hat, so erfolgreich zu werden?

Lagardère — Niemals aufgeben und immer an sich selbst

glauben. Geduld und Beharrlichkeit sind der Schlüssel

zum Erfolg.

Jade Lagardère mit

Michael (Mitte) und

Thomas Mack im

Europa-Park: „Das

ist der Ort, den man

nicht verpassen sollte",

schwärmt das Model.

start auf einer speisekarte



station f

traumfabrik

E

s ist wie eine Traumfabrik – aber nicht für Filme, sondern für die Wirtschaft.

In der Umgebung im 13. Arrondissement von Paris geht es eigentlich eher

ruhig zu, doch wer in die Rue Eugène Freyssinet unweit der Seine kommt,

stößt auf ein erstaunliches Gebäude, das nur so vor Leben brummt: „Station

F“. In einem alten Güterbahnhof vom französischen Telekom-Milliardär

Xavier Niel errichtet, ist dort auf rund 34.000 Quadratmetern das größte

Start-up-Zentrum auf der ganzen Welt zu Hause. Seit 2017 arbeiten hier junge Unternehmen

an der Ökonomie von Morgen. Vor allem konzentriert auf Digitalprojekte,

tüfteln sie mit innovativen Geschäftsideen am großen Durchbruch – und finden etwa

durch Dutzende vergünstigte Dienste wie dem Zugang zu 3D-Druckern oder Lasercuttern

sowie jährlich mehr als 600 Workshops und Informationsveranstaltungen

alles, was sie brauchen, um ihr Geschäft auf den Weg zu bringen.

„Das bedeutet es, Unternehmer zu sein“

„Was Euch hier versammelt hat, ist, dass Ihr nicht wollt, dass man an Eurer Stelle über

Euer Leben bestimmt“, rief der französische Präsident Emmanuel Macron bei der Eröffnung

den jungen Gründern zu. „Das bedeutet es, Unternehmer zu sein.“ Der Innovations-Campus

bietet mehrere 1.000 Arbeitsplätze, Besprechungsräume und einen

Hörsaal. Gefördert werden die Unternehmensstarter in mehr als 30 verschiedenen

Programmen. Stets rund 1.000 Start-ups arbeiten dort gleichzeitig an ihren Ideen.

Neben der „Create“-Zone, wo all die ernsthafte Arbeit an der Zukunft stattfindet, bietet

der gigantische Hangar aus Stahl, Glas und Beton auch die öffentlich zugänglichen

Zonen „Share“ und „Chill“. Dort erstrecken sich unter anderem Europas größtes

Restaurant, das „La Felicità“ (italienisch für „Glück“) mit 1.000 Sitzplätzen, fünf Küchen

und drei Bars, und ein Lebensmittelmarkt. In der Lobby empfängt eine monumentale

Skulptur von Jeff Koons namens „Play Doh“ („Knetmasse“) die Besucher. Der

Restaurant- und Erholungsbereich, wo jeder willkommen ist, soll auch verhindern,

dass die innovativen Tüftler in der „Station F“ Gefahr laufen, sich in ihren „Blasen des

Wissens“ zu isolieren.

Technologieachse Paris-Plobsheim?

Bereits mehr als 5.000 Start-ups haben den „Brutkasten für junge Unternehmen“

zum Start in die Geschäftswelt genutzt. Große Unternehmen wie Microsoft oder

L’Oréal bieten in „Station F“ eigene Förderprogramme an. Die Gründungen stammen

dabei längst nicht nur aus dem Großraum Paris, sondern auch schon aus Nordamerika,

China, Marokko, Tunesien, Korea, Indien, Italien, Großbritannien, Algerien und

Deutschland. „Station F“ ist offen für die ganze Welt. Zu den Partnern des gigantischen

Gründerzentrums könnte bald auch die Unternehmerfamilie Mack gehören.

Längst laufen intensive Gespräche über eine Zusammenarbeit zwischen Mack One

France in Plobsheim und „Station F“ in Paris – das Ziel: eine Technologieachse Paris-Plobsheim.

Die Abkürzung „PP“ steht gegenwärtig beispielsweise für den Bezahldienst

PayPal oder „Pastor Pastorum“ (übersetzt „Hirte der Hirten“) und damit den

Papst. Künftig könnte also eine neue innovative Bedeutung für „PP“ dazukommen.

Stets rund 1.000

Start-ups finden in

„Station F“ alles,

was sie für die

Realisierung ihrer

Ideen brauchen –

schon bald könnte

es der Abkürzung

„pp“ zu einer

neuen innovativen

Bedeutung verhelfen

Station F: Das in einem alten Pariser Güterbahnhof errichtete Start-up-Zentrum

ist die weltweit größte Brutstätte für junge Unternehmen.

54

neuzeit

INNNOVATION

neuzeit

INNOVATION

55



Raymond E. Waydelich

R

aymond E. Waydelich ist ein Unikum und ein Elsässer, wie er im Buche

steht – bodenständig und humorvoll, erfinderisch und mit einer beflügelnden

Fantasie gesegnet. Er ist ein viel beachteter Künstler und begnadeter

Erzähler, seine Bildsprache ist international, was Ausstellungen in

Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Schweden, in den USA, Südamerika

und Japan belegen. Waydelich war Biennale-Teilnehmer in Venedig, präsentierte seine

Kunst im Rahmen der documenta in Kassel und ist mit einer Arbeit in den Uffizien

in Florenz vertreten. Sein Herz gehört seiner Heimat, der Region rechts und links des

Rheins: Waydelich ist geradezu ein Symbol für die täglich gelebte deutsch-französische

Freundschaft. Er liebt den Oberrhein, kennt längst keine Grenzen mehr und hat

viele Freunde im Schwarzwald, wie im Elsass: „Der Wein und gutes Essen verbinden

uns. Was wäre das Leben ohne Freunde?“

Der 1938 in Straßburg geborene Künstler ist schon lange ein großer Freund des

Europa-Park: „Wenn wir über Europa und die deutsch-französische Freundschaft

sprechen, dann hat der Europa-Park unglaublich viel gebracht. Hier treffen sich

Menschen vieler Nationen und lernen spielerisch die Kultur des anderen kennen.

Das ist unglaublich wichtig. Freundschaft geht nur direkt über die Menschen.“

Gloriette de Heidi

Auf dem Areal des Kempferhofs ist

ein eindrucksvolles Kunstwerk von

Raymond E. Waydelich zu sehen:

„La Gloriette de Heidi“ lautet der Titel.

Es ist eine aufwendige Installation

aus Stahl und anderen Materialien als

eine Hommage an den Eigentümer

des Kempferhofs, Pierre-Etienne

Bindschedler, der aus der Schweiz

stammt. Raymond E. Waydelich hat

eigens einen großen Granitstein

aus der Schweiz dafür besorgt und

Themen wie Gebirge, Wasser, Forellen,

Vögel, einen Piloten im Flieger,

Nachteulen und Wetterfahnen im Stil

der Belle Époque realisiert.

Flohmarkt-Entdeckung formt den Künstler

Und Raymond E. Waydelich hat schon viel erlebt: 1959 fuhr er als Kriegs-Fotograf der

französischen Armee während des Algerienkriegs im Jeep durch Nordafrika. Nach

Besuch der Kunstgewerbeschulen in Straßburg und Paris begann Waydelich Ende

der 1960er Jahre, künstlerisch zu arbeiten. 1973 war er 35 Jahre alt und machte einen

schicksalhaften Fund: Auf einem Flohmarkt entdeckte der Sammler das Tagebuch

einer Schneiderin aus dem vergangenen Jahrhundert. Seitdem sind die Leben von

Raymond E. Waydelich und Lydia Jacob, so der Name der Dame, untrennbar miteinander

verwoben. Er kreierte ihren Stammbaum, erfand Familienmitglieder und erklärte

den ausgestopften Hund einer Madame aus Metz zu Lydias treuestem Freund.

Seine Zeichnungen, Skulpturen, Objekte und Assemblagen signierte er nicht nur mit

Waydelich, sondern auch mit Lydia Jacob. Der Pakt, „Ich helfe dir berühmt zu werden,

und du hilfst mir“, erfüllte sich postwendend. Der Elsässer erlebte einen kometenhaften

Aufstieg mit One-Man-Shows zwischen New York und Paris.

Seine Arbeiten sind „Memoires“, Erinnerungen. „Archäologie der Zukunft“ nennt Raymond

E. Waydelich das und fragt: „Was wird in 2.000 Jahren von uns bleiben?“ Auf

dem Altstädter Friedhof am Lutherplatz in Kassel sowie in Lyon und Straßburg hat er

Alltagsgegenstände für die Menschen nach unserer Zeit vergraben.

Im Winter 2011 begeisterte Waydelich die Europa-Park-Besucher mit einer großen

Ausstellung unter dem Titel „Mobiliät“.

auf

extratour

56 neuzeit kunst 57



H

och inaus strebt der Leuchtturm des Europa-Park-Hotels „Bell Rock“. Stolze

35 Meter ragt er aus der Rheinebene. Hoch hinaus ist auch jemand gekommen,

der im „Bell Rock“ eine von sechs Suiten nach ganz individueller

Handschrift eingerichtet hat: Stefan Strumbel. „What the fuck is Heimat?“

Damit setzt sich der Künstler seit Jahren auseinander. Auch in „seiner“ Suite

im „Bell Rock“ hat er das Thema aufgegriffen: „Ahoi Heimat“ heißt sie und empfängt

doch in einem ganz anderen Stil, als man es unter der Begrifflichkeit gemeinhin

erwartet. Sanftes Rosa prägt den Raum, begleitet von Elementen in fluoreszierendem

Gelb. Schriftzüge mit „ahoi“, „I love“ und „holy“ zieren die Wände, ein Bett hat

die Form eines Herzens. „Eine essentielle Zutat von Heimat ist Liebe“, pointiert der

Künstler dazu.

Poppige Kuckucksuhren, rebellische Schwarzwaldmädels und Bollenhut-Madonnen

gehören zu Strumbels Markenzeichen. Den Schwarzwald hat er mit seiner eigenwilligen

Auslegung althergebrachter Traditionen sogar in die Welt getragen. Als Jugendlicher

stand er wegen illegaler Graffitis vor Gericht. Dann kaufte Mode-Ikone Karl

Lagerfeld eine seiner grellen Kuckucksuhren und Strumbel wurde zum Popstar. Die

„New York Times“ widmete ihm eine Home-Story.

Inzwischen beschäftigt er sich etwa als Bühnenbildner auch mit anderen Themen –

aber natürlich steht er weiterhin zu seiner Heimat, Baden, den Schwarzwald. Noch

immer lebt er in Offenburg, wo er 1979 geboren wurde. Aber auch die Region auf der

anderen Seite des Rheins ist ihm Quelle der Inspiration.

Darüber äußert sich der Künstler im folgenden Gespräch.

Was bedeutet Ihnen die deutsch-französische Freundschaft?

Stefan Strumbel — Grundsätzlich bedeutet mir Freundschaft gerade in dieser bewegten

Zeit: Verlässlichkeit, Vertrauen und vor allem ein gefestigtes und friedliches Miteinander.

Und dies gilt selbstverständlich auch für die länderübergreifende Freundschaft

mit unserem Nachbarn Frankreich.

stefan Strumbel

(Jahrgang 1979, lebt

in Offenburg und Berlin):

Als „Andy Warhol

der Kuckucksuhren“

bezeichnete die Tageszeitung

„Die Welt“

Stefan Strumbel. Ein

Kunststudium hat der

bildende Künstler nie

absolviert, dennoch

ist er international erfolgreich.

In Grafiken,

Objekten, Skulpturen

und raumgreifenden

Installationen schafft

Strumbel eine Scheinwelt,

die der gesellschaftlichen

Realität

als Spiegel dient.

stefanstrumbel.de

ahoi

heimat

Als Offenburger mit der Nähe zu Frankreich – wie sehen Sie das Nachbarland?

Strumbel — Selbst ich habe ja noch die besetzten Grenzposten erlebt, deshalb genieße

ich die heutige Freiheit noch mal ganz anders. Für mich ist die Nähe zu Frankreich

pure Lebensqualität – nicht nur was die Natur und die Kulinarik betrifft, sondern es

ist gerade auch der, uns sehr verbundene, Menschenschlag. Wenn ich mit meiner Familie

urbane Großstadtluft schnuppern möchte, ist Straßburg erste Wahl und Dank

TGV ohnehin mittlerweile Vorort von Paris.

Finden Sie dort auch Inspiration für Ihre Kunst?

Strumbel — Mein Leitmotiv „Heimat“ ist grenzenlos und gerade die Gegensätzlichkeit

von Natur und Urbanem war schon immer der Humus meiner Inspiration. Mit Toni

Ungerer hatte ich das große Glück, noch gemeinsam in Freiburg ausstellen zu dürfen,

und mit Raymond E. Waydelich verbindet mich eine jahrzehntelange Freundschaft.

Wie beurteilen Sie es, dass das bereits seit 250 Jahren in Baden verwurzelte Familienunternehmen

Mack nun auch in Frankreich einen Standort aufbaut?

Strumbel — Das ist gelebte deutsch-französische Freundschaft.

Respekt !

58

neuzeit

heimat



frauenpower

Frauenpower prägt

StraSSburg: Seit 2020

ist Jeanne Barseghian

Oberbürgermeisterin

der europäischen

Hauptstadt und

im gleichen Jahr

wurde Pia Imbs zur

Präsidentin der

Eurometropole

StraSSburg gewählt.

Im gemeinsamen

Interview sprechen

sie über StraSSburg

und den Oberrhein

als Motor für

Europa, die Chancen

der Digitalisierung

und ihre Sicht auf

Mack One France in

Plobsheim

pia imbs

Jeanne Barseghian

60

neuzeit

FRAUENPOWER

neuzeit

FRAUENPOWER

61



Jeanne Barseghian

Auch ein Beispiel für die hervorragenden

Beziehungen der Familie Mack zu Frankreich:

Für den Abschlussdreh zum Film für Europas

größtes „Flying Theater“ Voletarium

erhielt der Europa-Park in Straßburg eine

Genehmigung für einen Flug auf das

Europaparlament. Am Hubschrauber ist eine

besonders hochauflösende Spezialkamaera

zu erkennen.

pia imbs

Bildung sowie

ökologische, soziale

und demokratische

Herausforderungen

nennt die Grünen-

Politikerin als Fokus

für ihr Amt, das sie

seit Juli 2020 innehat.

Mit 39 Jahren wurde

sie damals zur

Oberbürgermeisterin

von Straßburg gewählt.

Barseghian kam in Paris

in einer französischen

Familie armenischer

Abstammung zur Welt.

Urgroßvater der Juristin

war der armenische

Intellektuelle und

Politiker Sarkis

Barseghian, der

während des

Völkermords an

den Armeniern

ermordet wurde. Ihr

Lebensgefährte ist

Deutscher.

2023 jährt sich der Élysée-Vertrag zum 60. Mal. Wie sehen

Sie heute die deutsch-französischen Beziehungen und Europa?

Pia Imbs — Der Élysée-Vertrag ist der Gründungstext der

deutsch-französischen Freundschaft und festigt unsere

Identität als transrheinische Metropole. Seither leben

unsere beiden Nationen eine Freundschaft, die tatsächlich

einen Impuls für die Annäherung der europäischen

Völker gegeben hat. Heute, da Europa von aufeinanderfolgenden

Krisen erschüttert wird, ist diese Freundschaft

mehr denn je ein echter Motor im Dienst aller

Europäer. Bei uns haben wir ideale Bedingungen, um Innovationen

durchzuführen, die den Herausforderungen

von heute und morgen gerecht werden.

Jeanne Barseghian — Straßburg ist ein Symbol des Friedens

und die Stadt der Annäherungen. Wir haben das

Glück, im Herzen der deutsch-französischen Beziehungen

zu stehen, sie täglich zu leben und zu pflegen. Das

deutsch-französische Paar muss aber auch weiterhin

eine führende Rolle in Europa spielen und seine Verantwortung

wahrnehmen, während unsere demokratische

Lebensweise und unser Zusammenleben unter anderem

durch den schrecklichen Krieg, der in der Ukraine tobt,

auf eine harte Probe gestellt werden. Um das vereinte

und starke Europa, das wir alle so dringend brauchen, zu

verwirklichen, müssen der Dialog und die Zusammenarbeit

zwischen den lokalen Ebenen und den Nachbarn

gestärkt werden. Europa wird im Kleinen wie im Großen

gebaut.

Wie zeigt sich das grenzüberschreitende Zusammenleben

konkret?

Barseghian — Dies ist für die Bewohnerinnen und Bewohner

unserer gemeinsamen Region im Alltag erlebbar. Es

bedeutet zum Beispiel, eine Straßenbahn zu nehmen, um

das Land zu wechseln. Auch die Beziehungen zwischen

unseren Gebietskörperschaften werden immer enger.

Das Abkommen Straßburg-Kehl von 2021 hat einen institutionalisierten

und direkten Dialog zwischen beiden

Städten eingeführt. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

entwickelt sich durch zahlreiche Projekte in

den Bereichen Gesundheit, Kultur und der gegenseitigen

Nutzung unserer Einrichtungen. Bald wird uns eine Fernwärmeleitung

unter dem Rhein verbinden! Sie wird die

Abwärme eines deutschen Stahlwerks nach Straßburg

transportieren, um 8.000 Wohnungen mit Heizung und

Warmwasser zu versorgen. Dieses in Europa einzigartige

Projekt, das durch die Gründung einer gemeinsamen

Wärmetransportgesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“

(SEM Calorie) umgesetzt wird, ist ein hervorragendes

Beispiel für den Einfallsreichtum, zu dem wir gemeinsam

fähig sind, um den ökologischen Wandel in unserer Region

umzusetzen.

Imbs — Die Grenzen verschwinden zugunsten großer

strukturierender Projekte wie der „Passerelle des deux

Rives“ („Brücke der zwei Ufer“). Die neue SEM Calorie

ermöglicht es, unseren lokalen Energiemix zu bereichern.

Diese Partnerschaft zwischen der Eurometropole

Straßburg, der Stadt Kehl, der Region Grand Est und dem

Land Baden-Württemberg erhöht den Anteil der erneuerbaren

Energien in den Wärmenetzen und erfüllt die

Ziele der Dekarbonisierung und der Verringerung der

Energiearmut. Ich möchte auch noch das Projekt „Deux

Rives“ erwähnen. Damit werden vier neue Stadtviertel

in Straßburg bis nach Deutschland entwickelt. Es bringt

uns noch näher an Kehl heran, indem es ehemalige Hafenbrachen

saniert und zu einem echten Sektor macht,

in dem es sich gut leben lässt. Dieses Projekt wird den

Einwohnern von Straßburg und Kehl gleichermaßen zugutekommen.

