BS 10-2024
Editorial: Wo ein Wille, da auch ein Weg | Personalien | Die Überalterung der Flotte | BDB feiert am Main sein Jubiläum | Binnenschifffahrt sieht Bund in der Pflicht | Impressionen von der Expo | Allianz Esa: Innovationspreis 2024 | STL: Branchentreff in Kalkar | Alphatron kauft Argonics und Argonav | Preis an Bolle für »Binnenschiff des Jahres« | Motoren-Marktübersicht | Hadag: Erste Hybrid-Fähre ist unterwegs | Niederlande stocken Motoren-Förderung auf | Autonomes Baggerschiff für Emden? | »Grüne« Preise für CMA CGM und UECC | Bremen bekommt neue Projektlogistik-Messe | Duisburg Gateway Terminal: Container statt Kohle | Mannheim: Suche nach Zukunftskonzept | Wesertag 2024: Memorandum setzt »wichtige Impulse« | Dresden: Ein Unglück kommt selten allein …
Editorial: Wo ein Wille, da auch ein Weg | Personalien | Die Überalterung der Flotte | BDB feiert am Main sein Jubiläum | Binnenschifffahrt sieht Bund in der Pflicht | Impressionen von der Expo | Allianz Esa: Innovationspreis 2024 | STL: Branchentreff in Kalkar | Alphatron kauft Argonics und Argonav | Preis an Bolle für »Binnenschiff des Jahres« | Motoren-Marktübersicht | Hadag: Erste Hybrid-Fähre ist unterwegs | Niederlande stocken Motoren-Förderung auf | Autonomes Baggerschiff für Emden? | »Grüne« Preise für CMA CGM und UECC | Bremen bekommt neue Projektlogistik-Messe | Duisburg Gateway Terminal: Container statt Kohle | Mannheim: Suche nach Zukunftskonzept | Wesertag 2024: Memorandum setzt »wichtige Impulse« | Dresden: Ein Unglück kommt selten allein …
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<strong>10</strong><br />
<strong>2024</strong><br />
<strong>10</strong><br />
SCHIFFFAHRT<br />
TECHNIK<br />
MESSE STL<br />
Der BDB feiert am Main Innovationspreis der Allianz Ein Branchentreff<br />
9 770939 19<strong>10</strong>01<br />
sein Jubiläum <strong>10</strong> für Rhenus und Contargo 14 in Kalkar 16<br />
Oktober <strong>2024</strong> | 79. Jahrgang<br />
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INHALT<br />
<strong>10</strong> <strong>2024</strong><br />
16<br />
36<br />
3 EDITORIAL<br />
3 – Wo ein Wille, da auch ein Weg<br />
5 PERSONALIEN<br />
6 NACHRICHTEN<br />
9 MARKT<br />
9 – Die Überalterung der Flotte<br />
<strong>10</strong> SCHIFFFAHRT<br />
<strong>10</strong> – BDB feiert am Main sein Jubiläum<br />
12 – Parlamentarischer Abend: Binnenschifffahrt<br />
sieht Bund in der Pflicht<br />
13 – Leistungsschau für die Binnenschifffahrt:<br />
Impressionen von der Expo<br />
14 SCHIFFSTECHNIK<br />
14 – Allianz Esa: Innovationspreis <strong>2024</strong><br />
16 – STL: Branchentreff in Kalkar<br />
24 – Alphatron kauft Argonics und Argonav<br />
25 – Preis an Bolle für<br />
»Binnenschiff des Jahres«<br />
26 – Motoren-Marktübersicht<br />
30 – Hadag: Erste Hybrid-Fähre ist unterwegs<br />
31 – SEA: Schiffbauer fordern Nachbesserung<br />
31 – Niederlande stocken Motoren-Förderung auf<br />
32 SEEHÄFEN | HINTERLAND<br />
32 – Autonomes Baggerschiff für Emden?<br />
33 – Niedersachsen Ports: Erste Auszubildende<br />
zur Wasserbauerin seit 19 Jahren<br />
33 – Cuxhaven: EU genehmigt Co-Finanzierung für<br />
Hafenausbau<br />
34 – »Grüne« Preise für CMA CGM und UECC<br />
35 – Bremen bekommt neue Projektlogistik-Messe<br />
35 – Deutscher Schifffahrtstag 2025<br />
36 WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
36 – Duisburg Gateway Terminal:<br />
Container statt Kohle<br />
37 – Automatisierte Kräne:<br />
Start für 5G-Projekt im Duisburger Hafen<br />
38 – Mannheim: Suche nach Zukunftskonzept<br />
39 – Wesertag <strong>2024</strong>: Memorandum setzt<br />
»wichtige Impulse«<br />
40 – Dresden: Ein Unglück kommt selten allein …<br />
42 BUYER’S GUIDE<br />
48 RECHT<br />
48 – Grund- und Teilurteil, Verklarungskosten<br />
50 BDS<br />
50 – Die STL rief – und alle kamen<br />
51 IMPRESSUM<br />
Herausgeberverbände der Zeitschrift<br />
Verein für europäische<br />
Binnenschifffahrt und<br />
Wasserstraßen e.V.<br />
4 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
NACHRICHTEN<br />
<strong>10</strong>. GSK-HAFENFORUM<br />
Landstrom, Trimodalität und Cybersicherheit<br />
Häfen und Wasserstraßen bilden ein<br />
Rückgrat der Wirtschaft und Versorgungssicherheit<br />
in Deutschland. Um<br />
auf Entwicklungen reagieren zu können,<br />
treffen sich Vertreter der Branche regelmäßig<br />
zum Austausch im Hamburger<br />
Hafen-Klub. Grundlage dafür sind wechselnde<br />
Impulsvorträge.<br />
Arne Gniechwitz, Rechtsanwalt bei der<br />
GSK Stockmann, begrüßte die geladenen<br />
Gäste zur <strong>10</strong>. Ausgabe des Hafenforums<br />
und leitete durch das Programm. Den<br />
Anfang machte Friedrich Stuhrmann,<br />
CEO der Hamburg Port Authority, mit<br />
einem Vortrag über den Landstrom-Ausbau<br />
im Hamburger Hafen. Dabei kam er<br />
sowohl auf Erfolge als auch auf Herausforderungen<br />
zu sprechen. Einerseits habe<br />
man bereits gute Fortschritte gemacht,<br />
die Infrastruktur auszubauen und Landstrom<br />
für Kreuzfahrt- und Containerschiffe<br />
anzubieten. In den kommenden<br />
Jahren sollen neue Anschlüsse fertiggestellt<br />
und bestehende verbessert werden.<br />
Auch alle Binnenschiffe sollen bis<br />
2030 Landstrom beziehen können. Sie<br />
verursachen jährlich 1.600 t an CO2. Andererseits<br />
habe man beispielsweise die<br />
Verfügbarkeit von Bauzeitfenstern unterschätzt:<br />
Faktoren wie verspätete Containerschiffe,<br />
Streiks oder die mangelnde<br />
Verfügbarkeit der wenigen Dienstleister<br />
würden die Phasen verzögern.<br />
»Der Bund sollte in sich gehen«<br />
Guido Kaschel, Bereichsleiter der Lübeck<br />
Port Authority, berichtete über den<br />
Lübecker Hafen und seine Anbindung.<br />
(v.l.) Oliver Koos, Arne Gniechwitz, Jenny Mehlitz, Guido Kaschel, Friedrich Stuhrmann, Christian Negele<br />
Man sei auf dem Weg zu »Optimal Trimodal«,<br />
sagte er und verwies auf die Bedeutung<br />
des Hafens für den deutschskandinavischen<br />
und -baltischen Güterverkehr.<br />
Man bleibe dabei trotz des Status<br />
als wichtiger Knotenpunkt im TEN-<br />
T-Netzwerk hinter den Möglichkeiten<br />
zurück – so werde beispielsweise die Kapazität<br />
des Lübeck-Elbe-Kanals nicht<br />
genutzt. Kaschel regte weiterhin die Idee<br />
eines »Bypass« nach Lübeck an, um<br />
Hamburg zu entlasten. »Der Bund sollte<br />
in sich gehen«, sagte er, »aber das macht<br />
er selten aus eigenem Antrieb.«<br />
Christian Negele, Leiter HR, Compliance<br />
& External Affairs im Duisburger<br />
Hafen, gab einen Einblick in den<br />
Schutz kritischer Infrastruktur (KRI-<br />
TIS) und das dazugehörige Dachgesetz.<br />
Man werde an Anforderungen gerecht,<br />
indem beispielsweise die über 260 IT-<br />
Systeme des des Duisburger Hafens regelmäßig<br />
auf ihre Sicherheit getestet<br />
werden.<br />
Abgerundet wurde die Veranstaltung<br />
von einem Vortrag über aktuelle Rechtsfragen<br />
zum Ausbau von Häfen und Wasserstraße.<br />
Fachanwältin Jenny Mehlitz<br />
erläuterte Folgen des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes<br />
(WaBG) auf<br />
das Vergaberecht und empfahl Leitlinien<br />
für die Praxis.<br />
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6 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
© Thomas Wolf<br />
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Rhein-Reise:<br />
Der GEFO Low Water Carrier<br />
„Canaletto“ vor dem Kölner Dom<br />
Abladung 600 tons auf 1,30 m Tiefgang, Maximalkapazität: 2.921 m 3 ,<br />
8 Stainless-Steel-Tanks, 2 gummierte Tanks für Salzsäure, Maximale<br />
Abladung 2.985 tons, Hybrid-Antrieb
NACHRICHTEN<br />
UECC-KONGRESS<br />
Logistiker fordern Stärkung der Infrastruktur<br />
Die Wirtschaft braucht intakte Verkehrsnetze,<br />
offene Grenzen und weniger Bürokratie:<br />
Mit diesem Appell richtete sich<br />
Union europäischer Industrie- und Handelskammern<br />
für Verkehr (UECC) an die<br />
Bundesregierung.<br />
»Schon die Gründungsväter unserer<br />
Union wussten, wie der Wirtschaftsmotor<br />
wieder anspringt: Die Trümmer müssen<br />
weg, die Häfen wieder aufgebaut werden.<br />
Der Rhein, die Straßen, alles muss befahrbar<br />
sein«, betonte Gastgeber Werner<br />
Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen<br />
IHK.<br />
UECC-Präsident Davor Sertic äußerte<br />
sich kritisch zu den deutschen Grenzkontrollen:<br />
»Staus an den Grenzen können<br />
wir uns nicht leisten. Sie schaden der<br />
Wirtschaft und gefährden den freien<br />
Handel in Europa.« Man setze sich seit<br />
Jahren dafür ein, dass die Infrastruktur<br />
grenzübergreifend repariert werde. »Da<br />
können wir nicht an anderen Stellen neue<br />
Staus produzieren«, sagte er – so gehe<br />
man einen Schritt zurück, statt nach vorn<br />
zu blicken. »Offene Grenzen sollten<br />
selbstverständlich sein. Nun heißt es, sich<br />
auf eine gemeinsame Zukunft und neue<br />
Wege zu konzentrieren.« Sertic überreichte<br />
zwei Resolutionen an Staatssekretär<br />
Oliver Luksic. Darin fordert die<br />
UECC die Nationalstaaten und die EU<br />
auf, mehr in die Infrastruktur zu investieren.<br />
Das gilt insbesondere für die Wasserstraßen<br />
und für Wasserstoff. Gleichzeitig<br />
fordert sie offene Grenzen und Bürokratieabbau.<br />
<br />
UECC-Präsident Davor Sertic (r.) überreichte die Forderungen an Staatssekretär Oliver Luksic<br />
© Niederrheinische IHK / Engel-Albustin<br />
DB-SCHENKER<br />
Aufsichtsrat stimmt Verkauf zu<br />
Im September war bekannt geworden, dass der dänische DSV-<br />
Konzern das Rennen um die Logistiktochter DB Schenker der<br />
Deutschen Bahn AG macht. Jetzt hat der Aufsichtsrat zugestimmt.<br />
Zugleich hat der Bund als <strong>10</strong>0 %-iger Anteilseigner<br />
der Bahn die »nach Bundeshaushaltsordnung (BHO) für die<br />
Transaktion erforderliche Zustimmung« erteilt, teilte der Konzern<br />
mit.<br />
Der Abschluss des Verkaufs wird nach Erhalt aller regulatorischen<br />
Genehmigungen im Laufe des Jahres 2025 erwartet.<br />
Die Dänen galten schon seit einiger Zeit als großer Favorit für<br />
den Zuschlag.<br />
Der Vorstand der DB AG hatte im September einen Vertrag<br />
zum Verkauf ihrer Logistiktochter an DSV für einen Unternehmenswert<br />
von 14,3 Mrd. € unterzeichnet. Inklusive der erwarteten<br />
Zinserträge bis zum Vollzug soll sich ein Gesamtverkaufswert<br />
in Höhe von bis zu 14,8 Mrd. € ergeben, heißt es.<br />
Die DB hatte im Dezember 2023 nach den Vorgaben des EU-<br />
Rechts einen »offenen, transparenten und diskriminierungsfreien<br />
Prozess« zur Veräußerung von DB Schenker gestartet. DSV hat<br />
sich dabei den Angaben zufolge mit dem für die Bahn wirtschaftlich<br />
klar vorteilhaftesten Angebot durchgesetzt.<br />
DB Schenker kann sich mit seinen rund 72.700 Beschäftigten<br />
an über 1.850 Standorten in mehr als 130 Ländern künftig im<br />
Verbund mit DSV weiterentwickeln. Geplante Investitionen von<br />
rund einer Milliarde Euro in den kommenden Jahren sollen zusätzliches<br />
Wachstumspotenzial fördern. DSV habe ein klares Bekenntnis<br />
zur deutschen Mitbestimmung und zu bestehenden Tarifverträgen<br />
sowie Betriebsvereinbarungen gegeben. Gemeinsam<br />
soll eines der führenden Unternehmen für Transport und Logistik<br />
weltweit entstehen.<br />
<br />
JADEWESERPORT<br />
Neuer Mieter aus China<br />
Der Immobilienentwickler P3 hat bekannt gegeben, dass die<br />
erste Halle des neuen Logistikzentrums im Güterverkehrszentrum<br />
JadeWeserPort vermietet worden ist. Demach bezieht<br />
die Zhejiang Seaport (Germany) Supply Chain Management<br />
GmbH, ein chinesisches Unternehmen der maritimen<br />
Logistik aus der Region Shanghai die über 31.700 m2 große<br />
Fläche. Das Gesamtprojekt von P3 am Hafen umfasst die<br />
etappenweise Entwicklung von rund 140.000 m2 Logistikfläche.<br />
Zhejiang Seaport ist nach eigenen Angaben ein »großes<br />
staatliches Unternehmen«, das mehr als 3<strong>10</strong> Unternehmungen<br />
betreibt. Durch seine Präsenz in Wilhelmshaven<br />
will die Firma den Warenverkehr zwischen China und<br />
Europa intensivieren und die logistische Effizienz zwischen<br />
beiden Wirtschaftsräumen zu steigern.<br />
<br />
Vertreter von P3 und Zhejiang Seaport bei der Unterzeichnung<br />
© P3<br />
8 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
MARKT<br />
MARKTBERICHT<br />
Die Überalterung der Flotte<br />
Binnenschiffe haben eine hohe Lebensdauer, und solange sie den<br />
Normen entsprechen, werden die meisten Eigner versuchen, sie<br />
möglichst lange zu betreiben. Dies ist sinnvoll – die Schiffe gelten<br />
schließlich als sicher und konform. Allerdings ist wichtig zu wissen,<br />
dass große Öl- und Handelskonzerne oft ihre eigenen Normen haben.<br />
Da auf diese Unternehmen über 80 % des europäischen Binnenschiffverkehrs<br />
entfallen, können diese Normen große Auswirkungen<br />
auf die Branche haben. Wird ein Schiff beispielsweise<br />
vom Lieferanten noch akzeptiert, könnte der Empfänger es aufgrund<br />
unterschiedlicher Kriterien ablehnen.<br />
Die Kontrollabteilungen der Ölgesellschaften können manuell<br />
oder automatisch überprüfen, ob die Inspektionsberichte der Schiffe<br />
auf dem neuesten Stand sind und ob sie andere Anforderungen,<br />
wie z. B. das Alter, erfüllen. Sie tun dies mit Hilfe eines Systems, in<br />
dem alle diese Daten gespeichert sind. Seit 2004 ist dieses System<br />
das »Barge Inspection Report Programme« (BIRE), abgestimmt auf<br />
das Ship Inspection Report Programme des OCIMF. Das System<br />
bietet der Industrie ein umfassendes und standardisiertes Instrument<br />
zur Risikobewertung von Schiffen sowie eine Datenbank mit<br />
Schiffsinspektionsberichten.<br />
Ein wichtiger Indikator ist das Alter eines Binnenschiffs: Von den<br />
15 größten Ölfirmen auf dem Markt beschränken 20 % die Annahme<br />
von Schiffen, die 20 Jahre oder älter sind. Ein Drittel beschränkt<br />
die Annahme ab einem Alter von 25 Jahren, weitere 20 % ab 30 Jahren.<br />
Das verbleibende Viertel hat keine Altersbeschränkung.<br />
Das Alter der Flotte verteilt sich wie folgt: 250 Binnenschiffe<br />
(400.000 t) sind 25 Jahre oder älter, weitere 350 Schiffe (650.000 t)<br />
sind über 20 Jahre alt. Älter als 15 Jahre sind 625 Schiffe (1,5 Mio. t),<br />
der Großteil entfällt mit 1.000 Schiffen (2,6 Mio. t) auf mehr als<br />
<strong>10</strong> Jahre alte Schiffe. Dies bedeutet, dass in fünf Jahren etwas weniger<br />
als die Hälfte der Flotte 20 Jahre oder älter sein wird. In zehn<br />
Jahren wird mehr als jedes zweite Schiff 25 Jahre oder älter sein.<br />
Sollte sich herausstellen, dass die Mehrzahl dieser Binnenschiffe<br />
von den Lieferanten oder Empfängern des Produkts nicht mehr zugelassen<br />
wird, könnte der Markt mindestens 1,5 Mio. t an Kapazität<br />
verlieren. Etwa 70 % der betroffenen Binnenschiffe (425 von<br />
625 Stück) fallen in die Kategorie 0–3.000 t, was darauf hindeutet,<br />
dass sie hauptsächlich auf dem Rhein eingesetzt werden.<br />
Wie wird sich diese Situation entwickeln, wenn man bedenkt,<br />
dass die Zahl der Kunden, die »ältere« Schiffe akzeptieren, von Jahr<br />
zu Jahr abnimmt? Werden diese älteren Schiffe miteinander konkurrieren<br />
und folglich in der Lage sein, die Zeitcharterraten (TC)<br />
niedriger anzusetzen als die von Neubauten, oder werden umgekehrt<br />
Neubauten ihre Raten höher ansetzen als ältere Schiffe?<br />
Wenn ein Binnenschiff die BIRE-Anforderungen erfüllt und<br />
über alle erforderlichen Zertifikate verfügt, die seine Fahrtauglichkeit<br />
belegen, ist es dann noch richtig, es allein aufgrund seines Alters<br />
abzulehnen? Zwar wird die Binnenschifffahrt oft mit der<br />
Hochsee verglichen, aber Fakt ist: Schiffe sind auf Wasserstraßen<br />
nicht der Korrosion durch Salzwasser ausgesetzt, und die von den<br />
Wellen ausgeübten Kräfte sind wesentlich geringer als auf dem offenen<br />
Meer. Wenn das Ziel darin besteht, auf eine nachhaltige Industrie<br />
hinzuarbeiten, sollte man diese altersbezogene Regel eventuell<br />
überdenken.<br />
<br />
Die Flotte wird älter – doch der Neubau von Binnenschiffen ist teuer<br />
Frachtpreise im September<br />
ARA 1.500 – 8.000 T<br />
MONAT September<br />
Durchschnitt Monatstief Monatshoch<br />
im Hafengebiet<br />
1,79 €<br />
1,20 €<br />
2,40 €<br />
Rotterdam - Antwerp/Amsterdam<br />
2,79 €<br />
2,20 €<br />
3,40 €<br />
Antwerp - Amsterdam<br />
3,77 €<br />
3,20 €<br />
4,25 €<br />
Flushing - Antwerp<br />
3,07 €<br />
2,50 €<br />
3,80 €<br />
Flushing - Rotterdam<br />
3,47 €<br />
3,00 €<br />
4,30 €<br />
Flushing - Amsterdam<br />
4,44 €<br />
3,70 €<br />
5,30 €<br />
Ghent - Flushing<br />
3,24 €<br />
3,25 €<br />
4,25 €<br />
Ghent - Antwerp<br />
3,55 €<br />
3,45 €<br />
4,50 €<br />
Ghent - Rotterdam<br />
3,84 €<br />
3,70 €<br />
4,60 €<br />
Ghent - Amsterdam<br />
4,72 €<br />
4,40 €<br />
5,60 €<br />
Rhein 0 – 2.500 t<br />
Monat September<br />
Durchschnitt<br />
Diesel Benzin<br />
Duisburg<br />
8,83 €<br />
8,33 €<br />
9,33 €<br />
Dortmund<br />
11,39 € <strong>10</strong>,89 €<br />
–<br />
Köln<br />
13,82 € 13,32 € 14,32 €<br />
Koblenz<br />
15,48 € 14,98 €<br />
–<br />
Frankfurt<br />
20,58 € 20,08 €<br />
–<br />
Mannheim<br />
20,89 € 20,39 € 21,39 €<br />
Karlsruhe<br />
22,78 € 22,28 € 23,28 €<br />
Strasbourg<br />
24,79 € 24,29 € 25,29 €<br />
Basel EUR<br />
27,93 € 27,43 € 28,43 €<br />
Basel CHF<br />
26,34 CHF 25,84 CHF 26,43 CHF<br />
In Kooperation mit<br />
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
9
SCHIFFFAHRT<br />
BDB feiert am Main sein Jubiläum<br />
Mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing als Festredner und rund 90 Gästen hat der<br />
Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt 50 Jahre seines Bestehens gefeiert. Viele<br />
Themen von damals stehen auch heute noch im Fokus des Gewerbes<br />
Der BDB war am 26. April 1974 in<br />
Duisburg gegründet worden, nachdem<br />
zuvor mehrere regionale Stromgebietsverbände<br />
in Deutschland den Entschluss<br />
gefasst hatten, sich unter dem<br />
Dach eines Branchenverbandes zu vereinen,<br />
um künftig mit einer Stimme gegenüber<br />
Politik und Verwaltung auftreten<br />
zu können.<br />
Zu seiner Jubiläumsveranstaltung hatte<br />
der Verband rund 90 Gäste, darunter<br />
Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden<br />
sowie zahlreiche Weggefährten<br />
und Freunde des BDB, auf das Fahrgastschiff<br />
»Maria Sibylla Merian« des Mitgliedsunternehmens<br />
Primus-Linie von<br />
Vorstandsmitglied Marie Nauheimer<br />
nach Frankfurt am Main geladen.<br />
Wissing lobt Arbeit des BDB<br />
»Die Binnenschifffahrt ist eines unserer<br />
liebsten Kinder im Bundesverkehrsministerium,<br />
denn Sie haben Kapazitäten.«<br />
Das sagte Bundesverkehrsminister<br />
Volker Wissing, der als Ehrengast<br />
und Festredner gekommen war. Von<br />
den anderen Verkehrsträgern könne man<br />
nicht ohne weiteres behaupten, dass sie<br />
freie Kapazitäten haben. »Die aber brauchen<br />
wir, die Rolle der Binnenschifffahrt<br />
wird also nicht geringer werden. Davon<br />
bin ich fest überzeugt.«<br />
Wissing betonte, der BDB sei nicht<br />
wegzudenken. »Er wird gebraucht als Impulsgeber,<br />
als Gestalter, als Tarifvertragspartner,<br />
als Motivator und Imageförderer.<br />
Wir zählen auf Sie, und Sie können<br />
umgekehrt auch auf uns zählen.«<br />
»Die Binnenschifffahrt ist unser liebstes Kind«, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing<br />
90 Gäste aus allen Bereichen des Systems Wasserstraße waren der Einladung nach Frankfurt gefolgt<br />
© BDB / Werner<br />
Themen gleichen sich<br />
Schon im ersten Geschäftsbericht von<br />
1975 seien Herausforderungen angesprochen<br />
worden, die heute noch aktuell sind:<br />
eine Wirtschaft im Wandel, knappe öffentliche<br />
Mittel für Investitionen sowie<br />
ein Mangel an Fachkräften. Damals wie<br />
heute habe gegolten, dass man die Probleme<br />
gemeinsam lösen müsse. Das habe<br />
1974 der BDB erkannt, und davon profitiere<br />
die Binnenschifffahrt noch heute.<br />
Auch BDB-Präsident Martin Staats zog<br />
Parallelen zwischen den 1970er Jahren,<br />
dem Jahrzehnt der Vereinsgründung,<br />
und der heutigen Zeit. »Schon damals<br />
haben wir gelernt, dass es pragmatische<br />
Lösungen braucht, angelehnt an die<br />
Grundprinzipien der Marktwirtschaft.«<br />
Der BDB habe in den vergangenen 50<br />
Jahren durchaus beachtliche Erfolge erzielt,<br />
vor allem dann, wenn man konstruktiv<br />
mit Politik und Verwaltung zusammengearbeitet<br />
habe. Als Beispiele aus<br />
der jüngeren Vergangenheit nannte der<br />
BDB-Präsident den »Masterplan Binnenschifffahrt«<br />
und die wichtigen Gewerbeförderprogramme<br />
für die Flottenmodernisierung<br />
sowie die Aus- und Weiterbildung<br />
in der Binnenschifffahrt. Kritische<br />
Töne waren an diesem Festabend<br />
nicht zu hören …<br />
Auch ein Blick auf die aktuellen verkehrs-<br />
und gewerbepolitischen Themen<br />
<strong>10</strong> Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFFAHRT<br />
© BDB / Werner<br />
Das BDB-Jubiläum wurde standesgemäß auf dem Wasser gefeiert. »Die Binnenschifffahrt bleibt auch künftig unverzichtbar«, so Präsident Martin Staats<br />
und ein Ausblick auf die Zukunft der<br />
Wasserstraßen kamen während der Fahrt<br />
auf dem Main nicht zu kurz. Klar sei, dass<br />
die Binnenschifffahrt trotz zurückhaltender<br />
Verkehrsprognosen künftig eine<br />
wichtige Rolle spielen werde, so Staats.<br />
Mit 50 Jahren habe der BDB sicher keine<br />
»Midlife-Crisis«. »Der Verband ist gut<br />
aufgestellt und bleibt agil und beweglich«,<br />
so Staats.<br />
Mit Blick auf die vom Gewerbe geforderten<br />
Investitionen in die Wasserstraßen-Infrastruktur<br />
und die geplanten<br />
Kürzungen bei Förderprogrammen für<br />
die Binnenschifffahrt hatte der FDP-<br />
Verkehrsminister keine Neuigkeiten im<br />
Gepäck. Wissing verwies vielmehr auf<br />
die nach dem Niedrigwasser von 2022<br />
eingesetzte Beschleunigungskommission<br />
Rhein, die Aufstockung des Etats auf<br />
1,8 Mrd. € im kommenden Jahr und 69<br />
bereits umgesetzte Maßnahmen aus dem<br />
Masterplan. Sprach’s und bekam dafür<br />
freundlichen Applaus.<br />
KF<br />
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
11
SCHIFFFAHRT<br />
Binnenschifffahrt sieht Bund in der Pflicht<br />
Auf einem Parlamentarischen Abend in Berlin fordern Vertreter des Systems Wasserstraße<br />
eine Fortführung der staatlichen Förderprogramme und verlässliche Investitionen in die<br />
Infrastruktur. Erstmals ergänzt eine Expo die Diskussionsrunden. Von Krischan Förster<br />
Erstmals präsentierte sich ein Parlamentarischer<br />
Abend der Parlamentsgruppe<br />
Binnenschifffahrt (PGBi)<br />
in einem neuen Format. Organisiert von<br />
der Intiative System Wasserstraße (ISW),<br />
wurde im Berliner »Haus der Industrie«,<br />
Sitz des Bundesverbandes BDI, ein neues<br />
Konzept erprobt, das mit den traditionellen<br />
Veranstaltungen der Vergangenheit<br />
brach. Im Zentrum stand eine Expo im<br />
Innenhof, die durch zwei kurze Diskussionsrunden<br />
ergänzt wurde.<br />
Marie Nauheimer, Vizepräsidentin des<br />
Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt<br />
(BDB) plädierte dabei<br />
nachdrücklich für eine angemessene<br />
Ausstattung des Förderprogramms. Ohne<br />
Hilfen des Bundes sei die Transformation<br />
der Flotte hin zu klimafreundlichen<br />
Antrieben nicht zu bewältigen, sagte sie.<br />
Das aktuelle Förderprogramm ist in<br />
diesem Jahr mit 50 Mio. € dotiert. »Das<br />
war ein sehr guter Aufschlag, der uns<br />
sehr geholfen hat«, sagte Nauheimer.<br />
»Ohne solche Programme geht es nicht.«<br />
Ihr Unternehmen, das Fahrgastschifffahrtsunternehmen<br />
Primus-Linie aus<br />
Frankfurt, habe vor acht Jahren angefangen,<br />
den synthetischen Kraftstoff<br />
GTL einzusetzen. Dieser praktisch geruchsfrei<br />
und deutlich rußärmer – sei<br />
aber teurer. »Es ist ein Stück weit Pionierarbeit«,<br />
betonte Nauheimer.<br />
Sie mahnte an, das Förderbudget zu erhalten<br />
und gleichzeitig die Tank- und<br />
Ladeinfrastruktur für alternative Energieträger<br />
flächendeckend verfügbar zu<br />
machen. »Ohne staatliche Programme<br />
geht es nicht.« Geplant ist allerdings, den<br />
Etat in den kommenden Jahren wieder<br />
bis auf 8 Mio. € abzuschmelzen. Die<br />
Hoffnungen richten sich jetzt auf die<br />
Haushaltsberatungen im Bundestag.<br />
Steffen Bauer, CEO der HGK Shipping,<br />
verwies darauf, dass echte Antriebsalternativen<br />
derzeit weder marktnoch<br />
serienreif sind. »Es muss daher weiter<br />
geforscht werden«, sagte er in einer<br />
Paneldiskussion. Der nötige logistische<br />
und finanzielle Aufwand überfordere jedoch<br />
die Kraft viele Partikuliere. Bei der<br />
langen Lebensdauer der Schiffe und auch<br />
Uta Maria Pfeiffer (BDI) diskutierte mit Joachim Zimmermann (BÖB), Oliver Luksic (BMDV),<br />
Henning Rehbaum (CDU) und Niels Anspach (BP) über Infrastruktur und Finanzierung (v.l.)<br />
Moderiert von Marcel Lohbeck (BÖB/VBW) ging es um das Thema Flottenmodernisierung mit (v.l.)<br />
Marie Nauheimer (BDB, Primus Linie), Steffen Bauer (HGK Shipping) und Lukas Benner (Grüne)<br />
Motoren müsse zudem der Blick auf die<br />
Bestandsflotte, nicht nur auf die wenigen<br />
Neubauten gerichtet werden. »Wir brauchen<br />
dafür sehr pragmatische Lösungen«,<br />
lautete sein Appell.<br />
Als Vertreter der verladenen Wirtschaft<br />
machte Niels Anspach vom Energiekonzern<br />
BP Europa deutlich, dass das<br />
Binnenschiff bei der anstehenden Transformation<br />
von der Industrie dringend gebraucht<br />
werde. »Rohöl können wir heute<br />
in Pipelines transportieren, viele der<br />
künftigen Rohstoffe oder Produktions-<br />
Ausgangsstoffe aber nicht.« BP selbst<br />
transportiert 8 Mio. t im Jahr über die<br />
Wasserstraßen.<br />
Auf die etwa 250 Gäste aus dem Parlament,<br />
der Industrie, dem Gewerbe und<br />
der Verwaltung wartete eine Leistungsschau<br />
der Branche. An vier Themeninseln<br />
wurden aktuelle Trends im Bereich<br />
Wasserbau, Schiffs- und Antriebstechnik,<br />
multimodale Logistik, Kreislaufwirtschaft<br />
und neue Energieträger vorgestellt.<br />
An der Gestaltung der Themeninseln<br />
hatten rund <strong>10</strong>0 Unternehmen aus den<br />
Mitgliedsverbänden der ISW mitgewirkt.<br />
Highlights waren neben zahlreichen<br />
Schiffsmodellen eine virtuelle Tour durch<br />
ein Containerterminal, ein interaktives<br />
Hafenmodell, sowie ein Fahrsimulator<br />
für Binnenschiffe der WSV. Thomas<br />
Groß, BFA Wasserbau im Hauptverband<br />
der Deutschen Bauindustrie: »Der Parlamentarische<br />
Abend hat gezeigt, was<br />
möglich ist, wenn alle Stakeholder im<br />
System Wasserstraße die Kräfte bündeln.«<br />
<br />
© Lietzmann<br />
12 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFFAHRT<br />
Leistungsschau für die Binnenschifffahrt – Impressionen von der Expo<br />
© Lietzmann<br />
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SCHIFFSTECHNIK<br />
lichen Diesel kann der Kraftstoff HVO<br />
gebunkert werden, mit dem erheblich<br />
weniger CO2-Emissionen verursacht<br />
werden. Im Ergebnis sinkt der Verbrauch<br />
im Vergleich zu herkömmlichen Schiffen<br />
im diesel-elektrischen Betrieb um -30 %,<br />
beim Einsatz der Brennstoffzelle sogar<br />
um bis zu -84 %. Entsprechend weniger<br />
Schadstoffe werden emittiert.<br />
Durch die Verwendung von leichteren<br />
Ladeböden und hochfestem Stahl konnte<br />
erheblich an Gewicht eingespart werden.<br />
Durch die Platzierung der Antriebskomponenten<br />
im Vorschiff wurde die Trimmlage<br />
deutlich verbessert. Daraus ergibt<br />
sich eine deutliche Gewichtseinsparung.<br />
Bis 1,20 m Tiefgang fahrbereit<br />
Auch in Niedrigwasserphasen kann der<br />
Koppelverband künftig bis zu einem<br />
Tiefgang von 1,20 m ganzjährig fahren<br />
