23.09.2024 Aufrufe

FINE - Das Weinmagazin - 66. Ausgabe - 03/2024

Hauptthema: BORDEAUX Château Smith Haut Lafitte: Lust an Experimenten Weitere Themen dieser Ausgabe EDITORIAL Gewundene Lebensläufe, geradlinige Weine SIZILIEN Alberto Graci: Farbwechsel auf schwarzer Erde SIZILIEN Idda: Die weiße Seite des Vulkans DIE GLORREICHEN SIEBEN Prunkstücke von Antinori DAS GROSSE DUTZEND Chateau Musar im Libanon TASTING Château Lascombes: So schmeckt der Wandel APERITIF Der fertig gemixte Negroni Conte Camillo WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst in der Löffelspitze in Damüls GENIESSEN Der Käse Salers: Symbiose im Zentralmassiv CHAMPAGNE Moët & Chandon: Die jüngste Grand-Vintage-Trilogie PORTRÄT Marco Simonit: Rebschnitt auf die sanfte Tour DIE PIGOTT-KOLUMNE Mein Leben mit dem Kult-Riesling »J« OREGON Lingua Franca: Qualität versteht jeder PORTRÄT Fachhändler Morandell: Tiroler Tor zur Weinwelt WEIN & ZEIT Die Weinkultur der Steiermark im 19. Jahrhundert TASTING Kendall-Jacksons Vérité: Kalifornische Feinarbeit CHAMPAGNE Laurent-Perriers neue Klasse Héritage INTERVIEW Der Münchner Feinkost-König Michael Käfer ABGANG Winzer, werde wesentlich!

Hauptthema: BORDEAUX Château Smith Haut Lafitte: Lust an Experimenten

Weitere Themen dieser Ausgabe
EDITORIAL Gewundene Lebensläufe, geradlinige Weine
SIZILIEN Alberto Graci: Farbwechsel auf schwarzer Erde
SIZILIEN Idda: Die weiße Seite des Vulkans
DIE GLORREICHEN SIEBEN Prunkstücke von Antinori
DAS GROSSE DUTZEND Chateau Musar im Libanon
TASTING Château Lascombes: So schmeckt der Wandel
APERITIF Der fertig gemixte Negroni Conte Camillo
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst in der Löffelspitze in Damüls
GENIESSEN Der Käse Salers: Symbiose im Zentralmassiv
CHAMPAGNE Moët & Chandon: Die jüngste Grand-Vintage-Trilogie
PORTRÄT Marco Simonit: Rebschnitt auf die sanfte Tour
DIE PIGOTT-KOLUMNE Mein Leben mit dem Kult-Riesling »J«
OREGON Lingua Franca: Qualität versteht jeder
PORTRÄT Fachhändler Morandell: Tiroler Tor zur Weinwelt
WEIN & ZEIT Die Weinkultur der Steiermark im 19. Jahrhundert
TASTING Kendall-Jacksons Vérité: Kalifornische Feinarbeit
CHAMPAGNE Laurent-Perriers neue Klasse Héritage
INTERVIEW Der Münchner Feinkost-König Michael Käfer
ABGANG Winzer, werde wesentlich!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!

Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.

3| <strong>2024</strong> Deutschland € 20 Österreich € 21,00 Italien € 24,50 Schweiz CHF 35,00 Benelux € 22,90<br />

4 197772 520006 <strong>03</strong><br />

CHÂTEAU SMITH HAUT LAFITTE<br />

LUST AM EXPERIMENT AUF HÖCHSTEM NIVEAU<br />

Sizilien Weinbau Glanzvolle Verkostungen Cocktails Kulinarik<br />

Weißes von Gaja Marco Simonit, der Château Lascombes, Vérité, Spitzen-Negroni Michael Käfer<br />

und Alberto Graci Rebschnitt-Meister Antinori und Chateau Musar in der Flasche im Gespräch


<strong>FINE</strong><br />

DAS WEINMAGAZIN 3|<strong>2024</strong><br />

GRAND-VINTAGE-TRILOGIE 88 FEINKOST KÄFER 134 LAURENT-PERRIER HÉRITAGE 132<br />

DIE GLORREICHEN SIEBEN 50<br />

CHÂTEAU SMITH HAUT LAFITTE 14<br />

11 <strong>FINE</strong> EDITORIAL _________________ Gewundene Lebensläufe, geradlinige Weine<br />

14 <strong>FINE</strong> BORDEAUX _________________ Château Smith Haut Lafitte: Lust an Experimenten<br />

28 <strong>FINE</strong> SIZILIEN ____________________ Alberto Graci: Farbwechsel auf schwarzer Erde<br />

36 <strong>FINE</strong> SIZILIEN ____________________ Idda: Die weiße Seite des Vulkans<br />

50 <strong>FINE</strong> DIE GLORREICHEN SIEBEN Prunkstücke von Antinori<br />

62 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND ___ Chateau Musar im Libanon<br />

66 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ Château Lascombes: So schmeckt der Wandel<br />

74 <strong>FINE</strong> APERITIF ___________________ Der fertig gemixte Negroni Conte Camillo<br />

ALBERTO GRACI 28<br />

IDDA VON GAJA UND GRACI 36<br />

CHÂTEAU LASCOMBES 66<br />

80 <strong>FINE</strong> WEIN & SPEISEN ___________ Jürgen Dollase isst in der Löffelspitze in Damüls<br />

86 <strong>FINE</strong> GENIESSEN ________________ Der Käse Salers: Symbiose im Zentralmassiv<br />

88 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE _______________ Moët & Chandon: Die jüngste Grand-Vintage-Trilogie<br />

94 <strong>FINE</strong> PORTRÄT ___________________ Marco Simonit: Rebschnitt auf die sanfte Tour<br />

102 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT-KOLUMNE _____ Mein Leben mit dem Kult-Riesling »J«<br />

106 <strong>FINE</strong> OREGON ___________________ Lingua Franca: Qualität versteht jeder<br />

112 <strong>FINE</strong> PORTRÄT ___________________ Fachhändler Morandell: Tiroler Tor zur Weinwelt<br />

120 <strong>FINE</strong> WEIN & ZEIT ________________ Die Weinkultur der Steiermark im 19. Jahrhundert<br />

126 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ Kendall-Jacksons Vérité: Kalifornische Feinarbeit<br />

132 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE _______________ Laurent-Perriers neue Klasse Héritage<br />

MARCO SIMONIT 94 LINGUA FRANCA 106<br />

MORANDELL 112<br />

KENDALL-JACKSONS VÉRITÉ 126<br />

134 <strong>FINE</strong> INTERVIEW _________________ Der Münchner Feinkost-König Michael Käfer<br />

146 <strong>FINE</strong> ABGANG ___________________ Winzer, werde wesentlich!<br />