Welche Rolle sollte das Oberrheingebiet Ihrer Meinung

nach in Europa spielen?

Barseghian — Ich glaube, wir verleihen Europa Schwung.

Hier haben wir einen guten Blick auf Grenzeffekte, die

in vielen Bereichen dringend beseitigt werden müssen.

Diese genaue Kenntnis der Probleme, gepaart mit unserer

Fähigkeit, zu teilen und zu probieren, verschafft uns

einen Vorsprung. Heute ist die Grenze beispielsweise

immer noch ein Hindernis, wenn man mit dem Zug reist.

Dabei ist der Zug die beste Alternative zum Straßen- und

zum Luftverkehr. Man muss nur investieren und sich von

Scheuklappen der nationalen Grenzen befreien. In diesem

Punkt bin ich sehr engagiert. Eine Verbesserung der

Verbindungen zwischen den Städten des Rheinbeckens

würde sich positiv auf das gesamte europäische Netz

auswirken.

Imbs — Um die Dynamik der grenzüberschreitenden

Zusammenarbeit zu verstärken, verfügen wir über ein

sehr interessantes Instrument: Es handelt sich um die

Vereinigung „Grand Est-Europe“ zur kollektiven Vertretung

der Interessen der öffentlichen Akteure der französischen

Region Grand Est gegenüber den europäischen

Institutionen. Sie ermöglicht einen echten Raum des

Dialogs, der die regionalen Akteure in die Lage versetzt,

ihre europäischen Projekte zu konkretisieren. Wir müssen

dies aber noch verstärken, um den Übergang im

Umwelt-, Energie-, Industrie- und Digitalbereich zu begleiten.

Aber schon jetzt bestätigt die grenzüberschreitende

Zusammenarbeit bei uns, dass die Eurometropole

und die Stadt Straßburg einen ganz besonderen Platz in

Europa einnehmen und dass das Rheinbecken ein echter

Motor auf europäischer Ebene ist.

Inwiefern ist die Digitalisierung eine Chance für Ihr Gebiet,

aber auch für die deutsch-französische Zusammenarbeit?

Imbs — Digitale und neue Informationstechnologien werden

wahrscheinlich in naher Zukunft alle Branchen und

jeden Aspekt unseres Lebens dominieren. Mit nahezu

unbegrenzten Möglichkeiten macht uns die Digitalisierung

große Versprechen. So wird 5G unter anderem die

Taktung des öffentlichen Nahverkehrs optimieren oder

die medizinische Versorgung verbessern.

Die Digitalisierung wird auch im Mittelpunkt von Mack

One France stehen, dem Kreativzentrum für digitale Unterhaltung,

das auf der französischen Seite des Rheins, in

Plobsheim, errichtet wird. Wir begrüßen diese Ansiedlung

und wissen, dass wir auf das Unternehmen Mack zählen

können, um dieses Projekt in vorbildlicher Weise zu leiten,

insbesondere in Bezug auf den Schutz der biologischen

Vielfalt und die nachhaltige Entwicklung.

Barseghian — Die Digitalisierung ist ein großartiges demokratisches

Instrument. Sie ermöglicht uns als Gebietskörperschaft,

die Meinungen und Wünsche der Einwohner

zu unseren Projekten zu sammeln und daraus gemeinsam

eine maßgeschneiderte Politik zu entwickeln. Wir sind

uns jedoch bewusst, dass diese Instrumente für Menschen,

die mit den neuen Technologien nicht vertraut

sind und nicht die Mittel haben, sich damit auszustatten,

auch ausgrenzend wirken können. Die digitale Kluft ist

real, und wir bieten den Menschen viele andere Möglichkeiten,

sich auszudrücken, so etwa mit Workshops oder

Fragebögen in Papierform. Das Internet ist ein großartiges

Werkzeug, aber es ist ein Werkzeug, also muss man

lernen, es zu nutzen, seine Vorteile zu verstehen und Auswüchsen

vorzubeugen.

wurde 1960 geboren

und wuchs im Ort

Holtzheim mit heute

3.700 Einwohnern

an der Grenze zu

Straßburg auf. Die

parteilose Ökonomin

lebt heute noch dort

und ist seit 2014

Bürgermeisterin von

Holtzheim. Im Juli

2020 wurde sie zur

Präsidentin der Straßburger

Eurometropole

gewählt. Das Gremium

ist eine Form der

interkommunalen

Zusammenarbeit der

Stadt Straßburg und

ihrer umliegenden

32 Gemeinden.

Die Kompetenzen der

Ratsdelegierten sind

enorm. Kein Gehsteig,

kein Marktplatz von

Straßburg oder einer

der umliegenden

Gemeinden kann ohne

die Zustimmung des

Rats der Eurometropole

renoviert oder

neugestaltet werden.

Auch keine Firma

kann sich ohne deren

Billigung in einer

Gemeinde ansiedeln.

Zusätzlich hat die

Eurometropole Kompetenzen

in grenzüberschreitenden

Fragen.

62

neuzeit

FRAUENPOWER

neuzeit FRAUENPOWER 63



Laurette Lourenço-Siefert

arbeitete als Journalistin,

als sie erstmals

1976 Franz und Roland

Mack traf. „Es war

die Begegnung eines

starken Vater-Sohn-

Teams. Sohn Roland

führte mich im neuen

und kleinen Schlosspark

herum und

erklärte mir alles, der

Vater stimmte zu, betonte

einiges. Ich war

begeistert und war

mir sicher, dass meine

elsässischen und

Lothringer Leser auch

zustimmen werden.“

1990 übernahm sie

das neu gegründete

„Europa-Park Büro

Frankreich“ in Straßburg

und begeisterte

als Repräsentantin

des Europa-Park mit

vielfältigen Aktionen

abertausende

Franzosen für den

Besuch des deutschen

Freizeitparks.

E

s ist die Anfangszeit des Europa-Park, die neue Freizeitattraktion wird noch

mit Skepsis begleitet. Schlagzeilen wie „Der Pleitegeier schwebt über Rust“

oder „Was geschieht mit der Freizeitruine im badischen Fischerdorf“ gehören

zu den ersten Presseresonanzen auf die Idee der Familie Mack, im badischen

Rust einen Freizeitpark zu bauen. Die Besucherzahlen geben den

Gründern Franz und Roland Mack jedoch recht: 250.000 Besucher kommen 1975, ein

Jahr später bereits 700.000, 1978 folgt die erste Gästemillion.

Zu den ersten Besuchern gehört auch die Journalistin Laurette Lourenço-Siefert aus

Frankreich. Sie ist sofort begeistert. „Seit meinem ersten Bericht 1976 in der regionalen

Fernsehzeitschrift „Est Télé Flash“ habe ich an den Europa-Park geglaubt. An den Park,

die Familie Mack und das europäische Konzept“, erinnert sie sich. Es entwickelte sich

eine ungewöhnliche grenzüberschreitende Beziehung: „Im Laufe der Jahre habe ich

weitere Berichte über den Park geschrieben, mit dem Park Gewinnspiele organisiert

und auch Gruppen, etwa von Menschen mit Behinderung, eingeladen.“ Lourenço-

Siefert wird zu einer Brückenbauerin von Frankreich in den Park: „Mit mir waren auch

unsere Leser bald vom Park überzeugt und kamen damals schon nach Rust.“

Eine visionäre Idee

Aus diesen Anfängen hat sich 1990 das „Europa-Park Büro Frankreich“ mit Sitz in

Straßburg entwickelt. „Als „Est Télé Flash“ nach einem Verkauf nicht mehr erschien

und mein Posten als Chefredakteurin nicht mehr existierte, kam ich gemeinsam mit

Franz, Roland und Jürgen Mack auf die Idee zu diesem Projekt.“ Lourenço-Siefert wurde

zur Frankreich-Repräsentantin des Europa-Park. Das Ziel: den Franzosen den Park

näher zu bringen, Infos auf Französisch zu geben, Grenzen abzubauen – zum Beispiel

auf Messen. „Damals war das eine visionäre Idee. Das französische Disney gab es

noch nicht und in Frankreich existierten nur winzige Parks.“

Heute kommen mehr als eine Million Park-Besucher jedes Jahr aus Frankreich. Seit

1999 gibt es sogar eine öffentliche Buslinie aus der Region „Grand Est“ nach Rust. Und

inzwischen hält der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV am Bahnhof Ringsheim/Europa-Park.

„Meine Landsleute schätzen das Konzept vom Familienbetrieb“,

erklärt Lourenço-Siefert die Begeisterung der Franzosen. „Ein Familienunternehmen

auf so hohem Niveau ist in Frankreich eher selten. Dazu begeistert sie besonders die

große Qualität der Fahrgeschäfte und Shows, die Sauberkeit des Parks, die Details in

der Architektur und die ständigen Neuheiten.“ Laurette Lourenço-Siefert geht nun

in Rente, aber um die Zukunft der besonderen Beziehung zwischen der Familie Mack

und Frankreich ist ihr überhaupt nicht bange „Die Familie Mack hat immer an Frankreich

geglaubt. Für uns bleibt der Park nie stehen, er entwickelt sich immer weiter,

mit derselben erfinderischen Qualität.“

spurensuche

Warum lieben so viele

Franzosen den Europa-Park?

Eine Spur zur Antwort führt zu

Laurette Lourenço-Siefert

„Meine Landsleute schätzen das Konzept vom Familienbetrieb“

64 neuzeit STRASSBURG



M

it Wiesen, kleinen Wäldern und Gebüschen

erstreckt sich das „Grand Ried d’Alsace“ (großes

Ried) zwischen Straßburg und Colmar

wie ein verwunschenes Naturparadies. In diese

Landschaft passt sich das neue Innovationszentrum

von Mack One France auf ebenso naturnahe

wie nachhaltige Weise ein. So bestehen Gebäudeträger

und -fassaden zu rund 80 Prozent aus dem nachwachsenden

Baustoff Holz.

Die Architektur wird von der Natur umarmt, keinesfalls

dominiert sie die Umgebung. Auch Farben und Gebäudehöhe

tragen zu dieser Harmonie bei. „Wir haben das Areal

so bepflanzt, dass sowohl die vorhandene Flora unbeeinträchtigt

geblieben ist, als auch die Tierwelt ganzjährig

Nahrung findet“, erklärt Thomas Renner-Boh, Direktor

Infrastrukturmanagement des Europa-Park. „Es sind auch

Bienenvölker angesiedelt sowie Wildblumen und Kräuter

eingesät worden.“

Die Gebäudetechnik ist ebenfalls nachhaltig. Heizung

und Kühlung werden zu einem großen Teil über eine

Grundwasserwärmepumpe abgedeckt. Eigene Solarmodule

tragen unterstützend zur Stromversorgung bei.

Zahlreiche Bäche und Flüsschen durchziehen das „Grand

Ried“. Mit künstlich angelegten Wasserläufen unterstützt

der Mack-One-Standort die natürlichen Ressourcen. „Wir

haben zusätzliche Wasserflächen generiert, welche ebenfalls

einen Mehrwert für Fauna und Flora darstellen“, betont

Renner-Boh.

début

Wie der Standort von Mack One France naturnah

und nachhaltig in die Umgebung passt

neuzeit ARCHITEKTUR 67



Im Spiegel der Zeiten

Plobsheim und das Elsass – wo Frankreich und Deutschland

miteinander verwoben sind

Die Geschichte

des Kempferhofs

E

s war mal französisch, mal deutsch:

Das Elsass ist besonders eng mit der

deutschen und französischen Geschichte

verflochten. Oft war es Schauplatz

erbitterter Kämpfe. Aber auch schon

immer war das Elsass die offene Tür der Freundschaft

zwischen Deutschland und Frankreich. Seine Kultur,

Wissenschaft und Wirtschaft strahlen weit über die

Oberrheinische Tiefebene hinaus. Es war in Straßburg,

wo Johannes Gutenberg den Buchdruck einführte und

wo die erste Wochenzeitung aus der Druckmaschine

kam. Frédéric Auguste Bartholdi aus Colmar erschuf

die Freiheitsstatue und Ettore Bugatti baute im Elsass

Autos, die zum Mythos geworden sind.

Im Herzen Europas erleben die Menschen heute Baden

und das Elsass immer mehr als gemeinsamen Lebensraum.

Die Herausforderungen von Gegenwart und

Zukunft lassen sich viel besser miteinander bewältigen.

„Die europäische Einheit ist wie ein Impfstoff gegen

Krieg“, hat einmal der berühmte Zeichner und Autor

Tomi Ungerer für die Versöhnung und Kooperation

zwischen Deutschland und Frankreich geworben. Doch

nur wer die Geschichte kennt, versteht die Gegenwart

und ist imstande, die Zukunft zu gestalten.

Facetten der deutsch-französischen Geschichte

In Plobsheim nahe Straßburgs hat die deutsche Unternehmerfamilie

Mack ihren ersten Standort außerhalb

Deutschlands eröffnet. In unmittelbarer Nähe erstreckt

sich eines der schönsten Golfareale Europas: Ein luxuriöses

Anwesen mit einem erstklassigen Golfplatz und

einem Hotel-Restaurant der Spitzenklasse, eingebettet

in eine fantastische Natur – das ist der Kempferhof in

Plobsheim.

Kaum zu glauben, dass dieses feudale Haus einmal ein

Bauernhof war, benannt nach der Straßburger Familie

Kempfer, den früheren Besitzern des Ortes. Weit enger

verbunden ist er jedoch mit dem Namen einer anderen

Familie, den aus dem Périgord stammenden Darteins,

die im 18. Jahrhundert als Leiter der königlichen

Kanonengießerei in Straßburg zu großem Ansehen

gekommen waren. Es war Baron Jules de Dartein, der

im späten 19. Jahrhundert auf dem von seinem Vater

erworbenen Besitz den Kempferhof erbaute und dem

bäuerlichen Gut im Laufe seines Lebens sein repräsentatives,

höchst eigenwilliges Aussehen verlieh.

Die Geschichte des Areals beginnt jedoch schon weit

früher und ist mit der des Dorfes und des Elsass mit

seinen zahlreichen Herrschaftswechseln zwischen

Frankreich und Deutschland verknüpft. Plobsheim war

lange ein Fischerdorf am Rhein, von dem es seit einem

halben Jahrhundert vollständig getrennt ist. Trotz

seiner abgeschiedenen Lage schenkte der Kempferhof

Generationen von Plobsheimern Ansehen und Wohlstand.

Mit vielen Facetten spiegelt sich im Kempferhof

auch die Entwicklung dies- und jenseits des Rheins.

Dies ist seine Geschichte.

ZUSAMMENGETRAGEN

UND VERFASST VON

René Deiber

68 historie name kapitel historie name kapitel

69



Wappen der

Adelsfamilien

Heimburg von

Plobsheim,

Mosung und

Zum Treubel.

Erste Zehntscheune auf dem Gelände der

ehemaligen Herrschaftsfliesenfabrik, später

Kapp-Fliesenfabrik.

(B.N.U.S.)

Kapitel I

Das Dorf

Die erste Tieflandburg

Maria zur Aych –

„Notre-Dame du Chêne“

Das zweite Schloss

Das Dorf

Der Ort Plobsheim liegt 15 Kilometer

südlich von Straßburg an der alten

Straße nach Basel.

Plobsheim wurde erstmals 778

urkundlich erwähnt, anlässlich der

Gründung des Klosters im Nachbardorf

Eschau. Der Straßburger Bischof

Remigius schenkte der Abtei ein

Stück Land, genannt Bladbolshaime.

Im Mittelalter bestand der Weiler

nur aus einigen Bauern- und Fischerhäusern,

durchflossen von mehreren

Bächen, die von den Ill- und Rheinarmen,

Gießen genannt, gespeist wurden.

Die Gegend bestand aus Sümpfen,

Schilfgürteln und Auenwäldern.

Der sehr breite Flusslauf konnte an

zahlreichen flachen Stellen von Insel

zu Insel passiert werden; Brücken

gab es keine. Die Bevölkerung war

alemannischen Ursprungs und lebte

hauptsächlich von der Fischerei und

der Bewirtschaftung ihres Landes,

das diversen Adelsfamilien aus der

Reichsritterschaft des Unterelsass

gehörte, darunter die Familien Heimburg

von Plobsheim, Mosung und

Zum Treubel.

Bis ins 19. Jahrhundert war das

Goldwaschen im Rhein für die Plobsheimer

ein beliebter Nebenerwerb.

Noch im 20. Jahrhundert trug eine

Familie den Namen „Goldwaschers“

(Goldwäscher).

Zwischen Plobsheim und Thumenau

lag das Himmery (Himmelreich), zur

Zeit der Kelten ein heiliger Wald, in

dessen Mitte, neben einer Eiche, eine

druidische Opferstätte lag. Später

wurde der Ort zu einem christlichen

Gebetszentrum, zu dem Gläubige

aus der ganzen Gegend pilgerten.

Ein Marienbild gab ihm den Namen

Maria zur Aych. Im 15. Jahrhundert

wurde die Kapelle „Unsere Liebe Frau

von der Eiche“ errichtet, aus der ein

Kult hervorging, der als die älteste

Marienwallfahrt des Elsass gilt.

Die erste Zehntscheune des Ortes

befand sich vermutlich auf dem

Gelände der ehemaligen herrschaftlichen

Ziegelfabrik, der späteren

Ziegelei Kapp.

70

historie

Kapitel I

historie

Kapitel I

71



Im Jahr 1416 schenkte der römisch-deutsche

König Sigismund

von Luxemburg das Dorf Johann

Zorn von Eckerich. Die Familie, aus

der zahlreiche Stettmeister (Bürgermeister)

von Straßburg hervorgingen,

führte fortan den Namen Zorn

von Plobsheim.

Über zwei Jahrhunderte blieb das

Dorf mit der Familie Zorn verbunden.

1427 trat sie ihre Patronatsrechte

an die Rathsamhausen, Herren

von Wibolsheim, ab, die den Chor

und die Sakristei der heutigen Kirche

erbauen ließen.

Die erste Tieflandburg

Ein Adelsgeschlecht, die Heimburgs

von Plobsheim, errichteten wahrscheinlich

die schlichte Burg, die

an der Straße nach Straßburg lag,

mit Ecktürmen und Wassergraben.

