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Kanalservice - Carlos Koenig Designers

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Kunde: WIEMANN. Möbelproduzent. Georgsmarienhütte.<br />

Auftrag: Firmenchronik<br />

Erinnerungen beim Seniorentreffen<br />

1999:<br />

Wilhelm Wiemann war ein<br />

herzensguter Mensch, der seine<br />

Eigenheiten hatte. Wenn er von<br />

seinen Reisen zurückkam,<br />

stürmte er am nächsten Morgen<br />

vor Beginn der Frühschicht durch<br />

den Betrieb und suchte einen<br />

Anlass zum Meckern. Den fand<br />

er stets, meckerte dann, und<br />

alles war wieder gut. Da wussten<br />

wir: Der Alte ist wieder da.<br />

Briefbogen der 50er Jahre<br />

32<br />

Engpässe<br />

1950 bricht der Koreakrieg aus. Die Furcht,<br />

er werde sich zu einem neuen Weltbrand wie<br />

der erst wenige Jahre überstandene Weltkrieg<br />

ausweiten, geht um. Die Banken, auch<br />

in der Bundesrepublik, sichern sich bereits<br />

ab und bewilligen nur verteuerte Kredite.<br />

Wieder baut Wilhelm Wiemann vor. Er kauft<br />

vorsorglich „Kriegswährung“: 1000 Flaschen<br />

Schluck. Schnaps wird selbst in Notzeiten<br />

eine gefragte Währung sein, denkt er.<br />

Die Katastrophe bleibt zum Glück aus; der<br />

Koreakrieg endet 1953. Die 1000 Flaschen<br />

aber werden nach und nach bis in die 70er<br />

Jahre fi rmenintern geleert.<br />

Schnell und stürmisch geht es aufwärts mit der Möbelfabrik. Sie kann die Nachfrage vorübergehend<br />

nicht mehr befriedigen. Gerade treibt das Wirtschaftswunder erste Knospen,<br />

da muss das Unternehmen im August 1950 seinen Kunden mitteilen: „Die Nachfrage nach<br />

unseren Schlafzimmermodellen hat einen derartigen Umfang angenommen, dass wir für die<br />

Monate September/Oktober keine Aufträge mehr buchen können … Wir müssten praktisch<br />

ein Soll von 100 Schlafzimmern pro Tag erfüllen, wenn sich Angebot und Nachfrage einigermaßen<br />

ausgleichen sollen.“ Überstunden, einhundert zusätzliche Fachkräfte, modernste<br />

Fertigungsverfahren und neue Maschinen sollen den Engpass beseitigen helfen. Es gelingt,<br />

denn wenig später, im Herbst 1951, erreicht die Kundschaft ein beruhigendes Schreiben der<br />

Neuer Möbelzug<br />

Kunden-Anschreiben vom August 1950<br />

© <strong>Carlos</strong>König<strong>Designers</strong> 2011<br />

Montage<br />

Firma. Mit eingelegten Doppelschichten gelingt es, den umfangreichen<br />

Weihnachtslieferungen nachzukommen. Geschäftspartner sind mittlerweile<br />

unter anderem Auslieferungslager in Nürnberg, Stuttgart und Köln.<br />

Blick über die Grenzen<br />

Die internationale Kundschaft erwartet aus Oesede Produkte, die auch<br />

in großen Städten konkurrenzfähig sind. In seinem bereits erwähnten<br />

Grußwort zur Lauten-Möbel-Ausstellung von 1988 erinnert Mathias A.<br />

Wiemann, auf welchem Wege sich das Unternehmen den nötigen<br />

Überblick verschafft: „Aus Erzählungen meiner Eltern weiß ich, dass der<br />

Innenarchitekt Josef Lauten zum Antreiber dafür wurde, sich um ausländische<br />