8 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> INHALT<br />

INHALT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 9


GREEN <strong>FINE</strong> DINING<br />

LIEBE LESERINNEN,<br />

LIEBE LESER,<br />

muss man zum Winzer geboren sein? Vielleicht, aber bei manchem dauert es etwas länger, bis er<br />

es merkt. Nehmen wir Daniel und Florence Cathiard, gewissermaßen die Titelhelden dieser <strong>Ausgabe</strong>:<br />

Beim Kauf von Château Smith Haut Lafitte hatten sie beide jeweils zwei Karrieren hinter<br />

sich, zuerst im Skilauf, dann mit Handelsketten respektive im Marketing. Als sie dann Anfang<br />

der 90er-Jahre darangingen, das so legendäre wie heruntergekommene Graves-Gut auf Vordermann<br />

zu bringen, da trafen sie derart unkonventionelle Entscheidungen, dass die benachbarte<br />

»Korkenaristokratie« die Nase rümpfte. Noch immer sind der unermüdlich tüftelnde Optimist<br />

Daniel und die Kunstsammlerin Florence Cathiard geradezu das Gegenteil von Dogmatikern,<br />

entsprechend unterhaltsam ist die Begegnung mit ihnen in Rainer Schäfers Porträt.<br />

Gewunden war der Weg zum eigenen Weingut auch für Larry Stone. Dessen feinen Geschmack<br />

wussten zwar schon die von ihm bekochten studentischen Mitbewohner in Seattle zu schätzen,<br />

die Kommilitonen zu seinen Menüs einluden und sich dafür hinter seinem Rücken bezahlen<br />

ließen. Doch erst ein Neben job im Restaurant brachte Stone dazu, statt Doktor der Literaturwissenschaft<br />

lieber Sommelier zu werden – aufgrund seines Forscherdrangs natürlich nicht<br />

irgendeiner, sondern ein Star seines Fachs. Als er schließlich selber Winzer wurde und das Gut<br />

in Oregon getauft werden musste, brach erneut der Akademiker in ihm durch: Lingua Franca<br />

heißt der Betrieb, nach dem lateinischen Ausdruck für eine Universalsprache, die ebenso allgemein<br />

verstanden wird wie die Aromatik eines Weins.<br />

Quereinsteiger sind die Gründer des sizilianischen Gutes Idda gewiss nicht – bereits der<br />

Großvater von Alberto Graci machte im Nebenerwerb Wein, und über die Tradition der Familie<br />

Gaja braucht man hier kein Wort zu verlieren. Trotzdem haben die Piemonteser und der Ätna-<br />

Winzer mit ihrem Gemeinschaftsprojekt buchstäblich Neuland betreten: Während an der Nordflanke<br />

des Vulkans seit zwei Jahrzehnten der Rebbau boomt, gilt es im Süden zunächst einmal<br />

zu erforschen, welche Parzellen die besten sind. <strong>Das</strong> neue Kellereigebäude ist jedenfalls ein<br />

wesentlicher Schritt hin zu den mit Spannung erwarteten Einzellagen-Weinen.<br />

Neben solchen Pionieren widmen wir uns in dieser <strong>FINE</strong>-<strong>Ausgabe</strong> Menschen, die Wein<br />

zwar nicht selber herstellen, aber bei seiner Entstehung helfen oder ihn unter die Leute bringen:<br />

Marco Simonit hat den sanften Rebschnitt derart perfektioniert, dass seine Besuche vielen Spitzengütern<br />

unentbehrlich geworden sind, die Brüder Christoph und Mario Morandell beliefern<br />

Österreich mit edlen Flaschen aus aller Welt, und Michael Käfer steht an der Spitze einer Münchner<br />

Genuss-Institution, die längst so selbstverständlich zur Stadt gehört wie Frauenkirche und<br />

Oktoberfest – immerhin hatte Feinkost-Käfer fast 100 Jahre Zeit, um Wurzeln zu schlagen.<br />

Zu alldem lassen wir Sie an Verkostungen auf höchstem Niveau teilhaben, von den Neuheiten<br />

der Champagnerhäuser Moët & Chandon und Laurent-Perrier über 34 (!) Jahrgänge<br />

Château Lascombes bis zum kalifornischen Pétrus-Konkurrenten Vérité, von Antinoris Glorreichen<br />

Sieben bis zum Großen Dutzend vom libanesischen Chateau Musar (kein Druckfehler<br />

übrigens, man schreibt den Gutsnamen wirklich ohne Accent circonflexe). Bei allen spannenden<br />

Lebensläufen bleibt die wichtigste Voraussetzung, um in <strong>FINE</strong> vorzukommen, am Ende doch<br />

die Qualität im Glas.<br />

Ihre Chefredaktion<br />

MICHELIN GUIDE `24<br />

1 STERN<br />

1 GRÜNER STERN<br />

FAZ SONNTAGSZEITUNG<br />

GEMÜSEKOCH <strong>2024</strong> AUS-<br />

GEZEICHNET VON J. DOLLASE<br />

DER GROSSE GUIDE<br />

SOMMELIÈRE DES<br />

JAHRES <strong>2024</strong><br />

SCHLEMMER ATLAS<br />

DENIS FEIX<br />

TOP 50 CHEFS<br />

GAULT & MILLAU<br />

3 HAUBEN<br />

4 TRAUBEN<br />

ROLLING PIN.<br />

DENIS FEIX<br />

TOP CHEFS 2023<br />

DER FEINSCHMECKER<br />

GASTRO AWARDS 2023<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

FRANKFURT GEHT AUS:<br />

PLATZ 1: 2023 IN DER KATEGORIE<br />

RHEIN-MAIN EXKLUSIV<br />

EDITORIAL<br />

<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 11


<strong>FINE</strong>AUTOREN<br />

KRISTINE BÄDER Als Winzertochter aus Rheinhessen freut sie sich über die positive Entwicklung ihrer<br />

Heimatregion, wo sie ein eigenes kleines Wein projekt pflegt. Eine besondere Beziehung hat die stu dierte Germanistin<br />

und ehemalige Chefredakteurin des <strong>FINE</strong> <strong>Weinmagazin</strong>s zu den Weinen aus Portugal.<br />

DANIEL DECKERS Die Lage des deutschen Weins ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politikredakteur<br />

der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« über Gott und die Welt zur Feder greift. An der Hochschule Geisenheim<br />

lehrt Daniel Deckers Geschichte des Weinbaus und ­handels. In seinem Buch »Wein. Geschichte und Genuss«<br />

beleuchtet er durch mehr als 3000 Jahre die Rolle dieses unschätzbaren Kulturguts als Spiegel der Zeitläufte.<br />