An dieser Stelle, dem so genannten

Ackergarten, baute Jules de Dartein

zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine

Villa, die heute als „Haus von Gail“

bekannt ist (siehe Kapitel VI).

Maria zur Aych –

Notre-Dame Du Chêne

Im Jahr 1454 ließ Adam Zorn im

Süden des Dorfes die oben erwähnte

Kapelle „Unserer Lieben Frau“ von

der Eiche errichten. Wie die Legende

auf den Glasfenstern erzählt, wurde

die Kapelle aufgrund eines Gelübdes

des Ritters Zorn errichtet: Der

Bischof von Straßburg hatte seinem

Adel befohlen, am Krieg gegen

die Armagnacs teilzunehmen, und

während einer Schlacht geriet der

Ritter Zorn in große Lebensgefahr. Er

versprach Maria, für den Fall seiner

Rettung, eine Kapelle zu ihren Ehren

zu errichten.

Adam Zorn wurde verschont und

kehrte nach Kriegsende sicher zu

seiner Familie zurück. Doch die Monate

vergingen und er vergaß sein

Versprechen.

Eines Tages, als er in der Nähe

der alten Eiche auf die Jagd ging,

spannte er seinen Bogen, um einen

Pfeil auf eine Taube zu schießen, die

auf dem Baum saß. Zu seiner großen

Überraschung erschien neben dem

Vogel das Abbild der Jungfrau Maria,

das ihn mit strengem Blick an sein

gebrochenes Versprechen erinnerte.

Adam Zorn fiel auf die Knie und versprach,

sein Gelübde einzulösen.

Im Jahr 1562, zur Zeit der Reformation,

nahmen die Zorns die lutherische

Religion an und alle Einwohner

des Dorfes mussten dies ebenfalls

tun. Der erste lutherische Pfarrer,

Hieronymus Düppel, ließ sich 1577 in

Plobsheim nieder.

Federzeichnung

von

Pierre Nuss,

die das

Wappen

mit den

Plobsheimer

Kleeblättern

und dem

Zorn-Stern

zeigt.

Das zweite Schloss

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts

ersetzten die Zorns das alte Schloss

durch ein neues im Renaissancestil,

das, wenige hundert Meter versetzt,

noch immer an der Straße von Straßburg

nach Basel steht. Es handelt

sich um ein Gebäude mit rechteckigem

Grundriss, flankiert von

einem Erker an der Nordostecke, mit

einem Kanonenloch im Erdgeschoss

und hohen mit Kugeln besetzten

Giebeln.

Zorn von Eckerich,

Rathsamhausen,

Böcklin von Böcklinsau.

(B.N.U.S. nach Lehr und

Neuenstein)

Das Schloss Zorn in den 1950er Jahren. (Coll. R. Deiber)

Originalstatue der

Maria zur Aych.

72 historie Kapitel I (Foto R. Deiber)

historie Kapitel I

73



Kopie der

Schenkungsurkunde

Ludwigs XIV.

für das Dorf

Plobsheim

aus dem

Jahr 1684.

(A.D.B.R.)

Wappen der Familien

Güntzer und Kempfer.

Kapitel II

Haus in Illkirch, in dem

die Stadtverordneten

die Kapitulation der

freien Stadt Straßburg

am 30. September 1681

(Postkarte Coll. R. Deiber)

unterzeichneten.

Neue

Herrschaftsverhältnisse

Neue

Herrschaftsverhältnisse

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648)

hatte schwerwiegende Folgen für

Plobsheim: Am Ende des Krieges war

das Dorf verwüstet, die Bevölkerung

stark dezimiert. Im „Westfälischen

Frieden“ von 1648 wurde dem französischen

König Ludwig XIV. das Elsass

mit Ausnahme der zehn Reichsstädte

(„Dekapolis“) zugesprochen, offiziell

als „Reichsvogtei“. Der König war

mit dieser Situation unzufrieden und

versuchte unablässig, diese Städte in

seinen Besitz zu bringen, insbesondere

Straßburg, den Brückenkopf zum

Deutschen Reich. Im Sommer 1681

zog er 30.000 Soldaten in der Nähe

von Illkirch zusammen.

Am 28. September wurde die Rheinbrücke

besetzt, am 29. September

die Stadt umstellt. In Illkirch empfing

der Kriegsminister Louvois eine Delegation

des Magistrats und befahl,

dass sich die Stadt am 30. September

bis sieben Uhr morgens zu ergeben

hätte, andernfalls würde sie bombardiert.

Der Magistrat beschloss,

sich zu ergeben. In der Kapitulation,

die am selben Tag in Illkirch unterzeichnet

wurde, ließ Ludwig XIV. den

Straßburgern ihre Verfassung und

gewährte ihnen Religionsfreiheit.

Das Münster aber musste den Katholiken

zurückgegeben werden.

Die Übergabe Straßburgs wurde

durch die beiden Honoratioren

Christophe Güntzer und Jean

Nicolas Kempfer befördert. Zum

Dank schenkte ihnen Ludwig XIV.

1684 das Dorf Plobsheim. Die beiden

Schwager (sie hatten die beiden

Schwestern Agnes und Marguerite

Wencker geheiratet) konvertierten

zum Katholizismus, während ihre

Gattinnen ihrem alten Glauben treu

blieben. In Plobsheim änderten sich

die Verhältnisse rasch. Die neuen

Herren warfen die Witwe von Röder,

geborene Zorn, brutal aus ihrem

Schloss, mitsamt ihren kleinen

Kinder.

74 historie kapitel II

historie kapitel II 75



Im Jahr 1687 ließen Christophe

Güntzer und Jean Nicolas Kempfer

eine Sandsteinkartusche mit ihren

Wappen und Initialen über dem

Kachelofen anbringen. Heute ist

die Kartusche in die Nordwand des

Wohnhauses der ehemaligen Ziegelfabrik

eingelassen.

Kupferstich von

Jean Nicolas

Kempfer.

(B.N.U.S.)

In den Jahren 1688 und 1689 ließen

die neuen Herren ein Kataster aller

Häuser, Höfe und Grundstücke des

Dorfes anfertigen. Vermerkt wurden

die Namen der Eigentümer, die Flächen

und die zu zahlenden Jahresmieten.

Die Familie Kempfer besaß

257 Morgen, die Familie Güntzer 381

Morgen.

Jean Nicolas Kempfer wohnte mit

seiner Familie im Schloss Zorn. Sein

Schwager lebte weiterhin in Straßburg

und starb am 11. Dezember

1695. In der Rue de l'Église errichteten

seine Erben 1705 das Herrenhaus

Güntzer.

In der dritten Generation litten

die Nachkommen von Christophe

Güntzer und Jean Nicolas Kempfer

unter den Folgen der Französischen

Revolution: Die Adligen galten als

verdächtig, wurden verfolgt und

verhaftet.

Bei den Güntzers standen Mutter

und Tochter auf der Liste der Verdächtigen,

1792 wurden sie verbannt.

Jean Baptiste Güntzer wanderte

nach Deutschland aus; seine Besitztümer

wurden beschlagnahmt und

verkauft.

Bei den Kempfers wurden die Mutter

und die Töchter ins Gefängnis

geworfen. Der Familienbesitz wurde

nach dem Tod der Witwe zwischen

dem Staat, der Gemeinde Plobsheim

und den Kempfer-Töchtern aufgeteilt.

In Plobsheim erwarb Anne

Victoire de Boistel das Schloss Zorn

nebst weiteren Ländereien und Wäldern,

darunter auch das „Land in der

Kling“, auf dem heute der Kempferhof

steht.

Links ist in dem Relief das

Wappen von Christophe

Güntzer zu erkennen, rechts

das Wappen von Jean Nicolas

Kempfer. In den unteren Ecken

steht die Jahreszahl 1687.

(Foto R. Deiber).

Das 1705 erbaute

Güntzerschloss.

(Coll. R. Deiber)

Auszug aus dem Grundbuch, Katholisches Archiv

Plobsheim. (Foto und Übersetzung von R. Deiber)

76 historie kapitel II

historie kapitel II 77



Jean Baptiste de Dartein

(1719-1781)

Urgroßvater von Jules de Dartein

Kapitel III

Die Familie Dartein

im Elsass

Der aus einer Familie aus Tayac im

Périgord stammende Kommissar

der königlichen Gießereien war der

Sohn von Pierre Dartein und Marie

Pécharry. Er arbeitete in den Marinegießereien

von Toulon und Ruelle im

Angoumois bevor er sich 1761 oder

1762 im Elsass als Generalkommissar

der Artilleriegießereien in Straßburg

niederließ. Für die Dienste seiner

seit 150 Jahren in den königlichen

Gießereien tätigen Familie und

für seine persönlichen Leistungen

wurden ihm 1778 von König Ludwig

XVI. der Adelsbrief und zwei Jahre

später das Kreuz von Saint-Michel

verliehen. Da er auch die päpstliche

Artillerie erneuert hatte, erhielt er

vom Heilige Stuhl die Auszeichnung

des Goldenen Sporns mit dem Titel

eines römischen Grafen. Auch vom

Kanton Solothurn erhielt er 1776

eine Ehrenmedaille. Jean Baptiste

de Dartein starb am 20. April 1781 in

Straßburg und wurde auf dem heute

nicht mehr existierenden Friedhof

von Saint-Pierre-le-Jeune beigesetzt.

Aus seiner Ehe mit Anne Geneviève

Colmont seit dem Jahr 1745 gingen

drei Söhne hervor. Seine Witwe, die

1788 starb, wurde im Chor der Kirche

von Thanvillé beigesetzt.

Jean Felix de Dartein (1747-1788)

und Jean Hermine de Dartein

(1763-1809)

Als ältester Sohn trat Jean Félix

1781 die Nachfolge seines Vaters als

Generalkommissar der Straßburger

Artilleriegießereien an und erwarb

1786 die Baronie Thanvillé . Sein jüngerer

Bruder Jean Hermine, geboren

1763 in Straßburg, war Hauptmann

im Husarenregiment Chamborant

und starb 1809, unverheiratet, in

Straßburg.

Jean Baptiste de Dartein (1719-1781)

Jean Baptiste de

Dartein (1719-1781).

(Privatsammlung)

Die folgenden Biografien der Mitglieder der Familie Dartein sind dem „Dictionnaire de

biographie des hommes célèbres de l'Alsace”, Band 1, von Édouard Sitzmann entnommen.

78 historie Kapitel III

historie Kapitel III 79



Schloss

Kolbsheim im

19. Jahrhundert.

(Ansicht von Julius

Naeher, 1905)

Besitzungen der Familie Dartein

Charles Mathieu Sylvestre de

Dartein (1749-1814)

Großvater von Jules de Dartein

Der einzige Sohn von Jean Baptiste,

der Nachkommen hatte, kam 1749 in

Toulon zur Welt. Er wurde als Jurist

in den Souveränen Rat des Elsass

aufgenommen, bekleidete von 1779

bis 1790 die Würde des königlichen

Präfekten von Sélestat und war 1787

Mitglied der Provinzversammlung

des Elsass. Im selben Jahr heiratete

er in Colmar Rosalie de Salomon,

die Tochter des Generalverwalters

der Domänen und Wälder der

Krone. Nach dem Tod seines älteren

Bruders erwarb Charles Mathieu

Sylvestre die Baronie Thanvillé von

seiner Schwägerin und avancierte

1790 zum Direktor der königlichen

Gießerei in Straßburg.

Sein Amt rettete ihn während der

Schreckensherrschaft nach der

Französischen Revolution – auch

die Republik brauchte schließlich

Kanonen. Später veröffentlichte

der ehemalige Generalkommissar

die „Observations sur les fontes

des bouches à feu“ (1806) und eine

„Elementare Abhandlung über die in

den Gießereien zur Herstellung von

Feuerwerkskörpern verwendeten

Verfahren“ (1810). Charles Mathieu

Sylvestre de Dartein war Mitglied

des Generalrats des Bas-Rhin und

des Präfekturrats. Der frühe Tod

zwei seiner Söhne, Charles Hermine

und Gustave, beschleunigte sein

Ende.

Charles Mathieu Sylvestre

de Dartein und Françoise

Rosalie de Dartein,

geborene de Salomon

(1761-1841).

Die Medaillons wurden

gestochen von Gilles-

Louis Chrétien (1754-

1811), dem Erfinder des

Physionotrace-Apparats,

der die Herstellung von

Porträtzeichnungen

vereinfachte.

(Privatsammlung)

Hôtel de Dartein,

Rue des Charpentiers

in Straßburg.

(Privatsammlung)

Das Schloss von Kolbsheim

1801 kaufte Charles Mathieu Sylvestre

de Dartein von den Erben des

österreichischen Generals Falkenhayn

die Ländereien und das Schloss

von Kolbsheim, etwa 15 Kilometer

südwestlich von Straßburg.

Das Grabmal von Charles Mathieu

Sylvestre de Dartein

Charles Mathieu Sylvestre de Dartein

starb am 24. Oktober 1814 in seinem

Schloss in Kolbsheim.

Aus seiner Ehe gingen sechs Kinder

hervor:

1. 1788, Adelaide, die 1810 den General

Baron de Castex heiratete, ✝ 1856

2. 1789, Charles Hermine, ✝ 1814

3. 1792, Gustave, ✝ 1812

4. 1796, Félix, ✝ 1866

5 und 6. 1799, Theodore, ✝ 1884,

und sein Zwillingsbruder, der wenige

Augenblicke nach der Geburt starb.

Das Schloss von

Thanvillé (Zeichnung

von Jules de

Dartein, 1859).

(Privatsammlung)

Das Hôtel de Dartein

(ehemaliges Hotel von Christine von

Sachsen)

Im Jahr 1807 erwarb Charles Mathieu

Sylvestre de Dartein in Straßburg

den ehemaligen Böckelshof der Prinzessin

Christine von Sachsen in der

Rue des Charpentiers 17, Straßburg.

Das Schloss von Thanvillé

Um 1800 ließ Charles Mathieu

Sylvestre de Dartein das Dach des

demolierten Schlosses von Thanvillé,

das er nach dem Tod seines Bruders

Jean Félix im Jahr 1788 gekauft hatte,

wieder aufbauen.

Burg Bernstein

Die Burg Bernstein auf den Höhen

von Dambach-la-Ville, eine der ältesten

Burgen im Elsass, deren erste

Erwähnung bis zum Anfang des 11.

Jahrhunderts zurückreicht, wechselte

im 15. Jahrhundert mehrmals ihren

Besitzer und wurde Ende des 16.

Jahrhunderts von den Straßburger

Bischöfen aufgegeben. 1632 wurde

sie von den Schweden geplündert,

während der Revolution wurden

Teile der Burg abgerissen. 1822 erwarb

Felix de Dartein die Ruine mit

dem umliegenden Staatswald. Das

Wächterhaus wurde restauriert und

diente viele Jahre lang als Feriendomizil

für Felix, seine Frau und ihre

Kinder, bevor der gesamte Komplex

1861 verkauft wurde.

80 historie Kapitel III

historie

Kapitel III

81



Die Familie Félix de Dartein im Jahr 1865.

Oben, von links nach rechts: Virginie, Jules, Félix, Gustave und Charles.

Unten, von links nach rechts: Cécile, Émilie, Henri und Marie.

Auszug aus dem Tagebuch von Cécile de Dartein, veröffentlicht von Jean N. D. Escande.

(Privatsammlung)

82 historie Kapitel III

historie Kapitel III 83



Die Eltern von

Jules de Dartein

Félix de Dartein

Geboren am 16. Juni 1796 in Straßburg,

wurde er 1817 in den königlichen

Hof von Paris aufgenommen

und half seiner Mutter bei der

Verwaltung ihrer Güter in Thanvillé

und Kolbsheim. Im Jahr 1826 wurde

er Unterpräfekt von Lavaur (Tarn)

und 1829 von Sarrebourg (Mosel).

1837 kaufte er 46 Hektar Wald in

Plobsheim und erweiterte diesen

Besitz im Laufe der Jahre durch

Tausch und Kauf. Zuletzt Generalrat

des Bas-Rhin im Kanton Villé, zog

er sich nach dem Staatsstreich von

Louis-Napoléon Bonaparte gegen

das Parlament vom Dezember 1851

aus dem politischen Leben zurück

und widmete sich historischen und

agrarwissenschaftlichen Arbeiten.

Aquarell von

Félix de Dartein.

(Privatsammlung)

Aquarell von

Emilie de Dartein,

geborene Hamart.

(Privatsammlung)

Emilie Hamart

Die Tochter eines Artillerieobersts

aus einer bretonischen Familie, die

im 18. Jahrhundert in Lothringen

ansässig war, heiratete 1835 Félix de

Dartein; sie starb 1882 in Straßburg

und ist auf dem Friedhof von Thanvillé

neben ihrem Mann begraben,

der in Bad Kreuznach (Deutschland)

starb, wohin ihn der Arzt zur Kur

geschickt hatte.

84 historie Kapitel III

historie Kapitel III 85



Die Kinder von Félix de Dartein

1) Charles de Dartein (1836-1882)

Er trat im Alter von 17 Jahren in die Militärschule Saint-Cyr ein, wurde 1855

Unterleutnant, nahm 1859 am Italienfeldzug unter Napoleon III. teil und

wurde nach der Schlacht von Magenta zum Leutnant ernannt. Im Jahr 1861

heiratete er Caroline Palle, geboren 1841. Nach der Niederlage bei Sedan 1870

im Deutsch-Französischen Krieg wurde er in Magdeburg interniert. Nach

seiner Entlassung verließ er Frankreich und ging nach Algerien. 1880 wurde er

mit dem Ritterkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet. Der Erfinder eines Propellerrevolvers

und Autor von Artikeln in diversen Militärzeitschriften starb

1882 in Marseille im Alter von 46 Jahren an einer Kehlkopfentzündung, die er

sich in Algerien zugezogen hatte. Er ist auf dem Friedhof von Thanvillé in der

Nähe seiner Eltern begraben.

Aus seiner Ehe gingen hervor:

1. 1868, Félix: verheiratet 1903 mit Berthe Espinasse, er hatte eine Tochter,

Isaure (geboren 1904), die 1928 in Lyon Roger de Montalembert de Cers

heiratete; ihre Tochter Henriette, geboren 1929, heiratete im Dezember

1947 Philippe de Gaulle, den Sohn des Generals. Félix, der 1947 starb, ist in

Lyon begraben.

