web_Plobsheim_DT
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
freundschaft
amitié
Geschichte und Vision von
Plobsheim und dem Kempferhof
Liebe Leserinnen und Leser,
freundschaft
amitié
lange Zeit prägten Hass und Unfrieden das Verhältnis von Deutschen und
Franzosen. Im 19. Jahrhundert kam sogar der Begriff der „Erbfeindschaft“
hoch, so als wollte man diesen Zustand für alle Zeiten festschreiben. Die
Folgen waren für beide Seiten verheerend: Napoleons Truppen kamen
im frühen 19. Jahrhundert nach Deutschland, die Deutschen wiederum
verleibten sich nach dem Krieg 1870/71 Elsass und Lothringen ein. Die
„Erbfeindschaft“ war schließlich einer der Gründe für die Katastrophen
des Ersten und Zweiten Weltkriegs.
Vor 60 Jahren, am 22. Januar 1963, wurde zwischen Frankreich und der
Bundesrepublik Deutschland der Élysée-Vertrag zur Aussöhnung der beiden
einstigen Erbfeinde geschlossen. Seitdem verbindet uns eine starke
Freundschaft. Was Bundeskanzler Konrad Adenauer und Staatspräsident
Charles de Gaulle damals initiierten, muss aber stets mit Leben erfüllt
werden, um nicht zu verkümmern.
Gerade entlang des Oberrheins bietet sich dafür ein riesiges Potenzial,
von dem die Menschen auf beiden Seiten profitieren. Mein Großvater
Franz Mack durchschwamm einst den Rhein, um nach Krieg und Gefangenschaft
endlich nach Hause zu kommen. Ein schlechtes Wort über den
Nachbarn auf der anderen Flussseite gab es aber nie in unserer Familie.
Spätestens mit der Gründung des Europa-Park 1975 wurden die Franzosen
zur unverzichtbaren Stütze für unser Familienunternehmen, sowohl was
unsere vielen französischen Mitarbeiter als auch die Millionen Besucher
aus Frankreich betrifft.
Geschichte und Vision von
Plobsheim und dem Kempferhof
Mit einem Multimedia-Entwicklungszentrum in Plobsheim bei Straßburg
haben wir nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Erstmals hat unsere
Familie außerhalb Deutschlands einen Standort eröffnet. Kreativität darf
sowieso keine Grenzen kennen – ebenso wie die deutsch-französische
Freundschaft. Frankreich ist eine Inspirationsquelle für uns. In Plobsheim
mischen sich das französische Savoir Vivre und Kreativität mit der viel
zitierten deutschen Gründlichkeit. Das vorliegende Buch schlägt eine
Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Frankreich und
Deutschland und auch zwischen Ideen und Beziehungen, die es über den
Rhein immer schon gab und sicher nie zu Ende gehen werden.
Ich wünsche Ihnen eine spannende, inspirierende Lektüre.
michael MAck
Die Geschichte des Kempferhofs
mastermind 4
Michael Mack
42 Begegnung
Thomas Schadt
inhalt
AMITIÉ 8
Emmanuel Macron
GRÜne ATMOSPHÄre 10
Gespräch mit Pierre-Etienne Bindschedler
und Michael Mack
Aufbruch in neue Welten 18
Digitalisierung
EIN WeinGut FÜR EUROPA 26
Ollwiller im Elsass
Deutsch-Französisches Tandem 30
Brigitte Klinkert
hoLLywood in Rust 32
Luc Besson
chance 36
Michèle Leckler
europa des Films 38
Fabian Gasmia
Technik braucht geschichte 40
Pierre-Yves Jourdain
44 the oscar goes to
Gerd Nefzer
46 spass für jeden spieler
Maylis Lamoure
48 glücksbringer
Jade Lagardère
54 Traumfabrik
„Station F“ in Paris
56 auf extratour
Raymond E. Waydelich
58 ahoi heimat
Stefan Strumbel
60 frauenpower
Pia Imbs und Jeanne Barseghian
64 spurensuche
Laurette Lourenço-Siefert
66 début
Mack One France
70 Kapitel I
Das Dorf
Die erste Tieflandburg
Maria zur Aych – „Notre-Dame du Chêne“
Das zweite Schloss
74 Kapitel II
Neue Herrschaftsverhältnisse
78 Kapitel III
Die Familie Dartein im Elsass
92 Kapitel IV
Der Nachlass wird zum „Kempferhof“
98 Kapitel V
Die Bauten des Kempferhofs
124 Kapitel VI
Das „Haus von Dartein” und das „Haus von Gail”
130 Kapitel Vii
Zeugnisse aus der Familie
136 Kapitel VIII
1990: Wiederbelebung des Kempferhofs
und die Anlage des Golfplatzes
2
3
MAstermind
S
eit 2018 arbeitet Michael Mack als französischer Honorarkonsul für die Regierungsbezirke
Freiburg im Breisgau und Tübingen an der Intensivierung
der deutsch-französischen Freundschaft. Tradition, Jugend, Digitalisierung
und Zukunft sind ihm dabei besonders wichtige Aspekte. „Mein Augenmerk
gilt vorrangig der Förderung grenzüberschreitender Projekte, Innovationen
und Initiativen“, kündigte der geschäftsführende Gesellschafter des Europa-Park 2018
an und hat inzwischen auf ganz praktische und unternehmerische Weise Wort gehalten.
Im elsässischen Plobsheim unweit von Straßburg hat er einen Kreativstandort
aufgebaut – es ist das erste Tochterunternehmen der Europa-Park-Familie Mack
außerhalb Deutschlands. Im Interview erklärt Michael Mack die Hintergründe und
Ziele.
Mack One France ist die Kreativschmiede der Familie Mack, die in Plobsheim wächst.
Was entsteht hier genau? Gibt es Ausbaustufen für die nächsten Jahre?
Michael Mack — Wir bündeln im elsässischen Plobsheim innerhalb der neu gegründeten
Mack One France sowohl unsere Frankreich-Aktivitäten im Bereich Marketing
und Vertrieb als auch einen wichtigen Teil der technologie- und innovationsgetriebenen
Aktivitäten der Mack Interactive im dort erbauten Innovations-Campus. Plobsheim
wird uns aufgrund der strategischen Lage Zugang und Nähe zu den wichtigen
Talenten des französischen Innovations-Ökosystems sichern. Es liegt knapp zehn Kilometer
südlich von Straßburg, dem TGV-Halt und dem Flughafen Straßburg. Auch
der ICE-Bahnhof Offenburg und der Standort Rust sind nahe gelegen. Unsere Familie
gründet hier ihren ersten Dienstsitz außerhalb Deutschlands.
Plobsheim ist gleichzeitig eine Wachstumsstrategie Richtung Paris, wir versuchen
das Einzugsgebiet des Parks zu vergrößern. Darüber hinaus bietet der neue Sitz kreative
Ruhe und den Abstand zum doch manchmal hektischen Alltag im Europa-Park.
Wir wollen neue Formen der Unterhaltung entwickeln und erforschen. Wir sind komplett
offen für die Zukunft. Momentan handelt es sich beispielsweise um Virtual Reality,
VR-Coaster oder Yullbe, aber auch andere Technologien. Unser Kreativteam wird
sich mit der Zukunft des Entertainments, der Unterhaltungsformen, beschäftigen.
Es geht um Entwicklung, aber auch Research, was am Markt gerade geht oder nicht
geht.
Digitalisierung im Allgemeinen, Plattformtechnologien, Virtual Reality, Augmented
Reality, Künstliche Intelligenz oder auch Dinge, von denen wir vielleicht noch gar
nicht wissen, spielen eine Rolle. Wie sieht der Freizeitpark von morgen aus? Das ist
die Idee für Plobsheim bei Straßburg.
Und wie ist es mit der Filmproduktion?
Mack — Natürlich wollen wir hier auch versuchen die Filmförderung besser zu verstehen.
Man muss wissen, dass Mack Animation in Hannover und auch VR-Coaster in
Kaiserslautern kaum Zutritt und Zugang zum französischen Markt haben. Alle Filme
von Holger Tappe liefen nicht in Frankreich, weil man eine französische Niederlassung
haben muss. Bedenkt man aber, dass der französische Markt an Kinogängern vor der
michael MAck
Wie sieht die Zukunft
des Entertainments aus?
Wie werden
Freizeitparks in einigen
Jahrzehnten aussehen
und wie finden die
Menschen Vergnügen
und Abwechslung in der
neuen digitalen Welt?
Solche Fragen stehen
im Mittelpunkt d er
Aktivitäten von Mack
Next, gegründet von
Michael Mack.
4
neuzeit
MICHAEL MACK
neuzeit
MICHAEL MACK
5
Zusammenkommen ist ein Beginn,
Zusammenbleiben ein Fortschritt,
Zusammenarbeiten ein Erfolg
Henry Ford
Pandemie viermal so groß war, sieht man extremes Potential für uns, zum einem in
der Zusammenarbeit mit französischen Institutionen auch in der Filmförderung, zum
anderen in Vertriebs-Institutionen, um vielleicht den Ed-und-Edda-Euromaus-Kinofilm,
den wir für das 50-Jährige planen, auch in Frankreich zu zeigen.
Nehmen Sie uns mit in die Welt der kreativen Digitalisierung. Geht es mehr um Filme,
um Digitalisierung beim Gaming, um Anwendungen mit Virtueller Realität oder mehr
um künstliche Intelligenz? Was bringt so eine Kreativschmiede, die in die Zukunft
blickt?
Mack — Ich glaube, man kann heute noch nicht jede Frage beantworten. Auf jeden
Fall erhoffen wir uns durch die Nähe zu Straßburg Zugang zu dem Universitäts-Netzwerk.
Dieses ist zweifelsohne in Straßburg vorhanden. Wir hoffen durch den Standort
auf die Gewinnung von Talenten, die wir vielleicht heute nicht nach Rust bekommen.
Talente, die Rust als innovatives Entertainment-Unternehmen auf dem Schirm
haben. Beinahe jeder hat im Elsass Erinnerungen an den Europa-Park, aber doch weniges
Wissen um die Aktivitäten von Mack Animation, VR-Coaster und letztendlich
auch um Dinge wie Eatrenalin. Sie sind im Markt noch gar nicht bekannt und wenn
sie mal in Deutschland bekannt sind, heißt es ja noch lange nicht, dass sie das auch
in Frankreich sind. Wenn man eine Parallelität zu den Besucherzahlen legt, ist auffällig,
dass 20 Prozent davon Franzosen und 20 Prozent Schweizer sind. Allein von der
Größe des Landes und der Einwohnerzahl fällt auf, dass Frankreich einen viel größeren
Markt hat. Sichtbar wird, dass da in der Geschäftsentwicklung noch Luft nach
oben ist. Übrigens auch die Nähe zum TV-Sender Arte in Straßburg spielt eine Rolle.
Plobsheim soll ein Ort sein, um alle Innovationen aus den verschiedenen Gesellschaften
der Familie Mack ein Stück weit zusammenzuziehen und letztendlich auch
strukturiert abzuarbeiten. Der Standort soll auch Dienstleistung an die anderen Firmen
unserer Gruppe sein, bei denen die Innovation im Tagesgeschäft manchmal ein
bisschen untergeht oder zur Seite geschoben wird.
Weshalb Plobsheim und nicht Hauptsitz Europa-Park?
Mack — Es ist außerhalb und dennoch ist die Nähe zum Europa-Park extrem wichtig.
Die Mitarbeiter in Plobsheim können schnell in den Europa-Park kommen und ihn
erleben. Das Produkt hier in Rust auch zu kennen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Die
Mitarbeiter können in Rust alles erleben, nicht nur die 4D-Filme von Mack Animation
und das Magic Cinema, sondern auch die VR-Technologie mit Yullbe und Coastiality
im Park. Die Produkte sind hier erlebbar, sie sind sozusagen unser eigenes Testfeld –
das ist der Europa-Park für neue Technologien. Es ist extrem wichtig, diesen Vibe des
Freizeitparks mitzubekommen.
Was auch noch dazu kommt, ist diese Mischung zwischen der deutsch-französischen
oder romanisch und alemannischen Sprache. Neben der Schweiz oder Kanada ist das
hier einer der wenigen Plätze, wo das Angelsächsisch-Alemannische auf das Romanische
trifft. Diese Mischung erzählt eine Geschichte.
Insofern ist das ein perfekter Mix zwischen Kreativität und der Nähe zum Mutterunternehmen,
aber auch die Eröffnung neuer Horizonte, nicht nur was Arbeitskräfte von
der Universität in Straßburg betrifft, sondern auch auf dem Markt.
Wie wichtig ist solch eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich, aus wirtschaftlicher
Sicht, aber auch als Stabilisierung für die europäische Idee?
Mack — Es ist extrem wichtig, dass man sich gemeinsam trifft und gemeinsam Dinge
anpasst. Es gibt dieses eine Sprichwort: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben
ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ein Erfolg.“ Das hat Henry Ford einmal
gesagt. Das trifft diese Situation ganz gut.
Gleichzeitig entsteht und wächst ein neuer Raum oder eine neue Region, die längst
nicht mehr vom Rhein getrennt ist, die immer mehr zusammenwächst.
Mack — Viele Jahre haben wir als Badener mehr von den Elsässern profitiert als vielleicht
andersherum. Insofern ist es an der Zeit, etwas an die Region zurückzugeben.
Es gab im Vorfeld auch einige kritische Stimmen im Elsass zur Ansiedlung von Mack
One in Plobsheim. Wie gut wurden die Umweltbelange bei dem Projekt berücksichtigt?
Mack — In Zeiten von Social Media werden solche Stimmen nochmal stärker gehört.
Allerdings haben wir nicht nur die erste Regierung der Eurometropole, sondern auch
zwei Bürgermeisterinnen und zwei Bürgermeister in Straßburg mit einbezogen. Wir
haben alles Mögliche getan, wie beispielsweise eine sehr umfangreiche Umweltstudie
mit mehr als 900 Seiten. Es gab keinerlei Einsprüche. Das zeigt eigentlich schon,
dass alles getan wurde, um nachhaltig zu arbeiten. Insofern ist das Bild, wenn man
mit der Region, den regionalen Verbänden oder den Bürgermeistern, den Menschen
in Plobsheim spricht, ein komplett anderes, als das, was die kritischen Stimmen mit
einer kleinen Demo verbreiten. Die Menschen im Elsass sind, soweit ich das wahrnehmen
kann, froh und glücklich, dass wir uns bei ihnen ansiedeln.
Das ganze Thema Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Siegel, auf das man stolz ist, das
wird von der Familie Mack gelebt. Das sieht man hier an diesem Beispiel mit viel Holz,
mit einer sehr guten Einbindung in die Landschaft und die Natur.
Mack — Wir versuchen ebenfalls im Europa-Park, sehr nachhaltig zu arbeiten. Wir
wollen, dass die nächsten Generationen genauso Spaß haben können.
Desweiteren haben wir einen guten Weg gefunden und so geplant, dass weitere Ausbauschritte
in Plobsheim möglich sind, je nachdem, wie erfolgreich wir sein werden.
Expansionsmöglichkeiten sind da. Aber das geht Schritt für Schritt, so, wie wir ja auch
mit dem Europa-Park groß geworden sind.
Die Verkehrsanbindung einerseits an das französische Verkehrsnetz, andererseits auch
an das deutsche sprechen ebenfalls sehr für Plobsheim.
Mack — In zehn Minuten ist man am Flughafen in Entzheim, 20 Minuten braucht man
zum TGV. Man ist in zwei Stunden von Plobsheim in Paris, aber auch nach Deutschland
ist es perfekt. In Offenburg erreichen wir in 20 Minuten den ICE. Plobsheim liegt
sensationell gut.
yullbe
6
neuzeit
MICHAEL MACK
neuzeit
MICHAEL MACK
7
Wir lieben unsere Länder – aber auch Europa
amitié
emmanuel macron
E
uropa braucht die deutsch-französische
Freundschaft. Diese Überzeugung bekräftigt
Emmanuel Macron immer wieder, seit er 2017
mit damals 39 Jahren als jüngster französischer
Präsident aller Zeiten in den Élysée-Palast eingezogen
ist. „Gemeinsam haben wir das Ziel eines stärkeren,
souveräneren, geeinteren und demokratischeren
Europas“, erklärte er etwa beim Treffen mit Bundeskanzler
Olaf Scholz im Mai 2022. Es war die erste Auslandsreise
nach seiner Wiederwahl. „Wir wissen, dass große Aufgaben
vor uns liegen, so zum Beispiel der ökologische und
der digitale Wandel, aber auch die Veränderung unserer
Gesellschaften.“
Historisches Wunder
Bereits 2019 hatte Frankreichs Präsident bei der Unterzeichnung
des Aachener Vertrags daher betont: „Deutschland
und Frankreich müssen in dieser Welt und in diesem
Europa den Weg weisen.“ Die Liebe zur Heimat und die
europäische Integration seien keine Widersprüche. „Wir
lieben unsere Vaterländer, aber wir lieben auch Europa,
weil wir wissen, dass sie tief und untrennbar miteinander
verbunden sind.“
Mit dem Vertrag von Aachen 2019 besiegelten die damalige
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Macron die
deutsch-französische Freundschaft erneut – fast sechs
Jahrzehnte nach dem ersten deutsch-französischen
Freundschaftsvertrag, dem berühmten Élysée-Vertrag
durch Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. Die damals
eingeleitete Aussöhnung sei heute „eine Selbstverständlichkeit,
und wir unterschätzen bestimmt zuweilen,
welch mächtige Bedeutung dieses historische Wunder
hat“, sagte Macron und erinnerte an die jahrhundertelange
schmerzvolle Geschichte, in der sich beide Länder
mit blutigen Kriegen überzogen. „Die Konflikte zwischen
Deutschland und Frankreich haben die Welt in Schutt
und Asche gelegt. Es war unsere Pflicht, dem ein für alle
Mal ein Ende zu bereiten. Das haben wir erreicht.“
Schutzschild Europas
Dies ist für den Präsidenten aber nur die Basis – nicht nur
zu einer vertieften deutsch-französischen, sondern auch
europäischen Freundschaft: „Unser gemeinsames Ziel
muss es nun sein, Europa zu einem Schutzschild unserer
Völker gegen die neuen Stürme in der Welt zu machen.
Es geht um unsere Fähigkeit, zu zeigen, dass die Freundschaft
zwischen Deutschland und Frankreich, dass unsere
gemeinsamen Projekte und unsere Ziele für Europa den
wahren Schutz bieten und es wirklich möglich machen,
unser Schicksal in dieser Welt frei zu gestalten.“
Die Familie Mack als Vorreiter
Der französische Staatspräsident betonte
immer wieder, es sei von unschätzbarer
Bedeutung, dass sich Menschen,
Familien sowie Unternehmen aus Frankreich
und Deutschland austauschen
und gemeinsame Projekte angehen. Die
großartige deutsch-französische Freundschaft
sei letztlich nur den Menschen zu
verdanken. Macron stellt klar: „Ohne die
deutsch-französische Achse kein Europa.
Europa ist ohne Alternative.“ Der
Staatspräsident weiter: „Für mich sind
die Aktivitäten des französischen Honorarkonsuls
Michael Mack ganz im Sinne des Vertrages von
Aachen über die deutsch-französische Zusammenarbeit
und Integration und natürlich im Sinne des Élysée-Vertrags
von 1963. Wir brauchen konkrete Projekte, die die
deutsch-französische Freundschaft noch mehr festigen.“
Die Unternehmerfamilie Mack, die Deutschlands größten
Freizeitpark betreibt, gilt als ein Vorreiter für solche
grenzüberschreitenden Projekte. Die Ansiedlung der
internationalen Kreativschmiede Mack One France für
Filmproduktion und Digitalentwicklung in Plobsheim im
Elsass ist dabei ein wichtiges Signal. Hier gibt es einen
Schulterschluss von hochkarätigen jungen Forschern und
Entwicklern aus Deutschland und Frankreich, aber auch
vielen anderen Nationen.
Macron: „Wie Sie glaube ich an Europa“
In einem Schreiben an die Familie Mack bekräftigt Präsident
Macron: „Wie Sie glaube ich an Europa. Nicht als Beschwörung,
sondern als schwierigen, aber unerlässlichen
Aufbau eines Modells, dessen Relevanz, aber auch dessen
Unzulänglichkeiten, in der letzten Zeit erneut hervorgehoben
wurden. Das europäische Projekt ist nicht abgeschlossen.
Wir müssen uns weiter auf das Europa von
morgen zubewegen, das bürgernäher, agiler, kooperativer
und leistungsfähiger ist und mehr Vertrauen in seine Fähigkeiten
hat, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
zu bewältigen.“
8
neuzeit
FREUNDSCHAFT
neuzeit
FREUNDSCHAFT
9
grüne
Atmosphäre
Der Kempferhof im Elsass gehört zu den
schönsten Golfplätzen Europas.
Was bedeutet Straßburg
für Ihr Unternehmen
Soprema?
Und der Kempferhof?
pierre-Etienne Bindschedler
D
as Golf-Resort Kempferhof im Besitz von Pierre-Etienne Bindschedler gehört
zu den schönsten Golfplätzen in ganz Europa. Nur wenige Kilometer
von Straßburg entfernt und ganz nah am neuen Innovationsstandort
Mack One France ist es sehr beliebt. Gegenwärtig werden das Golf-Resort
und sein dazugehöriges Château-Hotel erweitert und mit Weitsicht modernisiert.
Im Gespräch beschreiben Pierre-Etienne Bindschedler und Michael Mack
die Bedeutung des Kempferhofs und des Engagements der Familie Mack im Elsass
sowie ihre Visionen für die Zukunft.
Pierre-Etienne Bindschedler — Wir können uns nicht von der Umgebung abschotten.
Viele Menschen aus Straßburg arbeiten bei uns, viele Führungskräfte von Soprema
kommen aus Straßburg. Daher sind wir automatisch eng mit Straßburg verbunden.
Wir müssen die Region einbeziehen. Unterstützung der Kultur gehört dazu.
Der Kempferhof ist neun Minuten vom Soprema-Firmensitz entfernt. Es ist ein einzigartiger,
wunderschöner Platz, den ich hier gefunden habe. Ich spiele kein Golf. Michael
Mack ist ein großer Golf-Fan. Mein Ansatz ist, hier ein Hotel und ein Restaurant in
dieser grünen Atmosphäre aufzubauen. Das war der einzige Grund, warum ich mich
auf dem Golfplatz Kempferhof niederlassen wollte. Ich habe ihn gekauft, als er sich in
einer sehr schwierigen finanziellen Lage befand, das Gelände war nicht wirklich gut
erhalten. Wir wollen hier künftig eine Art Golf anbieten, die mit der Stadt Plobsheim
harmoniert und sich einfügt.
Wir bieten etwa den Kindern von Plobsheim an, vier Stunden pro Woche hier mit einem
Trainer zu golfen, und dies für 50 Euro pro Jahr. Ich finde das ist wichtig, weil Golf
Nachwuchs braucht. Wer weiß, vielleicht bringen wir so den nächsten Weltmeister
im Golf hervor.
Es ist für Sie also sehr
wichtig, etwas für die
Gesellschaft zu tun.
Was verbindet die Familien
Mack und Bindschedler?
Wo gibt es Parallelen?
Ich liebe eigentlich die Schweizer Berge. Ich habe eine kleine Ski-Station, wo mich auch
schon Michael mit seiner Frau und seinen Kindern besucht hat. Als ich klein war, hat
die Stadt dort den Kindern die gleiche Möglichkeit angeboten. Man konnte Skifahren,
wurde von Lehrern trainiert. Der Sport hat uns die Chance gegeben, auch gesundheitlich
fit zu bleiben und auch andere Stärken, wie Mut, Fairplay, Respekt, gefördert, die
für das soziale Leben unerlässlich sind. Und dies möchten wir mit unserem Golf-Angebot
auch den Kindern in Plobsheim bieten.
Bindschedler — Es kommt noch ein anderer Aspekt dazu: Je berühmter Straßburg ist,
umso mehr Wert hat dies für die Unternehmen hier. Auch im Hinblick auf die Personal-Akquise.
Man muss für die jungen Menschen attraktiv sein. Und auch für unsere
Geschäftspartner ist die Wertigkeit des Ortes wichtig. 1840/1850 war das Straßburger
Münster das höchste Gebäude der Welt. Außerdem war die Straßburger Universität
eine außergewöhnlich berühmte Universität in Europa, in einer Zeit, als Europa die
Welt dominierte. Dadurch haben wir schon einmal eine außerordentlich gute Grundlage.
Michael Mack — Zuallererst sind wir natürlich beide Unternehmer mit dem gleichen
Esprit und derselben Art, wie wir unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern
empfinden. Regional und global zu gleichen Teilen. Wir haben alle einen starken
Bezug zu unserer Region. Wir haben übrigens am gleichen Tag Geburtstag.
Bindschedler — Das ist sehr schade, weil ich viele Einladungen bekomme, aber nie kommen
kann.
Mack — Das ist für mich natürlich das gleiche Dilemma. Uns verbinden die Art, wie wir
den Handschlag praktizieren, uns in die Augen schauen. Wir leben die Tradition des
Familienunternehmen. Wir haben diese gemeinsame Wertevorstellung, die gleiche
Vorstellung, was es heißt, als Familie zusammenzuarbeiten. Als ich zum ersten Mal
von der Erfolgsstory von Pierre-Etienne Bindschedler gehört habe, war ich begeistert.
Ich habe Pierre-Etienne als jemanden kennengelernt, der der Region etwas zurückgeben
möchte. Auch unsere Frauen und Kinder sind eng verbunden. Es ist mehr als der
Ansatz, Geld zu verdienen. Wir sind überzeugt, dass diese Verbundenheit über weitere
Generationen und noch viele Jahre anhalten wird.
Bindschedler — Die Familie Mack beeindruckt mich durch ihre sozialen Aktivitäten, sie
bewirkt immens viel für ihre Region, ist stolz auf das Erreichte. Die Region lebt vom
Europa-Park, Colmar, dem Elsass. Als ich in der Schweiz aufwuchs, kannte ich eher den
Europa-Park als Straßburg. Das ist ein wirklich berühmter Park. Die Leistung und der
Stolz der Familie Mack sind außerordentlich. Wenn man stolz auf seine Leistungen
ist, ist man viel leistungsstärker. Dies färbt sich auch auf die Jugend ab. Dies ist auch
in der Industrie wichtig. Ohne Mut und Stolz erreicht man nicht viel. Ich habe ein gutes
Beispiel aus dem französischen Sport, was es so nur in Frankreich gibt. Wenn ein
Sportler in einer Sparte erfolgreich ist, eifern ihm zehn Jahre lang alle in dieser Sportart
nach. Danach kommt wieder ein anderer, in Frankreich ändert man seine Aktivitäten
ständig. Als Jean-Claude Killy im Skifahren Erfolg hatte, wollten alle Erfolg beim
Skifahren haben. Alain Prost in der Formel 1, Yannick Noah im Tennis …alle hatten ehrgeizige
Nachahmer, die erfolgreich waren. Es geht um die Ambitionen. Manche eifern
Pierre-Etienne
Bindschedler
ist Inhaber und
Präsident des
Baustoffspezialisten
Soprema in
Straßburg, der
mit mehr als 3,7
Milliarden Euro
Jahresumsatz zu
den führenden
Unternehmen in
Frankreich zählt.
Die Familien Mack
und Bindschedler
engagieren sich in
Sport, Kultur
und sozialen
Aktivitäten.
12
neuzeit PARTNERSCHAFT
neuzeit PARTNERSCHAFT 13
den Erfolgreichen auch aus Neid nach. Der Europa-Park hat der Region durch seinen
Erfolg großen Wohlstand und Arbeitsplätze beschert. Das ist fantastisch. Dieser Park
hat ein Niveau erreicht, das seinesgleichen sucht.
Mack — Ein Unternehmerfreund erzählte mir kürzlich vom wichtigsten Satz seines
Vaters: Unternehmer lernen von Unternehmern. Das heißt, wir lernen voneinander,
auch wenn wir aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Dieser offene Austausch
mit gemeinsamer Vision ist essenziell. Ich würde nie in ein Business investieren, ohne
vorher das Unternehmen persönlich kennengelernt zu haben.
Wie weit reicht der
Kontakt zurück?
Wo sehen Sie Synergien
zwischen dem Resort
Kempferhof und dem neuen
Sitz von Mack One France?
Bindschedler — 2016 habe ich den Kempferhof gekauft. Ich habe zehn Jahre mit dem
Eigentümer verhandelt.
Mack — Viele Deutsche kennen den Kempferhof nicht, obwohl es sehr nah an Deutschland
grenzt. Ich denke, wir bringen durch Mack One France auch viele Nicht-Golfer
hierher. Durch die Investitionen von Herrn Bindschedler benötigen wir auch keine
weitere große Infrastruktur, wie ein Hotel in der Nähe des Golfplatzes. Unsere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter können im Kempferhof essen, sie werden hier auch
Freundschaften und Verbindungen knüpfen. Zusammen möchten wir diesen Ort
qualitativ aufwerten. Der Golfplatz ist bereits in exzellentem Zustand, einer der besten
Plätze in Europa. Und: Wir haben Soprema auf unserem Dach. Wir sind ein großer
Kunde von Soprema.
michael mack
Und das Filmgeschäft?
Sie haben Roland und
Michael Mack sogar die
Ehrenmitgliedschaft für
den Golfclub Kempferhof
verliehen …
Mack — Wir möchten hier Talente finden, die vielleicht nicht nach Deutschland kommen
möchten, weil sie die Sprache nicht sprechen.
Bindschedler — Ich freue mich sehr, Mack One France hier als Nachbarn zu haben. Das
Unternehmen wird viele Gäste anziehen, auch viele Arbeitskräfte. Zudem hat Mack
One France durch die schöne Landschaft die Möglichkeit, diesen Ort bekanntzumachen.
Wenn man natürlich in New York arbeiten möchte, können wir nicht konkurrieren.
New York ist und bleibt New York. Allerdings suchen aktuell die Menschen eher
nach grünen Plätzen. Wenn wir gut in unserem Geschäft sind, jeder für sich, können
wir uns gegenseitig helfen, attraktiver zu werden. Sie können es ein wenig mit Silicon
Valley vergleichen. Man sieht so verschiedene Unternehmen und zusammen ergeben
sie ein großes Ganzes. Das ist die gleiche Idee. Kreative Menschen kommen und sehen
den großartigen Golfplatz und das tolle Resort – das ist eine perfekte Symbiose.
Bindschedler — Ja, wir sind sehr stolz darauf. Ich muss die Urkunde in den Eingangsbereich
hängen (lacht). Michael hatte mir erzählt, dass sein Vater lange Jahre nicht
hierhergekommen ist. Daher war ich sehr stolz, als ich gehört habe, dass er kürzlich
hier war. Hat er Golf gespielt?
Mack — Nein, das ist meine nächste große Aufgabe, ihn zum Golfen zu bringen.
Bindschedler — War er früher Golfer?
Das Elsass und Baden
bilden eine gemeinsame
Region, wie lassen sich die
Stärken gegenseitig noch
besser nutzen?
Und wenn man Jean-Pierre Bindschedlers Erlebnis als Kind betrachtet, wie er zum Skifahren
kam, so hoffe ich, dass viele Kinder hier in Plobsheim sich einmal zurückerinnern
und erzählen können, dass ihre Karriere hier gestartet hat und später vielleicht
einmal Europa- oder sogar Weltmeister sein werden.
Bindschedler — Wir können das inzwischen bei den Menschen sehen, die die gleiche
Sprache sprechen. Sie fühlen sich eng verbunden, aber man sieht es ja bei der
Ukraine und Russland. Es gibt gemischte Familien und nun töten sie sich gegenseitig.
Ich bin viel gereist, komme aus den Schweizer Bergen, und habe festgestellt, dass es
überall gute und schlechte Menschen gibt. Es liegt in unserer Verantwortung, solche
dummen Aktionen zu verhindern. Jede Handlung kann dramatische Folgen haben.
Ganz sicher haben wir am Rhein entlang eine Gemeinschaft, besonders zwischen
Schwarzwald bis hin zu den Vogesen. Die Grenze ist der Rhein und ist eigentlich gar
keine Grenze, weil wir einfach und frei von der einen zu der anderen Seite gelangen
können. Das fördert auch die Verbindung zwischen den Menschen. Aber ich denke,
dass die „richtigen“ Elsässer, die schon lange im Elsass leben und auch die elsässische
Sprache sprechen, sehr eng mit den Menschen aus Baden-Württemberg verbunden
sind. Gleiche Sprache – gleicher Dialekt. Im Elsass sieht man auch oft die historische
Landesflagge, auch hier bei uns, weil wir stolz auf unsere Region sind. Ich komme von
einem kleinen Dorf in der Schweiz und in jedem kleinen Chalet sieht man die Landesfahne.
Im Wallis die Fahne mit den 13 Sternen. Sie sind stolz auf ihr Gebiet.
Mack — Nein, nie.