JÜRGEN DOLLASE hat sich schon als Rock musiker und Maler verdingt; als Kritiker der kulinarischen Landschaft<br />

ist er heute eine feste Instanz. Viel beachtet sind seine Bücher über die Kunst des Speisens: Bei Tre Torri<br />

erschien zuletzt seine »Geschmacksschule«; das visionäre Kochbuch »Pur, präzise, sinnlich« widmet sich der<br />

Zukunft des Essens.<br />

PATRICIA ENGELHORN ist Schweizerin, genauer gesagt Tessinerin, hat viele Jahre in Florenz gelebt und<br />

dann als Freelance­Journalistin jahrzehntelang häufig und gern aus dem Koffer. Thematisch ist sie vorwiegend<br />

in der Kunst­, Design­ und Hotelszene unterwegs, genießt aber auch Ausflüge in die Welt der Weine.<br />

URSULA HEINZELMANN Die Gastronomin und gelernte Sommelière schreibt für die »Frankfurter Allgemeine<br />

Sonntagszeitung«, die Magazine »Efflee« und »Slow Food« sowie Bücher übers Essen und Trinken.<br />

Ihr Buch »China – Die Küche des Herrn Wu« (erschienen bei Tre Torri) liefert tiefe Einblicke in die vielfältige<br />

Kochkunst der Chinesen.<br />

UWE KAUSS In Weinkellern kennt er sich aus: Der Autor und Journalist schreibt seit 20 Jahren über Wein,<br />

etwa für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, das <strong>Weinmagazin</strong> »Enos«, »wein.pur«, das »Genuss­<br />

Magazin« in Wien sowie das Internetportal wein.plus. Daneben hat er 16 Sach­ und Kindersachbücher, einen<br />

Roman und zwei Theaterstücke publiziert.<br />

PAUL KERN Im Campingurlaub mit dem Sohn ei nes Weinjournalisten probierte Paul Kern Große Gewächse<br />

aus dem Emaillebecher. Es folgten ein Weingutspraktikum in Südafrika, eine Kochausbildung in ei nem Zweisternerestaurant<br />

und ein Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim. Nun schreibt er über Wein und Gastronomie<br />

für diverse Magazine und Führer.<br />

STEFAN PEGATZKY Der promovierte Germanist kam 1999 nach Berlin und erlebte hautnah, wie sich<br />

die Metropole von einer Bier­ zur Weinstadt wandelte. Er schreibt regelmäßig über Wein und Genuss, steuerte<br />

zur Tre­Torri­Reihe »Beef!« den Band »Raw. Meisterstücke für Männer« bei und bereicherte die »Gourmet<br />

Edition – Kochlegenden« um Titel zu Hans Haas, Harald Wohlfahrt und Marc Haeberlin.<br />

STUART PIGOTT Seit der 1960 in London geborene studierte Kunsthistoriker und Maler im Wein – dem deutschen<br />

zumal – sein Lebensthema fand, hat er sich mit seiner unkonventionellen Betrachtungsweise in den Rang<br />

der weltweit geachteten Autoren und Kritiker geschrieben. Sein Buch »Planet Riesling« erschien bei Tre Torri.<br />

RAINER SCHÄFER wuchs in Oberschwaben auf und lebt seit drei Jahrzehnten in Hamburg, wo er über die<br />

Dinge schreibt, die er am meisten liebt: Wein, gutes Essen und Fußball, stets neugierig auf schillernde Per sönlichkeiten,<br />

überraschende Erlebnisse und unbekannte Genüsse.<br />

VERLEGER UND HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

r.frenzel@fine­magazines.de<br />

CHEFREDAKTION<br />

info@fine­magazines.de<br />

ART DIRECTOR<br />

Guido Bittner<br />

TEXTREDAKTION<br />

Boris Hohmeyer,<br />

Katharina Harde­Tinnefeld<br />

AUTOREN DIESER AUSGABE<br />

Kristine Bäder, Daniel Deckers,<br />

Jürgen Dollase, Patricia Engelhorn,<br />

Ursula Heinzelmann, Uwe Kauss,<br />

Paul Kern, Stefan Pegatzky,<br />

Stuart Pigott, Rainer Schäfer<br />

FOTOGRAFEN<br />

Guido Bittner, Johannes Grau,<br />

Andreas Hantschke, Arne Landwehr,<br />

Thilo Weimar<br />

GRÜNDUNGSCHEFREDAKTEUR<br />

Thomas Schröder (2008–2020)<br />

VERLAG<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

ANZEIGEN<br />

Bora Erdem<br />

Telefon: +49 611­57 99.0<br />

b.erdem@fine­magazines.de<br />

ABONNEMENT<br />

<strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> erscheint<br />

vierteljährlich zum Einzelheft­Preis<br />

von € 20,– (D), € 21,– (A), € 24,50 (I)<br />

CHF 35,– (CH), € 22,90 (Benelux).<br />

Auskunft und Bestellungen<br />

unter Telefon: +49 611­57 99 0<br />

oder per E­Mail: abo@tretorri.de<br />

DRUCK<br />

Mohn Media Mohndruck GmbH,<br />

Gütersloh<br />

Ried Pössnitzberger Kapelle I Chardonnay 2021 – 99 Punkte<br />

Ried Pössnitzberger Kapelle Sauvignon Blanc 2021 – 99 Punkte<br />

Falstaff WEIN GUIDE <strong>2024</strong>/25<br />

„Erwin und Patrizia Sabathi erzeugen<br />

mit Pössnitzberger Kapelle einen<br />

Chardonnay von Weltklasseformat.“<br />

falstaff, Juli <strong>2024</strong><br />

„Montrachet-Killer wird der Wein manchmal<br />

genannt, weil er in Blindproben mehrfach<br />

berühmte französische Burgunder aus dem<br />

Feld geschlagen hat …“<br />

Jens Priewe, Der Feinschmecker<br />

„Neue Steiermark Legende … um ihn gebührend zu<br />

vergleichen ist eine Wortverbindung oder die Solonennung<br />

des Worts ‚Montrachet‘ absolut zutreffend.<br />

Eine neue Steiermark Legende, welche in jedem Weinfreak<br />

eine unhaltbare Begehrlichkeit weckt, wenn er<br />

ihn verkosten darf. Für mich war er zum Niederknien!“<br />

René Gabriel<br />

„… ein Montrachet der Steiermark. Einer<br />

der besten Weine der Verkostung. Großartig.“<br />

Giuseppe Lauria, Weinwisser<br />

12 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> IMPRESSUM<br />

Die <strong>FINE</strong>­Charta mit den Regeln, nach denen wir<br />

verkosten und bewerten, finden Sie im Internet unter<br />

fine­magazines.de/die­fine­weinbewertung<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der<br />

Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte<br />

Manuskripte, Dateien, Datenträger und Bilder.<br />

Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

www.sabathi.com


DANIEL<br />

DÜSENTRIEB<br />

IM BORDELAIS<br />

AUCH MIT 80 JAHREN IST DANIEL CATHIARD AUF CHÂTEAU SMITH<br />

HAUT LAFITTE, DAS ER MIT SEINER FRAU FLORENCE BETREIBT, FÜR<br />

ALLES NEUE AUFGESCHLOSSEN. EHE SIE 1990 DAS LEGENDÄRE GUT IN<br />

PESSAC-LÉOGNAN ÜBERNAHMEN, HATTEN SIE BEREITS ALS SKILÄUFER<br />

UND GESCHÄFTSLEUTE GELERNT, SICH AN DIE SPITZE ZU KÄMPFEN<br />

Von RAINER SCHÄFER<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Der Himmel wirkt schon wieder bedrohlich dunkel über Martillac. Daniel Cathiard ist wie üblich frühmorgens<br />

mit den Hunden unterwegs. Ohne große Regung betrachtet er die vorbeiziehenden Wolkenbänder,<br />

die viele Winzer im Bordelais zu verzweifelter Hektik treiben: Bei dieser Wetterlage breitet sich der Mehltau<br />

aus und droht wie im vergangenen Herbst die Ernte zu gefährden. Cathiard bringt selten etwas aus der<br />

Ruhe, er folgt stoisch seinen eigenen Vorstellungen und Regeln. Über zwei Tage hinweg hat uns der Eigentümer<br />

von Château Smith Haut Lafitte sein Anwesen gezeigt, uns Rede und Antwort gestanden. Man meint,<br />

ihn halbwegs durchschaut zu haben, da präsentiert er urplötzlich eine neue Überraschung.<br />

Cathiard fährt in einem elektrischen Golfcart an den<br />

Reben vorbei in den »Wald der Sinne«, der manches<br />

erstaunliche Detail birgt. Zum Château gehört ein Areal<br />

mit 80 Hektar Wald, moosbewachsene alte Mühlsteine liegen<br />

zwischen den Baumstämmen, die eine bewegte Geschichte er ­<br />

zählen könnten, drei Lamas stolzieren in einem Gehege umher<br />

und ganz in der Nähe steht eine Zen­Glocke in einem Pavillon.<br />

»Meine Frau denkt, sie sei Buddhistin«, sagt Cathiard dazu<br />

und setzt zu einem kaum merklichen Schmunzeln an: »Aber<br />

sie ist es nicht.« In einem Holzhaus namens »Tisanerie« werden<br />

Tees und Präparate für den biodynamischen Weinbau hergestellt,<br />

in Regalen trocknen Kräuter und Blüten wie Schafgarbe,<br />

Schachtelhalm, Kamille und Baldrian. Vor dieser »Apotheke<br />

unserer Weinberge«, benannt nach dem französischen Wort<br />

tisane für Kräutertee, steht eine Skulptur des Künstlers Stefan<br />

Rinck, »The Big Sceptic«, weil man, erklärt Cathiard, wie<br />

dieser große Skeptiker »auch bei der Biodynamie vieles hinterfragen<br />

kann«.<br />

Auf einer Lichtung steht ein Hochsitz. <strong>Das</strong> sei sein Büro,<br />

sagt der Winzer, der mittlerweile die Arbeit an der frischen<br />

Luft bevorzugt: »Sogar das Internet funktioniert hier.« In<br />

dieser kuriosen Welt gehen Natur und Technologie nahtlos in ­<br />

einander über. Dabei ist Cathiard kein esoterischer Eiferer. Der<br />

80­Jährige arbeitet gern mit modernsten Mitteln und erforscht<br />

14 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> BORDEAUX<br />

BORDEAUX <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 15


neue Möglichkeiten im Weinbau. An diesem Morgen hat er<br />

sich entschlossen, seinen »heimlichen Keller« zu zeigen, der<br />

unauffällig in der Waldlandschaft verankert ist. Der »Stealth<br />

Cellar« wurde in einer Grube versenkt, in der lange Zeit Kies<br />

abgebaut worden war – Cathiard nimmt die Landschaft, wie<br />

sie ist, und will sie nicht unnötig modellieren.<br />

Dieser Keller für die Zweitweine von Smith Haut Lafitte, der<br />

nur mit erneuerbarer Energie betrieben wird, soll der Öffentlichkeit<br />

erst im kommenden Frühjahr vorgestellt werden. »Ich<br />

zeige nicht gerne unfertige Projekte«, sagt Cathiard, zumal er<br />

hier ein spezielles Experiment verfolgt: <strong>Das</strong> umweltschädliche<br />

