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Monologe 21 Jh Inhalt

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55<br />

Sabine Bayerl<br />

Boris von Poser<br />

MONOLOGE<br />

des<br />

<strong>21</strong>.Jahrhunderts<br />

Zum Vorsprechen, Studieren<br />

und Kennenlernen<br />

H E N S C H E L


55 <strong>Monologe</strong> des <strong>21</strong>. Jahrhunderts


55 <strong>Monologe</strong><br />

des <strong>21</strong>. Jahrhunderts<br />

Zum Vorsprechen, Studieren<br />

und Kennenlernen<br />

Herausgegeben von<br />

Sabine Bayerl und Boris von Poser<br />

HENSCHEL


www.henschel-verlag.de<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />

http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne<br />

Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies<br />

gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />

und für die Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Der Verlag behält sich das Text- und Data-Mining nach § 44bUrhG vor, was<br />

hiermit Dritten ohne Zustimmung des Verlages untersagt ist.<br />

ISBN 978-3-89487-705-7<br />

© 2011, 2018, 2024 Henschel Verlag<br />

in der E. A. Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig<br />

Umschlaggestaltung: Ingo Scheffler, Berlin<br />

Titelbild: Maren Eggert in »Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes« von<br />

Roland Schimmelpfennig am Deutschen Theater Berlin, 2010 (UA).<br />

© Arno Declair<br />

Satz und Gestaltung: Grafikstudio Scheffler, Berlin<br />

Druck und Bindung: MultiPrint Ltd.<br />

Printed in the EU


5<br />

<strong>Inhalt</strong><br />

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

<strong>Monologe</strong><br />

Ursula Rani Sarma · Blau · Des . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Ingrid Lausund · Hysterikon · Das Mädchen . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Gesine Danckwart · Täglich Brot · Ela . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Theresia Walser · Die Heldin von Potsdam · Paula . . . . . . . . . . 20<br />

Fausto Paravidino · Stillleben in einem Graben · Mother . . . . . . . 23<br />

Händl Klaus · Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen · Olivia . . 27<br />

Xavier Durringer · Ganze Tage, ganze Nächte II . . . . . . . . . . 30<br />

Botho Strauß · Unerwartete Rückkehr · Der Mann . . . . . . . . . . 32<br />

Einar Schleef · Nietzsche Trilogie · Sohn . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Thomas Hürlimann · Synchron · Sibylle . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Klaus Chatten · Karussell · Suzanne . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Roland Schimmelpfennig · Vorher/Nachher · Die sich ständig<br />

verändernde Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Fritz Kater · WE ARE CAMERA/jasonmaterial · papa . . . . . . . . 42<br />

Wajdi Mouawad · Verbrennungen · Nawal . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Roland Schimmelpfennig · Für eine bessere Welt . . . . . . . . . . 48<br />

Yasmina Reza · Ein spanisches Stück · Schauspielerin (die Pilar spielt) . . . 50<br />

Werner Fritsch · Enigma Emmy Göring . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

Kathrin Röggla · wir schlafen nicht · der partner . . . . . . . . . . . 54<br />

Falk Richter · Unter Eis · Paul Niemand . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

Peter Handke · Untertagblues · Der wilde Mann . . . . . . . . . . . . 60<br />

Enda Walsh · The New Electric Ballroom · Patsy . . . . . . . . . . 63<br />

Zinnie Harris · Mittwinter · Maud . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Andreas Veiel/Gesine Schmidt · Der Kick · Heiko G. . . . . . . . . . 70<br />

Reto Finger · Schwimmen wie Hunde · Robert . . . . . . . . . . . . 72<br />

Sergi Belbel · Mobil · Sara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

Feridun Zaimoglu/Günter Senkel · Schwarze Jungfrauen . . . . . . 78<br />

Thomas Freyer · Amoklauf mein Kinderspiel · ETC . . . . . . . . . . 81<br />

Conor McPherson · Der Seefahrer · Mr. Lockhart . . . . . . . . . . . 84


6<br />

Lukas Bärfuss · Die Probe · Franzeck . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

Lars Norén · 20. November . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Herbert Achternbusch · Kopf und Herz . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

Jon Fosse · Ich bin der Wind · Der Andere . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

Simon Stephens · Pornographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

Fritz Kater · HEAVEN (zu tristan) · helga . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Dea Loher · Land ohne Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

Thomas Jonigk · Diesseits · Paula . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

Anja Hilling · Schwarzes Tier Traurigkeit · Jennifer . . . . . . . . . 110<br />

Felicia Zeller · Kaspar Häuser Meer · Silvia . . . . . . . . . . . . . 113<br />

Dea Loher · Das letzte Feuer · Peter . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

Tankred Dorst · Künstler · Martha . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

Mark Ravenhill · SHOOT / GET TREASURE / REPEAT · Liz . . . . 119<br />

Nuran David Calis · Stunde Null Vol. I–III · Karim . . . . . . . . . . 122<br />

Justine del Corte · Sex · Sie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

Thomas Freyer · Und in den Nächten liegen wir stumm · Mara . . . . 128<br />

Ewald Palmetshofer · faust hat hunger und verschluckt sich<br />

an einer grete · Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />

Dennis Kelly · Waisen · Liam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

Lutz Hübner · Nachtgeschichte · Marika . . . . . . . . . . . . . . 134<br />

Falk Richter · Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

Nis-Momme Stockmann · Kein Schiff wird kommen · Mutter . . . . 139<br />

Sibylle Berg · Nur nachts · Einsatzleiter . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Martin McDonagh · Eine Enthandung in Spokane · Mervyn . . . . . 144<br />

Oliver Kluck · Warteraum Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

David Gieselmann · Falscher Hase · Reinhard Peters . . . . . . . . . 148<br />

Sabine Wen-Ching Wang · Hund Hund · Ingrid . . . . . . . . . . . 152<br />

Ulrich Hub · Über den Wassern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158


7<br />

Vorwort<br />

Als 2004 der Literaturnobelpreis an Elfriede Jelinek vergeben wurde,<br />

war die Aufregung groß. Die österreichische Autorin hatte zu diesem<br />

Zeitpunkt eine große begeisterte Anhängerschaft – gerade unter Theaterleuten<br />

–, aber ihre Gegner waren nicht minder lautstark. Noch 1995<br />

war Elfriede Jelinek auf Wahlplakaten der rechtspopulistischen FPÖ als<br />

das Gegenteil von Kultur diffamiert worden. Nach dem bedeutenden<br />

internationalen Preis mussten sich allerdings auch ihre eifrigsten Gegner<br />

mit der Tatsache auseinandersetzen, dass eine neue Form von Literatur<br />

preiswürdig geworden war. In der Urteilsbegründung der Osloer Jury<br />

heißt es, Jelinek erhalte die Auszeichnung »für den musikalischen Fluss<br />

von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen, die mit einzigartiger<br />

sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende<br />

Macht der sozialen Klischees enthüllen«. Mit dieser Auszeichnung wurde<br />

eine literarische Entwicklung salonfähig gemacht, die ihre ersten Erfolge<br />

besonders auf den deutschsprachigen Bühnen verbuchen konnte.<br />

Grund genug für den Henschel Verlag, in seiner Reihe eine Sammlung<br />

von <strong>Monologe</strong>n herauszugeben, die nicht einem Thema folgen oder das<br />