14 neuzeit PARTNERSCHAFT
neuzeit PARTNERSCHAFT
15
Wir haben über Alemannisch
und Schwyzerdütsch
und auch Badisch gesprochen.
Was haben wir für
Chancen in dieser Region
hinsichtlich Kultur, gemeinsamem
Potential, Technologie?
Bindschedler — Wichtig ist, nichts zu erzwingen. Die Mack-Familie kann etwas Großartiges
zwischen Freiburg und Offenburg bauen, dann als zweiten Schritt im Elsass.
Aber wie gesagt, ganz ohne Druck. Die Menschen müssen fühlen, dass sie alle im
gleichen Boot sitzen. Und dafür sind wir verantwortlich.
Mack — Wichtig ist, dass es nicht nur eine unternehmerische Zusammenarbeit sein
kann. Das Verhältnis zwischen der Familie Bindschedler und uns ist einzigartig.
Bindschedler — Die Dreisprachigkeit (Schwyzerdütsch, Französisch und Deutsch) hilft
sicherlich auch beim gemeinsamen Mindset. Ich habe meine Wurzeln in der Schweiz,
lebe im Elsass und schätze den Europa-Park ...
Mack — Mein Opa hat immer gesagt: „Wie lernst du die Sprache deines Nachbarn am
besten? Auf dem Kissen einer schönen Frau.“
Das hat auch Tomi Ungerer immer gesagt.
Was fasziniert Sie am
Europa-Park?
Was begeistert Sie am
Kempferhof?
Bindschedler — Ich habe ein Beispiel, das nichts mit dem Europa-Park an sich zu tun hat.
Ich habe ein Treffen mit 800 Leuten organisiert. Wo kann ich hingehen, um dieses
Meeting in der Region zu realisieren? Der Europa-Park ist ein Zentrum an Attraktionen.
Wohin gehe ich mit meinen Kindern einmal im Quartal? Europa-Park oder Disney.
Der große Unterschied ist das Freiheitsgefühl im Europa-Park. Man muss keine
Mickey Maus kaufen, man muss nicht im Restaurant essen, man hat die Wahl. Das ist
außerordentlich. Das Vergnügen ist das gleiche … Achterbahnen für groß und klein,
eine große Dynamik, immer neue Ideen … aber diese Wahlfreiheit, die man im Park
hat, das ist einmalig.
Mack — Das hat etwas mit meiner Jugend zu tun. Als ich klein war, wollte mein Vater
nicht, dass mein Bruder Thomas und ich in Deutschland Golf spielen, weil es als ein
snobistischer Sport für Reiche galt. Deshalb entschieden wir uns, hierherzukommen.
So haben wir diesen exzellenten, wunderschönen Platz hier in Plobsheim gefunden.
Ich habe hieran viele Kindheitserinnerungen, habe hier auch an Wettkämpfen teilgenommen
und bin für Plobsheim im Amateur-Team angetreten. Meine Mutter hat mich
immer hergefahren, ich habe trainiert und sie hat währenddessen
ein Buch im Auto gelesen, danach sind wir in
den Supermarkt und haben ein Baguette und Camembert
gekauft. Das sind Kindheitserinnerungen. Wertvolle Zeit,
die ich mit meiner Mutter verbracht habe. Die Ruhe dieses
Platzes, die Laissez-Faire-Mentalität, die Lebensfreude …
das ist ganz anders als in Deutschland. Die Süddeutschen
genießen zwar das Leben, aber die Franzosen leben dies
nochmals ganz anders vor. Es ist hier eine andere Welt für
mich. Ich bin hier nicht der Unternehmer, auf den man
in Deutschland zeigt, ich bin hier für mich. Der Mix aus
deutscher Korrektheit und französischer Leichtigkeit, ich
denke, das alles hat hier eine große Zukunft vor sich. Mit
Pierre-Etienne Bindschedler als Freund an der Seite wird
der Kempferhof hoffentlich für immer überleben.
Wie werden Golfresort und
Hotel Kempferhof ausgebaut?
Wie sieht die Vision
für diesen magischen Ort in
der Natur aus?
„Wichtig ist,
nichts zu erZWingen“
Pierre-Etienne Bindschedler
Bindschedler — Wir werden viel Geld investieren und wir möchten höchste Qualität
bieten und eine Location auf Top-Level erschaffen. Zudem ziehen wir hoffentlich
viele Menschen an – bestimmt nicht so viele wie der Europa-Park, aber wenn wir
Menschen außerhalb unserer Region bekommen, ist das schon wunderbar. Wir haben
einen provisorischen Trainingsplatz, den wir von Grund auf renovieren werden.
Zusammen mit der Familie Mack haben wir uns entschieden, in die aktuell bestmögliche
Technologie zu investieren, die existiert, um den Menschen Golf beizubringen.
Es ist eine TrackMan-Range. Über Radar erfährt man, was genau man gerade spielt.
Eine Technik, die richtig Spaß macht. Außerdem werden wir ein System installieren,
das die Bewegung des Körpers misst. Der Körper stellt einen großen Teil des Erfolges
dar. Der Präsident des französischen Golfverbands kam vorletzten Winter hierher, um
zu sehen, was wir hier tun, um letztendlich so die Jugend für die Nationalmannschaft
vorzubereiten. Da hatten wir einen kleinen Vorsprung.
16
neuzeit
PARTNERSCHAFT
neuzeit
PARTNERSCHAFT
17
Aufbruch in
neue Welten
Wie der EUROPA-PARK UNTER DER ÄGIDE VON MICHAEL MACK ZU
EINEM WELTWEIT BEACHTETEN Player im weiten Feld der
Digitalisierung und sogar der Filmwirtschaft aufgestiegen ist
D
as kann doch nicht wahr sein – oder doch? Ein
Weltraummonster ist auf den Zug gesprungen.
Mit seinen spinnenartigen und dennoch
fetten Beinen krallt sich der Alien fest und
reißt eine Kabine aus dem Zug. Die sonderbare
Kombination verschwindet in den unendlichen Weiten
des Weltalls. Doch für einen Gedanken bleibt keine Zeit.
Denn wie in einem Raumschiff wird man selbst durch
eben jene dunkle Weiten katapultiert, einer scharfen Kurve
folgt ein Sturz in die Tiefe und immer wieder spielen
sich wildeste Science-Fiction-Szenen vor den Augen des
Passagiers ab: Wüstenplaneten, Raumfahrzeuge, grauenerregende
Gestalten. Wer die Virtual-Reality-Achterbahn
„Eurosat Coastality“ im Europa-Park fährt, landet
in einer Zwischenwelt: Die Bewegungen der Achterbahn
sind real, aber was die Passagiere mit ihren VR-Brillen sehen,
ist Illusion – täuschend echt und viele Minuten lang.
„Wer zur Weltspitze gehören will, kommt an der Digitalisierung
nicht vorbei“, sagt er. Natürlich werde es das klassische
Kettenkarussell ebenso weiterhin geben wie das
Grundbedürfnis nach dem kontrollierten Adrenalinausstoß
durch eine Achterbahn – aber wenn man wachsen
wolle, gehöre die Digitalisierung und die dazugehörigen
neuen Möglichkeiten zu den Treibern.
„Es ist das Modell, das man vom Branchenriesen Disney
kennt“, staunt die Tageszeitung „Die Welt“. Aber mit umgekehrten
Vorzeichen. Denn während Disney seine Freizeitparks
als einen weiteren Absatzkanal für die Helden
von der Kinoleinwand nutzt, verlängert Michael Mack
mit digitalen Medien das Erlebnis des Europa-Park weit
über dessen physischen Grenzen hinaus. Kino und Europa-Park?
„Beide begeistern Menschen, sie berühren ihre
Gefühle“, sagt er – und daher passe allein schon diese
Kombination perfekt zusammen.
Freizeitparks werden digital
Von solch einem virtuellen Weltraumabenteuer bis hin
zu digitalen Armbändern, mit deren Hilfe die Besucher
ihren Platz in der Warteschlange zugewiesen bekommen:
Auf der ganzen Welt sind Freizeitparks nicht mehr nur die
analogen Erlebnisse vergangener Jahrzehnte, sondern
setzen immer mehr auf Digitalisierung. Die Technik hält
nicht nur in den Attraktionen Einzug. Besonders mit Hilfe
von Apps bieten sich für die Betreiber neue Möglichkeiten
zur ausgefeilten Zielgruppenansprache und zum Fördern
der langfristigen Markentreue. Vor zehn Jahren war diese
Digitalisierung der Freizeitparks fast noch undenkbar. Die
Entwicklung brauchte Menschen mit Phantasie, Weitsicht
und Mut – Visionäre wie Michael Mack. In achter Generation
des fast 240 Jahre alten Familienunternehmens
Mack hat er mit mehreren Tochterunternehmen die Europa-Park-Gruppe
zum weltweiten Vorreiter modernster
digitaler Unterhaltungs- und Erlebnistechnik gemacht.
Unter der Ägide des genialen Ideengebers und Antreibers
produziert der Europa-Park inzwischen Kinofilme, verkauft
Virtual-Reality-Attraktionen in die ganze Welt, entwickelt
Apps und Spiele oder erweckt eigene Charaktere
zum Leben, für die bereits erfolgreiche Fantasy-Romanreihen
auf den Markt gekommen sind. Michael Mack ist
überzeugt, dass man das analoge Erlebnis im Freizeitpark
digitalisieren und ins Mediengeschäft einsteigen muss.
die tochter aus der garage
Der älteste Sohn von Europa-Park-Gründer Roland Mack
(geboren 1978) widmet sich bereits seit zwei Jahrzehnten
dieser virtuellen Ausdehnung des Europa-Park. Und wie
es sich für viele Wirtschaftsvisionäre der heutigen Zeit
gehört, beginnt diese Geschichte quasi in einer Garage.
Dazu steht am Anfang ein früherer Technik-Hype, den
junge Leute heute allenfalls noch vom Hörensagen kennen:
die VHS-Kassette. Der Europa-Park bot um die Jahrtausendwende
einen gut halbstündigen Imagefilm auf
VHS zum Verkauf an. Doch die Kassetten waren bereits
zu dieser Zeit ein Auslaufmodell. Als die Bänder von der
DVD abgelöst werden sollten, erkannte Michael Mack das
Potenzial: „Es war klar, dass wir unbedingt etwas auf DVD
haben mussten." Der von ihm produzierte neue Imagefilm
enthielt erstmals auch viele Hintergrundbeiträge
aus einem Freizeitpark und wurde ein Verkaufserfolg. Daraus
ist 2002 die Tochterfirma Mack Media entstanden.
„Wir haben anfangs aus der Garage heraus gearbeitet",
erzählt Mack. Personal habe er aus anderen Abteilungen
„zweckentfremdet“. Den bescheidenen Anfängen
ist Mack Media längst entwachsen. Unter anderem mit
eigenen Kamerateams und Studios kümmert sich das
Unternehmen um die digitale Welt des Europa-Park. Es
produziert Werbespots und Eventfilme, dreht Berichte,
Interviews und Erklär-Filme für die Fahrattraktionen,
Schulungsfilme für die Mitarbeiter und befüllt diverse
Facebook-Seiten sowie den eigenen YouTube-Channel.
Mit dem Animationsfilm „Das Geheimnis von Schloss
Balthasar 4D“ wurde 2011 die erste eigene Geschichte mit
den Park-Charakteren „Ed und Edda Euromaus“ verfilmt.
„Seither widmet sich die Mack Media der Marken- und
Story-Entwicklung vom Live-Entertainment bis hin zur
Kinofilmproduktion“, erläutert Mack.
Der weg ins Kino führt über Paris
In die Welt des Films gelangte der Macher aber über den
Umweg eines Weltstars: des berühmten französischen
Regisseurs Luc Besson. 2009 reiste Michael Mack nach
Paris, um den Star-Regisseur von der Idee zu überzeugen,
eine Attraktion, basierend auf der Animationsfilmreihe
„Arthur und die Minimoys“, zu erschaffen. Das klappte
tatsächlich, beide Seite waren sich gleich sympathisch.
Die Realisierung der Attraktion „Arthur – Im Königreich
der Minimoys“ im Europa-Park beansprucht aber fünf
Jahre. Dennoch bleibt Mack auf der Spur Richtung Kino:
„Seit ich in die Welt von Arthur und die Möglichkeiten
von Animationsfilmen eingetaucht bin, war es mein
Traum, unsere eigenen Welten zu erschaffen“, erinnert
er sich. Mit Besson ist dieser Weg jedoch nicht machbar,
da kommt der Faktor Zufall ins Spiel. „Unser Vertriebsleiter
in Hannover erzählte mir von einem erfolgreichen
kleinen Unternehmen namens Ambient Entertainment“,
erzählt Mack. „Er sagte: Vielleicht möchten Sie dort mal
nachfragen." 1999 gegründet, hatte Ambient Entertainment
unter der Leitung von Geschäftsführer und Mitgründer
Holger Tappe beispielsweise mit „Back to Gaya“
(2004) den ersten aus Deutschland stammenden komplett
computeranimierten Kinofilm herausgebracht.
Neben Animationsfilmen entwickelte das Unternehmen
aus der niedersächsischen Landeshauptstadt im eigenen
hochwertigen Produktionsstudio noch weitere computergenerierte
Medienproduktionen – also alles genau
das, was Michael Mack für seine ehrgeizigen Pläne suchte.
„Ich habe in Hannover angerufen", blickt er zurück.
„Als Holger Tappe das Telefon abnahm und ich zu ihm
sagte, ich komme aus dem Europa-Park … da unterbrach
er mich, noch bevor ich den Satz beenden konnte: Sagen
Sie nur, Sie möchten einen Animationsfilm für Ihr 4D-Kino
machen.“ Es stellte sich heraus, dass der Filmproduzent
immer dann, wenn er zum Skifahren in die Schweiz fuhr,
Zwischenstation im Europa-Park machte. Der 4D-Animationsfilm
über „Ed und Edda“ stellte 2011 die erste Zusammenarbeit
des Europa-Park mit Ambient Entertainment
dar. Er lief nicht nur erfolgreich im Europa-Park,
sondern wurde auch für andere Parks weltweit lizensiert.
20 neuzeit Vision neuzeit Vision 21
wie james bond
Mit Mack Media als Koproduzent realisierte Ambient
Entertainment danach insbesondere den 90-minütigen
Animationsfilm „Happy Family“, basierend auf dem gleichnamigen
Bestseller von David Safier. Das schaurig-witzige
Filmabenteuer feierte 2017 Premiere. Die Deutsche Filmund
Medienbewertung (FBW) befindet über den unter
anderem von Hape Kerkeling und Oliver Kalkofe prominent
synchronisierten Film: „Technisch auf dem höchsten
Stand muss der Animationsspaß aus Deutschland den
Vergleich mit internationalen Vorbildern nicht scheuen.“
Der Animationsfilm war in mehr als 100 Ländern im Kino
zu bestaunen.
gelperspektive über Kanäle, Brücken und Kuppeln. „Eine
solche Drehgenehmigung gibt es sicher nicht für jeden“,
berichtet Tappe. Mit topmodernen Kamerasystemen hat
er die sensationellen Aufnahmen mit zum Teil spektakulären
Hubschrauberfahrten eingefangen. „Davor konnte
mehr als zehn Jahre kein Filmteam per Helikopter den
Markusplatz und den Canal Grande ins Visier nehmen“,
so Tappe. „Das war damals für Casino Royale, den ersten
James-Bond-Film mit Daniel Craig.“ So wurde durch neue
digitale Möglichkeiten ein Film zu einer Attraktion im
Europa-Park.
Aus der Zusammenarbeit ist inzwischen mit Mack Animation
eine weitere Park-Tochter entstanden – um die
Zusammenarbeit weiter zu perfektionieren, die Potenziale
noch effektiver zu nutzen und auch mit Mack Rides,
dem hauseigenen Produktionsbetrieb in Waldkirch, in
der Schnittmenge von Attraktionen und Mediencontent
noch intensiver zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen
mit Hauptsitz in Hannover, in dem Holger Tappe als Geschäftsführer
agiert, hat auch bereits den zweiten abendfüllenden
Kinofilm rund um die „Happy Family“ realisiert
– wie Teil eins ein großer internationaler Erfolg.
Alpenexpress Coastiality
Ebenfalls 2017 entstand zudem in enger Partnerschaft
der anspruchsvolle Film für das größte Flying-Theater Europas
– das „Voletarium“ im Europa-Park. In einem atemberaubenden
Film reisen die Passagiere, in Gondeln sitzend,
hautnah zu europäischen Naturschönheiten. Zum
Beispiel die kroatische Inselgruppe der Kornaten wird
überflogen. Weiter geht der Flug ganz nah an Felswänden
entlang durch einen Canyon, zum Matterhorn und zu
Kulturstätten wie Schloss Neuschwanstein sowie nach
Venedig. In der Lagunenstadt gleitet der Blick aus der Vorasen
durch die Fantasie
Mack Animation spielt zudem eine maßgebliche Rolle
bei einem weiteren Geschäftszweig, den Michael Mack
erschlossen hat: den VR-Coastern. Dabei fahren die Besucher
mit einer echten Achterbahn durch digitale Welten.
Über Virtual-Reality-Brillen erleben sie in 360-Grad-Ansicht
simulierte Fantasiewelten, müssen jedoch nicht auf
die Kurven, den Fahrtwind und die Fliehkraft einer Achterbahn
verzichten. Drehungen, Wendungen, Abfahrten
und Anstiege werden während der realen Fahrt eins zu
eins mit den virtuellen Bildern synchronisiert. Sensoren
registrieren jede Bewegung des Kopfes. Insbesondere der
Eindruck von Fahrgeschwindigkeit und Dimensionen –
wie zum Beispiel Höhe oder Größe – lässt sich mit VR-Brillen
visuell täuschend echt imitieren und verstärken. Die
Fachwelt spricht von Immersion, wenn man eine virtuelle
Umgebung als real empfindet. Der „Alpenexpress Coastiality“
im Europa-Park wurde 2015 zum weltweit ersten
VR-Coaster. Mack Animation hat dazu bereits mehrere
Animationsfilme entwickelt – so unter anderem mit Ottifanten
von Comedian Otto Waalkes als spaßige Immersions-Begleiter
bei den rasanten Fahrten.
wahre pionierarbeit
Die Idee zu den VR-Coastern stammt von Thomas Wagner,
Professor an der Hochschule Kaiserslautern für Virtual
Design. Michael Mack, Mack Rides und der Europa-Park
haben aber wesentlich dazu beigetragen, dass aus der
Kopfgeburt ein tatsächliches Erlebnis werden konnte.
„Mack Rides und der Europa-Park waren für mich die idealen
Projektpartner – und glücklicherweise hat Michael
Mack es möglich gemacht, die ersten Tests von VR-Brillen
auf einer Achterbahn überhaupt durchzuführen“, erläutert
Wagner. In Partnerschaft mit dem Europa-Park ist die
Firma „VR Coaster“ entstanden, deren Geschäftsführender
Gesellschafter Wagner heute ist. „Aus einer kleinen
Achterbahn kann man in der virtuellen Welt eine riesengroße
machen. Wenn man zum Beispiel in der realen Welt
20 Meter den Berg hinunterfährt, sind es 80 Meter in der
virtuellen Welt“, sagt er. „Der Alpenexpress Coastiality
steht – wie kaum ein anderes Projekt in unserer Branche
– gleichermaßen für Digitalisierung und Innovation
und war wahrlich Pionierarbeit, die sich gelohnt und uns
eine völlig neue Form der Customer Experience ermöglicht
hat“, betont Michael Mack. „Ich bin ein Freund von
Partnerschaften. Gründungen brauchen immer eine gute
Balance zwischen Kreativität, aber auch von jemanden,
der den passenden verwaltenden und organisierenden
Rahmen darum baut.“ Diese Balance ist beim Unternehmen
„VR Coaster“ gegeben: Es ist der Weltmarktführer
für diese Art von Freizeitpark-Attraktionen. Inzwischen
sind bereits in mehr als 60 internationalen Freizeitparks
Fahrgeschäfte mit der VR-Technik ausgestattet worden.
Eine Weiterentwicklung dieses VR-Konzepts stellt dabei
die Virtual-Reality-Achterbahn „Eurosat Coastiality“ im
Europa-Park dar. Die Bahn in der 2018 aufwendig umgebauten
Eurosat-Kugel ist die erste „Roam & Ride“-Attraktion
der Welt. Sie verbindet die Wartezeit und die
eigentliche Achterbahnfahrt zu einem durchgehenden
VR-Erlebnis. Schon vor dem Einstieg in die Bahn bekommen
die Passagiere eine VR-Brille aufgesetzt – und sogleich
befinden sie sich in der virtuellen Realität. Mit dem
Headset laufen die Besucher nicht nur über den Bahnhof,
sondern steigen auch in den Eurosat-Coastiality-Zug ein
und genießen schließlich die Achterbahnfahrt, ohne die
VR-Brille auch nur einmal abzunehmen.
Von Rust zur Stadt der tausend Planeten
Die Szenen, die die Besucher erleben, sind eine 3D-Version
des Science-Fiction-Bilderfeuerwerks „Valerian – Die
Stadt der tausend Planeten“ von Luc Besson. Dank einer
innovativen Trackingmethode erkennen sich die Fahrgäste
mit der VR-Brille auf dem Kopf gegenseitig im Pre-
Show-Bereich als digitalisierte Personen, so genannte
Avatare, was ein Zusammenstoßen verhindert. Auch der
Europa-Park-Operator, der die Besucher einweist, wird als
Figur im virtuellen Raum dargestellt. „Beim Eurosat Coastiality
ist Virtual Reality nicht mehr isolierend, sondern
zum ersten Mal ein gemeinschaftliches, soziales Erlebnis“,
so Mack weiter.
Doch auch mit der „Eurosat Coastiality“-Achterbahn ist
die Entwicklung digitaler Erlebniswelten längst nicht abgeschlossen.
„Yullbe“ – so heißt der nächste Schritt. Die
Abkürzung steht für „You will be“ beziehungsweise „Du
wirst sein“. Damit werden die Besucher vollends zu Akteuren
in virtuellen Abenteuern. Für einen Beobachter vollführen
die Spieler durchaus seltsame Bewegungen. Eine
Frau geht voraus und ihre Mitstreiter reihen sich wie an
der Schnur gezogen hinter ihr ein. Doch weshalb? Dann
wird plötzlich an einer Kurbel gedreht, andere Spieler drücken
Knöpfe und bearbeiten Schalter ... seltsam, aber die
Gruppe hat großen Spaß, das sieht auch der Beobachter.
22 neuzeit name kapitel neuzeit Vision 23
„Jetzt, die Tür, die Tür“, ruft plötzlich eine Spielerin mit eiligem
Ton – irgendetwas geht da vor sich, aber was? Denn
dort steht doch überhaupt keine Tür. Der gesamte Raum
ist größtenteils leer. Immerhin scheint keine Gefahr zu
bestehen, alle Teilnehmer lachen immerzu. Was für einen
Außenstehenden befremdlich wirkt, macht für die Spieler
Sinn: Denn sie sind regelrecht eingetaucht in die Virtual-Reality-Experience.
technik wie in hollywood
Bis zu 120 Kameras fangen bei Yullbe die Bewegungen
ein und leistungsstarke Rechner übertragen alle Regungen
in Echtzeit in eben jene VR-Welt, die die Spieler sehen
können. So werden sie dort zu handelnden Akteuren
und können den Gang der Geschichte aktiv beeinflussen.
„Motion Capturing“ heißt die dahinterstehende Technik,
die auch in fast jedem Hollywood-Blockbuster zum
Einsatz kommt und digitale Effekte real aussehen lässt.
Fiktion und Wirklichkeit scheinen bei Yullbe miteinander
zu verschmelzen. Im Oktober 2020 eröffnete in Rust
das VR-Erlebniszentrum Yullbe direkt neben dem Europa-Park-Hotel
„Krønasår“ und der Wasserwelt Rulantica.
Eine Vielzahl verschiedener virtueller Abenteuer ist inzwischen
erlebbar. Und die digitale Spielwelt breitet sich
immer weiter aus. So wurden 2022 eine Yullbe-Attraktion
in Hamburg zusammen mit dem berühmten Miniatur
Wunderland und ein Standort in Mannheim eröffnet.
Yullbe sticht sogar bereits zur See. Auch die Gäste des
Kreuzfahrtschiffs „AIDAcosma“ können in einem eigens
eingerichteten Raum Yullbe-Abenteuer während ihrer
Kreuzfahrt erleben.
Die von Michael Mack angestoßenen Digitalisierungs-
Initiativen schlagen sich aber nicht nur in Attraktionen,
sondern auch in praktischen Service-Angeboten nieder.
So kann man mit der Europa-Park-App unter anderem
Tickets kaufen und interaktiv durch den Park navigieren.
Eine weitere technische Neuerung läuft ebenfalls
über die Park-App. Sie nennt sich „VirtualLine“ (virtuelles
Anstehen). Um große Ansammlungen in den Warteschlangen
vor den Attraktionen zu vermeiden, steht der
Besucher virtuell mit der App bei einer Bahn an. Sobald
er an der Reihe ist, bekommt er via App eine Benachrichtigung.
„Unsere Digital-Development-Abteilung hat in
die Entwicklung dieser neuen Apps viele Nachtschichten
investiert“, sagt Mack. „Jeweils nur etwas mehr als vier
Wochen hat sie dafür benötigt, normalerweise dauert so
etwas zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.“ Weitere
digitale Features sind in Planung.
Um die kreativen Prozesse noch weiter anzuregen, ist
2019 eine weitere Tochterfirma zur Unternehmensgruppe
dazu gekommen: Mack Next. Sie ist eine Art Entwicklungslabor
und Ideenschmiede für den Europa-Park und
Kunden von außen. Beispielsweise Yullbe wurde von Mack
Next mit konzipiert und umgesetzt. Auch unter anderem
neue Showkonzepte werden von der Neugründung erarbeitet.
Wie die ebenfalls neu gegründeten Geschäftsbereiche
Mack Emotioneers (zur Visualisierung von Ideen
und Konzepten), Mack Magic (zur Entwicklung interaktiver,
immersiver Welten) und Mack Services (für Projektmanagement
über Firmengrenzen hinweg) ist Mack Next
mittlerweile unter dem Dach des Unternehmens Mack
One zusammengefasst. In Plobsheim bei Straßburg ist
für all diese Aktivitäten ein neuer Standort aufgebaut
worden. Der Europa-Park expandiert damit erstmals über
Deutschland hinaus ins Elsass. „Dort haben wir die nötige
Ruhe und Kreativität, um diesen Bereich aufzubauen.
Neue Ideen entstehen oft leichter abseits des Trubels
im Park“, umschreibt Michael Mack. „Außerdem nutzen
wir die europäische Vielfalt. Für den neuen Standort in
Frankreich sprechen zudem die ausgezeichnete französische
Filmförderung, die Nähe zum TV-Sender Arte und
die vielen talentierten Künstler, die in der französischen
Filmbranche arbeiten.“
Darüber hinaus hat Michael Mack auch noch die Filmproduktionsfirma
„2112 Pictures“ gegründet, um den Europa-Park
noch mehr im Filmgeschäft zu verankern. Sie
ist in der Nähe der Filmhochschule in Ludwigsburg angesiedelt.
„Wir wollen von dem Wissen und den Ideen der
Studierenden, Absolventen und Lehrenden profitieren“,
erläutert Mack. Mit dieser Firma ist Michael Mack bereits
als Co-Produzent beim Film „Takeover“ mit Roman und
Heiko Lochmann, bekannt unter ihrem Künstlernamen
„Die Lochis“, in Erscheinung getreten.
transmedial DENKEN
Ein Schlüsselbegriff hinter den Initiativen Michael Macks
ist „Storytelling“ – also, dass rund um ein Produkt, eine
Dienstleistung oder eine Marke spannende Geschichten
erzählt werden und daraus im Fall des Europa-Park eine
weit über den Besuch in Rust hinausreichende Beziehung
zu den Gästen entsteht. Dazu dient ebenfalls der fiktive
„Adventure Club of Europe“ (ACE). Außerdem basiert die
2019 eröffnete Wasserwelt Rulantica auf einer Fantasy-Geschichte,
die unter anderem als Romanserie umgesetzt
worden ist. Rulantica und das Hotel „Krønasår“ sind
entsprechend der Fiktion gestaltet. Derlei Umsetzungen
erfolgen entlang einer Leitlinie, die Mack wie folgt vorgegeben
hat: „Transmedial denken!“
digital-champion
Durch all die von Michael Mack vorangetriebenen Maßnahmen
im weiten Feld der Digitalisierung gehört der
Europa-Park inzwischen zu den „Digital-Champions“ in
Deutschland. Das bestätigt eine groß angelegte Studie
im Auftrag der Zeitschrift „Focus Money“. Auf einer Skala
von null bis 100 erreicht der Europa-Park die volle Punktzahl.
Er ist damit Branchensieger unter den Themen- und
Freizeitparks. Überdies hat das renommierte Fachmagazin
„Die Deutsche Wirtschaft“ Michael Mack und sein
Team zum „Innovator des Jahres“ gekürt. „Michael Mack
führte mit Mack Next innovative Projekte in VR, Film,
Branding und Storytelling zu einzigartigen Lösungen für
die Medien- und Entertainmentbranche ins Rennen, die
auch, aber nicht nur, im Europa-Park in Rust die Zuschauer
begeistern“, betonen die Juroren beim größten Publikumspreis
der deutschen Wirtschaft.
Nur zwei Beispiele
aus den vielen
transmedialen
Aktivitäten: In der
Attraktion Yullbe
werden beim
Abenteuer „Miniaturwunderland
– die verrückte
Schrumpftour“
die Besucher zu
digitalen Winzlingen
geschrumpft,
während die
Teenie-Stars „Die
Lochis“ mit der
Unterstützung
Michael Macks
im Kino groß
rauskommen.
24 neuzeit Vision neuzeit Vision 25
EIN WeinGut FÜR EUROPA:
OLLWILLER
im elsass
Thomas MAck
topwein
crémant
Riesling
R o s é
v i n
rouge
O
llwiller gehört zu den Juwelen der elsässischen Weine. Bis ins 13. Jahrhundert
reichen die Wurzeln des „Château d' Ollwiller“ in der Nähe von
Mulhouse zurück – und schon so lange wird dort Wein angebaut. Graf
Dagobert de Waldner gestaltete es im 18. Jahrhundert zu einem prachtvollen
Schloss. Bekannte Persönlichkeiten sollen dort zu Gast gewesen
sein, darunter König Ludwig XV. (1710-1774). 1825 kaufte der Textilunternehmer
Jacques-Gabriel Gros das Anwesen und verlieh dem Weingut ein besonderes Renommee.
Allerdings wurde das Schloss im Ersten Weltkrieg zerstört und danach
bescheidener wieder aufgebaut. Das Weingut gilt als das zweitälteste Frankreichs.
2020 erwarb die Familie Mack das Schloss samt des Traditions-Weinguts.
Die Weinberge des „Château d' Ollwiller“ umfassen eine Fläche von 25 Hektar mit
einer Ausrichtung nach Süd-Osten und Süden, was eine hohe Sonneneinstrahlung
ermöglicht. Der feinkörnige Boden in diesem Terroir bringt sehr kraftvolle und erhabene
Weine hervor. Mit ihren Mitarbeitern wollen Thomas Mack und der elsässische
Kellermeister Mathieu Kauffmann die Qualität noch deutlich steigern. „Wir
setzen zunächst auf Riesling, Sekt und Roséwein, vielleicht auch Rotwein im zweiten
Schritt“, sagt Thomas Mack. „Wir wollen in die Top Ten der großen Rieslinge im
Elsass.“ Mathieu Kauffmann denkt noch weiter voraus: „Mein Ziel ist es, einen Crémant
aus Ollwiller mit höchster Qualität zu schaffen – außerhalb der Champagne.“
Er habe seine Ziele immer erreicht, sagt der Kellermeister.
Thomas Mack: „Ich habe sofort gesagt, es ist in erster Linie ein Weinprojekt. Wir
wollen hervorragenden Wein machen. Es gibt in der Geschichte unserer Region so
viele Verbindungen über den Rhein hinweg. Wir leben ja im Europa-Park schon seit
eh und je den deutsch-französischen Gedanken. Das passt natürlich perfekt. Eine
alteingesessene elsässische Unternehmerfamilie übergibt das Weingut nach 195
Jahren an eine badische Unternehmerfamilie. Das ist doch superschön! Da passt
doch alles. Alle sind erfreut. Wir haben eine sehr positive Reaktion in der Region, alle
haben uns mit offenen Armen empfangen, weil sie spüren, dass wir an die Aufgabe
mit Herzblut herangehen. Es ist ein tolles Familienprojekt auch für die nächsten Generationen
Mack. Es wird ein paar Jahre dauern, bis der erste Topwein kommt und
das ist erst der Anfang. Wir denken sehr langfristig. Aktuell können wir mit dem
Traubenverkauf kaum die laufenden Kosten decken. Es ist kein Investmentprojekt,
sondern wir wollen die beste Qualität erzielen. Ollwiller ist ein deutsch-französisches
Projekt, bei dem sich die Grenzen auflösen.“
Fü r
Generationen
„So denken wir immer
schon für unsere Gäste
im Europa-Park. Das ist
eine moderne Form der
Nachhaltigkeit. Daran
sollen viele Generationen
Freude haben. Wir möchten
diesen wunderbaren
Fleck Erde für die gesamte
Region und unsere
Familie langfristig entwickeln.