2. 1879, Élisabeth: geboren in Salon-de-Provence (Bouches-du-Rhône), sie

starb 1937 in Plobsheim und wurde in Thanvillé begraben.

3. 1881, Louis: geboren in Médéa (Algerien), war er von 1919 bis 1923 Pfarrer

von Colroy-la-Roche, dann Tutor des Grafen von Paris und veröffentlichte

vor dem Zweiten Weltkrieg mehrere Biografien seiner Vorfahren, die

online eingesehen werden können (gallica.fr). Er starb 1949 in Straßburg

und ist in Thanvillé begraben.

2) Gustave de Dartein (1837-1913)

Er studierte Jura in Straßburg und wurde 1857 Rechtsanwalt. Nach drei

Jahren in Paris kehrte er 1862 mit einem Doktortitel zurück, trat aber 1865 in

das Straßburger Priesterseminar ein und wurde 1868 zum Priester geweiht.

Nachdem er als einer der vier französischen Stenographen am Vatikanischen

Konzil (1869-1870) teilgenommen hatte, war er Kaplan bei den Francs-Tireurs

(Freischärlern) des Haut-Rhin (1870-1871). Von 1871 bis 1873 war er Privatsekretär

des Bischofs Raess von Straßburg, Geschichtslehrer am Petit Séminaire

in Straßburg und von 1874 bis 1883 am Maison des Étudiants (École Saint-Sigisbert)

in Nancy. Als sich seine Schützlinge bei Erreichen der Volljährigkeit

alle für Frankreich entschieden hatten, wurde er 1901 Benediktinermönch

und widmete seine letzten Jahre der Lehre des kanonischen Rechts, bevor er

1913 in der Abtei von Chèvetogne in Belgien starb und auf dem Dorffriedhof

beigesetzt wurde.

3) Jules de Dartein (1839-1928)

Nach seinem Abschluss an der Ecole Centrale im Jahr 1862 wurde er Ingenieur

bei den Arts et Manufactures und arbeitete zunächst bei der Compagnie des

Chemins de Fer du réseau Paris-Orléans, verließ diese Stelle jedoch bald, um

ins Elsass zurückzukehren, wo er seinem kranken Vater beistand. Dieser hatte

1837 in Plobsheim Ackerland und Wälder gekauft, die vormals größtenteils im

Besitz der Familie Kempfer waren. Von 1863 bis zu seinem Tod 1928 widmete

sich Jules der Bewirtschaftung des Grundbesitzes, den er und sein jüngerer

Bruder Henri zunächst gemeinschaftlich besaßen.

4) Marie de Dartein, Ehefrau von Charles de Gail (1841-1926)

Geboren in Neuhof, einem Vorort von Straßburg, wo ihr Vater damals ein

Anwesen besaß, heiratete sie 1867 Baron Charles de Gail von Mulhausen.

Aus dieser Ehe gingen hervor:

1. 1868, Marie-Antoinette (✝ im Jahr 1912), Nonne

2. 1869, Cécile (✝ 1947), verheiratet mit Maurice Barthélemy

3. 1874, Henri, (✝ 1945), begraben auf dem Friedhof von Plobsheim

4. 1878, Martha (✝ im Jahr 1928), blieb ledig

5. 1879, Jeanne (✝ 1881)

6. 1882, André (✝ im Jahr 1945).

5) Virginie de Dartein, Ehefrau Zurcher (1842-1905)

Im Jahr 1872 heiratete sie Alfred Zurcher, einen Fabrikanten in Cernay (Haut-

Rhin).

Aus dieser Ehe gingen hervor:

1. 1877, Étienne (✝ im Jahr 1924)

2. 1879, Anne-Marie, (✝ im Jahr 1958)

3. 1881, Gustave (✝ 1897).

6) Henri de Dartein (1846-1912)

Geboren in Straßburg, wurde er 1870 als Anwalt zugelassen, hat aber nie

praktiziert: Er war Präfekturrat in Belfort (1871) und Lons-le-Saunier (1878);

1879 wurde er aus der Anwaltschaft entlassen und heiratete im selben Jahr in

Longwy (Meurthe-et-Moselle) Marie Legendre, mit der er elf Kinder hatte.

Aus seiner Ehe gingen hervor:

1. 1880, Marie-Thérèse (✝ im Jahr 1913), ohne Nachkommen

2. 1882, Jean (✝ 1886 an Meningitis erkrankt und auf dem Kempferhof begraben)

3. 1883, Françoise, die 1905 Madame Georges de Hédouville wurde (✝ 1972),

mit Nachkommen

4. 1884, Louise (✝ im Jahr 1901), ohne Nachkommen

5. 1885, ein totgeborener Junge

6. 1887, Jeanne, verheiratet 1912 mit Raymond de Puisieux

7. 1889, Monique (✝ im Jahr 1972), keine Nachkommenschaft

8. 1891, Joseph (✝ im Jahr 1952), ledig geblieben

9. 1893, Katharina (✝ 1942), Nonne

10. 1895, Marguerite-Marie (✝ im Jahr 1979), blieb ledig

11. 1897, Charles, Totgeburt.

7) Cécile de Dartein (1848-1913)

Während der Belagerung von Straßburg im Jahr 1870 führte Cécile ein

Tagebuch für ihre Schwester Marie.

Auf dem nebenstehenden Aquarell aus dem Jahr 1873 ist sie 25 Jahre alt;

sie heiratete nicht und kümmerte sich um ihre Mutter und ihre vielen

Nichten und Neffen.

Die Porträts 1 bis 6 stammen aus dem Familienalbum von Félix de Dartein aus dem Jahr 1865. Porträt 7: Privatsammlung.

86 historie Kapitel III

historie Kapitel III 87



Unveröffentlichte

Vignette aus dem

„Comicstrip“, den Jules

de Dartein im Alter von

15 Jahren gezeichnet hat.

(Privatsammlung)

Jules Reise von Straßburg nach

Dambach im Jahr 1854

Wir wissen von dieser Reise durch den Historiker Jean N.

D. Escande, der sie 1982 in einem Artikel in der „Annuaire

de la Société d'Histoire et d'Archéologie de Dambach-la-Ville.Barr.Obernai“

(Nr. 16) beschrieben hat:

Im Alter von 15 Jahren übersetzte Jules de Dartein eine

Reise von Straßburg nach Dambach im Jahr 1854 in einen

Comic, anlässlich eines Urlaubs, den er auf Schloss Bernstein

verbringen wollte.

Er sagt nicht, welche Route die Kutsche nahm, aber es

dauerte zwei volle Tage, um etwa 50 Kilometer zurückzulegen,

mit vielen Kurven und Wendungen!

In den Erinnerungen von Françoise de Dartein, der Nichte

von Jules, heißt es, dass Jules „wie seine ganze Familie

ein bemerkenswertes Talent zum Zeichnen hatte”. Seine

Tuschezeichnungen hatten eine ganz besondere Note.

Er besaß seinen eigenen Stil und seine eigenen Sujets

und bot seinen Besuchern gerne gezeichnete Souvenirs

von ihrem Aufenthalt auf dem Kempferhof an.

In der Tat zeichnete Jules de Dartein von seiner Jugend

bis ins hohe Alter gerne; der oben erwähnte „Comic”,

der auf den folgenden Seiten wiedergegeben wird, kann

sogar durch eine bisher unveröffentlichte Vignette

ergänzt werden.

88 historie Kapitel III historie Kapitel III 89



90 historie Kapitel III historie Kapitel III

91



Kapitel IV

Der Nachlass wird zum

„Kempferhof“

Die letzte Bewohnerin des Renaissance-Schlosses

Zorn-Kempfer,

Madame de Boistel, war 1831 verstorben.

Ihre Erbin, die Marquise de

Rancy, bot der Gemeinde Plobsheim

an, das Schloss zu verkaufen, was

1836 für 25.000 Francs geschah.

Das Gebäude wurde zur konfessionell

getrennten Dorfschule. Im Jahr

1837 erhielt Félix de Dartein die Gelegenheit,

von der Marquise de Rancy

auch die Ländereien und Wälder des

Kempfer-Gutes zu kaufen, ein

46 Hektar großer Komplex, der sich,

etwas abgelegen, im östlichen Ortsteil

Kling befand.

Hier schuf sein Sohn Jules den

Kempferhof, benannt nach den

früheren Besitzern des Terrains, der

Straßburger Adelsfamilie Kempfer.

1866: Jules und Henri de

Dartein als Miteigentümer des

Plobsheimer Landes

Als Félix de Dartein 1866 starb, hinterließ

er den in Plobsheim erworbene

Landbesitz seinen beiden Söhnen

Jules, 27, und Henri, 20 Jahre alt.

Als junger Ingenieur der Arts et

Manufactures war Jules 1863 ins

Elsass zurückgekehrt. Er arbeitete

eine Zeit lang an hydraulischen

Maschinen, um einen Teil des Landes

in Plobsheim künstlich bewässern zu

können.

Der gelernte Jurist Henri trat 1871

in die Verwaltung ein und ließ

sich nach seiner Heirat mit Marie

Legendre im Jahr 1879 in Lothringen

nieder, zunächst in Longwy, der Heimatstadt

seiner Frau, dann in Nancy.

Eine seiner Töchter, Françoise, heiratete

Baron Georges de Hédouville.

Ab 1946 verfasste sie ihre Kindheitserinnerungen,

in denen sowohl Jules

als auch Henri de Dartein erwähnt

werden.

Jules de Dartein,

24-jährig.

(Privatsammlung)

Henri de Dartein,

im Alter von 24

Jahren, in seiner

unkonventionellen

Aufmachung

aus dem Haut-

Rhin, mit einem

Crimper-Gewehr.

(Privatsammlung)

Der Nachlass

wird zum

„Kempferhof“

Zeichnung (anonym), den

Beginn der Rede illustrierend,

die Abbé Charles de

Hombourg, Pfarrer von

Lièpvre, ehemaliger Direktor

des freien Kollegs von St.

Arbogast, zu Beginn des

Hochzeitsmahls hielt.

(Dok. B.N.F. / Gallica)

Die Daten 11. November

1861 und 11. November 1867

nehmen Bezug auf die

Hochzeiten von Charles, dem

ältesten der Geschwister, und

der Schwester Marie.

Heirat von Jules de Dartein

Jules de Dartein heiratete am

11. November 1868 Anne Marie

Stricker, die Tochter eines Färbers aus

Sainte-Marie-aux-Mines. Während

er und Marie in Straßburg im Haus

der Familie in der Rue des Charpentiers

wohnten, vergrößerte Jules

nach und nach seinen Besitz, indem

er zusammen mit seinem Schwager

Alfred Zurcher Land in der Gemarkung

Schafsteg kaufte, das nur

durch eine Furt erreichbar war.

Anne Marie

Stricker,

unbestimmtes

Datum.

(Privatsammlung)

Karte von 1908, in deutscher Sprache.

Der rote Kreis zeigt die Lage des Kempferhofs zwischen dem Dorf und dem Rhein,

und das grüne Oval zeigt das Grundstück des Schafstegs, das später erworben wurde.

92 historie Kapitel IV

Die Rheinkorrektur wurde ab 1840 durchgeführt. (Coll. R. Deiber)

historie Kapitel IV 93



Kirchen-Entwürfe von

Jules Dartein

Erste Version:

Ende des 18. Jahrhunderts lebte ein

Bauer, Jacob Heller, auf der Insel des

Schafstegs, die er von den Kempfers

gepachtet hatte. Diese „Cense“

(isolierter Bauernhof), nur mit dem

Boot erreichbar, ist noch auf der

Cassini-Karte (oben) eingezeichnet.

Im 19. Jahrhundert wurde der Hof

jedoch von einem Rheinhochwasser

weggespült. Jules de Dartein kam

oft zur Jagd auf die Insel, auf der er

ein Jagdhaus hatte.

Der Kauf der Kapelle

„Notre-Dame du Chêne“ durch

Félix de Dartein

In Anerkennung dieser Schenkung

wurde 1937 eine Sandsteintafel an

der Pilgerunterkunft angebracht:

Das Wappen der Darteins ist mit

dem der Zorns, den Erbauern der

Kapelle, verbunden.

Details des Bauernhofs

Schafsteg

(Geometrische Karte

von Frankreich,

bekannt als die

„Cassini-Karte“)

Plakette aus dem Jahr 1937

von Pierre Nuss aus Straßburg,

Bildhauer, Architekt,

Zeichner und glühender

Verehrer der Kapelle

„Notre-Dame du Chêne“.

(Foto R. Deiber)

Die Wappen von Zorn und

Dartein Seite an Seite in den

Wurzeln der Eiche von

„Notre-Dame du Chêne“.

(Die Farben der Emaillen entsprechen

nicht denen, die allgemein für

die Wappen der beiden Familien

verwendet werden)

Wie sein Vater leistete auch Jules

de Dartein seinen Beitrag zum

Dorfleben. Nach der Kapitulation

von Straßburg im Jahr 1681 und der

Wiedereinführung des katholischen

Gottesdienstes in Plobsheim wurde

die Koexistenz mit der evangelischen

Religion nur langsam hergestellt;

erst seit 1776 war das neue

katholische Pfarrhaus besetzt. Die

gemeinsame Nutzung der Kirche

war für beide Seiten nicht immer

einfach, sodass die Plobsheimer

Katholiken ab 1886 den Bau einer

eigenen Kirche planten. Zwischen

1889 und 1890 gab Jules de Dartein,

der Besitzer des Meyerhofs (am

Standort der ersten mittelalterlichen

Burg), drei verschiedene Entwürfe

für eine Kirche in Auftrag, die auf

seinem Grundstück errichtet werden

sollte. Als Architekt war Heinrich

de Barr vorgesehen, wie aus den

Archiven der katholischen Gemeinde

hervorgeht.

Zweite Version:

Im Jahr 1866 erfuhr Félix de Dartein,

der bereits sehr krank war,

dass die katholische Gemeinde von

Plobsheim 2.000 Francs für den

Rückkauf der Kapelle „Notre-Dame

du Chêne“ aufwenden müsste, und

ließ die Hälfte dieser Summe an den

Gemeinderat überweisen.

(Katholisches Archiv von Plobsheim)

94 historie Kapitel IV historie Kapitel IV

95



Dritte Version:

Der Brückenbauer

Jules de Dartein war Ingenieur und

verstand es schon Ende des 19. Jahrhunderts,

die moderne Stahlbetontechnik

zur Anwendung zu bringen.

Die Straße, die sein Anwesen in Richtung

Osten zum Rheinwald durchquerte,

ließ er auf eigene Kosten

bauen. Außerdem schuf er die kleine

Brücke über den Bach, der sein Land

durchfloss. Dies brachte großen Nutzen

für die Bewohner des Hofes von

Michel Schneider und alle, die zur

Arbeit in den Rheinwald mussten.

Die Lirsandbrücke

Diese dritte Version wurde angenommen.

Das Projekt belief sich

auf 33.000 Mark; die katholische

Gemeinde sollte 4.000 Mark, Jules

de Dartein 16.000 Mark spenden.

Die Restsumme war jedoch nicht

aufzutreiben. Schließlich wurde

beschlossen, eine neue Kirche nicht

für die Katholiken, sondern für die

Protestanten, zu bauen, und zwar

auf einem von den Katholiken zur

Verfügung gestellten Grundstück

an der Kreuzung der Hauptstraße

(der heutigen Rue du Général

Leclerc) und der Rue de l'Église.

Mit dem Bau dieser Kirche wurden

die Architekten Haug und Brion

betraut; am 14. August 1898 wurde

sie eingeweiht.

Jules de Dartein beteiligt sich dann

an der Restaurierung der katholischen

Kirche.

Als die alte Kirche wieder katholisch

wurde, mussten zahlreiche Veränderungen

vorgenommen werden.

Die kleine Johannesglocke, die noch

heute im Turm hängt, sowie die mittelgroße

Glocke wurden durch Jules

de Dartein gesponsert.

Er war es auch, der die Jesus-Statue

stiftete. Als Anerkennung für seine

beträchtlichen Spenden wurden für

seine Familie in der Kirche zwei

Ehrenbänke aufgestellt, deren Skulpturenschmuck

er selbst angefertigt

hat.

Neue evangelische Kirche

von 1898: Zeichnung eines

Vorprojekts, veröffentlicht in

der Süddeutschen Bauzeitung.

(coll. R. Deiber)

Vorentwurf für den Bau der

Sakristei in der katholischen

Kirche.

(Katholische Kirchengemeinde

Plobsheim)

Um zum Staudamm Hautes Eaux zu

gelangen, musste man über einen

kleinen Bach, der entlang des Staudamms

floss.

1854 hatte die Gemeinde Plobsheim

an dieser Stelle eine Brücke errichtet,

die baufällig geworden war. Jules de

Dartein baute sie 1899 in moderner

Betontechnik wieder auf.

An die alte Brücke erinnert das

Wappen von Plobsheim über dem

nördlichen Bogen unter der Jahreszahl

1854.

Am südlichen Bogen befindet sich

sein eigenes Wappen im Schlussstein:

das D von Dartein verschränkt

mit einem Pfeil, darüber die Jahreszahl

1899. Beide Wappen sind

moderne Betonabgüsse.

(Fotos R. Deiber)

96 historie Kapitel IV

historie Kapitel IV 97



Die Bauten des

Kempferhofs

Auf dem 46 Hektar großen Anwesen,

das Félix de Dartein 1837

gekauft hatte, existierten zunächst

keine Gebäude.

Die Familie nutzte es als Jagdgebiet.

Zu diesem Zweck wurde in der Nähe

des Mühlgießens ein kleines Haus als

Unterstand gebaut. Nach dem Tod

seines Vaters baute Jules de Dartein

das Gelände nach und nach aus,

erweiterte und veränderte es nach

eigenen Plänen. Im Laufe von mehr

als 60 Jahren entstand so der außergewöhnliche

Gebäudekomplex, den

wir heute als Kempferhof kennen.

In Ermangelung schriftlicher Informationen

kann die Entwicklung der

Gebäude anhand von Zeichnungen

und Fotos nachvollzogen werden.

Kapitel V

Die Bauten des

Kempferhofs

1873: Das Wohnhaus wird

fertiggestellt

Auf der nebenstehenden Zeichnung

fehlen noch der dreistöckige Turm

im Südwesten, der große Saal im

Nordwesten, die Wirtschaftsgebäude

sowie die Kapelle.