Œuvre eines Autors repräsentieren, sondern durch einen engen zeitlichen<br />

Rahmen miteinander verbunden sind: Alle <strong>Monologe</strong> in diesem Band<br />

haben im <strong>21</strong>. Jahrhundert ihre Uraufführung erlebt bzw. wurden in diesen<br />

Jahren geschrieben. Neben Texten deutschsprachiger Autoren haben<br />

wir auch einige fremdsprachige Dramen ausgewählt, die zwischen 2000<br />

und 2011 in Deutschland, der Schweiz und Österreich aufgeführt wurden.<br />

Neben dem unmittelbaren Nutzen für Schauspielstudenten auf der<br />

Suche nach einem aktuellen Text liegt ein Reiz dieser »55 <strong>Monologe</strong> des<br />

<strong>21</strong>. Jahrhunderts« darin, dass sie einen Überblick über die Bandbreite an<br />

literarischen Formen dieser Zeit verschaffen. Sie führen vor Augen, welche<br />

zeitgenössischen Stücke die Bühnen erobert haben, welche Themen<br />

aktuell vorherrschend und welche stilistischen Entwicklungen zu beobachten<br />

sind.<br />

Natürlich kann ein solcher Rundblick nur unvollständig bleiben, denn<br />

zum einen sind in den letzten Jahren ungeheuer viele Texte für die Bühne<br />

entstanden – geschuldet auch der Tatsache, dass an Theatern ein wahrer<br />

Uraufführungsboom zu verzeichnen ist, die neuen Texte aber nach der


8<br />

Erstinszenierung kaum nachgespielt werden. Eine Auswahl von<br />

55 <strong>Monologe</strong>n muss also notgedrungen viele Texte außer Acht lassen.<br />

Zum anderen entsteht durch die gezielte Suche nach <strong>Monologe</strong>n eine<br />

gewisse Beschränkung: denn es gibt eine Reihe wichtiger Stücke der Nuller-Jahre,<br />

die keine <strong>Monologe</strong> enthalten. Ein Autor wie zum Beispiel der<br />

Norweger Jon Fosse, dessen Stücke in den letzten Jahren oft gespielt<br />

wurden, hat seine Stärke in einer sehr speziellen Form des Dialogs, in<br />

dem das Schweigen oft beredter ist als die Worte, die es unterbrechen.<br />

Der von ihm in dieser Sammlung enthaltene monologische Text, der dennoch<br />

die beschriebenen Besonderheiten aufweist, ist insofern eine kleine<br />

Rarität.<br />

Noch ein weiteres Thema hat uns bei unserem Auswahlprozess beschäftigt:<br />

Die Frage nämlich, ob eine Passage überhaupt als Monolog zu verstehen<br />

ist oder nicht. Das ist bei vielen Texten des neuen Jahrhunderts<br />

schwer zu entscheiden. In einem klassischen Monolog verhandelt eine<br />

Figur mit sich selber (und mit dem Publikum) ein Thema. Oft geht es um<br />

eine Entscheidung, um einen Wendepunkt der Handlung. In den letzten<br />

Jahren sind nun Textstrukturen entstanden, die über Textflächen und<br />

Prosaelemente die Möglichkeiten der Theatervorlage erweitert haben.<br />

Vieles an diesen Texten ist durchaus monologisch. Aber ob sie in einer<br />

Aufführung auch als Monolog umgesetzt werden, bleibt meistens der<br />

Inszenierung überlassen.<br />

Für einen jungen Schauspieler, der sich entscheidet, einen solchen Text<br />

vorzusprechen, ist die Herausforderung eine völlig andere als im klassischen<br />

Monolog, wo er sich mit einer Figurenvorgabe auseinanderzusetzen<br />

hat. Eine psychologische Herangehensweise, das ist schnell klar,<br />

scheidet hier aus. Meist ist es nötig, sich zunächst Gedanken über eine<br />

theatralische Setzung zu machen, die man der Arbeit zugrunde legt.<br />

Auch bei Texten, die zwar eine nachvollziehbare Geschichte erzählen,<br />

aber ohne klare szenische Handlungsvorgabe auskommen (wie zum Beispiel<br />

»Schwarze Jungfrauen«), ist eine performative Entscheidung des<br />

Darstellers gefordert.<br />

Aber es ist nicht nur der Monologbegriff, der sich in den aktuellen<br />

Dramen gewandelt und erweitert hat. In vielen Fällen ist eine Wandlung<br />

auch in Bezug auf das Selbstverständnis der Autoren zu beobachten. Was<br />

sich in den 80er- und 90er-Jahren in der Alternativkultur der freien Szene<br />

anbahnte – neue theatralische Formen und Arbeitsweisen –, hat inzwischen<br />

die großen Bühnen erobert. Zahlreiche Dramatiker begreifen sich<br />

heute mehr als Teil eines Produktionsteams und weniger als kreative


literarische Einzelgänger, darunter prominente Theatermacher wie René<br />

Pollesch, Ingrid Lausund und Gesine Danckwart. Das Entstehen der<br />

Texte ist bei ihnen Teil eines lebendigen Probenprozesses.<br />

Unter den Stücken, die gemeinsam mit den Schauspielern während der<br />

Probenarbeit entstanden, bildet Wajdi Mouawads Drama »Verbrennungen«<br />

eine Ausnahme und zwar aufgrund seiner sprachlich komplexen<br />

Gestaltung. Im Großen und Ganzen nämlich tritt bei Texten, die zum<br />

Material auf der Probe werden, die sprachliche Ausformung eher in den<br />

Hintergrund. Auch eine ausgefeilte dramaturgische Konstruktion ist bei<br />

diesen Stücken zumeist Aufgabe der Inszenierung.<br />

Verstärkt wird diese Tendenz durch ein in der zeitgenössischen Dramatik<br />

vorherrschendes starkes Interesse an dokumentarischem (oder<br />

dokumentarisch wirkendem) Material. Im engsten Sinne dokumentarisch<br />

ist wohl das Stück »Der Kick«, das der Filmemacher Andreas Veiel<br />

gemeinsam mit seiner Koautorin Gesine Schmidt aus Interviews und<br />

Gerichtsprotokollen entwickelt hat.<br />

9<br />

Während die 80er- und 90er-Jahre sich mit dem Zerfall von Utopien und<br />

dem Ende des Kalten Krieges beschäftigten, tauchen in den Texten ab<br />

2001 neue, oftmals subtilere Bedrohungen auf. Es scheint, dass viele der<br />

Autoren auf eine weitgreifende Verunsicherung in diesem neuen Jahrhundert<br />

reagieren, das mit dem 11. September 2001 einen schrecklichen<br />

Auftakt erlebte. Gefahr droht nicht mehr von außen, von einem klar<br />

definierten »Feind«, sondern sie wird innerhalb des gesellschaftlichen<br />

Gefüges ausgemacht. Auffallend viele Texte beschreiben Fremdheit in<br />

der Gesellschaft, die in Aggression, teilweise in Amokläufen eskaliert.<br />

Und in einigen der <strong>Monologe</strong> versuchen die Autoren, mit ihren Texten<br />

in das Innere von Menschen vorzudringen, die an der Schwelle zur<br />

Gewalt stehen.<br />

Eine Autorin, die in diesen Themengebieten sprachlich einen ganz<br />

besonderen Kosmos geschaffen hat, ist Dea Loher. Ihre dunklen, genau<br />

konstruierten Stücke lenken den Blick der Zuschauer auf die – individuell<br />

wie gesellschaftlich – zersetzende Wirkung von Gewalt. Dabei ist<br />

ihr Ansatz nicht dokumentarisch, sondern poetisch, sie setzt auf die<br />

Kraft der Sprache und nicht, wie manche ihrer Kollegen, auf die des Faktischen.<br />