und dabei noch 190 TEU transportieren.<br />
Die maximale Kapazität liegt bei<br />
378 TEU für den einfachen Koppelverband<br />
und bei sogar bis zu 768 TEU, wenn<br />
zwei weitere Leichter zu einem Vierer-<br />
Verband angekoppelt werden.<br />
»Dieses Jahr zeichnen wir zwei Unternehmen<br />
aus, die durch betriebsübergreifende<br />
nachhaltige Konzepte zu Vorreitern<br />
bei der Entwicklung des klimaneutralen<br />
kombinierten Verkehrs geworden<br />
sind«, so Hamata. »Hier wird bereits<br />
weit in die Zukunft gedacht.« Auch für<br />
den Versicherer sei ein solches Projekt<br />
Neuland. »Aber wir wollten von Anfang<br />
an dabei sein.«<br />
An 25 größtenteils trimodalen Containerterminals<br />
in sechs Ländern und mit<br />
einer eigenen Flotte von Binnenschiffen<br />
Preisübergabe auf der STL mit Roland Hamata (Allianz Esa), Dirk Gemmer (Rhenus PartnerShip)<br />
und Jürgen Albersmann (Contargo, v.l.)<br />
bewegt Contargo jährlich 2 Mio. TEU<br />
und zählt zu den führenden Unternehmen<br />
der Hinterlandlogistik in Europa.<br />
Der Anteil der Binnenschifffahrt an den<br />
Emissionen liegt derzeit bei 50 %. Um das<br />
Unternehmensziel Klimaneutralität bis<br />
2045 zu erreichen, fiel bei Contargo gemeinsam<br />
mit der Konzernschwester Rhenus<br />
PartnerShip die Entscheidung, in<br />
moderne Schiffe zu investieren.<br />
Vor vier Jahren hatten die Planungen<br />
begonnen, vor zwei Jahren der Bau auf<br />
der niederländischen Werft Den Breejen.<br />
Vor allem Lieferengpässe hatten zu einigen<br />
Verzögerungen geführt, berichtete<br />
Dirk Gemmer, Geschäftsführer der Rhenus<br />
PartnerShip. Auch die technische Zulassung<br />
sei bei diesem auch für die Behörden<br />
neuen Projekt komplex gewesen.<br />
»Letztlich haben wir aber eine große Unterstützung<br />
aller Beteiligten erfahren.«<br />
Noch im Oktober soll der reguläre Liniendienst<br />
aufgenommen werden.<br />
Weitere Neubauten sind durchaus<br />
denkbar. »Es soll nicht bei diesen drei<br />
Schiffen bleiben«, sagte Contargo-Chef<br />
Albersmann. »Aber für einen dauerhaft<br />
wirtschaftlichen Betrieb und die Planungssicherheit<br />
brauchen wir die richtigen<br />
politischen Signale für die Förderung<br />
solcher Projekte und eine funktionie -<br />
rende Wasserstoff-Infrastruktur.« <br />
© Westerkamp<br />
Der Koppelverband »Mannheim 1+2« verfügt über Diesel-Generatoren, E-Motoren, Wasserstoff-Brennstoffzellen und Batterien<br />
© Rhenus<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
15
SCHIFFSTECHNIK<br />
Aussteller und Besucher kamen zur Eröffnung der einzigen Binnenschifffahrts-Messe Deutschlands zusammen<br />
Branchentreff in Kalkar<br />
Bereits zum 11. Mal traf sich die Branche am Niederrhein, um sich über neue<br />
Entwicklungen zu informieren und Kontakte zu pflegen. Die STL hat dabei einmal mehr<br />
ihre Bedeutung für die Binnenschifffahrt bewiesen. Von Jannik Westerkamp<br />
© Westerkamp<br />
Zwei Tage lang war das niederrheinische<br />
Kalkar das Zentrum der Binnenschifffahrt<br />
in Deutschland und den<br />
Niederlanden. Nach dem erfolgreichen<br />
Jubiläum im letzten Jahr waren die Erwartungen<br />
an die Shipping-Technics-<br />
Renate Bartelt-Lehrfeld (BMDV) und Ragnar Schwefel (VSM)<br />
Logistics groß – und sie wurden nicht<br />
enttäuscht. Reedereien, Werften, Zulieferer<br />
und viele mehr trafen sich am 24.<br />
und 25. September in den Messehallen<br />
und tauschten sich über Innovationen in<br />
der Branche aus. Im Fokus der diesjährigen<br />
STL standen dabei unter anderem<br />
Themen wie Automatisierung und alternative<br />
Kraftstoffe.<br />
Nach einer herzlichen Begrüßung<br />
übergab Messe-Projektmanager Leon<br />
Westerhof an Ocke Hamann. Der Geschäftsführer<br />
der Niederrheinischen Industrie-<br />
und Handelskammer (IHK) sowie<br />
der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort<br />
fand klare Worte für den aktuellen<br />
Zustand der Industrie. Der Rhein sei in<br />
diesem Jahr von Niedrigwasser verschont<br />
worden, sagte er – und doch sei es »kein<br />
gutes Jahr für die Binnenschifffahrt« gewesen.<br />
So habe sich die Wachstumsschwäche<br />
der deutschen Wirtschaft auch<br />
auf dem Wasser bemerkbar gemacht, und<br />
die großen technologischen Fortschritte<br />
hätten mit einer behäbigen Bürokratie zu<br />
kämpfen, die nicht schnell genug auf die<br />
Entwicklungen reagieren könne.<br />
Gerade beim autonomen Fahren<br />
»könnten wir schon viel weiter sein«, so<br />
Hamann. Denn obwohl die Binnenschifffahrt<br />
mit einem Image als »langsam und<br />
altmodisch« zu kämpfen habe, sei sie ein<br />
wichtiger Verkehrsträger mit großem Po-<br />
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Am Simulator der Akademie Barth konnte man selbst am Steuer eines Binnenschiffs sitzen<br />
Propeller am Stand von Promarin<br />
Auch Modellbau-Fans kamen auf der STL auf ihre Kosten<br />
© Westerkamp<br />
18 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
19
SCHIFFSTECHNIK<br />
die großen Herausforderungen der Branche<br />
und den Strukturwandel zu sprechen,<br />
vor dem sie steht, und appellierte an die<br />
Unternehmen, sich darauf einzustellen.<br />
»Wir sollten ganz vorn dabei sein und<br />
nicht auf andere warten.«<br />
Für einen erfolgreichen Wandel<br />
braucht es jedoch Fachkräfte, dessen sei<br />
man sich auch in Berlin bewusst. Janecek<br />
verwies darauf, dass das entsprechende<br />
Einwanderungsgesetz modernisiert worden<br />
sei, um auf diesen Mangel zu reagieren.<br />
Um die Transformation zu schaffen<br />
und die Wirtschaft zu stärken, brauche es<br />
Fachkräfte aus dem Ausland. »Die Einstellung<br />
›Das machen wir jetzt alleine‹<br />
können wir uns nicht leisten«, so der Koordinator.<br />
Die Umsetzung dieses Gesetzes<br />
werde sich jedoch erst in den kommenden<br />
Monaten bewähren müssen.<br />
Bis dahin sei es an der Industrie, mit<br />
Innovationen voranzuschreiten. »Ich<br />
freue mich darauf, von Ihnen zu lernen«,<br />
schloss Janecek und verwies auf Kompetenzen,<br />
die sich in den letzten Jahren<br />
entwickelt hätten. Vor zehn Jahren sei<br />
beispielsweise die Digitalisierung »ein<br />
Damoklesschwert« gewesen, doch heute<br />
»ist sie eine Voraussetzung für Beschäftigung«,<br />
so Janecek.<br />
Walther Bauer (l.) und Jan Kieling präsentierten Batterietechnik von Lehmann Marine<br />
Bereit für neue Märkte<br />
Renate Bartelt-Lehrfeld, zuständig für<br />
Politische Strategien, Konzepte und Förderprogramme<br />
für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Schifffahrt und Häfen im<br />
Bundesministerium für Digitales und<br />
Verkehr, stellte in ihrer Rede die Frage<br />
nach der Zukunft der Binnenschifffahrt.<br />
Jan Breedveld, Engines Sales Manager bei Koedood, mit einem Mitsubishi-Motor für Binnenschiffe<br />
S.M.I.L.E. Engineering zeigte innovative Schiffsdesigns<br />
E-Motor von Molabo<br />
© Westerkamp<br />
20 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFSTECHNIK<br />
Die Firma Wittig war mit einem großen Stand vertreten<br />
Für Verpflegung war stets gesorgt<br />
»Klimaneutral, niedrigwasserresilient,<br />
automatisiert und digitalisiert«, fasste sie<br />
zusammen und verwies auf Förderprogramme<br />
für die Branche. Das Ministerium<br />
sei bemüht, die Binnenschifffahrt<br />
umfassend zu modernisieren. Bartelt-Lehrfeld<br />
nannte emissionsarme und<br />
-freie Antriebe, Maßnahmen zur Niedrigwasseroptimierung,<br />
Systeme der Digitalisierung,<br />
Automatisierung an Bord.<br />
»Die Nachfrage ist riesig«, sagte sie. »Die<br />
Förderprogramme werden bestens angenommen.«<br />
Sie richtete den Blick nach vorn: Güterschiffe<br />
müssten an neue Märkte angepasst<br />
werden, so zum Beispiel durch<br />
Stahl- statt der klassischen Holzböden,<br />
um Schwergut wie Windkraftanlagen<br />
transportieren zu können. Eine Studie<br />
dazu soll bis Mitte des nächsten Jahres<br />
abgeschlossen sein. Auch auf den Fachkräftemangel<br />
habe das Ministerium<br />
Kontakte pflegen: Ha-Du-Chefin Kerstin Wendt beim Besuch der Binnenschifffahrt<br />
Starke Getränke für eine starke Messe<br />
Kadlec & Brödlin zeigte neueste Technologie aus erster Hand<br />
© Westerkamp<br />
22 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
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SCHIFFSTECHNIK<br />
Deutsche Expertise für Alphatron<br />
Das Unternehmen JRS-Alphatron hat die Navigationsspezialisten Argonics und<br />
Argonav gekauft – und sichert sich damit hochwertige Technologie aus Deutschland, um<br />
sein Portfolio abzurunden<br />
© Westerkamp<br />
Argonics-Präsentation auf der STL<br />
Alphatron Marine gehört selbst zur<br />
JRC-Gruppe und bietet Kunden in<br />
der See- und Binnenschifffahrt integrierte<br />
Navigations- und Kommunikationslösungen<br />
an. Das Portfolio<br />
soll nun den Angaben zufolge um bislang<br />
fehlende Komponenten ergänzt<br />
werden.<br />
Man wolle proaktiv ins Segment der<br />
Schiffssysteme investieren und die Entwicklung<br />
der Basistechnologien für die<br />
autonome Navigation vorantreiben,<br />
heißt es aus Japan. Weitere Details zur<br />
Übernahme wurden zunächst nicht bekannt<br />
gegeben.<br />
Einsatz auf über <strong>10</strong>0 Schiffen<br />
Argonics wurde 2014 gegründet. Zu den<br />
ersten Aufträgen des Unternehmens gehörten<br />
Antriebssteuerungssysteme für<br />
Ruderpropeller. Im November 2017<br />
brachte das Unternehmen den argo-<br />
TrackPilot auf den Markt. Das erste<br />
Spurhaltesystem für Binnenschiffe wurde<br />
seither auf mehreren Hundert Schiffen<br />
installiert. Ende 2020 wurde durch<br />
argoRadarPilot und argoTrackPilot<br />
Zusammenschluss mit der Binnenschifffahrtssparte<br />
von »in – innovative navigation«<br />
die Firma Argonav gegründet,<br />
die sich auf ECDIS-Navigationssysteme<br />
für die Binnenschifffahrt konzentriert.<br />
Hauptprodukt ist der RadarPilot, der<br />
erst jüngst durch eine zugelassene Radareinblendung<br />
noch einmal erweitert<br />
worden war. Auf der diesjährigen STL<br />
konnten Besucher die Systeme von Argonics<br />
und Argonav aus erster Hand sehen<br />
und sich die Funktionsweise erklären<br />
lassen.<br />
KF<br />
© Argonics / Argonav<br />
24 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFSTECHNIK<br />
Preis an Bolle für »Binnenschiff des Jahres«<br />
Der E-Spatz »Mülheim« war das erste elektrische Arbeitsschiff für die Wasserstraßenund<br />
Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ist unser »Binnenschiff des Jahres 2023«.<br />
Auf der Messe STL erfolgte jetzt die Preisübergabe<br />
Der E-Spatz, das erste elektrische Arbeitsschiff<br />
der Wasserstraßen- und<br />
Schifffahrtsverwaltung des Bundes, ist<br />
zum »Binnenschiff des Jahres 2023« gewählt<br />
worden.<br />
Krischan Förster, Chefredakteur der<br />
Binnenschifffahrt, überreichte den Preis<br />
an Geschäftsführer Mario Bolle.<br />
Der »Spatz« ist ein bewährtes Arbeitsschiff<br />
der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung<br />
des Bundes (WSV). Im<br />
August 2023 ist die erste elektrifizierte<br />
Version bei der Schiffswerft Bolle vom<br />
Stapel gelaufen, ausgestattet mit einem<br />
Batteriespeichersystem von Tesvolt. Damit<br />
ist der »E-Spatz« das erste Arbeitsschiff<br />
seiner Art, das vollständig über<br />
Batterien betrieben wird – und ein Meilenstein<br />
auf dem Weg zur emissionsfreien<br />
Binnenschifffahrt.<br />
Eine Ladung – drei Tage<br />
Der E-Spatz wurde in den letzten Jahren<br />
gemeinschaftlich von der Wasserstraßenund<br />
Schifffahrtsverwaltung des Bundes<br />
(WSV) und der Schiffswerft Bolle entwickelt.<br />
Die innovative Elektronik des<br />
E-Spatz wurde von den Firmen Kadlec &<br />
Brödlin, Jastram und Tesvolt bereitgestellt.<br />
Das Arbeitsschiff mit dem innovativen<br />
Antrieb wird auf den Flüssen<br />
und Kanälen des westdeutschen Kanalnetzes<br />
für Verkehrssicherheit sorgen.<br />
Werftchef Mario Bolle (l.) nahm den Preis auf der STL von Chefredakteur Krischan Förster entgegen<br />
Bau- und Unterhaltungsarbeiten an den<br />
Wasserwegen gehören ebenso zu ihren<br />
Aufgaben wie beispielsweise Peilarbeiten.<br />
Anders als der dieselbetriebene<br />
Vorgänger wird der E-Spatz<br />
ausschließlich mit zwei Elektromotoren<br />
á 80 kW (<strong>10</strong>9 PS) angetrieben.<br />
Tesvolt lieferte das Batteriespeichersystem<br />
mit einer Gesamtkapazität von 980<br />
kWh. In 14 Racks befinden sich jeweils<br />
sieben wassergekühlte Batteriemodule<br />
mit einer Kapazität von jeweils <strong>10</strong> kWh.<br />
Jedes einzelne der 98 Module wird dabei<br />
ständig durch das Batteriemanagementsystem<br />
überwacht. So herrscht stets Klarheit<br />
über Temperatur oder Lade- und Gesundheitszustand<br />
der eingebauten Zellen.<br />
Geladen werden die Batterien über<br />
eine im Heck des E-Spatz platzierte Anschlussstelle<br />
für Landstromkabel mit einer<br />
Leistung von maximal 125 Ampere<br />
(A). Der Ladevorgang erfolgt üblicherweise<br />
nachts. Abhängig von der Art der<br />
Arbeit kann der E-Spatz bis zu drei Tage<br />
mit einer Batterieladung betrieben werden.<br />
© Westerkamp<br />
Der E-Spatz »Mülheim« im Februar <strong>2024</strong><br />
© Tesvolt<br />
Flotte der Zukunft<br />
Mit über 600 Schiffen ist die Wasserstraßen-<br />
und Schifffahrtsverwaltung des<br />
Bundes der größte Binnenreeder in<br />
Deutschland. Allein vom Typ Spatz unterhält<br />
die WSV aktuell rund 130 Schiffe,<br />
die nach der Erprobung des E-Spatz-<br />
Piloten künftig mit emissionsarmen Antrieben<br />
ausgestattet werden sollen. Die<br />
nun begonnene Elektrifizierung bildet<br />
den Startschuss für eine zukunftsweisende<br />
Generation umweltfreundlicher<br />
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
25
SCHIFFSTECHNIK<br />
Dieselmotor hat längst nicht ausgedient<br />
Für alternative, »grüne« Kraftstoffe und darauf basierende Antriebskonzepte scheint die Zeit<br />
noch nicht reif. Einstweilen optimieren die Hersteller ihr Motorenportfolio und setzen als<br />
Übergangslösung auf umweltfreundlichere Diesel-Varianten wie GTL und vor allem HVO<br />
Früher war alles einfach: Achtern im<br />
Schiff standen ein großer oder zwei<br />
kleinere Dieselmotoren, die über ein Getriebe<br />
den jeweiligen Propeller antrieben.<br />
Beim Kraftstoff gab es nur eine Wahl:<br />
Diesel, was sonst. Das galt auch für die<br />
Generatoren (Gensets), die Strom für ein<br />
elektrisch betriebenes Bugstrahlruder<br />
oder die Wohnbereiche produzierten.<br />
Unter dem Druck strengerer Umweltvorgaben<br />
haben sich die Maschinenräume<br />
verändert. Heutige Motoren erfüllen<br />
die Emissionsvorgaben der EU-Stufe 5,<br />
die seit 2020 gilt. Diesel-elektrische Antriebe<br />
sind inzwischen häufig das Mittel<br />
der Wahl, so zum Beispiel auf sämtlichen<br />
Neubauten der HGK Shipping, sei es nun<br />
im Tanker- oder Trockengutfahrt. Die<br />
Verbrennermotoren werden zu Generatoren,<br />
die ihre elektrische Leistung über<br />
Elektromoto ren an die Schiffsschrauben<br />
abgeben. Rein elektrische Lösungen taugen<br />
kaum für die Güterschifffahrt mit ihrem<br />
hohen Leistungsbedarf und häufigen<br />
Lastwechseln auf der Langstrecke. Solche<br />
Konzepte bleiben Kurzstreckenverkehren<br />
und vor allem der Fahrgastschifffahrt<br />
vorbehalten, die die Akkus regelmäßig<br />
am Landanschluss aufladen kann.<br />
Alle führenden Hersteller haben in den<br />
vergangenen Jahren ihre Motoren bestenfalls<br />
noch einmal optimiert – Neuentwicklungen<br />
sind dagegen rar. Einerseits<br />
ist die Technik auf hohem Niveau ausgereizt,<br />
andererseits stellt sich für Anrtriebe<br />
der Zukunft weniger die Frage<br />
nach dem geeigneten Energieverbraucher<br />
als vielmehr die nach dem geeigneten<br />
Energieträger.<br />
Nachdem LNG (Erdgas) für die Binnenschifffahrt<br />
aufgrund der hohen Kosten<br />
und des Methan-Schlupfes schon länger<br />
keine Option mehr ist, rücken andere<br />
potenzielle Energieträger in den Fokus:<br />
Wasserstoff mit seinen Derivaten Methanol<br />
und Ammoniak, Bio-Diesel und<br />
E-Fuels (synthetische Kraftstoffe). Noch<br />
aber sind alle diese Varianten Zukunftsmusik,<br />
weil entweder die Technologien<br />
noch nicht marktreif sind, die benötigten<br />
Mengen nicht in ausreichenden Mengen<br />
zur Verfügung stehen, die Infrastruktur<br />
zur flächendeckenden Versorgung fehlt<br />
oder aber Investitions- und Betriebskosten<br />
noch viel zu hoch sind.<br />
Als Ersatz für den herkömmlichen<br />
Diesel in Verbrennermotoren stehen derzeit<br />
eigentlich nur zwei umweltfreund -<br />
lichere Alternativen zur Auswahl: der<br />
synthetisch erzeugte Diesel GTL (Gas to<br />
Liquid) und das Bio-Produkt HVO <strong>10</strong>0<br />
(hydriertes Pflanzenöl). Vorteil bei beiden:<br />
Sie können ohne große technische<br />
Anpassungen von »normalen« Diesel-<br />
Motoren verbrannt werden, sind am<br />
Markt verfügbar und sorgen in etwa für<br />
die gleiche Leistung.<br />
Sie sind zwar teurer als konventionelle<br />
Produkte, reduzieren dafür aber die<br />
Emissionen erheblich. Bei HVO <strong>10</strong>0 sinken<br />
die CO2-Emissionen um etwa 80 %<br />
gegenüber fossilem Diesel, der Partikelausstoß<br />
um mehr als 40 % und die Stickoxidemissionen<br />
(NOx) um bis zu 8 %.<br />
Für die HGK Shipping als Europas größte<br />
Binnenschiffsreederei ist HVO derzeit<br />
der Kraftstoff der Wahl für eine Übergangszeit,<br />
bis echte »grüne« Alternativen<br />
zur Verfügung stehen. Und auch auf den<br />
neuen Koppelverbänden der Rhenus<br />
PartnerShip, die künftig für Contargo<br />
Container über den Rhein fahren sollen,<br />
soll HVO zum Betrieb der Generatoren<br />
genutzt werden.<br />
Angesichts geringer Verkaufszahlen in<br />
der Binnenschifffahrt werden oft keine reinen<br />
Marinemotoren mehr entwickelt. Innovationen<br />
finden eher im volumenstarken<br />
Lkw-Sektor statt, bevor sie als marinisierte<br />
Varianten an Bord der Schiffe<br />
landen. Im Ergebnis präsentieren die namhaften<br />
Hersteller aktuell ein gegenüber<br />
den Vorjahren kaum verändertes Portfolio<br />
in dem bekannten Leistungsbereich. KF<br />
© mtu / Morace<br />
26 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFSTECHNIK<br />
Volvo Penta<br />
Der schwedische Hersteller Volvo Penta<br />
mit seiner deutschen Niederlassung in<br />
Kiel hatte gerade erst zur SMM ein neues<br />
Hybrid-Elektro-Paket präsentiert. In<br />
dem voll integrierten System steuert Volvo<br />
Penta alle Komponenten vom Steuerstand<br />
bis zum Propeller. Das Hybrid-IPS-<br />
System umfasst den Motor D13, einen<br />
160-kW-Elektromotor und Batterien. Ab<br />
2025 startet die Produktion für den Bereich<br />
»Heavy Duty«. Im Portfolio für die<br />
Binnenschifffahrt gibt es derzeit keine<br />
Neuigkeiten. Das bekannte Leistungsspektrum<br />
reicht von 300–625 kW, wobei<br />
die beiden größeren Motoren von Partnern<br />
in den Niederlanden marinisiert<br />
werden. Alle sind für den Einsatz verschiedener<br />
Kraftstoffe zugelassen – für<br />
Diesel, GTL, HVO und Bio-Diesel. Einiges<br />
ist aber im Werden. Derzeit werden<br />
die bekannten Motoren D 8 und D 13 zu<br />
Duel-Fuel-Motoren weiterentwickelt.<br />
Dabei gilt bei den Schweden Methanol<br />
als Energieträger der Zukunft. Voraussetzung<br />
gilt allerdings, wie bei anderen<br />
auch, die Verfügbarkeit am Markt. Zudem<br />
sollen Hybrid-Systeme künftig verstärkt<br />
vermarktet werden.<br />
HERSTELLER<br />
Volvo Penta<br />
Volvo Penta<br />
Volvo Penta<br />
Volvo Penta<br />
TYP<br />
D13 MH/MG<br />
D8 MH / MG<br />
TAD 138x VE* prop.<br />
D16 MH / MG**<br />
LEISTUNG<br />
kW<br />
300<br />
296<br />
405<br />
625<br />
DREHZAHL<br />
min -1<br />
1.800<br />
1.800-2.200<br />
1.900<br />
1.900<br />
TAKT<br />
E3,E2,C1,D2<br />
E3,E2,C1,D2<br />
E3,E2,C1,D2<br />
E3,E2,C1,D2<br />
MH = Hauptantriebe | MG = Generatoren | * marinisiert von Vissers NL | ** marinisiert von Damen/Haisma NL<br />
Das IPS (Inboard Performance System)<br />
ZYL.<br />
6<br />
6<br />
6<br />
6<br />
KRAFTSTOFF<br />
Diesel EN 590<br />
HVO<br />
GTL<br />
Bio-Diesel FAME B30<br />
© Volvo Penta<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines bietet Antriebs- und Aggregatsmotoren<br />
für Binnenschiffe in der<br />
Emissionsstufe EU-Stufe V. Das Leistungsspektrum<br />
reicht von 290 kW bis<br />
1.066 kW, besteht aus Reihensechszylinder-<br />
und V12-Motoren. Damit sind<br />
Anwendungen im mittelschweren sowie<br />
Heavy-Duty-Betrieb abgedeckt.<br />
Auf der SMM Anfang September wurde<br />
erstmalig der Arbeitsbootmotor MAN<br />
D3872 LE432 mit 30 l Hubraum (Foto)<br />
präsentiert, der kurz vor Beginn der Serienproduktion<br />
steht. Er leistet 1.213 kW<br />
bei 2.<strong>10</strong>0 min -1 und ist damit ideal für<br />
Windfarmversorgungsschiffe, Fähren,<br />
HERSTELLER<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
MAN Engines<br />
© MAN Engines<br />
TYP<br />
D2676<br />
D2676<br />
D2676<br />
D2868<br />
D2868<br />
D2868<br />
D2862<br />
D2862<br />
D2862<br />
D3872<br />
D3872<br />
LEISTUNG<br />
kW<br />
730 - 850<br />
560 - 650<br />
221 - 500<br />
735 - 956<br />
588 - 662<br />
500<br />
<strong>10</strong>29 - 1471<br />
749 - <strong>10</strong>66<br />
551 - 735<br />
1471 - 1618<br />
1213<br />
DREHZAHL<br />
min -1<br />
2300<br />
2<strong>10</strong>0<br />
1800<br />
2300<br />
2<strong>10</strong>0<br />
1800<br />
2300<br />
2<strong>10</strong>0<br />
1800<br />
2300<br />
2<strong>10</strong>0<br />
TAKT<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
4-Takt<br />
ZYLINDER<br />
6<br />
6<br />
6<br />
8<br />
8<br />
8<br />
12<br />
12<br />
12<br />
12<br />
12<br />
KRAFTSTOFF<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Diesel<br />
Passagierschiffe und Fischerboote ausgelegt.<br />
Weitere Leistungsvarianten mit<br />
1.471 kW und 1.618 kW für<br />
leichte Anwendungen werden<br />
bereits produziert. Ab<br />
dem dritten Quartal 2025 ist<br />
dieser Motor auch mit einer<br />
Leistung von 920 kW verfügbar.<br />
Dadurch wird das Motorenportfolio,<br />
das MAN Engines<br />
für die Binnenschifffahrt<br />
anbietet, um eine wichtige<br />
Leistungsstufe nach oben abgerundet.<br />
Eine Vielzahl von Motoren ist<br />
bereits für HVO freigegeben. Gemeinsam<br />
mit CMB.Tech wurde der Wasserstoff-Dual-Fuel-Motor<br />
(D2862 LE448)<br />
entwickelt und bereits auf dem Crew<br />
Transfer Vessel »Hydrocat 48« eingebaut.<br />
Neben Wasserstoff könnte künftig auch<br />
Methanol als Kraftstoff Anwendung finden,<br />
die Projekte laufen aber noch. Als<br />
erster Hersteller bietet MAN eine Smart<br />
HYBRID Experience nach eigenen Angaben<br />
als komplettes Hybridsystem aus einer<br />
Hand an.<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
29
SCHIFFSTECHNIK<br />
Erste Hybrid-Fähre ist unterwegs<br />
Mit der »Neuland« hat die erste teilelektrische Fähre ihren Dienst im Hamburger Hafen<br />
aufgenommen. Getauft wurde sie von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina<br />
Fegebank. Bis zum Ende des Jahres werden noch zwei weitere Schiffe folgen<br />
Die »Neuland« fährt bereits im Hamburger Hafen<br />
Vor rund 300 geladenen Gästen taufte<br />
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin<br />
Katharina Fegebank (Grüne) die »Neuland«<br />
– traditionell mit einer Sektflasche<br />
und einer »Handbreit Wasser unterm<br />
Kiel«. Traditionell ist an der neuen Fähre<br />
im Hamburger Hafen allerdings wenig:<br />
Das Schiff steht für die Modernisierung<br />
der Flotte des Fährbetreibers Hadag und<br />
setzt auf Hybrid-Technologie. Wie auch<br />
ihre Schwesterschiffe »Finkenwerder«<br />
und »Grasbrook«, die bald folgen werden,<br />
verfügt die »Neuland« über einen<br />
Plug-In-Hybrid-Antrieb, der sowohl den<br />
Dieselverbrauch als auch die Emissionen<br />
der Fähre reduzieren wird. Gebaut wurden<br />
die Schiffe von der SET Schiffsbauund<br />
Entwicklungsgesellschaft Tangermünde<br />
mbH.<br />
Fegebank nannte die Fähre einen<br />
»Meilenstein« für die Hadag und den<br />
Hafen, aber auch für den Klimaschutz<br />
der Stadt. »Mit der ›Neuland‹ reduzieren<br />
wir nicht nur die CO2– und Schadstoffemissionen,<br />
sondern erhöhen gleichzeitig<br />
auch den Komfort für die Fahrgäste.«<br />
Besonders freue sie, dass das Schiff<br />
barrierefrei nutzbar sei und somit allen<br />
Menschen in der Stadt zur Verfügung<br />
stehe. »Neuland« sei nicht nur der Name<br />
des Schiffs, sondern stehe auch für »das<br />
neue Zeitalter«, das es einleite, so Anjes<br />
Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende.<br />
»Die moderne Hybridfähre ist<br />
ein Symbol für innovative Technik und<br />
für unser Engagement, den Hafen und<br />
die ganze Stadt nachhaltiger zu gestalten.«<br />
Langfristig will die Hadag noch einen<br />
Schritt weitergehen und komplett klimaneutral<br />
werden, teilte Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Merle Schmidt-Brunn mit.<br />
Großteil des Betriebs elektrisch<br />
Die neuen Fähren verfügen bereits über<br />
zwei Batterien, die nachts aufgeladen<br />
werden. Sie haben eine Kapazität von<br />
Noch ungetauft: die dritte Fähre, die ab Winter für die Hadag fahren wird<br />
© Hadag<br />
856,5 kWh. Ein Großteil des Betriebs<br />
tagsüber können so bereits elektrisch erfolgen.<br />
Als sogenannter Range-Extender<br />
wird ein Diesel-Generator von Scania mit<br />
478 kW eingesetzt. Die Propeller stammen<br />
von Voith, die Querstrahlruder von<br />
Jastram. Entwickelt wurde das Antriebskonzept<br />
gemeinsam mit den Schiffsdesignern<br />
von naValue aus Flensburg.<br />
Mit 33,40 m etwas länger als das traditionelle<br />
»Bügeleisen« hat die Fähre einen<br />
geringeren Energiebedarf und schafft<br />
gleichzeitig mehr Raum für Multifunktionsflächen.<br />
Auch der Einstiegsbereich<br />
des neuen Schiffstyps wurde für ein steigendes<br />
Fahrgastaufkommen optimiert.<br />
An Bord finden bis zu 250 Passagiere<br />
Platz.<br />
Stapellauf der letzten Fähre<br />
Bis zum Ende des Jahres werden die beiden<br />
Schwesterschiffe die Hadag-Flotte<br />
verstärken. Die dritte und letzte Fähre<br />
wurde im September in Tangermünde zu<br />
Wasser gelassen. Welchen der Namen<br />
»Finkenwerder« oder »Grasbrook« sie<br />
tragen wird, ist noch nicht bekannt. »Unser<br />
Dank gilt der SET-Werft und dem gesamten<br />
Projektteam für die großartige<br />
Zusammenarbeit«, sagte Hadag-Vorstand<br />
Martin Lobmeyer. »Nun freuen wir<br />
uns darauf, das neue Schiff bald in Hamburg<br />
begrüßen zu dürfen.« JW<br />
© Hadag<br />
30 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SCHIFFSTECHNIK<br />
Schiffbauer fordern Nachbesserung<br />
Der europäische Schiffbauverband SEA Europe hat die EU-Kommission aufgefordert,<br />
im Rahmen neuer Beihilferegularien die grüne und digitale Transformation der<br />
Binnenschiffsflotte stärker zu unterstützen<br />
Als Vertreter der europäischen maritimen<br />
Technologieindustrie begrüße<br />
man die Initiative der Kommission<br />
zur Unterstützung des Binnenschifffahrtssektors,<br />
heißt es in einem Statement.<br />
Gleichzeitig werden »ehrgeizigere<br />
Kriterien« gefordert. Sie sollen sicherstellen,<br />
»dass nachhaltige, digitale und<br />
hochtechnologische Lösungen bevorzugt<br />
werden«.<br />
Obwohl der Binnenschifffahrtssektor<br />
jährlich 150 Mrd. Tonnenkilometer<br />
Fracht befördere, sei er mit einer alternden<br />
Flotte und begrenzten finanziellen<br />
Kapazitäten konfrontiert, die von KMU<br />
und Familienbetrieben dominiert werden.<br />
Die Europäische Kommission hat<br />
Kriterien vorgeschlagen, um staatliche<br />
Beihilfen für den Erwerb und die Modernisierung<br />
von Binnenschiffen zu erleichtern.<br />
SEA Europe begrüßt diese Unterstützung,<br />
betont jedoch, dass diese Investitionen<br />