Später sind hier
sicher auch Veranstaltungen
möglich. Es war
letztlich ein glücklicher
Umstand, dass wir das
Weingut Ollwiller gefunden
haben. Während der
Corona-Pandemie hätten
wir den Schritt allerdings
wohl nicht gewagt.“
28
neuzeit
LEBENSART
neuzeit
LEBENSART
29
DEUTSCHfranZÖSISCHES
tandem
BRIGITTE KLINKERT
Die Europa-Park-
Betreiber-Familie Mack hat
im elsässischen Plobsheim
einen neuen Standort
für kreative und digitale
Entwicklungen eröffnet, wie
bewerten Sie das?
Sehen Sie das Elsass
auch als Standort für
Kreativunternehmen?
Die deutsch-französische
Freundschaft ist Ihnen in die
Wiege gelegt worden. Ihr
Großvater Joseph Rey war
Bürgermeister von Colmar
und einer der Vorreiter
dieser Freundschaft. Was
haben Sie von Ihrem Großvater
gelernt?
Brigitte Klinkert — Das ist eine gute Initiative! Die Geschichte zwischen der Familie
Mack und dem Elsass ist sehr alt. Ich erinnere mich, dass mein Großvater Joseph Rey
mich zu einem Treffen mit Franz Mack mitgenommen hat, als ich noch jünger war.
Wir sind auf einer der Attraktionen, dem Europa-Turm, in die Höhe gestiegen, und er
sagte damals, als er in die Ferne in Richtung Elsass blickte, dass er von hier aus keine
Grenze zwischen dem Elsass und Baden sehen könne.
Diese Überzeugung teilen wir auch heute noch, und ich freue mich, dass die Familie
Mack auf beiden Seiten des Rheins investiert. Wir haben die Mittel, um gemeinsam
an schönen Projekten zu arbeiten, insbesondere an innovativen Projekten. Ich bin davon
überzeugt, dass zwischen den attraktiven Zentren am Oberrhein zahlreiche Synergien
entstehen können, und dieser neue Standort ist ein konkretes Beispiel dafür!
Klinkert — Natürlich! Das Elsass ist ein Land der Innovation und der Kreativität. Wir
können auf ein günstiges Ökosystem von Künstlern, Web- und Kommunikationsagenturen,
Verlagen und so weiter zählen, aber auch auf den breiteren Bereich der
Informatik und Entwicklung. Wir sind ein attraktives Gebiet für die Industrie, aber
auch für den gesamten Kultursektor und die neuen Technologien.
Klinkert — Seit meiner Kindheit bin ich durch meinen Großvater Joseph Rey, der von
1947 bis 1977 Bürgermeister von Colmar war, für die Bedeutung der deutsch-französischen
Freundschaft sensibilisiert worden. Er hat mir seine humanistischen Werte
und die Leidenschaft für das öffentliche Engagement vermittelt. Ich habe meine
Kindheit und später meine Jugend damit verbracht, ihm zu folgen und mit ihm
den Alltag eines Kommunalpolitikers in der Nachkriegszeit zu erleben. Er hat mich
besonders für die Bedeutung des Friedens und der Zusammenarbeit mit unseren
deutschen Nachbarn sensibilisiert. In den Augen meines Großvaters schien es unerlässlich,
dass das Elsass nach dem Zweiten Weltkrieg an vorderster Front an der
deutsch-französischen Versöhnung und Brüderlichkeit arbeitete. Er war davon überzeugt,
dass sich Europa und der Frieden nur dank eines starken deutsch-französischen
Paares durchsetzen konnten. Daher setzte er sich seit den 1950er Jahren für
die Wiederherstellung der menschlichen Beziehungen zwischen den beiden Rheinufern
ein, insbesondere durch Treffen von Bürgermeistern. Ich wurde 1983 zur Stadträtin
von Colmar und 1994 im Alter von 37 Jahren zur Departementsrätin gewählt.
Die französische Politikerin
Brigitte Klinkert
ist Co-Vorsitzende der
Deutsch-Französischen
Parlamentarischen
Versammlung, die 50
Mitglieder aus der
französischen Nationalversammlung
und dem
deutschen Bundestag
vereint, um durch
gemeinsame Beratungen
und Initiativen die
deutsch-französische
Freundschaft zu stärken.
Klinkert, geboren 1956
in Colmar, war von 2020
bis 2022 Ministerin für
berufliche und soziale
Eingliederung und vertritt
heute als Abgeordnete
in der Nationalversammlung
den Wahlkreis
Haut-Rhin.
Ein ganzes Ökosystem von Kommunikation bis Informatik:
„Das Elsass ist ein Land der Innovation und der Kreativität“
Wo müssen wir noch arbeiten
und besser werden bei
der deutsch-französischen
Freundschaft?
Klinkert — Aus politischer Sicht müssen wir einerseits auf grenzüberschreitender Ebene
weiterhin die alltäglichen Ärgernisse beseitigen, die das Leben unserer Mitbürger
belasten. Wir müssen die Strukturierungs- und Kooperationsprojekte durchführen,
die es uns ermöglichen, immer größere Fortschritte in Richtung eines gemeinsamen
und integrierten Lebensraums zu machen. Auf nationaler Ebene müssen Frankreich
und Deutschland weiterhin gemeinsam voranschreiten, um als vereinte Europäer die
Herausforderungen unserer Zeit zu meistern: den ökologischen und energetischen
Wandel, die Industrie der Zukunft, die Verteidigung unserer demokratischen Modelle
und unserer Werte angesichts der Herausforderung des Krieges in der Ukraine.
Ich wünsche mir, dass wir neugierig und bereit sind, uns unseren Nachbarn zu öffnen,
damit das deutsch-französische Tandem nicht mehr nur ein politisches Projekt
ist, sondern ein gesellschaftliches Projekt, das jeder und jede im Alltag umsetzt.
neuzeit
FREUNDSCHAFT
31
hollywood
in rust
S
chon mehrmals hat Michael Mack versucht, Luc Besson zu treffen. Er ist
eigens dafür nach Paris gereist. Allerdings ohne Termin. Wie hätte er den
auch vereinbaren sollen? Der geschäftsführende Gesellschafter des Europa-Park
spricht einfach beim Büro des weltberühmten Regisseurs im Zentrum
der Stadt der Liebe vor, im Gepäck die Idee zu einer noch nie dagewesenen
Zusammenarbeit.
Doch stets wimmeln ihn die Angestellten freundlich, aber bestimmt, ab. Besson sei
nicht da. Michael Mack will schon fast die Rückreise antreten, als ihm auf dem Flur
des Bürogebäudes eine etwas untersetzte Gestalt mit lässig vermiedener Rasur entgegenkommt:
Luc Besson. Michael Mack spricht ihn kurzentschlossen an. Nein, den
Europa-Park kennt er nicht. Aber der fremde Deutsche spricht in perfektem Französisch
auch davon, dass im Freizeitpark seiner Familie eine Idee von Europa gelebt
werde, dass dort jeder vierte Mitarbeiter aus Frankreich stamme und die Kultur von
schon 15 verschiedenen europäischen Ländern im Tagesformat zu entdecken sei.
heimat für arthur
Das hat den französischen Starregisseur von Filmen wie „Léon – der Profi“ und „Das
fünfte Element“ dann doch fasziniert. Seit 2009 sind Besson und Mack ständig in
Kontakt. Und inzwischen ist aus der zufälligen Begegnung auf einem Pariser Büro-
Flur nicht nur eine Freundschaft, sondern auch eine ungewöhnliche deutsch-französische
Zusammenarbeit geworden. „Bonjour“, begrüßt Besson einige Jahre später rund
170 internationale Journalisten im Kinosaal „Magic Cinema 4D“ des Europa-Park. Der
Blockbuster-Produzent ist 2014 tatsächlich in die badische Provinz nach Rust gekommen
– um „seinen“ Themenpark einzuweihen. „Arthur hat jetzt eine Heimat“, freut
er sich. In Bessons Filmtrilogie ,,Arthur und die Minimoys“ taucht ein kleiner Junge
aus der realen Welt in eine Fantasywelt ab, verbrüdert sich mit Elfen und kämpft mit
ihnen gegen habgierige Menschen. 2006 kam der erste Teil in die Kinos, zwei weitere
Filme zum animierten Elfen-Abenteuer folgten. In Deutschland ist die Story nicht
allzu bekannt, aber besonders in Frankreich ist Arthur ein absoluter Hit: Mehr als 13
Millionen Besucher lockten die Filme in die französischen Kinos.
Basierend auf Luc Bessons Fantasy-Saga ist im Europa-Park die Themenfahrt „Arthur
im Königreich der Minimoys“ entstanden. Gebaut von Mack Rides ist sie die aufwändigste
Indoor-Attraktion in der Geschichte des Parks. Reich an Details fasziniert sie die
Besucher mit einer Achterbahnfahrt, bei der die Passagiere in rotierenden Gondeln,
die unterhalb der Gleise angebracht sind, durch die Traumwelt von Arthur schweben.
luc besson
Geboren 1959 in Paris,
wollte Luc Besson als
Sohn zweier Tauchlehrer,
die im gesamten
Mittelmeerraum
arbeiteten, von
frühester Kindheit an
eigentlich Meeresbiologe
werden. Dieser Traum
zerschlug sich jedoch,
als er im Alter von 17
Jahren einen schweren
Tauchunfall hatte, der
ihm das Tauchen für
lange Zeit unmöglich
machte. Bessons Plan
B war der Film – mit
immensem Erfolg: Als
Regisseur, Produzent und
Drehbuchautor legte er
eine steile Karriere hin.
Mit ,,Im Rausch der Tiefe''
feierte der Autodidakt
1988 einen ersten
internationalen Erfolg. Es
folgten viele weitere
Kinoerfolge und
Mammutproduktionen
wie „Léon – Der Profi“
mit Jean Reno und „Das
fünfte Element“ mit
Bruce Willis.
32
neuzeit
PHANTASIE
neuzeit
name kapitel
33
Das wahrgewordene Königreich der Minimoys befindet sich in einer 3.500 Quadratmeter
großen Indoor-Halle, versteckt unter einer gigantischen, 15 Meter hohen Kuppel.
Gerade für viele der mehr als eine Million jährlichen Besucher aus Frankreich ist
die Bahn ein Muss, die bei keiner Visite in Deutschlands größtem Freizeit-Park fehlen
darf. Besson war von der Umsetzung bass erstaunt: „Es war wirklich ein großes Experiment
und ich hatte bisher keinerlei Erfahrungen mit Fahrgeschäften, doch ich bin
total begeistert. Der große Respekt und die besondere Freundschaft waren dabei sehr
wichtig – das hat alles möglich gemacht.“
besucher werden zu valerian-avataren
Schon kurze Zeit später stürzte sich der Regisseur in sein nächstes Filmabenteuer:
„Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“. Das bildgewaltige Weltraum-Epos beruht
auf einem französischen Comic-Klassiker. Es sollte der teuerste europäische Film
aller Zeiten werden. „Valerian war sehr wichtig für meine Karriere“, betont Besson.
Schon als Kind hatte er die turbulente Science-Fiction-Phantasie mit zwei etwas
schrägen Space-Agenten geliebt. Unmittelbar nach der Premiere kontaktiert ein
ebenfalls begeisterter Michael Mack erneut seinen französischen Freund: Wir sollten
wieder etwas gemeinsam unternehmen“, meint er. Besson sagt sofort „ja – ohne zu
wissen, welche Attraktion diesmal entstehen sollte, einfach aus reiner Freude.“ So
folgt der nächste Streich in der kreativen deutsch-französischen Partnerschaft – diesmal
auf eine regelrecht futuristische Weise, die auch noch mehr das gemeinsame,
grenzüberschreitende Anliegen der beiden unterstreicht.
„eigentlich
fahre ich nie
Achterbahn“
Im Zuge der umfangreichen Erneuerungen des Französischen Themenbereichs samt
Eurosat-Achterbahn entsteht unter anderem die VR-Achterbahn „Eurosat Coastiality“.
Ihre Passagiere tauchen ein in die Welt des Valerian-Blockbusters. Ausgestattet
mit VR-Brille katapultiert die Attraktion die Fahrgäste acht Minuten lang in das intergalaktische
Epos hinein. Als Weltneuheit beginnt das einzigartige Erlebnis bereits
beim Anstehen, wenn alle ihre VR-Brillen aufsetzen – „Roam & Ride“ nennt sich die
innovative Neuentwicklung. In der Pre-Show und während sie mit der Achterbahn in
der Eurosat-Silberkugel wie durch den Weltraum jagen, treffen die Passagiere als Avatare
auf Charaktere aus Bessons Science-Fiction-Saga. Zur feierlichen Eröffnung 2018
ist der Filmemacher wieder in Rust, diesmal mit seiner Familie. Michael Mack bringt
ihn sogar dazu, etwas zu tun, was er zuvor noch nie gewagt hatte: eine schnelle Achterbahn
zu fahren. „Eigentlich fahre ich nie Achterbahn“, sagte Besson vor seinem Ritt
mit der „Eurosat Coastiality“. Auch er war hinterher begeistert, fügte jedoch hinzu:
„Diese Achterbahn, die uns in die Welt von Valerian eintauchen lässt und gleichzeitig
durch scharfe Kurven fährt, wird die einzige bleiben, in die ich je einsteige.“
„wer hätte das gedacht"
Die hinter Valerian stehende Technik, sich frei in einer virtuellen Welt im (Warte-)
Raum zu bewegen, hat Michael Mack mit seinen Mitarbeitern in der Zwischenzeit zu
Yullbe weiterentwickelt. Damit werden die Besucher endgültig zu Beteiligten am virtuellen
Geschehen. Valerian gehört ebenfalls zu den VR-Abenteuern, die sie mit Yullbe
erleben können. Dazu schlüpfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Raumanzüge
und betreten die „Stadt der tausend Planeten“, wo sie, wie im Film, dank ihres
Spezialanzugs mit Schallgeschwindigkeit durch Wände springen können. So befinden
sie sich auf einer atemberaubenden Rettungsmission für ein Geschöpf, das über
das Schicksal des gesamten Universums entscheiden kann. Die schon mehr als ein
Jahrzehnt währende Freundschaft und Zusammenarbeit mit Luc Besson kommentiert
Michael Mack so: „Valerian als Flug durch Raum und Zeit mit einem französischen
Background passt perfekt zum Europa-Park. Es hätte sicher vor ein paar Jahren
niemand gedacht, dass es bei uns in Rust die Gestaltung eines Hollywood-Films auf
unserer Coastality-Erfahrung und bei Yullbe zu erleben gibt.“ Eine zufällige Begegnung
auf einem Pariser Büro-Flur machte dazu den Anfang.
Luc Besson
neuzeit
PHANTASIE
35
Michèle Leckler
chance
Wie wichtig ist für die
Gemeinde Plobsheim das
Golfresort Kempferhof?
Michèle Leckler — Das Golfresort Kempferhof trägt zweifellos zur Ausstrahlung der Gemeinde
und zu ihrem Image bei. Seine außergewöhnliche natürliche Umgebung sowie
die Qualität des Parcours und seiner Einrichtungen sind international anerkannt.
Das Resort hat auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde beigetragen,
sein Restaurant ist für alle zugänglich und insbesondere profitieren Geschäftsleute
in Plobsheim davon.
Wie beurteilen Sie die
Ansiedlung von Mack One
France in Plobsheim?
Welche Erwartungen
haben Sie an die Firma
Mack in Plobsheim?
Leckler — Die Ansiedlung von Mack One France ist eine Chance für unsere Gemeinde.
Denn es handelt sich um ein Projekt, das eine Dynamik mit sich bringt, die den Entwicklungszielen
unserer Gemeinde entspricht. Die Konzeption und Produktion von
4D- oder Virtual-Reality-Erlebnissen bringen einen innovativen, hochmodernen Wirtschaftssektor
zu uns. Zudem trägt Mack One France zur wirtschaftlichen Entwicklung
und zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei. Das Projekt
hebt auch noch das außergewöhnliche Umfeld nahe des Kempferhofs hervor. Auch
davon profitiert Plobsheim.
Leckler — Wir schätzen die Co-Konstruktionsarbeit sehr, die sich von Beginn an mit
dem Mack-Team entwickelt hat, um gemeinsam zu einem Projekt zu gelangen, das
sich perfekt in seine Umgebung einfügt. Das Mack-Team zeigt seinen Willen, gute
Beziehungen zu allen Akteuren der Region zu pflegen und sich voll in das Leben der
Gemeinde zu integrieren. Es hat für den Bau insbesondere auf lokale Unternehmen
zurückgegriffen. Wir möchten auch in Zukunft auf diese Weise zusammenarbeiten,
mit großem gegenseitigem Respekt.
Seit 2020 ist
Michèle Leckler
Bürgermeisterin
von Plobsheim.
Im Interview
bewertet sie den
neuen Standort
von Mack One
France in ihrer
Gemeinde.
Wie ist der Rückhalt in
der Bevölkerung für die
Ansiedlung dieser Kreativfirma
Mack?
Leckler — Seit den ersten Ankündigungen zu der Ansiedlung haben unsere Bürger
das Projekt sehr positiv aufgenommen und es mit großer Mehrheit unterstützt,
ebenso wie die Kommunalpolitiker. Die Abgeordneten des Gemeinderats stimmten
sogar einstimmig dafür.
„Lernen durch Zusammenarbeit“
Plobsheim hat eine
wechselvolle Geschichte
hinter sich und war auch
mehrfach von Deutschen
besetzt. Wie sehen Sie
die deutsch-französische
Freundschaft?
Leckler — Die Gemeinde Plobsheim liegt im Herzen des Rheinbeckens, am Ufer des
Rheins und nur wenige Meter von der Pflimlin-Brücke entfernt. Sie hat schon immer
enge Beziehungen über den Rhein gepflegt, insbesondere zu Neuried-Altenheim.
Derzeit entwickeln wir eine Städtepartnerschaft, um die historischen Verbindungen
zwischen unseren beiden Gemeinden, die seit mehr als einem Jahrhundert bestehen,
offiziell zu machen. Viele Plobsheimer arbeiten auch auf der anderen Seite
der Grenze, und viele kaufen dort ein. Der Austausch ist also alltäglich. Um die Beziehungen
zu Deutschland zu pflegen, bieten wir etwa auch unseren Schulkindern
die Möglichkeit, einen zweisprachigen deutsch-französischen Bildungsgang zu absolvieren.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die europäischen Werte
stehen im Mittelpunkt unseres kommunalen Handelns.
neuzeit
PLOBSHEIM
37
fabian GAsmia
europa des films
Wie entwickelt sich die Filmwirtschaft
in Deutschland
und Frankreich?
Wie verläuft diese Entwicklung
im Elsass?
Welche Rolle spielt die
Kreativ- und Filmwirtschaft
für die deutsch-französischen
Beziehungen?
Zu früheren Zeiten machten
viele deutsche Stars wie Romy
Schneider und Curd Jürgens auch
im französischen Film Karriere,
wie ist es um diesen Austausch
auf der Leinwand heute bestellt?
Fabian Gasmia — Seit der Gründung der deutsch-französischen Filmakademie hat sich
die Filmwirtschaft grundlegend geändert. Die Produktionsvolumina sind auf beiden
Seiten des Rheins massiv angestiegen. Nach einem steilen Anstieg der Kinofilmproduktionen
bis 2015 werden aktuell zunehmend Serien und Filme etwa für Netflix
und Amazon hergestellt. Kinofilme stagnieren auf hohem Niveau. Ein wichtiger Indikator
ist die Menge an Co-Produktionen zwischen Frankreich und Deutschland.
2000 hat es lediglich zwei, drei pro Jahr gegeben, aktuell werden jährlich 18 bis 20
Co-Produktionen zwischen Deutschland und Frankreich hergestellt.
Gasmia — Das Elsass ist keine klassische Medien- und Filmregion. Seit 2015 gerät
die Region jedoch zunehmend in den Fokus der internationalen Filmwirtschaft. Ein
wichtiger Grundpfeiler dieser Wahrnehmung ist das Rheinische Co-Produktionstreffen,
welches seit 2015 jährlich veranstaltet wird und sich primär an die Branche aus
dem Elsass und aus Baden-Württemberg richtet.
Gasmia — Die Filmwirtschaft ist ein wichtiger Motor für die deutsch-französischen
Beziehungen. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung gibt es mit dem Atelier Ludwigsburg-Paris
auch eine Ausbildungsstätte, welche sich der Ausbildung des Filmnachwuchses
in Deutschland und Frankreich unter Einbeziehung von weltweiten
Talenten verschrieben hat. Hierbei sind Alumni-Netzwerke von großer Bedeutung, da
inzwischen viele Absolventen und Absolventinnen wichtige Funktionen auf beiden
Seiten des Rheins bekleiden. Durch die herausragende Stellung beider Filmmärkte für
Europa sind Initiativen, welche von Frankreich und Deutschland gemeinsam getragen
werden, immer chancenreich, sich als de facto Standard durchzusetzen.
Gasmia — Auch heute gibt es gemeinsame Stars, die auf beiden Seiten viele Fans
haben. Persönlich habe ich davon mehrfach profitieren dürfen. So hat Isabelle
Huppert in meinem Kinofilm „Alles was kommt“ sehr dazu beigetragen, dass der
Film, nach dem Gewinn des silbernen Bären für die beste Regie, ein großer Erfolg in
Deutschland wurde. Auch meine Produktion „Monsieur Pierre geht online“ hat sehr
von der Hauptrolle profitiert, welche wir mit Pierre Richard besetzt haben.
Der Hamburger Filmproduzent
(geboren
1977) hat schon mit
Stars wie Kristen Stewart,
Zach Galifianakis
und Pierre Richard
gedreht. „Uns interessieren
smarte Filme“,
erklärte Gasmia, als
er 2018 gemeinsam
mit den Regisseuren
Erik Schmitt, Julia
von Heinz und David
Wnendt die Firma
„Seven Elephants
GmbH“ gründete.
Zuletzt produzierte
er unter anderem den
Film „Iron Box“ der
Regisseurin Julia von
Heinz, in dem die erfolgreiche
New Yorker
Geschäftsfrau Ruth
beschließt, nach Polen
zu reisen und sich dort
mit der Vergangenheit
ihrer Familie auseinanderzusetzen,
die nur
knapp der Ermordung
durch die Nazis
entronnen ist. Zu
seinen erfolgreichsten
Produktionen zählen
„Alles was kommt“
(Silberner Bär auf der
Berlinale 2016) und
„Personal Shopper“
(Preis für die beste
Regie in Cannes 2016).
Die Deutsch-Französische Filmakademie wurde 2001 auf Initiative der damaligen
Regierungschefs Gerhard Schröder und Jacques Chirac ins Leben gerufen. Sie wird
von der französischen Filmförderbehörde „Centre National de la Cinématographie“
(CNC) und dem deutschen Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM),
gegenwärtig Staatsministerin Claudia Roth, gefördert.
Die Akademie ist eine Plattform zur Kooperation und versteht sich als ein Netzwerk
von deutschen und französischen Filmschaffenden, zu denen unter anderem Volker
Schlöndorff und Jeanne Moreau gehören, beziehungsweise gehörten. Es geht um
Initiativen und Anstöße zur Verstärkung der deutsch-französischen filmpolitischen
Zusammenarbeit. Im Interview spricht Filmproduzent Fabian Gasmia, Vizepräsident
der deutsch-französischen Filmakademie, über die Entwicklung der deutschen und
französischen Filmwirtschaft, das Elsass als Filmregion und den Europa-Park als
Filmproduzenten.
Wie sehen die französischen
Filmschaffenden den Aspekt
der deutsch-französischen
Freundschaft und
Zusammenarbeit – gibt es in
Frankreich besondere Akzente?
Michael Mack baut mit seiner
Firma Mack One France in
der Nähe von Straßburg
ein Kreativzentrum zur
Entwicklung von Multimedia-
Projekten auf. Wie bewerten
Sie solche filmischen
Aktivitäten eines Freizeitparks?
Gasmia — Sehr viele französische Filmschaffende sehen in der Zusammenarbeit mit
Deutschland deutlich mehr als eine reine Geschäftsbeziehung. Aus der Vielzahl an
Co-Produktionen sind enge persönliche Freundschaften zwischen den Filmteams
entstanden. Ich weiß alleine von 20 deutsch-französischen Ehepaaren in meinem
direkten Umfeld in der Filmwelt. Darüber hinaus haben viele Franzosen einen hohen
Respekt vor der deutschen Filmkultur: Angefangen bei Fritz Lang über Romy
Schneider, Fassbinder und Wenders werden auch Filmemacher der heutigen Zeit,
wie Maren Ade und Christian Petzold, von unseren französischen Nachbarn verehrt.
Gasmia — Disney hat ja weltweit vorgemacht, dass sich Freizeitparks auch durch
starke Marken aus Animationsfilmen ein Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten
können. Ich halte den Schritt deswegen für sehr nachhaltig und wohlüberlegt.
Animationsfilme haben zudem häufig eine weltweite Strahlkraft und eine lange
Lebensdauer bei ihren Fans. Ihren größten Nachteil der sehr hohen Produktionskosten
können Animationsfilme sicherlich am besten dadurch ausgleichen, indem
ihre starke Marken mit unternehmerisch denkenden Partnern wie Herrn Mack umgesetzt
werden können.
neuzeit
FILMWIRTSCHAFT
39
technik braucht
geschichten
Pierre-Yves Jourdain
M
ehr
als 600 Filmschaffende hat die legendäre Pariser Filmhochschule
La Fémis in den letzten 20 Jahren ausgebildet. Pierre-Yves Jourdain von
La Fémis spricht über die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit im
Filmgeschäft und weshalb Virtual Reality (VR) nicht nur auf den technischen
Fortschritt vertrauen sollte.
Auf französischer Seite leiten
Sie das „Atelier Ludwigsburg-
Paris“, das seit 2001 junge angehende
Produzenten und Verleiher
von europäischen und internationalen
Filmen durch ein einjähriges
Weiterbildungsprogramm
unterstützt. Wie wirkt sich das
Programm aus?
Pierre-Yves Jourdain — Die Auswirkungen sind ziemlich
groß. Es geht darum, einen Pool von Fachleuten
für die Filmwirtschaft aufzubauen, die schon bei
der Finanzierung international denken und arbeiten.
Absolventen des Programms sind bereits an
Filmen beteiligt gewesen, die hohe Auszeichnungen
wie die Goldene Palme und den Großen Preis
der Jury von Cannes oder den nationalen Filmpreis
Frankreichs, den César, gewonnen haben.
Was trägt noch zur hohen
Qualität der deutsch-französischen
Ausbildung bei?
Mit Mack One France baut
Michael Mack im Elsass ein
Kreativzentrum für die Entwicklung
von Multimediaprojekten auf
und ist bereits mit Animationsfilmen
im Filmgeschäft aktiv. Wie
bewerten Sie solche Aktivitäten,
ausgehend von einem Freizeitpark?
Jourdain — Seit der Gründung im Jahr 2001 hat die Ausbildung wichtige Fortschritte
gemacht. So produziert seit 2002 jeder Jahrgang eine Kurzfilmreihe
in Co-Produktion mit den Fernsehsendern Arte und SWR, der Filmakademie
Baden-Württemberg und La Fémis. Zudem fördert die Alumni-Vereinigung
„Atelier Network“ die aktive Zusammenarbeit unter den Absolventen und die
Partnerschaft mit der „National Film and Television School“ in London sowie
die Öffnung für Bewerber über Frankreich und Deutschland hinaus machen die
Ausbildung am „Atelier Ludwigsburg-Paris“ noch internationaler und wertvoller.
Jourdain — Auf den ersten Blick erscheint ein Freizeitpark recht weit entfernt
von einer Filmakademie. Aber: Durch die europäische Dimension rund um die
deutsch-französische Achse können sicherlich Synergien auch mit dem „Atelier
Ludwigsburg-Paris“ gefunden werden. Einige unserer Absolventen beschäftigen
sich auch schon mit Virtual-Reality-Produktionen unter anderem für Museen.
Pierre-Yves Jourdain
ist Direktor der Abteilung
„Produktion“ an
der Pariser Filmhochschule
La Fémis, die
als Kaderschmiede
des französischen
Films gilt. Zugleich
leitet der in Paris
aufgewachsene Produzent
das Programm
„Atelier Ludwigsburg-Paris“
in Frankreich.
Mit den heutigen digitalen
Möglichkeiten – was ist in
Zukunft noch von Animationsfilmen
zu erwarten?
Jourdain — Die digitalen Werkzeuge werden mit der Zeit einfacher zu handhaben
sein und damit quasi „demokratischer“. Wenn noch mehr Menschen damit umgehen,
dürfte die technische Qualität der Animationen weiter zunehmen. Aber:
Die Technologie sollte immer im Dienst einer guten Erzählung beziehungsweise
eines guten Drehbuchs stehen. Nur dann öffnen die digitalen Möglichkeiten die
Kreativität noch mehr als dies bisher schon der Fall war.
„Die Technologie soLLte immer im Dienst einer guten Erzählung
beziehungsweise eines guten Drehbuchs stehen“
neuzeit
KREATIVITÄT
41
thomas schadt
Wie entwickelt sich die
strategische Partnerschaft
zwischen Mack One und der
Filmakademie
Baden-Württemberg?
Mit dem Animationsfilm
„Happy Family“ ist der Europa-Park
bereits als Kino-Produzent
hervorgetreten.
Wie sehen Sie eine solche
Aktivität eines Freizeitparks?
Welche Rolle spielt die
Kreativ- und Filmwirtschaft
für die deutschfranzösischen
Beziehungen?
Wie kann sie dazu beitragen,
die deutsch-französische
Freundschaft weiter zu
vertiefen?
begegnung
Thomas Schadt — Aus unserer Sicht ist die Kooperation mit Mack One, die auch die
Vergabe eines Pitching-Awards bei der Branchenveranstaltung „Screen.Time International“
beinhaltet, auf einem sehr guten Weg. Insbesondere für unser Animationsinstitut
und seine Studierenden sowie die Abteilung „Research & Development“ ist
die Partnerschaft von großem Nutzen. Sowohl Mack One als auch die Filmakademie
stehen für Innovationen im Bereich von Virtual und Augmented Reality sowie bei
360-Grad-Projekten. Diese Gemeinsamkeit sollten wir auch zukünftig unbedingt
nutzen. Als Medienstandort hat Baden-Württemberg einen riesigen Sprung nach
vorn gemacht hat. Auf dem Gebiet der Animation nimmt das Land einen Spitzenplatz
ein.
Schadt — In den letzten Jahren ist das Kinoangebot vor allem durch Produktionen von
Streamern wie Netflix oder Amazon vielfältiger geworden. Wenn der Europa-Park
dem Angebot weitere derart professionelle Nuancen hinzufügt, kann ich das nur begrüßen.
Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Situation der Kinos durch die
Corona-Pandemie kann die Angebotspalette gar nicht vielfältig genug sein.
Schadt — Die bemerkenswerte Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland
gehört aktuell wohl zu den engsten Bündnissen weltweit. Sie war und ist vielleicht
der wichtigste Garant für ein stabiles und gemeinschaftliches Europa. Um das zu
erhalten, braucht es, gerade in diesen sehr unruhigen Zeiten, Verbindungen auf allen
Ebenen von Politik, Wirtschaft und Kultur. Dazu zählt natürlich auch die Kreativ- und
Filmwirtschaft.
Schadt — Für die Filmakademie von besonderer Bedeutung ist das seit dem Jahr 2000
in Ludwigsburg angesiedelte Atelier Ludwigsburg-Paris. Dabei handelt es sich um
eine einjährige Weiterbildung für angehende Filmproduzentinnen und -produzenten
sowie Verleiherinnen und Verleiher in Kooperation mit der französischen Filmhochschule
La Fémis in Paris. Hier erleben wir täglich, wie neue Partnerschaften entstehen
und der Gedanke der deutsch-französischen Freundschaft mit Leben erfüllt
wird. Nichts baut Vorurteile besser und nachhaltiger ab, als die persönliche Begegnung.
1957 in Nürnberg
geboren, arbeitet
Thomas Schadt als
Dokumentarfilmer,
Kameramann, Produzent
und Fotograf. Zu
seinen bekanntesten
Filmen zählen „Der
Autobahnkrieg“ (1991),
„Der Kandidat“ (1998),
„Berlin: Sinfonie einer
Großstadt" (2002)“
und „Amok in der
Schule“ (2004). Er
erhielt den Deutschen
Fernsehpreis und
den Grimme-Preis.