Eine gewisse Verwandtschaft besteht hierbei zu den Stücken von<br />

Werner Fritsch, der wie Dea Loher in seinen Texten starke poetische Setzungen<br />

nicht scheut. In unserer Sammlung ist er mit einem Text vertreten,<br />

der auch eine humorvolle Seite seines Werks belegt: »Enigma Emmy<br />

Göring«. Zu den Autoren, die sprachlich eine eigene poetische Welt


10<br />

kreieren, gehört sicherlich auch der Österreicher Händl Klaus. Mit seinen<br />

eigentümlichen Rätselstücken, die unter einer scheinbar ruhigen<br />

Oberfläche ungestillte Sehnsüchte und unterdrückte Gewalt verbergen,<br />

hat sich Händl Klaus eine ganz eigene Nische geschaffen.<br />

Manche der Stücke in diesem Band schildern Krisen- oder Kriegsszenarien,<br />

die aber eindeutige Feindbilder vermissen lassen. Der Feind<br />

scheint nicht mehr berechenbar und kann überall auftauchen.<br />

Das ist auch bei einem der ausgewählten Texte von Roland Schimmelpfennig<br />

der Fall: In »Für eine bessere Welt« wissen die Soldaten nicht<br />

mehr, für oder gegen wen sie eigentlich kämpfen. Formal ist das Stück<br />

exemplarisch für die dramaturgische Vorgehensweise, die Roland<br />

Schim melpfennig zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren<br />

der Gegenwart gemacht hat: Auf virtuose Weise mischt er Dialoge<br />

mit Prosapassagen und wechselt immer wieder die Erzählperspektive.<br />

Bestechend ist dabei die sprachliche Leichtigkeit, mit der Schimmelpfennig<br />

auch düstere Themen zu präsentieren versteht. Sein Humor und die<br />

Schärfe seiner Dialoge verweisen auf das pointierte Theater angelsächsischen<br />

Zuschnitts, an dem sich durchaus auch andere deutschsprachige<br />

Autoren orientieren. Zu nennen wären hierbei zum Beispiel David Gieselmann,<br />

Theresia Walser und Ulrich Hub.<br />

Einer der am meisten gespielten Autoren in diesem Band ist Lutz<br />

Hübner. Auch er steht in der Tradition des geschickt gebauten well-made<br />

play. In seinen Stücken gelingt es ihm immer wieder, aktuelle Themen,<br />

aber auch innerfamiliäre Konflikte auf theaterwirksame und unterhaltsame<br />

Weise zu präsentieren.<br />

Ein großes komisches Potential weisen auch die Texte von Gesine<br />

Danckwart auf. Hier könnte man den Begriff einer »postmodernen<br />

Komödie« prägen, denn sie verbindet eine scharfsinnige Gesellschafts -<br />

analyse mit den formalen Elementen der neuen Dramatik: keine Dia loge,<br />

keine direkte theatralische Handlung, verschiedene Textstränge, die in<br />

manchen Stücken nicht einmal bestimmten Figuren zugeordnet sind.<br />

Das ausgewählte Stück von Gesine Danckwart greift zudem ein<br />

Thema auf, das in den letzten Jahren sehr häufig bearbeitet wird: der<br />

immer mehr von Krisen bedrohte Arbeitsalltag: Existenzängste, tiefgreifende<br />

Änderungen in der gewohnten Lebenssituation, »Entfremdung«<br />

im Marx’schen Sinne sind Aspekte eines Themenkomplexes, der immer<br />

wieder variiert wird. Fast exemplarisch hierfür ist das Stück »wir schlafen<br />

nicht« von Kathrin Röggla zu nennen, in dem sie die Welt der Unternehmensberater<br />

auf die Bühne holt – ein Themenfeld, das sich auch in<br />

Falk Richters Stück »Unter Eis« wiederfindet. Aber auch verschiedene


hier nicht abgedruckte Stücke von Roland Schimmelpfennig, Sibylle<br />

Berg, Felicia Zeller und Lutz Hübner befassen sich mit diesem Thema.<br />

Bei den jüngeren Autoren dieser Sammlung wie Thomas Freyer, Oliver<br />

Kluck und Nis-Momme Stockmann ist zu beobachten, dass die formalen<br />

Experimente der Jahre zuvor vorausgesetzt und wie selbst verständlich in<br />

die theatralen Erzählmöglichkeiten integriert werden. Daneben spürt<br />

man allerdings einen großen Wunsch nach intensiven Ge schichten.<br />

11<br />

Neben den Texten einer neuen Autorengeneration sind in unserer Auswahl<br />

auch <strong>Monologe</strong> von Autoren zu finden, die schon das Theater der<br />

70er- und 80er-Jahre geprägt haben, darunter Namen wie Tankred<br />

Dorst, Botho Strauß, Peter Handke, Herbert Achternbusch und Einar<br />

Schleef. All diese Autoren waren auch in den letzten zehn Jahren mit<br />

ihren Stücken in den Spielplänen vertreten.<br />

Botho Strauß und Peter Handke, beides Ikonen des westdeutschen<br />

Theaters der 70er- und 80er-Jahre, versuchen in ihren Theatertexten auf<br />

eine sehr eigene Weise, die Veränderungen der Gesellschaft zu beleuchten.<br />

Strauß zeigt in einigen Stücken der letzten Jahre Menschen, die sich<br />

vor den gesellschaftlichen Veränderungen in einen privaten Raum<br />

zurückziehen. Peter Handke bleibt der Tradition seiner »Publikumsbeschimpfung«<br />

von 1966 treu und beschreibt in »Untertagblues« die<br />

Großstadtgesellschaft aus der Perspektive eines monologisierenden<br />

Mannes in der U-Bahn. Tankred Dorst, der in seinem Stück »Künstler«<br />

die Geburt und den Zerfall von Utopien anhand des Künstlerkreises um<br />

Heinrich Vogeler in Worpswede Anfang des letzten Jahrhunderts thematisiert,<br />

lässt in dem Monolog von Martha Vogeler in einer Art Zeit -<br />

raffer mehrere Jahrzehnte vergehen. Der 20 Jahre jüngere Einar Schleef<br />

befasst sich hingegen in einem seiner letzten Theatertexte, »Nietzsche<br />

Trilogie«, mit den letzten Lebensjahren von Friedrich Nietzsche.<br />

Eine sehr persönliche Linie – thematisch und formal – verfolgt seit<br />

mehreren Jahrzehnten Herbert Achternbusch mit seinen Stücken und<br />

Filmen. Zum Material für seine Werke wird immer wieder seine eigene<br />

Biografie – in dem hier abgedruckten Text aus »Kopf und Herz« die<br />

Geschichte seiner Mutter, während sie mit ihm schwanger war. Ähnlich<br />

offen spielt in unserer Sammlung nur der mehr als 40 Jahre jüngere Nis-<br />

Momme Stockmann mit autobiografischen Elementen in seinem Stück<br />

»Kein Schiff wird kommen«.<br />

Eine Vorreiterrolle, was Textflächen in Dramen anbelangt, hatten in den<br />

vergangenen Jahrzehnten unter anderem Rainald Goetz und – wie schon


12<br />

erwähnt – Elfriede Jelinek inne. Beide Autoren tauchen aus unterschiedlichen<br />