mit dem »Green Deal« der<br />
EU in Einklang stehen und das Geschäftsmodell<br />
der europäischen maritimen<br />
Technologieindustrie, bestehend aus<br />
Werften und Herstellern maritimer Ausrüstung,<br />
unterstützen müssen.<br />
Der Verband beklagt einen Mangel an<br />
Nachhaltigkeit und Innovation: So enthalte<br />
der Entwurf keine Bedingungen für<br />
den Einsatz moderner und umweltfreundlicher<br />
Technologien in neuen<br />
Schiffen – »eine verpasste Gelegenheit«,<br />
so SEA Europe.<br />
Weiterhin würden die Regeln nicht<br />
vorschreiben, dass Schiffe in europäischen<br />
Werften gebaut oder umgerüstet<br />
werden müssen, wodurch Gelder<br />
an außereuropäische Konkurrenten flössen.<br />
Auch gebe es Unklarheiten bei der<br />
Förderungswürdigkeit – hier fordert SEA<br />
Europe klare Kriterien, um sicherzustellen,<br />
dass europäische Werften und<br />
Schiffsausrüster Zugang zu Beihilfen für<br />
die Produktion und Modernisierung von<br />
Binnenschiffen haben.<br />
SEA Europe empfiehlt, dass die Vorschriften<br />
der Europäischen Kommission<br />
spezifische Bestimmungen enthalten,<br />
um sicherzustellen, dass staatliche Beihilfen<br />
die Anschaffung von Schiffen unterstützen,<br />
die mit modernsten, nachhaltigen<br />
Technologien ausgestattet sind,<br />
und dass europäische Hersteller und<br />
Werften Vorrang erhalten.<br />
»Europas Binnenwasserstraßen bieten<br />
eine einzigartige Gelegenheit für Ökologisierung,<br />
Digitalisierung und Automatisierung.<br />
Ohne klare Kriterien, die<br />
Innovation, Umweltschutz und Unterstützung<br />
für europäische Schiffbauer und<br />
Ausrüstungshersteller fördern, könnte<br />
diese Chance jedoch vertan werden«,<br />
sagte Christophe Tytgat, Generalsekretär<br />
von SEA Europe.<br />
MM<br />
MOTOREN<br />
Niederlande stocken Förderung auf<br />
In den Niederlanden wird der Einbau<br />
von Stage-V-Motoren weiter gefördert.<br />
Das Budget ist sogar noch einmal aufgestockt<br />
worden. 12,9 Mio. € standen bislang<br />
für dieses Jahr zur Verfügung. Jetzt<br />
hat die niederländische Regierung noch<br />
einmal 11,1 Mio. € nachgelegt. Gefördert<br />
wird der Einbau von Motoren der EU-<br />
Stufe V, von elektrischen Antriebssystemen<br />
und SCR-Katalysatoren zur<br />
Abgasnachbehandlung.<br />
Infrastrukturminister Barry Madlener<br />
hat die Etataufstockung jüngst verkündet.<br />
Der Gesamtbetrag liegt somit bei<br />
24 Mio. €. Für 2025 stehen den Angaben<br />
zufolge 19 Mio. € zur Verfügung. Seit seiner<br />
Einführung im Jahr 2021 hat sich das<br />
niederländische Förderprogramm als<br />
sehr erfolgreich erwiesen. Die Binnenschifffahrt<br />
genießt im Nachbarland eine<br />
traditionell größere Wertschätzung, der<br />
Sektor ist allerdings auch größer als in<br />
Deutschland. Die Förderung ist ähnlich,<br />
allerdings wird der Einbau von Stage-<br />
CAT C4.4-Dieselmotor der Stufe V auf der STL <strong>2024</strong><br />
V-Motoren hierzulande nicht mehr gefordert.<br />
Nach Angaben der Motorenhersteller<br />
ist die Nachfrage nach Remotorisierung<br />
ohne staatliche Zuschüsse<br />
damit quasi zum Erliegen gekommen.<br />
Stattdessen werden häufig die alten, weniger<br />
umweltfreundlichen Motoren repariert<br />
und weiter genutzt.<br />
KF<br />
© Westerkamp<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
31
SEEHÄFEN | HINTERLAND<br />
Autonomes Baggerschiff für Emden?<br />
Perspektivisch könnte »in nicht allzu ferner Zukunft« ein Baggerschiff ohne Besatzung<br />
durch den Emder Hafen ziehen, so das Fazit des Projekts Amisia von Niedersachsen Ports<br />
(NPorts), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Mareval AG<br />
Die landeseigene Hafengesellschaft<br />
hat zusammen mit dem DLR und<br />
der Mareval AG drei Jahre lang zu effizienteren<br />
Verfahren der Hafenunterhaltung<br />
in Emden geforscht. Jetzt<br />
wurden die Ergebnisse vorgestellt, einschließlich<br />
eines Schiffskonzepts.<br />
Amisia steht für »Advanced Port Maintenance:<br />
Intelligent, Sustainable, Innovative<br />
and Automated Dredging«. Ein Blick in<br />
die Zukunft der Hafenunterhaltung:<br />
»Hochautomatisierte Systeme und ein<br />
ferngesteuertes Forschungsboot lassen<br />
erahnen, dass in vielleicht nicht allzu ferner<br />
Zukunft ein Baggerschiff ohne Besatzung<br />
seine Bahnen durch den Emder Hafen<br />
zieht«, so ein Fazit.<br />
Eine effizientere Hafenunterhaltung<br />
spart Kosten, Energie und Ressourcen, so<br />
die Erwartungshaltung: Bisher werden<br />
jährlich rund 4,5 Mio. € in Emden ausgegeben.<br />
Ungefähr 140 t CO2 verursacht<br />
das jetzige Verfahren außerdem. NPorts-<br />
Chef Holger Banik betont: »Die Hafenunterhaltung<br />
zu optimieren, liegt in unserem<br />
Interesse, weil wir die Kosten um<br />
15 % und die CO2-Emissionen um 20 %<br />
senken könnten.«<br />
Ready-for-Autonomy<br />
Die notwendigen Funktionen, Systeme und<br />
Schnittstellen für einen hochautomatisierten<br />
Betrieb des Schiffes sind definiert und<br />
erprobt. Ready-for-Autonomy erlaubt das<br />
schrittweise Hochrüsten des Schiffes und<br />
sichert einen zukunftsfähigen und nachhaltigen<br />
Betrieb zu.<br />
Design<br />
Das Schiffsdesign ist optimiert auf die<br />
Anforderungen des Emder Hafens.<br />
Es ermöglicht:<br />
› Rezirkulationsbaggerung<br />
› Entnahmebaggerung inkl. Verspülen<br />
an Land<br />
› Die Erreichbarkeit aller Hafenbereiche<br />
› Die Beförderung von Schlick und Sand<br />
Schiffstyp<br />
Zulassung als Binnenschiff,<br />
da kein Seebetrieb vorgesehen ist.<br />
Antrieb & CO 2 -Emissionen<br />
Elektrische Antriebsanlage mit Batteriepuffer<br />
und der Möglichkeit der Integration<br />
von weiteren erneuerbaren Energieträgern<br />
› Leistung der Antriebsanlage ca. 1500 kW<br />
Steuerung<br />
4 Pod-Antriebe für optimiertes Manövrierverhalten<br />
im Hafen mit jeweils 250 kW in<br />
guter Anströmung und 360 Grad drehbar<br />
Konzept für ein für den Emder Hafen optimiertes Baggerschiff<br />
»Fluid-Mud« und Re-Zirkulation<br />
Laut Projektmanagerin Daniela da Rosa<br />
von NPorts sind die Forschungsergebnisse<br />
in ein innovatives Ready-for-Autonomy<br />
Schiffsdesign eingeflossen. »Diese<br />
Technologien ermöglichen es, das Rezirkulationsverfahren<br />
noch wirtschaftlicher<br />
und bedarfsgerechter durchzuführen.«<br />
Dadurch werde man in der<br />
Hafenunterhaltung noch innovativer,<br />
denn, wie seit der Einführung des Rezirkulationsverfahrens<br />
im Emder Hafen<br />
schon damals in den 90er Jahren, »arbeiten<br />
wir nicht unter hohem Aufwand<br />
gegen den Schlick an.» Dadurch sei weiteres<br />
Einsparpotenzial vorhanden.«<br />
Damit der Hafenbetrieb nicht zum<br />
Stillstand kommt, fährt der Hopperbagger<br />
»Anna« den Hafen Emden bedarfsgerecht<br />
ab und behandelt das Sediment<br />
so, dass ein Zustand namens<br />
»Fluid-Mud«, also Flüssig-Schlick, stetig<br />
aufrechterhalten wird. Durch diesen<br />
Flüssig-Schlick kann ein Schiff solange<br />
passieren, bis sich das Gemisch wieder<br />
absetzt und verdichtet. Durch die kontinuierliche<br />
Hafenunterhaltung wird der<br />
Ladevolumen<br />
Hohes Hoppervolumen <strong>10</strong>00 m³<br />
und ein variabler Hopperraum<br />
erlauben Optimierung des<br />
Rezirkulationsprozesses.<br />
Pumpe<br />
An die Anforderungen des<br />
Rezirkulationsverfahrens angepasste<br />
Pumpenauslegung und<br />
Steuerung<br />
› DN 500<br />
› <strong>10</strong>00 m³ pro Stunde<br />
› 250 kW<br />
Bild: MAREVAL AG – Grafik: Niedersachsen Ports<br />
© NPorts/Mareval<br />
Emder Schlick im Zustand des Flüssig-<br />
Schlicks gehalten. Dieses Verfahren der<br />
Hafenunterhaltung, das Re-zirkulationsverfahren,<br />
hat sich im Emder Hafen<br />
schon seit über zwanzig Jahren bewährt<br />
und hat über die Grenzen Ostfrieslands<br />
hinaus als »Emder Verfahren« einen anerkannten<br />
Namen. Banik machte nun<br />
deutlich: »Mit dem Forschungsprojekt<br />
Amisia nehmen wir das bewährte Verfahren<br />
und machen es besser. Wir untersuchen<br />
Möglichkeiten der Hafenunterhaltung,<br />
die effizienter, nachhaltiger<br />
und kostengünstiger sind.«<br />
Der Kerngedanke des Projekts besteht<br />
nach Angaben der Partner darin, die<br />
nachhaltige Kosteneffizienz der Hafenunterhaltung<br />
zu stärken, indem die kostenintensiven<br />
Unterhaltungsbaggerungen<br />
weitgehend automatisiert werden. Ein<br />
Forschungsboot ist mit den notwendigen<br />
Automatisierungstechnologien ausgestattet,<br />
um die Automatisierungs- und<br />
Servicerisiken des Betriebs eines solchen<br />
Schiffes zu testen und zu bewerten. Sebastian<br />
Feuerstack, Abteilungsleiter am DLR<br />
für Systemengineering für zukünftige Mobilität,<br />
zeigte sich zuversichtlich: »Heutzutage<br />
stehen die Technologien, wie etwa in<br />
der Datenverarbeitung, der Kommunikation<br />
und Sensorik, für die Automatisierung<br />
eines Baggerschiffs umfassend<br />
zur Verfügung. Die große Herausforderung<br />
ist jedoch, diese sicher zu gestalten.<br />
Hierzu haben wir im Projekt Testprozesse<br />
erarbeitet, um die Vertrauenswürdigkeit<br />
der Systeme nachzuweisen.<br />
Wir sind zuversichtlich, dass schon in naher<br />
Zukunft die ersten Schiffe teilweise<br />
automatisiert und von Land überwacht<br />
das Hafenbecken unterhalten können.«<br />
Für NPorts hat das Konzept schon einen<br />
Mehrwert, denn es biete eine zukunftsfähige<br />
Alternative zur aktuellen<br />
Lösung. Aber: »Wir wollen allerdings<br />
noch mehr verstehen, um alle Potenziale<br />
zu heben und mit unseren Partnern ein<br />
marktreifes Produkt zu entwickeln. Ein<br />
deutliches Plus erreichen wir dann, wenn<br />
die Ergebnisse der Forschungen in Emden<br />
auf andere Häfen übertragbar sind«,<br />
so NPorts-Chef Banik.<br />
RD<br />
32 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
SEEHÄFEN | HINTERLAND<br />
NIEDERSACHSEN PORTS<br />
Erste Auszubildende zur Wasserbauerin seit 19 Jahren<br />
Insgesamt zwölf Männer und Frauen haben eine eine Lehre bei der<br />
Hafengesellschaft Niedersachsen Ports aufgenommen – unter anderem<br />
wurde nach 19 Jahren erstmals wieder ein Ausbildungsplatz<br />
zur Wasserbauerin angeboten, nachdem es lange Zeit keinen Bedarf<br />
gegeben hatte. An der Niederlassung Norden startete eine<br />
solche Ausbildung die 18-jährige Leevke Suntken, die sagt: »So<br />
ein bisschen lebe ich meinen Kindheitstraum« – eine Entscheidung,<br />
die für die Ostfriesin offensichtlich goldrichtig war.<br />
Wasserbauer errichten, kontrollieren und pflegen Bauwerke<br />
für den Insel- und Küstenschutz, aber auch Ufersicherungen, Unterhaltungswege<br />
(wie Deiche oder Buhnen) und Bauwerke in und<br />
an Gewässern (wie Trockenlegung von Schleusenkammern). Außerdem<br />
sind sie für die Sicherung von Fahrrinnen und Fahrwasser<br />
zuständig und führen Vermessungen sowie gewässerkundliche<br />
Messungen durch. Sie setzen Maßnahmen zum Hochwasserschutz<br />
und zur Hochwasser- und Eisabwehr um, stellen<br />
Bauwerksteile her und lernen, schwimmende Fahrzeuge zu führen<br />
und schwimmende Geräte zu bedienen. Für diesen Beruf<br />
sollte man handwerkliches Interesse sowie eine gute körperliche<br />
Verfassung mitbringen. »Man ist immer draußen und muss auf<br />
jeden Fall schwimmen können«, sagt Suntken.<br />
Ursprünglich wollte die 18-Jährige, die aus der Gemeinde Südbrookmerland<br />
(Landkreis Aurich) zu ihrem Arbeitsort kommt,<br />
dem Bauhof Bensersiel, pendelt, Fahrzeuglackiererin werden.<br />
Doch es kam anders: Ein Bekannter, der beim NLWKN (Niedersächsischer<br />
Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und<br />
Naturschutz) arbeitet, berichtete ihr von seinem Beruf als Wasserbauer.<br />
Sie bewarb sich bei NPorts. »Ein Bürojob wäre gar<br />
nichts für mich gewesen«, weiß die angehende Wasserbauerin,<br />
die in einer handwerklichen Familie aufgewachsen ist.<br />
Leevke Suntken packt auf der Baustelle in Bensersiel mit an<br />
Am ersten Ausbildungstag ging es für sie gemeinsam mit den anderen<br />
Azubis der Niederlassung Norden nach Norddeich, wo sie<br />
den Hafen und alle Werkstätten gezeigt bekam. »Auch nach über<br />
einem Monat habe ich jeden Tag etwas Neues zu tun.« Zum ersten<br />
Mal hat NPorts den Ausbildungsplatz mit einer Frau besetzen können;<br />
bis 2005 hatte es nie weibliche Bewerberinnen gegeben.<br />
Insgesamt zählt NPorts nun 42 Auszubildende. Außer Leevke<br />
Suntken haben am 1. August zwei weitere Frauen und neun Männer<br />
in sieben verschiedenen Berufen und vier Niederlassungen<br />
ihre Ausbildung bei NPorts aufgenommen, darunter sind angehende<br />
Fachkräfte für Metalltechnik, Elektroniker, Kauffrauen<br />
für Büromanagement, Metallbauer, Industriemechaniker und<br />
Schiffsmechaniker.<br />
<br />
© NPorts<br />
FLÄCHENBEDARF FÜR WINDINDUSTRIE<br />
EU-Kommission genehmigt Ko-Finanzierung für Hafenausbau in Cuxhaven<br />
© NPorts<br />
Entwurf vom Hafenprofil Cuxhaven<br />
Die Europäische Kommission hat die öffentliche Teilfinanzierung<br />
der Liegeplätze 5–7 in Cuxhaven genehmigt. Die Hafenerweiterung<br />
soll mehr Platz für On- und Offshore-Windenergie schaffen.<br />
»Die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission<br />
ist eine positive Nachricht, die uns sehr freut. Wir haben in diesem<br />
für die Energiewende wichtigen Infrastrukturprojekt einen<br />
weiteren Meilenstein erreicht: NPorts hat eine rechtliche Grundlage,<br />
um die vom Bund und dem Land zugesagten Mittel einzusetzen«,<br />
erklärt Holger Banik, Geschäftsführer der landeseigenen<br />
Hafengesellschaft Niedersachsen Ports.<br />
38 Hektar schwerlastfähige Logistikfläche für den Umschlag<br />
und die Lagerung von On- und Offshore-Windkraftanlagen sollen<br />
in den nächsten Jahren auf einer Länge von 1.200 m an der Elbe<br />
entstehen. 300 Mio. € Investitionen sind für das Projekt geplant.<br />
Niedersachsen hat <strong>10</strong>0 Mio. € an Landesmitteln zugesagt.<br />
Die Finanzentscheidung der Bundesregierung, sich zu einem<br />
Drittel an den Kosten zu beteiligen, wurde im Frühjahr getroffen.<br />
Die öffentliche Kofinanzierung stellt allerdings eine staatliche<br />
Beihilfe im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts dar. Eine<br />
solche muss von Brüssel genehmigt werden.<br />
Der Bedarf an Flächen ergibt sich durch die Ausbauziele der<br />
Bundesregierung: Die heutigen 8 GW an Windenergie-Kapazitäten<br />
sollen auf 30 GW Gigawatt bis zum Jahr 2030, 40 GW bis<br />
2035 und 70 GW bis 2045 ausgebaut werden.<br />
Eine Genehmigung für den Bau, der Planfeststellungsbeschluss,<br />
liegt schon seit Februar 2020 vor. Die Ausschreibung<br />
und Vergabe der Bauleistungen läuft derzeit, der Baubeginn ist<br />
für Mitte Februar 2025 vorgesehen. Derzeit werden Verträge mit<br />
künftigen Terminalbetreibern verhandelt, die ein weiteres Drittel<br />
der Investitionskosten tragen müssen, bestätigt NPorts. <br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
33
SEEHÄFEN | HINTERLAND<br />
»Grüne« Preise für CMA CGM und UECC<br />
Die Hafengesellschaft Bremenports hat wieder ihren »Green Focus Award« verliehen – und<br />
erneut hat die französische Reedereigruppe CMA CGM gewonnen. Weitere Preisträger<br />
waren die Reederei UECC und – in einer neuen Kategorie – Benjamin Wagner vom Berg<br />
V.l.: Benjamin Wagner vom Berg, Ingrid Hayen (Klimahaus Bremerhaven), Peter Drake (CMA CGM),<br />
Piotr Bartoszewicz (UECC), Jan Thore Foss (UECC), Robert Howe (bremenports)<br />
In diesem Jahr fand die vor zehn Jahren<br />
initiierte Preisverleihung im Rahmen<br />
des Nachhaltigkeitskongresses Envovonnect<br />
<strong>2024</strong> statt. Erstmals wurden nicht nur<br />
das »Sauberste Schiff« und die »Sauberste<br />
Flotte« geehrt, die die bremischen Häfen<br />
im vergangenen Jahr angelaufen haben,<br />
sondern auch eine Person, die sich besonders<br />
um das Thema Häfen und Nachhaltigkeit<br />
verdient gemacht hat. Insgesamt<br />
120 Gäste hatten sich zu der feierlichen<br />
Veranstaltung im Klimahaus angemeldet.<br />
Kategorie Sauberste Flotte:<br />
Hier steht in diesem Jahr eine in Bremerhaven<br />
»Alte Bekannte« im Scheinwerferlicht:<br />
Die CMA CGM-Gruppe kann ihren<br />
Titel aus dem vergangenen Jahr verteidigen,<br />
und stellt auch in diesem Jahr<br />
die sauberste Flotte, die in den bremischen<br />
Häfen angelegt hat. »Als globaler<br />
Anbieter von See-, Land-, Luft- und<br />
Logistiklösungen investiert CMA CGM<br />
seit vielen Jahren in die Dekarbonisierung<br />
und diversifiziert seinen Energiemix<br />
um bis 2050 einen Netto-Null-<br />
Emissionsausstoß zu erreichen«, berichtete<br />
Bremenports-Geschäftsführer<br />
Robert Howe bei der offiziellen Übergabe<br />
der Auszeichnung an Peter Drake, Director<br />
of Ocean Fulfilment, Head of<br />
Transport & Logistics und Latin America<br />
Trade der CMA CGM. Erreicht werden<br />
konnten die guten Flottenwerte vor allem<br />
durch den Einsatz von LNG als Kraftstoff:<br />
So sind 2023 etwa »Containerships<br />
Aurora« mit einem ESI von 89,77 Punkten,<br />
»Containerships Arctic« mit einem<br />
ESI von 87,13 Punkten und »Containerships<br />
Borealis« mit einem ESI von 70,11<br />
Punkten in Bremerhaven angelaufen.<br />
Der Award sei letztlich ein Ausdruck<br />
dafür, dass sich Pionierarbeit wie sie bei<br />
CMA CGA geleistet werde, lohne, so Howe<br />
abschließend.<br />
Kategorie Sauberstes Schiff<br />
Als sauberstes Schiff konnte sich in diesem<br />
Jahr ein RoRo-Transporter durchsetzen,<br />
der sozusagen den Begriff Fortschritt<br />
schon im Namen trägt: Die »Auto<br />
Advance« der norwegischen RoRo-Reederei<br />
UECC (United European Car Carriers).<br />
Das 169 m lange und 29 m breite<br />
Schiff hat eine Kapazität von 3600 Fahrzeugen<br />
und hat Bremerhaven in 2023 insgesamt<br />
<strong>10</strong> Mal angelaufen – und das mit<br />
einem ESI von 80,1 Punkten.<br />
© Bremenports<br />
»Die ›Auto Advance‹ verfügt über einen<br />
hybriden LNG/Batterie-Antrieb –<br />
dadurch weist unser Schiff tatsächlich<br />
sehr gute Emissionswerte auf. Wir freuen<br />
uns sehr, dass dies nun auch mit diesem<br />
Award gewürdigt wird – das bestärkt uns<br />
weiterhin auf eine grüne Flotte zu setzen«,<br />
erklärte Jan Thore Foss, Head of<br />
Newbuilding bei UECC, der die Auszeichnung<br />
gemeinsam mit dem Kapitän<br />
des Schiffes, Captain Piotr Bartoszewicz<br />
entgegennahm. Robert Howe: »Auch die<br />
UECC ist mittlerweile eine echte Green-<br />
Focus-Award-Größe: Zuletzt 2022 wurde<br />
die Reederei für die sauberste Flotte und<br />
2018 und 2022 zudem mit dem Award<br />
für das sauberste Schiff ausgezeichnet.<br />
Herzlichen Glückwunsch, dass es dieses<br />
Jahr wieder geklappt hat!«<br />
Kategorie Engagement<br />
Aus rund 30 Persönlichkeiten, die im<br />
Vorfeld aus der Logistik- und Hafenbranche<br />
heraus für den neuen Award vorgeschlagen<br />
worden waren, hat eine renommierte<br />
Jury letztlich eine Person ausgewählt.<br />
Der erster Green Focus Award<br />
in der Kategorie Engagement ging an<br />
Prof. Dr. Ing Benjamin Wagner vom<br />
Berg. Ersei seit vielen Jahren in Bremerhaven,<br />
Bremen und der Region tätig und<br />
über seine Professur an der Hochschule<br />
eng mit den bremischen Häfen verbunden,<br />
so die Begründung. Howe: »Persönlich<br />
engagiert er sich insbesondere für<br />
Emissionsreduzierungen in Logistikprozessen,<br />
betreut einschlägige Studienabschlussarbeiten,<br />
initiiert und beteiligt<br />
sich an entsprechenden Forschungs- und<br />
Entwicklungsprojekten. Mit deutlicher<br />
Stimme hat er sich auch in die Enquetekommission<br />
der bremischen Bürgerschaft<br />
zur Erreichung der gesteckten Klimaziele<br />
eingebracht, ist ehrenamtlich im<br />
Vorstand des Vereins der Wirtschaftsingenieure<br />
im Transportwesen e.V. tätig<br />
und tritt quasi nebenbei auch noch aktiv<br />
für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen<br />
ein. Kurzum: Herr Wagner<br />
ist ein echter Aktivposten nicht nur in<br />
und rund um unsere Häfen.« <br />
34 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
Unsere Häfen.<br />
Ihre Zukunft.<br />
www.nports.de<br />
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WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
© duisport<br />
Eröffnung mit Prominenz: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und duisport-CEO Markus Bangen (Mitte) drückten zusammen mit<br />
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (3.v.l.) und Vertretern der anderen drei DGT-Gesellschafter HTS, Hupac und PSA den Startknopf<br />
Container statt Kohle<br />
Das Duisburg Gateway Terminal geht als größtes Containerterminal im europäischen<br />
Binnenland an den Start. Beim Modal Split liegt der Fokus klar auf Binnenschiff und Bahn,<br />
außerdem wird es klimaneutral und digital vernetzt betrieben. Von Krischan Förster<br />
Es ist einer der bedeutendsten Meilensteine<br />
in der über 300-jährigen Geschichte<br />
des Duisburger Hafens: Auf der<br />
ehemaligen Kohleninsel ist feierlich das<br />
Duisburg Gateway Terminal (DGT) eröffnet<br />
worden. Der erste Bauabschnitt ist<br />
fertiggestellt.<br />
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident<br />
Hendrik Wüst sprach von einem<br />
herausragenden Beispiel für den gelungenen<br />
Strukturwandel im Ruhrgebiet. »Die<br />
Umsetzung von der Idee bis zu Fertigstellung<br />
in nur wenigen Jahren zeigt, dass wir<br />
in Nordrhein-Westfalen Tempo machen.«<br />
Nach Ansicht von Duisburgs<br />
Oberbürgermeister Sören Link wird<br />
Duisburg künftig eine zentrale Rolle in<br />
der deutschen Energiewende spielen.<br />
Gemeinsam mit duisport-CEO Markus<br />
Bangen und Vertretern der anderen<br />
drei DGT-Gesellschafter HTS, Hupac<br />
und PSA sowie des Forschungsinstituts<br />
Fraunhofer Umsicht drückten die beiden<br />
Politiker im Beisein von rund 250 geladenen<br />
Gästen den symbolischen Startknopf.<br />
Wo früher Millionen Tonnen an Kohle<br />
umgeschlagen wurden, ist ein hochmoderne<br />
Umschlaganlage entstanden.<br />
Duisburg Gateway Terminal<br />
• Gesellschafter: duisport, HTS,<br />
Hupac und PSA<br />
• Geschäftsführer: Christoph<br />
Kahlert, Sven Zölle<br />
• Baukosten (1. Bauabschnitt):<br />
rund 120 Mio. €, davon rund<br />
50 Mio. € Förderung<br />
• Bauzeit: 2 Jahre<br />
• Terminalfläche: 235.000 m2<br />
• 1. Bauabschnitt: 150.000 m2<br />
• Kapazität (Endausbau): bis zu<br />
850.000 TEU<br />
• 6 Ganzzuggleise unter Kran<br />
(im Endausbau 12)<br />
• Gleislänge: >730 m<br />
• 3 Portal-Krananlagen (im Endausbau<br />
mindestens 6)<br />
• 6 Liegeplätze für Binnenschiffe<br />
Das DGT ist nicht nur das zehnte Containerterminal<br />
im Duisburger Hafen, es wird<br />
im Endausbau zugleich das größte im gesamten<br />
europäischen Binnenland sein.<br />
Die Umschlagkapazität im Hafen steigt<br />
um rund 850.000 TEU pro Jahr. »Damit<br />
bauen wir die Position als eines der wichtigsten<br />
Logistik-Drehkreuze in Europa<br />
weiter aus und stärken unsere Funktion<br />
als Rückgrat der Industrie in Nordrhein-<br />
Westfalen«, sagt duisport-CEO Markus<br />
Bangen.<br />
Die Baukosten für den ersten Bauabschnitt<br />
inklusive des Energieprojekts<br />
»EnerPort II« und des Baus einer Brücke<br />
gibt Duisport mit 120 Mio. € an. Davon<br />
wurden rund 50 Mio. € von staatlicher<br />
Seite gefördert. Die Bauzeit betrug zwei<br />
Jahre.<br />
Die im ersten Bauabschnitt in Betrieb<br />
genommene Fläche beläuft sich auf<br />
150.000 m2. Die gesamte Terminalfläche<br />
erstreckt sich auf 235.000 m2. Neben aktuell<br />
sechs Ganzzuggleisen von 730 m<br />
Länge unter Kran stehen zudem sechs<br />
Liegeplätze für Binnenschiffe bereit. Die<br />
36 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
AUTOMATISIERTE KRÄNE<br />
Start für 5G-Projekt<br />
im Duisburger Hafen<br />
Binnenschiffe sollen 40 % des Umschlagvolumens am neuen Duisburger Termimal abfahren<br />
Umschlagkapazität von 850.000 TEU<br />
wird im Endausbau mit zwölf Ganzzuggleisen<br />
erreicht.<br />
Beim Modal Split liegt der Fokus klar<br />
auf den umweltfreundlichen Verkehrsträgern.<br />
Bahn und Binnenschiff sollen<br />
für jeweils 40 % des Umschlagvolumens<br />
sorgen, für den Lkw bleiben lediglich<br />
20 %. Alle Güterbewegungen werden digital<br />
gesteuert.<br />
Erstmals wird an einem Terminal ein<br />
Konzept zur vollständigen energetischen<br />
Transformation umgesetzt. So soll die Erzeugung<br />
von Wärme und Strom vollkommen<br />
klimaneutral erfolgen. Auf dem<br />
DGT wird dazu ein Energiesystem installiert,<br />
das erneuerbare Energien, Energiespeicher,<br />
Verbraucher und Wasserstofftechnologien<br />
miteinander koppelt.<br />
Dabei kommen Komponenten wie<br />
Photovoltaik-Anlagen, Brennstoffzellen-<br />
Systeme, Wasserstoffmotoren sowie Batteriespeicher<br />
zum Einsatz. Ein lokales<br />
Energienetz koppelt die verschiedenen<br />
Energieanlagen und -speicher zur Versorgung<br />
der Verbraucher auf dem Terminal<br />
– dazu gehören Landstrom, Ladesäulen<br />
und Krananlagen. Darüber hinaus ist<br />
eine Versorgung angrenzender Quartiere<br />
künftig denkbar. Das Projekt wurde im<br />
Rahmen der »Technologieoffensive Wasserstoff«<br />
vom Bund gefördert. <br />
Im Duisburger Hafen hat der Aufbau eines<br />
5G-Testfelds begonnen. Über die<br />
Mobilfunktechnologie soll die teilautomatisierte<br />
Steuerung von Hafenkränen<br />
erprobt werden. Ziel ist es, auf<br />
diesem Weg die Kapazitäten für den<br />
Umschlag von Containern zu erhöhen.<br />
Das Land Nordrhein-Westfalen hat das<br />
Projekt über den Wettbewerb 5G.NRW<br />
für eine Förderung ausgewählt und stellt<br />
dafür in den nächsten zwei Jahren rund<br />
1 Mio. € bereit.<br />
Eine teilautomatische Steuerung von<br />
mobilen Umschlaggeräten in Binnenhäfen<br />
ist bisher nicht möglich. Die Projektpartner<br />
wollen daher erstmals die<br />
technischen Voraussetzungen dafür<br />
schaffen. Beteiligt sind die Universität<br />
Duisburg-Essen (UDE), die Duisburger<br />
Hafen AG (duisport), startport, die<br />
Deutsche Telekom und Polo Know-<br />
How IndustrieEngineering.<br />
Die Telekom stattet das Hafengelände<br />
des Logport I in Rheinhausen für das<br />
Projekt mit einem eigenen 5G-Campus-<br />
Netz aus – einem exklusiven, lokal begrenztes<br />
Mobilfunknetz. Die Teilautomatisierung<br />
mit Hilfe von 5G soll<br />
die Kapazität der Kräne erhöhen. Dadurch<br />
ließe sich der Container-Umsatz<br />
steigern, ohne dass der Hafen zusätzliche<br />
Flächen benötigt. Geplant ist<br />
außerdem, über die 5G-Technologie eine<br />
Vielzahl von Kameras und- Sensoren<br />
im Hafengebiet miteinander zu verknüpfen.<br />
So soll der Warenumschlag<br />
über Straße, Schiene und Wasser noch<br />
besser steuerbar werden.<br />
© duisport<br />
Erst sind es sechs Ganzzuggleise auf 730 m Länge am DGT, im Endausbau werden es zwölf sein<br />
Optimierte Logistik-Prozesse<br />
Vom Aufbau des 5G-Campus-Netzes<br />
auf dem Hafengelände die lokalen Unternehmen.<br />
Auch sie können künftig<br />
ihre Prozesse automatisieren und weiter<br />
optimieren. »Die Ergebnisse des Projektes<br />
können zu einer Blaupause für andere<br />
Terminals in Duisburg, aber auch für<br />
Hinterlandterminals in ganz Deutschland<br />
sowie international werden«, sagt<br />
Alexander Garbar, Leiter der Unternehmensentwicklung<br />
bei duisport und<br />
Geschäftsführer bei startport. Die Stadt<br />
Duisburg rechnet damit, dass dieses<br />
Leuchtturmprojekt weitere Unternehmen<br />
in die Region locken wird. RD<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
37
WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
Mannheimer gehen gemeinsam voran<br />
Das Land Baden-Württemberg, die Stadt sowie der Landeshafen Mannheim haben<br />
Gespräche zur künftigen Entwicklung im urbanen Umfeld gestartet. Dabei sind<br />