Im Jahr 2000 wurde
Schadt zum Professor
an der Filmakademie
Baden-Württemberg
ernannt, seit 2005 ist
er Künstlerischer Direktor
der Filmakademie
Baden-Württemberg.
Seit mehr als 30 Jahren gehört die Filmakademie Baden-Württemberg
in Ludwigsburg zu den führenden deutschen Filmausbildungsstätten.
Mit Mack Next besteht seit 2020 eine strategische Partnerschaft
Michael Mack baut in
Plobsheim nahe Straßburg
ein Kreativzentrum zur
Entwicklung von Multimedia-
Projekten auf. Wie bewerten
Sie diese Initiative?
Schadt — Als französischer Honorarkonsul ist Michael Mack natürlich prädestiniert
für eine solche Initiative, da ihm die deutsch-französischen Beziehungen immer
schon ein besonderes Anliegen waren. Ich bin sicher, dass dieses Projekt erfolgreich
sein und die Partnerschaft der beiden Länder weiter stärken wird. Und da ich überzeugter
Europäer bin und mich gerade das auch mit Michael Mack persönlich verbindet,
bin ich gerne bereit, ihn dabei, so gut ich kann, zu unterstützen.
neuzeit
KREATIVITÄT
43
Gerd Nefzer
W
ir treffen Gerd Nefzer im Europa-Park zum Gespräch. Der freundliche Mann aus einem kleinen Dorf
bei Schwäbisch Hall lacht herzlich, plaudert mit jedem und hat keine Spur von Star-Allüren. Er ist
einer der ganz wenigen deutschen Oscar-Preisträger und sagt unumwunden, manchmal könne er
das selbst nicht fassen, hatte er seine Karriere doch ursprünglich mit einer Ausbildung zum Landwirt
und Agrartechniker begonnen.
Und heute das: Mitten auf dem Tisch steht die goldene Statue, die Nefzer nicht aus dem Auge lässt: 34 Zentimeter
hoch, 3,9 Kilogramm schwer, aus massivem Metall und mit 24-karätigem Gold überzogen: der Oscar. Im Sockel ist
der Name Gerd Nefzer eingraviert. Den ersten Oscar gewann er zusammen mit John Nelson, Paul Lambert und
Richard R. Hoover für die besten visuellen Effekte in „Blade Runner 2049“. Das war 2018, und jetzt nochmal 2022.
Unumwunden gesteht Nefzer: „Auch heute bekomme ich noch Gänsehaut bei dem Gedanken an den Augenblick
der Verleihung.“
Herr Nefzer, wie erklären
Sie einem Laien, was
Special-Effects in einem Film
eigentlich genau sind?
Was können Sie besser
als die Mitbewerber
beispielsweise in den USA?
Gerd Nefzer — Special-Effects (Physical-Effects) sind keine Effekte, die am Computer
(Visual-Effects) generiert werden, sondern physikalisch vor der Kamera
(in camera) gedreht werden. Das wird leider sehr oft verwechselt. Zu unseren
Aufgaben gehören alle Wettereffekte (zum Beispiel Wind, Regen, Schnee, Nebel),
mechanische Effekte (Flugsimulatoren, Bewegungen und so weiter), pyrotechnische
Effekte (Einschüsse, Explosionen … und so weiter) und Breakaways (weiche
Wände, brechende Requisiten und so weiter).
Nefzer — Das ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich haben da die schwäbischen Tugenden
etwas geholfen – Sparsamkeit – Tüfteln – Fleiß („schaffe und net schwätze“)
– oder auch Ehrlichkeit.
Nefzer special
effects
Das sagt Gerd Nefzer über
seine Firma: „Mit über
50 Jahren Erfahrung im
Filmgeschäft ist es unser Ziel
und unsere Vision, Phantasie
in Realität umzusetzen.
Realistische physische Spezialeffekte
zu schaffen, von
den Seiten eines Drehbuchs
bis zur Handlung auf dem
Bildschirm, innerhalb des
Rahmens und der Geschichte.
Wir sind stolz darauf,
physische Kameraeffekte
jedes Mal zur absoluten Zufriedenheit
von Regisseuren
und Produzenten innerhalb
des Budgets zur Verfügung
zu stellen.
Sicherheit, Effizienz und
Zuverlässigkeit sind wichtige
Faktoren bei der Arbeit
von Nefzer Special Effects.
Unser Hauptsitz sind die
Babelsberger Studios. Von
Europa bis Asien, von Afrika
bis Indien, von Russland bis
Großbritannien haben wir
die ganze Welt bereist.“
the oscar
goes to
Was können wir alle aus
Ihrer Geschichte lernen:
Nichts ist unmöglich,
wenn man es nur will?
Wie waren Ihre Eindrücke
im Europa-Park?
Nefzer — Als Hauptschüler mit einer Ausbildung zum Bauer (Landwirt) kann ich
dem auf jeden Fall zustimmen. Es war aber auch ein hartes Stück Arbeit, bis ich
im internationalen Filmgeschäft ankam und als Special-Effects-Supervisor akzeptiert
wurde.
Nefzer — Ich war total beeindruckt, was Michael Mack, die ganze Familie Mack
und ihr Team da geschaffen haben. Vor allem hat mich die Liebe zum Detail fasziniert.
Mir war vorher nicht bewusst, was hinter den ganzen Fahrgeschäften und
Attraktionen für ein technisches Know-how steckt.
„schaffe und net
schwätze“
www.nefzer.com
44
neuzeit
hollywood
Maylis Lamoure
SPASS FÜR
Jeden SPieler
D
as Golf-Resort Kempferhof, nur 15 Minuten von Straßburg entfernt, eine
Idylle zu nennen, wäre eine glatte Untertreibung. Der amerikanische Architekt
Robert von Haage (1927-2010), dem die Gestaltung von weltweit
mehr als 250 Golfplätzen zugeschrieben wird, entwarf den 1990 eröffneten
Kurs. Dabei verwandelte er, nur wenige Meter vom Ufer des Rheins
entfernt, elsässische Wiesen und Felder in eine mystisch wirkende Landschaft mit
hundertjährigen Eichen, Buchen und Pappeln. Der Kempferhof gilt daher als einer der
zehn schönsten Golfplätze Europas.
Doch wie spielt es sich in dem Naturparadies? Darüber spricht die Nachwuchsgolferin
Maylis Lamoure. Sie ist Mitglied der französischen Nachwuchsmannschaft, die 2022
die Team-EM für Frauen unter 18 Jahren gewonnen hat.
gehört zu den größten
Nachwuchshoffnungen
im französischen
Frauen-Golf.
Die 18-Jährige trat
2021 der Kempferhof-Golf-Akademie
bei. „Dort trainiere
ich etwa zehn Tage
im Monat und die
übrige Zeit verbringe
ich in Aix-en-Provence
bei meinen Eltern
oder auf verschiedenen
Turnieren. Es
ist ziemlich intensiv,
aber ich mag es“,
sagt sie.
Haben Sie schon auf dem
Kempferhof gespielt?
Wie lautet Ihr Urteil?
Was sind für Sie die
Besonderheiten des Parcours?
Wie finden Sie die
Landschaft und wie wirkt sie
sich auf einen Golfer aus?
Worauf müssen besonders
Gelegenheitsgolfer achten,
um auf dem Kempferhof
erfolgreich zu sein?
Maylis Lamoure — Ja, ich trainiere dort regelmäßig und nehme an Wettkämpfen teil,
die der Golfclub „Le Kempferhof” organisiert.
Lamoure — Der Kempferhof gehört zu den besten Trainingskursen in Frankreich, er
bietet eine sehr angenehme Spielstrecke, besonders aufgrund der Fauna und Flora.
Auch der Empfang ist herzlich und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr
freundlich. Das Trainer-Team aus professionellen Golfern und Direktor Arnaud Abbas,
der auch Profi ist, tragen ebenfalls sehr zur tollen Atmosphäre bei.
Lamoure — Der gesamte Kurs ist immer gut gepflegt, die Strecke ist nicht sehr lang,
aber anspruchsvoll.
Lamoure — Die üppige und idyllische Natur ergibt ein fantastisches Bild und hat eine
leistungssteigernde Wirkung. Es fördert die Konzentration eines Golfers, wenn er in
Ruhe trainieren kann, ohne das quirlige Treiben einer Stadt um den Golfplatz herum.
Lamoure — Da der Golfplatz immer sehr gut präpariert ist, ist er nicht so einfach, wie
es scheint. Die Roughs (hohe Gräser) können kompliziert sein, man sollte sie besser
meiden. Die Fahnenpositionen und die zahlreichen Hindernisse rund um die Grüns
(Zielbereiche), wie Bunker oder Wasserhindernisse, können sich schnell als schwierig
einzuschätzende Fallen erweisen. Trotzdem wird es jedem Spieler Spaß machen,
auf dem Kempferhof zu spielen, unabhängig von seinem Niveau!
„Die üppige und idyLLische Natur ergibt ein fantastisches Bild
und hat eine leistungssteigernde Wirkung“
47
Begegnung mit Jade Lagardère / Basierend auf der Comic-Serie „Amber
bLake“ aus der Feder des in Paris lebenden Supermodels hat der Europa-Park
ein spektakuLÄres Virtual-Reality-Erlebnis geschaffen / Im Elsass wurde
die Zusammenarbeit unterschrieben
glücksbringer
Jade Lagardère
ist ein belgisches Model
und Comic-Schreiberin.
Sie heiratete 2013
den französischen
Unternehmer Arnaud
Lagardère, mit dem sie
drei Kinder hat. Auf
ihrer Comic-Reihe über
die Superheldin Amber
Blake, die weltweite
Organisationen
für organisierte
Kriminalität bekämpft,
basiert die neue VR-
Attraktion „Amber
Blake: Operation
Dragonfly“ des
Europa-Park. Amber
Blake ist auch als VR-
Achterbahn-Experience
beim „Alpenexpress
Coastiality“ erlebbar.
Dabei werden die
Passagiere in einen
actiongeladenen Jetski-
Ride durch den Kallang
River und die Marina
Bay von Singapur
verwickelt. 1984 war
der Alpenexpress
„Enzian“ die erste
Achterbahn überhaupt
im Europa-Park. Im
September 2015 wurde
sie zum ersten VR-Ride
der Welt.
S
ie ist ein Model – aber gutes Aussehen ist bei ihr längst nicht alles: Das belgische
Supermodel Jade Lagardère ist dreifache Mutter, Ehefrau des französischen
Medien- und Verlags-Unternehmers Arnaud Lagardère, Moderatorin
und sozial stark engagiert. Außerdem hat sie Amber Blake erschaffen,
eine vor allem in Frankreich immens erfolgreiche Comicbuch-Serie. Darin
lässt sie eine starke Heldin, die einer schweren Vergangenheit entkommen muss, gegen
internationale Superschurken und vielfältige Ungerechtigkeiten insbesondere
durch den weltweiten Menschenhandel kämpfen.
Lagardère schreibt die auch auf Deutsch erschienenen Geschichten um die Geheimagentin.
Zu Papier gebracht werden die atemberaubenden Abenteuer voller Action,
Spannung und fein gesponnener Intrigen vom amerikanischen Zeichner Butch Guice,
der unter anderem auch „Captain America“ für den Comic-Giganten Marvel zeichnet.
Er hat Amber Blake nach Jade Lagardères Aussehen gestaltet. Mit ihrer Comic-Heldin
verfolgt Lagardère durchaus auch gesellschaftliche Anliegen: „Ich war immer schockiert
und empört über organisierte Kriminalität“, betont sie.
Park-Gäste jagen Superschurken
Amber Blake hat zudem mittlerweile das comicschreibende Supermodel mit dem
Europa-Park zusammengebracht. Michael Mack entdeckte die Comics von Jade
Lagardère bei einem seiner häufigen Aufenthalte in Frankreich, unter anderem in
der Funktion als französischer Honorarkonsul. Daraus entstanden ist: „Amber Blake:
Operation Dragonfly“ für die von Michael Mack initiierte Virtual-Reality-Attraktion
Yullbe. Der 30-minütige 3D-Thriller überträgt die Comics um Amber Blake in ein interaktives
Abenteuer, in dem die Gäste des Europa-Park wie in einen James-Bond-
Film eintauchen. Ausgestattet mit Vibrationsweste, Hand- und Fußtrackern, VR-Brille
sowie weiteren haptischen Elementen werden sie zu Akteuren in VR-Abenteuern, in
denen sie Aufgaben erledigen und Rätsel lösen. In Singapur jagen sie gemeinsam
mit Amber Blake einen der gefährlichsten Kriminellen der Welt, eine Schlüsselfigur
des organisierten Verbrechens. Ob Waffen-, Drogen- oder Menschenhandel, überall
scheint der mysteriöse Blue Dragon die Finger im Spiel zu haben. Seine wahre
Identität war jedoch ein Rätsel, an dem sogar Interpol gescheitert ist. Nun nehmen
die Spieler die Sache in die Hand. Gemeinsam mit Amber Blake versuchen sie, Blue
Dragon zu enttarnen.
Blockbuster-Technik macht Comic-Heldin lebendig
Ermöglicht wird der Übertritt in die virtuelle Realität insbesondere durch eine Technologie,
die vom Film stammt, um Kunstfiguren in die reale Welt zu verpflanzen und
ihre Bewegungen realistisch erscheinen zu lassen. „Motion Capturing“ heißt sie.
Dabei wird ein Schauspieler in einen Ganzkörperanzug mit dutzenden Sensoren gesteckt,
die jede Muskelregung aufzeichnen und in den Computer übermitteln, der
die Kunstfigur dann perfekt gestaltet. Die Motion-Capture-Technologie kommt heute
in fast jedem Blockbuster zum Einsatz und lässt digitale Effekte real aussehen.
„Yullbe zeigt, dass wir digitale Erlebnisse schaffen können, die Menschen packen und
begeistern. Das ist eine Sensation“, betont Michael Mack. Mit Angeboten wie dem
Amber-Blake-VR-Abenteuer strebt Mack auch nach einer gezielten strategischen
Ausrichtung auf den französischen und internationalen Medienmarkt. „Für das gesamte
Europa-Park Erlebnis-Resort und meine Familie ist Europa seit jeher einer der
wichtigsten Werte. Dies gilt auch für unsere Geschichten: die, die es schon gibt, und
alle, die wir noch erzählen werden.“
Jade Lagardère
testet das technische
Equipment für die
Umsetzung ihres
Agententhrillers
Amber Blake als
Yullbe-Abenteuer.
50 neuzeit comic-HELDIN
Im elsässischen Golfresort Kempferhof wurde die Zusammenarbeit
zwischen Jade Lagardère und dem Europa-Park
besiegelt. Die Partner hielten ihre Unterschriften
auf einer Speisekarte des „Kempferhof Golf- und Château-
Hotels“ fest. Aus der Kooperation sind auch in Zukunft viele
kreative Impulse für die vom Michael Mack gegründeten
Tochterunternehmen wie Mack Animation und Mack
One France zu erwarten. „Kick-off Amber Blake“ wurde
darauf von allen Beteiligten freudestrahlend notiert. In
einem exklusiven Interview bewertet Jade Lagardère die
Zusammenarbeit und gibt Einblicke in ihr Leben.
Sie engagieren sich sehr für kranke Kinder und waren auch
im SOS-Kinderdorf in Marokko tätig. Weshalb ist Ihnen die
Arbeit mit Kindern so wichtig?
Jade Lagardère — Seit ich klein war, habe ich Kinder geliebt
und eine mütterliche Ader gehabt. Ich komme aus einer
siebenköpfigen Familie, wir waren fünf Kinder, drei große
Brüder und eine kleine Schwester, die kam, als ich erst
acht Jahre alt war. Schon in diesem Alter wollte ich mich
um sie kümmern, ihr die Flasche geben und die Windeln
wechseln. Ich betrachtete sie bereits als mein erstes Baby.
Im Alter von 15 Jahren ging ich mit SOS-Kinderdörfer auf
eine Missionsreise, die mich stark geprägt hat. Es war
sehr bereichernd, aber auch sehr hart zugleich. All diese
verlassenen Kinder in den Waisenhäusern zu sehen,
drehte mir den Magen um. Ich schwor mir, ihnen so gut
wie möglich zu helfen. Amber Blake wurde von all diesen
Höhepunkten in meinem Leben inspiriert. Ich wollte einen
starken Charakter schaffen, der trotz allem, was er erlebt
hat, widerstandsfähig bleibt und nur einen Wunsch
hat: Gerechtigkeit in dieser Welt zu schaffen und die
Schwächsten zu retten.
Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit der Familie
Mack und speziell Michael Mack?
Lagardère — Ich bevorzuge immer Familienunternehmen,
in denen die Kultur von den Eltern an die Kinder weitergegeben
wird. Sie sind enger zusammengeschweißt und
kämpferischer. Diese Zusammenarbeit liegt mir sehr am
Herzen. Ich habe mich sofort in Michael Mack verliebt,
sowohl beruflich als auch freundschaftlich. Er ist ein
wunderbarer Mensch mit einem großen Herzen, talentiert,
leidenschaftlich, fleißig und vor allem sehr visionär.
Ich war sehr gerührt, dass er Ambers Charme erlag
und so sehr an meinen Charakter glaubte.
Amber Blake und Europa-Park sind ja eine sehr erfolgreiche
Verbindung. Wie beurteilen Sie diese Kooperation?
Lagardère — Außerordentlich konstruktiv. Das Beste
kommt noch. Mit dem gesamten Team des Europa-Park
zu arbeiten, ist ein unglaubliches Glück. Es sind alles so talentierte,
leidenschaftliche und professionelle Menschen.
Was verbinden Sie mit Plobsheim und dem Golfresort
Kempferhof?
Lagardère — Ich werde diesen Ort immer in meinem Herzen
tragen. Ich würde ihn als meinen Glücksbringer bezeichnen,
weil ich dort Michael Mack und sein Team kennengelernt
habe. Hier hat wirklich alles begonnen. Am 29.
April 2021.
Was mögen Sie im Europa-Park besonders?
Lagardère — Ich mag die Atmosphäre, ich mag die warme
und familiäre Seite. Jeder ist glücklich und lächelt, die
Attraktionen, die Shows, alles ist unglaublich. Die Hotels
sind wunderbar, der Service ist tadellos und gepflegt. Und
das Essen in allen Restaurants ist vorzüglich. Ich hatte leider
noch nicht die Möglichkeit, mit meinen Kindern zu
kommen, aber sobald ich in den Ferien die Gelegenheit
habe, werde ich kommen. Das ist der Ort, den man nicht
verpassen sollte.
Schenken Sie uns eine Lebensweisheit, die Ihnen geholfen
hat, so erfolgreich zu werden?
Lagardère — Niemals aufgeben und immer an sich selbst
glauben. Geduld und Beharrlichkeit sind der Schlüssel
zum Erfolg.
Jade Lagardère mit
Michael (Mitte) und
Thomas Mack im
Europa-Park: „Das
ist der Ort, den man
nicht verpassen sollte",
schwärmt das Model.
start auf einer speisekarte
station f
traumfabrik
E
s ist wie eine Traumfabrik – aber nicht für Filme, sondern für die Wirtschaft.
In der Umgebung im 13. Arrondissement von Paris geht es eigentlich eher
ruhig zu, doch wer in die Rue Eugène Freyssinet unweit der Seine kommt,
stößt auf ein erstaunliches Gebäude, das nur so vor Leben brummt: „Station
F“. In einem alten Güterbahnhof vom französischen Telekom-Milliardär
Xavier Niel errichtet, ist dort auf rund 34.000 Quadratmetern das größte
Start-up-Zentrum auf der ganzen Welt zu Hause. Seit 2017 arbeiten hier junge Unternehmen
an der Ökonomie von Morgen. Vor allem konzentriert auf Digitalprojekte,
tüfteln sie mit innovativen Geschäftsideen am großen Durchbruch – und finden etwa
durch Dutzende vergünstigte Dienste wie dem Zugang zu 3D-Druckern oder Lasercuttern
sowie jährlich mehr als 600 Workshops und Informationsveranstaltungen
alles, was sie brauchen, um ihr Geschäft auf den Weg zu bringen.
„Das bedeutet es, Unternehmer zu sein“
„Was Euch hier versammelt hat, ist, dass Ihr nicht wollt, dass man an Eurer Stelle über
Euer Leben bestimmt“, rief der französische Präsident Emmanuel Macron bei der Eröffnung
den jungen Gründern zu. „Das bedeutet es, Unternehmer zu sein.“ Der Innovations-Campus
bietet mehrere 1.000 Arbeitsplätze, Besprechungsräume und einen
Hörsaal. Gefördert werden die Unternehmensstarter in mehr als 30 verschiedenen
Programmen. Stets rund 1.000 Start-ups arbeiten dort gleichzeitig an ihren Ideen.
Neben der „Create“-Zone, wo all die ernsthafte Arbeit an der Zukunft stattfindet, bietet
der gigantische Hangar aus Stahl, Glas und Beton auch die öffentlich zugänglichen
Zonen „Share“ und „Chill“. Dort erstrecken sich unter anderem Europas größtes
Restaurant, das „La Felicità“ (italienisch für „Glück“) mit 1.000 Sitzplätzen, fünf Küchen
und drei Bars, und ein Lebensmittelmarkt. In der Lobby empfängt eine monumentale
Skulptur von Jeff Koons namens „Play Doh“ („Knetmasse“) die Besucher. Der
Restaurant- und Erholungsbereich, wo jeder willkommen ist, soll auch verhindern,
dass die innovativen Tüftler in der „Station F“ Gefahr laufen, sich in ihren „Blasen des
Wissens“ zu isolieren.
Technologieachse Paris-Plobsheim?
Bereits mehr als 5.000 Start-ups haben den „Brutkasten für junge Unternehmen“
zum Start in die Geschäftswelt genutzt. Große Unternehmen wie Microsoft oder
L’Oréal bieten in „Station F“ eigene Förderprogramme an. Die Gründungen stammen
dabei längst nicht nur aus dem Großraum Paris, sondern auch schon aus Nordamerika,
China, Marokko, Tunesien, Korea, Indien, Italien, Großbritannien, Algerien und
Deutschland. „Station F“ ist offen für die ganze Welt. Zu den Partnern des gigantischen
Gründerzentrums könnte bald auch die Unternehmerfamilie Mack gehören.
Längst laufen intensive Gespräche über eine Zusammenarbeit zwischen Mack One
France in Plobsheim und „Station F“ in Paris – das Ziel: eine Technologieachse Paris-Plobsheim.
Die Abkürzung „PP“ steht gegenwärtig beispielsweise für den Bezahldienst
PayPal oder „Pastor Pastorum“ (übersetzt „Hirte der Hirten“) und damit den
Papst. Künftig könnte also eine neue innovative Bedeutung für „PP“ dazukommen.
Stets rund 1.000
Start-ups finden in
„Station F“ alles,
was sie für die
Realisierung ihrer
Ideen brauchen –
schon bald könnte
es der Abkürzung
„pp“ zu einer
neuen innovativen
Bedeutung verhelfen
Station F: Das in einem alten Pariser Güterbahnhof errichtete Start-up-Zentrum
ist die weltweit größte Brutstätte für junge Unternehmen.
54
neuzeit
INNNOVATION
neuzeit
INNOVATION
55
Raymond E. Waydelich
R
aymond E. Waydelich ist ein Unikum und ein Elsässer, wie er im Buche
steht – bodenständig und humorvoll, erfinderisch und mit einer beflügelnden
Fantasie gesegnet. Er ist ein viel beachteter Künstler und begnadeter
Erzähler, seine Bildsprache ist international, was Ausstellungen in
Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Schweden, in den USA, Südamerika
und Japan belegen. Waydelich war Biennale-Teilnehmer in Venedig, präsentierte seine
Kunst im Rahmen der documenta in Kassel und ist mit einer Arbeit in den Uffizien
in Florenz vertreten. Sein Herz gehört seiner Heimat, der Region rechts und links des
Rheins: Waydelich ist geradezu ein Symbol für die täglich gelebte deutsch-französische
Freundschaft. Er liebt den Oberrhein, kennt längst keine Grenzen mehr und hat
viele Freunde im Schwarzwald, wie im Elsass: „Der Wein und gutes Essen verbinden
uns. Was wäre das Leben ohne Freunde?“
Der 1938 in Straßburg geborene Künstler ist schon lange ein großer Freund des
Europa-Park: „Wenn wir über Europa und die deutsch-französische Freundschaft
sprechen, dann hat der Europa-Park unglaublich viel gebracht. Hier treffen sich
Menschen vieler Nationen und lernen spielerisch die Kultur des anderen kennen.
Das ist unglaublich wichtig. Freundschaft geht nur direkt über die Menschen.“
Gloriette de Heidi
Auf dem Areal des Kempferhofs ist
ein eindrucksvolles Kunstwerk von
Raymond E. Waydelich zu sehen:
„La Gloriette de Heidi“ lautet der Titel.
Es ist eine aufwendige Installation
aus Stahl und anderen Materialien als
eine Hommage an den Eigentümer
des Kempferhofs, Pierre-Etienne
Bindschedler, der aus der Schweiz
stammt. Raymond E. Waydelich hat
eigens einen großen Granitstein
aus der Schweiz dafür besorgt und
Themen wie Gebirge, Wasser, Forellen,
Vögel, einen Piloten im Flieger,
Nachteulen und Wetterfahnen im Stil
der Belle Époque realisiert.
Flohmarkt-Entdeckung formt den Künstler
Und Raymond E. Waydelich hat schon viel erlebt: 1959 fuhr er als Kriegs-Fotograf der
französischen Armee während des Algerienkriegs im Jeep durch Nordafrika. Nach
Besuch der Kunstgewerbeschulen in Straßburg und Paris begann Waydelich Ende
der 1960er Jahre, künstlerisch zu arbeiten. 1973 war er 35 Jahre alt und machte einen
schicksalhaften Fund: Auf einem Flohmarkt entdeckte der Sammler das Tagebuch
einer Schneiderin aus dem vergangenen Jahrhundert. Seitdem sind die Leben von
Raymond E. Waydelich und Lydia Jacob, so der Name der Dame, untrennbar miteinander
verwoben. Er kreierte ihren Stammbaum, erfand Familienmitglieder und erklärte
den ausgestopften Hund einer Madame aus Metz zu Lydias treuestem Freund.
Seine Zeichnungen, Skulpturen, Objekte und Assemblagen signierte er nicht nur mit
Waydelich, sondern auch mit Lydia Jacob. Der Pakt, „Ich helfe dir berühmt zu werden,
und du hilfst mir“, erfüllte sich postwendend. Der Elsässer erlebte einen kometenhaften
Aufstieg mit One-Man-Shows zwischen New York und Paris.
Seine Arbeiten sind „Memoires“, Erinnerungen. „Archäologie der Zukunft“ nennt Raymond
E. Waydelich das und fragt: „Was wird in 2.000 Jahren von uns bleiben?“ Auf
dem Altstädter Friedhof am Lutherplatz in Kassel sowie in Lyon und Straßburg hat er
Alltagsgegenstände für die Menschen nach unserer Zeit vergraben.
Im Winter 2011 begeisterte Waydelich die Europa-Park-Besucher mit einer großen
Ausstellung unter dem Titel „Mobiliät“.
auf
extratour
56 neuzeit kunst 57
H
och inaus strebt der Leuchtturm des Europa-Park-Hotels „Bell Rock“. Stolze
35 Meter ragt er aus der Rheinebene. Hoch hinaus ist auch jemand gekommen,
der im „Bell Rock“ eine von sechs Suiten nach ganz individueller
Handschrift eingerichtet hat: Stefan Strumbel. „What the fuck is Heimat?“
Damit setzt sich der Künstler seit Jahren auseinander. Auch in „seiner“ Suite
im „Bell Rock“ hat er das Thema aufgegriffen: „Ahoi Heimat“ heißt sie und empfängt
doch in einem ganz anderen Stil, als man es unter der Begrifflichkeit gemeinhin
erwartet. Sanftes Rosa prägt den Raum, begleitet von Elementen in fluoreszierendem
Gelb. Schriftzüge mit „ahoi“, „I love“ und „holy“ zieren die Wände, ein Bett hat
die Form eines Herzens. „Eine essentielle Zutat von Heimat ist Liebe“, pointiert der
Künstler dazu.
Poppige Kuckucksuhren, rebellische Schwarzwaldmädels und Bollenhut-Madonnen
gehören zu Strumbels Markenzeichen. Den Schwarzwald hat er mit seiner eigenwilligen
Auslegung althergebrachter Traditionen sogar in die Welt getragen. Als Jugendlicher
stand er wegen illegaler Graffitis vor Gericht. Dann kaufte Mode-Ikone Karl
Lagerfeld eine seiner grellen Kuckucksuhren und Strumbel wurde zum Popstar. Die
„New York Times“ widmete ihm eine Home-Story.
Inzwischen beschäftigt er sich etwa als Bühnenbildner auch mit anderen Themen –
aber natürlich steht er weiterhin zu seiner Heimat, Baden, den Schwarzwald. Noch
immer lebt er in Offenburg, wo er 1979 geboren wurde. Aber auch die Region auf der
anderen Seite des Rheins ist ihm Quelle der Inspiration.
Darüber äußert sich der Künstler im folgenden Gespräch.
Was bedeutet Ihnen die deutsch-französische Freundschaft?
Stefan Strumbel — Grundsätzlich bedeutet mir Freundschaft gerade in dieser bewegten
Zeit: Verlässlichkeit, Vertrauen und vor allem ein gefestigtes und friedliches Miteinander.
Und dies gilt selbstverständlich auch für die länderübergreifende Freundschaft
mit unserem Nachbarn Frankreich.
stefan Strumbel
(Jahrgang 1979, lebt
in Offenburg und Berlin):
Als „Andy Warhol
der Kuckucksuhren“
bezeichnete die Tageszeitung
„Die Welt“
Stefan Strumbel. Ein
Kunststudium hat der
bildende Künstler nie
absolviert, dennoch
ist er international erfolgreich.
In Grafiken,
Objekten, Skulpturen
und raumgreifenden
Installationen schafft
Strumbel eine Scheinwelt,
die der gesellschaftlichen
Realität
als Spiegel dient.
stefanstrumbel.de
ahoi
heimat
Als Offenburger mit der Nähe zu Frankreich – wie sehen Sie das Nachbarland?
Strumbel — Selbst ich habe ja noch die besetzten Grenzposten erlebt, deshalb genieße
ich die heutige Freiheit noch mal ganz anders. Für mich ist die Nähe zu Frankreich
pure Lebensqualität – nicht nur was die Natur und die Kulinarik betrifft, sondern es
ist gerade auch der, uns sehr verbundene, Menschenschlag. Wenn ich mit meiner Familie
urbane Großstadtluft schnuppern möchte, ist Straßburg erste Wahl und Dank
TGV ohnehin mittlerweile Vorort von Paris.
Finden Sie dort auch Inspiration für Ihre Kunst?
Strumbel — Mein Leitmotiv „Heimat“ ist grenzenlos und gerade die Gegensätzlichkeit
von Natur und Urbanem war schon immer der Humus meiner Inspiration. Mit Toni
Ungerer hatte ich das große Glück, noch gemeinsam in Freiburg ausstellen zu dürfen,
und mit Raymond E. Waydelich verbindet mich eine jahrzehntelange Freundschaft.
Wie beurteilen Sie es, dass das bereits seit 250 Jahren in Baden verwurzelte Familienunternehmen
Mack nun auch in Frankreich einen Standort aufbaut?
Strumbel — Das ist gelebte deutsch-französische Freundschaft.
Respekt !
58
neuzeit
heimat
frauenpower
Frauenpower prägt
StraSSburg: Seit 2020
ist Jeanne Barseghian
Oberbürgermeisterin
der europäischen
Hauptstadt und
im gleichen Jahr
wurde Pia Imbs zur
Präsidentin der
Eurometropole
StraSSburg gewählt.
Im gemeinsamen
Interview sprechen
sie über StraSSburg
und den Oberrhein
als Motor für
Europa, die Chancen
der Digitalisierung
und ihre Sicht auf
Mack One France in
Plobsheim
pia imbs
Jeanne Barseghian
60
neuzeit
FRAUENPOWER
neuzeit
FRAUENPOWER
61
Jeanne Barseghian
Auch ein Beispiel für die hervorragenden
Beziehungen der Familie Mack zu Frankreich:
Für den Abschlussdreh zum Film für Europas
größtes „Flying Theater“ Voletarium
erhielt der Europa-Park in Straßburg eine
Genehmigung für einen Flug auf das
Europaparlament. Am Hubschrauber ist eine
besonders hochauflösende Spezialkamaera
zu erkennen.
pia imbs
Bildung sowie
ökologische, soziale
und demokratische
Herausforderungen
nennt die Grünen-
Politikerin als Fokus
für ihr Amt, das sie
seit Juli 2020 innehat.
Mit 39 Jahren wurde
sie damals zur
Oberbürgermeisterin
von Straßburg gewählt.
Barseghian kam in Paris
in einer französischen
Familie armenischer
Abstammung zur Welt.