Gründen in dieser Sammlung nicht auf. Rainald Goetz, weil er in<br />

den letzten zehn Jahren keinen Theatertext veröffentlicht hat, und Elfriede<br />

Jelinek aus rechtlichen Gründen.<br />

Noch von einer Reihe weiterer Autoren, deren Texte wir gerne in diese<br />

Sammlung aufgenommen hätten, war eine Abdruckgenehmigung nicht<br />

zu erhalten. Ein besonderer Fall darunter ist René Pollesch. In vielerlei<br />

Hinsicht hätten die monologischen Reden in seinen Stücken einen Überblick<br />

über die aktuelle Theaterlandschaft sehr bereichert, zitiert er in seinen<br />

Aufführungen doch auf absurd komische Weise klassische Komödienstrukturen<br />

und vermischt dabei Trivialmythen mit gesellschaftlich<br />

relevanten Themen. Seine Texte entstehen jedoch in enger Zusammenarbeit<br />

mit den Akteuren auf der Probe, weshalb René Pollesch entschieden<br />

hat, die Stücke nicht nachspielen zu lassen.<br />

Auch wenn auffallend ist, wie wenige der neuen Stücke mehr als nur<br />

die Uraufführung erleben, zeigt doch eine Zusammenstellung wie diese,<br />

wie reich die Formenvielfalt auf unseren Bühnen ist. Man findet fast<br />

klassisch zu nennende <strong>Monologe</strong> neben literarischen Experimenten und<br />

rasch skizzierte Aktualitäten neben komplex konstruierten Texten.<br />

Die Anordnung der Texte in diesem Buch folgt keiner thematischen<br />

oder stilistischen Vorgabe, sondern einem einfachen Prinzip: Sie sind<br />

chronologisch nach dem Uraufführungsdatum gelistet. So kann der<br />

Leser mit diesem Buch eine Wanderung durch die Theaterliteratur der<br />

letzten Jahre antreten, die oft in überraschende Ecken führt und auf der<br />

er hoffentlich einige interessante Entdeckungen machen wird.<br />

Die <strong>Monologe</strong>-Reihe versteht sich als Überblick für interessierte Leser<br />

sowie als praktische Hilfe für Studierende und bereits fertig ausgebildete<br />

Schauspieler, denen durch diese Zusammenstellung die Suche nach<br />

einem geeigneten Vorsprechtext deutlich erleichtert wird. Wie in den<br />

vorangehenden Bänden fassen wir jeweils kurz den <strong>Inhalt</strong> des Stücks<br />

zusammen, geben ein paar Informationen über den Autor und leiten –<br />

wenn zum Verständnis der Situation nötig – den abgedruckten Monolog<br />

ein. Für eine intensive Arbeit an einem der Texte ist es allerdings in jedem<br />

Fall ratsam, den kompletten Stücktext zu lesen. Die Hintergrundinformationen,<br />

die in diesem Buch gegeben werden, sind als erste Orientierungs-<br />

und Verständnishilfe gedacht, können jedoch keinesfalls eine<br />

genaue Lektüre des gesamten Stückes ersetzen.<br />

Sabine Bayerl und Boris von Poser, im Juli 2011


55 <strong>Monologe</strong><br />

des<br />

<strong>21</strong>. Jahrhunderts


14<br />

Ursula Rani Sarma<br />

Blau<br />

Übers.: Anna Opel<br />

UA: Juni 2000, Half Moon Theatre, Cork<br />

DE: 11. November 2004, Theater an der Sihl, Zürich<br />

1 Rolle: Des<br />

Die drei sind fast 18 und bald mit der Schule fertig: Des, die jungenhafte Danny und Joe. Erst vor<br />

Kurzem hat Des seine Mutter verloren. Täglich treffen sich die Jugendlichen an den Klippen der<br />

irischen Küste. Ihr Provinzalltag bietet ihnen kaum Abwechslung, sie treiben Sport und am<br />

Wochenende fahren sie zum Trinken in die Stadt. Alle träumen sie von einem anderen Leben,<br />

einer Flucht aus dem kleinen Ort: Joe will den Fängen seines dominanten Vaters entkommen<br />

und die Clubs der Welt erobern; Danny hofft auf ein Leben in der Sonne Griechenlands, am liebsten<br />

mit Des; der wiederum trainiert auf ein Sportstipendium hin, das ihm ein Studium an der<br />

Universität ermöglichen soll.<br />

Kurz vor der Abschlussprüfung berichtet Joe seinen Freunden von einem aufgeflogenen Drogenschmuggel.<br />

Er will Des überreden, die am Strand gefundenen Drogen gemeinsam mit ihm in<br />

der Stadt zu verkaufen, doch Des steht unmittelbar vor einem entscheidenden Wettkampf und<br />

zieht nicht mit.<br />

Am nächsten Tag sieht die Welt der drei ganz anders aus: Des fliegt kurz vor dem Wettkampf aus<br />

der Mannschaft und sein Traum von einem Stipendium ist ausgeträumt, ihm droht nun eine<br />

Zukunft auf dem Hof seines Vaters; Joe wird verprügelt und die kränkliche Danny fällt in der<br />

Schule in Ohnmacht und wird von ihren Mitschülern gedemütigt. Nun beschließen die drei, das<br />

Drogengeschäft in der Stadt durchzuziehen. Der Deal endet in einem Desaster, und Danny<br />

bezahlt dafür mit ihrem Leben.<br />

Ursula Rani Sarma, geb. 1978 in der irischen Grafschaft Clare, begründete 1999 die Djinn Theatre<br />