Kohlendioxid aus der Weinerzeugung wird in Natriumsalz<br />

umgewandelt, das auch bei der Algenproduktion verwendet<br />

werden kann – für das Bordelais ein nahezu revolutionärer<br />

Ansatz. »Der heimliche Keller<br />

ist die Zukunft von Lafitte«,<br />

erklärt der Daniel Düsentrieb<br />

unter den Bordeaux­Winzern,<br />

der bei diesem Gang durch<br />

sein jüngstes Projekt sichtlich<br />

auflebt.<br />

Sein Château ist ein<br />

au ßergewöhnlicher Solitär<br />

in der Re gion. Smith Haut<br />

Lafitte ging stets einen Sonderweg,<br />

seit Daniel Cathiard<br />

und seine Frau Florence es<br />

1990 übernahmen. Ohne Wissen<br />

vom Weinbau, dafür aber<br />

mit dem unbändigen Willen<br />

und Ehrgeiz, etwas Großes<br />

entstehen zu lassen, zogen die<br />

beiden ins Bordelais, dessen<br />

Bewohner ihnen erst einmal<br />

die kalte Schulter zeigten. Die<br />

Nachbarschaft ging auf Distanz<br />

zu den Ankömmlingen –<br />

die alteingesessene »Korkenaristokratie«,<br />

wie Florence<br />

Cathiard spöttelt, betrachtete<br />

sie zunächst als neureiche<br />

Eindringlinge. Aber die Cathiards sind aus einem ganz eigenen<br />

Holz geschnitzt: Beide waren Leistungssportler und zählten<br />

zum französischen Ski­Nationalteam, Daniel Cathiard gehörte<br />

in den 1960ern sogar zweimal dem französischen Olym pia­<br />

Kader an. Doch als sein Vater 1970 unerwartet starb, musste<br />

er mit 25 Jahren aus dem Profisport aussteigen und die kleine<br />

Kette von Lebensmittelgeschäften übernehmen, die er von<br />

ihm geerbt hatte.<br />

Auch abseits der Skipisten machte das junge Paar bald<br />

Karriere: Während er eine der größten Supermarktketten in<br />

Frankreich und ein weltweites Netz von Sportartikelgeschäften<br />

aufbaute, leitete sie eine bekannte Marketingagentur. Mit<br />

45 verkaufte Daniel Cathiard 1989 seine Unternehmen und<br />

orientierte sich um, die Lust auf Entdeckungen war immer<br />

schon sein größter Antrieb gewesen. »Ich war viel zu jung für<br />

die Rente«, sagt der heute noch rastlose Château­Besitzer –<br />

und das Abenteuer Wein reizte ihn gewaltig. Er hatte nie die<br />

Gerüche aus dem kleinen Feinkost­ und Weinhandel vergessen,<br />

den sein Großvater in den Alpen geführt hatte. Sie erinnerten<br />

ihn an Erzählungen von Marcel Proust – die Zeit blieb dort<br />

stehen, und die Magie der scheinbar kleinen Dinge und Genüsse<br />

begann sich zu entfalten.<br />

<strong>Das</strong> Bordelais steckte Anfang der 1990er­Jahre in der<br />

Krise und zehrte vom Ruhm vergangener Zeiten, das<br />

Château in Martillac war heruntergewirtschaftet. Ob ­<br />

wohl Smith Haut Lafitte bei der Klassifizierung von 1855 in<br />

den höchsten Rang eines Grand Cru Exceptionnel erhoben<br />

worden war, hatte sich vom Glanz früherer Tage wenig erhalten.<br />

Hastig geht Florence Cathiard, die nicht so zuversichtlich ins<br />

Winzerleben schaute wie ihr Mann, die lange Mängelliste von<br />

damals durch: »Es war eine Ruine, schrecklich und schmutzig,<br />

in den Dächern klaffen Löcher, es regnete herein, der Turm des<br />

Châteaus drohte einzustürzen, die Weinberge waren in einem<br />

schlimmen Zustand, es wurde viel zu viel Chemie einge setzt.<br />

Und wir waren naiv, von der Hippiekultur und vom Naturgedanken<br />

inspiriert.« Daniel Cathiard tangierten die harschen<br />

Widerstände wenig, er sah wie immer die Möglichkeit, aus wenig<br />

viel entstehen zu lassen. »Für ihn«, so erklärt seine Frau, »ist<br />

das Glas stets randvoll, er kann jeder Situation etwas Positives<br />

abgewinnen. Er ist so optimistisch.« Deshalb erkannte er hier<br />

vor allem die Chancen eines radikalen Neubeginns: »Es war<br />

ein Start bei null, schlechter konnte es gar nicht werden. Wir<br />

konnten machen, was wir wollten.«<br />

Die Anfänge als Winzer waren »wie ein<br />

Tango: ein Schritt vor und zwei zurück«<br />

Die Autodidakten gingen volles Risiko und entschieden sich<br />

schon für den organischen Weinbau, als die chemische Industrie<br />

noch Rekordumsätze mit Pestiziden erzielte. Es war ein Roulettespiel<br />

im damaligen Bordelais, wo es kühl und nass sein konnte.<br />

Mehrere Jahre in Folge mit Frost, Regen, Hagel und mageren<br />

Weinen können selbst die Geduld notorischer Optimisten<br />

strapazieren. Daniel Cathiard zuckt unbeeindruckt mit den<br />

Schultern – das war die höhere Gewalt der Natur, wie sollte man<br />

Florence Cathiard genießt ihr »drittes Leben« nach<br />

Skisport und Marketing. Fabien Teitgen, vor bald<br />

30 Jahren aus dem Studium zum Weinbergmanager<br />

berufen, ist mittlerweile Generaldirektor des Châteaus<br />

dagegen ankämpfen? Seine Frau sah das weniger gelassen. »Wir<br />

haben fünf Jahre gebraucht, um zu begreifen, wie wir die Weinberge<br />

in den Griff kriegen können«, erinnert sie sich: »Es war<br />

wie ein Tango, ein Schritt vor und zwei zurück.« Für die zielstrebige<br />

Hausherrin ein zermürbender Rhythmus. Weil aus den<br />

miserablen Jahrgängen kaum Wein zu gewinnen war, erhöhten<br />

sie den Einsatz weiter und eröffneten auf ihrem Anwesen ein<br />

Hotel mit Restaurant. »<strong>Das</strong> war nicht üblich damals«, sagt<br />

Florence Cathiard, die elitäre Nachbarschaft zog es gewöhnlich<br />

vor, hinter verschlossenen Türen unter sich zu bleiben.<br />

16 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> BORDEAUX<br />

BORDEAUX <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 17


DAS GROSSE DUTZEND<br />

CHATEAU MUSAR<br />

WENN EIN WEINGUT SO BESONDERS IST WIE CHATEAU MUSAR IM<br />

LIBANON, DARF DAS DUTZEND AUCH MAL AUS 14 FLASCHEN BESTEHEN<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos GUIDO BITTNER<br />