verschiedene Interessen zu berücksichtigen<br />
Bei den Sondierungen geht es um latente<br />
Konflikte zwischen Städtebau<br />
und der wirtschaftlichen Nutzung mehrerer<br />
Standorte. Auch die Rolle des Landeshafens<br />
für die Wirtschaftsregion und<br />
die Energiewende ist Thema der Gespräche.<br />
Gesprochen wird aber – und zwar zwischen<br />
den Ministerien für Verkehr und<br />
für Finanzen, der Stadt Mannheim sowie<br />
der Staatlichen Rhein-Neckar-<br />
Hafengesellschaft. Der »Zukunftsdialog<br />
Hafen Mannheim 2050« ist im September<br />
per unterschriebener Absichtserklärung<br />
(Letter of Intent) besiegelt worden.<br />
Das gemeinsame Anliegen ist es, die<br />
unterschiedlichen Belange der Hafenund<br />
Stadtentwicklung in wirtschaftlicher,<br />
räumlicher und verkehrlicher Hinsicht<br />
bestmöglich zu vereinbaren, heißt es. Es<br />
gehe darum, Lösungen für die Herausforderungen<br />
von Dekarbonisierung, Klimaveränderung,<br />
Versorgungssicherheit,<br />
Verkehrs- und Energiewende sowie wirtschaftlicher<br />
Entwicklung und Wohlstandssicherung<br />
zu erarbeiten.<br />
Mehr Binnenschiffe in Mannheim<br />
Binnenschiff »Ursula Valentin« auf dem Rhein<br />
Unterzeichnung des »Zukunftsdialogs Hafen Mannheim 2050«<br />
© Förster<br />
Verkehrsminister Winfried Hermann<br />
sagte: »Angesichts des rasanten Klimawandels<br />
muss die Binnenschifffahrt als<br />
eine klimaschonende Transportmöglichkeit<br />
dringend gestärkt werden.<br />
Der Mannheimer Hafen bietet dafür die<br />
Chance als eine wichtige Drehscheibe<br />
für kombinierte Gütertransporte auf der<br />
Straße, der Schiene und auf dem Wasserweg.«<br />
Der Hafen soll eine »gute Zukunft«<br />
haben und bestmöglich genutzt<br />
werden, fügte Finanzstaatssekretärin Gisela<br />
Splett hinzu. »Im Dialog mit der<br />
Stadt wollen wir einen gemeinsamen<br />
Weg finden, der sowohl die Entwicklung<br />
des Hafens und den Klimaschutz voranbringt<br />
als auch Fragen der Stadtentwicklung<br />
beantwortet.«<br />
Oberbürgermeister Christian Specht<br />
hob die Bedeutung des Hafens als einer<br />
der größten des Landes hervor. Er spiele<br />
eine »zentrale Rolle für die Versorgung<br />
der Wirtschaft und der Bevölkerung in<br />
ganz Süddeutschland und in Teilen Westeuropas.«<br />
»Der Hafen und seine über 420 Kunden<br />
brauchen Planungssicherheit für<br />
Investitionen. Grundlage dafür ist ein<br />
verlässliches Bekenntnis der Stadt zum<br />
Hafen und ihre Unterstützung seiner<br />
künftigen Entwicklung mit all seinen<br />
Funktionalitäten für Logistik, Handel,<br />
Produktion und hafennahem Gewerbe«,<br />
fügte Hafendirektor Uwe Köhn<br />
hinzu.<br />
RD<br />
© Stadt Mannheim<br />
38 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
Memorandum setzt »wichtige Impulse«<br />
Am Wesertag <strong>2024</strong> in Rinteln wurde das »Oberweser-Memorandum« verabschiedet. Es<br />
betont die Bedeutung des Flusses als sauberes Gewässer, attraktives Tourismusziel und<br />
unverzichtbare Binnenwasserstraße<br />
Die Zukunft der Binnenschifffahrt<br />
und eine nachhaltige Entwicklung<br />
der Oberweser-Region: Dies waren die<br />
Kernthemen des Wesertags, der Anfang<br />
September in Rinteln stattfand. Einer der<br />
wichtigsten Erfolge der Veranstaltung<br />
war die Verabschiedung des »Oberweser-Memorandums«,<br />
das konkrete Maßnahmen<br />
zur langfristigen Sicherung und<br />
Entwicklung der Region festlegt. Es wurde<br />
gemeinsam von den Mitgliedern des<br />
Weserbunds – darunter viele Anrainer-<br />
Landkreise und -Kommunen – und den<br />
Mitgliedern des Wirtschaftsverbands<br />
Weser verabschiedet. Ziel sei es, die<br />
Oberweser nachhaltig zu stärken und<br />
weiterzuentwickeln.<br />
»Die Veranstaltung hat eindrucksvoll<br />
gezeigt, dass wir gemeinsam viel für die<br />
Region erreichen können«, sagte Uwe<br />
Beckmeyer, Vorsitzender des Wirtschaftsverbands<br />
Weser. Man habe gemeinsam<br />
wichtige Impulse für die Zukunft<br />
gesetzt. Das Memorandum sei<br />
demnach eine wichtige Richtlinie für die<br />
kommenden Jahre, um die Flussregion<br />
sowohl ökologisch als auch ökonomisch<br />
nachhaltig zu gestalten. Auch Christian<br />
Meyer, niedersächsischer Energieminister,<br />
Staatsrat Kai Stührenberg sowie<br />
Udo Sieverding aus dem Ministerium für<br />
Umwelt, Naturschutz und Verkehr unterstrichen<br />
in ihren Reden die Notwendigkeit<br />
einer starken Kooperation zwischen<br />
den Bundesländern sowie die Potenziale<br />
der Binnenschifffahrt für die Energiewende<br />
und die regionale Wertschöpfung.<br />
• Gewässerschutz:<br />
Die Wiederherstellung eines guten Gewässerzustands<br />
der Weser ist ein zentrales<br />
Anliegen und erfolgt auf Basis der<br />
europäischen Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL). Um die Beschaffenheit zu verbessern,<br />
müssen punktuelle Einträge aus<br />
industriellen, kommunalen und landwirtschaftlichen<br />
Abläufen weiter reduziert<br />
werden, um Belastungen aus Abschwemmungen<br />
zu vermeiden.<br />
• Wassertourismus:<br />
Die Oberweser besitzt Potenzial als attraktives<br />
Ziel für Wassersportler und Erholungssuchende.<br />
Man fordert daher<br />
Maßnahmen zur Verbesserung der touristischen<br />
Infrastruktur, so zum Beispiel<br />
den Ausbau von Anlegestellen, die Bereitstellung<br />
von Serviceeinrichtungen<br />
und die Förderungen von Aktivitäten<br />
entlang des Flusses.<br />
• Binnenwasserstraße:<br />
Die Oberweser soll als wichtige Verkehrsader<br />
für die Fahrgastschifffahrt<br />
und den Gütertransport weiter gestärkt<br />
werden. Dies beinhaltet die Förderung<br />
von Logistik- und Umschlagzentren entlang<br />
des Flusses sowie die Schaffung<br />
günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmen,<br />
die diese Wasserstraße nutzen.<br />
Die Infrastruktur soll langfristig erhalten<br />
und modernisiert werden, um eine<br />
sichere Binnenschifffahrt zu gewährleisten.<br />
Dies umfasst die Instandhaltung<br />
und den Ausbau von Schleusen, Anlegestellen<br />
sowie die Gewährleistung ausreichender<br />
Wassertiefen. Das »Triggerlinien-Modell«<br />
soll nach Ende der Pilotphase<br />
auslaufen. Ein Mindestpegel von<br />
1,20 m in Hannoversch Münden sei<br />
»unverzichtbar« für die gewerbliche<br />
Schifffahrt.<br />
• Umweltschutz und Nachhaltigkeit:<br />
Bei allen Maßnahmen sollen die Prinzipien<br />
des Umweltschutzes berücksichtigt<br />
werden. Dies beinhalte laut Memorandum<br />
den Schutz natürlicher Lebensräume<br />
entlang des Flusses sowie die Förderung<br />
umweltfreundlicher Transportund<br />
Tourismuskonzepte.<br />
• Zusammenarbeit und Dialog:<br />
Um gemeinsam an der Stärkung der<br />
Oberweser-Region zu arbeiten, wird eine<br />
enge Kooperation zwischen allen Akteuren<br />
angestrebt. Dies umfasst auch Regierungsbehörden,<br />
Wirtschaftsverbände,<br />
Tourismusorganisationen und Umweltschutzgruppen.<br />
So könne man Herausforderungen<br />
identifizieren und gemeinsame<br />
Lösungen erarbeiten.<br />
Im Rahmen des Wesertags wurden außerdem<br />
die Vorstände beider Verbände<br />
neu gewählt. Uwe Beckmeyer (Bildmitte)<br />
ist in beiden Ämtern als Vorsitzender bestätigt<br />
worden. Peter Kienzle, Vorstandsmitglied<br />
seit 2006, wurde in den Ruhestand<br />
verabschiedet.<br />
JW<br />
Gütertransport weiter stärken<br />
Das Oberweser-Memorandum umfasst<br />
fünf Unterpunkte:<br />
Bestätigte und neu gewählte Vorstandsmitglieder des Weserbunds und des Wirtschaftsverbands Weser<br />
© Wirtschaftsverband Weser e.V.<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
39
WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
Ein Unglück kommt selten allein …<br />
Die Elbe vor der sächsischen Landeshauptstadt Dresden ist gleich zweimal binnen<br />
kürzester Zeit zum Schauplatz von Unglücken geworden. Erste stürzte die Carolabrücke<br />
ein, dann rollte eine Hochwasserwelle über Anleger und Uferbefestigungen hinweg<br />
Der sogenannte Brückenzug C der Dresdner Carolabrücke ist in die Elbe gestürzt<br />
Glück im Unglück: Beim Einsturz der wichtigen<br />
Carolabrücke über die Elbe in Dresden in der Nacht<br />
vom 11. Auf den 12. September ist niemand zu<br />
Schaden gekommen. Nur zehn Minuten zuvor war<br />
allerdings die letzte Straßenbahn über die Brücke<br />
gefahren. Auf einer Länge von etwa <strong>10</strong>0 m stürzte<br />
ein Teil der Brücke in die Elbe. Am Brückenkopf auf<br />
der Altstädter Seite bildete sich auf einer Länge von<br />
etwa 1 m ein Spalt. Auch Fernwärme-Leitungen<br />
wurden in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Experten sehen Korrosion als den wahrscheinlichsten<br />
Grund. Zwei Teile der Carolabrücke<br />
waren in den vergangenen Jahren modernisiert worden,<br />
dann jedoch stürzte der sogenannte Brückenzug<br />
C ein, der erst im kommenden Jahr saniert werden<br />
sollte.<br />
Nach Anhaben der Stadt sollen die zerstörten<br />
Teile der Brücke ab dem 7. Oktober abgetragen<br />
werden. Die Abrissarbeiten waren eingestellt worden,<br />
nachdem Hochwasser-Warnstufe 3 ausgerufen<br />
© Haubold<br />
40 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
WASSERSTRASSEN | HÄFEN<br />
Die Fotos aus der Unglücksnacht zeigen die Auswirkungen des Brückeneinsturzes. Bei den Abbrucharbeiten kam ein mobiles Signalhorn zum Einsatz<br />
© Haubold<br />
worden war. Zuvor lief der Abriss der wenige<br />
Tage zuvor eingestürzten Brücke auf<br />
der Neustädter Seite im Akkord, um eine<br />
potenzielle Gefahr zu beseitigen. Denn<br />
mit heftigen Niederschlägen im Einzugsgebiet<br />
der Elbe in Tschechien hatte sich<br />
eine kräftige Flutwelle angekündigt. Elf<br />
Wochen sollen die Arbeiten insgesamt<br />
dauern, bis mindestens Ende Dezember<br />
dürfte die Elbe somit blockiert sein.<br />
Beide Ereignisse haben auch die Weiße<br />
Flotte Dresden mit ihren berühmten<br />
Dampfern ausgebremst. Die Trümmerteile<br />
hatten das Fahrtgebiet in zwei Teile<br />
– stromaufwärts und stromabwärts von<br />
Dresden – getrennt. Zunächst gilt ein improvisierter<br />
Fahrplan. Ab dem Dresdner<br />
Terrassenufer geht es stromabwärts in<br />
Richtung Meißen, von der Dresdner Albertbrücke<br />
aus stromaufwärts in Richtung<br />
Pillnitz und Sächsische Schweiz. Mit<br />
dem Hochwasser mussten aber auch diese<br />
Fahrten eingestellt werden. Erst am<br />
27. September wurden sie wieder aufgenommen.<br />
Zuvor mussten die Anlegestellen und<br />
die Schiffe für den Neustart vorbereitet<br />
werden. Schlamm wurde beseitigt, die<br />
elektronischen Anzeigetafeln an den Stationen<br />
der Flotte wieder aufgehängt und<br />
die Schiffe startklar gemacht.<br />
Die Ausfälle sollen möglichst durch<br />
mehr Fahrten bis in den November hinein<br />
kompensiert werden, kündigte Geschäftsführerin<br />
Astrid Rockel an. »Trotz der<br />
Dresdner Brückenkatastrophe können wir<br />
nahezu alle gewohnten Fahrten anbieten.«<br />
Ungelöst bleibt allerdings noch, wie der<br />
Werftplan eingehalten werden kann. So<br />
waren an mehreren Dampfern Wartungsarbeiten<br />
in Laubegast vorgesehen, außerdem<br />
die Modernisierung des Salonschiffs<br />
»August der Starke«. Die Werft liegt<br />
stromaufwärts kurz vor Pillnitz.<br />
Betroffen ist auch die Güterschifffahrt.<br />
Der Dresdner Hafen der SBO ist aus<br />
Richtung Magdeburg weiter zu erreichen.<br />
Von den bis zu 50 Schiffen, die jährlich<br />
die Landeshauptstadt anfahren, kommen<br />
die meisten allerdings aus Tschechien.<br />
Von dort aus ist nun kein Durchkommen<br />
mehr. Somit bleiben die tschechischen<br />
Häfen der SBO in Lovosice und Decin auf<br />
dem Wasserweg abgeschnitten. <br />
Nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden kam das Hochwasser, das deutlich sichtbare Schäden an Anlegestellen der Weißen Flotte hinterließ<br />
© Haubold<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
47
RECHT<br />
Diese begegnet darüber hinaus auch rechtlichen<br />
Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz<br />
der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung.<br />
Bei den Kosten des Verklarungsverfahrens<br />
handelt es sich – jedenfalls bei der<br />
vorliegend gegebenen Identität von<br />
Parteien und Streitgegenstand im Haupt -<br />
sacheverfahren – anerkanntermaßen um<br />
einen Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens,<br />
der in aller Regel zur zweckentsprechenden<br />
Rechtsverfolgung gemäß § 91<br />
ZPO notwendig ist (vgl. v. Waldstein/Holland,<br />
Binnenschiffahrtsrecht 5. Auflage, § 14<br />
BinSchG Rn. 11; Senat VersR 1995, 486; OLG<br />
Karlsruhe VersR 1994, 367; OLG Hamburg,<br />
ZfB 2018, Sammlung Seite 2520 f; davon<br />
geht auch der Beschluss des Senats vom<br />
<strong>10</strong>.11.2015, Az. 3 W 55/15 zit. n. juris inzident<br />
aus). Die Entscheidung über die Kosten des<br />
Rechtsstreits ist aber mit Rücksicht auf den<br />
Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung<br />
insgesamt dem Schlussurteil<br />
vorzubehalten (vgl. hierzu Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 301 Rn. 21 m.w.N.). Soweit von diesem<br />
Grundsatz aus prozessökonomischen<br />
Gründen in besonders gelagerten Fällen<br />
Ausnahmen zugelassen werden, wenn ein<br />
schutzwürdiges Interesse einer Partei an<br />
einer vorgezogenen Kostenentscheidung<br />
besteht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom<br />
25.11.1959, Az.: V ZR 82/58, zit. n. juris; KG,<br />
Beschluss vom 21.08.2013, Az.: 5 W 170/13,<br />
zit. n. juris; Zöller-Feskorn, a.a.O., § 301 Rn.<br />
21 m.w.N.), sind diese Ausnahmen vorliegend<br />
nicht einschlägig. Es handelt sich vielmehr<br />
in der Sache um eine Teilkostenentscheidung<br />
über einen gegenständlich<br />
beschränkten Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens,<br />
die prozessual nicht zulässig<br />
ist …<br />
Der Senat sieht sich … außerstande, das<br />
angefochtene Urteil unter Vornahme dieser<br />
Berichtigung aufrechtzuerhalten, weil die<br />
Voraussetzungen, unter denen nach der<br />
Zivil pro zessordnung der Erlass eines<br />
Grund urteils in Betracht kommt, nicht gegeben<br />
sind. Gemäß § 304 ZPO kann, wenn ein<br />
Anspruch nach Grund und Betrag streitig<br />
ist, das Gericht über den Grund vorab entscheiden.<br />
Die Voraussetzungen des § 304<br />
ZPO sind in allen Instanzen von Amts wegen<br />
zu prüfen (allg. M. vgl. Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 28; BGH Urt. v. 14.<strong>10</strong>.1993,<br />
Az. III ZR 157/92, zit. n. juris; BGH NJW<br />
2003, 2380; BGH MDR 2016, 1377; BGHZ<br />
189, 356). Sinn dieser Vorschrift ist es, dem<br />
Prozessgericht mit Blick auf prozesswirtschaftliche<br />
Erwägungen die Möglichkeit einer<br />
echten Vorentscheidung des Prozesses<br />
einzuräumen, um Fragen, die nicht die<br />
Höhe, sondern allein den Grund des eingeklagten<br />
Betrages betreffen, unter Vermeidung<br />
zeitraubender und kostspieliger<br />
Bewei saufnahmen vorab abgeschichtet<br />
einer Entscheidung zuzuführen in der Hoffnung,<br />
dass bei einer Vorabklärung des<br />
Grundes später über die Höhe Einigkeit erzielt<br />
werden kann (vgl. hierzu BGH NJW-RR<br />
1989, 1149; BGH NJW 1991, 1896). Voraussetzung<br />
für den Erlass eines Grundurteils<br />
ist damit einerseits, dass Gegenstand der<br />
Klage ein bezifferter Anspruch ist (vgl. Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 2 ff.; BGH, Urt.<br />
v. 14.<strong>10</strong>.1993, Az. III ZR 157/92; OLG Hamm,<br />
Urt. v. 18.<strong>10</strong>.2016, Az. 9 U 19/15, beide zit. n.<br />
juris). Denn nur dann kommt ein Streit über<br />
Grund und Höhe überhaupt in Betracht.<br />
Demgegenüber scheidet ein Grundurteil<br />
über einen unbezifferten Feststellungs -<br />
antrag wesensgemäß aus, da bei diesem<br />
die Möglichkeit einer Trennung in Grundund<br />
Betragsverfahren nicht gegeben ist<br />
(vgl. BGH Urt. v. 14.<strong>10</strong>.1993, Az. III ZR<br />
157/92; OLG Hamm, Urt. v. 18.<strong>10</strong>.2016, Az. 9<br />
U 19/15, beide zit. n. juris; BGH NJW 1991,<br />
1896; OLG Koblenz MDR 2011, 944). Vorliegend<br />
sind daher allenfalls die Klageanträge<br />
zu 1) und 3), nicht aber der unbezifferte<br />
Feststellungsantrag zu 2) im Ansatz grundurteilsfähig<br />
mit der Folge, dass allenfalls<br />
ein Teil-Grundurteil hinsichtlich der Leistungsanträge,<br />
ggf. verbunden mit einem<br />
Teil urteil hinsichtlich des Feststellungsantrages<br />
in Betracht käme (vgl. Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 3 m.w.N.; BGH NJW 1991,<br />
1896; BGH WM 1992, 432; BGH Urt. v.<br />
14.<strong>10</strong>.1993, Az. III ZR 157/92, zit. n. juris;<br />
BGH MDR 1997, 774; BGH NJW 2003, 2380;<br />
BGHZ 182, 116; OLG Koblenz MDR 2011,<br />
944; OLG Hamm, Urt. v. 18.<strong>10</strong>.2016, Az. 9 U<br />
19/15, zit. n. juris). Es fehlt jedoch auch hinsichtlich<br />
der im Ansatz grundurteilsfähigen<br />
Leistungsanträge an der weiteren Voraussetzung<br />
des Streits über den Grund des Anspruches<br />
(vgl. zu diesem Erfordernis Zöller-<br />
Feskorn, a.a.O., § 304 Rn. 5; BGH NJW-RR<br />
1989, 1149; BGHZ 143, 189; BGH NJW 1991,<br />
1896; BGH NJW 1992, 2487; BGH MDR 2016,<br />
1377). Ein solcher wird zwar bereits bei jeder<br />
nicht ganz fern liegenden Rechtsunsicherheit<br />
betreffend den Grund des Anspruches<br />
angenommen (vgl. Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 5). So soll selbst ein bloßes<br />
derzeitiges Nichtbestreiten des Anspruchsgrundes<br />
durch den Gegner dem Erlass eines<br />
Grundurteils nach einer in der Literatur<br />
vertretenen Auffassung nicht schlechterdings<br />
entgegenstehen (vgl. Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 5; a.A. wohl BGH NJW<br />
1992, 2487), wohl aber nach ganz h.M. ein<br />
ausdrückliches Zugeständnis der Haftung<br />
dem Grunde nach bei gleichzeitigem fehlenden<br />
Bestreiten des Eintritts eines ersatzfähigen<br />
Schadens als solchem durch den<br />
Gegner (vgl. die Nachweise bei Zöller-Feskorn,<br />
a.a.O., § 304 Rn. 5; BGH NJW-RR 1989,<br />
1149; BGHZ 143, 189). Denn dann streiten<br />
die Parteien lediglich um die Höhe des<br />
Schadensersatzanspruches und der mit §<br />
304 ZPO verfolgte Zweck kann nicht erreicht<br />
werden (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1149;<br />
BGHZ 143, 189). Ein solcher Fall ist aber vorliegend<br />
gegeben. Die Beklagten haben in<br />
der Klageerwiderung ihre Haftung für das<br />
Unfallereignis und seine Folgen dem Grunde<br />
nach ausdrücklich anerkannt und damit<br />
dem Streit der Parteien entzogen und zugleich<br />
auch den Eintritt eines unfallbedingten<br />
Schadens nicht in Abrede gestellt …<br />
Urteil des Schiffahrtsgericht Duisburg-<br />
Ruhrort, Az.: 5 C 3/21 <strong>BS</strong>ch, rechtskräftig.<br />
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung<br />
der von ihr an den Ausrüster von<br />
»Edgar Jaegers« gezahlten Rechtsverfolgungskosten<br />
im Zusammenhang mit dem<br />
Verklarungsverfahren G Az. 25 111/16 <strong>BS</strong>ch<br />
Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.<br />
Die Klägerin macht hier 43.950,00 € als Teil<br />
der Hauptsache geltend.<br />
Nach der seit Jahrzehnten – soweit ersichtlich<br />
– einheitlichen Rechtsprechung auch<br />
der Obergerichte können die Kosten des<br />
Verklarungsverfahrens in einem nachfolgenden<br />
streitigen Verfahren im Rahmen des<br />
Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt<br />
werden (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1978 11<br />
ZR 154/77 RN 6 – juris, Schiffahrtsobergericht<br />
Karlsruhe, Urteil vom 21.12. 1999 U<br />
1/99 <strong>BS</strong>ch, ZfB 2000, Sammlung Seite 1789<br />
f, Schiffahrtsobergericht Hamburg Beschluss<br />
vom 02.02.2018, 6W 38/17 <strong>BS</strong>ch, ZfB<br />
2018, Sammlung Seite 2520 f)<br />
Soweit die Klägerin sich auf die Entscheidung<br />
des Schiffahrtsobergerichts Nürnberg<br />
(Beschluss vom 23.05.2000, 8 W 24/00<br />
<strong>BS</strong>ch, ZfB 2000, Sammlung Seite 1780 f) beruft,<br />
wird auch dort nur ausgeführt:<br />
»Kommt es zu keinem Rechtsstreit, ist der<br />
Anspruch des Geschädigten auf Erstattung<br />
der Verklarungskosten Bestandteil seines<br />
materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs«.<br />
In dem Verfahren ging es um Kostenerstattung<br />
im Verklarungsverfahren<br />
selbst.<br />
Die Klägerin kann die Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren<br />
dieses Rechtsstreits als<br />
Kosten der Rechtsverfolgung geltend machen.<br />
Sie gehören zu den Prozesskosten,<br />
soweit sie zur zweckentsprechenden<br />
Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl.<br />
BGH, aaO, Schiffahrtsobergericht Karlsruhe,<br />
aaO).<br />
Die Klägerin kann aber nicht Kosten aus dem<br />
Verfahrenswert des Verklarungsver fahrens<br />
geltend machen, sondern lediglich aus dem<br />
Streitwert des Hauptsache verfahrens, wenn<br />
der Gegenstand der Verklarung und der Gegenstand<br />
des Hauptsachprozesses nur teilweise<br />
identisch sind (vgl. Rheinschifffahrtsobergericht<br />
Karlsruhe, 22.11.2002 1 W 1./02<br />
RhSch VRS 83, 251(254) (1992) Rn. 7; Schiffahrtsobergericht<br />
Hamburg, 02.02.20186W<br />
38/17 <strong>BS</strong>ch; v. Waldstein/Holland, Binnenschiffahrtsrecht,<br />
5. Aufl. § 14 BinSchG Rn. 11<br />
mit Nachweisen) …<br />
Anmerkung der Redaktion<br />
Grundurteile sind in Havarieprozessen<br />
sehr häufig, da sich die Parteien nach Feststehen<br />
der Haftungsquote in der Regel auf<br />
eine Entschädigung ohne Betragsverfahren<br />
einigen können.<br />
Die Kosten eines Verklarungsverfahrens<br />
sind regelmäßig Kosten der Streitverfahren<br />
(siehe dazu auch die Entscheidung des<br />
Rheinschiffahrtsobergerichts Karlsruhe,<br />
ZfB <strong>2024</strong>, Sammlung Seite 2899 f). Im Verklarungsverfahren<br />
selbst gibt es keinen<br />
Kostenerstattungsanspruch. Einen materiellrechtlichen<br />
Anspruch auf Ersatz der<br />
Verklarungskosten besteht nur, wenn und<br />
soweit § 823 BGB verletzt ist, also in der<br />
Regel, wenn ein Sachschaden am Schiff<br />
schuldhaft vom Gegner verursacht wurde<br />
(so ausdrücklich Schiffahrtsobergericht<br />
Karlsruhe, Urteil vom 21. Dezember 1999,<br />
Az.: U 1/99 <strong>BS</strong>ch, ZfB 2000, Sammlung Seite<br />
1789 f; ebenso v.Waldstein/Holland,<br />
Binnenschiffahrtsrecht, 5. Aufl., § 14<br />
BinSchG Rn. 14).<br />
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer,<br />
Frankfurt am Main<br />
(Sammlung Seite 2902)<br />
Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
Fortsetzung unter www.binnenschifffahrt-online.de<br />
bis Sammlung S. 2905<br />
49
BDS<br />
Bundesverband der Selbständigen Abteilung Binnenschiffahrt e. V.<br />
Vertreten durch den Vorsitzenden Torsten Stuntz, MS »Stella Maris« und die stellvertretenden<br />
Vorsitzenden Nikolaus Hohenbild, Detlef Maiwald, Stephen Mnich, Gebr. Mnich OHG<br />
Geschäftsstelle und Schriftleitung: Dirk-Uwe Klaas, Sekretariat Birgit Kühn<br />
August-Bier-Str. 18 | 53129 Bonn | Tel. 0228 / 746377 | Fax 0228 / 746569 | zentrale@bds-binnenschiffahrt.de<br />
Die STL rief – und alle kamen<br />
Ihrem Anspruch, der Taktgeber für die Binnenschifffahrt zu sein,<br />
ist die diesjährige Shipping Technics Logistics in Kalkar in für<br />
mich beeindruckender Weise nachgekommen. In schwierigen<br />
Zeiten ist es besonders wichtig, sich persönlich auszutauschen.<br />
Das Gerede über das Sterben von Messen, das während der Corona-Zeit<br />
aufkam, hat sich widerlegt. Nicht alles und schon gar<br />
nicht ein Branchenevent lassen sich virtuell oder hybrid organisieren.<br />
Und das ist gut so! Die Vorteile einer dichten persönlichen<br />
Kommunikation sind durch nichts zu ersetzen. Es zeichnet unsere<br />
kleine und übersichtliche Branchenfamilie aus, dass sie eine<br />
Plattform hat, auf der die wesentlichen Player über alle aktuellen<br />
Themen sprechen – und diese Bühne nutzen, um persönliche<br />
Kontakte aufzufrischen, um Branchentalk, Gerüchte und Perspektiven<br />
miteinander zu besprechen.<br />
Am Stand des BDS fand ein reger Austausch zu Themen der Binnenschifffahrt<br />
statt.<br />
Foto: Klaas<br />
Zukunft fängt jeden Tag und erst recht auf Messen an<br />
Wir haben einen bunten Strauß vielfältigster Themen, die uns in<br />
der täglichen Arbeit betreffen und meistens belasten. All dies war<br />
Thema auf der STL. Roberto Spranzi brachte den Fachkräftemangel<br />
und Ausbildungsstand im Dome der Halle C in seinem<br />
Vortrag zur Zukunft der Partikulierwirtschaft auf den Punkt. Automatisierungsperspektiven<br />
der Binnenschifffahrt entwickelte<br />
Dr. Kracht von der DST. Wir werden dieses beantragte und hoffentlich<br />
bald bewilligte Projekt als BDS unterstützen. Die HGK<br />
Shipping in Person von Herrn Gödde informierte über neue<br />
Schiffskonzepte zur besseren Berücksichtigung von Kundenwünschen.<br />
Die Bank für Schifffahrt stellte Finanzierungsvoraussetzungen<br />
für die Binnenschiffahrt dar – bedauerlicherweise gibt es<br />
keine Neueinsteiger in unsere Branche, die sich finanziell mit einem<br />
Schiffsneubau als freie Partikuliere selbstständig machen<br />
wollen. Viele andere interessante Vorträge und Referenten rundeten<br />
das Vortragsprogramm ab.<br />
Kontakt- und Auftrags(anbahnungs)börse<br />
Viele Besucher nutzten die Messe nicht nur, um sich die Produktentwicklungen<br />
einzelner Aussteller vorführen zu lassen. Sie wollten<br />
auch Nach- oder Umrüstungen ihrer Schiffe vorbereiten und<br />
andere Investitionsmöglichkeiten ausloten. Die über 150 Aussteller<br />
deckten alle wichtigen Bereiche ab. Ob Kommunikation, Versicherungen<br />
und Finanzierung oder Navigation, Sicherheit, Antrieb<br />
und Kraftstoffe: Zu allen Fragen gab es kompetente Ansprechpartner.<br />
Handel, Hafen und Güterverkehr waren ebenfalls<br />
vertreten. In dieser Dichte und Kompaktheit gibt es für die Binnenschifffahrt<br />
keine vergleichbare Veranstaltung. Unnötig zu erwähnen,<br />
dass auch die Rahmenbedingungen stimmten: gutes Essen,<br />
leckere Getränke, Messeparty am ersten Abend und aufmerksam<br />
professioneller Service sind der guten Stimmung sicher<br />
förderlich gewesen.<br />
BDS mit eigenem Stand vertreten<br />
Wir waren mit einem eigenen Stand als Anlaufstelle für unsere<br />
Mitglieder in Kalkar vertreten und konnten zu vielen Verbandsthemen<br />
mit den zahlreich anwesenden Mitgliedern zielführende<br />
Gespräche führen. Auch hier bewahrheitet sich, dass der persönliche<br />
Austausch das Lösen von Problemen eher möglich macht<br />
als ständige E-Mails. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt auf das<br />
nächstjährige Branchentreffen der Binnenschifffahrt am 23. und<br />
24. September 2025 in Kalkar.<br />
Debatte um Freigabe von Risikostrecken beendet<br />
Der Dauerbrenner Aufhebung bestimmter Risikostrecken an<br />
Rhein und Elbe ist beendet. Das BMDV hat entschieden. Wir hatten<br />
im Juni dieses Jahres unsere Stellungnahme abgegeben, klar<br />
und unmissverständlich: Der BDS lehnt die Freigabe ab und plädiert<br />
nachdrücklich für den Erhalt der Strecken mit besonderem<br />
Risiko. In Kenntnis unserer Ablehnung der Freigabeüberlegungen<br />
hat das Ministerium anders entschieden. Die Gründe und die dahinter<br />
liegenden Interessenlagen kennen wir alle.<br />
Die alleinige Verantwortung für die gegen unseren Rat getroffene<br />
Entscheidung tragen BMDV und GDWS. Übrigens auch<br />
dafür, wenn auf den freigegebenen Strecken die Unfall- und Havariehäufigkeit<br />
steigt. Die ZKR muss der Teil-Freigabe auf dem<br />
Rhein noch zustimmen, für die Risikostrecke Elbe muss ein<br />
Rechtsetzungsverfahren für Änderungen an der Binnenschiffspersonalverordnung<br />
eingeleitet werden. Das wird sicher noch einige<br />
Zeit in Anspruch nehmen.<br />
Risikostrecken bleiben sollen folgende Abschnitte:<br />