Company mit, die ihr erstes Theaterstück »Durchgebrannt« zur Uraufführung brachte. »Blau«<br />

erhielt 2004 den Publikumspreis des Heidelberger Stückemarktes, des Weiteren entstanden u. a.<br />

die Stücke »Superhelden« (UA 2006) sowie »Im Dunkeln« (UA 2009).<br />

I. Akt<br />

1. Szene<br />

DES<br />

In meinem Traum<br />

stehe ich am Rand der Klippe,<br />

es ist dunkel, der Himmel – finster und grau.<br />

Der Atlantik tobt.<br />

Ich schaue raus auf die See und sie ist aus Alufolie,<br />

wie Spitze umspielt die Brandung ihre Knöchel.<br />

Weit draußen bäumt sie sich auf, sie schäumt und tanzt<br />

mit den Surfern aus der Stadt.<br />

Eine Wiege ist sie,<br />

eine Decke in quecksilberblau und wenn ich raus ins Leere trete,


ist sie eine weiche Wand, die auf mich zufliegt und ich hab’s geschafft,<br />

ich falle ganz tief ins Blau wie Blei.<br />

Schnell, stürmisch, im Strudel …<br />

gezogen, geworfen, gehe unter …<br />

fühle den sanften Puls einer einmalig feuchten Umarmung,<br />

wie ein Schoß hier unten,<br />

alles weich hier unten,<br />

ich gleite ganz leicht,<br />

und grauenvoll ist es,<br />

zu spüren, dass der Ozean dich umklammert,<br />

wie ein zwielichtiger Freund, den du nicht mehr loswirst.<br />

Wie mit Steinen zieht es mich runter und ich habe vergessen, wie<br />

man atmet.<br />

Keine Not hier unten,<br />

kein Lärm hier unten,<br />

nur Rhythmen und Seufzer.<br />

(hält inne und lächelt, jetzt ruhiger)<br />

Tausend Muschelstimmen atmen Wellen aus,<br />

hinauf zu den Stränden.<br />

Ich sinke tiefer und der Meeresgrund erhebt sich, um mich zu berühren.<br />

Er ist ein nächtlicher Himmel,<br />

schwarzer Sand, gesprenkelt mit Sternen,<br />

ich komme unten an und der Sand ist warm und tief.<br />

Ich greife nach einem Stern und es ist ein Diamant.<br />

Es sind alles Diamanten,<br />

(spricht wieder schneller)<br />

ich will sie aufheben, sie sind zu schwer,<br />

alle tellergroß<br />

so schön,<br />

und ich liege auf dem Bauch im tiefen schwarzen Sand<br />

öffne Mund und Atem in der Bläue,<br />

berühre die Sterne, sie fühlen sich kühl an und glatt, wie Diamanten.<br />

Und ich höre sie meinen Namen rufen,<br />

und ich sehe sie auf mich zugleiten,<br />

so schön, als wäre sie von hier<br />

und sie geht mit mir, sie spricht mit mir,<br />

und alles ist Wunder und Anmut …<br />

Doch zu früh geht sie fort –<br />

Immer zu früh,<br />

fort durch den schwarzen Sand,<br />

15


16<br />

vorsichtig zwischen den Sternen hindurch.<br />

Kannst du nicht bleiben?<br />

Bleib noch ein bisschen,<br />

ich will ein guter Junge sein,<br />

bleib …<br />

Ingrid Lausund<br />

Hysterikon<br />

UA: 25. März 2001, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg (Malersaal)<br />

2 Rolle: Das Mädchen<br />

Die ganze Welt im Mikro-Kosmos Supermarkt. Schneller Sex als Schnäppchen in der Tiefkühltruhe,<br />

Kontaktaufnahme beim Seifenkauf, Beziehungsträume mit fremden Einkaufswagenschiebern,<br />

verpasste Gelegenheit vorm Joghurtregal – in 17 Szenen bevölkern einsame Paare und Singles<br />

auf der Suche nach Sinn das Einkaufsparadies. Dort scheint es für jedes Bedürfnis etwas zu<br />

geben, Räucherstäbchen für die Frau in der Menopause, Nutella für das schwarze Mädchen mit<br />

der großen Leere, Schwefelsäure für den konsequenten Bombenbauer, einen Blowjob für den<br />

Mann in Armani. Abgerechnet wird an der Kasse. Dort sitzt der Kassierer und dirigiert und kommentiert<br />

im Stile eines allmächtigen Conférenciers seine bunte Konsumententruppe. Verpasste<br />

Gelegenheiten schlagen auf der LifeCard negativ zu Buche. »Kaufen und gekauft werden. Verkaufen<br />

und verkauft werden«, lautet bei ihm die Devise. Neben Geld, Karte und Schecks werden »Träume,<br />

Ehrlichkeit, Würde, Gesinnung, Freunde, Kinder, Partner« als Zahlungsmittel anerkannt.<br />

Nach ihrem Regiestudium in Ulm produzierte Ingrid Lausund, geb. 1965 in Ingolstadt, mit einem<br />

freien Theater in Ravensburg erste eigene Texte. Mit dem revueartigen Panoptikum »Hysterikon«<br />

reüssierte sie 2001 in Hamburg. Seither wurden zahlreiche weitere Stücke Lausunds uraufgeführt,<br />

u. a. »Konfetti!« (UA 2003), »Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner« (UA 2004) und »Der<br />

Weg zum Glück« (UA 2004).<br />

»Das schwarze Mädchen«, eine alltäglich gekleidete »Afro-Deutsche, vielleicht Studentin«,<br />

hatte im Supermarkt schon zahlreiche Begegnungen. Von einem ihrer spontanen Impulse<br />

getrieben wirft sie einem jungen Mann ihren Pumps in seinen Einkaufswagen, todpeinlich ist ihr<br />

dieser Anbandelungsversuch. Genauso peinlich wie ihr »Raubüberfall« mit Spielzeugpistole –<br />

gleichfalls ein spontaner Impuls. Als sie statt ins Joghurtfach in einen Mann greift, beschert dies<br />

den beiden immerhin einen kurzen Traum vom Glück.<br />

Nun hat sie – wieder einmal – mit ihrem Einkaufswagen nicht Spur gehalten. Sie ist allein und<br />

denkt laut über das nach, was fehlt.<br />

15. Szene<br />

Das schwarze MÄDCHEN ist aus Versehen an ein Regal gefahren.<br />

Waren fallen runter.<br />

DAS MÄDCHEN<br />

Irgendwas muß sich ändern. Irgendwas heißt: mein Leben. Wenn ich


17<br />

mich einmal entscheiden könnte. Für nen Mann, oder ne Stadt, oder was<br />

weiß ich, wenigstens ein Video. Ich schaff das, zwei Stunden in der<br />

Video thek zu stehen, um mir dann zu überlegen, ach, ich geh doch lieber<br />

ins Kino. Aber in welchen Film?<br />

In regelmäßigen Abständen krieg ich Sinnkrisenschübe. Das Wort »Sinnkrise«<br />

ist schon oberpeinlich. Ich mein, jemand fragt dich »Und wie<br />

geht’s?«. »Geht so, ich hab ne Sinnkrise«, ouhh, würd ich nie sagen,<br />

trotzdem hab ich eine Sinnkrise. Auf einmal hab ich Fantasien von<br />

Schweigeklöstern, wo ich so völlig in mich gekehrt Basilikumpflänzchen<br />

eintopfe. Oder in der kleinen romanischen Kapelle sitze, wo das Licht<br />

durch das blaue Glas fällt und ich nur dasitze und so ganz entspannt vor<br />

mich hin an Gott glaube.<br />

[…]<br />

Meine Freunde waren in der Antifa, ich nie. Ich fand immer, ich müsste<br />

das nicht tun, ich bin ja schon schwarz, ich bin sozusagen ne wandelnde<br />

Lichterkette, das genügt doch.<br />

Genau genommen bin ich gar nicht richtig schwarz. Nicht richtig<br />

schwarz, nicht richtig weiß, schon wieder unentschieden. Na ja, dafür<br />

bin ich hip, ich komm in jeden Nachtclub rein. Kann sich kein Türsteher<br />

leisten, mich draußen stehen zu lassen. Manchmal denk ich, könnt ich<br />

nicht mal einfach normal sein? Das ist natürlich auch wieder so ein Klischee,<br />