Urgroßvater der Juristin
war der armenische
Intellektuelle und
Politiker Sarkis
Barseghian, der
während des
Völkermords an
den Armeniern
ermordet wurde. Ihr
Lebensgefährte ist
Deutscher.
2023 jährt sich der Élysée-Vertrag zum 60. Mal. Wie sehen
Sie heute die deutsch-französischen Beziehungen und Europa?
Pia Imbs — Der Élysée-Vertrag ist der Gründungstext der
deutsch-französischen Freundschaft und festigt unsere
Identität als transrheinische Metropole. Seither leben
unsere beiden Nationen eine Freundschaft, die tatsächlich
einen Impuls für die Annäherung der europäischen
Völker gegeben hat. Heute, da Europa von aufeinanderfolgenden
Krisen erschüttert wird, ist diese Freundschaft
mehr denn je ein echter Motor im Dienst aller
Europäer. Bei uns haben wir ideale Bedingungen, um Innovationen
durchzuführen, die den Herausforderungen
von heute und morgen gerecht werden.
Jeanne Barseghian — Straßburg ist ein Symbol des Friedens
und die Stadt der Annäherungen. Wir haben das
Glück, im Herzen der deutsch-französischen Beziehungen
zu stehen, sie täglich zu leben und zu pflegen. Das
deutsch-französische Paar muss aber auch weiterhin
eine führende Rolle in Europa spielen und seine Verantwortung
wahrnehmen, während unsere demokratische
Lebensweise und unser Zusammenleben unter anderem
durch den schrecklichen Krieg, der in der Ukraine tobt,
auf eine harte Probe gestellt werden. Um das vereinte
und starke Europa, das wir alle so dringend brauchen, zu
verwirklichen, müssen der Dialog und die Zusammenarbeit
zwischen den lokalen Ebenen und den Nachbarn
gestärkt werden. Europa wird im Kleinen wie im Großen
gebaut.
Wie zeigt sich das grenzüberschreitende Zusammenleben
konkret?
Barseghian — Dies ist für die Bewohnerinnen und Bewohner
unserer gemeinsamen Region im Alltag erlebbar. Es
bedeutet zum Beispiel, eine Straßenbahn zu nehmen, um
das Land zu wechseln. Auch die Beziehungen zwischen
unseren Gebietskörperschaften werden immer enger.
Das Abkommen Straßburg-Kehl von 2021 hat einen institutionalisierten
und direkten Dialog zwischen beiden
Städten eingeführt. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
entwickelt sich durch zahlreiche Projekte in
den Bereichen Gesundheit, Kultur und der gegenseitigen
Nutzung unserer Einrichtungen. Bald wird uns eine Fernwärmeleitung
unter dem Rhein verbinden! Sie wird die
Abwärme eines deutschen Stahlwerks nach Straßburg
transportieren, um 8.000 Wohnungen mit Heizung und
Warmwasser zu versorgen. Dieses in Europa einzigartige
Projekt, das durch die Gründung einer gemeinsamen
Wärmetransportgesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“
(SEM Calorie) umgesetzt wird, ist ein hervorragendes
Beispiel für den Einfallsreichtum, zu dem wir gemeinsam
fähig sind, um den ökologischen Wandel in unserer Region
umzusetzen.
Imbs — Die Grenzen verschwinden zugunsten großer
strukturierender Projekte wie der „Passerelle des deux
Rives“ („Brücke der zwei Ufer“). Die neue SEM Calorie
ermöglicht es, unseren lokalen Energiemix zu bereichern.
Diese Partnerschaft zwischen der Eurometropole
Straßburg, der Stadt Kehl, der Region Grand Est und dem
Land Baden-Württemberg erhöht den Anteil der erneuerbaren
Energien in den Wärmenetzen und erfüllt die
Ziele der Dekarbonisierung und der Verringerung der
Energiearmut. Ich möchte auch noch das Projekt „Deux
Rives“ erwähnen. Damit werden vier neue Stadtviertel
in Straßburg bis nach Deutschland entwickelt. Es bringt
uns noch näher an Kehl heran, indem es ehemalige Hafenbrachen
saniert und zu einem echten Sektor macht,
in dem es sich gut leben lässt. Dieses Projekt wird den
Einwohnern von Straßburg und Kehl gleichermaßen zugutekommen.
Welche Rolle sollte das Oberrheingebiet Ihrer Meinung
nach in Europa spielen?
Barseghian — Ich glaube, wir verleihen Europa Schwung.
Hier haben wir einen guten Blick auf Grenzeffekte, die
in vielen Bereichen dringend beseitigt werden müssen.
Diese genaue Kenntnis der Probleme, gepaart mit unserer
Fähigkeit, zu teilen und zu probieren, verschafft uns
einen Vorsprung. Heute ist die Grenze beispielsweise
immer noch ein Hindernis, wenn man mit dem Zug reist.
Dabei ist der Zug die beste Alternative zum Straßen- und
zum Luftverkehr. Man muss nur investieren und sich von
Scheuklappen der nationalen Grenzen befreien. In diesem
Punkt bin ich sehr engagiert. Eine Verbesserung der
Verbindungen zwischen den Städten des Rheinbeckens
würde sich positiv auf das gesamte europäische Netz
auswirken.
Imbs — Um die Dynamik der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit zu verstärken, verfügen wir über ein
sehr interessantes Instrument: Es handelt sich um die
Vereinigung „Grand Est-Europe“ zur kollektiven Vertretung
der Interessen der öffentlichen Akteure der französischen
Region Grand Est gegenüber den europäischen
Institutionen. Sie ermöglicht einen echten Raum des
Dialogs, der die regionalen Akteure in die Lage versetzt,
ihre europäischen Projekte zu konkretisieren. Wir müssen
dies aber noch verstärken, um den Übergang im
Umwelt-, Energie-, Industrie- und Digitalbereich zu begleiten.
Aber schon jetzt bestätigt die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit bei uns, dass die Eurometropole
und die Stadt Straßburg einen ganz besonderen Platz in
Europa einnehmen und dass das Rheinbecken ein echter
Motor auf europäischer Ebene ist.
Inwiefern ist die Digitalisierung eine Chance für Ihr Gebiet,
aber auch für die deutsch-französische Zusammenarbeit?
Imbs — Digitale und neue Informationstechnologien werden
wahrscheinlich in naher Zukunft alle Branchen und
jeden Aspekt unseres Lebens dominieren. Mit nahezu
unbegrenzten Möglichkeiten macht uns die Digitalisierung
große Versprechen. So wird 5G unter anderem die
Taktung des öffentlichen Nahverkehrs optimieren oder
die medizinische Versorgung verbessern.
Die Digitalisierung wird auch im Mittelpunkt von Mack
One France stehen, dem Kreativzentrum für digitale Unterhaltung,
das auf der französischen Seite des Rheins, in
Plobsheim, errichtet wird. Wir begrüßen diese Ansiedlung
und wissen, dass wir auf das Unternehmen Mack zählen
können, um dieses Projekt in vorbildlicher Weise zu leiten,
insbesondere in Bezug auf den Schutz der biologischen
Vielfalt und die nachhaltige Entwicklung.
Barseghian — Die Digitalisierung ist ein großartiges demokratisches
Instrument. Sie ermöglicht uns als Gebietskörperschaft,
die Meinungen und Wünsche der Einwohner
zu unseren Projekten zu sammeln und daraus gemeinsam
eine maßgeschneiderte Politik zu entwickeln. Wir sind
uns jedoch bewusst, dass diese Instrumente für Menschen,
die mit den neuen Technologien nicht vertraut
sind und nicht die Mittel haben, sich damit auszustatten,
auch ausgrenzend wirken können. Die digitale Kluft ist
real, und wir bieten den Menschen viele andere Möglichkeiten,
sich auszudrücken, so etwa mit Workshops oder
Fragebögen in Papierform. Das Internet ist ein großartiges
Werkzeug, aber es ist ein Werkzeug, also muss man
lernen, es zu nutzen, seine Vorteile zu verstehen und Auswüchsen
vorzubeugen.
wurde 1960 geboren
und wuchs im Ort
Holtzheim mit heute
3.700 Einwohnern
an der Grenze zu
Straßburg auf. Die
parteilose Ökonomin
lebt heute noch dort
und ist seit 2014
Bürgermeisterin von
Holtzheim. Im Juli
2020 wurde sie zur
Präsidentin der Straßburger
Eurometropole
gewählt. Das Gremium
ist eine Form der
interkommunalen
Zusammenarbeit der
Stadt Straßburg und
ihrer umliegenden
32 Gemeinden.
Die Kompetenzen der
Ratsdelegierten sind
enorm. Kein Gehsteig,
kein Marktplatz von
Straßburg oder einer
der umliegenden
Gemeinden kann ohne
die Zustimmung des
Rats der Eurometropole
renoviert oder
neugestaltet werden.
Auch keine Firma
kann sich ohne deren
Billigung in einer
Gemeinde ansiedeln.
Zusätzlich hat die
Eurometropole Kompetenzen
in grenzüberschreitenden
Fragen.
62
neuzeit
FRAUENPOWER
neuzeit FRAUENPOWER 63
Laurette Lourenço-Siefert
arbeitete als Journalistin,
als sie erstmals
1976 Franz und Roland
Mack traf. „Es war
die Begegnung eines
starken Vater-Sohn-
Teams. Sohn Roland
führte mich im neuen
und kleinen Schlosspark
herum und
erklärte mir alles, der
Vater stimmte zu, betonte
einiges. Ich war
begeistert und war
mir sicher, dass meine
elsässischen und
Lothringer Leser auch
zustimmen werden.“
1990 übernahm sie
das neu gegründete
„Europa-Park Büro
Frankreich“ in Straßburg
und begeisterte
als Repräsentantin
des Europa-Park mit
vielfältigen Aktionen
abertausende
Franzosen für den
Besuch des deutschen
Freizeitparks.
E
s ist die Anfangszeit des Europa-Park, die neue Freizeitattraktion wird noch
mit Skepsis begleitet. Schlagzeilen wie „Der Pleitegeier schwebt über Rust“
oder „Was geschieht mit der Freizeitruine im badischen Fischerdorf“ gehören
zu den ersten Presseresonanzen auf die Idee der Familie Mack, im badischen
Rust einen Freizeitpark zu bauen. Die Besucherzahlen geben den
Gründern Franz und Roland Mack jedoch recht: 250.000 Besucher kommen 1975, ein
Jahr später bereits 700.000, 1978 folgt die erste Gästemillion.
Zu den ersten Besuchern gehört auch die Journalistin Laurette Lourenço-Siefert aus
Frankreich. Sie ist sofort begeistert. „Seit meinem ersten Bericht 1976 in der regionalen
Fernsehzeitschrift „Est Télé Flash“ habe ich an den Europa-Park geglaubt. An den Park,
die Familie Mack und das europäische Konzept“, erinnert sie sich. Es entwickelte sich
eine ungewöhnliche grenzüberschreitende Beziehung: „Im Laufe der Jahre habe ich
weitere Berichte über den Park geschrieben, mit dem Park Gewinnspiele organisiert
und auch Gruppen, etwa von Menschen mit Behinderung, eingeladen.“ Lourenço-
Siefert wird zu einer Brückenbauerin von Frankreich in den Park: „Mit mir waren auch
unsere Leser bald vom Park überzeugt und kamen damals schon nach Rust.“
Eine visionäre Idee
Aus diesen Anfängen hat sich 1990 das „Europa-Park Büro Frankreich“ mit Sitz in
Straßburg entwickelt. „Als „Est Télé Flash“ nach einem Verkauf nicht mehr erschien
und mein Posten als Chefredakteurin nicht mehr existierte, kam ich gemeinsam mit
Franz, Roland und Jürgen Mack auf die Idee zu diesem Projekt.“ Lourenço-Siefert wurde
zur Frankreich-Repräsentantin des Europa-Park. Das Ziel: den Franzosen den Park
näher zu bringen, Infos auf Französisch zu geben, Grenzen abzubauen – zum Beispiel
auf Messen. „Damals war das eine visionäre Idee. Das französische Disney gab es
noch nicht und in Frankreich existierten nur winzige Parks.“
Heute kommen mehr als eine Million Park-Besucher jedes Jahr aus Frankreich. Seit
1999 gibt es sogar eine öffentliche Buslinie aus der Region „Grand Est“ nach Rust. Und
inzwischen hält der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV am Bahnhof Ringsheim/Europa-Park.
„Meine Landsleute schätzen das Konzept vom Familienbetrieb“,
erklärt Lourenço-Siefert die Begeisterung der Franzosen. „Ein Familienunternehmen
auf so hohem Niveau ist in Frankreich eher selten. Dazu begeistert sie besonders die
große Qualität der Fahrgeschäfte und Shows, die Sauberkeit des Parks, die Details in
der Architektur und die ständigen Neuheiten.“ Laurette Lourenço-Siefert geht nun
in Rente, aber um die Zukunft der besonderen Beziehung zwischen der Familie Mack
und Frankreich ist ihr überhaupt nicht bange „Die Familie Mack hat immer an Frankreich
geglaubt. Für uns bleibt der Park nie stehen, er entwickelt sich immer weiter,
mit derselben erfinderischen Qualität.“
spurensuche
Warum lieben so viele
Franzosen den Europa-Park?
Eine Spur zur Antwort führt zu
Laurette Lourenço-Siefert
„Meine Landsleute schätzen das Konzept vom Familienbetrieb“
64 neuzeit STRASSBURG
M
it Wiesen, kleinen Wäldern und Gebüschen
erstreckt sich das „Grand Ried d’Alsace“ (großes
Ried) zwischen Straßburg und Colmar
wie ein verwunschenes Naturparadies. In diese
Landschaft passt sich das neue Innovationszentrum
von Mack One France auf ebenso naturnahe
wie nachhaltige Weise ein. So bestehen Gebäudeträger
und -fassaden zu rund 80 Prozent aus dem nachwachsenden
Baustoff Holz.
Die Architektur wird von der Natur umarmt, keinesfalls
dominiert sie die Umgebung. Auch Farben und Gebäudehöhe
tragen zu dieser Harmonie bei. „Wir haben das Areal
so bepflanzt, dass sowohl die vorhandene Flora unbeeinträchtigt
geblieben ist, als auch die Tierwelt ganzjährig
Nahrung findet“, erklärt Thomas Renner-Boh, Direktor
Infrastrukturmanagement des Europa-Park. „Es sind auch
Bienenvölker angesiedelt sowie Wildblumen und Kräuter
eingesät worden.“
Die Gebäudetechnik ist ebenfalls nachhaltig. Heizung
und Kühlung werden zu einem großen Teil über eine
Grundwasserwärmepumpe abgedeckt. Eigene Solarmodule
tragen unterstützend zur Stromversorgung bei.
Zahlreiche Bäche und Flüsschen durchziehen das „Grand
Ried“. Mit künstlich angelegten Wasserläufen unterstützt
der Mack-One-Standort die natürlichen Ressourcen. „Wir
haben zusätzliche Wasserflächen generiert, welche ebenfalls
einen Mehrwert für Fauna und Flora darstellen“, betont
Renner-Boh.
début
Wie der Standort von Mack One France naturnah
und nachhaltig in die Umgebung passt
neuzeit ARCHITEKTUR 67
Im Spiegel der Zeiten
Plobsheim und das Elsass – wo Frankreich und Deutschland
miteinander verwoben sind
Die Geschichte
des Kempferhofs
E
s war mal französisch, mal deutsch:
Das Elsass ist besonders eng mit der
deutschen und französischen Geschichte
verflochten. Oft war es Schauplatz
erbitterter Kämpfe. Aber auch schon
immer war das Elsass die offene Tür der Freundschaft
zwischen Deutschland und Frankreich. Seine Kultur,
Wissenschaft und Wirtschaft strahlen weit über die
Oberrheinische Tiefebene hinaus. Es war in Straßburg,
wo Johannes Gutenberg den Buchdruck einführte und
wo die erste Wochenzeitung aus der Druckmaschine
kam. Frédéric Auguste Bartholdi aus Colmar erschuf
die Freiheitsstatue und Ettore Bugatti baute im Elsass
Autos, die zum Mythos geworden sind.
Im Herzen Europas erleben die Menschen heute Baden
und das Elsass immer mehr als gemeinsamen Lebensraum.
Die Herausforderungen von Gegenwart und
Zukunft lassen sich viel besser miteinander bewältigen.
„Die europäische Einheit ist wie ein Impfstoff gegen
Krieg“, hat einmal der berühmte Zeichner und Autor
Tomi Ungerer für die Versöhnung und Kooperation
zwischen Deutschland und Frankreich geworben. Doch
nur wer die Geschichte kennt, versteht die Gegenwart
und ist imstande, die Zukunft zu gestalten.
Facetten der deutsch-französischen Geschichte
In Plobsheim nahe Straßburgs hat die deutsche Unternehmerfamilie
Mack ihren ersten Standort außerhalb
Deutschlands eröffnet. In unmittelbarer Nähe erstreckt
sich eines der schönsten Golfareale Europas: Ein luxuriöses
Anwesen mit einem erstklassigen Golfplatz und
einem Hotel-Restaurant der Spitzenklasse, eingebettet
in eine fantastische Natur – das ist der Kempferhof in
Plobsheim.
Kaum zu glauben, dass dieses feudale Haus einmal ein
Bauernhof war, benannt nach der Straßburger Familie
Kempfer, den früheren Besitzern des Ortes. Weit enger
verbunden ist er jedoch mit dem Namen einer anderen
Familie, den aus dem Périgord stammenden Darteins,
die im 18. Jahrhundert als Leiter der königlichen
Kanonengießerei in Straßburg zu großem Ansehen
gekommen waren. Es war Baron Jules de Dartein, der
im späten 19. Jahrhundert auf dem von seinem Vater
erworbenen Besitz den Kempferhof erbaute und dem
bäuerlichen Gut im Laufe seines Lebens sein repräsentatives,
höchst eigenwilliges Aussehen verlieh.
Die Geschichte des Areals beginnt jedoch schon weit
früher und ist mit der des Dorfes und des Elsass mit
seinen zahlreichen Herrschaftswechseln zwischen
Frankreich und Deutschland verknüpft. Plobsheim war
lange ein Fischerdorf am Rhein, von dem es seit einem
halben Jahrhundert vollständig getrennt ist. Trotz
seiner abgeschiedenen Lage schenkte der Kempferhof
Generationen von Plobsheimern Ansehen und Wohlstand.
Mit vielen Facetten spiegelt sich im Kempferhof
auch die Entwicklung dies- und jenseits des Rheins.
Dies ist seine Geschichte.
ZUSAMMENGETRAGEN
UND VERFASST VON
René Deiber
68 historie name kapitel historie name kapitel
69
Wappen der
Adelsfamilien
Heimburg von
Plobsheim,
Mosung und
Zum Treubel.
Erste Zehntscheune auf dem Gelände der
ehemaligen Herrschaftsfliesenfabrik, später
Kapp-Fliesenfabrik.
(B.N.U.S.)
Kapitel I
Das Dorf
Die erste Tieflandburg
Maria zur Aych –
„Notre-Dame du Chêne“
Das zweite Schloss
Das Dorf
Der Ort Plobsheim liegt 15 Kilometer
südlich von Straßburg an der alten
Straße nach Basel.
Plobsheim wurde erstmals 778
urkundlich erwähnt, anlässlich der
Gründung des Klosters im Nachbardorf
Eschau. Der Straßburger Bischof
Remigius schenkte der Abtei ein
Stück Land, genannt Bladbolshaime.
Im Mittelalter bestand der Weiler
nur aus einigen Bauern- und Fischerhäusern,
durchflossen von mehreren
Bächen, die von den Ill- und Rheinarmen,
Gießen genannt, gespeist wurden.
Die Gegend bestand aus Sümpfen,
Schilfgürteln und Auenwäldern.
Der sehr breite Flusslauf konnte an
zahlreichen flachen Stellen von Insel
zu Insel passiert werden; Brücken
gab es keine. Die Bevölkerung war
alemannischen Ursprungs und lebte
hauptsächlich von der Fischerei und
der Bewirtschaftung ihres Landes,
das diversen Adelsfamilien aus der
Reichsritterschaft des Unterelsass
gehörte, darunter die Familien Heimburg
von Plobsheim, Mosung und
Zum Treubel.
Bis ins 19. Jahrhundert war das
Goldwaschen im Rhein für die Plobsheimer
ein beliebter Nebenerwerb.
Noch im 20. Jahrhundert trug eine
Familie den Namen „Goldwaschers“
(Goldwäscher).
Zwischen Plobsheim und Thumenau
lag das Himmery (Himmelreich), zur
Zeit der Kelten ein heiliger Wald, in
dessen Mitte, neben einer Eiche, eine
druidische Opferstätte lag. Später
wurde der Ort zu einem christlichen
Gebetszentrum, zu dem Gläubige
aus der ganzen Gegend pilgerten.
Ein Marienbild gab ihm den Namen
Maria zur Aych. Im 15. Jahrhundert
wurde die Kapelle „Unsere Liebe Frau
von der Eiche“ errichtet, aus der ein
Kult hervorging, der als die älteste
Marienwallfahrt des Elsass gilt.
Die erste Zehntscheune des Ortes
befand sich vermutlich auf dem
Gelände der ehemaligen herrschaftlichen
Ziegelfabrik, der späteren
Ziegelei Kapp.
70
historie
Kapitel I
historie
Kapitel I
71
Im Jahr 1416 schenkte der römisch-deutsche
König Sigismund
von Luxemburg das Dorf Johann
Zorn von Eckerich. Die Familie, aus
der zahlreiche Stettmeister (Bürgermeister)
von Straßburg hervorgingen,
führte fortan den Namen Zorn
von Plobsheim.
Über zwei Jahrhunderte blieb das
Dorf mit der Familie Zorn verbunden.
1427 trat sie ihre Patronatsrechte
an die Rathsamhausen, Herren
von Wibolsheim, ab, die den Chor
und die Sakristei der heutigen Kirche
erbauen ließen.
Die erste Tieflandburg
Ein Adelsgeschlecht, die Heimburgs
von Plobsheim, errichteten wahrscheinlich
die schlichte Burg, die
an der Straße nach Straßburg lag,
mit Ecktürmen und Wassergraben.
An dieser Stelle, dem so genannten
Ackergarten, baute Jules de Dartein
zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine
Villa, die heute als „Haus von Gail“
bekannt ist (siehe Kapitel VI).
Maria zur Aych –
Notre-Dame Du Chêne
Im Jahr 1454 ließ Adam Zorn im
Süden des Dorfes die oben erwähnte
Kapelle „Unserer Lieben Frau“ von
der Eiche errichten. Wie die Legende
auf den Glasfenstern erzählt, wurde
die Kapelle aufgrund eines Gelübdes
des Ritters Zorn errichtet: Der
Bischof von Straßburg hatte seinem
Adel befohlen, am Krieg gegen
die Armagnacs teilzunehmen, und
während einer Schlacht geriet der
Ritter Zorn in große Lebensgefahr. Er
versprach Maria, für den Fall seiner
Rettung, eine Kapelle zu ihren Ehren
zu errichten.
Adam Zorn wurde verschont und
kehrte nach Kriegsende sicher zu
seiner Familie zurück. Doch die Monate
vergingen und er vergaß sein
Versprechen.
Eines Tages, als er in der Nähe
der alten Eiche auf die Jagd ging,
spannte er seinen Bogen, um einen
Pfeil auf eine Taube zu schießen, die
auf dem Baum saß. Zu seiner großen
Überraschung erschien neben dem
Vogel das Abbild der Jungfrau Maria,
das ihn mit strengem Blick an sein
gebrochenes Versprechen erinnerte.
Adam Zorn fiel auf die Knie und versprach,
sein Gelübde einzulösen.
Im Jahr 1562, zur Zeit der Reformation,
nahmen die Zorns die lutherische
Religion an und alle Einwohner
des Dorfes mussten dies ebenfalls
tun. Der erste lutherische Pfarrer,
Hieronymus Düppel, ließ sich 1577 in
Plobsheim nieder.
Federzeichnung
von
Pierre Nuss,
die das
Wappen
mit den
Plobsheimer
Kleeblättern
und dem
Zorn-Stern
zeigt.
Das zweite Schloss
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts
ersetzten die Zorns das alte Schloss
durch ein neues im Renaissancestil,
das, wenige hundert Meter versetzt,
noch immer an der Straße von Straßburg
nach Basel steht. Es handelt
sich um ein Gebäude mit rechteckigem
Grundriss, flankiert von
einem Erker an der Nordostecke, mit
einem Kanonenloch im Erdgeschoss
und hohen mit Kugeln besetzten
Giebeln.
Zorn von Eckerich,
Rathsamhausen,
Böcklin von Böcklinsau.
(B.N.U.S. nach Lehr und
Neuenstein)
Das Schloss Zorn in den 1950er Jahren. (Coll. R. Deiber)
Originalstatue der
Maria zur Aych.
72 historie Kapitel I (Foto R. Deiber)
historie Kapitel I
73
Kopie der
Schenkungsurkunde
Ludwigs XIV.
für das Dorf
Plobsheim
aus dem
Jahr 1684.
(A.D.B.R.)
Wappen der Familien
Güntzer und Kempfer.
Kapitel II
Haus in Illkirch, in dem
die Stadtverordneten
die Kapitulation der
freien Stadt Straßburg
am 30. September 1681
(Postkarte Coll. R. Deiber)
unterzeichneten.
Neue
Herrschaftsverhältnisse
Neue
Herrschaftsverhältnisse
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648)
hatte schwerwiegende Folgen für
Plobsheim: Am Ende des Krieges war
das Dorf verwüstet, die Bevölkerung
stark dezimiert. Im „Westfälischen
Frieden“ von 1648 wurde dem französischen
König Ludwig XIV. das Elsass
mit Ausnahme der zehn Reichsstädte
(„Dekapolis“) zugesprochen, offiziell
als „Reichsvogtei“. Der König war
mit dieser Situation unzufrieden und
versuchte unablässig, diese Städte in
seinen Besitz zu bringen, insbesondere
Straßburg, den Brückenkopf zum
Deutschen Reich. Im Sommer 1681
zog er 30.000 Soldaten in der Nähe
von Illkirch zusammen.
Am 28. September wurde die Rheinbrücke
besetzt, am 29. September
die Stadt umstellt. In Illkirch empfing
der Kriegsminister Louvois eine Delegation
des Magistrats und befahl,
dass sich die Stadt am 30. September
bis sieben Uhr morgens zu ergeben
hätte, andernfalls würde sie bombardiert.
Der Magistrat beschloss,
sich zu ergeben. In der Kapitulation,
die am selben Tag in Illkirch unterzeichnet
wurde, ließ Ludwig XIV. den
Straßburgern ihre Verfassung und
gewährte ihnen Religionsfreiheit.
Das Münster aber musste den Katholiken
zurückgegeben werden.
Die Übergabe Straßburgs wurde
durch die beiden Honoratioren
Christophe Güntzer und Jean
Nicolas Kempfer befördert. Zum
Dank schenkte ihnen Ludwig XIV.
1684 das Dorf Plobsheim. Die beiden
Schwager (sie hatten die beiden
Schwestern Agnes und Marguerite
Wencker geheiratet) konvertierten
zum Katholizismus, während ihre
Gattinnen ihrem alten Glauben treu
blieben. In Plobsheim änderten sich
die Verhältnisse rasch. Die neuen
Herren warfen die Witwe von Röder,
geborene Zorn, brutal aus ihrem
Schloss, mitsamt ihren kleinen
Kinder.
74 historie kapitel II
historie kapitel II 75
Im Jahr 1687 ließen Christophe
Güntzer und Jean Nicolas Kempfer
eine Sandsteinkartusche mit ihren
Wappen und Initialen über dem
Kachelofen anbringen. Heute ist
die Kartusche in die Nordwand des
Wohnhauses der ehemaligen Ziegelfabrik
eingelassen.
Kupferstich von
Jean Nicolas
Kempfer.
(B.N.U.S.)
In den Jahren 1688 und 1689 ließen
die neuen Herren ein Kataster aller
Häuser, Höfe und Grundstücke des
Dorfes anfertigen. Vermerkt wurden
die Namen der Eigentümer, die Flächen
und die zu zahlenden Jahresmieten.
Die Familie Kempfer besaß
257 Morgen, die Familie Güntzer 381
Morgen.
Jean Nicolas Kempfer wohnte mit
seiner Familie im Schloss Zorn. Sein
Schwager lebte weiterhin in Straßburg
und starb am 11. Dezember
1695. In der Rue de l'Église errichteten
seine Erben 1705 das Herrenhaus
Güntzer.
In der dritten Generation litten
die Nachkommen von Christophe
Güntzer und Jean Nicolas Kempfer
unter den Folgen der Französischen
Revolution: Die Adligen galten als
verdächtig, wurden verfolgt und
verhaftet.
Bei den Güntzers standen Mutter
und Tochter auf der Liste der Verdächtigen,
1792 wurden sie verbannt.
Jean Baptiste Güntzer wanderte
nach Deutschland aus; seine Besitztümer
wurden beschlagnahmt und
verkauft.
Bei den Kempfers wurden die Mutter
und die Töchter ins Gefängnis
geworfen. Der Familienbesitz wurde
nach dem Tod der Witwe zwischen
dem Staat, der Gemeinde Plobsheim
und den Kempfer-Töchtern aufgeteilt.
In Plobsheim erwarb Anne
Victoire de Boistel das Schloss Zorn
nebst weiteren Ländereien und Wäldern,
darunter auch das „Land in der
Kling“, auf dem heute der Kempferhof
steht.
Links ist in dem Relief das
Wappen von Christophe
Güntzer zu erkennen, rechts
das Wappen von Jean Nicolas
Kempfer. In den unteren Ecken
steht die Jahreszahl 1687.
(Foto R. Deiber).
Das 1705 erbaute
Güntzerschloss.
(Coll. R. Deiber)
Auszug aus dem Grundbuch, Katholisches Archiv
Plobsheim. (Foto und Übersetzung von R. Deiber)
76 historie kapitel II
historie kapitel II 77
Jean Baptiste de Dartein
(1719-1781)
Urgroßvater von Jules de Dartein
Kapitel III
Die Familie Dartein
im Elsass
Der aus einer Familie aus Tayac im
Périgord stammende Kommissar
der königlichen Gießereien war der
Sohn von Pierre Dartein und Marie
Pécharry. Er arbeitete in den Marinegießereien
von Toulon und Ruelle im
Angoumois bevor er sich 1761 oder
1762 im Elsass als Generalkommissar
der Artilleriegießereien in Straßburg
niederließ. Für die Dienste seiner
seit 150 Jahren in den königlichen
Gießereien tätigen Familie und
für seine persönlichen Leistungen
wurden ihm 1778 von König Ludwig
XVI. der Adelsbrief und zwei Jahre
später das Kreuz von Saint-Michel
verliehen. Da er auch die päpstliche
Artillerie erneuert hatte, erhielt er
vom Heilige Stuhl die Auszeichnung
des Goldenen Sporns mit dem Titel
eines römischen Grafen. Auch vom
Kanton Solothurn erhielt er 1776
eine Ehrenmedaille. Jean Baptiste
de Dartein starb am 20. April 1781 in
Straßburg und wurde auf dem heute
nicht mehr existierenden Friedhof
von Saint-Pierre-le-Jeune beigesetzt.
Aus seiner Ehe mit Anne Geneviève
Colmont seit dem Jahr 1745 gingen
drei Söhne hervor. Seine Witwe, die
1788 starb, wurde im Chor der Kirche
von Thanvillé beigesetzt.
Jean Felix de Dartein (1747-1788)
und Jean Hermine de Dartein
(1763-1809)
Als ältester Sohn trat Jean Félix
1781 die Nachfolge seines Vaters als
Generalkommissar der Straßburger
Artilleriegießereien an und erwarb
1786 die Baronie Thanvillé . Sein jüngerer
Bruder Jean Hermine, geboren
1763 in Straßburg, war Hauptmann
im Husarenregiment Chamborant
und starb 1809, unverheiratet, in
Straßburg.
Jean Baptiste de Dartein (1719-1781)
Jean Baptiste de
Dartein (1719-1781).
(Privatsammlung)
Die folgenden Biografien der Mitglieder der Familie Dartein sind dem „Dictionnaire de
biographie des hommes célèbres de l'Alsace”, Band 1, von Édouard Sitzmann entnommen.
78 historie Kapitel III
historie Kapitel III 79
Schloss
Kolbsheim im
19. Jahrhundert.
(Ansicht von Julius
Naeher, 1905)
Besitzungen der Familie Dartein
Charles Mathieu Sylvestre de
Dartein (1749-1814)
Großvater von Jules de Dartein
Der einzige Sohn von Jean Baptiste,
der Nachkommen hatte, kam 1749 in
Toulon zur Welt. Er wurde als Jurist
in den Souveränen Rat des Elsass
aufgenommen, bekleidete von 1779
bis 1790 die Würde des königlichen
Präfekten von Sélestat und war 1787
Mitglied der Provinzversammlung
des Elsass. Im selben Jahr heiratete
er in Colmar Rosalie de Salomon,
die Tochter des Generalverwalters
der Domänen und Wälder der
Krone. Nach dem Tod seines älteren
Bruders erwarb Charles Mathieu
Sylvestre die Baronie Thanvillé von
seiner Schwägerin und avancierte
1790 zum Direktor der königlichen
Gießerei in Straßburg.