• Oberrhein km 335,66 – km 425,00 und Mittelrheintal km<br />
498,00 – km 592,00.<br />
• Auf der der Elbe Dresdner Stadtbereich km 29,74 bis km 60,80,<br />
Magdeburger Stromstrecke km 324,50 bis km 327,20 und Fahrrinnentiefenstrecke<br />
9 von km 502,25 bis 568,9.<br />
50 Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong>
IMPRESSUM<br />
Fortführung der<br />
Binnenschiffahrt<br />
und Wasserstraßen<br />
Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen<br />
(© Verein für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen e.V.) im 130. Jahrgang<br />
Die Binnenschifffahrt ist offizielles Organ und Mitteilungsblatt für:<br />
Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen, Hamburg<br />
Deutscher Fähr-Verband, Rüdesheim<br />
Deutscher Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein Rhein-Main-Do nau e.V., Nürnberg<br />
Europäische Binnenschifffahrts-Union, Brüssel, Rotterdam<br />
Hafenschifffahrtsverband Hamburg e.V., Hamburg<br />
Moselkommission, Trier<br />
Permanent International Association of Navigation Congresses (PIANC)<br />
Verein für europäische Binnenschiffahrt und Was ser stra ßen e.V., Duisburg<br />
Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Straßburg<br />
Inserentenverzeichnis<br />
Ball der Schiffahrt e.V. Festausschuss ................................................ U2<br />
DRV Deutscher Ruderverband ............................................................. 46<br />
ETS Degassing GmbH ........................................................................... 27<br />
GEFO Gesellschaft für Öltransporte mbH ........................................... 7<br />
Haeger & Schmidt Logistics GmbH .................................................... 11<br />
Hitzler Werft GmbH ................................................................................ 3<br />
Hoyer Marine GmbH ........................................................................ Titel<br />
Kadlec & Brödlin GmbH ...................................................................... 21<br />
Maximilian Verlag GmbH & Co. KG ............................................. 14, 47<br />
Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG ............................................... 35<br />
Podszuck GmbH ..................................................................................... 23<br />
Scheer Fotografie ................................................................................... 45<br />
Schiffahrts-Verlag »Hansa« GmbH & Co. KG .................................. U4<br />
TEHAG GmbH ...................................................................................... 17<br />
TESVOLT AG ......................................................................................... 19<br />
Werft Malz GmbH .................................................................................... 6<br />
Wessels GmbH Tischlerei und Alubau ................................................. 6<br />
Wittig GmbH ............................................................................................ 5<br />
Das Anzeigenverzeichnis dient der Leserorientierung.<br />
Es ist kein Bestandteil des Anzeigenauftrags. Der Verlag übernimmt<br />
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Herausgeber<br />
Prof. Peter Tamm †<br />
Patricia Erb-Korn (Präsidentin), Verein für europäische<br />
Binnenschiffahrt und Was ser stra ßen e.V.,<br />
Geschäftsführung<br />
Peter Tamm<br />
Redaktion<br />
Chefredakteur: Krischan Förster (KF)<br />
Tel. +49 (0)40 70 70 80-206 | k.foerster@hansa-online.de<br />
Redakteur: Jannik Westerkamp (jw)<br />
Tel. +49 (0)40 70 70 80-205 | j.westerkamp@hansa-online.de<br />
Redakteurin: Anna Wroblewski (AW)<br />
Tel. +49 (0)40 70 70 80-209 | a.wroblewski@hansa-online.de<br />
Hermann Garrelmann (ga, Norddeutschland, Niederlande)<br />
Martin Schwarzott (mas, Main, MDK, Donau)<br />
Ulrich Pfaffenberger (upf, süddeutsche Seen, Schweiz)<br />
Josef Müller (jom, Österreich)<br />
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer (Fi, Recht)<br />
Redaktionsbeirat<br />
Patricia Erb-Korn, Geschäftsführerin KVVH in Karlsruhe,<br />
Präsidentin des Vereins für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen e.V.;<br />
Marcel Lohbeck, Geschäftsführer des Vereins für europäische Binnenschiffahrt und<br />
Wasserstraßen e.V., Duisburg;<br />
Rechtsanwalt Jens Schwanen, Sprecher der<br />
Geschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen<br />
Binnenschiffahrt e.V.;<br />
Dipl.-Ing. Joachim Zöllner, Entwicklungs zentrum für Schiffstechnik<br />
und Transport systeme e.V. Duisburg (DST), Duisburg.<br />
Redaktionsvorbehalt<br />
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung<br />
vorbehalten. Kein Teil der Zeitschrift darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm<br />
oder ein anderes Verfahren) ohne Genehmigung des Ver lages reproduziert werden.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Herausgeber,<br />
Redaktion oder Verlag wieder. Die Redaktion behält sich Änderungen an den Manuskripten<br />
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kripte, Fotos, Grafiken etc.) ab.<br />
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Binnenschifffahrt <strong>10</strong> | <strong>2024</strong><br />
51
2 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
SCHIFFBAU IST...<br />
Tradition<br />
Leidenschaft<br />
HITZLER<br />
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Neubau - Konstruktion - Reparatur<br />
HITZLER WERFT<br />
innovativ seit 1885<br />
www.hitzler-werft.de<br />
Tel.: 04153/5880<br />
info@hitzler-werft.de<br />
<br />
Bahnhofstr. 4-12<br />
21481 Lauenburg/Elbe
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Neue Bunkerstation<br />
für die Elbpromenade<br />
Die Hoyer Marine GmbH stellt sich auch für die Zukunft auf<br />
die zuverlässige Versorgung der Schifffahrt mit Kraft-, Betriebsund<br />
Schmierstoffen ein. So wird die Flotte der Bunkerschiffe<br />
aktuell um zwei Schiffe erweitert und am Johannisbollwerk<br />
eine hochmoderne neue Bunkerstation installiert, die derzeit<br />
in der Hitzler-Werft in Lauenburg fertiggestellt wird.<br />
Mehr als man denkt.<br />
Hoyer Marine GmbH · Palmaille 63 · 22767 Hamburg · Tel. +49 40 53798470 · hm.bunker@hoyer.de · hoyer.de<br />
4 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Volker Wissing<br />
Bundesminister für Digitales und Verkehr<br />
BMDV<br />
© BMDV<br />
Eine innovative Binnenschifffahrt<br />
ist und bleibt unverzichtbar<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Klimaziele, Regeln, Technologien: Drei<br />
Faktoren, die die Binnenschifffahrt der<br />
Zukunft prägen – eine Schifffahrt, die<br />
klimafreundlich und nachhaltig, modern<br />
und innovativ, leistungsstark und wettbewerbsfähig<br />
sein soll. Eine Binnenschifffahrt,<br />
die ihre wichtigen Aufgaben<br />
auch künftig zuverlässig erfüllen kann.<br />
Den Rahmen dafür gestalten wir zum<br />
Beispiel mit dem Nationalen Aktionsplan<br />
klimafreundliche Schifffahrt (NAPS).<br />
Dieses Strategiepapier erarbeiten wir gemeinsam<br />
mit der Branche. Es wird konkrete<br />
Maßnahmen enthalten, um die Seeund<br />
die Binnenschifffahrt beim Erreichen<br />
der Klimaneutralität bis zum Jahr<br />
2045 zu unterstützen. Zugleich sollen sie<br />
dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Innovationskompetenz zu stärken.<br />
Grundsätzlich gilt: Wir bleiben technologieneutral.<br />
Für das Gewerbe ist der Antriebswechsel<br />
eine gewaltige Aufgabe, die mit Chancen,<br />
aber auch mit Mehrbelastungen verbunden<br />
ist. Wir haben deshalb das Förderprogramm<br />
zur nachhaltigen Modernisierung<br />
von Binnenschiffen aufgelegt,<br />
weiterentwickelt und neue Fördermaßnahmen<br />
aufgenommen. Zugleich wollen<br />
und müssen wir unternehmerisches<br />
Handeln noch stärker anreizen. Das<br />
heißt: Wir müssen dafür sorgen, dass es<br />
sich etwa für Reeder lohnt, auf klimafreundliche<br />
Antriebe zu setzen.<br />
Ein weiteres Innovationsfeld in der<br />
Schifffahrt ist die Digitalisierung. Zusammen<br />
mit unseren europäischen Partnern<br />
und der Zentralkommission für die<br />
Rheinschifffahrt (ZKR) treiben wir sie<br />
voran. So testen und erproben wir etwa<br />
die Fernsteuerung und Automatisierung<br />
von Schiffen. In der Binnenschifffahrt ist<br />
das Interesse an dieser hochkomplexen<br />
Technologie groß – und es gibt schon<br />
Pilotprojekte. Zum Beispiel auf dem<br />
Rhein, wo Schiffe zu Testzwecken aus<br />
einer Zentrale ferngesteuert werden.<br />
Dabei zeigt sich, dass die Technik auf einem<br />
guten Weg zum kommerziellen Einsatz<br />
ist. Gemeinsam mit der<br />
Generaldirektion Wasserstraßen und<br />
Schifffahrt setzt sich mein Ministerium<br />
dafür ein, dass die Rechtsgrundlagen und<br />
technischen Standards für die Zulassung<br />
solcher Schiffe weiterentwickelt werden.<br />
Durch die Automatisierung werden<br />
viele Prozesse und Abläufe effizienter, intelligenter<br />
und damit auch einfacher. Sie<br />
ist damit ein Baustein, um dem Fachkräftemangel<br />
entgegenzusteuern. Denn<br />
wenn monotone Routineaufgaben von<br />
automatisierten Systemen übernommen<br />
werden, können sich Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter mit anspruchsvollen<br />
Aufgaben beschäftigen.<br />
Die Binnenschifffahrt hat längst Kurs<br />
Richtung Zukunft eingeschlagen. Das begleiten<br />
und unterstützen wir, denn wir<br />
brauchen sie für Wirtschaft und<br />
Wachstum, für Beschäftigung und Wohlstand.<br />
Eine innovative, moderne und<br />
starke Binnenschifffahrt ist und bleibt<br />
unverzichtbar.<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
5
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Reinhard Lüken<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Verband für Schiffbau und Meerestechnik<br />
© VSM<br />
Zugpferd Binnenschifffahrt<br />
Binnenschiffe sind in Deutschland vermutlich der meistunterschätzte<br />
Verkehrsträger überhaupt. Dabei ist die<br />
Leistungsfähigkeit des Gewerbes beeindruckend und für viele Nutzer<br />
ohne Alternative. Auch wenn die in Fahrt stehende Flotte ein<br />
Durchschnittsalter aufweist, bei dem der Begriff Investitionsstau<br />
getrost als große Untertreibung betrachtet werden kann, gibt es viele<br />
faszinierende technische Entwicklungen, die in mancherlei Hinsicht<br />
im Vergleich zu der wesentlich kapital-stärkeren Hochseeschifffahrt<br />
ein ganzes Stück voraus sind. Schweröl nutzt hier keiner und Elektrifizierung<br />
ist auf dem Vormarsch. Auch in Sachen Automatisierung<br />
und autonome Systeme gibt es erhebliche Fortschritte,<br />
die so auf großer Fahrt noch lange auf sich warten lassen. Aber der<br />
Handlungsdruck ist auch deutlich größer, denn die Personalnot<br />
drängt. Dass viele andere Branchen ebenfalls ein wachsendes Fachkräfteproblem<br />
haben, macht es nicht leichter, junge Leute für die<br />
Binnenschifffahrt zu begeistern. Laut BDB kommen auf rund 3.500<br />
deutsche Binnenschiffe nur 4.500 Menschen als fahrendes Personal.<br />
Umso verständlicher, dass die Erwartungen an die Digitalisierung<br />
und autonome Systeme die eines echten Game-Changers sind.<br />
Auf großer Fahrt vertrauen viele Reeder auf einen globalen<br />
Arbeitsmarkt. Binnenschiffer müssen auf die Technikkarte setzen.<br />
Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesverkehrsministerium<br />
trugen dem in der Vergangenheit Rechnung. In zahlreichen<br />
F&E-Programmen kommt man Stück für Stück der autonomen<br />
Schifffahrt näher. Die Meinung der Fachleute ist, dass derzeit<br />
die technische Entwicklung der Vorschriftenentwicklung<br />
etwa zehn Jahre voraus ist. Auch tut man sich bei unseren Nachbarn<br />
in Belgien und den Niederlanden mit der Genehmigung von<br />
Pilotprojekten, wie dem ferngesteuerten Binnenschiff, leichter als<br />
bei uns. Digitale Testfelder in Deutschland gibt es nur dem<br />
Namen nach. Hier liegt dringender Handlungsbedarf, seitens der<br />
Verwaltung. Die Anforderungen an eine effiziente, moderne Binnenschifffahrt<br />
sind also gewaltig und man sollte meinen, dies sei<br />
ein perfekter Nährboden für solide Geschäfte bei den Herstellern:<br />
Der Verkehrsträge ist für viele Nutzer zwingend nötig, der Bedarf<br />
an neuer Technik ist enorm und der Druck in der Branche steigt<br />
mit jedem Tag. Und dennoch ist bislang noch keine Euphorie ausgebrochen.<br />
Das dürfte an einem ganz Blumenstrauß an Faktoren<br />
liegen: Altersstruktur der Schiffsführer und -eigner, niedrige<br />
Frachtraten, fehlende Verlässlichkeit bei der Infrastruktur,<br />
Einkaufsmacht der Reedereikunden und hohe Investitionskosten.<br />
Vielleicht ist es Zeit für einen Pakt, den die unterschiedlichen<br />
Akteure miteinander vereinbaren: ein Investitionsfond für Schiffe<br />
und Infrastruktur: Dank einer Studie der ZKR kennen wir die voraussichtlichen<br />
Transformationskosten für eine moderne<br />
europäischen Binnenschifffahrt, wir kennen auch die benötigten<br />
staatlichen Investitionsmittel für eine verlässliche Infrastruktur.<br />
Wir wissen, dass wir speziell auch bei kleineren Binnenschiffen<br />
im Kanalnetz einen erheblichen Fehlbestand an Schiffsraum<br />
haben. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein<br />
Lösungsproblem. Doch wir sind von einer Lösung heute fast wieder<br />
so weit entfernt wie vor dem Masterplan Binnenschifffahrt.<br />
Wir befinden uns sogar auf dem Weg zurück, anstatt nach vorne:<br />
Die für die moderne Binnenschifffahrt zwingend erforderlichen<br />
Förderprogramme sollen bereits ab nächstem Jahr drastisch zusammengestrichen<br />
werden. Wie in der Offshore-Windindustrie<br />
droht hier der nächste technologische und industrielle Fadenriss.<br />
Vielleicht gelingt es uns gemeinsam durch die Faszination der<br />
Technik wieder für mehr politischen Rückenwind zu sorgen.<br />
Nötig ist der jedenfalls allemal.<br />
6 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Jens Schwanen<br />
Geschäftsführer<br />
Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt<br />
© BDB<br />
Das Binnenschiff darf sich beim<br />
Klimaschutz nicht abhängen lassen<br />
Die Zeiten der »MS Franziska« sind<br />
vorbei. Zwar hat die Serie über den<br />
Partikulier Jakob Wilde die Güterschifffahrt<br />
in den 70er Jahren einem größeren<br />
Fernsehpublikum bekannt gemacht. Mit<br />
der heutigen Schifffahrt hat Wildes in die<br />
Jahre gekommenes 80-Meter-Schiff, das<br />
auf dem Rhein vor sich hin dieselte und<br />
am Ende der Serie abgewrackt wurde,<br />
aber nicht mehr viel gemeinsam. Das<br />
heutige Zielbild sind niedrigwasseroptimierte<br />
Schiffe mit klimaneutralen<br />
Antrieben und digitaler Einbindung, die<br />
attraktive Arbeitsplätze ermöglichen.<br />
Das Binnenschiff darf sich in Sachen<br />
Klimaschutz nicht vom (teil-)elektrifizierten<br />
Straßen- und Schienenverkehr<br />
abhängen lassen. Schwerpunkt der<br />
Innovationsanstrengungen ist daher die<br />
Antriebswende. Der Bundesverband der<br />
Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB)<br />
unterstützt diesen Ansatz und hat sich<br />
auf der Rheinkonferenz im September<br />
<strong>2024</strong> mit zahlreichen Mitstreitern aus<br />
dem In- und Ausland ausdrücklich zum<br />
Ziel der emissionsfreien Schifffahrt auf<br />
dem Rhein bis zum Jahr 2050 bekannt.<br />
Vorreiter bei modernen Antrieben ist<br />
derzeit häufig die Fahrgastschifffahrt.<br />
Dort wurden in den vergangenen Jahren<br />
– auch dank der finanziellen Unterstützung<br />
durch das Bundesverkehrsministerium<br />
– viele herkömmliche<br />
Dieselmotoren durch Hybridantriebe<br />
oder durch batterieelektrische Antriebe<br />
ersetzt.<br />
In der Güterschifffahrt ist der batterieelektrische<br />
Antrieb (noch) keine Option.<br />
Viele Augen richten sich daher auf die<br />
Möglichkeiten der Wasserstoff-Brennstoffzelle,<br />
wie sie etwa an Bord der »Elektra«<br />
zu finden ist – das weltweit erste<br />
Schubboot im innerstädtischen Testbetrieb<br />
in Berlin, bei dem ein batterieelektrischer<br />
Antrieb mit Wasserstoff- und<br />
Brennstoffzellentechnik kombiniert<br />
wird, weshalb das gesamte Projekt vom<br />
Bundesverkehrsministerium als eine<br />
»Blaupause für die klima- und umweltfreundliche<br />
Binnenschifffahrt« bezeichnet<br />
wird.<br />
Aber auch andere Antriebe stehen zur<br />
Diskussion, vom Methanol-, Ammoniakoder<br />
Wasserstoff-Verbrennungsmotor<br />
bis hin zur Methanol-Brennstoffzelle.<br />
Der BDB bringt sich aktiv in die Erarbeitung<br />
des »Nationale Aktionsplans<br />
klimafreundliche Schifffahrt« (NAPS)<br />
der Bundesregierung ein. Wir erwarten,<br />
dass der Bund einen kraftvollen Aufschlag<br />
für Forschung und Entwicklung<br />
klimaneutraler Antriebe macht und seinen<br />
Aktionsplan dann auch mit Fördermitteln<br />
unterlegt.<br />
Alle zurzeit diskutierten alternativen<br />
Treibstoffe haben neben der technischen<br />
Realisierbarkeit eine weitere Grundvoraussetzung:<br />
Für langlaufende Güterverkehre,<br />
wie sie auf dem Rhein zwischen<br />
den Westhäfen und zum Beispiel Österreich<br />
stattfinden, bedarf es einer<br />
lückenlosen Versorgungsinfrastruktur,<br />
damit die Abkehr vom Diesel in der Binnenschifffahrt<br />
gelingen kann.<br />
Mit den neuen Technologien, die sich<br />
konsequenterweise auch auf innovativen<br />
Schiffbau für eine noch klimaresilientere,<br />
d.h. niedrigwasseroptimierte Schifffahrt<br />
erstrecken, wird die Wende von der »MS<br />
Franziska« der 1970er Jahre hin zu einer<br />
klimaneutralen, digitalen und ferngesteuerten<br />
oder vielleicht sogar autonom<br />
fahrenden »MS Futura« der 2050er<br />
Jahre gelingen.<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
7
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Marcel Lohbeck<br />
Geschäftsführer<br />
BÖB & VBW<br />
© VBW<br />
Es braucht klare Signale<br />
und Verlässlichkeit<br />
Wer am 11. September den<br />
Parlamentarischen Abend der<br />
Binnenschifffahrt in Berlin oder die Messe<br />
Shipping Technology Logistics (STL)<br />
in Kalkar in den vergangenen Wochen<br />
besuchte, konnte es sehen, anfassen und<br />
erleben: Trotz schwieriger wirtschaftlicher<br />
Gesamtlage, die Binnenschifffahrt<br />
denkt und handelt in die Zukunft.<br />
Dies zeigt unter anderem die Verleihung<br />
des Innovationspreises der<br />
Allianz/ESA-Gruppe an Rhenus und<br />
Contargo. Mit den Neubauschiffen<br />
Mannheim, Wörth und Ludwigshafen ist<br />
beiden Unternehmen ein deutlicher<br />
Innovationsschritt bei Antriebskonzepten<br />
und Schiffskonstruktion gelungen.<br />
Auch die HGK Shipping beeindruckte<br />
in den vergangenen Monaten<br />
immer wieder mit neuen innovativen<br />
Neubauten. Dies ist sicherlich nur die<br />
Spitze des Eisbergs. Auch viele kleinere<br />
und mittelständige Binnenschifffahrtsunternehmen<br />
mit geringerer Medienreichweite<br />
haben den Weg Richtung<br />
Flottentransformation eingeschlagen<br />
und investieren in die Zukunft. Dies<br />
zeigt sich nicht nur in Neubauten,<br />
sondern auch in Retrofitmaßnahmen,<br />
die zum Beispiel zu Emissionsreduktionen<br />
oder besserer Niedrigwassergängigkeit<br />
führen.<br />
So gilt die klein- und mittelständisch<br />
geprägte Branche der Tagesausflugsschifffahrt<br />
zusammen mit der Flusskreuzschifffahrt<br />
schon seit langem als Innovationstreiber.<br />
Die Vielzahl an Anträgen<br />
aus diesem Branchenzweig für das<br />
Förderprogramm zur nachhaltigen Modernisierung<br />
der Binnenschifffahrt unterstreicht<br />
dies. Während große<br />
Schifffahrtsunter nehmen mithilfe von<br />
Eigenmitteln und Banken in der Lage<br />
sind Pilotprojekte und moderne Neubauten<br />
anzustoßen, benötigen klein- und<br />
mittelständische Unternehmen hierfür<br />
staatliche Unterstützung.<br />
Die Politik wird nicht müde zu betonen,<br />
dass die Binnenschifffahrt eine entscheidende<br />
Rolle spielen wird, wenn es<br />
darum geht, den Güter- und Passagierverkehr<br />
in Deutschland und Europa<br />
effizienter, nachhaltiger und resilienter<br />
zu gestalten.<br />
Um die Zukunftsfähigkeit der Binnenschifffahrt<br />
jedoch voll auszuschöpfen,<br />
ist es unerlässlich, dass die<br />
Politik nicht nur in die Verkehrsinfrastruktur<br />
sondern auch in<br />
Innovationen und Infrastrukturen für<br />
neue Energieträger investiert. Hier<br />
braucht es klare Signale und Verlässlichkeit<br />
auch in Bezug auf die Förderprogramme.<br />
8 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Ferngesteuert über den Fluss<br />
Die Binnenschifffahrt kämpft mit einem wachsenden Fachkräftemangel. Wie soll die<br />
Branche darauf reagieren? Ganz automatisch können die Schiffe (noch) nicht fahren – doch<br />
beim Thema Fernsteuerung gibt es vielversprechende Entwicklungen<br />
© Hansmann<br />
Bildschirme statt Fahrtwind: Seafar-Kontrollzentrum in Duisburg<br />
Dass Schiffe vollkommen autonom<br />
auf europäischen Wasserstraßen<br />
fahren, ist bisher reine Zukunftsmusik.<br />
Sehr real ist hingegen die Möglichkeit,<br />
ein Schiff aus der Ferne zu steuern. So<br />
richtete das belgische Unternehmen Seafar<br />
im Februar dieses Jahres gemeinsam<br />
mit der HGK Shipping sowie der Reederei<br />
Deymann das erste »Remote Control<br />
Center« in Duisburg ein – mit dem<br />
Ziel, »diesen tragenden Verkehrssektor in<br />
Deutschland zu revolutionieren«. Die<br />
drei Unternehmen wollen Vorreiter einer<br />
Entwicklung werden, die auf Dauer dem<br />
Fachkräftemangel in der Binnenschifffahrt<br />
entgegenwirken soll. Für die Fernsteuerung<br />
haben sie eine Ausnahmegenehmigung,<br />
außerdem ist im Augenblick<br />
auch noch Personal in gewohnter<br />
Stärke an Bord. Ab kommendem Jahr soll<br />
es jedoch reduziert werden.<br />
Die neue Technologie soll den Beruf<br />
des Schiffsführers attraktiver machen<br />
und bessere Arbeitsbedingungen schaffen.<br />
Dieser Ansicht ist auch Frédéric<br />
Kracht, der auf der Shipping-Technics-<br />
Logistics in Kalkar Ergebnisse aus dem<br />
Projekt »FernBin« vorstellte. Die Fernsteuerung<br />
sie eine »Übergangstechnologie«,<br />
die einerseits dem Fachkräftemangel<br />
entgegenwirke und andererseits<br />
eine Maximierung der Betriebszeiten ermögliche.<br />
Das Forschungsprojekt wurde<br />
vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik<br />
und Transportsysteme (DST) in<br />
Zusammenarbeit mit Rhenus, Argonics<br />
und weiteren Partnern durchgeführt. Ziel<br />
war es, Möglichkeiten der Steuerung von<br />
Land sowie die Entwicklung von<br />
Assistenzfunktionen auszuloten. Der<br />
Schiffsführer nimmt im Idealfall nur<br />
noch eine beobachtende Funktion ein, da<br />
automatische Systeme das Schiff zuverlässig<br />
lenken und entgegenkommendem<br />
Verkehr ausweichen können.<br />
Die Akzeptanz von Schiffsführern gegenüber<br />
der neuen Technik sei laut Kracht<br />
hoch: In Testfahrten mit der »Ernst Kramer«,<br />
die zu diesem Zweck umgerüstet<br />
wurde, zeigte sich, dass die Probanden<br />
sich schnell in die Fernsteuerung eingewöhnen<br />
konnten. Während des Projekts<br />
war zwar stets ein »realer« Schiffsführer<br />
an Bord, eingreifen musste er jedoch<br />
nicht. Zu bedenken gab allerdings, dass<br />
das Vertrauen in die Technologie teils fast<br />
zu hoch ausfiel – einige Testfahrer verloren<br />
die Konzentration, insbesondere bei<br />
längeren Fahrten vor dem Bildschirm.<br />
Aus diesem Zusammenhang ergab sich<br />
auch die Frage, ob ein reiner »Bürojob«<br />
auf Dauer zu wenig fordernd bis langweilig<br />
sei – um dem entgegenzuwirken,<br />
böte sich ein gemischtes Modell an.<br />
Eine große Herausforderung, insbesondere<br />
in Deutschland, liege laut<br />
Kracht in der Infrastruktur des Mobilfunks.<br />
Videostreams und Eingaben erfordern<br />
ein hohes Datenvolumen und vor<br />
allem eine schnelle Übertragung. Ohne<br />
ein stabiles Mobilfunknetz sei an eine<br />
Fernsteuerung nicht zu denken. »Wir haben<br />
drei Provider und Starlink genutzt«,<br />
sagte Kracht während der Präsentation<br />
auf der STL, »und trotzdem hat das Netz<br />
nicht ausgereicht.« Hier führte er als eine<br />
mögliche Lösung sogenanntes »Sliding«<br />
an, um Binnenschiffen eine höhere<br />
Priorität im Netz zu geben und somit die<br />
Datenübertragung zu sichern. Langfristig<br />
führe an einem Ausbau des Funknetzes<br />
aber kein Weg vorbei, um die<br />
sichere Fernsteuerung eines Schiffes zu<br />
gewährleisten.<br />
JW<br />
Frédéric Kracht stellte die Ergebnisse der FernBin-Projekts auf der STL in Kalkar vor<br />
© Westerkamp<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
9
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
samteffizienz und der Nachhaltigkeit des Verkehrsnetzes. Der Baustein<br />
B2 setzt dabei auf die Implementierung verschiedener Komponenten<br />
wie die bereits oben genannten autonomen Schiffe, mobile<br />
Verteilungszentren (Mobile Distribution Centres – MDC),<br />
Fracht- und Energie-Knotenpunkte (Stow and Charge) sowie<br />
Konzepte für temporäre Hafenterminals. Diese in AUTOFLEX angestrebten<br />
Entwicklungen werden Teil des AUTOFLEX-Transportsystems<br />
sein.<br />
Anwendungsfälle und Testgebiete<br />
Am Beispiel von zwei Anwendungsfällen sollen die Entwicklungen<br />
konkret gestaltet und getestet werden. Hierfür wurden<br />
zwei Testgebiete festgelegt, die im Projekt erforscht werden und<br />
die ebenfalls als Demonstrationsorte dienen werden. Der erste<br />
Anwendungsfall ist in den Niederlanden (Anwendungsfall 1) und<br />
der zweite in Belgien (Anwendungsfall 2) verortet.<br />
Anwendungsfall 1 konzentriert sich auf die Herausforderungen<br />
im Zusammenhang mit der Überlastung und der<br />
Transporteffizienz einer dicht besiedelten Region in den Niederlanden<br />
rund um die Städte Rotterdam, Den Haag, Utrecht und<br />
Amsterdam. Diese Städte sind nicht nur durch die verkehrsreichsten<br />
Straßen des Landes wie die A13, A<strong>10</strong> und A12 verbunden,<br />
sondern auch durch ein Netzwerk von kleinen Wasserstraßen<br />
durchzogen, die teilweise parallel zu den überfüllten<br />
Autobahnen verlaufen. Das Ziel von Anwendungsfall 1 ist es, ein<br />
multimodales Transportsystem zu entwerfen, das die Nutzung<br />
von Binnenwasserstraßen priorisiert, bei minimaler Abhängigkeit<br />
vom Straßentransport, um einen Anteil des Frachttransportvolumen<br />
auf das Wasser zu verlagern. Im Mittelpunkt steht dabei<br />
eine effiziente Verteilung von Gütern im städtischen Gebiet.<br />
Durch die Nutzung von Umgehungskanälen und Wasserstraßen<br />
soll Stau auf den Straßen verringert werden. Hier gibt es viele<br />
Überschneidungen mit dem oben als Baustein B1 beschriebenen<br />
Schiff, das auf diese spezielle Anwendung abzielt.<br />
Anwendungsfall 2 konzentriert sich auf die Gebiete um Rotterdam,<br />
Antwerpen und Gent. Gebiete mit Straßen, die ein erhebliches<br />
Frachttransportvolumen erfahren. Obwohl diese Regionen<br />
bereits gut durch größere Wasserstraßen verbunden sind und<br />
auch Transport von Waren auf Wasserwegen stattfindet, besteht<br />
hier ein unausgeschöpftes Potential. Derzeit wird der Großteil<br />
des Frachttransports in diesem Bereich von größeren, mit fossilen<br />
Brennstoffen betriebenen Schiffen (CEMT IV-VI) durchgeführt,<br />
die größere Binnenhäfen anlaufen. Um die Klimaauswirkungen<br />
durch den Betrieb von Schiffen zu begegnen, besteht die<br />
Notwendigkeit, emissionsfreie und flexible Schiffe einzuführen,<br />
kombiniert mit einer gleichzeitigen Reduktion der Abhängigkeit<br />
von Umschlag und Lkw-Transport.<br />
Das wesentliche Ziel im Anwendungsfall 2 ist die Entwicklung<br />
von Energie- und Frachtknotenpunkten. Im Projekt als<br />
»Stow&Charge« bezeichnet. Die Idee ist es effiziente und nachhaltige<br />
Knotenpunkte zu entwickeln. Diese Knotenpunkte werden nicht<br />