Am Abend eines drückend heißen Tages werden<br />

im Spitzenhotel Steigenberger Frankfurter Hof<br />

beim Verkostungsdinner des <strong>FINE</strong> CLUB Vorspeisen<br />

aus dem Libanon serviert. <strong>Das</strong> hat seinen<br />

Grund: Auf dem Programm stehen die Weine<br />

des libanesischen Spitzenguts Chateau Musar.<br />

Gegründet hat es 1930 der Franzose Gaston<br />

Hochar in dem kleinen, christlich geprägten<br />

Ort Ghazir, knapp 30 Kilometer nordöstlich<br />

der Hauptstadt Beirut. Die Weintradition des<br />

Bekaa-Tals, in dem Trauben wachsen, geht auf<br />

die Phönizier zurück und ist schon mehr als<br />

6500 Jahre alt. Die Familie Hochar hat ebenfalls<br />

libanesische Wur zeln und ist dort bereits<br />

im 12. Jahrhundert nachgewiesen.<br />

So triff bei Chateau Musar eine ehrwürdige Weinkultur<br />

auf die modernsten Erkenntnisse zur Produktion.<br />

<strong>Das</strong> erste Glas des ersten Flights setzt<br />

gleich ein Statement: Der 2018er Rosé beweist, dass<br />

dieser Weinkategorie ein Platz in der Fine-Wine-Liga<br />

gebührt, ist er doch ganz anders als das, was man aus Südfrankreich<br />

oder der Rhône-Region Tavel kennt. Dieser<br />

Rosé bietet eine hochelegante, straffe Struktur mit Kraft,<br />

Komplexität und wunderbarem Nachhall sowie Aromen,<br />

die nicht eben zum Üblichen gehören. <strong>Das</strong> liegt an der<br />

ungewöhnlichen Herstellung: Zu etwa drei Prozent der<br />

von der Rhône bekannten Rebsorte Cinsault kommen<br />

57 Prozent Obaideh und 40 Prozent Merwah – zwei<br />

ur alte autochthone weiße Sorten der Region, eng verwandt<br />

mit Chardonnay und Sémillon. Aus ihnen entstehen<br />

auch die Weißweine von Chateau Musar, die nur in<br />

kleinen Mengen produziert werden.<br />

Eine weitere Seltenheit: Die Obaideh-Rebstöcke<br />

auf fast 1400 Metern Höhe sind wurzelecht und wurden<br />

in der Zeit von 1920 bis 1947 gepflanzt. Ihr Ertrag ist<br />

minimal, er liegt nur noch bei 15 bis 25 Hektoliter pro<br />

Hektar. Zum Vergleich: Für Große Gewächse hat der Verband<br />

Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) den Ertrag<br />

auf 50 Hektoliter pro Hektar begrenzt.<br />

Und noch etwas ist anders als bei anderen Roséweinen.<br />

»Wir legen schon vor der Ernte die Gewichtsanteile<br />

der drei Rebsorten für den Rosé fest«, sagt Marc Hochar<br />

aus der Eigentümerfamilie, der die Weine zum Dinner<br />

vorstellt, »danach werden sie nach einer Maischestandzeit<br />

gemeinsam gepresst, in französischen Barriques<br />

vergoren und reifen dort sechs bis neun Monate. Nach<br />

insgesamt einem Jahr werden sie auf die Flasche gefüllt<br />

62 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> DAS GROSSE DUTZEND<br />

DAS GROSSE DUTZEND <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 63


TOP-TRILOGIE<br />

TROTZ KOMPLIKATIONEN<br />

MOËT & CHANDON HAT SEINE JÜNGSTE KOLLEKTION<br />

BEWUSST DREI SCHWIERIGEN JAHRGÄNGEN GEWIDMET<br />

Von KRISTINE BÄDER<br />

Fotos GUIDO BITTNER<br />

In seiner mehr als 180-jährigen Geschichte hat Moët & Chandon 76 Jahrgangschampagner<br />

kreiert – auch in schwierigen Jahren, in denen es nicht bei allen Häusern der Region für<br />

einen Vintage-Champagner reichte. Nun bringt die Maison unter der selbstbewussten<br />

Überschrift »Gelassen, vollkommen und opulent« eine neue Jahrgangskollektion auf<br />

den Markt, eine Trilogie aus 2016, 2009 und 2000.<br />

Keiner der Jahrgänge gilt als einfach. Wetterkapriolen,<br />

Reifeprobleme und Rebkrankheiten<br />

machten den Winzern zu schaffen.<br />

Genau deswegen hat Kellermeister Benoît Gouez<br />

diese drei Weine für die neue Kollektion zusammengestellt:<br />

als Beweis, dass mit dem richtigen<br />

Know-how auch unter erschwerten Bedingungen<br />

große Champagner gelingen können. »Mit jeder<br />

Moët & Chandon Grand Vintage«, erklärt Gouez,<br />

»interpretiere ich die Besonderheit eines einzelnen<br />

Jahres.« Während der 2016er ein Grand Vintage ist,<br />

firmieren die Jahrgänge 2009 und 2000 als Grand<br />

Vintage Collection. Frühestens nach 14 Jahren werden<br />

diese mit Korkverschluss gelagerten Weine quasi<br />

als zweite Charge der Grand-Vintage-Champagner<br />

degorgiert und auf den Markt gebracht. »Alle drei<br />

sind sehr unterschiedlich«, fügt der Kellermeister<br />

an, »es ist das Resultat besonderer Bedingungen in<br />

der Champagne.«<br />

Ab September sind der Grand Vintage 2016,<br />

die Grand Vintage Collection 2009 und die Grand<br />

Vintage Collection 2000 in der Moët & Chandon<br />

Bar Berlin im KaDeWe erhältlich. Auch wenn die<br />

Flaschen einzeln angeboten werden, bilden sie<br />

zusammen die Grand-Vintage-Trilogie.<br />

88 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> CHAMPAGNE<br />

CHAMPAGNE <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 89


AUF DIE<br />

SANFTE TOUR<br />

GÄBE ES EINE WELTMEISTERSCHAFT IM REBSCHNITT, TRÜGE DEN TITEL<br />

ZWEIFELLOS MARCO SIMONIT: ZUR KUNDSCHAFT DES WEISSBÄRTIGEN<br />

FRIAULERS ZÄHLEN SPITZENGÜTER AUS 15 LÄNDERN. MIT BEDACHT SETZT<br />

ER DIE KLINGE NUR SO AN, DASS DIE PFLANZENSÄFTE WEITERFLIESSEN<br />

UND DIE STÖCKE GESUND EIN HOHES ALTER ERREICHEN KÖNNEN<br />

Von PAUL KERN<br />

Fotos THILO WEIMAR<br />

Eigentlich ist es zu einfach, um genial zu sein: Man darf die Rebe nicht verstümmeln. Ehe das Weinmetier<br />

gegen Ende des 20. Jahrhunderts neue Ausmaße annahm, gehörte diese schlichte Regel denn auch zum kleinen<br />

Einmaleins des Winzers. Trotzdem bitten Häuser wie die Domaine de la Romanée-Conti, Château Angelus<br />

oder Biondi-Santi heute Marco Simonit um Rat, wie dieser Grundsatz am besten zu befolgen sei. Wieso?<br />

Um das Phänomen Marco Simonit zu verstehen, muss<br />

man sich zunächst genauso in die Rebe hineindenken,<br />

wie der global gefragte Schnittexperte aus Friaul es tut.<br />

Denn obwohl er seine Arbeit an den Knospen, Blättern, Ruten<br />

und Triebspitzen verrichtet, interessiert ihn viel mehr, was im<br />

Holz passiert, was den Rebstock im Innersten zusammenhält.<br />

Zwei Worte fallen im Gespräch mit Simonit immer wieder:<br />

Architektur und Domestizierung. »In der Natur«, sagt er, »ste hen<br />

Reben nicht in einer Reihe und werden ständig zurückgeschnitten,<br />

sondern sie wachsen an irgendeinem Baum hoch, wie eine<br />

Liane.« Genau an diesem kritischen, dem Wesen des Weinbaus<br />

innewohnenden Punkt, an dem Natur und Kultur aufeinanderprallen,<br />

setzt seine Methode des Rebschnitts an. Er will eine Architektur<br />

entwerfen, die der Pflanze genug Spielraum lässt, um ihre<br />

natürlichen Selbstregulierungskräfte zu entfalten, aber sie im<br />

selben Moment domestiziert, um sie kultivieren zu können.<br />

Im Fokus seines oft als sanfter Rebschnitt bezeichneten Verfahrens<br />

steht der Saftfluss der Pflanze. Jeder Schnitt gleicht einer<br />

Wunde, und jede Wunde hinterlässt eine Narbe. Häufen sich die<br />

Narben an einer Stelle, führen sie zu Verwulstungen aus Totholz<br />

im Inneren der Rebe, die letztlich den Saftfluss unterbre chen.<br />

»<strong>Das</strong> stranguliert den Stock förmlich«, beschreibt es Simonit.<br />