Entwicklungen zu bemühen.“ Wilhelm Wiemann und Josef Lauten<br />

sehen sich um: In Utrecht auf der ersten Nachkriegsmöbelmesse, in<br />

Amsterdam, Stockholm, in Norditalien und anderswo. Wiemann-Möbel<br />

lassen bald schwedische und italienische Einfl üsse erkennen. Als jung,<br />

modern und leicht sind zudem alle jene Einrichtungen gefragt, die heute<br />

als Kennzeichen der „Nierentischkultur“ belächelt werden. Mathias A.<br />

Wiemann in seinem Grußwort: „ Die Oeseder Möbel-Industrie, wie<br />

unsere Firma damals hieß, fertigte seinerzeit neben Schlafzimmern eine<br />

ganze Palette verschiedener Beimöbel. Dazu gehörten Tische verschiedenster<br />

Art. Neben normalen, der damaligen Zeit entsprechenden<br />

Rechteck- und Rundtischen fertigte man auch die in Mode gekommenen<br />

Couchtische in allen möglichen unsymmetrischen Formen, die zum Teil<br />

mit der per Kurbel betriebenen Hebemechanik und später mit Gaspatronen<br />

bestückt waren, um die Höhenunterschiede zu überbrücken.“<br />

Das Werk unter Wasser<br />

Blick in die Montagehalle 1952<br />

Schlafzimmer<br />

Am Sonntag, dem 15. August 1954 stehen Betriebsgelände und Hallen<br />

unter Wasser. In der Nacht zuvor und am Vormittag gehen ungeheure<br />

Regenmassen auf West- und Nordwestdeutschland nieder. Stark betroffen<br />

ist der Landkreis Osnabrück, besonders Oesede. Hier tritt die<br />

sonst so harmlose Düte über die Ufer und löst die seit Menschengedenken<br />

größte Flutkatastrophe aus. Die Montag-Ausgaben der regionalen<br />

Zeitungen schildern die angerichteten Verwüstungen. Straßen sind<br />

unpassierbar, Brücken unterspült, Wiesen und Felder in Seen verwandelt. Beimöbel<br />

1 9 5 0 – 1 9 5 9<br />

33<br />

Rekordverdächtig<br />

Wiemann-Kleinmöbel<br />

Messestand<br />

36<br />

„Echo“ 12/2003 listet rekordverdächtige<br />

Zahlen auf.<br />

Danach haben die beiden alten<br />

Lackierstraßen seit 1976/77<br />

Korpusinnenfl ächen in der Größe<br />

von 9250 Fußballfeldern lackiert.<br />

Die dafür benötigte Lackmenge<br />

hätte 164 Kesselwaggons der<br />

Finanz- und Rechnungswesens im Unternehmen, ehe er sich Ende Juni 2002 verabschiedete.<br />

Als Ende Juni 2005 Horst Wöstmann, Ressortleiter Datenverarbeitung und Organisation,<br />

nach gut 33 Jahren Tätigkeit in der Möbelfabrik in den Ruhestand ging, verließ ein Mitarbeiter<br />

das Unternehmen, der sich entscheidende Verdienste innerhalb der Organisation und<br />

der Weiterentwicklung der Datenverarbeitungssysteme erworben hat. Die Genannten haben<br />

lange Jahre in ihren Positionen mit Verantwortungsbewusstsein, großer Einsatzbereitschaft<br />

und ihrem Fachwissen an der Gestaltung der Firma mitgewirkt, Arbeitsplätze gesichert und<br />

als Persönlichkeiten das Ansehen der Möbelfabrik bei der Belegschaft wie bei den Kunden<br />

vermehrt. Mathias und Markus Wiemann haben diese Verdienste ihrer Mitarbeiter zum Abschied<br />

in den Ruhestand mit nachdrücklichem Dank betont.<br />

Bahn gefüllt. Von Oesede bis<br />

ins Ruhrgebiet hätte sich die Zur nächsten Generation, die heute in bewährter Tradition stark engagiert und prägend am<br />

Schlange der aufgereihten 25 kg Geschick der Firma mitwirkt, gehören: Thomas Hülsmann (Gesamtvertriebsleiter), Karlheinz<br />

Lacktonnen erstreckt. Schließlich Bögeholz (technische Gesamtleitung), Manfred Lachnitt (Materialwirtschaft, Bauwesen),<br />

haben die Transportbänder und Stefan Bergmann (Finanz- und Rechnungswesen) und Ansgar Metker (Organisation/Daten-<br />

Walzen eine Strecke von rund verarbeitung).<br />

84 000 km zurückgelegt – das<br />

entspricht mehr als dem doppelten<br />

Erdumfang.<br />

Kesselhaus nach der<br />

Sanierung 2010<br />

66<br />

Zuschnitt vieler Neubauwohnungen, der Wunsch nach einer freieren, nicht überladenen Wohnatmosphäre,<br />

nicht zuletzt der noch keineswegs prallvolle Geldbeutel der Kundschaft – alles<br />

das verlangt nach Kleinmöbeln.<br />

Der genaue Beobachter Wiemann produziert für diesen neuen Markt – und das mit wachsendem<br />

Erfolg. Einfallsreich reagiert er bereits 1956 auf ein aktueller werdendes Alltagsproblem.<br />