Sein Amt rettete ihn während der
Schreckensherrschaft nach der
Französischen Revolution – auch
die Republik brauchte schließlich
Kanonen. Später veröffentlichte
der ehemalige Generalkommissar
die „Observations sur les fontes
des bouches à feu“ (1806) und eine
„Elementare Abhandlung über die in
den Gießereien zur Herstellung von
Feuerwerkskörpern verwendeten
Verfahren“ (1810). Charles Mathieu
Sylvestre de Dartein war Mitglied
des Generalrats des Bas-Rhin und
des Präfekturrats. Der frühe Tod
zwei seiner Söhne, Charles Hermine
und Gustave, beschleunigte sein
Ende.
Charles Mathieu Sylvestre
de Dartein und Françoise
Rosalie de Dartein,
geborene de Salomon
(1761-1841).
Die Medaillons wurden
gestochen von Gilles-
Louis Chrétien (1754-
1811), dem Erfinder des
Physionotrace-Apparats,
der die Herstellung von
Porträtzeichnungen
vereinfachte.
(Privatsammlung)
Hôtel de Dartein,
Rue des Charpentiers
in Straßburg.
(Privatsammlung)
Das Schloss von Kolbsheim
1801 kaufte Charles Mathieu Sylvestre
de Dartein von den Erben des
österreichischen Generals Falkenhayn
die Ländereien und das Schloss
von Kolbsheim, etwa 15 Kilometer
südwestlich von Straßburg.
Das Grabmal von Charles Mathieu
Sylvestre de Dartein
Charles Mathieu Sylvestre de Dartein
starb am 24. Oktober 1814 in seinem
Schloss in Kolbsheim.
Aus seiner Ehe gingen sechs Kinder
hervor:
1. 1788, Adelaide, die 1810 den General
Baron de Castex heiratete, ✝ 1856
2. 1789, Charles Hermine, ✝ 1814
3. 1792, Gustave, ✝ 1812
4. 1796, Félix, ✝ 1866
5 und 6. 1799, Theodore, ✝ 1884,
und sein Zwillingsbruder, der wenige
Augenblicke nach der Geburt starb.
Das Schloss von
Thanvillé (Zeichnung
von Jules de
Dartein, 1859).
(Privatsammlung)
Das Hôtel de Dartein
(ehemaliges Hotel von Christine von
Sachsen)
Im Jahr 1807 erwarb Charles Mathieu
Sylvestre de Dartein in Straßburg
den ehemaligen Böckelshof der Prinzessin
Christine von Sachsen in der
Rue des Charpentiers 17, Straßburg.
Das Schloss von Thanvillé
Um 1800 ließ Charles Mathieu
Sylvestre de Dartein das Dach des
demolierten Schlosses von Thanvillé,
das er nach dem Tod seines Bruders
Jean Félix im Jahr 1788 gekauft hatte,
wieder aufbauen.
Burg Bernstein
Die Burg Bernstein auf den Höhen
von Dambach-la-Ville, eine der ältesten
Burgen im Elsass, deren erste
Erwähnung bis zum Anfang des 11.
Jahrhunderts zurückreicht, wechselte
im 15. Jahrhundert mehrmals ihren
Besitzer und wurde Ende des 16.
Jahrhunderts von den Straßburger
Bischöfen aufgegeben. 1632 wurde
sie von den Schweden geplündert,
während der Revolution wurden
Teile der Burg abgerissen. 1822 erwarb
Felix de Dartein die Ruine mit
dem umliegenden Staatswald. Das
Wächterhaus wurde restauriert und
diente viele Jahre lang als Feriendomizil
für Felix, seine Frau und ihre
Kinder, bevor der gesamte Komplex
1861 verkauft wurde.
80 historie Kapitel III
historie
Kapitel III
81
Die Familie Félix de Dartein im Jahr 1865.
Oben, von links nach rechts: Virginie, Jules, Félix, Gustave und Charles.
Unten, von links nach rechts: Cécile, Émilie, Henri und Marie.
Auszug aus dem Tagebuch von Cécile de Dartein, veröffentlicht von Jean N. D. Escande.
(Privatsammlung)
82 historie Kapitel III
historie Kapitel III 83
Die Eltern von
Jules de Dartein
Félix de Dartein
Geboren am 16. Juni 1796 in Straßburg,
wurde er 1817 in den königlichen
Hof von Paris aufgenommen
und half seiner Mutter bei der
Verwaltung ihrer Güter in Thanvillé
und Kolbsheim. Im Jahr 1826 wurde
er Unterpräfekt von Lavaur (Tarn)
und 1829 von Sarrebourg (Mosel).
1837 kaufte er 46 Hektar Wald in
Plobsheim und erweiterte diesen
Besitz im Laufe der Jahre durch
Tausch und Kauf. Zuletzt Generalrat
des Bas-Rhin im Kanton Villé, zog
er sich nach dem Staatsstreich von
Louis-Napoléon Bonaparte gegen
das Parlament vom Dezember 1851
aus dem politischen Leben zurück
und widmete sich historischen und
agrarwissenschaftlichen Arbeiten.
Aquarell von
Félix de Dartein.
(Privatsammlung)
Aquarell von
Emilie de Dartein,
geborene Hamart.
(Privatsammlung)
Emilie Hamart
Die Tochter eines Artillerieobersts
aus einer bretonischen Familie, die
im 18. Jahrhundert in Lothringen
ansässig war, heiratete 1835 Félix de
Dartein; sie starb 1882 in Straßburg
und ist auf dem Friedhof von Thanvillé
neben ihrem Mann begraben,
der in Bad Kreuznach (Deutschland)
starb, wohin ihn der Arzt zur Kur
geschickt hatte.
84 historie Kapitel III
historie Kapitel III 85
Die Kinder von Félix de Dartein
1) Charles de Dartein (1836-1882)
Er trat im Alter von 17 Jahren in die Militärschule Saint-Cyr ein, wurde 1855
Unterleutnant, nahm 1859 am Italienfeldzug unter Napoleon III. teil und
wurde nach der Schlacht von Magenta zum Leutnant ernannt. Im Jahr 1861
heiratete er Caroline Palle, geboren 1841. Nach der Niederlage bei Sedan 1870
im Deutsch-Französischen Krieg wurde er in Magdeburg interniert. Nach
seiner Entlassung verließ er Frankreich und ging nach Algerien. 1880 wurde er
mit dem Ritterkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet. Der Erfinder eines Propellerrevolvers
und Autor von Artikeln in diversen Militärzeitschriften starb
1882 in Marseille im Alter von 46 Jahren an einer Kehlkopfentzündung, die er
sich in Algerien zugezogen hatte. Er ist auf dem Friedhof von Thanvillé in der
Nähe seiner Eltern begraben.
Aus seiner Ehe gingen hervor:
1. 1868, Félix: verheiratet 1903 mit Berthe Espinasse, er hatte eine Tochter,
Isaure (geboren 1904), die 1928 in Lyon Roger de Montalembert de Cers
heiratete; ihre Tochter Henriette, geboren 1929, heiratete im Dezember
1947 Philippe de Gaulle, den Sohn des Generals. Félix, der 1947 starb, ist in
Lyon begraben.
2. 1879, Élisabeth: geboren in Salon-de-Provence (Bouches-du-Rhône), sie
starb 1937 in Plobsheim und wurde in Thanvillé begraben.
3. 1881, Louis: geboren in Médéa (Algerien), war er von 1919 bis 1923 Pfarrer
von Colroy-la-Roche, dann Tutor des Grafen von Paris und veröffentlichte
vor dem Zweiten Weltkrieg mehrere Biografien seiner Vorfahren, die
online eingesehen werden können (gallica.fr). Er starb 1949 in Straßburg
und ist in Thanvillé begraben.
2) Gustave de Dartein (1837-1913)
Er studierte Jura in Straßburg und wurde 1857 Rechtsanwalt. Nach drei
Jahren in Paris kehrte er 1862 mit einem Doktortitel zurück, trat aber 1865 in
das Straßburger Priesterseminar ein und wurde 1868 zum Priester geweiht.
Nachdem er als einer der vier französischen Stenographen am Vatikanischen
Konzil (1869-1870) teilgenommen hatte, war er Kaplan bei den Francs-Tireurs
(Freischärlern) des Haut-Rhin (1870-1871). Von 1871 bis 1873 war er Privatsekretär
des Bischofs Raess von Straßburg, Geschichtslehrer am Petit Séminaire
in Straßburg und von 1874 bis 1883 am Maison des Étudiants (École Saint-Sigisbert)
in Nancy. Als sich seine Schützlinge bei Erreichen der Volljährigkeit
alle für Frankreich entschieden hatten, wurde er 1901 Benediktinermönch
und widmete seine letzten Jahre der Lehre des kanonischen Rechts, bevor er
1913 in der Abtei von Chèvetogne in Belgien starb und auf dem Dorffriedhof
beigesetzt wurde.
3) Jules de Dartein (1839-1928)
Nach seinem Abschluss an der Ecole Centrale im Jahr 1862 wurde er Ingenieur
bei den Arts et Manufactures und arbeitete zunächst bei der Compagnie des
Chemins de Fer du réseau Paris-Orléans, verließ diese Stelle jedoch bald, um
ins Elsass zurückzukehren, wo er seinem kranken Vater beistand. Dieser hatte
1837 in Plobsheim Ackerland und Wälder gekauft, die vormals größtenteils im
Besitz der Familie Kempfer waren. Von 1863 bis zu seinem Tod 1928 widmete
sich Jules der Bewirtschaftung des Grundbesitzes, den er und sein jüngerer
Bruder Henri zunächst gemeinschaftlich besaßen.
4) Marie de Dartein, Ehefrau von Charles de Gail (1841-1926)
Geboren in Neuhof, einem Vorort von Straßburg, wo ihr Vater damals ein
Anwesen besaß, heiratete sie 1867 Baron Charles de Gail von Mulhausen.
Aus dieser Ehe gingen hervor:
1. 1868, Marie-Antoinette (✝ im Jahr 1912), Nonne
2. 1869, Cécile (✝ 1947), verheiratet mit Maurice Barthélemy
3. 1874, Henri, (✝ 1945), begraben auf dem Friedhof von Plobsheim
4. 1878, Martha (✝ im Jahr 1928), blieb ledig
5. 1879, Jeanne (✝ 1881)
6. 1882, André (✝ im Jahr 1945).
5) Virginie de Dartein, Ehefrau Zurcher (1842-1905)
Im Jahr 1872 heiratete sie Alfred Zurcher, einen Fabrikanten in Cernay (Haut-
Rhin).
Aus dieser Ehe gingen hervor:
1. 1877, Étienne (✝ im Jahr 1924)
2. 1879, Anne-Marie, (✝ im Jahr 1958)
3. 1881, Gustave (✝ 1897).
6) Henri de Dartein (1846-1912)
Geboren in Straßburg, wurde er 1870 als Anwalt zugelassen, hat aber nie
praktiziert: Er war Präfekturrat in Belfort (1871) und Lons-le-Saunier (1878);
1879 wurde er aus der Anwaltschaft entlassen und heiratete im selben Jahr in
Longwy (Meurthe-et-Moselle) Marie Legendre, mit der er elf Kinder hatte.
Aus seiner Ehe gingen hervor:
1. 1880, Marie-Thérèse (✝ im Jahr 1913), ohne Nachkommen
2. 1882, Jean (✝ 1886 an Meningitis erkrankt und auf dem Kempferhof begraben)
3. 1883, Françoise, die 1905 Madame Georges de Hédouville wurde (✝ 1972),
mit Nachkommen
4. 1884, Louise (✝ im Jahr 1901), ohne Nachkommen
5. 1885, ein totgeborener Junge
6. 1887, Jeanne, verheiratet 1912 mit Raymond de Puisieux
7. 1889, Monique (✝ im Jahr 1972), keine Nachkommenschaft
8. 1891, Joseph (✝ im Jahr 1952), ledig geblieben
9. 1893, Katharina (✝ 1942), Nonne
10. 1895, Marguerite-Marie (✝ im Jahr 1979), blieb ledig
11. 1897, Charles, Totgeburt.
7) Cécile de Dartein (1848-1913)
Während der Belagerung von Straßburg im Jahr 1870 führte Cécile ein
Tagebuch für ihre Schwester Marie.
Auf dem nebenstehenden Aquarell aus dem Jahr 1873 ist sie 25 Jahre alt;
sie heiratete nicht und kümmerte sich um ihre Mutter und ihre vielen
Nichten und Neffen.
Die Porträts 1 bis 6 stammen aus dem Familienalbum von Félix de Dartein aus dem Jahr 1865. Porträt 7: Privatsammlung.
86 historie Kapitel III
historie Kapitel III 87
Unveröffentlichte
Vignette aus dem
„Comicstrip“, den Jules
de Dartein im Alter von
15 Jahren gezeichnet hat.
(Privatsammlung)
Jules Reise von Straßburg nach
Dambach im Jahr 1854
Wir wissen von dieser Reise durch den Historiker Jean N.
D. Escande, der sie 1982 in einem Artikel in der „Annuaire
de la Société d'Histoire et d'Archéologie de Dambach-la-Ville.Barr.Obernai“
(Nr. 16) beschrieben hat:
Im Alter von 15 Jahren übersetzte Jules de Dartein eine
Reise von Straßburg nach Dambach im Jahr 1854 in einen
Comic, anlässlich eines Urlaubs, den er auf Schloss Bernstein
verbringen wollte.
Er sagt nicht, welche Route die Kutsche nahm, aber es
dauerte zwei volle Tage, um etwa 50 Kilometer zurückzulegen,
mit vielen Kurven und Wendungen!
In den Erinnerungen von Françoise de Dartein, der Nichte
von Jules, heißt es, dass Jules „wie seine ganze Familie
ein bemerkenswertes Talent zum Zeichnen hatte”. Seine
Tuschezeichnungen hatten eine ganz besondere Note.
Er besaß seinen eigenen Stil und seine eigenen Sujets
und bot seinen Besuchern gerne gezeichnete Souvenirs
von ihrem Aufenthalt auf dem Kempferhof an.
In der Tat zeichnete Jules de Dartein von seiner Jugend
bis ins hohe Alter gerne; der oben erwähnte „Comic”,
der auf den folgenden Seiten wiedergegeben wird, kann
sogar durch eine bisher unveröffentlichte Vignette
ergänzt werden.
88 historie Kapitel III historie Kapitel III 89
90 historie Kapitel III historie Kapitel III
91
Kapitel IV
Der Nachlass wird zum
„Kempferhof“
Die letzte Bewohnerin des Renaissance-Schlosses
Zorn-Kempfer,
Madame de Boistel, war 1831 verstorben.
Ihre Erbin, die Marquise de
Rancy, bot der Gemeinde Plobsheim
an, das Schloss zu verkaufen, was
1836 für 25.000 Francs geschah.
Das Gebäude wurde zur konfessionell
getrennten Dorfschule. Im Jahr
1837 erhielt Félix de Dartein die Gelegenheit,
von der Marquise de Rancy
auch die Ländereien und Wälder des
Kempfer-Gutes zu kaufen, ein
46 Hektar großer Komplex, der sich,
etwas abgelegen, im östlichen Ortsteil
Kling befand.
Hier schuf sein Sohn Jules den
Kempferhof, benannt nach den
früheren Besitzern des Terrains, der
Straßburger Adelsfamilie Kempfer.
1866: Jules und Henri de
Dartein als Miteigentümer des
Plobsheimer Landes
Als Félix de Dartein 1866 starb, hinterließ
er den in Plobsheim erworbene
Landbesitz seinen beiden Söhnen
Jules, 27, und Henri, 20 Jahre alt.
Als junger Ingenieur der Arts et
Manufactures war Jules 1863 ins
Elsass zurückgekehrt. Er arbeitete
eine Zeit lang an hydraulischen
Maschinen, um einen Teil des Landes
in Plobsheim künstlich bewässern zu
können.
Der gelernte Jurist Henri trat 1871
in die Verwaltung ein und ließ
sich nach seiner Heirat mit Marie
Legendre im Jahr 1879 in Lothringen
nieder, zunächst in Longwy, der Heimatstadt
seiner Frau, dann in Nancy.
Eine seiner Töchter, Françoise, heiratete
Baron Georges de Hédouville.
Ab 1946 verfasste sie ihre Kindheitserinnerungen,
in denen sowohl Jules
als auch Henri de Dartein erwähnt
werden.
Jules de Dartein,
24-jährig.
(Privatsammlung)
Henri de Dartein,
im Alter von 24
Jahren, in seiner
unkonventionellen
Aufmachung
aus dem Haut-
Rhin, mit einem
Crimper-Gewehr.
(Privatsammlung)
Der Nachlass
wird zum
„Kempferhof“
Zeichnung (anonym), den
Beginn der Rede illustrierend,
die Abbé Charles de
Hombourg, Pfarrer von
Lièpvre, ehemaliger Direktor
des freien Kollegs von St.
Arbogast, zu Beginn des
Hochzeitsmahls hielt.
(Dok. B.N.F. / Gallica)
Die Daten 11. November
1861 und 11. November 1867
nehmen Bezug auf die
Hochzeiten von Charles, dem
ältesten der Geschwister, und
der Schwester Marie.
Heirat von Jules de Dartein
Jules de Dartein heiratete am
11. November 1868 Anne Marie
Stricker, die Tochter eines Färbers aus
Sainte-Marie-aux-Mines. Während
er und Marie in Straßburg im Haus
der Familie in der Rue des Charpentiers
wohnten, vergrößerte Jules
nach und nach seinen Besitz, indem
er zusammen mit seinem Schwager
Alfred Zurcher Land in der Gemarkung
Schafsteg kaufte, das nur
durch eine Furt erreichbar war.
Anne Marie
Stricker,
unbestimmtes
Datum.
(Privatsammlung)
Karte von 1908, in deutscher Sprache.
Der rote Kreis zeigt die Lage des Kempferhofs zwischen dem Dorf und dem Rhein,
und das grüne Oval zeigt das Grundstück des Schafstegs, das später erworben wurde.
92 historie Kapitel IV
Die Rheinkorrektur wurde ab 1840 durchgeführt. (Coll. R. Deiber)
historie Kapitel IV 93
Kirchen-Entwürfe von
Jules Dartein
Erste Version:
Ende des 18. Jahrhunderts lebte ein
Bauer, Jacob Heller, auf der Insel des
Schafstegs, die er von den Kempfers
gepachtet hatte. Diese „Cense“
(isolierter Bauernhof), nur mit dem
Boot erreichbar, ist noch auf der
Cassini-Karte (oben) eingezeichnet.
Im 19. Jahrhundert wurde der Hof
jedoch von einem Rheinhochwasser
weggespült. Jules de Dartein kam
oft zur Jagd auf die Insel, auf der er
ein Jagdhaus hatte.
Der Kauf der Kapelle
„Notre-Dame du Chêne“ durch
Félix de Dartein
In Anerkennung dieser Schenkung
wurde 1937 eine Sandsteintafel an
der Pilgerunterkunft angebracht:
Das Wappen der Darteins ist mit
dem der Zorns, den Erbauern der
Kapelle, verbunden.
Details des Bauernhofs
Schafsteg
(Geometrische Karte
von Frankreich,
bekannt als die
„Cassini-Karte“)
Plakette aus dem Jahr 1937
von Pierre Nuss aus Straßburg,
Bildhauer, Architekt,
Zeichner und glühender
Verehrer der Kapelle
„Notre-Dame du Chêne“.
(Foto R. Deiber)
Die Wappen von Zorn und
Dartein Seite an Seite in den
Wurzeln der Eiche von
„Notre-Dame du Chêne“.
(Die Farben der Emaillen entsprechen
nicht denen, die allgemein für
die Wappen der beiden Familien
verwendet werden)
Wie sein Vater leistete auch Jules
de Dartein seinen Beitrag zum
Dorfleben. Nach der Kapitulation
von Straßburg im Jahr 1681 und der
Wiedereinführung des katholischen
Gottesdienstes in Plobsheim wurde
die Koexistenz mit der evangelischen
Religion nur langsam hergestellt;
erst seit 1776 war das neue
katholische Pfarrhaus besetzt. Die
gemeinsame Nutzung der Kirche
war für beide Seiten nicht immer
einfach, sodass die Plobsheimer
Katholiken ab 1886 den Bau einer
eigenen Kirche planten. Zwischen
1889 und 1890 gab Jules de Dartein,
der Besitzer des Meyerhofs (am
Standort der ersten mittelalterlichen
Burg), drei verschiedene Entwürfe
für eine Kirche in Auftrag, die auf
seinem Grundstück errichtet werden
sollte. Als Architekt war Heinrich
de Barr vorgesehen, wie aus den
Archiven der katholischen Gemeinde
hervorgeht.
Zweite Version:
Im Jahr 1866 erfuhr Félix de Dartein,
der bereits sehr krank war,
dass die katholische Gemeinde von
Plobsheim 2.000 Francs für den
Rückkauf der Kapelle „Notre-Dame
du Chêne“ aufwenden müsste, und
ließ die Hälfte dieser Summe an den
Gemeinderat überweisen.
(Katholisches Archiv von Plobsheim)
94 historie Kapitel IV historie Kapitel IV
95
Dritte Version:
Der Brückenbauer
Jules de Dartein war Ingenieur und
verstand es schon Ende des 19. Jahrhunderts,
die moderne Stahlbetontechnik
zur Anwendung zu bringen.
Die Straße, die sein Anwesen in Richtung
Osten zum Rheinwald durchquerte,
ließ er auf eigene Kosten
bauen. Außerdem schuf er die kleine
Brücke über den Bach, der sein Land
durchfloss. Dies brachte großen Nutzen
für die Bewohner des Hofes von
Michel Schneider und alle, die zur
Arbeit in den Rheinwald mussten.
Die Lirsandbrücke
Diese dritte Version wurde angenommen.
Das Projekt belief sich
auf 33.000 Mark; die katholische
Gemeinde sollte 4.000 Mark, Jules
de Dartein 16.000 Mark spenden.
Die Restsumme war jedoch nicht
aufzutreiben. Schließlich wurde
beschlossen, eine neue Kirche nicht
für die Katholiken, sondern für die
Protestanten, zu bauen, und zwar
auf einem von den Katholiken zur
Verfügung gestellten Grundstück
an der Kreuzung der Hauptstraße
(der heutigen Rue du Général
Leclerc) und der Rue de l'Église.
Mit dem Bau dieser Kirche wurden
die Architekten Haug und Brion
betraut; am 14. August 1898 wurde
sie eingeweiht.
Jules de Dartein beteiligt sich dann
an der Restaurierung der katholischen
Kirche.
Als die alte Kirche wieder katholisch
wurde, mussten zahlreiche Veränderungen
vorgenommen werden.
Die kleine Johannesglocke, die noch
heute im Turm hängt, sowie die mittelgroße
Glocke wurden durch Jules
de Dartein gesponsert.
Er war es auch, der die Jesus-Statue
stiftete. Als Anerkennung für seine
beträchtlichen Spenden wurden für
seine Familie in der Kirche zwei
Ehrenbänke aufgestellt, deren Skulpturenschmuck
er selbst angefertigt
hat.
Neue evangelische Kirche
von 1898: Zeichnung eines
Vorprojekts, veröffentlicht in
der Süddeutschen Bauzeitung.
(coll. R. Deiber)
Vorentwurf für den Bau der
Sakristei in der katholischen
Kirche.
(Katholische Kirchengemeinde
Plobsheim)
Um zum Staudamm Hautes Eaux zu
gelangen, musste man über einen
kleinen Bach, der entlang des Staudamms
floss.
1854 hatte die Gemeinde Plobsheim
an dieser Stelle eine Brücke errichtet,
die baufällig geworden war. Jules de
Dartein baute sie 1899 in moderner
Betontechnik wieder auf.
An die alte Brücke erinnert das
Wappen von Plobsheim über dem
nördlichen Bogen unter der Jahreszahl
1854.
Am südlichen Bogen befindet sich
sein eigenes Wappen im Schlussstein:
das D von Dartein verschränkt
mit einem Pfeil, darüber die Jahreszahl
1899. Beide Wappen sind
moderne Betonabgüsse.
(Fotos R. Deiber)
96 historie Kapitel IV
historie Kapitel IV 97
Die Bauten des
Kempferhofs
Auf dem 46 Hektar großen Anwesen,
das Félix de Dartein 1837
gekauft hatte, existierten zunächst
keine Gebäude.
Die Familie nutzte es als Jagdgebiet.
Zu diesem Zweck wurde in der Nähe
des Mühlgießens ein kleines Haus als
Unterstand gebaut. Nach dem Tod
seines Vaters baute Jules de Dartein
das Gelände nach und nach aus,
erweiterte und veränderte es nach
eigenen Plänen. Im Laufe von mehr
als 60 Jahren entstand so der außergewöhnliche
Gebäudekomplex, den
wir heute als Kempferhof kennen.
In Ermangelung schriftlicher Informationen
kann die Entwicklung der
Gebäude anhand von Zeichnungen
und Fotos nachvollzogen werden.
Kapitel V
Die Bauten des
Kempferhofs
1873: Das Wohnhaus wird
fertiggestellt
Auf der nebenstehenden Zeichnung
fehlen noch der dreistöckige Turm
im Südwesten, der große Saal im
Nordwesten, die Wirtschaftsgebäude
sowie die Kapelle.
Diese Zeichnung zeigt das Haus, wie
es ursprünglich war. Außerdem ist
neben dem Haus ein Anlehnungsbau
zu sehen, der als Wirtschaftsgebäude
genutzt und später erweitert
wurde. Ein weiteres kleines Gebäude
diente wahrscheinlich für landwirtschaftliche
Zwecke oder als Dienstwohnung.
Zeichnung von Jules de Dartein aus dem Jahr 1873. (Privatsammlung)
98 historie Kapitel V
historie Kapitel V 99
Foto des Hauses
nach 1883,
mit der Kapelle
auf der rechten
Seite.
(Privatsammlung)
1884: Die Kapelle wird
eingeweiht
Das untere Foto zeigt das Haus mit
der neuen Kapelle, deren Einweihung
1884 erfolgte. Den Turm gab es
noch nicht.
Erkennbar ist auch, dass die Giebelund
die Dachrinnenwände im zweiten
Stock mit Holz verkleidet waren.
Später wurde dies durch ein leicht
gekehltes Backsteinmauerwerk
ersetzt. Außerdem sind die Fenster
erweitert worden.
Die Dächer des Kempferhofs
Die Dächer des Kempferhofs zeigen die Komplexität der Konstruktion nach
dem Umbau des ersten Hauses im Jahr 1873 (markiert durch die gestrichelte
Linie): Der Turm wurde in der Mitte der Giebelseite des Hauses mit einem
Verbindungsbau angefügt und die nordwestliche Fassade des Hauses von
zwei zweigeschossigen Gebäuden mit Giebeln flankiert, die durch einen
zurückgesetzten Bereich getrennt sind. Später – wann genau, lässt sich nicht
mehr ermitteln – kam das große Salongebäude mit einem Verbindungsgang
und einer Kutscheneinfahrt hinzu.
1894: Der dreistöckige Turm
Am 30. Januar 1894 schrieb Fernand
de Dartein an seinen Cousin Henri
einen Brief, in dem er den Turm
erwähnte: „Ich bin weit davon entfernt,
den Plan des Hauses von Jules
zu billigen“, schrieb er, „aber ich muss
sagen, dass der Turm reizvoll ist.“
Viereinhalb Jahre später malte er das
nebenstehende Aquarell (Privatsammlung).
Es ist im Wesentlichen die gleiche
Ansicht, wie auf einer Karte, die
Henri de Gail (Jules' Neffe) 1900 an
seine Tante Anne Marie schickte.
Rückseite der
Karte vom 16.
März 1900.
(Coll. R. Deiber)
Karte gezeichnet nach „Google Earth Pro“. (R. Deiber)
100 historie Kapitel V
101
Die Gebäude heute
Das höchste Gebäude auf dem
Kempferhof ist der dreistöckige
Turm. Angeblich ließ Julius de
Dartein ihn um ein Stockwerk
erhöhen, um den Berg St. Odile
in den Vogesen sehen zu können.
Unten: links die Terrasse des Restaurants
vor einem alten Wirtschaftstrakt;
rechts der Teil des Hauses, in
dem sich im ersten Stock der „große
Salon“ befand, in dem Jules und
Anne Marie de Dartein zwei Sessel
aufgestellt hatten, von denen aus sie
an klaren Tagen den Turm des Straßburger
Münsters sehen und abends
der Zehnerglocke lauschen konnten.
Oben: links das Haus;
die Einfahrt führt
zum Ausgang des Hofes,
dem Kutschentor.
Links: Südwestecke
des „Grand
Salon“-Gebäudes: Ein
mit Kragsteinen versehener
Wachturm
mit einer blinden
Arkatur ziert diese
Fassade.
Rechts: Auf der Südseite
befindet sich ein
Durchgang zwischen
dem Haus und dem
Gebäude des „großen
Salons“, der den
Eindruck eines Wachhauses
über einer
Zugbrücke erweckt:
ein Kutschentor.
Die durchbrochenen
Wappenpfeiler auf
beiden Seiten des
Zwillingsfensters erinnern
an mittelalterliche
Schießscharten.
102 historie Kapitel V historie Kapitel V 103
Oben: großes, in
Hochrelief geschnitztes
Motiv, das den
Firstbalken ziert. Am
unteren Rand ein Pfeil
mit zwei Spitzen.
Womöglich eine Anspielung
auf den Doppelbesitz
des Kempferhofs
durch Jules
und Henri de Dartein.
Die ornamentierten
Dachziegeln bestehen
aus Terrakotta.
Unten: Nordwestfassade
des Gebäudes
der „Großen Kammer“.
(Fotos R. Deiber)
Oben: Kutscheneinfahrt
zum Bauernhaus;
links die
Haustür.
Unten: Hinter dem
Tor befinden sich das
Haus des Verwalters
und die Witschaftsgebäude,
in denen heute
Hotelzimmer und ein
Restaurant untergebracht
sind.
104 historie Kapitel V historie Kapitel V 105
Zeichnungen
von Jules de
Dartein aus
dem Jahr
1915. (Privatsammlung)
Aktuelle
Fotos.
(R. Deiber)
Fast 30 Jahre Arbeit
Der 1894 fertiggestellte dreistöckige
Turm war eines der letzten Gebäude
von Jules de Dartein, der ein Wappen
mit der Jahreszahl 1869 an der Spitze
des Firstbalkens anbrachte. Direkt
darunter befindet sich ein Monogramm
mit den ineinander verschlungenen
Initialen J und D.
Es scheint, dass Jules de Dartein mit
der Jahreszahl 1869 an den Beginn
der Bauarbeiten am Kempferhof
erinnern wollte, die durch den
französisch-preußischen Krieg 1870
unterbrochen wurden. Die Situation
war für alle Bewohner des Elsass prekär,
deren Staatsangehörigkeit mit
dem Vertrag von Frankfurt am
10. Mai 1871 von französisch zu
deutsch wechselte. Für viele bedeutete
dies, sich zu entscheiden: weggehen
und alles hinter sich lassen
oder bleiben und sich mit den neuen
Herren arrangieren. Um seinen Besitz
nicht zu verlieren, stimmte Jules
de Dartein widerwillig zu, Deutscher
zu werden, auch wenn er im Herzen
Franzose blieb, und er beschloss,
sein Haus weiter zu bauen, das 1873
fertiggestellt wurde, wie auf seiner
Zeichnung zu sehen ist.
Die Spitze
des dreistöckigen
Turms.
Änderungen an den Gebäuden des Kempferhofs
Vergleichen Sie die Bilder auf der
linken und rechten Seite:
Welche Unterschiede gibt es?
Antworten:
Über dem Durchgang zwischen dem
Haus und dem „großen Saal“ befindet
sich jetzt ein Anbau mit Doppelfenster,
und der „Thronsaal“-Bau hat
eine Dachgaube.
Außerdem wurde bei dem Gebäude
rechts oberhalb der lombardischen
Bänder das Dach, das in Höhe der
Dachrinne flach war, um einen
Giebel erhöht. Diese Änderungen
wurden 1998 vorgenommen, als der
Kempferhof in ein Hotel umgewandelt
wurde, um die Anzahl der
verfügbaren Zimmer zu erhöhen.
Eine weitere wichtige Veränderung:
Zwischen dem Turm und dem Haus
befand sich ein einstöckiges Gebäude,
das heute nicht mehr existiert.
An seiner Stelle sind rote Ziegelsteine
zu sehen, die sich ursprünglich
im Inneren des Gebäudes befanden.