94 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> PORTRÄT<br />

PORTRÄT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 95


QUALITÄT<br />

VERSTEHT JEDER<br />

DER NAME DES WEINGUTS LINGUA FRANCA IN OREGON STEHT FÜR DIE<br />

UNIVERSALSPRACHE DER AROMEN. GEGRÜNDET HAT ES DER EINSTIGE<br />

STAR-SOMMELIER LARRY STONE, DESSEN WEINWISSEN, BILDUNG UND<br />

BEGEISTERUNG ÄHNLICH UFERLOS SIND WIE SEIN ANEKDOTENSCHATZ<br />

Von KRISTINE BÄDER<br />

Fotos ANDREAS HANTSCHKE und GUIDO BITTNER<br />

Weiß jemand in den USA mehr über Wein als Larry Stone? Schwer vorstellbar. Jahrzehntelang<br />

hatte der neunte Master Sommelier der Vereinigten Staaten Keller und Gäste<br />

berühmter Restaurants betreut, ehe er auf die Erzeugerseite wechselte und schließlich<br />

in Oregon sein Gut Lingua Franca gründete. Wenn der Mann mit den noch immer<br />

dunklen, nach hinten gekämmten Haaren über Wein spricht, dann ist das eine Mischung<br />

aus Wissenschaft und Geschichten, aus Leidenschaft und Hingabe an ein Produkt, das<br />

ihn sein Leben lang begleitet hat.<br />

War der Weg vom Restaurant ins eigene<br />

Gut ein logischer Karriereschritt? »Ich<br />

habe ja schon mit 13 begonnen, so et was<br />

wie Wein zu machen«, antwortet Larry Stone, »und<br />

ich liebe Chemie. Und Weinmachen ist Chemie.«<br />

Als Teenager hatte er Apfelsaft so gekonnt vergären<br />

lassen, dass er dem Ergebnis rückblickend ein bisschen<br />

Ähnlichkeit mit Mosel-Weinen zuschreibt.<br />

Doch viel mehr hat ihn die Familiengeschichte zum<br />

Neuanfang mit 60 Jahren inspiriert: »Mein ganzes<br />

Leben lang wollte ich Farmer sein. Meine Mutter<br />

kam von einem Bauernhof in Rumänien, mein Vater<br />

aus Belgrad, er verkaufte Gemüse und Obst auf dem<br />

Markt in Seattle. Ich kannte nicht nur die Namen von<br />

26 Apfelsorten, ich konnte sie auch am Geschmack<br />

erkennen.« Mit der Mutter kochte er zu Hause –<br />

»french cuisine« –, sein Onkel ließ ihn mit sieben<br />

Jahren Rebsorten blind erraten. »Natürlich nur nach<br />

Farbe und Geruch«, ergänzt Stone schmunzelnd. In<br />

der Familie trank man keine teuren Weine, dafür<br />

fehlte das Geld, aber gute, darunter viele deutsche<br />

von der Mosel und aus dem Rheingau. »Mein Onkel«,<br />

sagt Stone, »besaß einen feinen Geschmack, immerhin<br />

hatte er nach dem Krieg die Tochter des Chefkochs<br />

der französischen Botschaft geheiratet.«<br />

Larry Stones Mitbewohner am College in Seattle<br />

lernten seine Kochkunst schnell zu schätzen und<br />

handelten den lukrativen Deal aus, den Einkauf<br />

der Zutaten zu übernehmen, wenn er für sie mitkochte<br />

– Rezept für Rezept arbeitete er sich durch<br />

»Mastering the Art of French Cooking« und einen<br />

Band von Escoffer. <strong>Das</strong>s seine Wohngenossen von<br />

Kommilitonen, die sie mitbrachten, bald Geld da -<br />

für nahmen, bekam er nur durch Zufall mit: »Ich<br />

wurde gefragt, wer denn der Koch sei, das Essen sei<br />

doch viel mehr wert als 20 Dollar.«<br />

Aus der Liebe zum Wein einen Beruf zu machen,<br />

plante Larry Stone damals nicht. Seine akademische<br />

Ausbildung begann mit Chemie, flankiert<br />

von Kunst und Musik, und endete auf dem Weg<br />

zu einem Dok tortitel in Vergleichender Literaturwissenschaft,<br />

für den er unter anderem in Wien<br />

und Tübingen studierte. Kurz vor dem Abschluss<br />

in Seattle kam dann der Wein dazwischen. Für<br />

seinen Lebensunterhalt arbeitete Stone nebenher<br />

als Lehrer, das kostete viel Zeit und brachte wenig<br />

Geld. »So wirst du nie fertig mit deiner Disser tation«,<br />

konstatierte ein Freund und empfahl ihm<br />

das Restaurant The Red Cabbage, wo er in zwei<br />

Schichten pro Woche mehr verdienen konnte als mit<br />

dem Lehrerjob. Ein Selbstläufer war die Bewerbung<br />

nicht. Einem Probelauf als Assistent des Sommeliers<br />

folgten mehrere Gespräche mit dem Besitzer, der<br />

nicht viel von Studenten zu halten schien. Immerhin<br />

hatte Stone zwei Jahre als Tellerwäscher gearbeitet,<br />

und sein aus zahllosen Büchern angelesenes Weinwissen<br />

beeindruckte den Restauranteigner: »Am<br />

Ende fragte er mich nach Gumpoldskirchen, und<br />

als ich ihm von dem Weißwein aus Rotgipfler und<br />

Zierfandler erzählen konnte, stellte er mich ein.«<br />

Die Doktorarbeit beim deutschen Literaturprofessor<br />

Ernst Behler blieb unvollendet.<br />

Bedauert hat Larry Stone das aber nie: »Ich tue,<br />

was ich liebe, das ist fantastisch.« Schnell wurden<br />

aus den zwei Abenden im Restaurant mehr, zumal<br />

der Weinumsatz durch seine Expertise und seine<br />

Empfehlungen deutlich stieg. Es waren andere<br />

Zeiten, deutsche Flaschen waren teurer als die aus<br />

Burgund und Bordeaux – im damaligen Rahmen.<br />

»Wein war günstig«, erinnert sich Stone, »nach der<br />

Arbeit haben wir die Kellner zusammengeholt und<br />

gemeinsam probiert. Pétrus, Dujac, wir tranken auch<br />

Scharzhofberger.« Abgeworben vom Four Seasons<br />

in Seattle, das ihm mehr Geld, eine Gesundheitsund<br />

Altersvorsorge sowie vor allem Urlaub bot,<br />

stellte Stone sich 1988 dem Wettbewerb um den<br />

106 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> OREGON<br />

OREGON<br />

<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 107


DAS MAGAZIN FÜR WEIN UND GENUSS<br />

Viermal im Jahr richtet <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> einen faszinierenden Blick auf die<br />