nur den nahtlosen Umschlag von Fracht zwischen verschiedenen<br />
Transportmodi erleichtern, durch sie wird das emissionsfreie Transportsystem<br />
mit erneuerbarer Energie versorgt. Im Projekt werden<br />
die optimalen Stellen dieser Knotenpunkte bestimmt und ein damit<br />
verbundenes gut gestaltetes Transportnetzwerk entwickelt, das verschiedene<br />
Standorte effizient miteinander verbindet. Hierbei kommen<br />
die bereits erprobten Batteriecontainer des Projektpartners<br />
Zero Emission Services zum Einsatz, die eine kurzfristige Versorgung<br />
der Schiffe mit erneuerbaren Energien möglich macht. Dabei<br />
wird der Kompromiss zwischen der Reichweite des Schiffes und<br />
der Notwendigkeit des Umschlags auf kleinere Schiffe oder andere<br />
Transportmodi bewertet. Um die Machbarkeit der autonomen<br />
Navigation zu demonstrieren, wird ein Großversuch auf dem<br />
Kanal Gent-Terneuzen und der Schleuse Terneuzen durchgeführt.<br />
Als Teil der Vorbereitungen wird bereits zum Anfang des<br />
Projekts ein Schiff des Partners DFDS mit einem Paket von<br />
Sensoren primär für die Sammlung von Daten aus dem Schiffsbetrieb<br />
als auch sekundär zur Steigerung des Situationsbewusstsein<br />
ausgestattet. Dabei werden Betriebsdaten innerhalb des<br />
geplanten Demonstrationsbereichs gesammelt, die den Großversuch<br />
am Ende des Projekts erst möglich machen. Maritime Robotics,<br />
ein Technologiepartner im Projekt, stattet ein Schiff mit moderner<br />
Technologie für den autonomen Betrieb aus und rüstet es<br />
so auf. Im Rahmen der Projektlaufzeit werden auf diese Weise<br />
spezielle Daten zur Sicherheits- und Risikobewertung erhoben<br />
und ausgewertet. In Zusammenarbeit mit der Hafenbehörde des<br />
Testgebiets, dem Partner North Sea Port und unter Leitung des<br />
Forschungspartners NTUA soll die (Cyber-) Sicherheit bewertet<br />
und gewährleistet werden. Diese Bewertungen werden<br />
notwendig e Maßnahmen definieren und die Einhaltung der Vorschriften<br />
für die Demonstration sicherstellen.<br />
Testgebiet Niederlande<br />
Für die Betrachtung und Bewertung des aktuellen Zustandes und<br />
dem Frachtaufkommen im Untersuchungsgebiet des Anwendungsfalls<br />
1 liegen bereits erste Erkenntnisse vor. Basierend<br />
auf Daten der Datenbank EUROSTAT und der nationalen<br />
Statistik ämter der Niederlande wurde ermittelt, welche Waren<br />
aktuell mit welchem Verkehrsträger transportiert werden und<br />
weitergehend, welche Waren am besten auf Lkws und welche auf<br />
Schiffen transportiert werden können. Die so entstandenen Charakteristiken<br />
und Transportindikatoren, die aktuell weiter erforscht<br />
werden, sollen in die abschließende Bewertung zum modalen<br />
Split einfließen. Sie unterstreichen die Hypothese, dass das<br />
Binnenschiff ein grundsätzlich attraktives Transportmittel ist. Seine<br />
Effizienzvorteile können die erhöhte Komplexität der multimodalen<br />
Transportkette aufwiegen. Um diese Effizienzvorteile<br />
auch auf niedrig klassifizierten Wasserstraßen zu ermöglichen, ist<br />
es jedoch wichtig das Kosten-Nutzen-Verhältnis der eingesetzten<br />
Binnenschiffen entsprechend zu steigern. Es gilt zu identifizieren,<br />
wo im Detail die theoretischen Potenziale liegen und welche Strategien<br />
bezogen auf den Anwendungsfall notwendig sind, um diese<br />
Potenziale voll auszuschöpfen. Unter der Annahme, dass wettbewerbsfähige,<br />
befahrbare Wasserstraßen innerhalb einer Start-<br />
Ziel-Verbindung existieren, wird bereits jetzt der Wasserweg ähnlich<br />
genutzt wie die Straße. Die Angabe bezieht sich auf die<br />
Frachtströme in Tonnen. Die Logistik-Experten vom Fraunhofer<br />
CML nehmen demnach an, dass die Nutzung der Wasserstraßen<br />
nicht grundsätzlich nachteilig oder unattraktiv ist. Durch die<br />
künftige Anwendung autonomer Binnenschiffe ohne Besatzung<br />
soll ein Wettbewerbsvorteil entstehen, der die Nutzung von kleinen<br />
Binnenschiffen auf Wasserwegen attraktiv macht.<br />
Das AUTOFLEX Projekt will so einen entscheidenden Schritt<br />
hin zu einer nachhaltigeren und effizienteren Nutzung von<br />
Binnenwasserstraßen im europäischen Transportnetz erreichen.<br />
Autor: Jonathan Weisheit<br />
Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und<br />
Dienstleistungen CML / Nautik und Seeverkehr<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
11
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
dass Argonics die Tracks noch aktueller<br />
bereitstellen kann. Weiterhin soll es den<br />
Mitarbeitern die Auswertung und Priorisierung<br />
der Kunden-Rückmeldungen erleichtern.<br />
Neu im Sortiment ist der argo-<br />
PositionPilot – eine Manövrierhilfe für<br />
Binnenschiffe mit Ruderpropellern und<br />
360°-Bugstrahl. Die Bedienung erfolgt<br />
durch einen Drei-Wege-Joystick und<br />
Knöpfe. Er übersetzt die Bewegung des<br />
Joysticks so, dass sich Bugstrahl und Ruderpropeller<br />
automatisch in die entsprechende<br />
Richtung bewegen. Geschwindigkeit<br />
und Drehung folgen der<br />
Vorgabe durch den Joystick und werden<br />
durch das System geregelt. Dadurch kann<br />
die Geschwindigkeit – trotz des Einflusses<br />
von Strömung und Wind – eingehalten<br />
werden. Damit wird die Navigation vor<br />
der Schleuse und im Hafen nicht nur intuitiver<br />
und sicherer, sondern auch »fast<br />
zum Kinderspiel«, teilte Argonics mit.<br />
In vielen Steuerhäusern nimmt das Inland-ECDIS-Kartensystem<br />
eine zentrale<br />
Stellung ein. Argonav bietet mit dem<br />
argoRadarPilot ein System an, das diese<br />
Rolle ergänzt. Durch überlagerte Darstellung<br />
mit dem Navigationsradar (Inland<br />
ECDIS im Navigationsmodus) verknüpft<br />
der argoRadarPilot die wichtigen Informationsquellen<br />
Radar, Karten und AIS.<br />
Die Nutzung der Netzwerkschnittstelle<br />
des Radars erlaubt nun eine einfache und<br />
kostengünstige Kopplung an das Radargerät.<br />
Das System, entwickelt von Argonav,<br />
stehe bereit, neue Funktionen ins<br />
Steuerhaus zu bringen. Diese wurde bereits<br />
auf der STL in Kalkar vorgestellt.<br />
Mit dem argoLaserPilot hält eine neue<br />
Klasse von Sensoren, die sogenannten<br />
LiDAR-Sensoren, Einzug in die Binnenschifffahrt.<br />
LiDAR-Sensoren arbeiten<br />
Dieses Eco-Bin-Assistenzsystem soll energieoptimiertes Fahren in der Binnenschifffahrt<br />
stärken<br />
nach dem gleichen Prinzip wie Radar,<br />
verwenden aber Laserlicht statt Mikrowellen.<br />
Die LiDAR-Sensoren füllen den<br />
unempfindlichen Bereich des Navigationsradars<br />
mit ihren hochgenauen<br />
Messungen im Zentimeterbereich. Sie<br />
sind daher eine wertvolle Unterstützung<br />
bei der Schleusenfahrt oder dem Anlegen.<br />
Die Anzeige der LiDAR-Bilder erfolgt<br />
in einer modernen Bedienoberfläche.<br />
Mit dem argoLaserPilot, der manuell<br />
aktiviert werden kann, wird der<br />
Nahbereich des Schiffes präsentiert, in<br />
dem auch eine automatische Bestimmung<br />
des Abstandes zu Schleusenoder<br />
Spundwänden möglich ist.<br />
Der argoRadarPilot kann um eine Aufzeichnung<br />
aller empfangenen Daten erweitert<br />
werden. Neben Radar, AIS und<br />
GPS-Daten können auch mehrere Audio-Kanäle,<br />
zum Beispiel mit dem Funkverkehr,<br />
aufgezeichnet werden. Ebenso<br />
werden die Nachrichten des argoTrack -<br />
Pilot mit archiviert. Damit ist laut Argonav<br />
eine lückenlose Dokumentation der<br />
Verkehrssituation bei einer Havarie mög-<br />
© Argonics<br />
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13
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
lich, analog zu einer Blackbox, wie man<br />
sie aus dem Luftverkehr kennt.<br />
Die Entwicklung des argoRadarPilot<br />
soll auch nach der Übernahme durch<br />
Alphatron nicht abgeschlossen sein. So<br />
wird aktuell zum Beispiel eine Routenplanung<br />
entwickelt. In verschiedenen<br />
Forschungsprojekten wird an weiteren<br />
spannenden Funktionen, wie zum Beispiel<br />
dem automatisierten Ausweichen,<br />
zur Unterstützung des Schiffsführers und<br />
der weiteren Automatisierung der<br />
Schiffsführung gearbeitet.<br />
Mit dem argoBridgePilot, derzeit in der<br />
Version 0.9, stehe in wenigen Wochen im<br />
Steuerhaus ein neuartiges System zur<br />
Brückenanfahrwarnung bereit, basierend<br />
auf moderner Satellitennavigationstechnologie.<br />
Ein GNSS-Sensor misst die aktuelle<br />
Höhe des Steuerhauses, während der<br />
argoBridePilot diese mit der nächsten<br />
Brücke auf der Karte abgleicht. Dies soll<br />
eine sichere Warnung im Vorfeld der<br />
Brücke ermöglichen, unabhängig von<br />
Wetter- und Sichtbedingungen oder dem<br />
Verlauf des Flusses. Das System ist<br />
weiterhin in der Lage, mehrere Brücken<br />
hintereinander zu prüfen. Der<br />
argoBridge Pilot ist entweder als Erweiterung<br />
zum argoRadarPilot oder als<br />
eigenständiges System verfügbar.<br />
Auf der Agenda von Lutz geht es aber<br />
weiter. Der erste argoPositionPilot wurde<br />
erst Ende 2023 im Bereich der Flusskreuzfahrt<br />
installiert. Analog zur DP-<br />
Technik aus der Seefahrt bedeutet dies,<br />
dass bei Loslassen des Joysticks die erreichte<br />
Position beibehalten werde, also<br />
ein »virtueller Anker« gesetzt werde. Bis<br />
dahin gebe man nur das Ziel vor, dass unter<br />
Ansteuerung aller Antriebe mit nur<br />
einem Bedienhebel erreicht werde.<br />
»Nicht mehr ein eigener Hebel pro Antrieb«,<br />
so Lutz.<br />
Eine weitere Idee von Lutz ist es, Funktionen<br />
zu implementieren wie sie im Projekt<br />
»Schippern« entwickelt wurden. Damit<br />
lassen sich Schleusenfahrten automatisieren<br />
und Anlegemanöver durchführen.<br />
Das käme den Schiffsführern direkt<br />
zugute. Bis zum autonomen Fahren<br />
seien aber noch einige Herausforderungen<br />
zu erfüllen. Zuvor denkt der<br />
Experte über eine Unterstützung dafür<br />
nach, den Übergang aus Schleuse oder<br />
Hafen in ein Strömungsgewässer zu erleichtern.<br />
Hierfür gebe es bislang noch<br />
keine Assistenz.<br />
Fahrzeiten optimieren<br />
Anspruchsvoller werde es beim Projekt<br />
EcoBin, bei dem Argonics die Koordination<br />
innehat. In der Projektbeschreibung<br />
heißt es: Das übergeordnete<br />
Ziel dieses Vorhabens besteht in der Erschließung<br />
des Einsparpotenzials durch<br />
eine optimierte, energieeffiziente Fahrweise<br />
von Binnenschiffen. Dies wird in<br />
erster Linie realisiert durch die Weiterentwicklung<br />
eines Bahnführungsassistenzsystems<br />
zum energieoptimierten Fahren<br />
auf Fließgewässern unter dynamischer<br />
Berücksichtigung der aktuell avisierten<br />
Ankunftszeit, der fahrdynamischen<br />
Eigenschaften sowie der externen Einflüsse<br />
durch das Gewässer und den Verkehr<br />
auf den Leistungsbedarf.<br />
In einem praxisnahen Einsatz, also im<br />
regulären Frachtdienst auf einem Gütermotorschiff<br />
und bei mehreren Streckenschubbooten<br />
soll im Betrieb das Einsparpotenzials<br />
gegenüber einer herkömmlichen<br />
Fahrweise ermittelt werden. Zeitgleich<br />
soll ein betreiberseitig eingesetztes<br />
System zum Flottenmonitoring die Voraussetzungen<br />
für eine verbrauchsoptimierte<br />
Einsatzplanung der fahrenden<br />
Flotte schaffen.<br />
Dabei geht es darum, vorgegebene<br />
Fahrzeiten zwischen Start und Ziel so zu<br />
optimieren, dass sich in Abhängigkeit von<br />
Strömung, Wind, Wassertiefe und weiteren<br />
Einflussgrößen das jeweils günstigste<br />
Fahrprofil mit dem günstigsten Kraftstoffverbrauch<br />
ergebe. Die Datengrund -<br />
lagen, die verarbeitet werden, kommen<br />
von der BAW oder auch aus dem Projekt<br />
CoVaDem. Letztlich sollen die spezifischen<br />
Schiffseigenschaften mit in die<br />
Auswertung einbezogen werden. In dem<br />
bis Dezember 2026 laufenden Projekt<br />
wurde auf dem Schubschiff Herkules VIII<br />
der HGK Shipping GmbH der argoTrack-<br />
Pilot installiert. »Herkules VIII«, ein<br />
270 m langer und 22,9 m breiter Verband,<br />
beladen mit 15.000 t, ist eines von fünf<br />
Testschiffen im Projekt EcoBin.<br />
Ein erstes Assistenzsystem des Automatisierungsgrades<br />
3 für die Binnenschifffahrt<br />
ist das Ziel von Kolibri. In die-<br />
© Argonics<br />
Mögliche zukünftige Vernetzungen im Steuerhaus im argoDataPortal<br />
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INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Im Design Center der HGK Shipping werden die neuen Schiffe der Reederei entworfen und optimiert<br />
Kein Schiff wie das andere<br />
Die HGK Shipping verfügt dank einer Kooperation mit dem niederländischen Büro Inec<br />
über ein eigenes Design-Center mit fünf Ingenieuren. Sie haben bislang neun innovative<br />
Neubauten konzipiert und mehr als 70 Projektstudien erstellt. Von Krischan Förster<br />
© HGK Shipping<br />
In den vergangenen fünf Jahren hat die<br />
HGK Shipping, mit rund 300 Schiffen<br />
Europas größte Binnenreederei, nicht<br />
weniger als neun Neubauten in Dienst<br />
gestellt. Alle technisch auf dem modernsten<br />
Stand und Niedrigwasser-optimiert.<br />
Das Design all dieser Frachter, die<br />
Maßstäbe in der Rheinfahrt gesetzt haben,<br />
kommt aus dem eigenen Haus.<br />
Alles begann nach der langen Jahrhunderttrockenheit<br />
im Sommer 2018, als<br />
die Versorgung von Industrie und Verbrauchern<br />
ins Stocken geriet. Damals<br />
ging die HGK eine Kooperation mit dem<br />
niederländischen Ingenieurbüro Inec aus<br />
Poortugaal südlich von Rotterdam ein,<br />
um neue Schiffe zu entwickeln, solche,<br />
die auch bei niedrigen Pegelständen noch<br />
fahren können. »Wir hatten zuvor schon<br />
zusammengearbeitet, aber dann haben<br />
wir es auf eine neue Stufe gehoben«, sagt<br />
Tim Gödde, Business Unit Director Ship<br />
Management. Es sei schließlich darum<br />
gegangen, Schiffsdesigns neu zu denken,<br />
eine nachhaltige Bauweise inklusive der<br />
Verwendung umweltfreundlicher Materialien<br />
umzusetzen und sich auf die verändernden<br />
Anforde rungen der Kunden<br />
reagieren zu können.<br />
Drei Ingenieure beschäftigt die HGK<br />
Shipping selbst, Inec stellt zwei weitere,<br />
dazu auch spezielle Software und Rechnerleistung.<br />
Gemeinsam bilden sie ein<br />
fünfköpfiges Design-Team, das exklusiv<br />
für die Reederei arbeitet. Ergebnis der<br />
vergangenen fünf Jahre: rund 70 Konzepte<br />
und Projekte.<br />
Nach den Mega-Bargen für Ineos, die<br />
als damals größte Gastanker ihrer Art<br />
Die Ingenieure denken beim Schiffsdesign nicht nur an die Gegenwart, sondern weit in die Zukunft<br />
16 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Tim Gödde<br />
Director Ship Management, HGK Shipping<br />
noch für den HGK-Vorläufer Imperial<br />
konzipiert wurden, folgte mit der<br />
»Gas 94« der erste »eigene« Neubau und<br />
der erste für Niedrigwasser-Phasen ausgelegte<br />
Tanker. »In diesem Schiff sind<br />
erstmals unserer grundlegenden Erkenntnisse<br />
und konzeptionellen Ideen<br />
zusammengeflossen«, sagt Gödde.<br />
Da wäre zum einen der diesel-elektrische<br />
Antrieb, der die Flexibilität für eine<br />
spätere Umrüstung auf andere Kraftstoffe<br />
oder den Austausch Stromerzeuger zulässt.<br />
Das System wird daher auch als Future-<br />
Fuel-Ready bezeichnet. Zum anderen sind<br />
es die schiffbaulichen Anpassungen, vornehmlich<br />
an Bug und Heck, um bei einem<br />
möglichst geringen Tiefgang eine möglichst<br />
hohe Tragfähigkeit zu erhalten. Die<br />
seither beibehaltene und immer wieder angepasste<br />
Faustregel lautet: eine fülligere<br />
Bugform, ein schlankeres, strömungsoptimiertes<br />
Heck, ein optimaler Trimm<br />
durch eine günstigere Platzierung schwerer<br />
Komponenten und Gewichtseinsparungen<br />
in der Konstruktion. Auch die Wahl von<br />
Ruderpropellern statt der oft üblichen klassischen<br />
Propeller erklärt sich so.<br />
Die 1<strong>10</strong> m lange »Gas 94« ist mit<br />
12,50 m breiter als die üblichen 11,45 m.<br />
Selbst bei einem niedrigen Pegel von<br />
30 cm in Kaub am Mittelrhein kann der<br />
Tanker noch mindestens 200 t verflüssigter<br />
Gase befördern, weil sie mit minimal<br />
1,20 m Tiefgang auskommt. Konventionelle<br />
Schiffe brauchen 1,60 m.<br />
Seither geht es Schlag auf Schlag: Es<br />
folgten die »Gas 95«, die »Synthese 18«,<br />
für die es vor zwei Jahren den Innovationspreis<br />
Binnenschifffahrt gab, dann »Curiosity«<br />
und »Courage«, die sogar bis zu einem<br />
Tiefgang von 1,05 m fahren können,<br />
und schließlich die »Helios«. Auch dieser<br />
seit langem erste Neubau in der<br />
Trockengüterschifffahrt wartet mit Besonderheiten<br />
auf.<br />
Mit einer Länge von 135 m und einer<br />
Breite von 11,45 m schafft die »Helios«<br />
ein Ladevolumen von 5.570 m3 beispielsweise<br />
für Rapssaaten, die HGK Shipping<br />
für den weltweit führenden Nahrungsmittel-<br />
und Agrarkonzern ADM transportiert.<br />
Den Frachtraum überspannen<br />
27 Lukendächer von Blommaert, die mit<br />
Solarpaneelen bestückt sind. Sie erzeugen<br />
bis zu 90 MWh Strom pro Jahr für den<br />
Bordbetrieb und mindern den Schadstoffausstoß<br />
um bis zu 90 t CO2 per annum.<br />
Dafür gab’s jüngst sogar einen Vermerk<br />
im »Guinness Buch der Rekorde«<br />
Die nächsten Neubauten sind im Bau<br />
oder in Planung. Für den Kunden Salz -<br />
gitter Flachstahl wird bis 2025 ein 86 m<br />
langes Trockengüterschiff nach den Vorgaben<br />
des Kunden gebaut. Zum ersten<br />
Mal wird dabei elektrische Energie aus der<br />
Batterie in den Antriebsstrang eingespeist.<br />
Und dann kommt die »Pioneer«, ein<br />
speziell für die aus der Energiewende resultierenden<br />
Erfordernisse konzipierter<br />
Gastanker zum Transport von verflüssig -<br />
tem Ammoniak (NH 3<br />
) und Kohlenstoff -<br />
dioxid (LCO 2<br />
). Der 135 m lange und<br />
17,50 m breite Neubau soll im Vergleich zu<br />
heutigen Gastankschiffen ein signifikant<br />
höheres Transportvolumen bieten. Vor allem<br />
aber wird er über ein innovatives<br />
Tanksystem verfügen, das sowohl für kalt<br />
verflüssigte Gase als auch für unter Druck<br />
verflüssigte Gase geeignet ist. »Das wird in<br />
jeder Hinsicht das komplexeste und anspruchsvollste<br />
Projekt bislang«, so Gödde.<br />
Auf dem Rückweg von den Rhein- zu den<br />
Seehäfen soll Kohlenstoffdioxid aus den<br />
Produktionsstandorten der Industrie abtransportiert<br />
werden.<br />
Allen Entwürfen liegen einige grundlegende<br />
Parameter (Antrieb, Flachgängikeit)<br />
zugrunde, »und irgendwie sind sie<br />
auch alle miteinander verwandt«, sagt<br />
Gödde. Und doch sei jedes Schiff sehr<br />
speziell und auf die Erfordernisse des<br />
Kunden, der Ladung und des Fahrtgebiets<br />
abgestimmt. In jedem Design<br />
steckten jede Menge Ideen und Hunderte<br />
von Stunden und Kalkulationen. Ein<br />
Schiff von der Stange« gebe es daher<br />
nicht. »Wir wollen weiter optimieren und<br />
glauben, dass wir die Grenze des Machbaren<br />
noch nicht erreicht haben«, sagt<br />
Gödde. »Schließlich lernen auch wir immer<br />
wieder dazu.« Da der Flottenausbau<br />
bei der HGK fortgesetzt werden soll, wird<br />
dem Design Center wird die Arbeit so<br />
schnell vermutlich nicht ausgehen. <br />
Die »Gas 94« war der erste Neubau mit neuem<br />
Antriebskonzept und Niedrigwasser-Eignung<br />
Es folgte die »Synthese18« für die<br />
niederländische HGK-Tochter Wijgula<br />
Im Mai 2023 wurden die »Courage« und<br />
»Curiosity« getauft<br />
Die »Helios« schaffte es dank ihrer<br />
Solarpaneelen ins »Guiness«-Buch der Rekorde<br />
Die »Pioneer« soll ein moderner Gastanker für<br />
den Transport von Ammoniak und LOC2 werden<br />
© HGK Shipping<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
17
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Geballte Innovation auf dem Rhein<br />
Mit dem ersten von drei Koppelverbänden bringen Rhenus PartnerShip als Reederei und<br />
Contargo als Befrachter ein Millionen-Projekt an den Start, das alle derzeit verfügbaren<br />
technischen Möglichkeiten in der Binnenschifffahrt vereint. Von Krischan Förster<br />
Die Planungen laufen bereits seit<br />
2022. Jetzt ist es soweit: Mit dem<br />
Koppelverband »Mannheim 1+2« geht<br />
demnächst der erste Neubau in Fahrt, der<br />
aufzeigt, wie innovativ ein Binnenschiff<br />
derzeit sein kann.<br />
Für die Contargo als künftigen Befrachter<br />
sind die neuen Koppelverbände<br />
ein wichtiges Element zur Entwicklung<br />
klimaneutraler Transportketten im<br />
gesamten Kombinierten Verkehr. Das<br />
Unternehmen will bis 2045 klimaneutral<br />
unterwegs sein. Nachdem der zur<br />
Rhenus-Gruppe gehörende Container -<br />
logistiker mit umweltfreundlichen<br />
Umschlaggerä ten, Photovoltaikanlagen<br />
und E-Lkw bereits viel in Nachhaltigkeit<br />
an Land investiert hat, kommt mit den<br />
neuen Hybrid-Koppelverbände für die<br />
Langstrecke zwischen den Seehafen- und<br />
Binnentermi nals am Rhein auch die Binnenschifffahrt<br />
hinzu. »Damit schließen<br />
wir eine Lücke in der Transportkette«,<br />
sagt Contargo-CEO Jürgen Albersmann.<br />
Gemeinsam mit der Konzernreederei<br />
Rhenus PartnerShip hat man als erster Investor<br />
überhaupt zwei Koppelverbände<br />
für die Trockenschifffahrt mit wasserstoffbasierten<br />
Brennstoffzellen in Auftrag<br />
gegeben.<br />
Das Motorschiff »Mannheim I« bei Probefahrten<br />
Speziell für Containertransport<br />
Der erste Koppelverband »Mannheim<br />
1 + 2« ist seit Juli <strong>2024</strong> im Wasser.<br />
Nach ersten Probefahrten fand erst kürzlich<br />
die erste Beladung mit Massengut<br />
statt, um die Zulassungsvoraussetzungen<br />
für die Abnahme der Schiffe durch die<br />
SUK zu erfüllen. Im Oktober sind erste<br />
Containertransporte für Contargo von<br />
Antwerpen/Rotterdam in die Region am<br />
Mittelrhein mit den Häfen Mannheim,<br />
Ludwigshafen, Wörth und Karlsruhe vorgesehen.<br />
Der Koppelverband besteht bei einer<br />
Gesamtlänge von 193 m bei einer Breite<br />
von 11,45 m aus einem <strong>10</strong>5 m langen<br />
Motorschiff und einem 88 m langen<br />
Schubleichter. Zwei weitere baugleiche<br />
Schubleichter können zusätzlich zu<br />
einem Großschubverband aus insgesamt<br />
vier Einheiten angekoppelt werden.<br />
Der ausschließliche Einsatz der<br />
Verbände im Containerverkehr ermöglichte<br />
den Einbau leichterer Lade -<br />
böden. In Kombination mit hochfestem<br />
Stahl konnte so bei der Schiffskonstruktion<br />
deutlich Gewicht eingespart<br />
werden. Das Kaskogewicht des <strong>10</strong>5 m<br />
langen Motorschiffes reduziert sich auf<br />
© Rhenus<br />
5<strong>10</strong> t, der 88 m lange Schubleichter wiegt<br />
390 t. Bei einer Seitenhöhe von 3,40 m<br />
und einem maximalen Tiefgang von<br />
2,90 m beträgt die Nutzlast des Motorschiffes<br />
2.270 t, die des Schubleichters<br />
2.259 t, zusammen also gut 4.500 t.<br />
Das innovative Hybrid-Antriebskonzept<br />
besteht aus zwei Brennstoffzellen auf<br />
Wasserstoffbasis von Ballard mit einer<br />
Leistung von 2 x 200 kW, zwei Lithium-<br />
Ionen-Batterien von EST Floattech mit<br />
einer Kapazität von 840 kWh und vier<br />
DAF-Dieselmotoren der Stufe V von<br />
Vinke auf dem schiebenden Motorschiff.<br />
Als Generatoren laufen letztere mit konstanter<br />
Drehzahl im verbrauchs- und abgasoptimalen<br />
Bereich.<br />
Rhenus hat nach eigenen Angaben gezielt<br />
marinisierte Lkw-Motoren gewählt.<br />
Aufgrund großen produzierten Stückzahl<br />
sei davon auszugehen, dass die Entwicklung<br />
hin zur einem geringeren Kraftstoffverbrauch<br />
und zu weniger Emissionen<br />
sehr viel früher zur Verfügung steht als<br />
bei Binnenschiffsmotoren. Die Generatoren<br />
wurden für eine gleichmäßigere<br />
Gewichtsverteilung im Bug des Motorschiffes<br />
positioniert.<br />
Propeller erhalten Elektroenergie<br />
Die beiden E-Motoren von Oswald bringen<br />
jeweils 960 kW auf die beiden Antriebswellen,<br />
über die zwei fünfflügelige<br />
Propeller mit einem Durchmesser von<br />
1.620 mm mitsamt Flex Tunnel des Herstellers<br />
Van der Velden angetrieben werden.<br />
Die elektrische Energie wird wahlweise<br />
oder kombiniert von den Generatoren,<br />
den Batterien oder den beiden Brennstoffzellen<br />
geliefert. Das Energiemanagement<br />
an Bord läuft über die Batterie.<br />
Der Maschinenraum sei bewusst im<br />
Vorschiff untergebracht worden, um die<br />
Lärmemissionen vom Wohnbereich und<br />
dem Steuerhaus fernzuhalten, heißt es<br />
bei Rhenus. So seien in den sechs Schlafräumen,<br />
der Messe und in der Küche bei<br />
ersten Probefahrten nur etwas 55 dB gemessen<br />
worden – das entspricht lediglich<br />
einer gehobenen Zimmerlautstärke.<br />
22 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
© Rhenus<br />
Der Koppelverband »Mannheim 1+2« ist der erste von drei Neubauten, der mit innovativen Technologien an Bord aufwartet<br />
Motorschiff mit einem Schubleichter<br />
• Tragfähigkeit bis maximal 4.799 t bei einem Tiefgang von 2,90 m<br />
• Motorschiff <strong>10</strong>5,00 m x 11,45 m, 192 TEU<br />
• Leichter 88,00 m x 11,45 m, 192 TEU<br />
Die Gensets sind in der unteren Ebene<br />
aufgestellt, die Elektrik für das Antriebssystem<br />
befindet sich in der Ebene darüber.<br />
37 km Kabel wurden allein auf der<br />
»Mannheim I« verlegt und in insgesamt<br />
14 Schaltschränken angeschlossen.<br />
Auf dem Schubleichter versorgt ein<br />
weiterer Generator das Bugstrahlruder<br />
von Veerhaar Omega mit elektrischer<br />
Energie. So kann er bei Be- und Entladevorgängen<br />
unabhängig vom Motorschiff<br />
betrieben werden, was die Terminalzeiten<br />
verkürzt. Das Genset auf dem<br />
Schubleichter kann bei Bedarf ebenfalls<br />
für den Antrieb zugeschaltet werden.<br />
Auch die beiden Brennstoffzellen<br />
(2 x200 kWh) wurden im Vorschiff auf<br />
der Backbordseite in einem separaten<br />
Raum untergebracht. Über dem Maschinenraum<br />
an Deck des Vorschiffes befinden<br />
sich die Gasregelstrecke und die<br />
Wasserstoff-H2TankTainer von Argo Anleg.<br />
Dank der guten Trimmlage, dem verringerten<br />
Gewicht und dem neuartigen<br />
Propulsionskonzept können die Schiffe mit<br />
ihren verbesserten Flachwassereigenschaf -<br />
ten ganzjährig und bis zu einem Tiefgang<br />
von nur 1,20 m eingesetzt werden, auch<br />
unter eingeschränkten Fahrbedingungen.<br />
Mit drei Schubleichtern könnten dann<br />
noch rund 190 Container (TEU) mitgeführt<br />
werden. Die Transportkapazität<br />
liegt bei maximal 384 TEU (2 x 192 TEU)<br />
Motorschiff mit drei Schubleichtern<br />
• Flexible Containerkapazität von 384 TEU bis 768 TEU<br />
• Erhaltung der Transportleistung bei Kleinwasser<br />
für den Zweier-Koppelverband und bei<br />
768 TEU für den Vierer-Verband.<br />
Doch es geht nicht nur um die Transportleistung.<br />
»Unsere neuen Flaggschiffe<br />
verbrauchen beim diesel-elektrischen<br />
Antrieb im Vergleich zu herkömmlich<br />
angetriebenen Schiffen 30 % weniger<br />
Kraftstoff. Bei einem Einsatz der Brennstoffzelle<br />
sind es sogar 84 % weniger«,<br />
sagt Dirk Gemmer, Geschäftsführer der<br />
Konzernsparte Rhenus Transport und<br />
der Reederei Rhenus PartnerShip.<br />
Die Versorgung der Brennstoffzellen<br />
mit Wasserstoff erfolgt über zwei Tankcontainer<br />
(20 Fuß) an Bord, währenddessen<br />
zwei weitere Austauschcontainer an<br />
einem der angefahrenen Contargo-<br />
Terminals aufgeladen werden. So die<br />
Idee. Derzeit schreibt die gültige CSNI-<br />
Richtlinie jedoch noch vor, dass die beiden<br />
Brennstoffcontainer dem Schiff fest<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
23
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Der erste Koppelverband wurde auf der niederländischen Werft Den Breejen gebaut<br />
© Rhenus<br />
zugeordnet sein müssen und nicht ausgetauscht<br />
werden können. Eine Änderung der<br />
Richtlinie ist in Arbeit und soll erst ab Anfang<br />