Es ist wahrscheinlich, dass dieses
Gebäude während des letzten
Krieges verschwand, als der Kempferhof
vom Direktor der Zuckerfabrik
Erstein bewohnt wurde.
106 historie Kapitel V historie Kapitel V 107
Prüfung der Datierung
von Gebäuden
Am Eingang der Kapelle sind drei
Jahreszahlen in den Boden eingemauert
sowie ein Pfeil, der auf den
Altar weist.
Das Datum 1873 kann als das Ende
des Baus des Hauses angesehen
werden, während das Datum 1883
das Ende des Kapellenbaus bezeichnet.
Ein kürzlich in den Familienarchiven
entdecktes Dokument
enthält die genauen Baudaten: Die
Arbeiten dauerten von 1882 bis 1883,
die offizielle Einweihung fand 1884
statt.
Warum aber die Jahreszahl 1675?
Zu dieser Zeit gab es bekanntlich
noch keine Gebäude an diesem
Platz, die Zorns waren noch die
Herren des Dorfes. Vielleicht gibt es
eine Erklärung, die mit der Schalkhaftigkeit
von Jules de Dartein
zusammenhängt, der wie seine
gesamte Familie sehr patriotisch
war. 1870 verlor Frankreich den Krieg
gegen Preußen. Elsass und Teile
Lothringens wurden an die Sieger
abgetreten und damit für lange Zeit
(bis 1918) deutsch. Viele empfanden
dies als starke Demütigung.
Jules de Dartein wollte möglicherweise
daran erinnern, dass zwei
Jahrhunderte zuvor, am 5. Januar
1675, Marschall Turenne, Befehlshaber
der Armee Ludwigs XIV., die
Kaiserlichen bei Turckheim besiegt
hatte. Die Armee von Friedrich
Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg,
musste sich über den Rhein zurückziehen.
Ein Sieg Frankreichs über
Deutschland.
Die Erwähnung dieses Datums im
Zementboden seiner Kapelle könnte
durchaus eine schelmische Anspielung
von Jules de Dartein gegenüber
den deutschen Behörden sein. Damit
zeigte er auf diskrete Weise seinen
Patriotismus. In Turckheim, im Haut-
Rhin, hatte Marschall Turenne die
Kaiserlichen durch das Obertor angegriffen
und die Stadt eingenommen.
Zum Gedenken an diesen Sieg wurde
hier ein Obelisk errichtet.
Eine andere mögliche Erklärung für
die Jahreszahl 1675: In jenem Jahr erschien
der Nonne Marguerite Marie
Alacoque in Paray-le-Monial Jesus.
Jules und Marie de Dartein unternahmen
eine Pilgerreise dorthin und
weihten ihre Kapelle auf dem Kempferhof
dem Heiligsten Herzen Jesu.
Die Kempferhof-Kapelle
Nach seiner Pilgerreise entwarf Jules de Dartein
die Pläne für die neoromanische Kapelle mit
ihren Rundbögen und lombardischen Bändern.
Die schlichte, aber kunstvolle Verwendung von
rosafarbenen Ziegeln verleiht der Kapelle ein
bescheidenes Aussehen, erzielt aber gleichzeitig
die gewünschte ästhetische Wirkung.
Der Chor der Kapelle ist nach Südosten ausgerichtet
und hat einen U-förmigen basilikalen
Grundriss. Die oberen Wände des Langschiffs
sind mit kleinen Oculi, die Seitenschiffe mit
Blendarkaden geschmückt.
Ansicht von der Nord-Ost-Seite.
Obelisk zur Erinnerung an den Sieg
von Turenne.
Ansicht von der Südwestseite; auf dem Dach
ist ein steinerner Glockenturm zu sehen.
Entwurf des Schreibens von Jules de
Dartein an den Bischof von Straßburg
vom 1. September 1882: In diesem
Schreiben bittet Jules de Dartein um
die Erlaubnis zum Bau einer Kapelle auf
dem Kempferhof.
(Privatsammlung)
108 historie Kapitel V
historie
name kapitel
109
Die Attribute des
Heiligsten Herzens
Die dekorativen Elemente dieser
Kapelle, die dem Heiligsten
Herzen gewidmet ist, sind an der
Außenseite zu sehen: Über der
Eingangstür die Dornenkrone,
dargestellt durch eine Girlande
ineinandergreifender Ziegel. Laut
François-Régis de Gail hat Jules de
Dartein sie selbst angebracht.
In der Wand über der Tür erhellt
ein Glasfenster in Form eines
Herzens den Eingang, und direkt
darüber, auf dem Dachfirst, ist
ein von Flammen umzüngeltes
Sandsteinkreuz zu sehen. Diese
Elemente stehen für die Symbolik
des Herz-Jesu-Kults.
Im Innern der Kapelle
Der weiß gestrichene Holzaltar hat einen Hostienschrein, der von
zwei Statuen und floralen Kandelabern flankiert wird. Auf dem Altar
ist die Statue von Jesus mit dem Heiligsten Herzen zu sehen. Dazu
gesellen sich eine Statuette des Heiligen Josef auf der linken Seite und
eine Statuette der Heiligen Maria Magdalena auf der rechten Seite.
Unten in der Mitte des Altars sind die Texte der zwölf Versprechen
Jesu an die Verehrer seines Heiligsten Herzens auf sechs Gesetzestafeln
gezeichnet:
1. ich werde ihnen alle Gnaden geben, die für ihren Zustand notwendig
sind.
2. Ich werde ihren Familien Frieden bringen.
3. Ich werde sie in all ihrem Kummer trösten.
4. ich werde ihr sicherer Hafen im Leben und vor allem im Tod sein.
5. ich werde über all ihre Unternehmungen reichlich Segen ausschütten.
6. Die Sünder werden in meinem Herzen die Quelle und den unendlichen
Ozean der Barmherzigkeit finden.
7. lauwarme Seelen werden glühend werden.
8. eifrige Seelen werden zu großer Vollkommenheit aufsteigen.
9. ich werde die Häuser segnen, in denen das Bild meines Heiligsten
Herzens ausgestellt und geehrt wird.
10. Ich werde denen, die für die Rettung der Seelen arbeiten, die
Gabe geben, die verstocktesten Herzen zu berühren.
11. Diejenigen, die diese Hingabe verbreiten, werden ihren Namen
in mein Herz schreiben lassen, wo er niemals ausgelöscht werden
wird.
12. Ich verspreche im Übermaß der Barmherzigkeit meines Herzens,
dass meine allmächtige Liebe all jenen, die neun Monate hintereinander
am ersten Freitag des Monats zur Kommunion gehen,
die Gnade der endgültigen Buße gewähren wird. Sie werden
nicht in meiner Ungnade sterben, auch nicht ohne die Sakramente
empfangen zu haben, und mein Herz wird sich in dieser
letzten Stunde zu ihrem sicheren Hafen machen.
Die Wände des Kirchenschiffs sind
unten mit kreisförmigen Öffnungen
versehen, um die 14 Tafeln der
Kreuzwegstationen aufzunehmen.
Leider sind die Rahmen leer. Waren
sie jemals gefüllt?
Am oberen Ende jedes Erkers befindet
sich ein Oculus in Form eines
Gänseblümchens, rosa verglast im
Chor, im Kirchenschiff blau. Vielleicht
wollte Jules de Dartein mit
Rosa die Reinheit und mit Blau die
Weisheit oder Erhabenheit der Seele
symbolisieren.
Auf beiden Seiten des Kirchenschiffs
sind die Bänke bogenförmig zum
Altar hin angeordnet.
Die Schnitzereien auf den Eichenbänken
– Gänseblümchen – hat der
Baron selbst angebracht. Die rechte
Seite war für Jules de Dartein reserviert,
die linke Seite für seine Frau.
An der Rückseite der Kapelle befindet
sich im ersten Stock eine Galerie,
erreichbar über eine Treppe rechts
vom Eingang.
Ein Beichtstuhl befindet sich am
linken Eingang des Ambulatoriums:
Er hat eine hölzerne Trennwand mit
einem Gitter.
110 historie Kapitel V
historie
Kapitel V
111
Die Gräber der Familie Jules de Dartein
Im Wandelgang befinden sich die Gräber der Mitglieder der Familie von Jules de
Dartein sowie sein eigenes Grab. Auf neun schwarzen beziehungsweise weißen
Marmorplatten sind die Namen der Beigesetzten aufgeführt und auf einer Gedenkplatte
die Namen von Familienmitgliedern, die andernorts begraben sind.
Marie Anne Stricker
Jules de Dartein
Gedenktafel für Jean de Dartein (Neffe von Jules de Dartein).
Gedenktafel für die Großeltern väterlicherseits von Jules de
Dartein, seinen Eltern und seinem Bruder Charles.
Gedenktafel von
Édouard Hamart
de Parpigné
und seiner Frau,
Adélaïde de
Kloeckler (Tante
mütterlicherseits
und Onkel von
Jules de Dartein).
Gedenktafel
für Cécile de
Dartein
(jüngste
Schwester
von Jules de
Dartein).
Gedenktafel für Marie Anne Élisabeth Osmont
(Schwiegermutter von Jules de Dartein).
Gedenktafel für Charles François Stricker
(Schwiegervater von Jules de Dartein).
Gedenktafeln für Jules de Dartein und seine Frau Anne Marie.
Gedenktafel für Marie Madeleine Louise Elisabeth Stricker
(Schwägerin von Jules de Dartein).
112 historie Kapitel V historie Kapitel V 113
Die Frau von Jules de Dartein litt
unter Diabetes und konnte ihm
keine Kinder schenken. Bereits
1896 schickte der Gatte eine
besorgniserregende Nachricht an
seinen Bruder Henri: „Marie war
sehr schwach und sehr niedergeschlagen,
die Schwestern waren
sehr erschrocken über ihren Zustand;
denn in der letzten Woche,
die sie bei uns verbrachte, war der
Appetit fast gleich Null und der
Magen behielt kaum etwas anderes
als Eiskost, die Hände waren
geschwollen und die Finger zuweilen
versteift; glücklicherweise
war die Ursache des Leidens
immer noch hauptsächlich rheumatisch
und die Zuckerkrankheit
nahm nicht zu; daher trat, sobald
der Appetit wiederhergestellt war
und die Schwellung der oberen
Gliedmaßen zurückging, eine
rasche Besserung ein …“
bemerkbar und schwächt
allmählich seine starke Konstitution.
[...] Wir besuchen ihn noch,
aber er hat keine Verwandten
mehr bei sich, seine Kräfte lassen
nach, und er fällt in seinem
Zimmer zu Boden wie eine alte
Eiche … er wurde in eine Klinik in
Straßburg gebracht, wo es ihm
sehr schlecht ging. Seine Neffen
aus Gail brachten ihn zurück in
seinen geliebten Kempferhof,
wo er noch ein paar Tage vor sich
hin vegetierte, bevor er seine
schöne Seele Gott übergab.“
Jules de Dartein starb 1928.
Als Marie de Dartein am 21. August
1902 im Alter von 59 Jahren
starb, ließ Jules sie einbalsamieren.
Ihr gläserner Sarg war noch
zu Beginn des Ersten Weltkriegs
zu sehen.
Einer seiner Cousins berichtet
brieflich: „Das Alter macht sich
Zum Gedenken
an Jules de
Dartein und
Anne Marie
Stricker.
(Privatsammlung)
114 historie Kapitel V historie Kapitel V 115
Segnung der Kempferhof-Kapelle
(handschriftliche Urkunde von Jules de Dartein)
„Unter dem Pontifikat Seiner Heiligkeit Leo Xiii,
Seine Gnaden André Raess als Bischof von Straßburg,
P. Stumpf, Bischof von Caesaropolis, Koadjutor-Administrator der genannten Diözese,
Seine Hochwürden Fortuné Fraering ist der Gemeindepfarrer von Plobsheim:
Jules Edouard de Dartein und seine Frau Anne Marie Charlotte Stricker, die an der großen
französischen Wallfahrt vom 20. Juni 1873 nach Paray-le-Monial teilgenommen und dort die
Notwendigkeit erfahren haben, die Liebe unseres Herrn Jesus Christus im heiligen Symbol
seines Herzens zu verehren.
Die Worte Seiner Heiligkeit Pius IX. aus dem Jahr 1875 zum zweihundertsten Jahrestag des
Tages, an dem die selige Margareta Maria Alacoque den Auftrag erhielt, das Bild und die Verehrung
des Heiligsten Herzens unseres Herrn zu verbreiten, bestätigten diese Auffassung.
Jules Edouard de Dartein und seine Frau Anne Marie Charlotte Stricker errichteten in den Jahren
1882 und 1883 auf ihrem Kempferhof (in der Nähe von Plobsheim) eine Kapelle zu Ehren
des Heiligsten Herzens Unseres Lieben Herrgottes, um ihr eigenes Herz und das ihrer Eltern
und Freunde sowie das ganze Dorf Plobsheim und die Region Elsass, in der es liegt, mitsamt
ihrem Besitz diesem zu weihen.
Der Bau dieser Kapelle wurde mit Hilfe von geschaffen:
Mutschler Louis, Schreinermeister und Oberbauleiter;
den Ziegeleien Falck; Wilm Frédéric & Georges;
Wittling Georges, Schwentzel Jacques, Fuchs Georges dit le Marin, Rudolf Jean dit Faist, Faist
Augustin Père et Fils, Ohlung Joseph & Henck Simon;
den Zimmerleuten Mutschler Ignace, Boenapfel Louis & Heller Georges;
dem Schreiner Bitschy Louis; alle aus Plobsheim.
Mit Hilfe der italienischen Zementhersteller: Perino Major, aus Castelazo (Provinz Biella);
Molinari Guiseppe, aus Concordia (bei Venedig), & Pensa Antonio, aus Casino (bei Como);
& dem Bildhauer Gachon, aus Villé; dem Steinmetz Hielemann Guillaume, aus Thanvillé;
& dem Schlossermeister Kroffig; des Tischlermeisters Jacobi; des Stuckateurmeisters Voltz;
des Malers Mondoré & des Maler-Glaziers Ott Frères; alle aus Straßburg.
Mit Fliesen von Gilardoni Frères aus Altkirch
& (hydraulischem) Kalk der Firma Goetz (Blaesheim); Grinner & Neinlist (Eschau); Vve Kapp
(Plobsheim) Fliesenwerke.
Nach Abschluss der letzten Arbeiten im Januar 1884 nahm Abt Etienne Frey, Professor am
Großen Seminar von Straßburg, im Auftrag des Administrators der Diözese Straßburg und in
Anwesenheit des Pfarrers von Plobsheim, die Einweihung dieser Kapelle vor.
Zur Urkund dessen haben die genannten Frey & F. Fraering, Jules de Dartein & seine Frau
Anne Marie Stricker heute, am 7. Februar 1884, unterzeichnet.“
(Privatsammlung)
116 historie Kapitel V
historie Kapitel V 117
Die Dartein-Wappen am Kempferhof
Jules de Dartein war sich seiner Zugehörigkeit zu einem Geschlecht von Aristokraten
bewusst, welches die Geschichte Frankreichs und des Elsass über ein
Jahrhundert lang prägte. Das Wappen seiner Familie ziert eine Kanone und zwei
Pfeile. Auf dem Kempferhof sind Anspielungen an das Wappen an vielen Gebäudeteilen
zu entdecken.
Wappen der
Familie Dartein.
(B.N.S.U. / Lehr)
Auf dem linken
Türmchen das
Wappen der
Familie Dartein.
Auf der rechten
Seite die
Jahreszahl der
Errichtung.
(Fotos R. Deiber)
„Ein silberner Chevron zwischen zwei Pfeilspitzen, im Haupt
Silber, jede gekrönt von einer Krone mit fünf goldenen Perlen,
und im Sockel eine Kanone auf einer Lafette.“
(Beschreibung in Siebmacher, Elsaesser Adel, 1871)
Den Eingang zum Hof akzentuierte
Jules de Dartein durch zwei zementierte
Türmchen, die als Stützen für
die schmiedeeisernen Torflügel dienen.
Eine Treppe in einem der Türmchen
führt zu dem kleinen Damm,
der den Wasserlauf regulierte.
Diese Wappen wurden nach dem
neuen Betongussverfahren hergestellt.
Jules de Dartein nutzte
diese Technik und das neue Material
ausgiebig. Der für den Mörtel und
den Beton benötigte Sand und Kies
wurde in den örtlichen Kiesgruben
gewonnen.
118 historie Kapitel V
historie Kapitel V 119
Durchgang
zwischen dem
Turm und
dem Gebäude
der „Großen
Kammer” im
Südwesten:
Markant sind
die Pfeile im
Sandsteinwappen.
Fenster an
der Nordwestseite
des Turms:
ein Löwe,
der den Pfeil
nach oben
hält.
Spuk im Schloss?
Nach Angaben des Hotelpersonals
traten in den Zimmern des Turms
im zweiten und dritten Stock seltsame
Phänomene auf. Nach ihren
Aussagen war eine Frauenstimme
zu hören, die Schlaflieder summte,
sowie die Stimme eines fröhlichen
Kindes.
Pfeile befinden
sich auch an
den äußeren
Fensterpfosten
und in den
Faltlaschen
(Bild rechts)
Es soll vorgekommen sein, dass sich
die Badewanne mit Wasser füllte,
obwohl der Wasserhahn geschlossen
war, dass sich Glühbirnen ein- und
ausschalteten oder dass sich ein
Staubsauger von selbst in Bewegung
setzte. Eine Mitarbeiterin sagte, sie
habe beim Hinuntergehen der Treppe
einen Stoß im Rücken gespürt. Es
heißt, dass ein Kind durch einen Unfall
im Haus gestorben ist und dass
die Mutter sich schuldig fühlte … natürlich
entbehren diese Geschichten
jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Wir wissen, dass Anne Marie Stricker
keine Kinder hatte, weil sie an Diabetes
erkrankte, der sie im Alter von 59
Jahren erlag.
Jean de Dartein,
das auf dem
Kempferhof begrabene
Kind.
(Privatsammlung)
... sowie in
der hölzernen
Verkleidung
der landwirtschaftlichen
Gebäude.
Könnte es sich bei dem Kind, das auf
dem Kempferhof gestorben sein soll,
um das Kind eines Mitarbeiters von
Jules de Dartein handeln?
Unter den in der Kapelle begrabenen
Mitgliedern der Familie Dartein
befindet sich ein vierjähriger Junge,
Jean de Dartein, der am 22. Mai 1886
in Nancy an Meningitis starb. Er
kann also auch nicht das Kind sein,
das auf dem Kempferhof gestorben
ist.
120 historie Kapitel V
historie Kapitel V 121
Die Zimmer im Turm
Heute befinden sich zwei luxuriöse
Gästezimmer im Turm, eines im
zweiten, eines im dritten Stock.
Die Zimmer der
Presidential Suite
In diesem Zimmer ließ Jules de
Dartein für sich und seine Frau zwei
Sessel auf einem Podest neben dem
großen Fenster aufstellen, von wo
aus sie am besten die Zehnerglocke
des Straßburger Münsters hören
konnten.
Der „Thronsaal”
Es handelt sich um den höchsten
Raum des Nordwestflügels, der mit einer
Beobachtungsbank (dem „Thron”)
ausgestattet ist, die über eine Treppe
zu erreichen ist: Von hier aus konnte
man bei klarem Wetter durch das
Bullauge die Spitze des Straßburger
Münsters sehen, heute ist die Aussicht
aber von der Vegetation verdeckt.
Die beiden Sessel
im großen
Saal des Nordwestflügels.
Die Beobachtung
sb ank ( link s ) .
Außenansicht
des nordwestlichen
Flügels. Der
Okulus und die
beiden von innen
sichtbaren Fenster
sind auf den beiden
anderen Fotos
auf dieser Seite zu
sehen.
Zwei Ansichten
des quadratischen
Raums
im dritten Stock
des Turms.
Der Seminarraum
Die Vertäfelung
und die
Türen sind
original aus
heimischem
Holz (Eiche und
Esche).
Über den ehemaligen Stallungen
(heute Restaurant) befinden sich
der frühere Heuboden und der Tabak-Trockenschuppen,
die zu einem
großen Tagungsraum umgebaut
wurden. Unter der ursprünglichen
Dachkonstruktion hängt noch
heute die Klaue des mechanischen
Aufzugs, mit dem das Heu eingebracht
wurde.
122 historie Kapitel V historie Kapitel V 123
Eine neue Kirche
Ende des 19. Jahrhunderts waren
das Wohnhaus des Kempferhofs, die
Wirtschaftsgebäude sowie das Haus
des Hausmeisters und die Kapelle
fertiggestellt.
Bereits 1866 erwog die katholische
Gemeinde des Dorfes den Bau einer
neuen Kirche, da die alte Kirche mit
der evangelischen Gemeinde geteilt
werden musste. Auf dem Gelände
des Ackergartens, das Jules de Dartein
gehörte, gab es keine Gebäude,
abgesehen vielleicht von den Spuren
der früheren mittelalterlichen Burg.
In einem handschriftlichen Dokument vom 7. Juni 1890 schrieb Jules de Dartein:
Kapitel VI
Das „Haus von Dartein”
und das „Haus von Gail”
„Dieser Garten, in dem sich die letzten Überreste des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Schlosses der Zorns von
Plobsheim befinden, nachdem es in den Besitz der Familien Kempfer, Boistel, Rancy, S.te Seine und Musey übergegangen
war, ist heute im Besitz von J. de D., der die Fabrik in Plobsheim als wünschenswerten Standort für den Bau der
katholischen Kirche anbietet.
Vorteile:
Nachteile:
Nähe zur Schule (Anmerkung: „& Entfernung zur Kirche, die den Protestanten überlassen
werden soll“ wurde durchgestrichen)
ausreichend zentrale Lage
einfacher Zugang, abseits der Straße (derzeit durch den Straßenbahnverkehr behindert)
ruhe durch die Entfernung zu den Gasthäusern, die Nähe eines Flusses und die Umgebung
eines großen Gartens
entfernung vom katholischen Presbyterium: Zu korrigieren durch Austausch des jetzigen
Presbyteriums gegen ein neues, das auf demselben Ackergarten errichtet werden soll.“
(Privatsammlung)
124 historie Kapitel VI
historie Kapitel VI 125
Abbé Louis de Dartein
Jules de Dartein war entschlossen,
der katholischen Gemeinde von
Plobsheim zu helfen, indem er den
Standort für die neue Kirche im so
genannten Ackergarten oder Meyergarten
anbot, der ihm gehörte. Er
offerierte auch den Standort für das
neue Pfarrhaus nebenan.
Schließlich wurde der Beschluss
gefasst, dass die protestantische
Kirchengemeinde sich eine neue Kirche
am Finkengarten bauen sollte,
ein Grundstück, das die katholische
Gemeinde zur Verfügung stellte.
Die neue evangelische Kirche wurde
1898 eingeweiht.
In Rot der geplante
Standort der Kirche
im Süden des Ackergartens,
gegenüber der Rue Boistel.
(katholisches Archiv)
Der Neffe von Jules de Dartein,
Pater Louis de Dartein, wurde am
15. Januar 1881 in Médéa, Algerien,
als Sohn von Jules' Bruder Charles de
Dartein und von Caroline Palle geboren.
Er wurde am 1. August 1908 zum
Priester geweiht und war Doktor der
Philosophie und Theologie.
Während des Ersten Weltkriegs war
er Militärkaplan, wurde zweimal
verwundet und erhielt das Croix de
Guerre mit fünf Auszeichnungen.
Nachdem er Kaplan an der Kirche
Saint-Louis-des-Français in Rom
gewesen war, wurde er Landpfarrer
und verwaltete die Pfarrei von Colroy-la-Roche
(Bas-Rhin).
Um 1930 ließ er sich in dem großen
Haus nieder, das Jules de Dartein
errichtet hatte, und machte
es bewohnbar. Als Royalist und
Legitimist schmückte er sein Büro
mit dem Wappen des Grafen von
Paris. Er lebte mit seiner Schwester
Élisabeth, die seine Haushälterin
war, obwohl sie oft krank war und
im Rollstuhl saß. Er beschäftigte
auch einen Kammerdiener und ein
Dienstmädchen.
Louis de Dartein im
Jahr 1906.
(Privatsammlung)
Auf dem Gelände des Ackergartens
begann Jules de Dartein nun mit
dem Bau des großen Herrenhauses,
das als „Haus Dartein” bekannt war
und eigentlich das Presbyterium der
neuen Kirche werden sollte.
Da der Bau dieser neuen Kirche jedoch
nicht stattfand, blieb das Haus
mehrere Jahre unvollendet.
In Plobsheim,
Louis de Dartein
und seine
Schwester
Élisabeth.
(Privatsammlung)
Zeichnung des
Hauses Ackergarten
im Jahr 1920 von
Jules de Dartein,
damals 83 Jahre alt.
Dieses Haus sollte
ursprünglich das
Presbyterium
der geplanten
katholischen Kirche
werden.
(Privatsammlung)
126 historie Kapitel VI
historie
Kapitel VI
127
Abbé de Dartein schloss sich im
September 1940 den Freien Franzosen
an. In London traf er General de
Gaulle und wurde Kaplan der Freien
Französischen Seestreitkräfte. Von
Oktober 1940 bis April 1941 war er
an Bord des Schlachtschiffs Courbet,
anschließend in Pointe-Noire im
Kongo stationiert. Im Mai 1943 wurde
er dem Jagdflugzeugstützpunkt
Cowes auf der Insel Isle of Wight
zugewiesen und war trotz seines
fortgeschrittenen Alters an den
See-Einsätzen der Jäger beteiligt. Am
18. Juli 1945 trat er aus der Armee aus.
Im selben Jahr wurde er zum Offizier
der Ehrenlegion ernannt. 1945 kehrte
er nach Plobsheim zurück und bezog
sein vordem von den Nazis beschlagnahmtes
Haus.
Familiengräber
auf dem
Friedhof von
Thanvillé.
(Foto R. Deiber)
1946 schenkte Louis de Dartein der
Kapelle „Notre-Dame du Chêne“ zwei
Glasfenster, die von den Werkstätten
Ott Frères in Straßburg hergestellt
wurden und sich in der Nähe der
Galerie befinden. Das linke erinnert
an den Vater von Jules de Dartein,
Baron Félix de Dartein, der eine Spende
für den Kauf der Kapelle machte,
und das rechte stellt das Wappen der
Familie Dartein dar.
Louis de Dartein starb am 6. November
1949 im Alter von 68 Jahren in
Straßburg an Herzversagen. Er wurde
auf dem Friedhof von Thanvillé (Bas-
Rhin) beigesetzt, dessen Schloss sein
Urgroßvater einst besessen hatte.
Darsteins Haus
– „Gails Haus“.
(Foto R. Deiber)
Die Glasfenster in
der Kapelle „Notre-
Dame du Chêne“.
(Fotos R. Deiber)
In seinem Testament vermachte
Pater Louis de Dartein sein Haus dem
Orden der „Kleinen Schwestern der
Armen“. Ein Verwandter der Familie,
Oberst Bertrand de Gail, ein Cousin,
kaufte das verwaiste Anwesen
vor seiner Abreise nach Indochina
Anfang der 1950er Jahre. Seither wird
es „Gail's Haus“ genannt. Als er in
den Ruhestand ging, verkaufte es
Oberst de Gail 1993 an die Gemeinde
Plobsheim.
128 historie Kapitel VI
historie Kapitel VI 129
Zeugnisse aus der
Familie
Kapitel VII
Zeugnisse
aus der Familie
Im April 2017 war ich angenehm
überrascht, einen Brief und ein Bündel
getippter Papiere von Angélique
Dubuisson, der Ururenkelin von
Henri de Dartein, zu erhalten. Zwei
Jahre zuvor hatte ich ihren Vater,
den Historiker Jean N. D. Escande,
schriftlich um Informationen über
den Kempferhof gebeten; Jean N.
D. Escande war krank und starb
2016. Die Kenntnis dieser von Jules
de Dartein zwischen 1908 und 1922
aufgezeichneten Erinnerungen verdanken
wir daher Escandes Tochter
Angélique.
Wir hatten zudem das Glück, ein
gutes Porträt des Erbauers des
Kempferhofs in den Erinnerungen
seiner Nichte Françoise de Hédouville,
der Tochter seines Bruders Henri, zu
finden:
„Er war ein sehr sanftmütiger
Mann, sehr friedlich, ruhig, ein
echtes „Original“. Wir mochten
ihn sehr. Er hatte eine Leidenschaft
für das Bauen. Er errichtete
das Haus in der Nähe des
Kempferhofs, 15 Kilometer von
Straßburg entfernt, und arbeitete
ständig daran.
Seine Erfindungen waren nicht
immer komfortabel, aber sein
Haus gastfreundlich und sein
Tisch sehr aufgeräumt. Er
kümmerte sich um seine Frau
mit einer Hingabe, einem Feingefühl
und einer Geduld, die
ich bewunderte, während ich
gleichzeitig Mitleid mit ihm hatte,
denn ich hatte eine ziemlich
schmerzhafte Vorstellung von
dieser Ehe …
Aus den drei großen Rechnungsbüchern,
die für die Dartein-Besitzungen
in Plobsheim
erhalten sind, geht hervor, dass
Jules 1866 den Kempferhof für
sich und seinen Bruder Henri
übernahm und bis 1928, also 62
Jahre lang, weiterführte. Es ist
daher nur recht und billig, dass
sein Name mit diesem Fleckchen
Erde verbunden bleibt, zu
dessen Entwicklung und Aufbau
er so viel beigetragen hat,
denn der Hof ist vor allem das
Werk des Jules de Dartein, das
auf das Ende des 19. Jahrhunderts
datiert werden kann, und
es verdient, unter Denkmalschutz
gestellt zu werden.“
Jean N. D. Escande und
seine Frau Christine
(geborene de Hédouville),
umgeben von ihrem
Schwiegersohn Frank
Dubuisson und ihrer
Tochter Angélique Dubuisson-Escande.
(Quelle: http://www.
ladepeche.fr/article/2010/06/19/858265-escoussens-angelique-dubuisson-signe-son-livre.html)
130 historie Kapitel Vii historie Kapitel Vii
131
Jules de Dartein führte das Leben
eines Gutsbesitzers und sammelte
zahlreiche Informationen über die
Gegend. Auch verfasste er persönliche
Notizen unter dem Titel
„Beobachtungen für das Jahr“, eine
interessante Quelle insbesondere
für die Zeit des Ersten Weltkriegs .
Bei Kriegsbeginn lebte er im Alter
von 75 Jahren allein mit seinen
Bediensteten auf dem Kempferhof.
Sein Haus wurde von einer deutschen
Kompanie besetzt, deren
Offiziere bei ihm wohnten. Die
deutschen Soldaten bildeten einen
Wachposten am Eingang des Gartens
und nahmen an der täglichen
Arbeit teil.
Am 22. November 1918 sollte einer
dieser Wachsoldaten, der inzwischen
zum Wildhüter aufgestiegene Georg
Gruber, während einer Jagd im
Wald des Kempferhofs Opfer eines
rätselhaften Unfalls werden. Der daraufhin
erfolgte Unterhaltsprozess
versandete schließlich.
Mehr als vier Jahre lang führte
der Gutsbesitzer Jules ein hartes
Leben. Er konnte sich nur mit Mühe
außerhalb seines Hauses bewegen
und erhielt nur selten die Erlaubnis,
seine Schwester, die Baronin de Gail,
in Straßburg zu besuchen, die einen
Unfall erlitten hatte und ihm sehr
nahe stand.
„Das einzige Mal, dass ich meinen
Großonkel Jules in Plobsheim
besuchte”, berichtete mein Schwiegervater,
Herr Jacques de Hédouville,
„war in den Weihnachtsferien 1923
oder 1924, zusammen mit meinem
Bruder Jean – wir waren etwa 15
Jahre alt. Es war eiskalt, wir waren
in Straßburg umgestiegen, um mit
dem kleinen Zug nach Plobsheim
zu fahren, und dort wurden wir von
einer Pferdekutsche abgeholt; es
war unser Onkel aus Gail, glaube
ich. Onkel Jules erwartete uns allein
in seinem kleinen Büro, am Feuer
sitzend, mit keinem Licht außer den
Flammen: Er war ein alter Mann
mit einer schwarzen griechischen
Mütze und einem weißen Bart. Das
Haus hatte keinen Strom, aber der
Speisesaal war gut geheizt, und die
Betten waren sehr gut und das Essen
ausgezeichnet. Diese Art des Lebens
war damals schon uralt. Ich hatte
immer gehört, dass der Kempferhof
ein seltsames Haus war, dass der
Onkel alle Pläne sorgfältig gezeichnet
hatte: Ich hatte sicher nicht erwartet,
sie eines Tages in meinem Besitz zu
haben … alle mochten den Onkel,
aber wir lachten ein wenig über seine
Eigenarten. So ließ er beispielsweise
Marie Adélaïde de Dartein, seit 1888
Witwe des Barons Charles Antoine de
Gail von Mulhausen, mit dem sie sechs
Kinder hatte.
(Dokumente von Arnaud de Gail)
eine kleine pferdegezogene Decauville-Eisenbahn
im Park installieren,
um sein Anwesen zu betreiben.