Diese Zeichnung zeigt das Haus, wie

es ursprünglich war. Außerdem ist

neben dem Haus ein Anlehnungsbau

zu sehen, der als Wirtschaftsgebäude

genutzt und später erweitert

wurde. Ein weiteres kleines Gebäude

diente wahrscheinlich für landwirtschaftliche

Zwecke oder als Dienstwohnung.

Zeichnung von Jules de Dartein aus dem Jahr 1873. (Privatsammlung)

98 historie Kapitel V

historie Kapitel V 99



Foto des Hauses

nach 1883,

mit der Kapelle

auf der rechten

Seite.

(Privatsammlung)

1884: Die Kapelle wird

eingeweiht

Das untere Foto zeigt das Haus mit

der neuen Kapelle, deren Einweihung

1884 erfolgte. Den Turm gab es

noch nicht.

Erkennbar ist auch, dass die Giebelund

die Dachrinnenwände im zweiten

Stock mit Holz verkleidet waren.

Später wurde dies durch ein leicht

gekehltes Backsteinmauerwerk

ersetzt. Außerdem sind die Fenster

erweitert worden.

Die Dächer des Kempferhofs

Die Dächer des Kempferhofs zeigen die Komplexität der Konstruktion nach

dem Umbau des ersten Hauses im Jahr 1873 (markiert durch die gestrichelte

Linie): Der Turm wurde in der Mitte der Giebelseite des Hauses mit einem

Verbindungsbau angefügt und die nordwestliche Fassade des Hauses von

zwei zweigeschossigen Gebäuden mit Giebeln flankiert, die durch einen

zurückgesetzten Bereich getrennt sind. Später – wann genau, lässt sich nicht

mehr ermitteln – kam das große Salongebäude mit einem Verbindungsgang

und einer Kutscheneinfahrt hinzu.

1894: Der dreistöckige Turm

Am 30. Januar 1894 schrieb Fernand

de Dartein an seinen Cousin Henri

einen Brief, in dem er den Turm

erwähnte: „Ich bin weit davon entfernt,

den Plan des Hauses von Jules

zu billigen“, schrieb er, „aber ich muss

sagen, dass der Turm reizvoll ist.“

Viereinhalb Jahre später malte er das

nebenstehende Aquarell (Privatsammlung).

Es ist im Wesentlichen die gleiche

Ansicht, wie auf einer Karte, die

Henri de Gail (Jules' Neffe) 1900 an

seine Tante Anne Marie schickte.

Rückseite der

Karte vom 16.

März 1900.

(Coll. R. Deiber)

Karte gezeichnet nach „Google Earth Pro“. (R. Deiber)

100 historie Kapitel V

101



Die Gebäude heute

Das höchste Gebäude auf dem

Kempferhof ist der dreistöckige

Turm. Angeblich ließ Julius de

Dartein ihn um ein Stockwerk

erhöhen, um den Berg St. Odile

in den Vogesen sehen zu können.

Unten: links die Terrasse des Restaurants

vor einem alten Wirtschaftstrakt;

rechts der Teil des Hauses, in

dem sich im ersten Stock der „große

Salon“ befand, in dem Jules und

Anne Marie de Dartein zwei Sessel

aufgestellt hatten, von denen aus sie

an klaren Tagen den Turm des Straßburger

Münsters sehen und abends

der Zehnerglocke lauschen konnten.

Oben: links das Haus;

die Einfahrt führt

zum Ausgang des Hofes,

dem Kutschentor.

Links: Südwestecke

des „Grand

Salon“-Gebäudes: Ein

mit Kragsteinen versehener

Wachturm

mit einer blinden

Arkatur ziert diese

Fassade.

Rechts: Auf der Südseite

befindet sich ein

Durchgang zwischen

dem Haus und dem

Gebäude des „großen

Salons“, der den

Eindruck eines Wachhauses

über einer

Zugbrücke erweckt:

ein Kutschentor.

Die durchbrochenen

Wappenpfeiler auf

beiden Seiten des

Zwillingsfensters erinnern

an mittelalterliche

Schießscharten.

102 historie Kapitel V historie Kapitel V 103



Oben: großes, in

Hochrelief geschnitztes

Motiv, das den

Firstbalken ziert. Am

unteren Rand ein Pfeil

mit zwei Spitzen.

Womöglich eine Anspielung

auf den Doppelbesitz

des Kempferhofs

durch Jules

und Henri de Dartein.

Die ornamentierten

Dachziegeln bestehen

aus Terrakotta.

Unten: Nordwestfassade

des Gebäudes

der „Großen Kammer“.

(Fotos R. Deiber)

Oben: Kutscheneinfahrt

zum Bauernhaus;

links die

Haustür.

Unten: Hinter dem

Tor befinden sich das

Haus des Verwalters

und die Witschaftsgebäude,

in denen heute

Hotelzimmer und ein

Restaurant untergebracht

sind.

104 historie Kapitel V historie Kapitel V 105



Zeichnungen

von Jules de

Dartein aus

dem Jahr

1915. (Privatsammlung)

Aktuelle

Fotos.

(R. Deiber)

Fast 30 Jahre Arbeit

Der 1894 fertiggestellte dreistöckige

Turm war eines der letzten Gebäude

von Jules de Dartein, der ein Wappen

mit der Jahreszahl 1869 an der Spitze

des Firstbalkens anbrachte. Direkt

darunter befindet sich ein Monogramm

mit den ineinander verschlungenen

Initialen J und D.

Es scheint, dass Jules de Dartein mit

der Jahreszahl 1869 an den Beginn

der Bauarbeiten am Kempferhof

erinnern wollte, die durch den

französisch-preußischen Krieg 1870

unterbrochen wurden. Die Situation

war für alle Bewohner des Elsass prekär,

deren Staatsangehörigkeit mit

dem Vertrag von Frankfurt am

10. Mai 1871 von französisch zu

deutsch wechselte. Für viele bedeutete

dies, sich zu entscheiden: weggehen

und alles hinter sich lassen

oder bleiben und sich mit den neuen

Herren arrangieren. Um seinen Besitz

nicht zu verlieren, stimmte Jules

de Dartein widerwillig zu, Deutscher

zu werden, auch wenn er im Herzen

Franzose blieb, und er beschloss,

sein Haus weiter zu bauen, das 1873

fertiggestellt wurde, wie auf seiner

Zeichnung zu sehen ist.

Die Spitze

des dreistöckigen

Turms.

Änderungen an den Gebäuden des Kempferhofs

Vergleichen Sie die Bilder auf der

linken und rechten Seite:

Welche Unterschiede gibt es?

Antworten:

Über dem Durchgang zwischen dem

Haus und dem „großen Saal“ befindet

sich jetzt ein Anbau mit Doppelfenster,

und der „Thronsaal“-Bau hat

eine Dachgaube.

Außerdem wurde bei dem Gebäude

rechts oberhalb der lombardischen

Bänder das Dach, das in Höhe der

Dachrinne flach war, um einen

Giebel erhöht. Diese Änderungen

wurden 1998 vorgenommen, als der

Kempferhof in ein Hotel umgewandelt

wurde, um die Anzahl der

verfügbaren Zimmer zu erhöhen.

Eine weitere wichtige Veränderung:

Zwischen dem Turm und dem Haus

befand sich ein einstöckiges Gebäude,

das heute nicht mehr existiert.

An seiner Stelle sind rote Ziegelsteine

zu sehen, die sich ursprünglich

im Inneren des Gebäudes befanden.

Es ist wahrscheinlich, dass dieses

Gebäude während des letzten

Krieges verschwand, als der Kempferhof

vom Direktor der Zuckerfabrik

Erstein bewohnt wurde.

106 historie Kapitel V historie Kapitel V 107



Prüfung der Datierung

von Gebäuden

Am Eingang der Kapelle sind drei

Jahreszahlen in den Boden eingemauert

sowie ein Pfeil, der auf den

Altar weist.

Das Datum 1873 kann als das Ende

des Baus des Hauses angesehen

werden, während das Datum 1883

das Ende des Kapellenbaus bezeichnet.

Ein kürzlich in den Familienarchiven

entdecktes Dokument

enthält die genauen Baudaten: Die

Arbeiten dauerten von 1882 bis 1883,

die offizielle Einweihung fand 1884

statt.

Warum aber die Jahreszahl 1675?

Zu dieser Zeit gab es bekanntlich

noch keine Gebäude an diesem

Platz, die Zorns waren noch die

Herren des Dorfes. Vielleicht gibt es

eine Erklärung, die mit der Schalkhaftigkeit

von Jules de Dartein

zusammenhängt, der wie seine

gesamte Familie sehr patriotisch

war. 1870 verlor Frankreich den Krieg

gegen Preußen. Elsass und Teile

Lothringens wurden an die Sieger

abgetreten und damit für lange Zeit

(bis 1918) deutsch. Viele empfanden

dies als starke Demütigung.

Jules de Dartein wollte möglicherweise

daran erinnern, dass zwei

Jahrhunderte zuvor, am 5. Januar

1675, Marschall Turenne, Befehlshaber

der Armee Ludwigs XIV., die

Kaiserlichen bei Turckheim besiegt

hatte. Die Armee von Friedrich

Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg,

musste sich über den Rhein zurückziehen.

Ein Sieg Frankreichs über

Deutschland.

Die Erwähnung dieses Datums im

Zementboden seiner Kapelle könnte

durchaus eine schelmische Anspielung

von Jules de Dartein gegenüber

den deutschen Behörden sein. Damit

zeigte er auf diskrete Weise seinen

Patriotismus. In Turckheim, im Haut-

Rhin, hatte Marschall Turenne die

Kaiserlichen durch das Obertor angegriffen

und die Stadt eingenommen.

Zum Gedenken an diesen Sieg wurde

hier ein Obelisk errichtet.

Eine andere mögliche Erklärung für

die Jahreszahl 1675: In jenem Jahr erschien

der Nonne Marguerite Marie

Alacoque in Paray-le-Monial Jesus.

Jules und Marie de Dartein unternahmen

eine Pilgerreise dorthin und

weihten ihre Kapelle auf dem Kempferhof

dem Heiligsten Herzen Jesu.

Die Kempferhof-Kapelle

Nach seiner Pilgerreise entwarf Jules de Dartein

die Pläne für die neoromanische Kapelle mit

ihren Rundbögen und lombardischen Bändern.

Die schlichte, aber kunstvolle Verwendung von

rosafarbenen Ziegeln verleiht der Kapelle ein

bescheidenes Aussehen, erzielt aber gleichzeitig

die gewünschte ästhetische Wirkung.

Der Chor der Kapelle ist nach Südosten ausgerichtet

und hat einen U-förmigen basilikalen

Grundriss. Die oberen Wände des Langschiffs

sind mit kleinen Oculi, die Seitenschiffe mit

Blendarkaden geschmückt.

Ansicht von der Nord-Ost-Seite.

Obelisk zur Erinnerung an den Sieg

von Turenne.

Ansicht von der Südwestseite; auf dem Dach

ist ein steinerner Glockenturm zu sehen.

Entwurf des Schreibens von Jules de

Dartein an den Bischof von Straßburg

vom 1. September 1882: In diesem

Schreiben bittet Jules de Dartein um

die Erlaubnis zum Bau einer Kapelle auf

dem Kempferhof.

(Privatsammlung)

108 historie Kapitel V

historie

name kapitel

109



Die Attribute des

Heiligsten Herzens

Die dekorativen Elemente dieser

Kapelle, die dem Heiligsten

Herzen gewidmet ist, sind an der

Außenseite zu sehen: Über der

Eingangstür die Dornenkrone,

dargestellt durch eine Girlande

ineinandergreifender Ziegel. Laut

François-Régis de Gail hat Jules de

Dartein sie selbst angebracht.

In der Wand über der Tür erhellt

ein Glasfenster in Form eines

Herzens den Eingang, und direkt

darüber, auf dem Dachfirst, ist

ein von Flammen umzüngeltes

Sandsteinkreuz zu sehen. Diese

Elemente stehen für die Symbolik

des Herz-Jesu-Kults.

Im Innern der Kapelle

Der weiß gestrichene Holzaltar hat einen Hostienschrein, der von

zwei Statuen und floralen Kandelabern flankiert wird. Auf dem Altar

ist die Statue von Jesus mit dem Heiligsten Herzen zu sehen. Dazu

gesellen sich eine Statuette des Heiligen Josef auf der linken Seite und

eine Statuette der Heiligen Maria Magdalena auf der rechten Seite.

Unten in der Mitte des Altars sind die Texte der zwölf Versprechen

Jesu an die Verehrer seines Heiligsten Herzens auf sechs Gesetzestafeln

gezeichnet:

1. ich werde ihnen alle Gnaden geben, die für ihren Zustand notwendig

sind.

2. Ich werde ihren Familien Frieden bringen.

3. Ich werde sie in all ihrem Kummer trösten.

4. ich werde ihr sicherer Hafen im Leben und vor allem im Tod sein.

5. ich werde über all ihre Unternehmungen reichlich Segen ausschütten.

6. Die Sünder werden in meinem Herzen die Quelle und den unendlichen

Ozean der Barmherzigkeit finden.

7. lauwarme Seelen werden glühend werden.

8. eifrige Seelen werden zu großer Vollkommenheit aufsteigen.

9. ich werde die Häuser segnen, in denen das Bild meines Heiligsten

Herzens ausgestellt und geehrt wird.

10. Ich werde denen, die für die Rettung der Seelen arbeiten, die

Gabe geben, die verstocktesten Herzen zu berühren.

11. Diejenigen, die diese Hingabe verbreiten, werden ihren Namen

in mein Herz schreiben lassen, wo er niemals ausgelöscht werden

wird.

12. Ich verspreche im Übermaß der Barmherzigkeit meines Herzens,

dass meine allmächtige Liebe all jenen, die neun Monate hintereinander

am ersten Freitag des Monats zur Kommunion gehen,

die Gnade der endgültigen Buße gewähren wird. Sie werden

nicht in meiner Ungnade sterben, auch nicht ohne die Sakramente

empfangen zu haben, und mein Herz wird sich in dieser

letzten Stunde zu ihrem sicheren Hafen machen.

Die Wände des Kirchenschiffs sind

unten mit kreisförmigen Öffnungen

versehen, um die 14 Tafeln der

Kreuzwegstationen aufzunehmen.

Leider sind die Rahmen leer. Waren

sie jemals gefüllt?

Am oberen Ende jedes Erkers befindet

sich ein Oculus in Form eines

Gänseblümchens, rosa verglast im

Chor, im Kirchenschiff blau. Vielleicht

wollte Jules de Dartein mit

Rosa die Reinheit und mit Blau die

Weisheit oder Erhabenheit der Seele

symbolisieren.

Auf beiden Seiten des Kirchenschiffs

sind die Bänke bogenförmig zum

Altar hin angeordnet.

Die Schnitzereien auf den Eichenbänken

– Gänseblümchen – hat der

Baron selbst angebracht. Die rechte

Seite war für Jules de Dartein reserviert,

die linke Seite für seine Frau.

An der Rückseite der Kapelle befindet

sich im ersten Stock eine Galerie,

erreichbar über eine Treppe rechts

vom Eingang.

Ein Beichtstuhl befindet sich am

linken Eingang des Ambulatoriums:

Er hat eine hölzerne Trennwand mit

einem Gitter.

110 historie Kapitel V

historie

Kapitel V

111



Die Gräber der Familie Jules de Dartein

Im Wandelgang befinden sich die Gräber der Mitglieder der Familie von Jules de

Dartein sowie sein eigenes Grab. Auf neun schwarzen beziehungsweise weißen

Marmorplatten sind die Namen der Beigesetzten aufgeführt und auf einer Gedenkplatte

die Namen von Familienmitgliedern, die andernorts begraben sind.

Marie Anne Stricker

Jules de Dartein

Gedenktafel für Jean de Dartein (Neffe von Jules de Dartein).

Gedenktafel für die Großeltern väterlicherseits von Jules de

Dartein, seinen Eltern und seinem Bruder Charles.

Gedenktafel von

Édouard Hamart

de Parpigné

und seiner Frau,

Adélaïde de

Kloeckler (Tante

mütterlicherseits

und Onkel von

Jules de Dartein).

Gedenktafel

für Cécile de

Dartein

(jüngste

Schwester

von Jules de

Dartein).

Gedenktafel für Marie Anne Élisabeth Osmont

(Schwiegermutter von Jules de Dartein).

Gedenktafel für Charles François Stricker

(Schwiegervater von Jules de Dartein).

Gedenktafeln für Jules de Dartein und seine Frau Anne Marie.

Gedenktafel für Marie Madeleine Louise Elisabeth Stricker

(Schwägerin von Jules de Dartein).

112 historie Kapitel V historie Kapitel V 113



Die Frau von Jules de Dartein litt

unter Diabetes und konnte ihm

keine Kinder schenken. Bereits

1896 schickte der Gatte eine

besorgniserregende Nachricht an

seinen Bruder Henri: „Marie war

sehr schwach und sehr niedergeschlagen,

die Schwestern waren

sehr erschrocken über ihren Zustand;

denn in der letzten Woche,

die sie bei uns verbrachte, war der

Appetit fast gleich Null und der

Magen behielt kaum etwas anderes

als Eiskost, die Hände waren

geschwollen und die Finger zuweilen

versteift; glücklicherweise

war die Ursache des Leidens

immer noch hauptsächlich rheumatisch

und die Zuckerkrankheit

nahm nicht zu; daher trat, sobald

der Appetit wiederhergestellt war

und die Schwellung der oberen

Gliedmaßen zurückging, eine

rasche Besserung ein …“

bemerkbar und schwächt

allmählich seine starke Konstitution.

[...] Wir besuchen ihn noch,

aber er hat keine Verwandten

mehr bei sich, seine Kräfte lassen

nach, und er fällt in seinem

Zimmer zu Boden wie eine alte

Eiche … er wurde in eine Klinik in

Straßburg gebracht, wo es ihm

sehr schlecht ging. Seine Neffen

aus Gail brachten ihn zurück in

seinen geliebten Kempferhof,

wo er noch ein paar Tage vor sich

hin vegetierte, bevor er seine

schöne Seele Gott übergab.“

Jules de Dartein starb 1928.

Als Marie de Dartein am 21. August

1902 im Alter von 59 Jahren

starb, ließ Jules sie einbalsamieren.

Ihr gläserner Sarg war noch

zu Beginn des Ersten Weltkriegs

zu sehen.