2025 in Kraft treten, wenn alle Rheinanliegerstaaten<br />
dem zustimmen.<br />
Ungeklärt seien auch noch praktikable<br />
Lösungen für den sicheren Bezug von Wasserstoff,<br />
so Albersmann: Derzeit fehle die öffentliche<br />
Infrastruktur zur Betankung. Der Bau<br />
einer eigenen Tankstelle an einem der<br />
Contargo- Terminals unterliege komplexen Genehmigungsverfahren.<br />
Wasserstoff ist ein hochexplosives<br />
Medium, das in den Tankcontainern<br />
mit einem Druck von 500 bar bis 700 bar gebändigt<br />
wird. »Wir brauchen daher schnellstmöglich<br />
Industriestandards für den Transport<br />
und die Lagerung von Wasserstoff sowie den<br />
Betrieb von Schiffen und Terminals.«<br />
Die Karte zeigt die Contargo-Standorte, an denen Tankcontainer getauscht werden könnten<br />
HVO als Übergangslösung<br />
Einige Hersteller bieten bereits Wasserstoffgeeignete<br />
Motoren an. Der Engpass liegt eher in<br />
der ungesicherten Versorgung mit dem Energieträger.<br />
Alternativ setzen Reederei und Befrachter<br />
auf den Bio-Diesel HVO <strong>10</strong>0, zu <strong>10</strong>0 %<br />
aus erneuerbaren Rohstoffen produziert. Bei<br />
Contargo wurden erst kürzlich die ersten vier<br />
im Containerverkehr eingesetzten Binnenschiffe<br />
auf diesen Kraftstoff umgestellt. Bei positiven<br />
Ergebnissen soll die komplette Flotte folgen.<br />
Das gilt dann auch für die beiden anderen von<br />
Rhenus bestellten und künftig für Contargo eingesetzten<br />
Koppelverbände. Der zweite Koppelverband<br />
»Wörth 1+2« ist ebenfalls bei der niederländischen<br />
Werft Den Breejen im Bau und<br />
soll im Frühjahr 2025 fertig sein. Danach folgt<br />
die »Ludwigshafen 1+2«. Die beiden Einheiten<br />
erhalten einen baugleichen Hybrid-Antrieb aus<br />
Generatoren, Batterien und Elektroantrieb. Das<br />
Schubschiff ist für eine spätere Umrüstung auf<br />
Brennstoffzellen bereits vorbereitet.<br />
24 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Die Batteriekapa zität<br />
reicht aus, um auf<br />
Stadtstrecken nahe<br />
Rotterdam, Düsseldorf,<br />
Köln, Mainz/<br />
Wiesbaden oder<br />
Mannheim/<br />
Ludwigshafen im<br />
reinen Elektrobe -<br />
trieb bis zu 2 h lang<br />
emissionsfrei zu<br />
fahren.<br />
Bereits Ende des Jahres<br />
kommen die Kaskos<br />
für den dritten, baugleichen<br />
Koppelverband »Ludwigshafen 1<br />
+ 2« von einer rumänischen Werft an der<br />
Donau zu Den Breejen. Mit der Indienststellung<br />
der neuen Schiffseinheit rechnet<br />
Gemmer Anfang 2026.<br />
Selbst optimierender Schiffsbetrieb<br />
Dank des klimaneutralen Elektroantriebes<br />
können auf den Neubauten künftige technische<br />
Entwicklungen bei E-Fuels und<br />
leistungsfähigeren Stromspeichern adaptiert<br />
werden. »Bei unseren drei Neubauten<br />
wollen wir nicht nur einen Schritt in die<br />
Zukunft machen, sondern in Bezug auf<br />
Nachhaltigkeit richtungsweisend voranschreiten«,<br />
betont Gemmer.<br />
Für den sich selbst optimierenden<br />
Schiffsbetrieb aller drei Koppelverbände<br />
wurde gemeinsam mit erfahrenen<br />
Rhenus-Schiffsführern ein neues Power-<br />
Managementsystem zur Schiffssteuerung<br />
für die Berg-, Tal- und Manövrierfahrt<br />
entwickelt. »Dank kontinuierlich gespeicherter<br />
Daten über den jeweiligen<br />
Einsatzablauf kann sich das selbstlernende<br />
System weiter optimieren«, so<br />
Gemmer. Die drei neuen Schiffe lassen<br />
sich zudem für den späteren automatisierten<br />
Betrieb vorbereitet. »Techniker<br />
behalten über den Fern-Diagnose-<br />
Service die Leistung der Flotte im Blick –<br />
inklusive Motorleistung, Kraftstoffverbrauch<br />
und Emissionswerten. Dank eines<br />
kontinuierlichen Datentransfers ist eine<br />
schnelle Fernwartung der Motoren von<br />
Land aus möglich«.<br />
Angesichts eines Anteils der Binnenschiffe<br />
von 50 % am Emissions-Modal-<br />
Split bei Contargo sind weitere Neubauten<br />
vorstellbar. Damit würde man dem Ziel<br />
der Klimaneutralität bis 2045 einen großen<br />
Schritt näherkommen. Allerdings<br />
fehlt dazu eine langfristig planbare Förderung.<br />
»Um weitere Schiffe in Auftrag<br />
geben und wirtschaftlich betreiben zu<br />
Die Macher:<br />
Jürgen Albersmann (li., Contargo) und<br />
Dirk Gemmer (Rhenus PartnerShip)<br />
können, brauchen wir die politischen<br />
Signale, dass solche Schiffe auch förderfähig<br />
sind und dass es in drei bis fünf Jahren<br />
eine funktionierende Infra struktur für<br />
»grünen« Wasserstoff entlang des Rheins<br />
geben wird«, so Albersmann. »Da sind wir<br />
heute noch nicht.« Aus seiner Sicht ist das<br />
aber dringend nötig: Innerhalb der nächsten<br />
zehn Jahre werde sich das Containervolumen,<br />
das von den Seehäfen rheinaufwärts<br />
transportiert werden müsse, um<br />
8 Mio. TEU erhöhen. Ohne Investitionen<br />
in effizient und nachhaltig betriebene<br />
Schiffe würden sonst die Emissionen nicht<br />
sinken, sondern sogar weiter steigen.<br />
»Leider sind die Erfahrungen, die wir<br />
mit dem Bau der ersten beiden Koppelverbände<br />
gemacht haben, nicht ermutigend.<br />
Dabei spielten<br />
nicht nur die unzureichende<br />
Förderkulisse,<br />
sondern<br />
auch Genehmigungsauflagen<br />
während der Bauzeit<br />
eine große<br />
Rolle«, ergänzt<br />
Gemmer.<br />
So habe man<br />
trotz rechtzeitiger<br />
Beantra gung keine<br />
Förderzusage für die ersten<br />
beiden Koppelverbände<br />
mit Elektroantrieb und Brennstoffzellen<br />
erhalten. Erst der mittlerweile<br />
in Auftrag gegebene dritte Koppelverband<br />
erhält eine Förderung der Baukosten<br />
von 80 % für das Motorschiff und<br />
60 % für den Schubleichter, der ebenfalls<br />
mit einem Elektromotor betrieben wird.<br />
Ein weiteres Problem: Für solche Konzepte<br />
gibt es bislang keine gültigen Standards<br />
und Genehmigungsverfahren<br />
durch die Bauaufsichtsbehörden. Nachdem<br />
bei den beiden Schiffen des ersten<br />
Koppelverbandes quasi jede Schraube genehmigt<br />
wurde, was die anfangs veranschlagte<br />
Bauzeit von einem Jahr auf<br />
zwei Jahre verlängerte, ging es beim zweiten<br />
Koppelverbandes wieder von vorn<br />
los«, berichtet Gemmer. Weitere Verzögerungen<br />
beim Bau habe es durch die Corona-Pandemie<br />
und Lieferschwierigkeiten<br />
bei der Brennstoffzelle und Wasserstofftechnik<br />
gegeben.<br />
<br />
Die Lithium-Ionen-Batterien mit einer Kapazität von 840 kWh stammen von EST Floattech<br />
© Rhenus<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
25
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Innovation mit der Zapfpistole?<br />
»Eine Innovation ist die erfolgreiche Durchsetzung einer technischen oder<br />
organisatorischen Neuerung, nicht allein ihre Erfindung«, hat einst Joseph Schumpeter<br />
(1883 – 1950) formuliert. Trifft das auf HVO <strong>10</strong>0 zu? Von Herrmann Garrelmann<br />
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Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler hat den Begriff<br />
»Innovation« in seiner heutigen Verwendung maßgeblich<br />
geprägt. Neben der eigentlichen Entwicklung von etwas Neuem,<br />
war für Schumpeter die Durchsetzung neuer Ideen am Markt<br />
entscheidend. Also der Gewinn, den die Unternehmen mit der<br />
Innovation erwirtschaften. Oder der Vorteil, der der Wirtschaft<br />
daraus entsteht. Dass auch bereits voll entwickelte Produkte oder<br />
Dienstleistungen zu einer Innovation werden können, ist am<br />
Beispiel eines neuen, dennoch aber bekannten Kraftstoffes zu erkennen:<br />
HVO <strong>10</strong>0.<br />
Auf der Suche nach der Verringerung von Umweltauswirkungen<br />
auch in der Binnenschifffahrt sind bisher vielfältige<br />
Ansätze zu erkennen. »Wer ein paar Jahre zurückschaut, wie wir<br />
angefangen sind mit vielen Projekten, die die Binnenschifffahrt<br />
sauberer machen sollten. Wir haben elektrische Lösungen entwickelt,<br />
haben auf Wasserstoff umgebaut, wir haben Methanol angepasst,<br />
alles viele schöne Schritte, um sauberer zu werden«, fasste<br />
Michael Voorwinde vom Branchenverband Bovag jüngst auf<br />
einem Kongress in den Niederlanden zusammen. »Nur alle dauern<br />
sehr lange. Aber was wir nötig haben, ist eine schnelle Möglichkeit,<br />
sauberer zu werden«, ergänzte er. Für HVO <strong>10</strong>0 konstatierte<br />
er: »HVO und FAME sind niedrig hängende Früchte,<br />
weil wir mit diesen Kraftstoffen eigentlich jedes Schiff versorgen<br />
können und sofort 90 % der CO2-Emissionen verringern.«<br />
Im Mittelpunkt des Motorenevents standen daher Fragen, ob<br />
und wie die dringend angestrebte »Nachhaltigkeit« des Verkehrsträgers<br />
Binnenschiff schneller und eventuell effektiver zu holen<br />
sei. Vor dem Hintergrund des von der EU proklamierten Green<br />
Deals hängen aber die Ziele hoch und sind widersprüchlich.<br />
Einerseits soll der Anteil der mit Binnenschiffen zu transportierenden<br />
Güter deutlich steigen, andererseits sagt die Klimavorgabe<br />
der gleichen EU, das sie bis 2050 vollständig klimaneutral<br />
sein wolle. Schon bis 2030 soll der Anteil der Treibhausgase,<br />
gemessen am Basisjahr 1990, um 55 % zurückgehen. Um das<br />
letztgenannte Ziel zu erreichen, sollen mit REDII, ETS 2 und anderen<br />
Werkzeugkästen Instrumente bereitstehen. Nur: Neben<br />
den notwendigen technischen Entwicklungen kosten diese<br />
Schritte teils Unsummen an finanziellem Aufwand für<br />
Forschung, Erprobung, Markteinführung neuer Techniken. Die<br />
europäische Binnenschifffahrt dürfte aus eigener Kraft nicht in<br />
der Lage sein, diese Ziele zu erreichen.<br />
Bis zu 90 % weniger CO2-Emissionen<br />
Könnte da HVO <strong>10</strong>0, das seit April <strong>2024</strong> auch an deutschen<br />
Tankstellen in Verkehr gebracht werden darf, mit einem<br />
CO2-Emissionsminderungspotenzial von mehr als 90 %, vielleicht<br />
auch ein qualitativ aufgebessertes FAME, nicht doch eine<br />
Lösung sein? Vor dem Hintergrund ersparter Investitionen ist<br />
dann über die technische Verträglichkeit zu reden. Und über die<br />
Kostenseite, und die Verfügbarkeit, und die langfristige Steuerfreiheit?<br />
Selbst die aktuellen Mehrkosten für den Treibstoff bezogen<br />
auf Tonnenkilometer lassen monetär erkennen, wo der wirtschaftliche<br />
Vorteil liegen könnte. Zudem: selbst Gasöl (Diesel)<br />
wird durch die Vorgaben der EU-ETS 2 in den kommenden Jahren<br />
an den Tankstellen und Bunkerplätzen teurer werden. Der<br />
schnelle Umwelteffekt steht all diesen Aspekten gegenüber.<br />
Dass HVO <strong>10</strong>0 in den letzten Monaten vermehrt in den Blickpunkt<br />
geriet, hat auch mit Meldungen zu tun, die dessen Einsatz<br />
beschreiben. Zuletzt hatte die HGK berichtet, sich mit ersten<br />
Bevorratungen Kontingente des Biokraftstoffs gesichert zu<br />
haben, um einen Teil der Flotte -ausschließlich damit – betreiben<br />
zu können. So könnten auch ältere Teile der Flotte ohne hohe<br />
Investitionen laufen und dennoch kräftig auf die Dekarbonisierung<br />
der europäischen Binnenschifffahrt einzuzahlen, heißt es.<br />
Für Steffen Bauer, CEO der HGK-Shipping, gehen die Wünsche<br />
aber weiter: »Wir bitten die Politik, eine Branchenlösung in<br />
26 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
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INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
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Der Neubau »Gas 92« könnte eines der ersten HVO <strong>10</strong>0-Schiffe sein<br />
eine Abnahme der Motorschwingungen fest. Bei der Basisgeschwindigkeit<br />
von 1.350 U/min, (maximal 1.675 U/min) wurden<br />
25 kW mehr Leistung gemessen, einhergehend mit einer 30<br />
bis 40 Grad niedrigeren Abgastemperatur.« Das resultiere aus der<br />
besseren Verbrennung von HVO im Vergleich zu Gasöl. Der flämische<br />
Schiffer ist begeistert von HVO: »Der Motor war leiser<br />
und es gab keine Probleme mit den Filtern. Der Vorteil ist, dass es<br />
geruchlos ist.« Es rieche auch nicht nach Frittenfett oder Frikandeln.<br />
Über die persönliche Begeisterung siegt aber vorerst die<br />
Bilanz: Wegen des erheblichen Preisunterschieds fährt die »La<br />
Coruna« nun erstmal wieder auf Gasöl. »Bei uns in Belgien kostet<br />
ein Kubik Gasöl derzeit rund 750 € im Vergleich zu 1.250 € für<br />
HVO <strong>10</strong>0«, rechnet Vleminckx vor. »Europa wird etwas tun müssen,<br />
um HVO attraktiver zu machen, denn das Messer muss auf<br />
beiden Seiten schneiden, sonst wird es aufhören.«<br />
Aus Sicht der Motorenhersteller gibt es ebenfalls eine Tendenz,<br />
HVO <strong>10</strong>0 einzusetzen. Stenn Hertgers vom DAF-Spezialisten<br />
Vink Diesel weiß: »HVO ist ein sehr reiner, nichthygroskopischer<br />
Brennstoff, der in jedem Mischungsverhältnis<br />
mit Gasöl verwendet werden kann. Wenn Sie es gut machen<br />
möchten, rate ich Ihnen, auf HVO <strong>10</strong>0 zu gehen.« Der Wechsel<br />
zwischen HVO <strong>10</strong>0 und EN 590 erfordert keine zusätzlichen<br />
Arbeiten wie die Reinigung der Tanks. »Wenn man zwischen den<br />
Kraftstoffen wechselt, erkennt das Managementsystem des DAF<br />
Paccar-Motors die Unterschiede deutlich und das Steuergerät des<br />
Motors passt ihn automatisch an.«<br />
Fast jedes Binnenschiff fährt mit Diesel<br />
Welche Bugwelle an Fakten den verordneten Emissionszielen in<br />
der Binnenschifffahrt derzeit entgegensteht, lässt sich mit Blick<br />
auf Zahlen erkennen. In mehr als 99 % aller europäischen Binnenschiffe<br />
laufen Dieselaggregate. Das gilt sogar für aktuelle Neubauten.<br />
Selbst der deutlich höhere Anschaffungspreis eines Stage-<br />
V-Dieselmotors im Vergleich zu einem CCR2-Motor habe eine<br />
signifikante Umstellung auf batteriebetriebene oder wasserstoffbetriebene<br />
elektrische Antriebe in der Binnenschifffahrt nicht<br />
hervorbringen können. Solche Projekte seien ohne Subventionen<br />
ohnehin nicht zu machen. Mehr noch: Der Mehrpreis eines Stage-<br />
V-Motors habe dazu geführt, dass vermehrt intensive Revisionen<br />
erfolgt seien, anstatt eines Umbaus, damit die Rentabilität bleiben<br />
könne. Und weil die verfügbaren Subventionen nicht ausgereicht<br />
hätten, um die Nachfrage zu stillen, würden auch künftig Motoren<br />
mit mehr als <strong>10</strong>0.000 Stunden auf der Uhr unterwegs sein.<br />
Manouk Leemberg, Prime Marine Account Manager bei Pon<br />
Power, einem führenden Caterpillar-Importeur, und Verkaufsleiter<br />
Dirk Jan Bezemer von Dolderman, dem wichtigsten Caterpillar-Händler<br />
für die Binnenschifffahrt in den Niederlanden, erwarten<br />
nicht, dass sich dies kurzfristig ändern wird: »Im Jahr 2021<br />
haben wir die ersten acht Caterpillars Stage V-Motoren verkauft,<br />
2022 haben wir 11 verkauft, in 2023 waren es 25 und dieses Jahr<br />
sind es 54. Für 2025 seien 62 Projekte bestellt.« Allerdings gebe es<br />
eine Tendenz zu oft leichtere Motoren. Wo sonst gern Leistungen<br />
von 3.512 kW (1.360 bis 1.800 PS) dominiert hätten, manchmal<br />
sogar ein 3.516 (über 2.<strong>10</strong>0 PS), sei es jetzt viel wahrscheinlicher,<br />
dass es sich um den C32 (1.000 bis 1.390 PS) und C18 (600 bis<br />
800 PS) handele. »Das Design der Hüllen wurde mit Blick auf<br />
Niedrigwasser angepasst«, sagt Bezemer, und oft gebe es zwei kleinere<br />
Motoren anstelle eines großen Antriebs. Fazit also: der Diesel<br />
bleibe und werde auch in 2035 oder gar in 2050 in Betrieb sein.<br />
Wenn also die technische und finanzielle Erreichbarkeit der<br />
Vorgaben in weiter Ferne scheint, ist dann der Einsatz verfügbarer<br />
sauberer Kraftstoffe nicht der schnelle, der goldene Mittelweg?<br />
Für Caterpillar ist das klar: alle Caterpillar-Motoren, die<br />
nach 1990 gebaut wurden, können zu <strong>10</strong>0 % auf HVO als hochwertigen<br />
organischen Diesel-Ersatz laufen. Sie könnten auch mit<br />
Gasölmischungen mit einer maximalen Zugabe von 20 % FAME<br />
laufen, sagt das Unternehmen.<br />
Wasser in den Wein der schnellen Lösung goss Ende Juni die<br />
Deutsche Umwelthilfe. Mit Blick auf die HVO-Zulassung im<br />
Pkw-Bereich hieß es in einer Pressemitteilung, dass »HVO <strong>10</strong>0<br />
noch schmutziger als herkömmlicher Diesel« sei. Hierzu waren<br />
HVO – ein Überblick<br />
HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) wird durch eine katalytische<br />
Reaktion der Pflanzenöle oder tierischen Fette<br />
mit Wasserstoff (Hydrierung) hergestellt. Die Hydrierung<br />
führt zu einer Spaltung der Fette und Öle, bei der<br />
auch alle Sauerstoffatome und ungesättigten Bindungen<br />
entfernt werden. Aus den Fettsäuren entstehen langkettige<br />
Paraffine, der Glycerinanteil wird in Propangas konvertiert<br />
und der Sauerstoff als Wasser gebunden.<br />
Der Kraftstoff wird aus pflanzlichen Rohstoffen, Rückständen<br />
oder Abfällen hergestellt. Im Rahmen der Verordnung<br />
über Biokraftstoffe hat der europäische Gesetzgeber<br />
sehr strenge Kriterien in Bezug auf die Nachhaltigkeit<br />
und insbesondere die Umweltaspekte (CO2-Bilanz,<br />
Schutz der Wälder, vernünftige Landnutzung) aufgestellt.<br />
Um diese Kriterien zu erfüllen, wurden mehrere Zertifizierungssysteme<br />
entwickelt.<br />
HVO ist ein paraffinischer Dieselkraftstoff – diese können<br />
sowohl synthetisch als auch aus biogenen Quellen<br />
hergestellt werden. Sie sind in einer eigenen Norm (DIN<br />
EN 15940) geregelt, können herkömmlichen Kraftstoffen<br />
aber bis zu 26 % beigemischt werden.<br />
Es sind hinreichend große Mengen HVO marktverfügbar,<br />
um einen relevanten Beitrag auf und abseits der<br />
Straße zu leisten: Weltweit wurden in 2021 über 7 Mio. t<br />
HVO produziert. Bis 2025 wird die globale HVO-Produktion<br />
voraussichtlich 30 Mio. t überschreiten. Mittelund<br />
langfristig bieten skalierbare und nachhaltige Rohstoffquellen<br />
weitere Mengenpotenziale. In den kommenden<br />
Jahren soll die Produktion des regenerativen<br />
Diesels in Europa von derzeit rund 4 Mio. t pro Jahr auf<br />
15,5 Mio. t bis 2030 steigen.<br />
28 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Abgasmessungen an einem Diesel-Pkw der Schadstoffklasse<br />
»Euro 5« angeführt, die vom »Emissions-Kontroll-Institut«, einer<br />
Einrichtung der DUH, durchgeführt worden seien.<br />
Die Reaktionen auf die DHU-Behauptung ließen nicht auf sich<br />
warten. Sowohl das Bundesministerium für Digitales und Verkehr<br />
(BMDV) als auch der ADAC oder das Karlsruher Institut<br />
für Technologie werteten die Aussagen der DUH als nicht nachvollziehbar.<br />
Im Gegenteil, die allgemeine Kenntnislage zeige klare<br />
Vorteile bei der Verwendung von HVO <strong>10</strong>0, insbesondere bei<br />
den Partikel-Emissionen. Neueste eigene Messungen hätten gezeigt,<br />
dass der HVO-Diesel problemlos funktioniere. Bei den<br />
älteren Fahrzeugen gingen die Schadstoffemissionen im<br />
HVO <strong>10</strong>0-Betrieb tendenziell zurück. Bei aktuellen Dieselfahrzeugen<br />
mit aufwendiger Abgasnachbehandlung sei der Schadstoffausstoß<br />
ohnehin schon so niedrig, dass eher der jeweilige Betriebszustand<br />
der Katalysatoren den (geringen) Unterschied<br />
mache als der verwendete Kraftstoff.<br />
Was hindert die Branche?<br />
Auch aus Sicht des BMDV sind unterm Strich keine signifikanten<br />
Emissionserhöhungen durch den Betrieb mit HVO <strong>10</strong>0 zu erwarten.<br />
Eher gehe man im Einklang mit dem berichteten Stand aus der<br />
wissenschaftlichen und Fachliteratur tendenziell von einer Senkung<br />
relevanter Emissionen aus. Was hindert die Branche also daran, sofort<br />
umzuschalten und Biokraftstoffe wie HVO <strong>10</strong>0 einzusetzen? Ist<br />
es das Image? Berichte über ernste Störungen im Motorenbereich<br />
sind noch bekannt. Dazu muss man wissen: Biokraftstoffe gibt es in<br />
zwei Optionen: Neben HVO <strong>10</strong>0 wird auch FAME eingesetzt. Das<br />
ist der Kraftstoff, der zuvor Probleme verursacht haben soll. Bas<br />
Goedegebuure von FincoEnergies hält das Imageproblem für falsch.<br />
»Wir haben die Erfahrung, was man mit FAME machen kann.« Bei<br />
der Verwendung von FAME müssten, so der Experte, die Ölfilter<br />
immer ausgetauscht und rechtzeitig sauber gehalten werden, es sei<br />
auf regelmäßiges Entwässern zu achten und Wasser und Schmierölanalysen<br />
müssten immer durchgeführt werden. Dann ließen sich<br />
diese Dinge beheben, die aber bei HVO erst gar nicht aufträten.<br />
Was aber, wenn großflächig nicht nur im Binnenschiffsbereich,<br />
sondern auch im Straßenverkehr und im Flugverkehr auf HVO-<br />
Produkte zurückgegriffen würde? Dann werden sich, so die Vermutung,<br />
die Mengen schnell erschöpfen, zudem dürfte es einen<br />
konkurrenzbedingten Preisanstieg geben. Selbst unter Beibehaltung<br />
der bisherigen Steuerfreiheit für HVO in der Binnenschifffahrt<br />
wäre der monetär zu erkennende Vorteil schnell dahin.<br />
Konkrete Angaben über die bis 2030 oder darüber hinaus herstellbaren<br />
Mengen liegen hier mangels verlässlicher Quellen<br />
nicht vor. Der große Vorteil aber liegt darin, dass bei einer maßgeblichen<br />
Veränderung der Rahmenbedingungen ein Zurückschalten<br />
auf herkömmlichen Kraftstoff schon beim nächsten<br />
Bunkervorgang vorgenommen werden kann. Ein Verpuffen<br />
eventuell getätigter Investitionen für technische Anpassungen ist<br />
nicht zu befürchten. Bei vielen Bunkerbetrieben ist HVO <strong>10</strong>0 bereits<br />
im Angebot. Die »Innovation durch die Zapfpistole« kann<br />
also unmittelbar beginnen.<br />
<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
29
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Fähren Platz finden, sind bereits ausgeliefert<br />
worden.<br />
»Die Hybridleistung dieser Getriebe ist<br />
relativ groß. Die Fähren können deshalb<br />
auch rein elektrisch fahren«, erklärt<br />
Klaus Deleroi einen der Vorteile.<br />
Für REINTJES spielt der italienische<br />
Markt eine große Rolle. Kürzlich hat das<br />
Unternehmen dort mit dem langjährigen<br />
Vertriebspartner Alberto Amici ein gemeinsames<br />
Kompetenzzentrum für<br />
Hybrid- und Elektroantriebe in der<br />
Schifffahrt gegründet.<br />
Dieses Joint Venture trägt den Namen<br />
REINTJES Hybrid Power S.r.l. (RHP)<br />
und hat seinen Sitz in der Nähe von Mailand.<br />
»Mit dieser Gründung möchten wir<br />
an dem wachsenden Trend im Bereich<br />
der elektrischen und hybriden Antriebssysteme<br />
noch mehr teilhaben«, sagt<br />
Deleroi. »Bei RHP setzen wir auf ein spezialisiertes<br />
Team mit Anwendungs- und<br />
Ingenieurwissen, das sich auf die neuen<br />
Hybrid- und Elektroantriebssysteme<br />
konzentriert, um sie schneller auf den<br />
Markt zu bringen, ergänzt Deleroi.<br />
Motoren aus Friedrichshafen<br />
Die erste Fähre wurde unter dem Namen »Vittorio Morace« in Dienst gestellt<br />
Die im Juni abgelieferte, erste Hybrid-<br />
Fähre fährt mit einem MTU-Hybrid-<br />
Antriebssystem von Rolls-Royce Power<br />
Systems aus Friedrichshafen. Gebaut wurde<br />
das auf den Namen »Vittorio Morace«<br />
getaufte Schiff bei der spanischen Werft<br />
Astilleros Armon nach Plänen von Incat<br />
Crowther. Es ist von der italienischen Klassifikationsgesellschaft<br />
RINA nach deren<br />
»Green Plus«-Regeln zertifiziert.<br />
Der batterieelektrische Teil des Antriebs<br />
dient zum lokal emissionsfreien<br />
Fahren im Hafengebiet und als Booster.<br />
Die CO 2<br />
-Emissionen werden den Angaben<br />
zufolge insbesondere durch die<br />
Dieselmotoren der MTU-Baureihe 4000<br />
reduziert, die auch mit dem nachhaltigen<br />
Kraftstoff HVO betrieben werden können.<br />
Durch dessen Einsatz kann der<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck um bis zu 90 % reduziert<br />
werden. Darüber hinaus trägt das<br />
vergleichsweise geringe Gesamtgewicht<br />
sowohl der Motoren als auch des Hybridantriebs<br />
zu einer hohen Effizienz des<br />
Schiffsantriebs und damit zu einem geringeren<br />
Kraftstoffverbrauch und zu geringeren<br />
Emissionen bei, heißt es weiter.<br />
Alle Komponenten werden durch das<br />
Steuerungs- und Überwachungssystem<br />
MTU NautIQ Blue Vision NG koordiniert.<br />
Überwacht werden die kompletten<br />
Antriebsanlagen der ersten beiden<br />
Schiffe vom Equipment Health<br />
Monitoring System MTU NautIQ Foresight.<br />
Es sammelt Daten des technischen<br />
Zustands und analysiert und speichert<br />
sie, um die operative Verfügbarkeit des<br />
Schiffs zu verbessern, die Instandhaltungskosten<br />
zu verringern sowie<br />
den Kraftstoffverbrauch und damit den<br />
CO 2<br />
-Ausstoß zu senken.<br />
Hybrid-Antrieb im Einsatz<br />
Technische Daten Liberty-Lines Fähren<br />
• Verbrennungsmotoren: 2 x MTU<br />
16V4000 M65L, Nennleistung:<br />
2.560 kW bei 1.800 U/min. IMO<br />
Tier III- und US EPA Tier<br />
4-konform, zusammen mit mtu<br />
SCR-Abgasnachbehandlungssystemen<br />
• Getriebe: REINTJES WVSA-1542<br />
hybridfähig mit kuppelbaren PTO/<br />
PTIs für die Kopplung mit elektrischen<br />
Maschinen<br />
• E-Maschinen: 2 x Danfoss Editron<br />
EM-PMI375 T1<strong>10</strong>0–2900 Permanentmagnet-E-Maschinen.<br />
Sie liefern<br />
in diesem Fall jeweils ca.<br />
130 kW Antriebsleistung und im<br />
Lademodus bis zu ca. 260 kW pro<br />
Beim Ein- und Auslaufen in die Hafengebiete<br />
sorgen die Batterien für geräuschloses<br />
und emissionsfreies Manövrieren.<br />
Sie versorgen dabei alle elektrischen Einrichtungen<br />
des Schiffs und die Bugstrahlruder<br />
mit Strom. Wenn das Schiff<br />
den Hafen verlässt und die Geschwindigkeit<br />
erhöht, werden die Verbrennungsmotoren<br />
eingesetzt. Sie treiben die Propeller<br />
direkt an, so dass eine Fahrt mit bis zu<br />
30 Knoten Geschwindigkeit möglich ist.<br />
Gleichzeitig treiben sie die Hybrid-Elektromaschinen<br />
über die Getriebe an, um<br />
die Batterien aufzuladen und die elektrischen<br />
Verbraucher an Bord zu versorgen,<br />
ohne Stromaggregate betreiben zu<br />
müssen. Die Stromaggregate an Bord stehen<br />
als Backup zur Verfügung. Wenn das<br />
Schiff im Hafen liegt, dienen die Batterien<br />
bei kürzeren Zwischenstopps der gesamten<br />
elektrischen Versorgung an Bord,<br />
ebenfalls geräuschlos und emissionsfrei<br />
ohne Stromaggregate. Bei längeren Zwischenstopps<br />
kann Landstrom angeschlossen<br />
werden, um die Batterien<br />
aufzuladen.<br />
RD<br />
Maschine. Durch den Einsatz von<br />
Elektromotoren mit variabler<br />
Drehzahl können einfache Festpropeller<br />
für das Schiff verwendet<br />
werden.<br />
• Stromaggregate: 2 x <strong>10</strong>0 kWe<br />
drehzahlvariable Aggregate, die<br />
mit 1.000 – 2.400 U/min arbeiten,<br />
mit leichten PM-Generatoren<br />
• Batterien: 3 x 11 EST Green Orca<br />
<strong>10</strong>50 Batteriepakete (insgesamt<br />
346 kWh installiert)<br />
• DC-Schalttafeln (einschl. DC-<br />
Stromrichter, Leistungsschalter,<br />
Filter und Schutzausrüstung)<br />
• Elektrisches Energiemanagementsystem<br />
© REINTJES / Liberty Lines<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
31
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
»Konrad Adenauer« auf der Helling der Lux-Werft in Niederkassel<br />
© Lux-Werft<br />
Leise und sauber über den Rhein<br />
Die auf der Lux-Werft umgebaute Autofähre »Konrad Adenauer« ist künftig CO2-neutral<br />
mit Öko-Strom unterwegs. Bad Godesberg und Niederdollendorf bekommen nach fast<br />
80 Jahren Diesel-Betrieb wieder eine Elektrofähre<br />
Nachdem sie auf der Helling der Lux-<br />
Werft umgebaut worden ist, wird<br />
die Autofähre »Konrad Adenauer« nach<br />
einem Probebetrieb an der nördlichen<br />
Stadtgrenze wieder nach Bad Godesberg<br />
zurückkehren. Im neuen Look, mit neuer<br />
Technik und vor allem ohne einen<br />
Dieselantrieb an Bord quert sie dann den<br />
Strom an Rhein-km 647 ausschließlich<br />
mit Öko-Strom – leise, sauber und<br />
CO2-neutral.<br />
