Unfaire Blicke auf das Ganze - Christian Reder
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exklusivem Material; es tauchten die ersten organisierten Nazi (...) <strong>auf</strong>.< 1<br />
Dreißig Jahre davor hat Adolf Loos, der nie in einer Institution gelehrt hat, in<br />
bezug <strong>auf</strong> die Wiener Kunstgewerbeschule, die für ihn (und nicht nur ihn allein) >so<br />
eine art akademie zweiter güte< gewesen ist, aber der traditionsreichen Akademie<br />
der bildenden Künste wenigstens Konkurrenz machte und sie provozierte >aus dem<br />
stillstand <strong>auf</strong>zuwachen< Analoges gefordert: >Das dogma, an dem diese schule<br />
zugrunde gehen muß, ist die ansicht, daß unser kunsthandwerk von oben herab,<br />
von den ateliers aus reformiert werden soll. Revolutionen aber kommen immer von<br />
unten. Und dieses 'unten' ist die werkstatt.< 2 Akademismus, Historismus und<br />
Lebensferne sollten, darin treffen sich praktisch alle damaligen<br />
Erneuerungsbestrebungen, durch eine neue Wertschätzung für manuelles Tun, für<br />
eine vom Material ausgehende Professionalität, durch ein tätiges Lernen, durch eine<br />
breite Erziehungsarbeit überwunden werden, wenn auch der Tenor vorerst meistens<br />
antiindustriell, kunstgewerblich, esoterisch gewesen ist. Mit Reminiszenzen an einen<br />
Zunftgeist und Betonung individueller >Meisterschaft< sind handwerkliche Lehr- und<br />
Arbeitsmuster wiederbelebt worden. Auch wo schließlich weitergehende<br />
Vorstellungen über eine enge, gleichrangige Kooperation von Kunst, Technik,<br />
Wirtschaft prägend wurden, ist, durch Meister der Form und Meister des<br />
Handwerks, sprachlich an solche Traditionen angeknüpft worden, ohne daß - als<br />
Normalität - je die erhofften haltbaren Symbiosen und ein emanzipiertes,<br />
gegenseitiges Akzeptieren bestimmend geworden wären. Loos hat seinen Respekt<br />
vor Werkstätten, die so arbeiten sollten, als hätte ihnen noch nie ein Architekt<br />
>hineingepfuschtIm<br />
widerspruch zu allen meinen zeitgenossenErst wenn <strong>das</strong> große mißverständnis,<br />
daß die kunst etwas ist, was einem zwecke angepaßt werden kann, überwunden<br />
sein wird, erst wenn <strong>das</strong> lügnerische schlagwort 'angewandte Kunst' aus dem<br />
sprachschatz der völker verschwunden sein wird, erst dann ...< 2<br />
Verschwunden und entstanden ist anderes. Trennungen (zwischen den Künsten,<br />
zur >angewandten< Kunst hin, zur >Nicht-KunstFachwelten< funktionieren - bestenfalls - als<br />
Zulieferbetriebe für Medien; Bedeutungen entstehen durch Kolportage. Alles läuft<br />
dar<strong>auf</strong> hinaus, daß >keine Fronten mehr, sondern nur noch konkurrierende<br />
Angebote< existieren. 3 Wertschätzungen für Vergangenes und Gegenwärtiges sind<br />
davon gleichermaßen ergriffen. Eine dicke, sich umfassend-populär gebende, aus<br />
den Blickwinkeln von Parisern verfaßte >Chronik der Kunst des 20. Jahrhunderts<<br />
(1990) 4 zum Beispiel würdigt Klimt, Schiele, Kokoschka, Wotruba, Hundertwasser;<br />
weitere, Österreich betreffende Fakten zur bildenden Kunst liefern, auch wenn<br />
dieser Zusammenhang nicht immer deutlich wird, Erwähnungen von Otto Wagner,<br />
Richard Gerstl, Adolf Loos, Josef Hoffmann, Kolo Moser, Alfred Kubin, Raoul<br />
Hausmann, Herbert Bayer, Richard Neutra, Günter Brus, Otto Mühl, Oswald Wiener,<br />
Arnulf Rainer, Hans Hollein, Coop Himmelblau (Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky),<br />
Peter Weibel. In einer >Secret History of the 20th Century< (1989) 5 wiederum, die<br />
von Kalifornien aus einer Gegenversion zum Offiziellen nachzuspüren sucht, finden<br />
sich <strong>auf</strong> Wien bezogen Sigmund Freud (>he's still a hitthe great<br />
Vienna criticBerlin dadaist