Einer seiner Cousins berichtet

brieflich: „Das Alter macht sich

Zum Gedenken

an Jules de

Dartein und

Anne Marie

Stricker.

(Privatsammlung)

114 historie Kapitel V historie Kapitel V 115



Segnung der Kempferhof-Kapelle

(handschriftliche Urkunde von Jules de Dartein)

„Unter dem Pontifikat Seiner Heiligkeit Leo Xiii,

Seine Gnaden André Raess als Bischof von Straßburg,

P. Stumpf, Bischof von Caesaropolis, Koadjutor-Administrator der genannten Diözese,

Seine Hochwürden Fortuné Fraering ist der Gemeindepfarrer von Plobsheim:

Jules Edouard de Dartein und seine Frau Anne Marie Charlotte Stricker, die an der großen

französischen Wallfahrt vom 20. Juni 1873 nach Paray-le-Monial teilgenommen und dort die

Notwendigkeit erfahren haben, die Liebe unseres Herrn Jesus Christus im heiligen Symbol

seines Herzens zu verehren.

Die Worte Seiner Heiligkeit Pius IX. aus dem Jahr 1875 zum zweihundertsten Jahrestag des

Tages, an dem die selige Margareta Maria Alacoque den Auftrag erhielt, das Bild und die Verehrung

des Heiligsten Herzens unseres Herrn zu verbreiten, bestätigten diese Auffassung.

Jules Edouard de Dartein und seine Frau Anne Marie Charlotte Stricker errichteten in den Jahren

1882 und 1883 auf ihrem Kempferhof (in der Nähe von Plobsheim) eine Kapelle zu Ehren

des Heiligsten Herzens Unseres Lieben Herrgottes, um ihr eigenes Herz und das ihrer Eltern

und Freunde sowie das ganze Dorf Plobsheim und die Region Elsass, in der es liegt, mitsamt

ihrem Besitz diesem zu weihen.

Der Bau dieser Kapelle wurde mit Hilfe von geschaffen:

Mutschler Louis, Schreinermeister und Oberbauleiter;

den Ziegeleien Falck; Wilm Frédéric & Georges;

Wittling Georges, Schwentzel Jacques, Fuchs Georges dit le Marin, Rudolf Jean dit Faist, Faist

Augustin Père et Fils, Ohlung Joseph & Henck Simon;

den Zimmerleuten Mutschler Ignace, Boenapfel Louis & Heller Georges;

dem Schreiner Bitschy Louis; alle aus Plobsheim.

Mit Hilfe der italienischen Zementhersteller: Perino Major, aus Castelazo (Provinz Biella);

Molinari Guiseppe, aus Concordia (bei Venedig), & Pensa Antonio, aus Casino (bei Como);

& dem Bildhauer Gachon, aus Villé; dem Steinmetz Hielemann Guillaume, aus Thanvillé;

& dem Schlossermeister Kroffig; des Tischlermeisters Jacobi; des Stuckateurmeisters Voltz;

des Malers Mondoré & des Maler-Glaziers Ott Frères; alle aus Straßburg.

Mit Fliesen von Gilardoni Frères aus Altkirch

& (hydraulischem) Kalk der Firma Goetz (Blaesheim); Grinner & Neinlist (Eschau); Vve Kapp

(Plobsheim) Fliesenwerke.

Nach Abschluss der letzten Arbeiten im Januar 1884 nahm Abt Etienne Frey, Professor am

Großen Seminar von Straßburg, im Auftrag des Administrators der Diözese Straßburg und in

Anwesenheit des Pfarrers von Plobsheim, die Einweihung dieser Kapelle vor.

Zur Urkund dessen haben die genannten Frey & F. Fraering, Jules de Dartein & seine Frau

Anne Marie Stricker heute, am 7. Februar 1884, unterzeichnet.“

(Privatsammlung)

116 historie Kapitel V

historie Kapitel V 117



Die Dartein-Wappen am Kempferhof

Jules de Dartein war sich seiner Zugehörigkeit zu einem Geschlecht von Aristokraten

bewusst, welches die Geschichte Frankreichs und des Elsass über ein

Jahrhundert lang prägte. Das Wappen seiner Familie ziert eine Kanone und zwei

Pfeile. Auf dem Kempferhof sind Anspielungen an das Wappen an vielen Gebäudeteilen

zu entdecken.

Wappen der

Familie Dartein.

(B.N.S.U. / Lehr)

Auf dem linken

Türmchen das

Wappen der

Familie Dartein.

Auf der rechten

Seite die

Jahreszahl der

Errichtung.

(Fotos R. Deiber)

„Ein silberner Chevron zwischen zwei Pfeilspitzen, im Haupt

Silber, jede gekrönt von einer Krone mit fünf goldenen Perlen,

und im Sockel eine Kanone auf einer Lafette.“

(Beschreibung in Siebmacher, Elsaesser Adel, 1871)

Den Eingang zum Hof akzentuierte

Jules de Dartein durch zwei zementierte

Türmchen, die als Stützen für

die schmiedeeisernen Torflügel dienen.

Eine Treppe in einem der Türmchen

führt zu dem kleinen Damm,

der den Wasserlauf regulierte.

Diese Wappen wurden nach dem

neuen Betongussverfahren hergestellt.

Jules de Dartein nutzte

diese Technik und das neue Material

ausgiebig. Der für den Mörtel und

den Beton benötigte Sand und Kies

wurde in den örtlichen Kiesgruben

gewonnen.

118 historie Kapitel V

historie Kapitel V 119



Durchgang

zwischen dem

Turm und

dem Gebäude

der „Großen

Kammer” im

Südwesten:

Markant sind

die Pfeile im

Sandsteinwappen.

Fenster an

der Nordwestseite

des Turms:

ein Löwe,

der den Pfeil

nach oben

hält.

Spuk im Schloss?

Nach Angaben des Hotelpersonals

traten in den Zimmern des Turms

im zweiten und dritten Stock seltsame

Phänomene auf. Nach ihren

Aussagen war eine Frauenstimme

zu hören, die Schlaflieder summte,

sowie die Stimme eines fröhlichen

Kindes.

Pfeile befinden

sich auch an

den äußeren

Fensterpfosten

und in den

Faltlaschen

(Bild rechts)

Es soll vorgekommen sein, dass sich

die Badewanne mit Wasser füllte,

obwohl der Wasserhahn geschlossen

war, dass sich Glühbirnen ein- und

ausschalteten oder dass sich ein

Staubsauger von selbst in Bewegung

setzte. Eine Mitarbeiterin sagte, sie

habe beim Hinuntergehen der Treppe

einen Stoß im Rücken gespürt. Es

heißt, dass ein Kind durch einen Unfall

im Haus gestorben ist und dass

die Mutter sich schuldig fühlte … natürlich

entbehren diese Geschichten

jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Wir wissen, dass Anne Marie Stricker

keine Kinder hatte, weil sie an Diabetes

erkrankte, der sie im Alter von 59

Jahren erlag.

Jean de Dartein,

das auf dem

Kempferhof begrabene

Kind.

(Privatsammlung)

... sowie in

der hölzernen

Verkleidung

der landwirtschaftlichen

Gebäude.

Könnte es sich bei dem Kind, das auf

dem Kempferhof gestorben sein soll,

um das Kind eines Mitarbeiters von

Jules de Dartein handeln?

Unter den in der Kapelle begrabenen

Mitgliedern der Familie Dartein

befindet sich ein vierjähriger Junge,

Jean de Dartein, der am 22. Mai 1886

in Nancy an Meningitis starb. Er

kann also auch nicht das Kind sein,

das auf dem Kempferhof gestorben

ist.

120 historie Kapitel V

historie Kapitel V 121



Die Zimmer im Turm

Heute befinden sich zwei luxuriöse

Gästezimmer im Turm, eines im

zweiten, eines im dritten Stock.

Die Zimmer der

Presidential Suite

In diesem Zimmer ließ Jules de

Dartein für sich und seine Frau zwei

Sessel auf einem Podest neben dem

großen Fenster aufstellen, von wo

aus sie am besten die Zehnerglocke

des Straßburger Münsters hören

konnten.

Der „Thronsaal”

Es handelt sich um den höchsten

Raum des Nordwestflügels, der mit einer

Beobachtungsbank (dem „Thron”)

ausgestattet ist, die über eine Treppe

zu erreichen ist: Von hier aus konnte

man bei klarem Wetter durch das

Bullauge die Spitze des Straßburger

Münsters sehen, heute ist die Aussicht

aber von der Vegetation verdeckt.

Die beiden Sessel

im großen

Saal des Nordwestflügels.

Die Beobachtung

sb ank ( link s ) .

Außenansicht

des nordwestlichen

Flügels. Der

Okulus und die

beiden von innen

sichtbaren Fenster

sind auf den beiden

anderen Fotos

auf dieser Seite zu

sehen.

Zwei Ansichten

des quadratischen

Raums

im dritten Stock

des Turms.

Der Seminarraum

Die Vertäfelung

und die

Türen sind

original aus

heimischem

Holz (Eiche und

Esche).

Über den ehemaligen Stallungen

(heute Restaurant) befinden sich

der frühere Heuboden und der Tabak-Trockenschuppen,

die zu einem

großen Tagungsraum umgebaut

wurden. Unter der ursprünglichen

Dachkonstruktion hängt noch

heute die Klaue des mechanischen

Aufzugs, mit dem das Heu eingebracht

wurde.

122 historie Kapitel V historie Kapitel V 123



Eine neue Kirche

Ende des 19. Jahrhunderts waren

das Wohnhaus des Kempferhofs, die

Wirtschaftsgebäude sowie das Haus

des Hausmeisters und die Kapelle

fertiggestellt.

Bereits 1866 erwog die katholische

Gemeinde des Dorfes den Bau einer

neuen Kirche, da die alte Kirche mit

der evangelischen Gemeinde geteilt

werden musste. Auf dem Gelände

des Ackergartens, das Jules de Dartein

gehörte, gab es keine Gebäude,

abgesehen vielleicht von den Spuren

der früheren mittelalterlichen Burg.

In einem handschriftlichen Dokument vom 7. Juni 1890 schrieb Jules de Dartein:

Kapitel VI

Das „Haus von Dartein”

und das „Haus von Gail”

„Dieser Garten, in dem sich die letzten Überreste des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Schlosses der Zorns von

Plobsheim befinden, nachdem es in den Besitz der Familien Kempfer, Boistel, Rancy, S.te Seine und Musey übergegangen

war, ist heute im Besitz von J. de D., der die Fabrik in Plobsheim als wünschenswerten Standort für den Bau der

katholischen Kirche anbietet.

Vorteile:

Nachteile:

Nähe zur Schule (Anmerkung: „& Entfernung zur Kirche, die den Protestanten überlassen

werden soll“ wurde durchgestrichen)

ausreichend zentrale Lage

einfacher Zugang, abseits der Straße (derzeit durch den Straßenbahnverkehr behindert)

ruhe durch die Entfernung zu den Gasthäusern, die Nähe eines Flusses und die Umgebung

eines großen Gartens

entfernung vom katholischen Presbyterium: Zu korrigieren durch Austausch des jetzigen

Presbyteriums gegen ein neues, das auf demselben Ackergarten errichtet werden soll.“

(Privatsammlung)

124 historie Kapitel VI

historie Kapitel VI 125



Abbé Louis de Dartein

Jules de Dartein war entschlossen,

der katholischen Gemeinde von

Plobsheim zu helfen, indem er den

Standort für die neue Kirche im so

genannten Ackergarten oder Meyergarten

anbot, der ihm gehörte. Er

offerierte auch den Standort für das

neue Pfarrhaus nebenan.

Schließlich wurde der Beschluss

gefasst, dass die protestantische

Kirchengemeinde sich eine neue Kirche

am Finkengarten bauen sollte,

ein Grundstück, das die katholische

Gemeinde zur Verfügung stellte.

Die neue evangelische Kirche wurde

1898 eingeweiht.

In Rot der geplante

Standort der Kirche

im Süden des Ackergartens,

gegenüber der Rue Boistel.

(katholisches Archiv)

Der Neffe von Jules de Dartein,

Pater Louis de Dartein, wurde am

15. Januar 1881 in Médéa, Algerien,

als Sohn von Jules' Bruder Charles de

Dartein und von Caroline Palle geboren.

Er wurde am 1. August 1908 zum

Priester geweiht und war Doktor der

Philosophie und Theologie.

Während des Ersten Weltkriegs war

er Militärkaplan, wurde zweimal

verwundet und erhielt das Croix de

Guerre mit fünf Auszeichnungen.

Nachdem er Kaplan an der Kirche

Saint-Louis-des-Français in Rom

gewesen war, wurde er Landpfarrer

und verwaltete die Pfarrei von Colroy-la-Roche

(Bas-Rhin).

Um 1930 ließ er sich in dem großen

Haus nieder, das Jules de Dartein

errichtet hatte, und machte

es bewohnbar. Als Royalist und

Legitimist schmückte er sein Büro

mit dem Wappen des Grafen von

Paris. Er lebte mit seiner Schwester

Élisabeth, die seine Haushälterin

war, obwohl sie oft krank war und

im Rollstuhl saß. Er beschäftigte

auch einen Kammerdiener und ein

Dienstmädchen.

Louis de Dartein im

Jahr 1906.

(Privatsammlung)

Auf dem Gelände des Ackergartens

begann Jules de Dartein nun mit

dem Bau des großen Herrenhauses,

das als „Haus Dartein” bekannt war

und eigentlich das Presbyterium der

neuen Kirche werden sollte.

Da der Bau dieser neuen Kirche jedoch

nicht stattfand, blieb das Haus

mehrere Jahre unvollendet.

In Plobsheim,

Louis de Dartein

und seine

Schwester

Élisabeth.

(Privatsammlung)

Zeichnung des

Hauses Ackergarten

im Jahr 1920 von

Jules de Dartein,

damals 83 Jahre alt.

Dieses Haus sollte

ursprünglich das

Presbyterium

der geplanten

katholischen Kirche

werden.

(Privatsammlung)

126 historie Kapitel VI

historie

Kapitel VI

127



Abbé de Dartein schloss sich im

September 1940 den Freien Franzosen

an. In London traf er General de

Gaulle und wurde Kaplan der Freien

Französischen Seestreitkräfte. Von

Oktober 1940 bis April 1941 war er

an Bord des Schlachtschiffs Courbet,

anschließend in Pointe-Noire im

Kongo stationiert. Im Mai 1943 wurde

er dem Jagdflugzeugstützpunkt

Cowes auf der Insel Isle of Wight

zugewiesen und war trotz seines

fortgeschrittenen Alters an den

See-Einsätzen der Jäger beteiligt. Am

18. Juli 1945 trat er aus der Armee aus.

Im selben Jahr wurde er zum Offizier

der Ehrenlegion ernannt. 1945 kehrte

er nach Plobsheim zurück und bezog

sein vordem von den Nazis beschlagnahmtes

Haus.

Familiengräber

auf dem

Friedhof von

Thanvillé.

(Foto R. Deiber)

1946 schenkte Louis de Dartein der

Kapelle „Notre-Dame du Chêne“ zwei

Glasfenster, die von den Werkstätten

Ott Frères in Straßburg hergestellt

wurden und sich in der Nähe der

Galerie befinden. Das linke erinnert

an den Vater von Jules de Dartein,

Baron Félix de Dartein, der eine Spende

für den Kauf der Kapelle machte,

und das rechte stellt das Wappen der

Familie Dartein dar.

Louis de Dartein starb am 6. November

1949 im Alter von 68 Jahren in

Straßburg an Herzversagen. Er wurde

auf dem Friedhof von Thanvillé (Bas-

Rhin) beigesetzt, dessen Schloss sein

Urgroßvater einst besessen hatte.

Darsteins Haus

– „Gails Haus“.

(Foto R. Deiber)

Die Glasfenster in

der Kapelle „Notre-

Dame du Chêne“.

(Fotos R. Deiber)

In seinem Testament vermachte

Pater Louis de Dartein sein Haus dem

Orden der „Kleinen Schwestern der

Armen“. Ein Verwandter der Familie,

Oberst Bertrand de Gail, ein Cousin,

kaufte das verwaiste Anwesen

vor seiner Abreise nach Indochina

Anfang der 1950er Jahre. Seither wird

es „Gail's Haus“ genannt. Als er in

den Ruhestand ging, verkaufte es

Oberst de Gail 1993 an die Gemeinde

Plobsheim.

128 historie Kapitel VI

historie Kapitel VI 129



Zeugnisse aus der

Familie

Kapitel VII

Zeugnisse

aus der Familie

Im April 2017 war ich angenehm

überrascht, einen Brief und ein Bündel

getippter Papiere von Angélique

Dubuisson, der Ururenkelin von

Henri de Dartein, zu erhalten. Zwei

Jahre zuvor hatte ich ihren Vater,

den Historiker Jean N. D. Escande,

schriftlich um Informationen über

den Kempferhof gebeten; Jean N.

D. Escande war krank und starb

2016. Die Kenntnis dieser von Jules

de Dartein zwischen 1908 und 1922

aufgezeichneten Erinnerungen verdanken

wir daher Escandes Tochter

Angélique.

Wir hatten zudem das Glück, ein

gutes Porträt des Erbauers des

Kempferhofs in den Erinnerungen

seiner Nichte Françoise de Hédouville,

der Tochter seines Bruders Henri, zu

finden:

„Er war ein sehr sanftmütiger

Mann, sehr friedlich, ruhig, ein

echtes „Original“. Wir mochten

ihn sehr. Er hatte eine Leidenschaft

für das Bauen. Er errichtete

das Haus in der Nähe des

Kempferhofs, 15 Kilometer von

Straßburg entfernt, und arbeitete

ständig daran.

Seine Erfindungen waren nicht

immer komfortabel, aber sein

Haus gastfreundlich und sein

Tisch sehr aufgeräumt. Er

kümmerte sich um seine Frau

mit einer Hingabe, einem Feingefühl

und einer Geduld, die

ich bewunderte, während ich

gleichzeitig Mitleid mit ihm hatte,

denn ich hatte eine ziemlich

schmerzhafte Vorstellung von

dieser Ehe …

Aus den drei großen Rechnungsbüchern,

die für die Dartein-Besitzungen

in Plobsheim

erhalten sind, geht hervor, dass

Jules 1866 den Kempferhof für

sich und seinen Bruder Henri

übernahm und bis 1928, also 62

Jahre lang, weiterführte. Es ist

daher nur recht und billig, dass

sein Name mit diesem Fleckchen

Erde verbunden bleibt, zu

dessen Entwicklung und Aufbau

er so viel beigetragen hat,

denn der Hof ist vor allem das

Werk des Jules de Dartein, das

auf das Ende des 19. Jahrhunderts

datiert werden kann, und

es verdient, unter Denkmalschutz

gestellt zu werden.“

Jean N. D. Escande und

seine Frau Christine

(geborene de Hédouville),

umgeben von ihrem

Schwiegersohn Frank

Dubuisson und ihrer

Tochter Angélique Dubuisson-Escande.