normal, was ist normal?<br />

Und dann denk ich, na ja, es ist nun mal so, ich seh halt … besonders aus,<br />

zumindest hier. Und die Verhältnisse aus denen ich komme sind auch …<br />

irgendwie … besonders, doch schon: Ich mein, ich hatte einen leiblichen<br />

Vater, schwarz, eine leibliche Mutter, weiß, ein schwedisches Kindermädchen,<br />

tot, zwei Ziehmütter, weiß, aber schwul, Tobias und Miguel,<br />

14 Geschwister, schwarz, – einer ist grade König geworden, 4 sitzen im<br />

Knast. Zwei Halbbrüder, weiß aber französisch, und einen Onkel, tot,<br />

der kurz bevor er erschossen wurde sagte »Leben ist stärker als Tod«.<br />

Den Onkel hab ich gar nicht gekannt.<br />

Trotzdem hab ich immer das Gefühl, wenn eh schon nicht normal, dann<br />

muß ich mit meinem Leben auch was ganz Tolles, Besonderes, machen.<br />

Mit so ner Vita kann ich doch nicht Damenoberbekleidungsverkäuferin<br />

sein.<br />

Und dann hab ich wieder so einen … Impuls, was, ja, Gutes zu tun, ein<br />

Mensch zu sein, der was bewegt. Das ist dann schon wieder so halb-


18<br />

peinlich. Es geht noch, wenn man es nur denkt, aber wenn man das wirklich<br />

laut ausspricht »Ich will ein guter Mensch sein«. – Ahh! Diese<br />

Impulse … sind schon echt, aber sobald sie das Gehirn erreichen, wird<br />

ein Klischee draus.<br />

Na ja, fang also mein neues Leben an, als guter Mensch, und übernehme<br />

so ne Patenschaft für ein armes afrikanisches Kind, das mir zweimal im<br />

Jahr einen Brief schreibt und sich bedankt. Was mir natürlich auch wieder<br />

peinlich ist, weils klar ist, jemand hat den Brief diktiert, und das<br />

kennt mich ja auch gar nicht, und überhaupt ist das ganze an sich schon<br />

absurd: man kriegt einen Katalog zugeschickt, und dann sitzt man da mit<br />

seinen 100 Mark monatlich und fragt sich, was ist wichtiger, daß das<br />

afrikanische Kind seine Augenoperation kriegt, oder daß das thailändische<br />

nicht mehr auf den Strich muß?<br />

Und dann wirds schon wieder grundsätzlich, weil – dann denk ich mir,<br />

hundert Mark im Monat is so gar nichts, ich änder mein Leben, ich geh<br />

nach Afrika und kämpfe für die Freiheit meines Landes! Was erstens wieder<br />

ein Klischee ist, zweitens nicht mein Land und drittens stelle ich mir<br />

dabei schon wieder vor, was ich als Freiheitskämpferin für Klamotten<br />

anhabe, und an meiner Seite einen männlichen Freiheitskämpfer, der<br />

ungefähr so aussieht wie George Clooney.<br />

Dann denk ich wieder, mach erst mal im Kleinen, gib erst mal dem Penner<br />

was. Und ich weiß nicht warum, aber wenn mich einer fragt, »Hast<br />

du mal ne Mark?« ist mir das auch peinlich, ich geb dann manchmal<br />

was, manchmal nicht, kann ich mich auch nie richtig entscheiden und<br />

geb dem die Mark als obs ein benutztes Kondom wäre.<br />

Auf einmal hab ich so einen Impuls, ich denk, jetzt weiß ichs, ich werde<br />

Geschichtenerzähler, reise nur, und sammle Geschichten aus aller Welt,<br />

das ist besonders und das ist … auch ein Klischee.<br />

Wenn ich mich einmal entscheiden könnte, statt dessen hab ich ständig<br />

irgendwelche großen, diffusen Impulse, die in real total daneben sind.<br />

Trotzdem sind sie da. Ich fang alle zwei Wochen ein neues Leben an,<br />

wünsch mir, daß ich irgendwann was finde, was nicht Kulisse ist, sondern<br />

wirklich gilt, wo mein Leben dann hoffentlich dreidimensional<br />

wird. All das ist kein großes Drama, das weiß ich auch. Es ist auch nicht<br />

so, daß ich wirklich unglücklich bin, es ist einfach nur das ständig pelzige<br />

Gefühl, daß da was fehlt.


19<br />

Gesine Danckwart<br />

Täglich Brot<br />

UA: 26. April 2001, Theaterhaus Jena<br />

3 Rolle: Ela<br />

Fünf Singles stehen auf, gehen außer Haus, kommen wieder zurück und verbringen einsam ihren<br />

Abend. So immer weiter, jeden Tag. Die Arbeitswelt bestimmt ihr Leben, gibt den Rhythmus vor,<br />

definiert den eigenen Wert. Der Beruf hilft, die Leere zu füllen, die vor allem an den Wochenenden<br />

fast nicht auszuhalten ist.<br />

Gala findet morgens keine Strumpfhose mehr ohne Laufmasche, der Handwerker ist unzuverlässig,<br />

die Bedienung unfreundlich – die Welt ist eine Zumutung. Urlaub oder ein Rendezvous,<br />

das wäre schön, doch ihr Tag endet wieder alleine vor dem Fernseher. Auch Ulrich hat keinen<br />

»Schatz«, nachts träumt er von seinem Bildschirmschoner. Er ist einer dieser vielen Business-<br />

Typen im Intercity, aber nächstes Jahr wird er etwas ändern, bestimmt. Nelke ist neu im Job und<br />

muss aufpassen, dass sie nicht zur Kaffeekocherin vom Dienst wird. Mit ihrem Selbstbewusstsein<br />

steht es jedenfalls nicht zum Besten. Ela wiederum darf sich während der Arbeitszeit nicht<br />

setzen, das sehen die Chefs nicht gerne. Acht Stunden ohne Pause steht sie hinter dem Tresen,<br />

sie steht und steht, auch wenn keine Kundschaft im Geschäft ist. Sesam ist der Einzige der fünf<br />

mit einem »unendlichen Reichtum« an Tagesfreizeit. Er gehört dem »Club der Stubenhocker,<br />

Scheinbettlägrigen, Wandanstarrer, Warumichfrager« an, spürt eine bleierne Müdigkeit in sich<br />

und hat den Abstieg vor Augen.<br />

Von Gesine Danckwart, geb. 1969 in Schleswig-Holstein, sind seit 1999 (UA von »Girlsnightout«)<br />

regelmäßig neue Stücke auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen, so auch »Meinnicht« (UA<br />