Auf einen genauen Start möchte sich<br />
Ingo Schneider-Lux, Betriebsleiter der<br />
Fährbetriebe der Lux-Werft, noch nicht<br />
festlegen. »Wir haben schließlich keinen<br />
Zeitdruck«, sagt er mit Blick auf die Ersatzfähre<br />
»Mondorf«, die während des<br />
Umbaus im Bonner Süden im Einsatz ist.<br />
Der Betrieb mit der nun voll-elektrisch<br />
fahrenden Fähre »Konrad Adenauer«<br />
solle zunächst auf der Fährverbindung<br />
zwischen Graurheindorf und Mondorf<br />
getestet werden. »Wenn sie im Probe -<br />
betrieb sogenannte Kinderkrankheiten<br />
haben sollte, sind wir hier einfach näher<br />
dran an der Werft«, so der Betriebsleiter.<br />
Die Rückkehr der Fähre nach Bad Godesberg<br />
war für den Herbst geplant.<br />
Die neue Technik ist für die Lux-Werft,<br />
die sich auf den Bau und Umbau von<br />
Fahrgastschiffen und Fähren spezialisiert<br />
hat, schließlich auch ein Innovationsund<br />
Vorzeigeprojekt. Die »Konrad<br />
Adenauer«, 40 m lang und knapp 12 m<br />
breit, wird auf dem gesamten deutschen<br />
Rhein die einzige Autofähre sein, die den<br />
Fluss mit drei jeweils 190 PS starken<br />
Elektromotoren und drei Schottel-Ruderpropellern<br />
bis zu 15 Stunden lang am Tag<br />
queren wird und dabei keinen Diesel<br />
mehr benötigt. Die erste ihrer Art ist sie<br />
allerdings nicht.<br />
Über Nacht werden die 64 Batterieracks,<br />
aus Sicherheitsgründen verteilt auf<br />
zwei Batterieräume unter Deck, mit einer<br />
Gesamtleistung von rund 1.400 kWh<br />
über zwei Landanschlüsse mit Öko-<br />
Strom gespeist. Die neue Landstromanlage<br />
wird auf einem neuen schwimmenden<br />
Ponton am linksrheinischen<br />
Ufer in Bad Godesberg errichtet. Der<br />
Ponton wird an zwei Pylonen gehalten<br />
und schwimmt bei sich ändernden Wasserständen<br />
selbstständig auf und ab. Somit<br />
ist er auch in Hochwassersituationen<br />
gut gesichert.<br />
Das Unternehmen ist überzeugt, dass<br />
der Betrieb mit Batterien und Elektroantrieben<br />
genauso zuverlässig funktionieren<br />
kann wie zuvor mit den Dieselmotoren.<br />
»Da wir mit den Fähren den<br />
Rhein nur queren und nicht permanent<br />
gegen die Strömung fahren, wird die<br />
Speicherkapazität ausreichend sein«, so<br />
Schneider-Lux. Bei Fahrgastschiffen und<br />
anderen Güterschiffen, die in sogenannter<br />
»Längsfahrt« verkehren, sei eine<br />
Elektrifizierung hingegen derzeit noch<br />
durch den hohen Energieverbrauch bei<br />
Berg-Fahrten schwierig.<br />
Auch die Fähre »Mondorf« soll nach<br />
der Indienststellung der »Konrad Aden-<br />
32 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
auer« elektrifiziert und anschließend auf<br />
der Nord-Strecke eingesetzt werden.<br />
Nachhaltiger Umbau statt Neubau<br />
Der nachhaltige Umbau der Fähre, die<br />
1967 gebaut wurde, auf einen voll-elektrischen<br />
Betrieb sowie die Errichtung der<br />
Landstromanlage kosten das Unternehmen<br />
trotz Fördermitteln des Bundes und des<br />
Landes immer noch einen hohen sechsstelligen<br />
Eigenanteil. Im Rahmen der Antriebsumrüstung<br />
wurden auch andere<br />
technische Einrichtungen grundlegend erneuert.<br />
»Auch rein optisch haben wir ein<br />
neues Outfit«, sagt der Betriebsleiter und<br />
meint den weißen Außenanstrich, der die<br />
in der Beförderungsbranche früher übliche<br />
Farbe »Elfenbein« nun endlich ersetze.<br />
Nach fast 80 Jahren bekommen Bad<br />
Godesberg und Niederdollendorf damit<br />
wieder eine Elektrofähre, wie es sie von<br />
1908 bis Kriegsende 1945 schon einmal<br />
gab. »Allerdings konnte die nur zwei bis<br />
drei Gefährte aufnehmen und diente eher<br />
Das Schiff wird mit drei E-Motoren (je 190 PS) und Schottel-Ruderpropellern ausgestattet<br />
als Personenfähre«, berichtet Schneider-<br />
Lux. Als nach dem Krieg der motorisierte<br />
Individualverkehr zunahm und die Fähren<br />
größer und antriebsstärker wurden,<br />
gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
zum Dieselantrieb keine überzeugende<br />
Alternative. Das hat sich mittlerweile<br />
geändert.<br />
KF<br />
© Lux-Werft<br />
BLUECAT ®<br />
EMISSIONSMINDERUNG ALS AUFGABE?<br />
Reduzierung von<br />
CO, HC, NOx und<br />
Rußpartikeln mit den<br />
Lösungen von Discom<br />
Das Wort Emissionsminderungsziele fällt in den letzten<br />
2<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Ingenieure von Discom denken nicht<br />
in Problemen sondern in Lösungen.<br />
<br />
Gemeinsam machen wir<br />
Ihren Sektor nachhaltiger.<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
Solutions for a better world<br />
MEHR INFORMATIONEN?<br />
www.discom.eu • info@discom.eu • +31 (0)78 68 <strong>10</strong> 960<br />
33
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Effiziente Messsysteme reduzieren Emissionen<br />
Die bayerische Firma IMES gehört seit Jahren zu den führerenden Herstellern von<br />
Sensortechnologie für Großmotoren. Mit Compri hat das Unternehmen vor Kurzem<br />
ein neues Messgerät für den Einsatz bei Binnenschiffsmotoren auf den Markt gebracht<br />
Neumann: Compri verfügt über einen hochgenauen Drucksensor,<br />
der direkt in der Zündkerzenbohrung bei Otto- und<br />
Gasmotoren installiert wird und nicht über einen Adapter<br />
montiert wird. Der Sensor ist über ein Kabel direkt mit dem<br />
Compri verbunden und die Messdaten werden über Bluetooth<br />
an das mobile Endgerät (Handy, Tablet, PC), auf dem<br />
die Visualisierungs-App IMES Compri installiert ist, übertragen.<br />
So können die Messungen von nur einer Person<br />
durchgeführt werden und nicht wie bisher von zwei<br />
Personen. Außerdem können die Messdaten als PDF Datei<br />
gespeichert werden und die Daten somit weitergegeben<br />
werden.<br />
IMES-Geschäftsführer Stefan Neumann<br />
Der in Kaufbeuren sitzende Sensorhersteller IMES hat<br />
seine Produktpalette erweitert und bietet mit Compri<br />
erstmals ein Messgerät für die Anwendung im kleineren<br />
Motorensegment an. Das neue Gerät ist insbesondere<br />
für den Einsatz an Gas- und Benzinmotoren<br />
konzipiert. IMES-Geschäftsführer Stefan Neumann<br />
erklärt sein neu entwickeltes Produkt.<br />
Sie haben vor Kurzem mit Compri ein neues, elektronisches<br />
Kompressions- und Verlustdruckmessgerät auf<br />
den Markt gebracht. Damit bieten Sie jetzt auch ein<br />
Gerät für kleinere Motorengrößen an. Was hat Sie dazu<br />
motiviert, Compri zu entwickeln?<br />
Stefan Neumann: Die Geräte, die es bisher auf dem Markt gibt,<br />
sind nicht elektronisch, sondern mechanisch und die Ergebnisse<br />
werden auf einem Papierstreifen oder Manometer dargestellt.<br />
Dies ist in der heutigen digitalen Welt nicht mehr zeitgemäß. Das<br />
hat uns unter anderem dazu motivier, Compri zu entwickeln.<br />
Außerdem können wir mit dem Compri auch neue Märkte erschließen,<br />
für die auch unsere jetzigen IMES-Produkte wie z.B.<br />
Zündkerze oder unsere Zylinderdrucksensoren interessant sein<br />
können.<br />
Können Sie kurz benennen, welche Eigenschaften Compri<br />
auszeichnen?<br />
Das neue Kompressions- und Verlustdruckmessgerät Compri<br />
Wer ist potenzieller Anwender bzw. wer profitiert von dem Einsatz<br />
von Compri?<br />
Neumann: Anwender sind das Servicepersonal von Motoren -<br />
herstellern sowie auch das Betriebspersonal auf dem Schiff. Die<br />
unkomplizierte Anwendung des Compris ermöglicht eine frühzeitige<br />
Erkennung von Abnormalitäten, defekten Motorbauteilen<br />
und Verschleiß bzw. Störungen. Dadurch lässt sich der Motor<br />
optimieren, er läuft effizienter und verbraucht weniger Kraftstoff.<br />
Auch kostspielige Reparaturen und mögliche Ausfallzeiten<br />
können so minimiert werden. Nicht zuletzt profitiert natürlich<br />
auch die Umwelt davon, da effizientere Systeme dazu beitragen,<br />
die Emissionen zu verringern.<br />
AW<br />
© IMES<br />
34 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Forschung für eine grünere Schifffahrt<br />
Im Zero Emissions Lab von MARIN wird mit Steuerungstechnik von Bachmann die<br />
Antriebstechnik der Zukunft erprobt. Ziel dabei ist, der Schifffahrt bei der Erreichung<br />
der globalen Klimaziele zu helfen<br />
Der Propeller im Kavitationstunnel wird von zwei Motoren auf der Schiffswellenanlage angetrieben<br />
Um künftig die Klimaziele zu erreichen,<br />
muss auch die Schifffahrt auf<br />
saubere Energien umsteigen. An Lösungen<br />
forscht das Maritime Research Institute<br />
Nederland (MARIN) in seinem<br />
»Zero Emissions Lab« (ZEL), wo<br />
Maschinen räume der Zukunft getestet<br />
werden. Für die Ausstattung seines<br />
Zukunftslabors setzt MARIN auf Steuerungstechnik<br />
aus der MC200-Serie von<br />
Bachmann electronic.<br />
Bereits 2017 begann MARIN mit dem<br />
Konzept für das Zero Emissions Lab, eine<br />
Einrichtung zur Konfiguration und Erprobung<br />
der Antriebsleistung von klimaneutralen<br />
oder emissionsfreien Schiffen.<br />
Für die Planung und Realisierung des<br />
ZEL hat MARIN die maritimen Automatisierungsexperten<br />
von Bachmann<br />
electronic mit dem Systemintegrator Raster<br />
Industrial Automation, einem Unternehmen<br />
der ICT Group spezialisiert auf<br />
hochwertige, funktionale Sicherheitssysteme<br />
und anspruchsvolle Produktionsund<br />
Prozessautomatisierungen, zusammengebracht.<br />
Technische Grenzen überwinden<br />
© Bachmann electronic / Gert van der Ros<br />
Im Zeitalter der Automatisierung scheinen<br />
die Möglichkeiten oft unbegrenzt zu<br />
sein. Die Wünsche und Bedürfnisse in<br />
technisch machbare, sichere und nachhaltige<br />
Lösungen zu übersetzen war im<br />
Falle des ZEL dennoch herausfordernd.<br />
Es gab keine vergleichbaren Einrichtungen<br />
und somit keine Beispiele oder<br />
Erfahrungswerte. »Glücklicherweise ist<br />
Raster großartig darin, falls nötig sogar<br />
das Rad neu zu erfinden«, sagt Joeri ten<br />
Napel, Key Account Manager bei<br />
Bachmann electronic. Das Team von<br />
Raster hat sich auf die Entwicklung von<br />
individuellen Lösungen spezialisiert.<br />
Raster unterstützte MARIN zunächst<br />
bei der Definition der Sicherheitsanforderungen,<br />
die in der Software festgelegt<br />
werden mussten. Dann wurde das<br />
System entwickelt, welches die Energieund<br />
Hydroantriebssysteme integriert<br />
und die realitätsnahe Kopplung der Antriebshydrodynamik<br />
mit der Energieversorgung<br />
ermöglicht.<br />
Die Energie dafür wird über einen<br />
700-Volt-DC-Bus an die Verbraucher<br />
verteilt. An den Gleichspannungsbus<br />
können alle Arten von Stromquellen angeschlossen<br />
werden, beispielsweise<br />
Brennstoffzellen Batterien, Superkondensatoren<br />
oder Generatoren. Auch die<br />
unterstützenden Systeme wie der Umrichter<br />
und der Transformator für die<br />
400-V-Wechselstromversorgung sind mit<br />
dem DC-Bus verbunden. Für die Ver-<br />
Projekttreffen im Zero Emisions Lab von MARIN (v.l.): Martijn Kooij (Raster Industrial Automation),<br />
Joeri ten Napel (Bachmann electronic) und Rob van Rooijen (Raster Industrial Automation)<br />
© Bachmann electronic<br />
36 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
Für zusätzliche Hardware gibt es im ZEL<br />
keinen Platz. Um trotz des Platzmangels<br />
Flexibilität für künftige Testkonfigurationen<br />
zu gewährleisten, ist einer der<br />
insgesamt drei Elektromotoren eigens für<br />
die Nachbildung verschiedener Verbrennungsmotoren<br />
vorgesehen. Je nach<br />
Modellierung kann man damit die Stromerzeugung<br />
aus der Verwendung verschiedener<br />
fortschrittlicher Treibstoffe wie<br />
beispielsweise komprimierten Wasserstoff<br />
oder Methanol simulieren. »MARIN kann<br />
Modelle mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />
ins System laden und erhält so<br />
die erforderliche Flexibilität bei den Energiequellen«,<br />
erklärt Rob van Rooijen,<br />
Senior Software Engineer bei Raster.<br />
Die Experten von Raster nutzen für die<br />
Gestaltung des Systems die Modularität<br />
der umfangreichen Bachmann-Produktpalette.<br />
Die komplexe Steuerungstopologie<br />
im ZEL umfasst 17 CPUs der<br />
Bachmann MC200-Serie.<br />
Das Zukunftslabor ist mit vier CPUs sowie einer<br />
Safety-Steuerung redundant ausgelegt, welche<br />
auf der Steuerbord- sowie der Backbord-Seite<br />
eines Schiffs verortet werden<br />
bindung zur Hydrodynamik sorgen Elektromotoren<br />
auf der Schiffswellenanlage,<br />
die einen Propeller in einem Kavitationstunnel<br />
antreiben. »Bachmann hat sich bei<br />
diesem Projekt als hervorragender Partner<br />
erwiesen. Wir erhielten umfangreiche<br />
Unterstützung, um die erforderlichen<br />
Anpassungen zur technischen<br />
Machbarkeit des Systems zu ermitteln«,<br />
kommentiert Martijn Kooij,<br />
Managing Director bei Raster Industrial<br />
Automation.<br />
Modellierung von Energiequellen<br />
© Bachmann electronic / Gert van der Ros<br />
Robuste M200-Hardware<br />
Das M200-System kann aufgrund seines<br />
breiten Spektrums leistungsfähiger CPUs<br />
auf der Basis industrieller (Pentium-)Prozessoren<br />
und einem umfangreichen<br />
Angebot von Ein-/Ausgangsmodulen<br />
individuelle Anforderungen<br />
wie in diesem Projekt leicht erfüllen. –<br />
Die eingesetzten MC200-CPUs bieten<br />
skalierbare Prozessoren mit bis zu vier<br />
physikalischen Rechenkernen und bis zu<br />
1,6 GHz Taktfrequenz.<br />
Echtzeitfähige Bussysteme erlauben eine<br />
Dezentralisierung der Automatisierung<br />
ohne Leistungseinbußen.<br />
Für härteste Umgebungsbedingungen<br />
konzipiert, garantiert die M200-Serie einen<br />
störungsfreien Einsatz und ist lüfterlos<br />
bis zu einer Umgebungstemperatur<br />
von -40 bis +70 °C einsetzbar.<br />
Eine moderne, auf konsequente Netzwerkfähigkeit<br />
ausgelegte Systemarchitektur<br />
ermöglicht die einfache Integration<br />
in das Umfeld der Steuerungsund<br />
Anlagenperipherie. Real-Time-<br />
Ethernet erlaubt die echtzeitfähige Vernetzung<br />
von Steuerungen, und die Unterstützung<br />
aller gängigen Feldbussysteme<br />
ermöglicht die standardisierte Anbindung<br />
externer Komponenten.<br />
Herausfordernde Abstimmung<br />
Das Hauptsteuerungssystem des Zero<br />
Emissions Lab ist mit vier CPUs sowie einer<br />
Safety-Steuerung redundant ausgelegt,<br />
welche auf der Steuerbord- sowie<br />
der Backbord-Seite eines Schiffs verortet<br />
werden. Die derzeit insgesamt sieben verschiedenen<br />
Verbraucher oder Energiequellen<br />
verfügen jeweils über einen eigenen<br />
Controller.<br />
All diese Teilsysteme aufeinander abzustimmen<br />
war eine große Herausforderung:<br />
»Raster hat hervorragende<br />
Arbeit geleistet, um die von MARIN gewünschte<br />
Flexibilität innerhalb der Softwarearchitektur<br />
zu schaffen, welche sowohl<br />
die Maschinen- als auch die Prozesssicherheit<br />
gewährleistet«, sagt Joeri<br />
ten Napel, Key Account Manager bei<br />
Bachmann. Mit diesem Setup habe<br />
MARIN in seinem Zero Emission Lab die<br />
besten Voraussetzungen geschaffen, um<br />
fundierte Entscheidungen auf dem Weg<br />
in eine emissionsfreie Schifffahrt treffen<br />
zu können.<br />
RD<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
37
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Alternativ bunkern<br />
Hoyer Marine versorgt nahezu alle deutsche Häfen mit Schiffsbetriebs- und Schmierstoffen.<br />
An den Hamburger Landungsbrücken nimmt das Unternehmen bald eine neue<br />
Bunkerstation in Betrieb, die auch für alternative Kraftstoffe ausgelegt ist<br />
haben die Bunkerstation jedoch so<br />
konzipiert, dass auch alternative Schiffskraftstoffe<br />
aufgenommen werden können«,<br />
erklärt Thomas Hoyer, geschäftsführender<br />
Gesellschafter von Hoyer.<br />
Denn Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt<br />
dieses Projekts. Die Bunkerstation<br />
wird so vorbereitet, dass sie zukünftig mit<br />
Photovoltaik-Technik und einem Gründach<br />
ausgestattet werden kann. Sobald<br />
alle erforderlichen Arbeiten abgeschlossen<br />
sind, soll die Bunkerstation noch in diesem<br />
Jahr ihren Betrieb aufnehmen.<br />
Stapelhub der neuen Bunkerstation bei der Hitzler Werft in Lauenburg<br />
Anfang <strong>2024</strong> hat das Hamburger Unternehmen<br />
Hoyer Marine die neue<br />
Bunkerstation in Auftrag gegeben. Auftragsnehmer<br />
ist die Lauenburger Hitzler<br />
Werft. Dort fand auch Ende August der<br />
feierliche Stapelhub statt. Die knapp 140 t<br />
schwere Bunkerstation der Hoyer Marine<br />
GmbH wurde erfolgreich ins Hafenbecken<br />
der Werft gehoben, um dort<br />
schwimmend weiter ausgebaut zu werden.<br />
Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie<br />
wurde die 30 m lange und acht Meter<br />
breite Bunkerstation präzise von zwei<br />
Kränen in die Elbe abgelassen. Nach einer<br />
gründlichen Dichtigkeitsprüfung<br />
konnte die Plattform sicher in Bewegung<br />
gesetzt werden. Zwei Schlepper eskortierten<br />
die Station zum letzten Zwischenstopp<br />
vor der Auslieferung am Anleger<br />
vor der Werfthalle. Nach Fertigstellung<br />
wird sie dann ihren Platz im Hamburger<br />
Hafen, genau gegenüber des historischen<br />
Schiffes »Cap San Diego«, einnehmen.<br />
Die neue Bunkerstation wird eine zentrale<br />
Rolle bei der Betankung von Hafen-<br />
und Behördenschiffen übernehmen. Mit<br />
einer Kapazität von vier Tanks zu je 90<br />
Kubikmetern sowie Lagermöglichkeiten<br />
für Schmierfette und Öle wird sie zunächst<br />
normalen Schiffsdiesel bereitstellen. »Wir<br />
Die neue Bunkerstation ist auch für alternative Kraftstoffe ausgelegt<br />
© Hoyer Marine / Hitzler Werft<br />
Bau schreitet schnell voran<br />
Der Bau der Bunkerstation erfolgt in einem<br />
hohen Tempo. Dies sei möglich, da<br />
die Werft laut Geschäftsführer Kai<br />
Klimenko alles hat, was dafür benötigt<br />
wird: die Kapazitäten, das Know-how,<br />
und die Fachleute. Zudem profitiert die<br />
Werft von ihrer langjährigen Erfahrung<br />
aus dem Bau zahlreicher Tankschiffe.<br />
Der Pontonunterbau sei de facto nichts<br />
anderes als eine Sektion eines Tankschiffes,<br />
erläutert Kai Klimenko. »Das<br />
können wir, das haben unzählige Male<br />
schon gebaut. Und den Hallenaufbau<br />
wiederum haben wir vor vier Jahren bei<br />
einem Auftrag für die HPA ziemlich<br />
ähnlich realisiert«.<br />
AW<br />
© Hoyer Marine / Hitzler Werft<br />
38 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Emissionsfrei mit Wasserstoff und Batterie<br />
Das Unternehmen eCap Marine ist sowohl auf mobile und containerisierte<br />
Stromerzeugungslösungen als auch auf feste Installationen unter Deck spezialisiert.<br />
Dabei kommen Wasserstoff und Batterien zum Einsatz<br />
Das System von der »Coastal Liberty« lässt sich<br />
auf andere Schiffssegmente wie die<br />
Binnenschifffahrt übertragen<br />
Zu den jüngsten Projekten des Unternehmens<br />
zählt ein Offshore-Versorger,<br />
der im Wattenmeer unterwegs<br />
ist. Mit dem klaren Ziel, die Umweltauswirkungen<br />
der Aktivitäten zu minimieren<br />
und die Energiewende voranzutreiben,<br />
haben die Reederei und der<br />
Charterer beschlossen, auf grünen<br />
Wasserstoff als Hauptenergiequelle umzustellen,<br />
erläutert eCap Marine.<br />
Ende Februar <strong>2024</strong> erhielt das umgerüstete<br />
Offshore-Versorgungsschiff die<br />
Klassenzertifizierung durch den DNV<br />
für das neu installierte Wasserstoffsystem<br />
an Bord. eCap Marine hat im Auftrag der<br />
Offshore Service Gesellschaft mbH das<br />
System entwickelt, welches den<br />
emissionsfreien Betrieb des Schiffes mit<br />
Wasserstoff und Batterien ermöglicht. Im<br />
Zeitraum von zwei Jahren entwickelte<br />
eCap Marine ein Containersystem mit<br />
zwei Ballard FCwave-Brennstoffzellen<br />
(2 x 200kW), einem maritimen LFP-<br />
Batteriesystem von Lehmann Marine, einem<br />
Feuerlöschsystem, Tankeinheiten,<br />
einem kundenspezifischen Energie -<br />
managementsystem und allen erforderlichen<br />
Kühl- und Sicherheitseinrichtungen.<br />
© eCap Marine<br />
Lars Ravens, Geschäftsführer bei eCap<br />
Marine, erklärt, dass diese Art von System<br />
eine bisher einzigartige Installation<br />
an Bord eines Seeschiffes ist und bis zu<br />
Megawattgrößen für größere Handelsschiffe<br />
und längere Reisen sowie kleinere<br />
Binnenschiffe skalierbar ist.<br />
Der grüne Wasserstoff für die installierten<br />
Brennstoffzellen wird lokal<br />
und nachhaltig unter Nutzung der Offshore-Windenergie<br />
in einem parallel errichteten<br />
Elektrolyseur wenige Kilometer<br />
vom Liegeplatz des Schiffes entfernt erzeugt.<br />
Der Elektrolyseur ist so konzipiert,<br />
dass er bei einem höheren Bedarf<br />
erweitert werden kann. eCap Marine hat<br />
die drei austauschbaren Hochdrucktankeinheiten<br />
mit dem Fokus auf Sicherheit<br />
entwickelt und die Genehmigung für<br />
den Transport dieser zwischen dem<br />
Schiff und dem Elektrolyseur per Lkw<br />
erhalten. Die Projektleiterin Frederike<br />
Engels bestätigt, dass auch das Wechseln,<br />
Trennen und Wiederanschließen der<br />
Wasserstofftanks sehr<br />
einfach und sicher ist<br />
und dank des werkzeuglosen<br />
Konzepts<br />
und der Standardanschlüsse<br />
für Kran<br />
und Lkw nur wenige<br />
Minuten in Anspruch<br />
nimmt.<br />
Für die Schiffsbesatzung<br />
bedeutet das neue<br />
System geringere<br />
Vibrationen an Bord<br />
und einen direkteren<br />
Antrieb, der ein unmittelbares<br />
Steuern der<br />
Propellerwellen ermöglicht.<br />
Jochen Kaufholt,<br />
Geschäftsführer<br />
der Offshore Service Gesellschaft, beschreibt<br />
die »Coastal Liberty« als die Erste<br />
ihrer Art und ein Flaggschiff für die<br />
maritime Energiewende in Europa: »Wir<br />
sind fest davon überzeugt, dass sich diese<br />
Investition nicht nur positiv auf die Umwelt<br />
auswirkt, sondern auch langfristige<br />
Vorteile für unseren Kunden und die gesamte<br />
Region mit sich bringen wird.« RD<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
39
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
Wasserstoff für die Hafenlogistik<br />
Das gerade eröffnete Duisburg Gateway Terminal (DGT), die größte Umschlaganlage<br />
ihrer Art im europäischen Hinterland, wird mit Hilfe von Wasserstoff vollkommen<br />
klimaneutral betrieben und intelligent vernetzt sein. Von Krischan Förster<br />
Das Duisburg Gateway Terminal soll<br />
zu <strong>10</strong>0 % treibhausgasneutral betrieben<br />
werden. Das größte Entwicklungsprojekt<br />
seit »Logport I« vor 22 Jahren ist<br />
ein Modellprojekt mit Strahlkraft weit<br />
über den Duisburger Hafen hinaus. Es<br />
zeigt, wie Logistik und Energieversorgung<br />
von morgen aussehen.<br />
Im Endausbau nach zwei Baustufen<br />
soll auf dem DGT ein revolutionärer<br />
Modal Split gelten, der 40 % Transporte<br />
per Bahn, 40 % per Binnenschiff – und<br />
lediglich 20 % Lkw-Verkehr auf der Straße<br />
vorsieht. Dafür stehen auf 240.000 m2<br />
Terminalfläche sechs Portalkrananlagen,<br />
zwölf Ganzzuggleise mit 730 m Länge<br />
und mehrere Liegeplätze für Binnenschiffe<br />
zur Verfügung.<br />
Auf dem DGT sollen zukünftig<br />
Rangierlokomotiven mit Wasserstoffantrieb<br />
eingesetzt werden, Reachstacker<br />
gibt es hingegen nicht. Alle Güterbewegungen<br />
werden digital gesteuert. Für<br />
jedes Binnenschiff am Kai steht ein Landstromanschluss<br />
bereit, um den Ausstoß<br />
von Treibhausgasen zu minimieren.<br />
Weitere Partner des ersten Wasserstoff-<br />
Projekts sind die Westenergie Netzservice<br />
GmbH, der Rolls-Royce-<br />
Geschäftsbereich Power Systems, und die<br />
Stadtwerke Duisburg. Das Projekt wird<br />
im Rahmen der »Technologieoffensive<br />
Wasserstoff« vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Klimaschutz für einen<br />
Zeitraum von vier Jahren gefördert.<br />
Um die komplette Energiewende im<br />
größten Binnenhafen der Welt umzusetzen,<br />
hatten Duisport und das<br />
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits-<br />
und Energietechnik UMSICHT im<br />
Rahmen des Projekts EnerPort zukunftsweisende<br />
Technologien analysiert und<br />
maßgeschneiderte Modelle für Europas<br />
größte Hinterlanddrehscheibe entwickelt.<br />
Im Folgeprojekt EnerPort II wird<br />
ein nachhaltiges Energiesystem installiert,<br />
das erneuerbare Energien, Energiespeicher,<br />
Verbraucher und verschiedene<br />
Wasserstofftechnologien miteinander<br />
verbindet. Schlüsselkomponenten hierfür<br />
sind Brennstoffzellensysteme und<br />
Wasserstoffmotoren zur Stromerzeugung<br />
sowie Batteriespeicher.<br />
Angestrebt wird ein hoher Autarkiegrad.<br />
Ein intelligentes lokales Energienetz<br />
koppelt und steuert erneuerbare<br />
Energien in Form von Photovoltaik- und<br />
wasserstoffbasierten Kraft-Wärme-<br />
Kopplungsanlagen mit elektrischen und<br />
thermischen Energiespeichern sowie<br />
Das DGT wird das erste klimaneutral und mit einer autarken Energieversorgung betriebene Containerterminal in Europa<br />
© EnerPort<br />
40 Binnenschifffahrt <strong>2024</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2024</strong><br />
© Duisport<br />
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link, Vertreter der vier DGT-Gesellschafter Duisport, HTS,<br />
Hupac und PSA sowie des Fraunhofer UMSICHT drückten im Beisein von rund 250 Gästen den symbolischen Startknopf zur Eröffnung des Terminals<br />
Wasserstoffspeichern und Verbrauchern<br />
wie Landstrom, Ladestationen und Krananlagen.<br />
Die nachhaltige Energieversorgung des<br />
Terminals soll über ein Zusammenspiel<br />
von Anlagen mit unterschiedlichen, sich<br />
ergänzenden Eigenschaften sichergestellt<br />
werden. Die Stromproduktion ist durch<br />
PV-Anlagen sowie wasserstoffbetriebene<br />
Blockheizkraftwerke (BHKW) und<br />
Brennstoffzellen gewährleistet.<br />
Rolls Royce Power Systems liefert dafür<br />
mtu-Wasserstoffmotoren (mit insgesamt<br />
2 MW installierter Leistung) sowie<br />
drei mtu-Brennstoffzellensysteme<br />
(1,5 MW). Die Rollen sind klar aufgeteilt:<br />
Die Protonenaustauschmembran-Brennstoffzellen<br />
(PEMFC) reagieren flexibel<br />
auf schwankenden Energiebedarf, da sie<br />
sich sehr dynamisch fahren lassen und<br />
optimal Spitzen in der Last abdecken<br />
können. Die beiden Blockheizkraftwerke<br />
(BHKW) mit mtu-Wasserstoffmotoren<br />
der Baureihe 4000 werden vor allem konstant<br />
elektrische Energie liefern.<br />
Mit einem Teil der Abwärme aus den<br />
BHKW wird ein Bürogebäude auf dem<br />
Terminal beheizt. Darüber hinaus steht<br />
noch eine Wärmemenge zur Verfügung,<br />
die an Verbraucher außerhalb des DGT<br />
abgegeben werden könnten, so an<br />
Industrieunter nehmen, Gewerbegebiete<br />
und auch angrenzenden Wohngebieten.<br />
Durch die Nutzung von Wasserstoff<br />
kann die Stromversorgung auch dann gewährleistet<br />
werden, wenn die PV-<br />
Anlagen keinen oder zu wenig Strom produzieren.<br />
Überschüssiger Strom wird in<br />
© Rolls-Royce Power Systems<br />
Batteriespeichern zwischengespeichert.<br />
Zusätzlich wird die Versorgungssicherheit<br />
durch einen Anschluss an das<br />
öffentliche Stromnetz gewährleistet.<br />
Der Betrieb des Energiesystems am<br />
Terminal wird an die Bedürfnisse der<br />
Krananlagen, der Landstromversorgung<br />
für Schiffe, der Ladestationen für Pkw,<br />
der Gebäude am Terminal, der Beleuchtung<br />
und anderer kleiner Verbraucher<br />
angepasst. Hierbei können verschiedene<br />
Zielsetzungen verfolgt werden, z.B.<br />
Minimierung der CO2-Emissionen,<br />
Minimierung der Kosten, Mini- oder<br />
Maximierung der erzeugten Wärmemenge.<br />
Um die Betriebsstrategie an das jeweilige<br />
Ziel anzupassen, werden ständig<br />
Optimierungen durchgeführt. <br />
Sowohl die BHKW als auch die Brennstoffzellen sollen Strom aus Wasserstoff gewinnen<br />
Binnenschifffahrt <strong>2024</strong><br />
41
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