(Quelle: http://www.

ladepeche.fr/article/2010/06/19/858265-escoussens-angelique-dubuisson-signe-son-livre.html)

130 historie Kapitel Vii historie Kapitel Vii

131



Jules de Dartein führte das Leben

eines Gutsbesitzers und sammelte

zahlreiche Informationen über die

Gegend. Auch verfasste er persönliche

Notizen unter dem Titel

„Beobachtungen für das Jahr“, eine

interessante Quelle insbesondere

für die Zeit des Ersten Weltkriegs .

Bei Kriegsbeginn lebte er im Alter

von 75 Jahren allein mit seinen

Bediensteten auf dem Kempferhof.

Sein Haus wurde von einer deutschen

Kompanie besetzt, deren

Offiziere bei ihm wohnten. Die

deutschen Soldaten bildeten einen

Wachposten am Eingang des Gartens

und nahmen an der täglichen

Arbeit teil.

Am 22. November 1918 sollte einer

dieser Wachsoldaten, der inzwischen

zum Wildhüter aufgestiegene Georg

Gruber, während einer Jagd im

Wald des Kempferhofs Opfer eines

rätselhaften Unfalls werden. Der daraufhin

erfolgte Unterhaltsprozess

versandete schließlich.

Mehr als vier Jahre lang führte

der Gutsbesitzer Jules ein hartes

Leben. Er konnte sich nur mit Mühe

außerhalb seines Hauses bewegen

und erhielt nur selten die Erlaubnis,

seine Schwester, die Baronin de Gail,

in Straßburg zu besuchen, die einen

Unfall erlitten hatte und ihm sehr

nahe stand.

„Das einzige Mal, dass ich meinen

Großonkel Jules in Plobsheim

besuchte”, berichtete mein Schwiegervater,

Herr Jacques de Hédouville,

„war in den Weihnachtsferien 1923

oder 1924, zusammen mit meinem

Bruder Jean – wir waren etwa 15

Jahre alt. Es war eiskalt, wir waren

in Straßburg umgestiegen, um mit

dem kleinen Zug nach Plobsheim

zu fahren, und dort wurden wir von

einer Pferdekutsche abgeholt; es

war unser Onkel aus Gail, glaube

ich. Onkel Jules erwartete uns allein

in seinem kleinen Büro, am Feuer

sitzend, mit keinem Licht außer den

Flammen: Er war ein alter Mann

mit einer schwarzen griechischen

Mütze und einem weißen Bart. Das

Haus hatte keinen Strom, aber der

Speisesaal war gut geheizt, und die

Betten waren sehr gut und das Essen

ausgezeichnet. Diese Art des Lebens

war damals schon uralt. Ich hatte

immer gehört, dass der Kempferhof

ein seltsames Haus war, dass der

Onkel alle Pläne sorgfältig gezeichnet

hatte: Ich hatte sicher nicht erwartet,

sie eines Tages in meinem Besitz zu

haben … alle mochten den Onkel,

aber wir lachten ein wenig über seine

Eigenarten. So ließ er beispielsweise

Marie Adélaïde de Dartein, seit 1888

Witwe des Barons Charles Antoine de

Gail von Mulhausen, mit dem sie sechs

Kinder hatte.

(Dokumente von Arnaud de Gail)

eine kleine pferdegezogene Decauville-Eisenbahn

im Park installieren,

um sein Anwesen zu betreiben.

Zuerst benutzte er sie zum Transport

von Kies, dann ließ er sogar einen

Waggon für Fahrgäste – meist Kinder

– einrichten, die mit dem kleinen Zug

gerne spielten. Auf einem Foto aus

der Zeit um 1900 ist dieser kleine Zug

bereits zu sehen. Dann ließ er überall

Pfeile, die „sprechenden Waffen“ der

Darteins, aufstellen und eine kleine

Brücke über das Mühlgießen bauen,

mit einem „Fort“ auf jeder Seite und

einer Treppe zum Steg. In der Kapelle

ließ er für sich und seine gesamte

Familie Nischengräber errichten, in

denen er zusammen mit seiner Frau

begraben ist. Für das Haus hatte er

seine ganz eigenen Vorstellungen:

So hatte er in einem Turm eine Art

Observatorium vorgesehen, damit

Gustav, sein Benediktinerbruder, sein

Brevier beten und dabei (an klaren

Tagen!) das Straßburger Münster

betrachten konnte. Plobsheim ist eine

waldreiche Landschaft mit Wäldchen

und Bächen, dem Illwasser und dem

Mühlgießen, einem fast ruhenden

Gewässer; im Sommer waren die

Jagden für ihre Mücken bekannt.“

Der letzte Wille und das Testament

von Jules de Dartein

Nach dem Tod seiner Geschwister verfasste Jules de Dartein

am 17. Oktober 1917 das folgende Testament:

„Ich bin alt und fühle meine Kräfte schnell schwinden: Tod

und Krieg haben mich fast völlig isoliert [...] Der Krieg hat

mein Vermögen stark beeinträchtigt und mein Erbe reduziert:

Für militärische Maßnahmen wurden ein großer Teil meines

Plobsheimer Waldes abgeholzt und mein Hof in Klein Leberau

(Markirch) zerstört, ohne Garantie auf Entschädigung; was

meine wenigen Wertpapiere betrifft, ist alles ungewiss und

fast ohne laufendes Einkommen.

Meine Gebäude in Plobsheim, sowohl die, die mein ganzes

Eigentum sind, als auch die, die mit anderen Verwandten

ungeteilt sind, werden meiner Schwester [Marie de Dartein,

Witwe von Gail] zufallen: Ich empfehle ihr besonders das Gut

Kempferhof; sie wird dort, wie ich, das Wohnrecht und die volle

Verwaltung für alle ungeteilten Teile in Plobsheim ausüben

(mit keiner anderen Pflicht als der, das Herrenhaus zu unterhalten

und die Betriebs- und Arbeitsmittel vorzuschießen); sie

wird auch den Gebrauch und das Recht der Beerdigung in der

für meine Frau und ihre Familie erbauten Kapelle haben. Diese

halböffentliche Herz-Jesu-Kapelle, die von der Oberen Verwaltung

genehmigt wurde, bleibt außerdem der Obhut und

Aufsicht des katholischen Pfarrers von Plobsheim anvertraut,

der eine Entschädigung von 50 Mark pro Jahr erhalten muss,

unter der Bedingung, dass er mindestens zweimal im Jahr in

der besagten Kapelle die Heilige Messe für mich und meine

Familie feiert.

Vor dem allmächtigen Gott, von dem ich Vergebung und Gnade

erhoffe, richte ich mein demütiges Bedauern an alle, die sich

über mich beschweren mussten, und bitte alle meine Freunde

um Gebete. Mein Platz ist in der Kapelle des Kempferhofs reserviert,

neben dem Grab meiner Frau: Wenn der Krieg es nicht

verhindert, werde ich dort beigesetzt werden.“

J. de Dartein

Foto der von

Jules de Dartein

installierten

132 historie Kapitel Vii Schienen.

133



Henri Charles

André de Gail

(1874-1945) und

Marie-Louise

de Baillon

(1892-1976).

(Privatsammlung)

François-Régis de Gail (1926-2014)

über seinen Vater, Henri de Gail

(1874-1945), dem Enkel von Marie

de Dartein (1841-1926), der Schwester

von Jules de Dartein, und ihrem

Ehemann Charles de Gail (1834-

1888). Dieses Gespräch fand am 18.

Dezember 2012 bei François-Régis

de Gail in Straßburg-Meinau statt.

Mit seiner Zustimmung aufgezeichnet,

finden Sie hier ein wertvolles

Zeugnis, das den Kempferhof

„von innen“ beleuchtet.

Bericht von

François-Regis de Gail

1822 kaufte Felix de Dartein das

Schloss Bernstein oberhalb von

Dambach-la-Ville und die umliegenden

Wälder, behielt sie aber nicht,

weil sie zu schwierig zu bewirtschaften

waren. Im Jahr 1837 kaufte er

auch ein Grundstück in Plobsheim.

Nach seinem Tod im Jahr 1866

gründete sein Sohn, Jules de Dartein,

den Kempferhof. In seiner Kapelle

hat Jules de Dartein alle Steine, die

die Dornenkrone darstellen, selbst

aufgestellt. Die Kapelle war dem

Heiligsten Herzen Jesu gewidmet,

dessen Symbole an der Außenseite

zu sehen sind: ein brennendes Kreuz,

eine Dornenkrone und ein herzförmiges

Buntglasfenster.

Nach seinem Abschluss als Ingenieur

an der Ecole Centrale ließ er Schienen

und Waggons für den Transport

des aus den Kempferhof-Teichen gewonnenen

Kieses installieren. Dieser

Kies wurde zur Herstellung von Beton

verwendet, einem damals neuen

Material, für seine Bauten und die

zahlreichen Brücken, die er zum Nutzen

der Plobsheimer Bevölkerung

baute oder verbesserte. Es gab auch

Schienen, die bis zum Sägewerk von

Antoni fuhren, um die großen Eichen

auf seinem Grundstück zu fällen.

Im Kempferhof gibt es einen großen

Raum, der als großer Saal bezeichnet

wurde. In diesem Zimmer gab

es zwei Sessel für seine Frau Anne

Marie und ihn selbst. Von dort aus

konnten sie die Spitze des Straßburger

Doms sehen und abends die

Nachtglocke hören, die seit 1786 die

Sperrstunde einläutet. Ich selbst

kam in den Jahren 1934 und 1935

nach Plobsheim, mit acht oder zehn

Jahren, aber das Haus war nicht

mehr bewohnt. Mein Cousin Jean

Barthélemy (1903-1983) hatte dort

vielleicht zwei Jahre lang gelebt,

doch seiner Frau gefiel es nicht und

er zog weg.

Der Kempferhof war für 90 Jahre

verpachtet; die Verhandlungen

wurden von Michel de Hédouville,

Priester und Kanoniker in Nancy

(1915-2006), geführt.

Mein Vater galt als der Sohn von

Jules de Dartein, er und meine Tante

Anne Marie hatten keine Kinder.

Jules und sein Bruder Henri besaßen

das Anwesen zunächst gemeinschaftlich,

ebenso wie das Land

jenseits der „Sieben Schleusen“, den

so genannten Schafsteg. Später hat

Jules de Dartein alles übernommen.

Es war die Familie de Hédouville,

meine Cousins und Cousinen, die

den Pachtvertrag mit der Firma

abgeschlossen haben, die den Golfplatz

gebaut hat. Nach dem Tod von

Jules de Dartein im Jahr 1928 war der

Kempferhof kaum noch bewohnt.

Mein Vater kümmerte sich gleichzeitig

um das Anwesen und den Hof in

Mulhausen. 1945 wurde unser Haus

in Mulhausen bombardiert, sodass

wir in den Kempferhof umzogen. Da

es mein Vater war, der sich um die

Wälder und Ländereien in Plobsheim

kümmerte, luden ihn sein Cousin

Joseph de Dartein und seine Cousine

Françoise de Hédouville ein, auf dem

Kempferhof zu wohnen. Fast 90

Jahre lang war der Hof verpachtet.

Während des Krieges hatte der

Direktor der Zuckerfabrik Erstein,

Gunstett, dort gelebt. Als er ging,

nahm er fast alle Möbel mit. Ich

selbst habe fünf Jahre auf dem

Kempferhof gewohnt. Zuvor hat sich

mein Vater um den Wald, das Anwesen

und seine zehn Esel gekümmert.

Den Erbauer Jules de Dartein kannte

ich nicht, bei seinem Tod zählte ich

erst zwei Jahre. Er war auf eine Leiter

geklettert, um Kirschen zu pflücken,

stürzte ab und brach sich den Oberschenkelhals;

wenig später, im Jahr

1928, starb er. Plobsheim ist für mich

immer ein Paradies gewesen.

Am 25. September 1945 waren wir

angekommen. Am 30. November,

dem Andreastag, besuchte mein

Vater das Grab seines jüngeren

Bruders, der am Tag unseres Umzugs

gestorben war. Auf dem Rückweg

ging er bei starkem Nebel zu Fuß

zum Kempferhof und machte

unterwegs Station im Gasthaus. Er

überquerte die Brücke, stürzte in den

Fluß und ertrank. Es war minus zehn

Grad und er wurde erst eine Woche

später gefunden.

Mein Vater war von 1945 bis 1976

in der Kapelle des Kempferhofs

begraben. Ich war es, der ihn auf

Wunsch meiner Mutter neben ihr

(Marie-Louise de Baillon, 1892-1976)

auf den Plobsheimer Friedhof überführen

ließ, da in der Kapelle kein

Platz mehr für sie war.

Die weitere Geschichte

des Kempferhofs

Nach dem Tod seines Erbauers im

Jahr 1928 stand der Kempferhof für

längere Zeit leer. Von 1934 bis 1935

lebte dort nur die Familie von Louis

Koller, dem ehemaligen Kutscher

von Jules de Dartein. Jules zwei Jahre

jüngere Schwester Marie hatte Baron

Charles de Gail aus Mulhausen

(bei Pfaffenhoffen) geheiratet, wo

sie ein landwirtschaftliches Anwesen

besaßen. Schon zu Lebzeiten von

Jules de Dartein war ihr Sohn Henri

de Gail regelmäßig nach Plobsheim

gekommen, um seinem Onkel zu

helfen und mit Louis Koller den

Kempferhof zu verwalten.

Seine Schwester Cécile de Gail war

seit 1896 mit Maurice Barthélemy,

einem gebürtigen Saaleser, verheiratet.

Maurice hatte den Bernsteinwald

als Mitgift erhalten, der früher

Félix de Dartein gehört hatte. 1898

veräußerte er ihn, um den Kauf

der Rauschenburg bei Ingwiller zu

finanzieren. Maurice Barthélemy und

Cécile de Gail ließen sich schließlich

auf dem Château d'Alteville nahe

Dieuze nieder. Nur allzu verständlich,

dass ihr Sohn Jean Barthélemy (1903-

1983) die Familientradition als Forstund

Landwirt fortsetzte. Er lebte

mehrere Jahre auf dem Kempferhof

als Verwalter. Während des Zweiten

Weltkriegs wurde das Anwesen

durch die Deutschen beschlagnahmt

und von Gunstett, dem Direktor der

Zuckerfabrik Erstein, bewohnt. Er

ließ eine Zentralheizung einbauen,

kehrte jedoch 1945 nach Deutschland

zurück – und nahm die Möbel

des Kempferhofs mit.

Während des Krieges wurde das

Gail-Haus in Mulhausen schwer beschädigt

und die Familie von Henri

de Gail zog auf den Kempferhof, um

dort auf die Wiederherstellung ihres

Hauses zu warten. Am 30. November

1945, auf dem nächtlichen Rückweg

zum Kempferhof, passierte Henri

de Gail die Mühlgießener Brücke,

stürzte im dichten Nebel in den Bach

und ertrank. Erst eine Woche später

wurde er gefunden und zunächst

in der Kapelle des Kempferhofs

beigesetzt. Später wurde er auf dem

Dorffriedhof bestattet.

François Régis de Gail, sein Sohn,

lebte noch fünf Jahre lang auf dem

Kempferhof, bevor er ein Haus im

Dorf kaufte.

1948 heiratete Jeanne Koller, die

Tochter von Jules Vertrautem Louis,

der 1969 verstarb, Paul Sprauel aus

Eschau. Das Paar zog in das Bürogebäude

am Eingang des Wohntraktes

des Kempferhofs.

134 historie Kapitel Vii historie Kapitel Vii 135



Claude Bieth, der Erbauer

des Golfplatzes Kempferhof,

berichtet:

Kapitel VIII

1990:

Wiederbelebung des

Kempferhofs

und die Anlage des

Golfplatzes

Ich kam im Juli 1977 als Mieter in

den Kempferhof; ich habe noch den

Mietvertrag, den ich mit dem Pfarrer

von Hédouville unterschrieben habe.

Ein Dutzend Jahre habe ich dort gelebt,

bevor ich das Anwesen erwarb,

das zum Verkauf stand. Damals

hatte ich gerade ein Unternehmen

gegründet, das sich in Zusammenarbeit

mit einem Labor der Medizinischen

Fakultät mit Genetik befasste,

und man hatte mich zusammen mit

meinen Mitarbeitern dort untergebracht,

während ich auf den Bau

eines Gebäudes im Innovationspark

Illkirch wartete. Senator Daniel Hoeffel,

zuständig für den Innovationspark

Illkirch, wollte unbedingt, dass

ich dort meine Labore einrichte. Aber

es zog sich hin und ich bat einen

befreundeten Immobilienmakler,

bei den Hédouville, der Erbenfamilie

von Jules de Dartein, nachzufragen,

ob sie mir nicht ein Grundstück auf

dem Hof verkaufen würden, damit

ich dort meine Laboratorien bauen

und meine Mitarbeiter unterbringen

könnte.

Endlich erklärte sich die Familie

bereit, mir das gesamte Anwesen

zu verkaufen. Etwas überrascht antwortete

ich, dass dies wohl etwas zu

viel für mich sei! Außerdem wollte

ich mich nicht mit Bauern und Mieten

herumärgern, also haben wir es

sein lassen.

Doch begann in mir eine andere Idee

zu keimen. Ein Freund sagte: „Du

musst einen Golfplatz bauen! In der

gesamten Region gibt es nur den in

Straßburg, mit einer langen Warteliste.

Keine Sorge, die Finanzierung

wird sich leicht finden lassen!“

Über Christian Christophe, einen

Immobilienmakler, der die Interessen

der Erben, der Familie de Hédouville,

vertrat, verhandelte ich 1990 mit

einer Gruppe von Partnern über den

Kauf des Kempferhofs: Ich besaß 50

Prozent der Anteile.