2002) oder »Und morgen steh ich auf« (UA 2006). Neben ihrer Tätigkeit als Autorin realisierte sie<br />

zahlreiche Hörspiele sowie Regie-, Film- und Performanceprojekte, etwa eine Mobilitätstrilogie<br />

oder das deutsch-chinesische Projekt »Ping Tan Tales« an den Berliner Sophiensaelen.<br />

Nelke, Sesam, Gala und Ulrich haben ihr jeweiliges Tagwerk schon begonnen, sie sind beschäftigt<br />

mit sich, hetzen zur U-Bahn oder warten auf Handwerker. Jetzt muss sich auch Ela einem<br />

neuen Tag stellen.<br />

ELA<br />

Stille. Endlich Stille. Alle weg. Raus aus dem Haus. Ich bin auch noch da.<br />

Ich bin eine stille Reserve an Humankapital. Darum tauch ich erst mal<br />

nicht auf. Ich war mal für die Regeneration der Arbeitskräfte meines<br />

Mannes zuständig. Jetzt ist der aber nicht mehr vorhanden. Also muß<br />

ich, möchte ich jetzt selbst etwas aus mir machen. Ich werde eine Verantwortung<br />

für ein Leben übernehmen, die dann auch äußerlich sichtbar<br />

ist. Ich werde aus dem Haus gehen und auf meinem Konto diesen Gang<br />

wiederfinden. Ich bin eine Zahl, die nicht wirklich aufgetaucht ist. Man<br />

setzt aber auf mich und meine sozialen Qualitäten, die Liebe heißen und<br />

der Aufzucht von Kindern dienen. Im Fernsehen kann man mich immer<br />

wiederfinden. Ich bin immer sehr sauber und das ist eins meiner größten<br />

Interessensgebiete. Ein neues Putzmittel kann mich zum Tanzen bringen,<br />

dann lächel ich in die Kacheln. Auch neue Gerichte machen mir einen


20<br />

Riesenspaß, dann rast die ganze Familie und manchmal noch die Kinder<br />

der Nachbarin, die nicht so viel Glück haben, an meinen Tisch und<br />

schlürfen und schlabbern lustige Spaghettis in sich hinein. Selten bekomme<br />

ich dafür dann einen Kuss, weil ich ja auch schon die ganzen Kleidchen<br />

mit einem ganz besonders wirksamen Waschmittel reinigen muß.<br />

Dann bin ich eine liebe Mutti und mein Jüngster schießt ein duftendes<br />

Tor. Oft habe ich auch eine Vergangenheit. Ich bin ja eine der wenigen,<br />

die noch eine Vergangenheit haben. Meine Vergangenheit ist ein traditionsreiches<br />

Shampoo, das schon meine Mutti an mir angewendet hat,<br />

meine Vergangenheit sind die Kinder, die immer wieder in dieses Haus<br />

mit dem richtigen Ketchup zurückkehren werden. Ich bin dann immer<br />

noch da. Pflegen tun sich immer andere, die Autos, in denen ich fahre,<br />

sind immer sehr praktisch und drin war ich auch noch nie. Gleich werde<br />

ich aber draußen sein und dort werden wir uns wiederbegegnen.<br />

Theresia Walser<br />

Die Heldin von Potsdam<br />

UA: 15. September 2001, Maxim Gorki Theater, Berlin<br />

4 Rolle: Paula<br />

Paula Wündrich, beruflich über einen Zeitvertrag nicht hinausgekommen und privat eine<br />

schwierige Person, geht mit ihren Freundinnen Molly (»Wurstwarengesicht«) und Fina sowie<br />

ihrer krebskranken Mutter nicht gerade zimperlich um. Sie hat mehrere Liebhaber und isst für ihr<br />

Leben gern große Portionen. Während sie in einem Nachtlokal anzubandeln versucht, wartet ihr<br />

Freund Richard zu Hause auf sie, um ihren Geburtstag zu feiern. Richard hat eine »Lebensstellung«<br />

ergattert und ist der lebensuntüchtigen Paula überdrüssig geworden. Er beendet die<br />

Beziehung und hört bald erstaunliche Neuigkeiten über seine Ex: Paula soll einer von Neonazis<br />

drangsalierten Türkin geholfen haben und liegt verletzt im Krankenhaus. Öffentlichkeit und<br />

Medien feiern sie bereits euphorisch als »Heldin von Potsdam«. Ein Fernsehsender plant eine<br />

Show mit ihr, doch dazu kommt es nicht mehr: Paula offenbart in einer Fernsehansprache ihre<br />

Lüge: »Heldin von Potsdam, nein das ist … das ist eine bis zur Unkenntlichkeit begehrte Lüge, um<br />

Gottes Willen, gute Nacht, ich gebe alles zurück!«<br />

Theresia Walser, geb. 1967 in Friedrichshafen, griff für ihr Stück auf eine wahre Begebenheit<br />

zurück: Im Jahr 1994 behauptete eine arbeitslose Mutter, sie habe eine alte Frau gegen Skin -<br />

heads verteidigt und sich dabei Verletzungen zugezogen; wenig später und nach einigem<br />

Medienrummel widerrief sie ihre Aussage. Seit Längerem sind die Stücke Theresia Walsers regelmäßig<br />

auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen, darunter »Das Restpaar« (UA 1997), »King<br />

Kongs Töchter« (UA 1998), »So wild ist es in unseren Wäldern schon lange nicht mehr« (UA 2000)<br />

und »Wandernutten« (UA 2004).<br />

Paula liegt im Krankenhaus. Ihre Geschichte, sie sei von Skinheads aus der fahrenden S-Bahn<br />

geworfen worden, weil sie einer attackierten Türkin geholfen habe, ist in der Welt. Im Fernsehen<br />

wird stündlich über Paula berichtet.


9. Szene<br />

Krankenhaus. Paula allein, sie sitzt aufrecht im Bett, trägt eine Augenklappe,<br />

um sie herum zahlreiche Blumensträuße in Vasen. Es ist erst dunkel,<br />

Paula zieht die Schnur einer kleinen Lampe über ihr, es wird hell, sie<br />

schaut sich im Zimmer um, und als würde sie erschrecken, zieht sie<br />

sofort wieder an der Lampenschnur. Dunkel.<br />

<strong>21</strong><br />

PAULA<br />

Dunkel. Danke<br />

Hell.<br />

[…]<br />

Fragen Sie, fragen Sie, fragen Sie<br />

Ich nicke<br />

Ich wiederhole<br />

Solange Sie fragen, weiß ich wieder wie sehr ich getan habe, was ich<br />

getan habe<br />

Nichts ahnend, ja<br />

Und mit einmal verschlägt es mich in diese Handlung<br />

Jeder, der kommt, spricht mit einer gesenkten Stimme und jeder bringt<br />

sein Mediengefolge mit, erst das Blitzlichtgewitter macht uns alle fruchtbar.<br />