Zuerst benutzte er sie zum Transport
von Kies, dann ließ er sogar einen
Waggon für Fahrgäste – meist Kinder
– einrichten, die mit dem kleinen Zug
gerne spielten. Auf einem Foto aus
der Zeit um 1900 ist dieser kleine Zug
bereits zu sehen. Dann ließ er überall
Pfeile, die „sprechenden Waffen“ der
Darteins, aufstellen und eine kleine
Brücke über das Mühlgießen bauen,
mit einem „Fort“ auf jeder Seite und
einer Treppe zum Steg. In der Kapelle
ließ er für sich und seine gesamte
Familie Nischengräber errichten, in
denen er zusammen mit seiner Frau
begraben ist. Für das Haus hatte er
seine ganz eigenen Vorstellungen:
So hatte er in einem Turm eine Art
Observatorium vorgesehen, damit
Gustav, sein Benediktinerbruder, sein
Brevier beten und dabei (an klaren
Tagen!) das Straßburger Münster
betrachten konnte. Plobsheim ist eine
waldreiche Landschaft mit Wäldchen
und Bächen, dem Illwasser und dem
Mühlgießen, einem fast ruhenden
Gewässer; im Sommer waren die
Jagden für ihre Mücken bekannt.“
Der letzte Wille und das Testament
von Jules de Dartein
Nach dem Tod seiner Geschwister verfasste Jules de Dartein
am 17. Oktober 1917 das folgende Testament:
„Ich bin alt und fühle meine Kräfte schnell schwinden: Tod
und Krieg haben mich fast völlig isoliert [...] Der Krieg hat
mein Vermögen stark beeinträchtigt und mein Erbe reduziert:
Für militärische Maßnahmen wurden ein großer Teil meines
Plobsheimer Waldes abgeholzt und mein Hof in Klein Leberau
(Markirch) zerstört, ohne Garantie auf Entschädigung; was
meine wenigen Wertpapiere betrifft, ist alles ungewiss und
fast ohne laufendes Einkommen.
Meine Gebäude in Plobsheim, sowohl die, die mein ganzes
Eigentum sind, als auch die, die mit anderen Verwandten
ungeteilt sind, werden meiner Schwester [Marie de Dartein,
Witwe von Gail] zufallen: Ich empfehle ihr besonders das Gut
Kempferhof; sie wird dort, wie ich, das Wohnrecht und die volle
Verwaltung für alle ungeteilten Teile in Plobsheim ausüben
(mit keiner anderen Pflicht als der, das Herrenhaus zu unterhalten
und die Betriebs- und Arbeitsmittel vorzuschießen); sie
wird auch den Gebrauch und das Recht der Beerdigung in der
für meine Frau und ihre Familie erbauten Kapelle haben. Diese
halböffentliche Herz-Jesu-Kapelle, die von der Oberen Verwaltung
genehmigt wurde, bleibt außerdem der Obhut und
Aufsicht des katholischen Pfarrers von Plobsheim anvertraut,
der eine Entschädigung von 50 Mark pro Jahr erhalten muss,
unter der Bedingung, dass er mindestens zweimal im Jahr in
der besagten Kapelle die Heilige Messe für mich und meine
Familie feiert.
Vor dem allmächtigen Gott, von dem ich Vergebung und Gnade
erhoffe, richte ich mein demütiges Bedauern an alle, die sich
über mich beschweren mussten, und bitte alle meine Freunde
um Gebete. Mein Platz ist in der Kapelle des Kempferhofs reserviert,
neben dem Grab meiner Frau: Wenn der Krieg es nicht
verhindert, werde ich dort beigesetzt werden.“
J. de Dartein
Foto der von
Jules de Dartein
installierten
132 historie Kapitel Vii Schienen.
133
Henri Charles
André de Gail
(1874-1945) und
Marie-Louise
de Baillon
(1892-1976).
(Privatsammlung)
François-Régis de Gail (1926-2014)
über seinen Vater, Henri de Gail
(1874-1945), dem Enkel von Marie
de Dartein (1841-1926), der Schwester
von Jules de Dartein, und ihrem
Ehemann Charles de Gail (1834-
1888). Dieses Gespräch fand am 18.
Dezember 2012 bei François-Régis
de Gail in Straßburg-Meinau statt.
Mit seiner Zustimmung aufgezeichnet,
finden Sie hier ein wertvolles
Zeugnis, das den Kempferhof
„von innen“ beleuchtet.
Bericht von
François-Regis de Gail
1822 kaufte Felix de Dartein das
Schloss Bernstein oberhalb von
Dambach-la-Ville und die umliegenden
Wälder, behielt sie aber nicht,
weil sie zu schwierig zu bewirtschaften
waren. Im Jahr 1837 kaufte er
auch ein Grundstück in Plobsheim.
Nach seinem Tod im Jahr 1866
gründete sein Sohn, Jules de Dartein,
den Kempferhof. In seiner Kapelle
hat Jules de Dartein alle Steine, die
die Dornenkrone darstellen, selbst
aufgestellt. Die Kapelle war dem
Heiligsten Herzen Jesu gewidmet,
dessen Symbole an der Außenseite
zu sehen sind: ein brennendes Kreuz,
eine Dornenkrone und ein herzförmiges
Buntglasfenster.
Nach seinem Abschluss als Ingenieur
an der Ecole Centrale ließ er Schienen
und Waggons für den Transport
des aus den Kempferhof-Teichen gewonnenen
Kieses installieren. Dieser
Kies wurde zur Herstellung von Beton
verwendet, einem damals neuen
Material, für seine Bauten und die
zahlreichen Brücken, die er zum Nutzen
der Plobsheimer Bevölkerung
baute oder verbesserte. Es gab auch
Schienen, die bis zum Sägewerk von
Antoni fuhren, um die großen Eichen
auf seinem Grundstück zu fällen.
Im Kempferhof gibt es einen großen
Raum, der als großer Saal bezeichnet
wurde. In diesem Zimmer gab
es zwei Sessel für seine Frau Anne
Marie und ihn selbst. Von dort aus
konnten sie die Spitze des Straßburger
Doms sehen und abends die
Nachtglocke hören, die seit 1786 die
Sperrstunde einläutet. Ich selbst
kam in den Jahren 1934 und 1935
nach Plobsheim, mit acht oder zehn
Jahren, aber das Haus war nicht
mehr bewohnt. Mein Cousin Jean
Barthélemy (1903-1983) hatte dort
vielleicht zwei Jahre lang gelebt,
doch seiner Frau gefiel es nicht und
er zog weg.
Der Kempferhof war für 90 Jahre
verpachtet; die Verhandlungen
wurden von Michel de Hédouville,
Priester und Kanoniker in Nancy
(1915-2006), geführt.
Mein Vater galt als der Sohn von
Jules de Dartein, er und meine Tante
Anne Marie hatten keine Kinder.
Jules und sein Bruder Henri besaßen
das Anwesen zunächst gemeinschaftlich,
ebenso wie das Land
jenseits der „Sieben Schleusen“, den
so genannten Schafsteg. Später hat
Jules de Dartein alles übernommen.
Es war die Familie de Hédouville,
meine Cousins und Cousinen, die
den Pachtvertrag mit der Firma
abgeschlossen haben, die den Golfplatz
gebaut hat. Nach dem Tod von
Jules de Dartein im Jahr 1928 war der
Kempferhof kaum noch bewohnt.
Mein Vater kümmerte sich gleichzeitig
um das Anwesen und den Hof in
Mulhausen. 1945 wurde unser Haus
in Mulhausen bombardiert, sodass
wir in den Kempferhof umzogen. Da
es mein Vater war, der sich um die
Wälder und Ländereien in Plobsheim
kümmerte, luden ihn sein Cousin
Joseph de Dartein und seine Cousine
Françoise de Hédouville ein, auf dem
Kempferhof zu wohnen. Fast 90
Jahre lang war der Hof verpachtet.
Während des Krieges hatte der
Direktor der Zuckerfabrik Erstein,
Gunstett, dort gelebt. Als er ging,
nahm er fast alle Möbel mit. Ich
selbst habe fünf Jahre auf dem
Kempferhof gewohnt. Zuvor hat sich
mein Vater um den Wald, das Anwesen
und seine zehn Esel gekümmert.
Den Erbauer Jules de Dartein kannte
ich nicht, bei seinem Tod zählte ich
erst zwei Jahre. Er war auf eine Leiter
geklettert, um Kirschen zu pflücken,
stürzte ab und brach sich den Oberschenkelhals;
wenig später, im Jahr
1928, starb er. Plobsheim ist für mich
immer ein Paradies gewesen.
Am 25. September 1945 waren wir
angekommen. Am 30. November,
dem Andreastag, besuchte mein
Vater das Grab seines jüngeren
Bruders, der am Tag unseres Umzugs
gestorben war. Auf dem Rückweg
ging er bei starkem Nebel zu Fuß
zum Kempferhof und machte
unterwegs Station im Gasthaus. Er
überquerte die Brücke, stürzte in den
Fluß und ertrank. Es war minus zehn
Grad und er wurde erst eine Woche
später gefunden.
Mein Vater war von 1945 bis 1976
in der Kapelle des Kempferhofs
begraben. Ich war es, der ihn auf
Wunsch meiner Mutter neben ihr
(Marie-Louise de Baillon, 1892-1976)
auf den Plobsheimer Friedhof überführen
ließ, da in der Kapelle kein
Platz mehr für sie war.
Die weitere Geschichte
des Kempferhofs
Nach dem Tod seines Erbauers im
Jahr 1928 stand der Kempferhof für
längere Zeit leer. Von 1934 bis 1935
lebte dort nur die Familie von Louis
Koller, dem ehemaligen Kutscher
von Jules de Dartein. Jules zwei Jahre
jüngere Schwester Marie hatte Baron
Charles de Gail aus Mulhausen
(bei Pfaffenhoffen) geheiratet, wo
sie ein landwirtschaftliches Anwesen
besaßen. Schon zu Lebzeiten von
Jules de Dartein war ihr Sohn Henri
de Gail regelmäßig nach Plobsheim
gekommen, um seinem Onkel zu
helfen und mit Louis Koller den
Kempferhof zu verwalten.
Seine Schwester Cécile de Gail war
seit 1896 mit Maurice Barthélemy,
einem gebürtigen Saaleser, verheiratet.
Maurice hatte den Bernsteinwald
als Mitgift erhalten, der früher
Félix de Dartein gehört hatte. 1898
veräußerte er ihn, um den Kauf
der Rauschenburg bei Ingwiller zu
finanzieren. Maurice Barthélemy und
Cécile de Gail ließen sich schließlich
auf dem Château d'Alteville nahe
Dieuze nieder. Nur allzu verständlich,
dass ihr Sohn Jean Barthélemy (1903-
1983) die Familientradition als Forstund
Landwirt fortsetzte. Er lebte
mehrere Jahre auf dem Kempferhof
als Verwalter. Während des Zweiten
Weltkriegs wurde das Anwesen
durch die Deutschen beschlagnahmt
und von Gunstett, dem Direktor der
Zuckerfabrik Erstein, bewohnt. Er
ließ eine Zentralheizung einbauen,
kehrte jedoch 1945 nach Deutschland
zurück – und nahm die Möbel
des Kempferhofs mit.
Während des Krieges wurde das
Gail-Haus in Mulhausen schwer beschädigt
und die Familie von Henri
de Gail zog auf den Kempferhof, um
dort auf die Wiederherstellung ihres
Hauses zu warten. Am 30. November
1945, auf dem nächtlichen Rückweg
zum Kempferhof, passierte Henri
de Gail die Mühlgießener Brücke,
stürzte im dichten Nebel in den Bach
und ertrank. Erst eine Woche später
wurde er gefunden und zunächst
in der Kapelle des Kempferhofs
beigesetzt. Später wurde er auf dem
Dorffriedhof bestattet.
François Régis de Gail, sein Sohn,
lebte noch fünf Jahre lang auf dem
Kempferhof, bevor er ein Haus im
Dorf kaufte.
1948 heiratete Jeanne Koller, die
Tochter von Jules Vertrautem Louis,
der 1969 verstarb, Paul Sprauel aus
Eschau. Das Paar zog in das Bürogebäude
am Eingang des Wohntraktes
des Kempferhofs.
134 historie Kapitel Vii historie Kapitel Vii 135
Claude Bieth, der Erbauer
des Golfplatzes Kempferhof,
berichtet:
Kapitel VIII
1990:
Wiederbelebung des
Kempferhofs
und die Anlage des
Golfplatzes
Ich kam im Juli 1977 als Mieter in
den Kempferhof; ich habe noch den
Mietvertrag, den ich mit dem Pfarrer
von Hédouville unterschrieben habe.
Ein Dutzend Jahre habe ich dort gelebt,
bevor ich das Anwesen erwarb,
das zum Verkauf stand. Damals
hatte ich gerade ein Unternehmen
gegründet, das sich in Zusammenarbeit
mit einem Labor der Medizinischen
Fakultät mit Genetik befasste,
und man hatte mich zusammen mit
meinen Mitarbeitern dort untergebracht,
während ich auf den Bau
eines Gebäudes im Innovationspark
Illkirch wartete. Senator Daniel Hoeffel,
zuständig für den Innovationspark
Illkirch, wollte unbedingt, dass
ich dort meine Labore einrichte. Aber
es zog sich hin und ich bat einen
befreundeten Immobilienmakler,
bei den Hédouville, der Erbenfamilie
von Jules de Dartein, nachzufragen,
ob sie mir nicht ein Grundstück auf
dem Hof verkaufen würden, damit
ich dort meine Laboratorien bauen
und meine Mitarbeiter unterbringen
könnte.
Endlich erklärte sich die Familie
bereit, mir das gesamte Anwesen
zu verkaufen. Etwas überrascht antwortete
ich, dass dies wohl etwas zu
viel für mich sei! Außerdem wollte
ich mich nicht mit Bauern und Mieten
herumärgern, also haben wir es
sein lassen.
Doch begann in mir eine andere Idee
zu keimen. Ein Freund sagte: „Du
musst einen Golfplatz bauen! In der
gesamten Region gibt es nur den in
Straßburg, mit einer langen Warteliste.
Keine Sorge, die Finanzierung
wird sich leicht finden lassen!“
Über Christian Christophe, einen
Immobilienmakler, der die Interessen
der Erben, der Familie de Hédouville,
vertrat, verhandelte ich 1990 mit
einer Gruppe von Partnern über den
Kauf des Kempferhofs: Ich besaß 50
Prozent der Anteile.
Sogleich begann ich, mich
über Golfplätze und die besten
Architekten zu informieren. Da ich
eine Tochtergesellschaft in den
Vereinigten Staaten hatte, bin
ich oft dort gewesen und habe
den berühmten amerikanischen
Architekten Robert van Hagge
kennengelernt, der sich sogleich
in den Kempferhof verliebte. Er
hatte bereits mehrere Golfplätze
in Frankreich gebaut, darunter den
Golfplatz Les Bordes von Baron Bich
nahe Orléans. Wir verstanden uns
gut, und van Hagge machte mir
ein sehr interessantes Angebot: Er
war deutscher Abstammung und
suchte einen „Brückenkopf“, um
in Deutschland zu arbeiten, wo er
große Golfprojekte verfolgte, die
jedoch nicht realisiert wurden.
Da haben wir den Kempferhof
gemacht! Und der Platz wurde zu
einem Meilenstein in der Welt des
europäischen Golfsports.
Claude Bieth
(Privatsammlung)
Im Jahr 2014 verkauften meine
Partner ihre Anteile an der Golfgesellschaft
an Herrn Bindschedler,
den Ceo von Soprema. Im Jahr 2015
erwarb er auch meine.
Heute verfolge ich die Aktivitäten
der Familie Mack in Plobsheim
mit großem Interesse. Durch den
Kempferhof habe ich Roland und
Michael Mack kennengelernt, die ich
sehr bewundere. Zusammen haben
wir beispielsweise ein Golfturnier
mit hochkarätigen Sportlern und
Showeinlagen organisiert – ein
Erfolg, der nur der Beziehung zur
Familie Mack und der Effizienz
ihrer Mitarbeiter zu verdanken war.
Die neue Ansiedlung der Familie
Mack beim Kempferhof ist aus
meiner Sicht eine große Chance.
Ich wünsche der Familie Mack von
ganzem Herzen wirtschaftlichen
Erfolg und ein herzliches
Willkommen.
Der Architekt
Robert van
Hagge bei der
Anlage des
Golfplatzes.
(Foto Claude Bieth)
136 historie Kapitel Viii
historie
Kapitel Viii
137
2018: Kempferhof,
Heute und Morgen
Charles Bindschedler
französische Meisterschaft der Liga
1 zu erreichen und vielleicht sogar
die französische Meisterschaft zu
gewinnen, warum nicht? Ich möchte
junge Spieler ausbilden, die sich mit
dem Kempferhof verbunden fühlen.
Charles Bindschedler, Leiter der
Golfabteilung berichtet:
1908 gründete mein Ururgroßvater
Charles Geisen das Unternehmen
Mammoth (zu deutsch „Mammut“)
für Abdichtungsprodukte und
Beschichtungen, das später zu Soprema
wurde. Warum Mammut? Im
selben Jahr, 1908, wurde in Sibirien
ein Mammut gefunden, das perfekt
in Bitumen konserviert war.
Mein Vater kaufte 1992 Soprema
von seinem Großvater und 26 Jahre
später hat das Unternehmen einen
Umsatz von fast drei Milliarden Euro,
mit mehr als 7.000 Mitarbeitern und
Industrie- und Handelsniederlassungen
in vielen Ländern.
Im Jahr 1995 wurde mein Vater auf
den Kempferhof aufmerksam, der
für ihn von besonderem Interesse
war: ein Hotel, in dem er seine Mitarbeiter
und Kunden aus der ganzen
Welt unterbringen konnte, drei Seminarräume,
und das alles nur zehn
Minuten vom Soprema-Hauptsitz
entfernt – in einer außergewöhnlichen
Umgebung.
Ebenfalls im Jahr 1995 nahm Pierre
Etienne Bindschedler Verhandlungen
mit dem damaligen Eigentümer
Claude Bieth auf. Wir haben das
Anwesen 2015 gekauft. Im Gegensatz
zu früher lassen wir das Tor nun
jederzeit offen, der Zugang für alle
muss gewährleistet sein.
Der Kempferhof war schon immer
ein wunderschöner Ort, aber wir
haben mehr als zwei Millionen Euro
investiert. Für die Bewässerung
haben wir von 400 auf 1.200 Regner
erhöht; unter dem Kempferhof wurden
in neun Monaten mehr als 60
Kilometer Rohre verlegt! Die alten
Wasserläufe wurden umgeleitet.
Auf dem Grundstück haben wir viel
zurückgeschnitten, um die Sonne
durchzulassen, und wir werden noch
neue Arten wie Ahorn und Birke anpflanzen.
Das Restaurant bleibt das
ganze Jahr über geöffnet, während
es vorher nur drei oder vier Monate
in der Saison geöffnet war. Wir verfügen
über drei Seminarräume und
ein ganzjährig geöffnetes Hotel mit
26 Zimmern.
Technologien aus den USA
Um das ganze Jahr über Golf spielen
zu können, werden wir ein neues Gebäude
bauen, das etwa 300 Quadratmeter
groß sein wird, die Öffnungen
der Driving Range werden auf die
anderen Bauten abgestimmt. Der
Kemperhof hat etwas Wunderbares:
all diese runden Öffnungen, Türen
und Fenster. Beim Bau des neuen
Gebäudes möchte ich eine Harmonisierung
der Architektur innerhalb
unseres Grundstücks erreichen.
Im Neubau werden Kraftmessplatten
auf dem Boden mit Kugeltastern,
3D-Sensoren am Körper und
Kameras zur Analyse von Schwüngen
installiert. Wir werden in der
Lage sein, den Außenbereich in
einem 3D-Simulator nachzubilden,
und bei der Qualität der Bilder werden
wir glauben, dass wir draußen
sind, während wir leider nur auf
Kunstrasen laufen. Es wird eine Luftmatratze
geben, welche die Hänge
mit Hilfe von Zylindern bewegt.
Mit dieser Technologie werden wir
in der Lage sein, zu wissen, warum
ein Schlag verfehlt wurde. Mit viel
Übung werden die Besucher den
perfekten Schwung hinbekommen.
Es wird auch einen kleinen Drei-
Loch-Übungsplatz geben, der für
alle zugänglich sein wird. All dies
werden wir in eine Golf-Akademie
integrieren.
Auf dem Weg zur Golf-Akademie
Langfristig möchten wir eine Ausbildungsstätte
gründen, um neue
Golflehrer und auch neue Gärtner
auszubilden. Es gibt nicht viele
Schulen, die in diesem Bereich tätig
sind. Die Absolventen sollen ein
Golflehrer-Diplom erhalten und für
Wettbewerbe trainieren können. Es
wird also ein kleines Internat geben,
das in die Golfanlage integriert ist.
Wir beabsichtigen, den Kempferhof
in ein Sportprojekt einzubinden. Golf
ist wie Fußball: Es gibt Mannschaften
und Vereine, und man spielt
um seine Platzierung. So haben
wir in den letzten sechs Monaten
eine Akademie aufgebaut, um gute
Spieler auszubilden. Auch haben wir
einen neuen Sportmanager eingestellt,
Laurent Cabale, den Trainer
der französischen Nummer 1. Mit
Laurent werden wir in den gesamten
technischen Unterricht einsteigen.
Wir haben eine Elite-Amateurmannschaft
zusammengestellt, die den
Kempferhof repräsentieren wird.
Bei einer Golfmeisterschaft gibt es
vier Divisionen für Männer und eine
Promotion. Wir werden also mit dem
Aufstieg beginnen, und mein Traum
ist es, innerhalb von fünf Jahren die
Hotelentwicklungsprojekte
Folgende Umbauten am modernen
Flügel des Schlosses sind geplant:
Einige der bisherigen Hotelzimmer
werden verschwinden, neue
Räume, die den Stil des Schlosses
aufnehmen, hinzukommen. Auf
der anderen Seite wird es begrünte
Flachdächer geben und ein Spa wird
in diese Gebäude integriert.
Wir wollen den Kempferhof zu
einem Fünf-Sterne-Haus machen.
Im Schloss brauchen wir noch einen
Aufzug, um die baulichen Normen
zu erfüllen; das Problem besteht
darin, den geeignetsten Platz dafür
zu finden, ohne die historischen
Einrichtungen, wie die Holztreppe,
den Turm oder den „großen Saal“,
zu beeinträchtigen. In den Zimmern
wird die Einrichtung erneuert.
Nachhaltige Entwicklung
Wie prüfen derzeit, ob wir den
Golfplatz für Kinder kostenlos
öffnen können, vielleicht zwei- oder
dreimal jährlich für Schnupperkurse.
Die Zahl der Beschäftigten im Hof
ist von 20 auf 40 gestiegen. In der
Landwirtschaft recyceln wir Wasser,
unser Bewässerungssystem ist fast
ein geschlossener Kreislauf. Wir
siedeln Tierarten wie Enten und
Schwäne an.
Was den Golfsport betrifft, so
wollen wir einen der schönsten
Golfplätze in Europa präsentieren
und zur Elite des europäischen
Golfsports gehören. Wir haben einen
der besten Trainer Frankreichs und
sogar Europas, die besten Spieler
werden hierher kommen, um zu
trainieren. Wir werden Aktivitäten
schaffen und der Kempferhof wird
zu einem Kompetenzzentrum der
Golfwelt.
Zwischen gestern und morgen
Lassen wir am Ende Jules de Dartein
zu Wort kommen, der wenige Monate
vor seinem Tod genaue Anweisungen
für die Pflege der Wälder rund
um sein Haus hinterließ:
„Gerade bei Waldbesitzern ist es
wichtig, dass der künftige Besitzer
den Wald und das ihm zugedachte
Land kennen, lieben und bewirtschaften
lernt; es muss eine innige
Beziehung zwischen dem Besitzer
und seinen Feldern und allen Bäumen
(Obst und Wald) bestehen. Verwechseln
Sie nicht Eigentum mit Kaufleuten:
Letztere sind es nicht wert, als
Eigentümer bezeichnet zu werden.
Ein echter Eigentümer hat Rechte vor
Gott, aber auch Pflichten gegenüber
seinen Helfern, seinen Nachbarn
und der Gesellschaft. Man muss dies
wissen und sein ganzes Leben lang
darüber nachdenken, aber man muss
genau wissen und lieben, was man
zum wahren Wohl aller verwalten
muss."
Auch der Architekt Robert van
Hagge (1927-2010) hinterließ seine
Eindrücke vom Kempferhof, den er
in einen Golfplatz verwandelt hat:
„Ich war sofort von der geheimnisvollen,
besonderen Atmosphäre
des Hauses beeindruckt. Nebel und
Dunst hatten sich über die Felder
und Wälder gelegt, die sich in der
Ferne ausdehnten und ineinander
übergingen und dem Betrachter
das Bild einer zusammengesetzten
Landschaft boten. Ich war berauscht
von der ätherischen Atmosphäre, die
mich an all die fabelhaften Landschaften
in den Küstenregionen der
Vereinigten Staaten, auf den Inseln
von Georgia und den Carolinas, oder
an einige absolut schöne Golfplätze
in Schottland am Rande des Ozeans
erinnerte. Mir wurde klar, dass es an
uns lag, ein Meisterwerk zu schaffen,
das in ganz Europa anerkannt und
geschätzt werden würde.“
Würde Jules de Dartein es begrüßen,
wenn „ganz Europa“ zum Golfspielen
zu seinem Kempferhof käme? Er
wäre zweifellos amüsiert und würde
sich freuen, dass sein fantastisches
Haus und sein Grundbesitz erhalten
und geliebt werden.
138 historie Kapitel Viii historie Kapitel Viii
139
Danksagungen
(in alphabetischer Reihenfolge)
Lina Bapst
Sie gab mir die wertvollen Erinnerungen
an die abendlichen Gespräche
unserer Großeltern auf der
Bank vor ihrem Haus weiter, wenn
sie über den Kempferhof sprachen.
Lina hat das Foto beigetragen, auf
dem Jules und Henri de Dartein vor
Georges Fuchs, unserem gemeinsamen
Urgroßvater, sitzen, sowie das
Ehrendiplom, das er erhalten hat.
Claude Bieth
Er war ein Dutzend Jahre lang
Pächter des Kempferhofs, bevor er
den Golfplatz Kempferhof kaufte
und schuf. Er war so freundlich, mir
zu erzählen, wie es dazu kam, dass
das Anwesen von Jules de Dartein zu
einem der schönsten Golfplätze in
Europa wurde.
Charles Bindschedler
Als neuer Leiter des Kempferhofs
erzählte er mir von den Veränderungen,
die bereits auf dem Hof
vorgenommen wurden, sowie von
den Projekten und Innovationen, die
in Zukunft durchgeführt werden.
Dank ihm hatte ich freien und privilegierten
Zugang zu allen Räumen
des Hauses, dem Schloss und der
Kapelle.
Angélique Dubuisson-Escande
Die Ur-Ur-Enkelin von Henri de
Dartein hat mir im April 2017 freundlicherweise
mehrere Dokumente
geschickt, die ihr Vater, der Historiker
Jean N. D. Escande, abgetippt
hatte, da er sie mir aufgrund seines
schlechten Gesundheitszustands
nicht mehr schicken konnte.
Arnaud de Gail
Im Jahr 2012 empfing er mich in
seinem Haus, um mir von der Familie
de Gail zu erzählen, die mit den
Darteins verbündet ist, und übergab
mir die Porträts seiner Großeltern
väterlicherseits, Charles Antoine de
Gail und Marie Adélaïde de Dartein,
seiner Frau.
François-Régis de Gail
Er empfing mich am 18. Dezember
2012 in seinem Haus in
Straßburg-Meinau, um mir seine
Erinnerungen an seine Eltern und
den Kempferhof mitzuteilen, und
erlaubte mir, ihn mit einem Diktiergerät
aufzunehmen. Seine Leihgabe
von Medaillons, die Charles Mathieu
Sylvestre de Dartein und Françoise
Rosalie de Salomon darstellen und
die ich fotografieren konnte, hat
mich sehr berührt.
Jean-Paul Heiser
Als Kirchenvorstand in Plobsheim
zum Zeitpunkt meiner Recherchen
gewährte er mir Zugang zu den
katholischen Archiven, was es mir
ermöglichte, das Grundbuch von
1688/1689 einzusehen und etwas
über die Pläne für eine neue Kirche
zu erfahren, die Jules de Dartein
bauen wollte.
Richard Hirschner
Er ist der Geschäftsführer von
„Super U Eschau“ und unterstützt
meine Arbeit seit vielen Jahren mit
Nachdruck.
Ernest Huber
Er gab mir viele Informationen über
Antoine Huber, seinen Urgroßvater,
der bis zu seinem Tod 1898 Verwalter
des Kempferhofs und Kutscher von
Jules de Dartein war. Sein Großvater,
Toni Huber, wuchs im 19. Jahrhundert
mit seinen Geschwistern auf
dem Kempferhof auf.
Michel Schreiber
Die Begegnung mit Michel Schreiber
war für mich ausschlaggebend,
was das Buch über den Kempferhof
anbelangt. Es war seine Ermutigung,
die mich dazu brachte, diese Geschichte
zu schreiben. Er arbeitet seit
mehr als drei Jahren an der Biografie
der Familie Dartein und bereitet
ein großes Buch zu diesem Thema
vor. Michel, der sich seit langem für
diese Familie interessiert, stellte
mir sein genealogisches Wissen zur
Verfügung und übermittelte mir
zahlreiche historische Details sowie
unveröffentlichte Illustrationen, von
denen dieses Buch profitierte, und
die heute von mehreren Nachkommen
jenes Jean Baptiste de Dartein
aufbewahrt werden, der sich in
den frühen 1760er Jahren im Elsass
niederließ.
Ihnen allen möchte ich meinen aufrichtigen
Dank aussprechen.
Der Autor: René Deiber
Als Holzbildhauermeister in Plobsheim,
M.O.F. (Meilleur Ouvrier de
France) im Jahr 1965, habe ich ein
halbes Dutzend junger Leute in
diesem Beruf ausgebildet. Seit dem
Jahr 2000 bin ich im Ruhestand. Ich
bin Ehrenpräsident der Zunft der
Holzschnitzer im Bas-Rhin, Ehrenpräsident
der F.R.E.M.A.A. (Regionaler
Verband der Kunsthandwerker des
Elsass) und war Richterlicher Sachverständiger
im Bereich der Schreinerei
am Appellationsgericht Colmar
von 1997 bis 2009. Als Liebhaber der
lokalen Geschichte habe ich sechs
Jahre lang einen Kurs in deutscher
Paläographie belegt, um die alten
deutschen Texte in den Archiven
einsehen zu können. Im Jahr 2002
gründete ich den Heimatverein Le
Giessen de Plobsheim, der zum Zeitpunkt
meines Ausscheidens im Jahr
2015 rund 200 Mitglieder zählte.
140 historie Kapitel Viii
historie Kapitel Viii 141
Impressum
herausgeber:
Mack One France, Michael Mack
Idee:
Michael Mack, Dr. Moritz Feninger
Die Familie Mack beim Richtfest zum neuen Innovationsstandort Mack One France in Plobsheim im Elsass.
CREATIVE THINKTANK/CONCEPT/Design:
Matthias Lange, Sabine Ostholt, Horst Koppelstätter
REDAKTION/AUTOREN/KORREKTUR:
Horst Koppelstätter (V.i.S.d.P.), Christoph Ertz,
Stefan Tolksdorf
Produktion:
Koppelstätter Media GmbH, Bergstraße 38,
76547 Sinzheim / Baden-Baden,
www.koppelstaetter-media.de
KOORDINATION: Beate Zehe
AUTOR historischer TEIL: René Deiber
Wir teilen nicht nur den Rhein,
sondern auch eine wundervolle Freundschaft.
Für eine gute Zukunft
Europas bleibt das Tandem Frankreich
und Deutschland unverzichtbar
michael mack
französischer Honorarkonsul für Freiburg & Tübingen
Druck: www.bk-offset.de
FOTOS: Mack One France, Koppelstätter Media,
Plobsheim, shutterstock_Frederic Legrand – COMEO,
Kempferhof France, Vincent Muller, Michael Bode,
MackNext GmbH & Co. KG, Jacky LEY, Eric Tran-
Quang, seven_elephants, Filmakademie-Baden-Wuerttemberg_Roland_Moench,
HaasimStudio.de,
Stefan Strumbel/Stefan Armbruster, Pascal Bastien,
Jérôme Dorkel, AMBER BLAKE 2022 © MackNeXT,
Station F, Patrick Tourneboeuf, Lucquet architectes
associes, David Haffen / La Fémis
BILDRECHTE historischer TEIL:
Mack One France
Alle Rechte für Gestaltung und Inhalt (mit Ausnahme
des historischen Teils) bei Koppelstätter Media
GmbH.