Wohin mit dem Fernsehgerät? Noch bevor in den 60er Jahren die „Sesam-Bar“ zum Verkaufsschlager<br />

wird, bietet die Oeseder Möbel-Industrie in ihrem Programm die „Wiemann-Fernseh-<br />

Drehbühne“ an. Ein Kundenbrief vom Februar 1957 schreibt dazu: „Überall dort, wo dieses<br />

dekorative und praktische Möbel in den<br />

Schaufenstern sichtbar wurde, ist es ausgezeichnet<br />

verkauft worden.“<br />

Das große Schaufenster<br />

Möbelmesse Köln<br />

Zum großen Schaufenster der europäischen<br />

Möbelindustrie wächst in den 50er Jahren<br />

die Fachmesse in der Domstadt am Rhein<br />

heran. Hier stellt sich das Oeseder Unternehmen<br />

jährlich dem Wettbewerb.<br />

1950 zeigt Wiemann neue Modelle: Schlafzimmer, Klapp-, Zweizug- und Vierzugtische,<br />

Stiltische in Renaissance, Barock und Chippendale. 1952 sind die Geschäftsfreunde zum<br />

Messe-Preisausschreiben eingeladen. Sie sollen die acht Schlafzimmer- Modelle nennen,<br />

die sie für besonders „verkaufsfähig“ halten. Die Preise, insgesamt 50 sind ausgesetzt,<br />

können sich sehen lassen: ein Schlafzimmer, ein eichefurnierter Kleiderschrank von 200 cm<br />

Breite und zahlreiche Kleinmöbel. Die Einladungskarte zur Messe 1958 wirbt mit namhaften<br />

Möbeldesignern, die für Wiemann arbeiten: Sigvard Bernadotte, Acton Björn, Else Drees,<br />

„OMI“-Schulsegler<br />

Messe-Einladung 1950<br />

Montagehalle<br />

Rudolf Glatzel, Josef Dresen. Und noch ein Höhenfl ug: Seit 1958 fl iegt der von Wiemann<br />

gesponserte „OMI“-Schulsegler über dem Landkreis.<br />

Kein Jahr verstrich, ohne dass der Maschinenpark erneuert und erweitert oder Gebäudeteile<br />

saniert wurden. Es war ein Jahrzehnt anhaltender Bautätigkeit. Die Vorhaben verlangten<br />

enorme planerische, wirtschaftliche und organisatorische Anstrengungen, denn die Produktion<br />

sollte so wenig wie möglich gestört werden. Schließlich waren Arbeitsabläufe optimiert,<br />

Voraussetzungen für neue Produktionsanlagen geschaffen worden, und Wiemann konnte<br />

jetzt in seinen neuen Ausstellungsräumen die Modellpalette kompetent präsentieren.<br />

2000 bis 2010 wurden sechs Produktionshallen neu überdacht. Die Investitionen für<br />

verbesserten Lärmschutz sowie Maßnahmen für ökologisch orientierte Versorgungsanlagen<br />

erfolgten gleichzeitig – und alles bei laufender Produktion. Die alten Hallen dächer mussten in<br />

Nachtschichten abgetragen werden.<br />

Der Neubau für die technischen Büros und des Meisterbüros entstand; Schlosserei und<br />

Entwicklung wurden kernsaniert; eine moderne Oberfl ächenstraße für Walz- und Gießfl ächen<br />

ersetzte die alten Lackierstraßen, die seit knapp drei Jahrzehnten in Betrieb waren; die neue<br />

Rollenheißkaschieranlage, neue AK- und Spritzlackieranlage – diese Maßnahmen trugen dazu<br />

bei, Produktion und Qualität im Unternehmen zu optimieren.<br />

Die Belegschaft nahm dafür im Rahmen ihrer Arbeitsbedingungen wiederholt Nachteile in<br />

Kauf. Weithin sichtbar dominiert seit 2010 das ebenfalls sanierte Kesselhaus, das umweltschädliche<br />

Emissionen optimal ausfi ltert; außerdem garantiert es bessere Energie effi zienz.<br />

Am Ende eines Jahrzehntes sieht sich Wiemann gut gerüstet, die Position des Unter nehmens<br />

im härter werdenden Wettbewerb weiter zu festigen.<br />

1 9 5 0 – 1 9 5 9<br />

2 0 0 0 – 2 0 1 0<br />

Überdachung der Hallen bei laufender Produktion Die alten Dächer wurden in<br />

Nachtschichten abgetragen<br />

Umfangreiche Sanierungen und Investitionen<br />

37<br />

67

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