großen Weine der Welt – mit wissenswerten Infor mationen, fesselnden Reportagen,<br />

spannen den Porträts, exklu siven Verkostungen und vielem mehr, geschrieben und<br />

recherchiert von sachkundigen, sprachmächtigen Autoren, bebildert mit ausdrucksstarker,<br />

lebendiger Fotografie, präsentiert in groß zügiger, prächtiger Auf machung:<br />

ein unverzichtbares Lesevergnügen für Weinliebhaber, Sammler und Genießer.<br />

<strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN 4|<strong>2024</strong> erscheint<br />

im Dezember <strong>2024</strong><br />

… voraussichtlich mit diesen Themen: SAAR Egon Müller-Scharzhof, Inbegriff des<br />

süßen Rieslings ELSASS Die Maison Trimbach in Ribeauvillé und ihr legendärer<br />

Clos Sainte Hune BORDEAUX Die Châteaux Montrose und Tronquoy in Saint-<br />

Estèphe sowie die unterschätzten Châteaux der Familie Gonfrier in und um Cadillac<br />

TOSKANA Die Tenuta di Trinoro von Vini Franchetti im Val d’Orcia KALIFORNIEN<br />

Schrader Cellars im Napa Valley, Spezialist für Cabernet Sauvignon DAS GROSSE<br />

DUTZEND Gut Hermannsberg an der Nahe WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase<br />

isst bei Jan Hartwig im Münchner Restaurant Jan NACHWUCHS IM SERVICE<br />

Junge Sommeliers aus Mauritius zu Gast in Europa WEIN & ZEIT Steiermark –<br />

vom Reblaus-Tief zur neuen Blüte KOLUMNEN von Ursula Heinzelmann und<br />

Stuart Pigott<br />

<strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN IST ERHÄLTLICH IM AUSGEWÄHLTEN BUCH- UND<br />

ZEITSCHRIFTENHANDEL IN DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH UND DER SCHWEIZ.<br />

4| <strong>2024</strong> Deutschland € 20 Österreich € 21,00 Italien € 24,50 Schweiz chf 35,00 Benelux € 22,90<br />

EGON MÜLLER – SCHARZHOFBERG<br />

INBEGRIFF DES SÜSSEN RIESLINGS<br />

WERDEN SIE JETZT ABONNENT VON <strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN<br />

oder ver schenken Sie ein Abonnement. Mit dem Stichwort »<strong>FINE</strong> 66«<br />

erhalten Sie als Danke schön die Sonderausgaben »New Generation« und<br />

»101 Meisterwerke des Weins«.<br />

Selbstverständlich können Sie auch einzelne <strong>Ausgabe</strong>n nachbestellen oder<br />

gleich das Sammel paket mit 65 Heften plus der drei Sonder ausgaben »Next<br />

Generation«, »New Generation« und »101 Meisterwerke des Weins« zum<br />

Gesamtpreis von € 680,– zzgl. Versand kosten ordern.<br />

ABONNEMENTS: WWW.<strong>FINE</strong>-MAGAZINES.DE ODER PER E-MAIL: ABO@<strong>FINE</strong>-MAGAZINES.DE<br />

JAHRESABONNEMENT FÜR VIER AUSGABEN: DEUTSCHLAND € 80,– / ÖSTERREICH € 95,– / SCHWEIZ CHF 120,–<br />

MEHR INFORMATIONEN ÜBER <strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN: <strong>FINE</strong>-MAGAZINES.DE<br />

144 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> 145<br />

4 197772 520006 04<br />

Thema Thema Thema Thema Thema<br />

Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text Text<br />

Text Text Text Text Text Text Text Text Text


<strong>FINE</strong>ABGANG<br />

FAR BEYOND STANDARD<br />

WINZER, WERDE<br />

WESENTLICH!<br />

Unterhalb der absoluten Spitzenklasse ist der Weinmarkt ein unruhiges<br />

Ge biet. Zum Druckausgleich gehen selbst renommierte Winzer fragwür ­<br />

dige Wege und lassen allerlei Fantasieprodukte aufpoppen. Dann entdecken<br />

sie vorgeblich zu Unrecht vergessene Spitzenparzellen und Superlagen<br />

wieder, die vor 100 Jahren gerühmt wurden und inzwischen ein ganz anderes<br />

Mikroklima haben als damals. Hat der erste solche Fund überzeugt, wird rasch<br />

der nächste und der übernächste nachgeschoben. Aber manche gute Geschichte<br />

kann man nur einmal erzählen – was da als Familientradition verkauft wird, ist<br />

oft bloßes Marketing. Manch einer überschätzt dabei freilich die eigene Macht:<br />

Letzten Endes reguliert doch der Markt den Preis und nicht der Winzer.<br />

Da hilft die Konzentration auf das Wesentliche, für die Anbieter wie für die<br />

Käufer, eine Renaissance der neuen alten Klassik. Nebenbei bemerkt, beobachte<br />

ich diese Strategie auch am Sortiment von Feinkost Käfer und empfehle inzwischen<br />

wieder jedem München­Besucher einen Abstecher dorthin. Um den Gipfel<br />

zu erreichen und sich dort zu halten, braucht ein Weingut nicht zwingend seit<br />

Jahrhunderten zu bestehen. Doch scheint das nützlich zu sein, um den Wert der<br />

Konstanz zu erkennen, das bezeugen zum Beispiel die Leistungen bei Schloss<br />

Johannisberg im Rheingau und Dr. Bürklin­Wolf in der Pfalz oder die einzigartigen<br />

Saar­Auslesen von Egon Müller­Scharzhof, Titelthema unseres nächsten<br />

Hefts. Wahre Größe bleibt, das gilt beim Wein ähnlich wie in der Malerei: Den<br />

einen mag Raffael mehr ansprechen, den anderen Tizian oder Michelangelo, aber<br />

Spitze ist eben Spitze.<br />

Ihr Ralf Frenzel<br />

Verleger und Herausgeber<br />

EIN RÜCKZUGSORT MIT ZEITGEMÄSSEM FLAIR UND<br />

GROSSER TRADITION<br />

KPM HOTEL & RESIDENCES<br />

Englische Straße 6 I 10587 Berlin<br />

www.kpmhotel.de I T: +49 30 37 40 990<br />

146 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2024</strong> ABGANG

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!