Sogleich begann ich, mich

über Golfplätze und die besten

Architekten zu informieren. Da ich

eine Tochtergesellschaft in den

Vereinigten Staaten hatte, bin

ich oft dort gewesen und habe

den berühmten amerikanischen

Architekten Robert van Hagge

kennengelernt, der sich sogleich

in den Kempferhof verliebte. Er

hatte bereits mehrere Golfplätze

in Frankreich gebaut, darunter den

Golfplatz Les Bordes von Baron Bich

nahe Orléans. Wir verstanden uns

gut, und van Hagge machte mir

ein sehr interessantes Angebot: Er

war deutscher Abstammung und

suchte einen „Brückenkopf“, um

in Deutschland zu arbeiten, wo er

große Golfprojekte verfolgte, die

jedoch nicht realisiert wurden.

Da haben wir den Kempferhof

gemacht! Und der Platz wurde zu

einem Meilenstein in der Welt des

europäischen Golfsports.

Claude Bieth

(Privatsammlung)

Im Jahr 2014 verkauften meine

Partner ihre Anteile an der Golfgesellschaft

an Herrn Bindschedler,

den Ceo von Soprema. Im Jahr 2015

erwarb er auch meine.

Heute verfolge ich die Aktivitäten

der Familie Mack in Plobsheim

mit großem Interesse. Durch den

Kempferhof habe ich Roland und

Michael Mack kennengelernt, die ich

sehr bewundere. Zusammen haben

wir beispielsweise ein Golfturnier

mit hochkarätigen Sportlern und

Showeinlagen organisiert – ein

Erfolg, der nur der Beziehung zur

Familie Mack und der Effizienz

ihrer Mitarbeiter zu verdanken war.

Die neue Ansiedlung der Familie

Mack beim Kempferhof ist aus

meiner Sicht eine große Chance.

Ich wünsche der Familie Mack von

ganzem Herzen wirtschaftlichen

Erfolg und ein herzliches

Willkommen.

Der Architekt

Robert van

Hagge bei der

Anlage des

Golfplatzes.

(Foto Claude Bieth)

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historie

Kapitel Viii

137



2018: Kempferhof,

Heute und Morgen

Charles Bindschedler

französische Meisterschaft der Liga

1 zu erreichen und vielleicht sogar

die französische Meisterschaft zu

gewinnen, warum nicht? Ich möchte

junge Spieler ausbilden, die sich mit

dem Kempferhof verbunden fühlen.

Charles Bindschedler, Leiter der

Golfabteilung berichtet:

1908 gründete mein Ururgroßvater

Charles Geisen das Unternehmen

Mammoth (zu deutsch „Mammut“)

für Abdichtungsprodukte und

Beschichtungen, das später zu Soprema

wurde. Warum Mammut? Im

selben Jahr, 1908, wurde in Sibirien

ein Mammut gefunden, das perfekt

in Bitumen konserviert war.

Mein Vater kaufte 1992 Soprema

von seinem Großvater und 26 Jahre

später hat das Unternehmen einen

Umsatz von fast drei Milliarden Euro,

mit mehr als 7.000 Mitarbeitern und

Industrie- und Handelsniederlassungen

in vielen Ländern.

Im Jahr 1995 wurde mein Vater auf

den Kempferhof aufmerksam, der

für ihn von besonderem Interesse

war: ein Hotel, in dem er seine Mitarbeiter

und Kunden aus der ganzen

Welt unterbringen konnte, drei Seminarräume,

und das alles nur zehn

Minuten vom Soprema-Hauptsitz

entfernt – in einer außergewöhnlichen

Umgebung.

Ebenfalls im Jahr 1995 nahm Pierre

Etienne Bindschedler Verhandlungen

mit dem damaligen Eigentümer

Claude Bieth auf. Wir haben das

Anwesen 2015 gekauft. Im Gegensatz

zu früher lassen wir das Tor nun

jederzeit offen, der Zugang für alle

muss gewährleistet sein.

Der Kempferhof war schon immer

ein wunderschöner Ort, aber wir

haben mehr als zwei Millionen Euro

investiert. Für die Bewässerung

haben wir von 400 auf 1.200 Regner

erhöht; unter dem Kempferhof wurden

in neun Monaten mehr als 60

Kilometer Rohre verlegt! Die alten

Wasserläufe wurden umgeleitet.

Auf dem Grundstück haben wir viel

zurückgeschnitten, um die Sonne

durchzulassen, und wir werden noch

neue Arten wie Ahorn und Birke anpflanzen.

Das Restaurant bleibt das

ganze Jahr über geöffnet, während

es vorher nur drei oder vier Monate

in der Saison geöffnet war. Wir verfügen

über drei Seminarräume und

ein ganzjährig geöffnetes Hotel mit

26 Zimmern.

Technologien aus den USA

Um das ganze Jahr über Golf spielen

zu können, werden wir ein neues Gebäude

bauen, das etwa 300 Quadratmeter

groß sein wird, die Öffnungen

der Driving Range werden auf die

anderen Bauten abgestimmt. Der

Kemperhof hat etwas Wunderbares:

all diese runden Öffnungen, Türen

und Fenster. Beim Bau des neuen

Gebäudes möchte ich eine Harmonisierung

der Architektur innerhalb

unseres Grundstücks erreichen.

Im Neubau werden Kraftmessplatten

auf dem Boden mit Kugeltastern,

3D-Sensoren am Körper und

Kameras zur Analyse von Schwüngen

installiert. Wir werden in der

Lage sein, den Außenbereich in

einem 3D-Simulator nachzubilden,

und bei der Qualität der Bilder werden

wir glauben, dass wir draußen

sind, während wir leider nur auf

Kunstrasen laufen. Es wird eine Luftmatratze

geben, welche die Hänge

mit Hilfe von Zylindern bewegt.

Mit dieser Technologie werden wir

in der Lage sein, zu wissen, warum

ein Schlag verfehlt wurde. Mit viel

Übung werden die Besucher den

perfekten Schwung hinbekommen.

Es wird auch einen kleinen Drei-

Loch-Übungsplatz geben, der für

alle zugänglich sein wird. All dies

werden wir in eine Golf-Akademie

integrieren.

Auf dem Weg zur Golf-Akademie

Langfristig möchten wir eine Ausbildungsstätte

gründen, um neue

Golflehrer und auch neue Gärtner

auszubilden. Es gibt nicht viele

Schulen, die in diesem Bereich tätig

sind. Die Absolventen sollen ein

Golflehrer-Diplom erhalten und für

Wettbewerbe trainieren können. Es

wird also ein kleines Internat geben,

das in die Golfanlage integriert ist.

Wir beabsichtigen, den Kempferhof

in ein Sportprojekt einzubinden. Golf

ist wie Fußball: Es gibt Mannschaften

und Vereine, und man spielt

um seine Platzierung. So haben

wir in den letzten sechs Monaten

eine Akademie aufgebaut, um gute

Spieler auszubilden. Auch haben wir

einen neuen Sportmanager eingestellt,

Laurent Cabale, den Trainer

der französischen Nummer 1. Mit

Laurent werden wir in den gesamten

technischen Unterricht einsteigen.

Wir haben eine Elite-Amateurmannschaft

zusammengestellt, die den

Kempferhof repräsentieren wird.

Bei einer Golfmeisterschaft gibt es

vier Divisionen für Männer und eine

Promotion. Wir werden also mit dem

Aufstieg beginnen, und mein Traum

ist es, innerhalb von fünf Jahren die

Hotelentwicklungsprojekte

Folgende Umbauten am modernen

Flügel des Schlosses sind geplant:

Einige der bisherigen Hotelzimmer

werden verschwinden, neue

Räume, die den Stil des Schlosses

aufnehmen, hinzukommen. Auf

der anderen Seite wird es begrünte

Flachdächer geben und ein Spa wird

in diese Gebäude integriert.

Wir wollen den Kempferhof zu

einem Fünf-Sterne-Haus machen.

Im Schloss brauchen wir noch einen

Aufzug, um die baulichen Normen

zu erfüllen; das Problem besteht

darin, den geeignetsten Platz dafür

zu finden, ohne die historischen

Einrichtungen, wie die Holztreppe,

den Turm oder den „großen Saal“,

zu beeinträchtigen. In den Zimmern

wird die Einrichtung erneuert.

Nachhaltige Entwicklung

Wie prüfen derzeit, ob wir den

Golfplatz für Kinder kostenlos

öffnen können, vielleicht zwei- oder

dreimal jährlich für Schnupperkurse.

Die Zahl der Beschäftigten im Hof

ist von 20 auf 40 gestiegen. In der

Landwirtschaft recyceln wir Wasser,

unser Bewässerungssystem ist fast

ein geschlossener Kreislauf. Wir

siedeln Tierarten wie Enten und

Schwäne an.

Was den Golfsport betrifft, so

wollen wir einen der schönsten

Golfplätze in Europa präsentieren

und zur Elite des europäischen

Golfsports gehören. Wir haben einen

der besten Trainer Frankreichs und

sogar Europas, die besten Spieler

werden hierher kommen, um zu

trainieren. Wir werden Aktivitäten

schaffen und der Kempferhof wird

zu einem Kompetenzzentrum der

Golfwelt.

Zwischen gestern und morgen

Lassen wir am Ende Jules de Dartein

zu Wort kommen, der wenige Monate

vor seinem Tod genaue Anweisungen

für die Pflege der Wälder rund

um sein Haus hinterließ:

„Gerade bei Waldbesitzern ist es

wichtig, dass der künftige Besitzer

den Wald und das ihm zugedachte

Land kennen, lieben und bewirtschaften

lernt; es muss eine innige

Beziehung zwischen dem Besitzer

und seinen Feldern und allen Bäumen

(Obst und Wald) bestehen. Verwechseln

Sie nicht Eigentum mit Kaufleuten:

Letztere sind es nicht wert, als

Eigentümer bezeichnet zu werden.

Ein echter Eigentümer hat Rechte vor

Gott, aber auch Pflichten gegenüber

seinen Helfern, seinen Nachbarn

und der Gesellschaft. Man muss dies

wissen und sein ganzes Leben lang

darüber nachdenken, aber man muss

genau wissen und lieben, was man

zum wahren Wohl aller verwalten

muss."

Auch der Architekt Robert van

Hagge (1927-2010) hinterließ seine

Eindrücke vom Kempferhof, den er

in einen Golfplatz verwandelt hat:

„Ich war sofort von der geheimnisvollen,

besonderen Atmosphäre

des Hauses beeindruckt. Nebel und

Dunst hatten sich über die Felder

und Wälder gelegt, die sich in der

Ferne ausdehnten und ineinander

übergingen und dem Betrachter

das Bild einer zusammengesetzten

Landschaft boten. Ich war berauscht

von der ätherischen Atmosphäre, die

mich an all die fabelhaften Landschaften

in den Küstenregionen der

Vereinigten Staaten, auf den Inseln

von Georgia und den Carolinas, oder

an einige absolut schöne Golfplätze

in Schottland am Rande des Ozeans

erinnerte. Mir wurde klar, dass es an

uns lag, ein Meisterwerk zu schaffen,

das in ganz Europa anerkannt und

geschätzt werden würde.“

Würde Jules de Dartein es begrüßen,

wenn „ganz Europa“ zum Golfspielen

zu seinem Kempferhof käme? Er

wäre zweifellos amüsiert und würde

sich freuen, dass sein fantastisches

Haus und sein Grundbesitz erhalten

und geliebt werden.

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Danksagungen

(in alphabetischer Reihenfolge)

Lina Bapst

Sie gab mir die wertvollen Erinnerungen

an die abendlichen Gespräche

unserer Großeltern auf der

Bank vor ihrem Haus weiter, wenn

sie über den Kempferhof sprachen.

Lina hat das Foto beigetragen, auf

dem Jules und Henri de Dartein vor

Georges Fuchs, unserem gemeinsamen

Urgroßvater, sitzen, sowie das

Ehrendiplom, das er erhalten hat.

Claude Bieth

Er war ein Dutzend Jahre lang

Pächter des Kempferhofs, bevor er

den Golfplatz Kempferhof kaufte

und schuf. Er war so freundlich, mir

zu erzählen, wie es dazu kam, dass

das Anwesen von Jules de Dartein zu

einem der schönsten Golfplätze in

Europa wurde.

Charles Bindschedler

Als neuer Leiter des Kempferhofs

erzählte er mir von den Veränderungen,

die bereits auf dem Hof

vorgenommen wurden, sowie von

den Projekten und Innovationen, die

in Zukunft durchgeführt werden.

Dank ihm hatte ich freien und privilegierten

Zugang zu allen Räumen

des Hauses, dem Schloss und der

Kapelle.

Angélique Dubuisson-Escande

Die Ur-Ur-Enkelin von Henri de

Dartein hat mir im April 2017 freundlicherweise

mehrere Dokumente

geschickt, die ihr Vater, der Historiker

Jean N. D. Escande, abgetippt

hatte, da er sie mir aufgrund seines

schlechten Gesundheitszustands

nicht mehr schicken konnte.

Arnaud de Gail

Im Jahr 2012 empfing er mich in

seinem Haus, um mir von der Familie

de Gail zu erzählen, die mit den

Darteins verbündet ist, und übergab

mir die Porträts seiner Großeltern

väterlicherseits, Charles Antoine de

Gail und Marie Adélaïde de Dartein,

seiner Frau.

François-Régis de Gail

Er empfing mich am 18. Dezember

2012 in seinem Haus in

Straßburg-Meinau, um mir seine

Erinnerungen an seine Eltern und

den Kempferhof mitzuteilen, und

erlaubte mir, ihn mit einem Diktiergerät

aufzunehmen. Seine Leihgabe

von Medaillons, die Charles Mathieu

Sylvestre de Dartein und Françoise

Rosalie de Salomon darstellen und

die ich fotografieren konnte, hat

mich sehr berührt.

Jean-Paul Heiser

Als Kirchenvorstand in Plobsheim

zum Zeitpunkt meiner Recherchen

gewährte er mir Zugang zu den

katholischen Archiven, was es mir

ermöglichte, das Grundbuch von

1688/1689 einzusehen und etwas

über die Pläne für eine neue Kirche

zu erfahren, die Jules de Dartein

bauen wollte.

Richard Hirschner

Er ist der Geschäftsführer von

„Super U Eschau“ und unterstützt

meine Arbeit seit vielen Jahren mit

Nachdruck.

Ernest Huber

Er gab mir viele Informationen über

Antoine Huber, seinen Urgroßvater,

der bis zu seinem Tod 1898 Verwalter

des Kempferhofs und Kutscher von

Jules de Dartein war. Sein Großvater,

Toni Huber, wuchs im 19. Jahrhundert

mit seinen Geschwistern auf

dem Kempferhof auf.

Michel Schreiber

Die Begegnung mit Michel Schreiber

war für mich ausschlaggebend,

was das Buch über den Kempferhof

anbelangt. Es war seine Ermutigung,

die mich dazu brachte, diese Geschichte

zu schreiben. Er arbeitet seit

mehr als drei Jahren an der Biografie

der Familie Dartein und bereitet

ein großes Buch zu diesem Thema

vor. Michel, der sich seit langem für

diese Familie interessiert, stellte

mir sein genealogisches Wissen zur

Verfügung und übermittelte mir

zahlreiche historische Details sowie

unveröffentlichte Illustrationen, von

denen dieses Buch profitierte, und

die heute von mehreren Nachkommen

jenes Jean Baptiste de Dartein

aufbewahrt werden, der sich in

den frühen 1760er Jahren im Elsass

niederließ.

Ihnen allen möchte ich meinen aufrichtigen

Dank aussprechen.

Der Autor: René Deiber

Als Holzbildhauermeister in Plobsheim,

M.O.F. (Meilleur Ouvrier de

France) im Jahr 1965, habe ich ein

halbes Dutzend junger Leute in

diesem Beruf ausgebildet. Seit dem

Jahr 2000 bin ich im Ruhestand. Ich

bin Ehrenpräsident der Zunft der

Holzschnitzer im Bas-Rhin, Ehrenpräsident

der F.R.E.M.A.A. (Regionaler

Verband der Kunsthandwerker des

Elsass) und war Richterlicher Sachverständiger

im Bereich der Schreinerei

am Appellationsgericht Colmar

von 1997 bis 2009. Als Liebhaber der

lokalen Geschichte habe ich sechs

Jahre lang einen Kurs in deutscher

Paläographie belegt, um die alten

deutschen Texte in den Archiven

einsehen zu können. Im Jahr 2002

gründete ich den Heimatverein Le

Giessen de Plobsheim, der zum Zeitpunkt

meines Ausscheidens im Jahr

2015 rund 200 Mitglieder zählte.

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Impressum

herausgeber:

Mack One France, Michael Mack

Idee:

Michael Mack, Dr. Moritz Feninger

Die Familie Mack beim Richtfest zum neuen Innovationsstandort Mack One France in Plobsheim im Elsass.

CREATIVE THINKTANK/CONCEPT/Design:

Matthias Lange, Sabine Ostholt, Horst Koppelstätter

REDAKTION/AUTOREN/KORREKTUR:

Horst Koppelstätter (V.i.S.d.P.), Christoph Ertz,

Stefan Tolksdorf

Produktion:

Koppelstätter Media GmbH, Bergstraße 38,

76547 Sinzheim / Baden-Baden,

www.koppelstaetter-media.de

KOORDINATION: Beate Zehe

AUTOR historischer TEIL: René Deiber

Wir teilen nicht nur den Rhein,

sondern auch eine wundervolle Freundschaft.

Für eine gute Zukunft

Europas bleibt das Tandem Frankreich

und Deutschland unverzichtbar

michael mack

französischer Honorarkonsul für Freiburg & Tübingen

Druck: www.bk-offset.de

FOTOS: Mack One France, Koppelstätter Media,

Plobsheim, shutterstock_Frederic Legrand – COMEO,

Kempferhof France, Vincent Muller, Michael Bode,

MackNext GmbH & Co. KG, Jacky LEY, Eric Tran-

Quang, seven_elephants, Filmakademie-Baden-Wuerttemberg_Roland_Moench,

HaasimStudio.de,

Stefan Strumbel/Stefan Armbruster, Pascal Bastien,

Jérôme Dorkel, AMBER BLAKE 2022 © MackNeXT,

Station F, Patrick Tourneboeuf, Lucquet architectes

associes, David Haffen / La Fémis

BILDRECHTE historischer TEIL:

Mack One France

Alle Rechte für Gestaltung und Inhalt (mit Ausnahme

des historischen Teils) bei Koppelstätter Media

GmbH.



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