Dunkel.<br />

Hell.<br />

Im Nachhinein kommt es mir vor, als müssten Sie dabei gewesen sein<br />

Als sei das Ganze vorher schon mal abgefilmt gewesen<br />

Das liegt wohl an meiner Tat, weil die so groß ist<br />

So eine Tat lässt sich ja auf Dauer gar nicht mehr in einem Moment<br />

unterbringen, diese Tat gibt sich mit einem Augenblick nicht mehr<br />

zufrieden<br />

Das haben die Heldentaten so an sich, die strecken und dehnen sich im<br />

Nachhinein selbst in die Vergangenheit aus<br />

Dann glaube ich,<br />

ich hätte mich vor meiner Tat schon selbst einmal im Fernsehn bei der<br />

Tat erwischt<br />

Anfällig für Wunder war ich ja immer schon, wo soll ich hineinsprechen?<br />

Dunkel.<br />

Hell.<br />

Diese Stunde, wo die Bäckereien wieder öffnen, ist mein Lieblingsmoment<br />

auf Erden


22<br />

Dort verschling ich einen Brotlaib, damit es mich nicht vollends aus den<br />

Schuhen hebt, hatte ja ein wenig den Standpunkt verloren, verstehen Sie<br />

Ich sitze in der S-Bahn, und außer mir sitzt weiter nichts als so ein dunkler<br />

Mantel<br />

Bitte Kamera auf dunklen Mantel halten!<br />

Das ist die Türkin<br />

Dann steigen die Kerle ein<br />

Kerl eins, Kerl zwei, grünlich blass, als hätten sie in der Nacht ihre Farben<br />

verloren,<br />

Ja, das sind Skins<br />

Woher ich weiß, wie die aussehen, weiß ich nicht<br />

Aber ich weiß, wie sie aussehen, das ist allgegenwärtig, das gehört schon<br />

lang zur bösen Folklore, man kann nicht alles prüfen, was es täglich<br />

anschwemmt, man weiß Bescheid, das nimmt zu und es beunruhigt, und<br />

es beruhigt, dass es nicht abbricht<br />

Besorgniserregend wäre es erst, wenn das Besorgniserregende ausblieb<br />

Die Stiefel kennt man, diese Stiefel haben nichts Gutes zu bedeuten<br />

Bitte Kamera auf Stiefel halten!<br />

Mit solchen Stiefeln ist man auf Hindernisse angewiesen<br />

Auf offenen Straßen sucht man für diese Stiefel nach einem Grund<br />

Kerl eins und Kerl zwei fangen an, den Mantel hin und her zu schubsen<br />

Bitte Kamera auf Skin eins und Skin zwei halten, wie sie die Türkin im<br />

Mantel schubsen!<br />

Ich höre so etwas wie: Was willst du, hähähä, wir machen dich hähähä,<br />

du bist nur hähähä, gleich wirst du hähähä<br />

Das ist gesprochen wie geschmiert, so wie das Zeug, das man in öffentlichen<br />

Toiletten und an Bushaltestellen liest<br />

Spätestens jetzt muss es mich gejuckt haben<br />

In den Sprunggelenken<br />

Ich wusste gar nicht, was ich für Sprunggelenke habe<br />

Man ist ja mehr oder weniger immer Zuschauerin gewesen<br />

Man kennt sich selbst ja nicht in solchen Szenen<br />

Wegrennen oder reinspringen<br />

Bitte Kamera auf meinen Sprung halten!<br />

Dunkel.<br />

Hell.<br />

Dann fall ich … man muss nicht alles überleben<br />

Erst fall ich auf die Knie, dann kipp ich vorn über auf die Schnauze<br />

So, wie im Western die angeschossnen Cowboys Knickse machen in den<br />

Sand


23<br />

Dann lass ich erst mal alles liegen wie es liegt<br />

Noch wusste ich ja nicht, was ich bin<br />

Ich, wie gesagt, hatte den Standpunkt verloren<br />

Bitte, halten Sie die Kamera einmal auf mein Gesicht von damals!<br />

Sehen Sie, auf mich hätte man nicht einmal schießen können, so ein<br />

erschwommenes Ziel wie ich<br />

Da bitte, sehen Sie, das rafft ja nicht mal eine Kamera<br />

Wackelexistenz, nicht zu fassen<br />

Dunkel.<br />

Hell.<br />

Ich habe noch nie so oft Nazi gesagt wie in den letzten Stunden<br />

Ich nicke, ich wiederhole<br />

Ich sage rechtsextrem, ich sage Skinhead<br />

Ich spreche über Deutschland<br />

Seit langem benutze ich wieder das Wort Zukunft<br />

Jaja, besorgniserregend, an der Besorgnis ist was dran<br />

An der Besorgnis hängt jetzt vor allem meine Zukunft<br />

Entschuldigen Sie, ich brauch eine Zigarette, danke<br />

Fausto Paravidino<br />

Stillleben in einem Graben<br />

Übers.: Laura Olivi und Georg Holzer<br />

UA: 2. Oktober 2001, Teatro Verdi, Mailand<br />

DE: 3. April 2005, Schauspiel Köln<br />

5 Rolle: Mother<br />

Im Straßengraben einer norditalienischen Stadt wird die nackte Leiche der 22-jährigen Elisa<br />

Orlando gefunden. Die junge Frau aus gutem Hause ist mit Tritten und Schlägen brutal getötet<br />

worden. Die Tatsache, dass sie Kokainspuren im Blut aufweist, lenkt die Ermittlungen ins örtliche<br />

Dealermilieu. Ihre Eltern, die beide in der Mordnacht separate Verabredungen mit Freunden hatten,<br />

wissen nichts über den Umgang ihrer Tochter. Ein Dealer bringt Kommissar Salti auf die Spur<br />

von Gipo, der ebenfalls dealt und Elisas Freund gewesen sein soll. Der Verdacht erhärtet sich: Die<br />

beiden waren am Abend vor dem Mord zusammen in einem Lokal, vor dem es zum Streit gekommen<br />

ist. Schließlich räumt Gipo ein, er habe seine Freundin in jener Nacht aus akutem Geldmangel<br />

dazu überredet, auf den Strich zu gehen – das erste Mal. Eine Prostituierte, die neben<br />

Elisa auf dem Straßenstrich arbeitete, kann schließlich den entscheidenden Hinweis geben: Ein<br />

Wagen mit zwei Männern sei auf der Suche nach zwei Frauen gewesen, sie habe Elisa überredet,<br />

gemeinsam mit ihr in das Auto zu steigen. Während sie selbst sich um den Fahrer gekümmert<br />

habe, sei dessen Beifahrer aus seinem Alkoholschlaf aufgewacht und habe den Wagen mit Elisa<br />

verlassen. Ihre Beschreibung dieses Mannes führt die Polizei zu Mario, Elisas Vater, der nach


Theatermonologe der Gegenwart<br />

55 ausgewählte Texte aus Stücken, die seit der Jahrtausendwende<br />

uraufgeführt wurden<br />

Mit einleitenden Kommentaren zur schnellen Orientierung<br />

über Stück, Situation und Rolle<br />

Eine Einführung in die neueste Dramatik für alle Theater-<br />

und Literaturinteressierten<br />

Zusammengestellt und eingeführt von Theaterregisseur<br />

Boris von Poser und Dramaturgin Sabine Bayerl<br />

ISBN 978-3-89487-705-7<br />

www.henschel-verlag.de

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